Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Rohan
Aldburg - In der Stadt
Eandril:
Mathan schüttelte lächelnd den Kopf und erwiderte: "Nein, tatsächlich waren wir auf der Suche nach dir."
Oronêl zog skeptisch eine Augenbraue hoch, sodass Mathan hinzufügte: "Nunja... wir haben uns gedacht dass du früher oder später hier vorbeikommen würdest, also haben wir hier auf dich gewartet."
Oronêl konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, auch wenn der Anblick des so offenkundig glücklichen Paares ihn unangenehm an Calenwen erinnerte. "Nun, da habt ihr richtig gedacht. Und wie es der Zufall will, wollte ich mich gerade auf die Suche nach euch machen. Es ist Eile geboten, und ich wollte vorschlagen, dass wir heute noch nach Westen aufbrechen."
Mathan zwinkerte Halarîn zu und antwortete: "Das trifft sich gut - eben das wollte ich dir vorschlagen."
"Dann ist es wohl beschlossene Sache, wenn ihr euch bereits einig seid ohne vorher darüber gesprochen zu haben.", meinte Halarîn.
"Gut.", sagte Oronêl, und warf einen Blick die Straße herunter in Richtung des Lagers. Er atmete einmal tief durch und fuhr dann fort: "Ich muss zurück ins Lager. Ich werde Orophin suchen und ihm Bescheid geben, und mich dann verabschieden... Ich schlage vor, wir treffen uns in einer Stunde am Westtor der Stadt wieder."
Mathan nickte und antwortete: "Einverstanden."
Oronêl ins Lager der Elben...
Mathan und Halarîn treffen letzte Vorbereitungen für ihre Reise und treffen sich danach am Westtor...
Link eingefügt
--Cirdan--:
Aus der Sicht des Halblings:
Pippin und Merry aus der Stadt.
Oronêl aus dem Lager der Elben.
Mathan und Halarîn aus der Stadt.
„Merry!“, rief eine helle Stimme den beiden Hobbits die Straße hinauf hinterher. Ein junges Mädchen in einfacher Tracht kam auf Pippin und Merry zu gerannt. „Kennst du sie?“, fragte Pippin erstaunt. „Ich bin Irwyne“, erklärte das Mädchen aus Rohan, als sie vor ihnen zum Stehen gekommen war. Pippin merkte deutlich, wie Merry aufatmete und sich offensichtlich freute, dass Irwyne ihren Namen genannt hatte. Wahrscheinlich hatte Merry ihn vergessen, überlegte Pippin.
„Hallo Irwyne“, antwortete ihr Merry mit einem Zwinkern zu Pippin, „wohin willst du denn so eilig?“ „Zum Westtor“, erklärte Irwyne rasch und fügte leiser und trauriger hinzu, „Oronêl bricht doch jetzt auf. Begleitet ihr mich?“
Für Pippin und Merry war schnell klar, dass sie die kleine Irwyne nicht alleine gehen lassen würden und so begleiteten die Beiden das junge Mädchen zum westlichen Stadttor von Aldburg. Weit war es nicht und auf dem kurzem Stück Weg durch die engen Gassen lernten sie Irwyne besser kennen.
Viel treiben herrschte nicht auf dem Platz vor dem Tor. Den zum Aufbruch bereiten Trupp erkannte Pippin sofort und wenn er richtig zählte, bestand er aus nur vier Mann. Irwyne korrigierte Pippin jedoch. „Es ist auch eine Frau dabei!“, sprach sie freudig.
Einige Elben waren versammelt, die sich von der Gruppe verabschiedeten. Elrond war der Einzige, den Pippin näher kannte oder überhaupt schon einmal gesehen hatte.
„Wohin brechen sie auf?“, fragte Merry seinen alten Freund. Doch auch Pippin hatte dazu keine Antwort. Es waren einfach zu viele Gesichter in Aldburg. Ein ständiges Kommen und Gehen, besonders seitdem die Flüchtlinge aus Lothlorien eingetroffen waren.
Interessiert beobachteten Pippin und Merry die Verabschiedung und die Vorbereitungen in letzter Sekunde. Nach einigem Zögern ging auch Irwyne zu Oronêl, Orophin, Mathan und Halarîn und wünschte ihnen viel Erfolg bei ihrer Suche. Kurz darauf löste sich Elrond aus der kleinen Menge und begrüßte die beiden Hobbits freundlich. „Nur noch einige Tage und dann werden auch wir gemeinsam nach Westen Richtung Auenland aufbrechen“, sprach Elrond. „Und wohin reist diese Gruppe“, stellte Merry selbige Frage an Elrond, die Pippin zuvor nicht beantworten konnte.
„Sie werden gehen, wohin sie ihre Fuße tragen und sie dem Ziel ihres Auftrages näher kommen“, antwortete der Halbelb in elbischer Manier. Nach einigen scharfen Blicken der Hobbits, die Elrond in seiner Sanftheit zum Glück nicht missverstand, erklärte er genauer: „Die Vier reisen zunächst nach Dunland, wo wir den verlorengegangenen Ring des Nazgûls vermuten. Sie haben den Auftrag den Ring im Geheimen zu finden und in den Schmieden Eregions zu zerstören. Weder Sauron noch Saruman dürfen davon etwas erfahren.“ Pippin und Merry verstanden und erinnerten sich an die Berichte der Schlacht von Dol Amroth, wo der Ring dem Nazgûl abgenommen wurde und der Erzählung, wie später in Lothlorien Amrothos den Ring an sich nahm und verschwand. Doch noch mehr baten sie Elrond zu erklären.
