Elea aus der Ratshalle von AldburgFaramir und die beiden Marschälle der Mark, Erkenbrand und Elfhelm, berieten sich über die Zusammenstellung des rohirrischen Heeres in einem Raum in der Königsresidenz von Aldburg. Selbstverständlich wurde das gesamte Haus bewacht, und Cyneric hatte man den Posten direkt vor der Tür zum Besprechungszimmer zugeteilt. Die Männer hatten darauf bestanden, die Türe offen zu lassen, damit frische Luft hindurch strömen konnte, denn die Temperaturen waren erneut sehr heiß geworden. Cyneric nahm sich vor, die durch die offene Türe verlorene Sicherheit durch zusätzliche Wachsamkeit wettzumachen.
"Im Wald wird es wenig Platz für Ross und Reiter geben," sagte Faramir gerade. "Und bei der Belagerung sind uns berittene Einheiten ebenfalls eher hinderlich als dass sie hilfreich sind."
"Herr, die Männer sind kampferfahren," entgegnete Elfhelm. "Auch im Kampf zu Fuß werden sie alle Aufgaben erfüllen, die der Heermeister für sie hat."
"Das weiß ich, Elfhelm. Es geht mir um die Pferde. Bei der Belagerung wären sie im Weg und müssten bewacht und versorgt werden. Ich denke es wäre weiser, die Pferde hier zu lassen."
"Ihr wollt die Männer zu Fuß gehen lassen? Den ganzen Weg bis nach Dol Guldur?" wunderte sich Erkenbrand. "Das ist ein ziemlich langer Marsch, Heermeister."
"Die Elben werden ebenfalls nicht beritten sein. Thranduil plant ein rasches Vorrücken bis zur Ebene von Celebrant und anschließend einen koordinierten Übergang über den Großen Strom an den Untiefen dort."
"Nun, zumindest innerhalb der Grenzen der Riddermark sollten wir doch die Vorteile nutzen, die sich uns bieten," schlug Elfhelm vor. "Lasst die Männer reiten, bis sie die Ebene von Eorls Sieg erreichen. Dort mögen sie die Pferde zurücklassen oder zurück nach Aldburg schicken."
Faramir überlegte einen Augenblick, nickte dann zustimmen. "Nun gut. Ich werde es Glorfindel mitteilen. Er führt den Oberbefehl über das vereinigte Heer. In der Zwischenzeit solltet ihr die
éoreds auffüllen und zu Staffeln einteilen. Das Heer der Riddermark muss geordnet sein, bevor es aufbrechen kann."
"Es wird geschehen wie du befiehlst, Herr."
"Ich danke euch beiden. Lasst uns nun über die Bewaffnung der neuen Rekruten sprechen..."
Cyneric blendete das Gespräch aus. Vieles davon hatte er in vorherigen Gesprächen Faramirs mit seinen Marschällen bereits gehört, doch durch den engen Zeitplan und das stetige Eintreffen neuer Krieger mussten die Pläne immer wieder abgeändert werden. Seine eigene Einteilung würde sich nicht mehr ändern, das wusste er. Er würde Erkenbrands Einheit zugeteilt werden, genau wie der Rest der Gardisten die mit dem Heer ziehen würden. Faramir hatte die Hälfte der königlichen Garde unter Erkenbrands Befehl gestellt und zum Feldzug abkommandiert.
Am Ende des Ganges in dem er stand erschien einer der Gardisten, der vor dem Haupteingang der Residenz postiert gewesen war. Begleitet wurde er von einer schwarzhaarigen Frau, die einen Leinensack mit sich trug. Auf halbem Wege blieb der Gardist stehen, hob kurz die Hand zum Gruß in Cynerics Richtung und drehte dann wieder um, um auf seinen Posten zurückzukehren. Die Frau kam entschlossenen Schrittes auf Cyneric zu und blieb ein paar Meter entfernt stehen.
"Der Heermeister ist beschäftigt," sagte er ruhig.
"Bitte lasst mich ein; es ist wichtig," antwortete die Frau. Sie hatte blau-graue Augen und Cyneric war sich sicher, sie schon einmal irgendwo gesehen zu haben.
"Es tut mir Leid. Ihr müsst ein anderes Mal wiederkommen, Herrin."
Ihr Blick verhärtete sich. "Gardist, ihr müsst mich mit Faramir sprechen lassen."
"Er wünscht, nicht gestört zu werden," erwiderte Cyneric.
"Wer möchte mich denn stören?" erklang Faramirs Stimme neben ihm. Interessiert betrachtete er die Besucherin und zog eine Augenbraue nach oben. Dann trat er einen Schritt zurück und bedeutete der Frau, einzutreten. "Ich kann vermutlich ein wenig Zeit erübrigen. Meine Marschälle haben ihre Aufträge erhalten und unser Treffen ist beendet."
Cyneric warf einen schnellen Blick in das Zimmer und stellte fest, dass Erkenbrand und Elfhelm am Fenster standen und sich leise unterhielten. Er trat beiseite und machte der Besucherin den Weg frei.
