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Autor Thema: In der Stadt  (Gelesen 35890 mal)

PumaYIY

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In der Stadt
« am: 8. Okt 2010, 15:06 »
Karthull kommend von der Bucht von Belfalas


Rückblick 2
Karthull erblickte die Sonne die ihm mit freundlicher Wärme den Körper beschien. Der Kapitän des Schiffs führte Karthull eine Promenade mit Seeblick entlang, es ging bergab und der Kapitän erschien ihm bedrückt. Nach einer Weile des stillen Gehens fragte Karthull: "Wie sind die Geschäfte gelaufen?" "Ich kann mich nicht beklagen, Fürst Imrahil ist ein gütiger und gut zahlender Auftraggeber und die Vorräte ließen sich verkaufen als hätten alle hier zehn Tage nichts mehr gegessen." , antwortete der Kapitän, der wie es Karthull schien sich einerseits über seinen Gewinn freute aber sich auch der Notwendigkeit seiner Arbeit bewusst war, denn dass die Vorräte in Dol Amroth knapp waren hatte Karthull schon seit seiner Ankunft erfahren. Sie wollten gerade in eine Seitengasse einbiegen, damit der Kapitän Karthull die Festungsanlage der Stadt aus einer anderen Perspektive zeigen hätte können, als Karthull ein heftiges Stechen an seiner Wunde spürte, stolperte und verkrampft und schmerzerfüllt auf den Boden und in Ohnmacht fiel.

Er sah wieder die Bilder der Schlacht auf den Schiffen an sich vorbeiziehen und er fühlte sich als wäre er wieder mitten drin: Der Matrose der sich mutig dem ersten Angreifer entgegen geworfen hatte und ihn mit der Reiterlanze in den Bauch stach wurde gleich vom nächsten Korsaren anvisiert, und es begann ein wildes Gefecht, denn viele Korsaren sprangen nacheinander auf das Schiff und viele Matrosen versuchten auf der anderen Seite dagegenzuhalten. Karthull war mitten im Geschehen und als der erste Kosar auf ihn zu sprang und mit seinem Säbel auf ihn schlagen wollte durchborte eine Lanze von hinten die Brust des Korsaren. Das problematische dabei war, dass der Matrose der Karthull geholfen hatte die Lanze nicht schnell genug aus dem Korsaren herausziehen konnte und Karthull, da der Kosar nach vorne kippte indirekt, die Lanze, nicht energisch aber dennoch hart gegen die Schulter stoß. Karthull hatte den Schmerz vor lauter Schreck nicht intensiv wahrgenommen und zu dem Zeitpunkt hatte er keine Zeit der Wunde groß Aufmerksamkeit zu schenken, denn die nächsten Korsaren kamen über Taue auf das Schiff geschwungen. Karthull versuchte wie der andere Matrose zuvor einen sich nähernden Korsaren im herankommen zu erstechen. Alles Ruhige fiel von einem auf den anderen Moment von Karthulls Gemüt ab und seine sonst so milde überlegende Art war wie davongerafft. Es gab nur ihn und den Moment in dem er zustach.
Dummerweise daneben und da Karthull sich mit aller Kraft nach vorne geworfen hatte stürzte er über die Reling ins Salzwasser. Seine Wunde brannte plötzlich sehr intensiv und fast hätte er die Lanze losgelassen doch seine Geistesgegenwärtigkeit ließ ihn den Griff nur fester packen. Erst als Karthull kurze Zeit im Wasser gewesen war merkte er, dass das Schiff noch in voller Fahrt war. Er rammte seine Lanze in den sich bewegenden Schiffsbauch, diese verhakte sich im Holz und er wurde mitgezogen, musste nur plötzlich mit den Wellen, die die Fahrt mit sich brachte kämpfen, doch Karthull empfand sich als sicherlich in der Lage sich einige Zeit dort festzuhalten. Auf Deck spielte sich währenddessen ein Kampf auf Leben und Tod ab, zehn Matrosen fielen auf Karthulls Schiff und sieben auf dem anderen, bis die Korsaren mit nicht  viel weniger Verlusten nachgaben und so plötzlich wie sie gekommen waren auch wieder verschwanden.
Karthull allerdings schwanden die Kräfte und er war den Rest der Nacht nicht in der Lage sich aus seiner üblen Situation zu befreien, doch er schaffte es sich verkrampft festzukrallen und in seiner Stellung auszuharren. Mehrmals verschluckte er Salzwasser und sein Hals fühlte sich so rau und zerrieben an, dass er es nicht wagte nach Hilfe zu schreien. Andererseits war er auch nicht mehr in der mentalen Lage schreien zu können, er hing mehr als erschöpftes und zermartertes Wesen an der Lanze und versuchte seinen Kopf über Wasser zu halten. Bis der Morgen kam und der Nebel verschwand. Vor den beiden Schiffen tat sich der mächtige Fels auf und an dem imposanten weißen Turm konnte man leicht erkennen, dass es Dol Amroth war. Als Karthull während seiner Tortur aufblickte nahm er zuerst einen Schwan im Sonnenaufgang war. Die Sonne färbte den ganzen Horizont über der Stadt und deren Mauern blutrot. Karthull erinnerte sich an das Bild in der Herberge "Zum Hässlichen Entlein" und ihm wurde klar, dass es Dol Amroth sein musste und dass seine Qualen bald ein Ende haben würden. Doch in diesem Moment verließen ihn seine Kräfte und seinen Fingern entglitt die Lanze. Er trieb noch ein bisschen mit, doch das Schiff schien unglaublich schnell gegen die Wellenberge zu peitschen und dann schrie Karthull: "Brlahhhhhhhhhhh!" , seine Sinne versagten.