„Neun Ringe gab Sauron den Menschenkönigen“, holte Elrond aus, „und alle Neun wurden seine Diener und ihm hörig. Unsterblich wurden sie durch dunkle Zauberei. Durch Zeit konnten sie nicht sterben und erlagen sie dem Schwerte ihrer Feinde, kehrten sie in Geisterform zu ihrem Herrn zurück, der sie durch ihre Ringe wiederbeleben konnte. Die neun Ringe selbst wird Sauron verwahrt haben in den tiefsten Hallen seiner schwarzen Festung in Mordor. Die Nazgûl, wie die einstigen Könige heute genannt werden, waren jedoch schwach, solange ihnen ihr eigener Ring fehlte. Immer noch ein beängstigender und tödlicher Feind, aber nur ein Abbild ihrer selbst. Sauron hatte lange vor, so wird es gesagt, den Nazgûl ihre ganze Stärke zu geben, doch er brauchte die neun Ringe um die Kontrolle über seine obersten Diener zu behalten. Als er den Einen, seinen Meisterring zurückgewann, da war er in der Lage die Nazgûl auch ohne die neun Ringe zu beherrschen. Er rief die Neun zu sich und gab ein Jedem seinen Ring zurück. –Ich spürte es ganz deutlich.“ Elrond sah kurz seine Hand hinunter und fuhr dann fort: „Wie viel stärker die Nazgûl nun tatsächlich sind, mag niemand zu sagen. Der Hexenkönig konnte unter großen Mühen in Lothlorien bezwungen werden. Auch seinen Ring erlangten wir, aber er wurde Maethor später wieder abgenommen bevor er zerstört werden konnte.“
„Aber auch der Nazgûl in Dol Amroth ist besiegt wurden“, sprach Merry weiter, „es gibt also durchaus die Hoffnung, dass die Nazgûl nicht viel stärker geworden sind.“
„Die gibt es“, bestätigte Elrond, „außerdem haben sie jetzt eine große Schwäche, denn Sauron kann die Nazgûl ohne ihren Ring nicht wiederbeleben. Wenn also Oronêl und seine Begleiter Erfolg haben und den Ring finden und zerstören können, kann der Nazgûl nie wieder erwachen und die freien Völker haben einen Feind weniger.“
„Ihre Aufgabe ist wichtiger als ich vermutet hatte“, sprach Pippin, „aber woher wisst ihr dies alles Meister Elrond?“
„Nicht Weniges stammt von Saruman, der lange die Ringe der Macht studiert hat“, antwortete der Halbelb und ließ Pippin und Merry das Gesicht verziehen. Dies war nicht die Antwort, die sie hören wollten.
„Oh, seht“, rief Irwyne aus, die unbemerkt zu ihnen zurückgekehrt war, „sie steigen auf ihre Pferde.“ Tatsächlich schwangen sich die vier Elben grade in die Sattel. Elrond ging noch ein letztes Mal zu ihnen und dann verließen Oronêl, Orophin, Mathan und Halarîn Aldburg durch das Westtor.
„Sollen wir ein Horn zum Aufbruch blasen“, fragte Merry scherzhaft und Pippin antwortete lachend: „Dann können wir auch gleich ein Feuerwerk anzünden.“
Ein paar Tage vergingen in Aldburg. Wie viele es waren, das wusste Pippin nicht. Er beobachtete die Vorbereitungen der Elben und erwartete mit Spannung den Tag ihres Aufbruches.
Oronêl, Orophin, Mathan und Halarîn in Richtung Dunland auf die Furten der Isen.
Pippin und Merry begeben sich am Tag der Abreise der Elben ins Lager der Elben.
Fine:
13. Juli 3022
Aus der Sicht Éowyns
Éowyn stand auf dem großen Balkon der Königsresidenz Aldburgs, allein und in Gedanken versunken. Die Nachmittagssonne beschrieb langsam einen Bogen nach Westen während die Schatten in der Stadt mit jeder Minute länger wurden. Seit dem Aufbruch des Heeres war es ruhig geworden in Aldburg. Kaum ein Tag verging an dem nicht einige Menschen in Richtung ihrer Heimat aufbrachen, nun da der Friede in Rohan so gut gesichert schien. Viele kehrten zurück in ihre Dörfer und zu ihren Höfen, wo sie dringend gebracht wurden. Noch immer waren die Nahrungsvorräte knapp auch wenn eine Hungersnot vorerst abgewendet zu sein schien. Éowyn hoffte jedoch, dass die beiden Hobbits, die nach Norden gezogen waren, schon bald Unterstützung in dieser Sache bringen konnten. Bisher hatte man jedoch in Rohan noch kein Wort von der Lage in Eriador vernommen seitdem Meister Elrond mit großem Gefolge die Furten des Isen überquert hatte.