Nachdem er ihr einen Platz am Kartentisch an dem er sich kurz zuvor mit den Kommandanten besprochen hatte angeboten hatte blickte ihr Faramir in die Augen.
"Also, meine Dame, dies ist nicht das erste Mal, dass ich dich sehe. Du warst bei der Ratsversammlung, nicht wahr?"
"Das stimmt. Du bist ein guter Beobachter, Truchsess Faramir."
"Mein Gedächtnis ist ebenfalls recht gut," sagte er schmunzelnd. "Elrond hat dich dort vorgestellt. Du bist Erelieva aus dem Norden."
"Erneut richtig. Mein Name ist
Erelieva Lóte in Dúnedain. Die meisten nennen mich einfach
Elea."
"Nun, Elea von den Dúnedain, was führt dich zu mir?"
"Ich... trage eine große Verantwortung mit mir, Faramir. Wie viele die bei der Ratsversammlung waren nun wissen, ist mein Sohn ...Helluin, der Anführer der Dúnedain die... in Sarumans Diensten stehen." Ihr schien es schwer zu fallen, diese Wahrheiten auszusprechen. "Er ist wieder mit diesem Zauberer nach Norden gegangen... und er hat sich verändert. Ich fürchte um meinen Sohn und will... ich muss versuchen, ihn vom Einfluß Sarumans zu befreien. Doch meine Verantwortung hindert mich, mit dem Heer nach Norden zu gehen und ihn zu suchen. Denn sollte ich scheitern oder nicht zurückkehren wären die Mühen vieler, die sie mir auftrugen vergeblich gewesen."
Sie machte eine Pause und blickte Faramir an, der still und aufmerksam zugehört hatte.
"Elea. Ich verstehe deine Sorge um deinen Sohn," sagte er. "Doch meinst du nicht, dass es seine eigene Entscheidung war, sich Saruman anzuschließen?"
"Nein! Er war noch nicht bereit dafür, Anführer der Dúnedain zu werden," stieß Elea heftig hervor. "Viel zu früh haben sie ihn mir weggenommen und nun hat er den Versprechungen einer Schlange nachgegeben. Ich muss ihn wieder zu klarem Verstand bringen und ihn retten, aber noch sitze ich hier fest!"
Faramir blickte sie ruhig an. "Beruhige dich. Erzähle mir von deiner Verantwortung, die du wie eine schwere Bürde mit dir herum trägst."
"Ich... ich werde sie dir zeigen," antwortete Elea und zog den Leinensack hervor den sie mitgebracht hatte. Sie zog das Tuch weg und zum Vorschein kam eine silbern schimmernde Krone.
"Die Flügelkrone Gondors," keuchte Faramir überrascht. "Wie... wie ist sie in deinen Besitz gelangt? Ich glaubte sie mit dem Rest von Minas Tirith verloren!"
"Das... ist eine längere Geschichte."
"Bitte, erzähle mir alles!" bat Faramir.
Und so erzählte Elea von ihren Erlebnissen in Minas Tirith. Wie sie in den Verliesen aufgewacht und von Herumor gefoltert worden war. Wie sie schließlich freigelassen und einige Zeit glücklich in der Stadt gelebt hatte. Wie die Bevölkerung immer unzufriedener geworden und letzten Endes einen Aufstand gewagt hatte. Wie sie mit Beregonds Hilfe aus der Stadt entkommen und über Ithilien und Dol Amroth schließlich nach Aldburg gereist war.
"Beregond also hat dir die Krone gegeben! Er ist ein tapferer und treuer Mann Gondors," sagte Faramir nachdem Elea geendet hatte.
"Nun, denke ich, verstehen wir uns besser, Elea von den Dúnedain. Deine Gründe, mir die Krone zu bringen kann ich nachvollziehen, doch bin ich mir nicht sicher, was ich damit tun soll. Selbstverständlich werde ich sie bewahren, doch..."
Er hielt einen Moment inne, sprach dann schnell weiter. "Dir steht es selbstverständlich frei, deinen Sohn zu suchen. Ich hoffe, du kannst ihn davon überzeugen, Saruman nicht länger zu dienen, aus welchen Gründen auch immer er es tut. Mein Herz sagt mir, dass in dieser Angelegenheit nicht alles so ist, wie es zu sein scheint. Lass dir die Umstände erklären und urteile nicht vorschnell."
Elea schien nicht überzeugt zu sein, erwiderte jedoch nichts. Sie übergab die Krone an Faramir, der sie mit einem nachdenklichen Blick entgegennahm. Dann verabschiedete sie sich und verließ den Raum.
Der Rest von Cynerics Wachdienst verlief ereignislos. Gegen Abend machte er sich müde auf den Rückweg zur Rüstkammer und fiel bald schon in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Cyneric, Faramir, Erkenbrand und Elfhelm ins Lager der ElbenElea zur Ebene von Celebrant