Eine sanfte Brise strich durch Éowyns Haar und einige blonde Strähnen verdeckten ihr die Sicht auf die Stadt. Nachdenklich strich sie die widerspenstigen Haare beiseite. Ihre Gedanken waren bei Faramir, der am Vortag in Richtung Helms Klamm geritten war um dort Streitigkeiten zu schlichten zwischen den Rohirrim und den Dunländern, denen man nach der Befreiung der Festung wegen ihrer Hilfe erlaubt hatte, dort zu bleiben. Sie fragte sie, ob es Neues von den Zwergen gab, die zu den Glitzernden Grotten am Ende der Klamm gezogen waren. Durins Volk war auf der Suche nach einer neuen Heimat gewesen, doch Éowyn wusste nicht, ob die Höhlen dort ihnen zusagen würden.
"Herrin," riss sie eine zarte Stimme aus ihren Gedanken. Es war eine der Bediensteten, die in dem großen Haus arbeiteten, ein Mädchen von neunzehn Jahren.
"Was gibt es, Lúfa?" fragte die Königin sanft.
"Ein Bote ist eingetroffen," beantwortete Lúfa die Frage und machte eine artige Verbeugung. "Er bringt Nachricht von Erkenbrands Feldzug."
Eilig stand Éowyn auf. "Schicke ihn herauf," bat sie. "Und lass' Speisen und Wasser bringen. Sicherlich ist er erschöpft vom langen Ritt."
Lúfa nickte und rannte davon. Éowyn blieb angespannt alleine zurück. Welche Neuigkeiten würde der Bote bringen? Sie wünschte, Faramir wäre bereits wieder in Aldburg.
Ein Reiter in der Rüstung der königlichen Garde betrat den Balkon. Den Helm hatte er abgenommen und unter den linken Arm geklemmt. Schwert, Schild und Speer hatte er bereits am Eingang des Hauses abgelegt.
"Willkommen zuhause, Sigefrith," begrüßte Éowyn den müde wirkenden Gardisten. "Setz' dich, es wird gleich eine Erfrischung für dich geben. Doch sprich, welche Kunde bringst du?"
Sigefrith schlug mit der Faust leicht gegen seinen Brustpanzer und neigte das Haupt, eine Geste des Respekts. Dann ließ er sich auf dem hölzernen Stuhl gegenüber der Königin nieder.
"Gute Nachrichten, Herrin!" berichtete er. "Die feindliche Festung ist genommen und der Feldzug ein Erfolg."
Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf Éowyns Gesicht aus. Doch der Bote hatte noch mehr zu erzählen.
"Erkenbrand entsandte mich gleich nach dem Ende der Kämpfe, um die Botschaft zu überbringen. Aber es gibt noch mehr zu berichten. Marschall Elfhelm ist gefallen, und mit ihm viele tapfere Eorlingas. In den entscheidenden Gefechten war es ihr Mut, der uns zum Sieg führte."
"Sie werden nicht vergessen werden," sagte Éowyn entschieden. "Und weder vergessen wir ihr Opfer, das diesen Triumph ermöglichte. Ich werde die Barden anweisen, ein Lied über die Schlacht zu verfassen."
Lúfa kehrte mit zwei weiteren Bediensteten zurück, die einen gut gedeckten Tisch herbeitrugen und vor dem Meldereiter abstellten. Dieser begann zu essen, beantwortete jedoch währenddessen die Fragen, die Éowyn ihm stellte. So erfuhr sie vom überraschenden Angriff der Ostlinge im Rücken der Uruk-hai, vom Fall der großen geflügelten Bestie und der Befreiung König Bards. Doch vor allem erfuhr sie von den Worten Sarumans und vom Ende der Allianz.
"Dies ist wahrlich nicht überraschend," kommentierte sie. "Saruman war von jeher ein Feind der Menschen Rohans. Mein Herz sagte mir, dass er bald seine wahren Absichten enthüllen würde. Er will herrschen und Befehle geben, und teilt seine Macht nicht gerne. Nun müssen unsere Augen wachsam zu den Furten des Isen und nach Dunland blicken."
Und sie gab den Befehl, Reiter nach Westen zu entsenden um dem Kommandanten von Helms Klamm entsprechende Anweisungen zu überbringen.
Die traurige Nachricht über den Tod so vieler Rohirrim blieb Éowyn noch einige Zeit im Gedächtnis, doch gab es etwas, das sie wieder fröhlicher stimmte. Etwas, wovon sie selbst erst seit einem Tag wusste, und das alles verändern würde. Als sie hörte, dass Faramir sich Aldburg näherte, begab sie sich zum großen Tor am Nordrand der Stadt um auf ihn zu warten. Begleitet von Lúfa und drei wachsamen Gardisten stand sie dort, ihr weißes Kleid rötlich schimmernd im Licht der Abendsonne. Auf der Straße vor ihr tauchten Reiter auf, die schnell näher kamen. Ganz vorne ritt ein Mann mit einem grünen Umhang und stattlicher Gestalt. So kehrte Faramir nach Aldburg zurück und wurde herzlich empfangen. Lange umarmte er seine Frau und lauschte ihren Worten, die vom Erfolg bei Dol Guldur berichteten. Éowyn jedoch hielt das Wichtigste zurück, bis sie sich schließlich zu zweit auf den großen Balkon wiederfanden, die letzten Sonnenstrahlen auf ihren Gesichtern. Sie legte ihre Hand in seine und drückte sie. So standen sie einen Augenblick dort, zwei hochgewachsene Gestalten vor dem Sonnenuntergang. Schließlich wandte sich Éowyn Faramir zu, ein strahlendes Lächeln im Gesicht.
"Ich bin schwanger," sagte sie leise und sah zu, wie sich Überraschung und Freude in Faramirs Gesicht abwechselten.
Fine:
Valion und Rinheryn aus Firnharg
Nach einem mehrstündigen Ritt erreichten die beiden Gondorer das Tor von Aldburg am Mittag desselben Tages, an dem sie von Firnharg aufgebrochen waren. Valion fiel auf, dass außerhalb der Stadt eine große freie Fläche zwischen den Bäumen eingeebnet worden war, die ihn an ein Kriegslager erinnerte. Doch weder Zelte noch Holzbauten waren dort zu sehen. Wer auch immer dort einst gelagert hatte, war offenbar bereits weitergezogen.
Vor dem Tor saßen sie ab und teilten den Wachen ihre Absichten mit. Die in schwere Rüstungen und grüne Umhänge gekleideten Wächter waren zu Anfang skeptisch, doch als sie erfuhren, um wen es sich bei Rinheryn handelte, hellten sich die Mienen rasch auf.
„Die Stormhére kommt nach Aldburg? Dann sind die Geschichten also wirklich wahr?“
„Wir haben hier keine Probleme mit den Orks im Gebirge - vielmehr bereiten uns die Orks jenseits des Grenzflusses Schwierigkeiten,“ sagten sie.
Rinheryn und Valion gaben den Wachen eine kurze Beschreibung des Mannes, den sie suchten. Die beiden Rohirrim warfen einander einen vielsagenden Blick zu.
„Ihr solltet mit dem Heermeister sprechen,“ sagte einer der beiden. „Am besten geht ihr direkt zu ihm. Ihr findet ihn in den königlichen Unterkünften im oberen Distrikt der Stadt.“
Mehr wollten sie dazu nicht sagen, was Valion misstrauisch werden ließ. Irgendetwas stimmt hier nicht, dachte er sich, während er Rinheryn durch die belebten Straßen der Hauptstadt Rohans folgte. Duinhirs Tochter kannte sich hier gut aus, denn sie war seit der Öffnung der Pfade der Toten mehrmals als Meldereiterin hier gewesen. So fanden sie rasch das große Haus, in dem Faramir und seine Frau, die Königin von Rohan wohnten. Auch dort wurden sie von den Gardisten rasch hereingebeten, nachdem sie ihnen den Grund ihres Besuches genannt hatten.
Faramir, Prinzgemahl Éowyns und Heermeister von Rohan und Anórien, war bereits über ihre Ankunft unterrichtet worden. Er erwartete Valion und seine Begleiterin auf einer großen Terasse, die nach Norden hin einen ausgezeichneten Ausblick über die darunter liegenden Stadt bot. Es war nicht Valions erste Begegnung mit dem Sohn des verstorbenen Truchsessen Denethor, doch direkt mit Faramir gesprochen hatte er nie.
„Willkommen in Aldburg, Valion, Amlans Sohn, und Rinheryn, Duinhirs Tochter., begrüßte sie der Heermeister und erhob sich von dem Stuhl, in dem er gesessen hatte. Er bot Valion die Hand an, und sie schlugen ein.
„Ich habe schon viel von deiner Tapferkeit gehört, Stormhére,“ fuhr Faramir fort, an Rinheryn gewandt. „Und ich bin dir dankbar für das, was du für Rohan getan hast. Die Eorlingas stehen in deiner Schuld.“
Rinheryn schien dieses Lob etwas peinlich zu sein, denn die junge Frau trat verlegen von einem Bein aufs Andere und schaute Faramir nicht in die Augen. „Ach, das war doch nichts Besonderes,“ brachte sie hervor.
„Meinen Dank hast du dennoch,“ erwiderte Faramir lächelnd. „Doch habe ich gehört, dass ihr beiden nicht hier seid, um eine Belohnung einzufordern.“ Auffordernd blickte er Valion an.
„Ganz recht,“ antwortete dieser. „Ich jage einen Mann, der vielerlei Verbrechen gegen Gondor begangen hat und nun auch Leben in Rohan auf dem Gewissen hat.“ Rasch fasste er Gilvorns Taten zusammen, und Faramir nickte.
„Der, den du suchst, ist hier gewesen und hat mit mir gesprochen. Ich wünschte, ich hätte damals schon gewusst, was du mir nun berichtest, Valion. Er bot an, in meinem Namen nach Anórien zu gehen und die Orks in Aufruhr zu versetzen, damit sie unsere Streitmacht nicht kommen sehen und wir sie überraschend können.“
„Eure Streitmacht?“ fragte Rinyheryn.
„Vor wenigen Wochen schlugen wir einen großen Angriff auf unsere östliche Grenze zurück. Immer wieder bedrohen die Horden Mordors die Ostfold von Anórien aus. Glücklicherweise sind wir in diesem Kampf nicht alleine, denn Meister Elronds Krieger standen uns bei. Sie lagerten außerhalb der Stadt. Wir kamen gestern überein, dass der Zeitpunkt für einen Gegenschlag reif sei. Gestern Nachmittag gaben wir Gilvorn das schnellste Pferd, das in den Stallungen zu finden war, und entsandten ihn mit den besten Wünschen nach Anórien. Und im Schutze der Dunkelheit brachen die Elbenkrieger auf, um ihm zu folgen und Mordor einen schweren Schlag zu versetzen.“
„Mir gefällt nicht, wohin das führt,“ murmelte Valion.
„Nun, da ich weiß, dass Gilvorn ein Verräter ist, befürchte ich, dass die Elben in eine Falle geraten werden, wenn sie den Mering-Strom nach Osten überschreiten. Wir haben also keine Zeit mehr zu verlieren. Uns bleibt keine Wahl - wir müssen so schnell wie möglich alle verfügbaren Reiter zu ihrer Rettung entsenden.“
Er klatschte in die Hände, und die Gardisten, die vor der Tür gewartet hatten, kamen herein und verbeugten sich. „Geht und ruft Marschall Elfmar herbei,“ befahl Faramir. „Und lasst in der Stadt verkünden, dass sich jeder kampffähige Mann bei Sonnenuntergang kampfbereit vor dem Tor einfinden soll.“
Die Wachen eilten davon, während Faramir sich wieder an Valion und Rinheryn wandte. „Ich bedaure, dass ich Gilvorns wahre Absichten nicht rechtzeitig erkannt habe.“
„Mich hat er zunächst ebenfalls getäuscht,“ erwiderte Valion. „Deswegen ist es so wichtig, dass wir ihn endgültig aufhalten.“
„Ich verstehe,“ sagte Faramir. „Du erweist Gondor einen großen Dienst, indem du den Verräter aufhältst. Ehrlich gesagt hätte ich dich so nicht eingeschätzt, jedenfalls nicht dem Ruf nach, der dir voraus eilt.“ Faramir bedachte Valion mit einem wissenden Blick.
Das brachte Valion ein wenig in Verlegenheit und er sagte: „Schätze ich habe mich seit meiner Zeit in Umbar zumindest ein klein wenig gebessert...“
„Eigentlich... liegt mir sogar eine Anweisung vor, dich zu ergreifen und in Ketten nach Dol Amroth zu bringen,“ gestand Faramir ein. „Wenige Tage vor deiner Ankunft kam eine Brieftaube aus der Schwanenstadt. Doch als ich hörte, dass du auf dem Weg zu mir warst, beschloss ich, zunächst deine Version der Ereignisse anzuhören und bin der Meinung, dass ich diesmal ein Auge zudrücken könnte - sofern Duinhirs ehrenhafte Tochter für dich bürgt.“
Rinheryn, die bis zu diesem Moment auf die Stadt hinab gestarrt hatte und offensichtlich eigenen Gedanken nachgehangen war, schreckte auf und gab ein undamenhaftes „Hm?“ von sich, ehe sie sagte: „Oh, ähm... tja, ich würde sagen, der Bursche geht schon in Ordnung. Immerhin schulde ich ihm mein Leben. Ich hoffe nur, er ist wirklich so gut mit dem Schwert wie die Leute sagen, sonst muss ich meine Meinung vielleicht revidieren.“
Faramir lachte. „Dann ist es beschlossen. Reitet mit mir nach Anórien, und wir werden sehen, was es dort zu sehen gibt. Wir werden die Elben von Imladris nicht dem sicheren Tod überlassen und Gilvorn einen Strich durch die Rechnung machen. Und wenn uns das Glück gewogen ist, werden wir den Verräter seiner gerechten Strafe zuführen.“
Valion nickte enthusiastisch. „Das nenne ich mal einen Plan, der meine vollste Zustimmung hat!“
„Und du, Stormhére? Meine Reiter wären gewiss froh, wenn du dich uns ebenfalls anschließen würdest,“ sagte Faramir, an Rinheryn gerichtet.
„Ich habe noch eine Rechnung mit dieser miesen Betrüger-Ratte offen,“ erwiderte Duinhirs Tochter kampflustig. „Selbstverständlich komme ich mit.“
„Dann ist es beschlossen,“ sagte Faramir zufrieden.
„Was ist beschlossen, Liebster?“ erklang eine weibliche Stimme hinter ihn, und Faramirs Miene wurde weich. Valion drehte sich um und sah zwei Frauen auf sich zukommen. Eine der beiden trug einen königlichen Reif auf ihrem geflochtenen, blonden Haar und ein dunkelrotes, prunkvolles Kleid. Die zweite war offensichtlich eine Bedienstete, was an der schlichten Kleidung gut zu erkennen war. Auch sie war blond. Und jede der beiden Frauen trug einen Säugling auf dem Arm.
„Die Reiter Rohans werden nach Anórien gehen, Éowyn,“ sagte Faramir und trat zu seiner Ehefrau. „Ich habe erfahren, dass die Streitmacht der Elben womöglich in eine Falle laufen wird. Das darf nicht geschehen.“
Éowyn, Königin von Rohan, nickte zustimmend und entschlossen sagte sie: „Ich würde mit euch reiten, doch mein Platz ist in diesen Tagen hier. Kämpfe tapfer, Geliebter, doch vergiss nicht, dass ich auf dich warten werde... dass wir auf dich warten werden.“ Ihr Blick ging hinab zu dem schlafenden Kind in ihrem Arm. Es hatte dieselben blonden Haare wie seine Mutter, während das zweite Kind die dunklen Haare Faramirs hatte.
„Dies sind Valion und Rinheryn, zwei Edle Gondors, die sich uns anschließen werden,“ stellte Faramir sie vor. „Ihr steht vor Éowyn Éomundstochter, Herrin der Mark und Königin von Rohan.“
Rasch verbeugten sie sich, doch Éowyn hob lächelnd die Hand. „Aus Gondor stammt ihr? Dann seid ihr die ersten aus jenem Land, die meine Kinder zu Gesicht bekommen. Dies sind Stéorric und Westhild aus dem Hause Eorl.“
„Und in Gondor sollen sie als Elboron und Adúnien aus der Linie Húrins bekannt sein,“ ergänzte Faramir, der die dunkelhaarige Adúnien auf den Arm genommen hatte, während seine Frau noch immer den Zwillingsbruder des kleinen Mädchens hielt.
Der Anblick der Kinder machte Valion sehr nachdenklich. Erst vor wenigen Tagen hatten er und Lóminîth über dieses Thema gesprochen und damals hatte er sich bereit dafür gefühlt, selbst Vater zu werden. Faramirs Kinder nun zu sehen, die erst wenige Monate alt ware, ließ ihn diese Entscheidung wieder anzweifeln. Er wusste nicht, ob er mit einer so gewaltigen Verantwortung zurecht kommen würde.
Rinheryn packte ihn am Arm und riss Valion aus seinen Gedanken. „Na komm schon, mein Großer. Wir sollten uns kampfbereit machen. Die Sonne wird in wenigen Stunden untergehen, und bei Nacht werden wir gewiss ins Gefecht kommen. Da bleibt mir gerade noch genug Zeit für ein Nickerchen, wie ich finde. Danach werde ich gut ausgeruht in die Schlacht ziehen werden. Kommst du mit?“
In einer der Scheunen nahe des Tores gelang es den beiden tatsächlich, für eine Stunde die Augen zuzumachen und etwas Schlaf und Erholung zu finden. Als die Sonne schließlich unterging wurden vor dem Tor die Kriegshörner geblasen, und hastig sattelten Valion und Rinheryn ihre Pferde, um sich den Reitern von Rohan auf ihrem Ritt nach Anórien anzuschließen.
Faramir, Valion, Rinheryn und Elfmar mit den Reitern von Rohan nach Anórien
Fine:
Cyneric, Zarifa und Kerry aus dem Hargtal
Es war erst das zweite Mal, dass Kerry die Stadt Aldburg mit eigenen Augen sah. Als sie zuletzt hier gewesen war, war sie noch ein Kind gewesen und hatte ihre Eltern dorthin begleitet. Nun kehrte sie als junge Frau zurück. Erneut kamen sie zu dritt an das Tor der Stadt, doch anstelle von Kerrys Mutter war diesmal die Südländerin Zarifa die Dritte im Bunde.
Erstaunlicherweise lachten die Wachen, als sie Kerrys Vater erkannten. "Sieh mal einer an. Der Rumtreiber kehrt zurück," sagte der erste Wächter.
"Die Gerüchte, die wir aus Edoras gehört haben, waren also wahr," meinte der Zweite mit einem breiten Grinsen.
"Hast dir ganz schön Zeit gelassen, alter Knabe," sagte der dritte Gardist. "Hat dir eine der Ostling-Frauen schöne Augen gemacht?"
Zu Kerrys Verwunderung ging ihr Vater kaum auf die Sprüche seiner Gefährten ein. "Ich erzähle euch nach Schichtende alles in Ruhe," erklärte er. "Wir treffen uns im Gasthof "Zur Alten Straße", die erste Runde geht auf mich."
"Hört, hört!" riefen die Wächter und ließen die Gruppe passieren.
Im Inneren der Stadt herrschte ein ziemliches Gedränge. Überall waren Menschen unterwegs. Die Dächer und Straßen Aldburgs waren mit einer dünnen Schicht Schnee bedeckt und die Luft war kalt genug, dass Kerrys Atem bei Ausatmen als weiße Wolke entwich. Sie hatte Zarifas Hand genommen, die sich warm anfühlte, und bahnte der Südländerin einen Weg durch die Menschenmassen, während sie ihrem Vater die Hauptstraße entlang folgte. Es ging bergauf.
"Wohin gehen wir, Vater?" fragte Kerry.
"Wir suchen Marschall Erkenbrand auf. Er wird meinen Bericht hören wollen, und darüber hinaus wird er wissen, zu wem wir Zarifa bringen können."
Zarifa hatte seit ihrer Ankunft in Aldburg noch kein Wort gesagt. Staunend blickte sie sich um und schien die neuen Eindrücke wie ein Schwamm aufzusaugen.
"Mach dir keine Sorgen, Zarifa. Alles wird gut werden," sagte Kerry. Das entlockte Zarifa ein zaghaftes Nicken, und Kerry freute sich darüber. Sie wollte Zarifa helfen, und sie wusste, dass ihr Vater diesen Wunsch teilte. Auf dem Weg nach Aldburg hatte sie sich rasch an Cynerics beruhigende Gegenwart gewöhnt, was den Schmerz und die Trauer über Oronêls Abschied etwas leichter zu ertragen gemacht hatte.
Sie erreichten ein großes Gebäude aus dunklem Holz, das Cyneric ihnen als Rüstkammer der Königsgarde vorstellte. Dort hoffte er, Herrn Erkenbrand vorzufinden.
"Erkenbrand? Nein, der ist gerade nicht hier. Wir hörten, er hielte sich in der Residenz der Königin auf," erklärte man ihm auf seine Frage hin. Weitere Gardisten erkannten Cyneric wieder und wurden ebenfalls auf einen Umtrunk im Gasthof zu späterer Stunde eingeladen, ehe er die Rüstkammer wieder verließ.
"Cyneric," sagte Zarifa, während sie einer der kleineren Straßen in die höher gelegenen Viertel der Stadt folgten. "Kennst du die Königin, von der die Männer gesprochen haben?"
"Ich habe viele Jahren in ihren Diensten gestanden," antwortete Kerrys Vater.
Zarifa gab ein Schnauben von sich, das wohl Belustigung ausdrücken sollte. "Erst die Königin der Waldelben, und jetzt die Königin von Rohan. Wenn du mir als Nächstes die Königin der Zwerge vorstellst, würde mich das nicht im Geringsten wundern."
Kerry lachte. "Ich glaube kaum, dass die Zwerge überhaupt so etwas wie eine Königin haben. Hast du schon jemals eine Zwergenfrau gesehen?"
"Ich habe noch gar keinen Zwerg in meinem Leben gesehen," erwiderte Zarifa.
"Da hast du nicht sonderlich viel verpasst," meinte Kerry grinsend.
Vor der Königsresidenz stand ein weiterer Gardist, der Cyneric aufgeregt begrüßte. Er war kaum älter als Kerry und Zarifa, schien daher wohl noch recht neu bei der Königsgarde zu sein.
"Ihr sucht den Herrn Erkenbrand? Ja, er ist hier, im Kartenraum im Obergeschoss. Ich bringe euch gleich zu ihm."
"Ist schon gut, mein Junge. Wir finden den Weg selbst. Bleib du besser auf deinem Posten, wenn du dir keinen Ärger einhandeln willst," erwiderte Cyneric. Und so betraten sie das Haus, das einst der erste Sitz der Könige Rohans gewesen war, ehe die Goldene Halle von Meduseld erbaut worden war. Cyneric führte die Mädchen die Treppe hinauf ins Obergeschoss. Zielstrebig brachte er sie zu einer Tür, hinter der ein Raum lag, dessen Fenster nach Süden auf das Weiße Gebirge hinaus blickten. Ein gerüsteter Krieger stand über einen Kartentisch gebeugt in der Mitte des Raumes. Als er Cyneric bemerkte, drehte er sich um.
"Ah, Cyneric. Willkommen, mein Freund. Ich hatte deine Ankunft bereits erwartet," sagte Erkenbrand, der nicht sonderlich überrascht wirkte.
"Hat Dunstan dir aus Edoras Bericht erstattet?" wollte Cyneric wissen.
"Das hat er, doch mein Wissen über dein bevorstehendes Eintreffen stammt nicht von ihm," entgegnete Erkenbrand mit einem Lächeln.
"Sondern von mir," erklang eine Kerry wohl bekannte Stimme. Sie schob sich an ihrem Vater vorbei, um besser in den Kartenraum hinein blicken zu können. Dort stand Gandalf, in weiße Gewänder gehüllt und auf seinen Stab gestützt. Der Zauberer lachte. "Hallo, Kerry. Wie schön dich zu sehen, meine Liebe."
Kerry konnte nicht anders, sie musste ihn einfach umarmen. "Gandalf!" brachte sie hervor. "Ich dachte, du wärest noch immer in Mithlond, bei den Elben."
"Ihr kennt dieses Mädchen, Herr Gandalf?" wunderte sich Erkenbrand.
"Und ob ich sie kenne," entgegnete Gandalf. "Und auch ihrem Vater bin ich bereits begegnet."
"Jetzt wird mir klar, wen wir vor wenigen Tagen in der Wold getroffen haben," murmelte Cyneric. "Ihr wart es also, der Zarifa geholfen habt. Vielleicht... könntet Ihr ihr erneut behilflich sein?" fragte er mit Vorsicht in der Stimme.
"Worum geht es denn?" wollte Gandalf wissen.
Zarifa blickte beschämt zu Boden. Kerry konnte sie gut verstehen. Wäre sie selbst schwanger gewesen, wäre das nichts, was sie vor wildfremden Menschen herausposaunen wollen würde. Also beschloss sie, Zarifa zur Hilfe zu eilen. Rasch flüsterte sie Gandalf ins Ohr, wobei er Zarifa behilflich sein könnte. Der Zauberer lächelte und nickte. Dann wandte er sich der Südländerin zu, die instinktiv vor ihm ein Stück zurückwich.
"Du brauchst keine Angst zu haben," sagte Gandalf mit warmer Stimme. "Lass mich sehen, wie es um dich bestellt ist. Es wird nicht lange dauern." Er nahm Zarifas Hand, und als sie hilfesuchend Kerry anblickte, nickte diese ermutigend. Zögerlich ließ Zarifa sich von Gandalf etwas beiseite führen, während der Zauberer mit leisen, beruhigenden Worten auf sie einredete.
Cyneric hatte derweil begonnen, Erkenbrand seinen Bericht zu erstatten. Kerry hörte einige Minuten interessiert zu, doch da sie den Großteil der Geschichte bereits kannte, wurde ihr rasch langweilig. Nachdem einige Minuten verstrichen waren, kehrte Gandalf mit Zarifa zurück. "Dem Kind geht es gut," stellte der Zauberer klar. "Es ist gesund und wächst stetig heran."
"Da bin ich froh," sagte Kerry und umarmte Zarifa. "Ich habe dir ja gesagt, dass alles gut werden wird."
Zarifa blickte ihr in die Augen. "Das hast du gesagt, aber..." Sie hielt inne und blinzelte. Dann nickte sie. "Ich bin dankbar, Kerry."
Kerry grinste. "Während mein Vater den Rest seines Berichts ablegt, sollten wir uns etwas zu Essen suchen. Ich bin am Verhungern, und unsere Vorräte sind aufgebraucht."
"Nun, womöglich findet ihr in den Küchen noch ein paar Reste," sagte Erkenbrand. "Die Königin und der Herr Faramir haben ihr Abendessen bereits beendet und sprechen derzeit mit dem König der Dunländer..."
Kerry riss die Augen auf. "Sagtet Ihr König der Dunländer? Er ist hier?"
Erkenbrand blickte sie verwundert an, während Gandalf schmunzelte. "Der Wolfskönig bat um eine Audienz, die ihm auf dem oberen Balkon gewährt wurde, und..."
Kerry ließ ihn mitten im Satz stehen und rannte los. Zarifa, Erkenbrand, Gandalf und Cyneric blieben zurück, und Kerry hörte noch, wie sie sich über ihr Verhalten wunderten. Doch es war ihr egal. Sie brauchte nicht lange, um den Balkon zu finden, der nach Norden hinaus ging und einen Ausblick über die weißen Dächer der Stadt bot. Vor dem Eingang standen zwei Wachen: ein Gardist der Königin mit Speer und Schild, und ein Dunländer mit Pelzumhang und einem langen Zweihänder auf dem Rücken.
"Déorwyn?"
"Kerry?"
Beide hatten gleichzeitig gesprochen und blickten einander überrascht an. Beide hatten Kerry erkannt; der Gardist kam ihr vage bekannt vor und musste ihr wohl einst in Edoras bei einem ihrer vielen Besuche dort begegnet sein, und der Dunländer war einer aus Aéds "Wolfsrudel", wenngleich sich Kerry gerade nicht an seinen Namen erinnern konnte. Sie nutzte die Verwirrung der beiden Wachen und schlüpfte zwischen ihnen hindurch.
"Wir kommen mit dem Wiederaufbau gut voran. Domnall schätzt, dass die große Halle auf der obersten Ebene von Edoras in wenigen Wochen fertiggestellt sein wird. Die Stadtmauer hingegen wird wohl noch..."
Da war er. Aéd! Er saß auf einem Stuhl ohne Lehne nahe des Geländers des Balkons und hatte mitten im Satz inne gehalten, als er Kerry bemerkt hatte.
"Wer bist du, Kind?" Aéds Gesprächpartnerin blickte Kerry freundlich, aber eindeutig verwundert an. Sie - eine dunkelblonde Frau in einem tiefgrünen, bestickten Kleid - wandte sich Kerry zu. Sofort fiel Kerry auf, was sie hier eigentlich tat, und sie erkannte Königin Éowyn, die Herrin von Rohan.
Kerry gab einen halbwegs akzeptablen Knicks von sich und senkte errötend den Kopf. "Ich heiße Déorwyn, Tochter Cynerics, und ich..."
"Cyneric?" fragte die Königin.
"Kerry?" rief Aéd gleichzeitig. "Ich dachte, du wärest im Düsterwald..."
"Das war ich auch," begann Kerry zu erklären, ehe ihr wieder bewusst wurde, in welcher Art von Situation sie sich befand. "Es tut mir Leid, Euer Majestät. Ich hätte nicht stören dürfen."
Zu ihrem Erstaunen lächelte Éowyn sie freundlich an. "Dein Vater hat hin und wieder von dir erzählt. Er leistet gute Arbeit. Es stimmt also, dass er aus Rhûn zurückgekehrt ist?"
Kerry nickte und blickte mehrfach zwischen Aéd und Éowyn hin und her. "Er spricht gerade mit Herrn Erkenbrand und..."
Aéd war aufgestanden. Ehe Kerry reagieren konnte, hatte er ihre Hand genommen. Er war ganz nahe, ohne dass sie darauf vorbereitet gewesen war. Und dann küsste er sie.
"Ihr beiden kennt euch wohl ebenfalls schon," sagte Königin Éowyn, halb erstaunt, halb belustigt.
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