Karthull wachte auf und sah den Kapitän, der ihn mit besorgtem Blick anstarrte. In Karthulls Kopf dröhnte es und seine Brust schmerzte sehr. "Es sieht wohl so aus als solltest du noch etwas länger in der Krankenstation verweilen." , sagte der Kapitän ernst. "Komm! Ich bring dich zurück, das war wohl genug für heute."
"D.. Danke" , antwortete Karthull noch sichtlich benommen.
"Da hab ich dich schon das zweite Mal gerettet, allerdings hatte ich mehr Angst um dich als ich nur noch deinen Körper im Meer hab treiben sehen. Steh auf, komm!" , so gingen die beiden die aus dieser Perspektive ganz schön steile Promenade zurück und der Kapitän überantwortete Karthull wieder dem Lazarett.
« Letzte Änderung: 12. Feb 2016, 08:16 von Fine »

PumaYIY

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Der Brief
« Antwort #1 am: 11. Okt 2010, 16:15 »
Zwei geschlagene Wochen dauerte es bis Karthull in der Verfassung war aus dem Lazarett entlassen zu werden. Der Kapitän seines Schiffs hatte ihn seither jeden zweiten Tag besucht. Irgendetwas scheint der an mir gefunden zu haben. Wieso besucht der mich so oft? , dachte Karthull oftmals. Als Karthull ihn gefragt hatte, hatte dieser es heruntergespielt und gesagt man müsse eben auf seine Männer achten. "Du solltest dich eher glücklich schätzen, dass der Fürst dir deinen Aufenthalt im Lazarett bezahlt. Es ist nicht selbstverständlich heutzutage, dass die Fürsten sich um Verwundete kümmern, von den attackierten Matrosen der zuliefernden Schiffe ganz zu schweigen."
Als Karthull nun nach zwei Wochen entlassen wurde begab er sich erneut auf Erkundungstour durch die Stadt. Er suchte die Unterkunft von Largund Orop, denn für ihn hatte er immernoch den Brief der Familie Lôdhra in seiner Tasche. (Die Tasche war während seiner Tortur auf dem Schiff geblieben.) Karthull wusste nicht so recht wo er anfangen sollte zu suchen, also fragte er nach einer Weile des Überlegens einen Wächter an der Festungsanlage: "Verzeihen sie!"
"Was gibts?"
"Haben sie denn eine Ahnung wo ich einen gewissen Largund Orop finden kann?"
"Nein und jetzt verzieh dich lieber, es wird nicht gern gesehen, wenn man mit Fremden wie dir spricht, also zisch ab!"
"In Ordnung" , Karthull hatte die drückende Stimmung in der Stadt schon bemerkt, aber dass selbst oder besonders die Wachen so mies gelaunt waren hätte er nicht gedacht. Hmmm, was mach ich denn jetzt?!
Kurz stand Karthull noch unschlüssig herum, dann fragte die Wache: "Verzeihung wie hieß der Kerl noch gleich den du suchst?"
"Largund Orop, ich habe einen Brief für ihn." , gab Karthull schüchtern und verwundert zur Antwort.
"Einen Brief, so so. Na wenn das so ist, wird es wohl nicht so schlimm sein wenn ich meinen Posten hier verlasse und dich eben zu ihm führe. Warte hier ich melde mich gerade ab." Nach den schnellen Worten verschwand der Wächter in einer Tür hinter ihm.
Ich glaub es nicht! Eben wollte der noch das ich verschwinde und jetzt will der mir den Weg weisen? Wer ist dieser Largund Orop?
Der Wächter kam mit einem zweiten heraus, der sich an die Stelle von dem den Karthull gefragt hatte stellte und Karthull und dem gefragten Wächter mit einer Geste erlaubte nun wegzugehen.
"Was hat es denn mit diesem Largund auf sich?" , fragte Karthull als sie einige Schritte gegangen waren.
"Wir reden, wenn wir da sind!" , sagte der Mann zu Karthulls Verwunderung nun wieder in mürrischem Tonfall.
Ihr Weg verlief einige Straßen und Gässchen entlang, bis sie vor einem großen Haus mit prunkvoller Fassade stehen blieben. Es lag nahe der Mauern zum Bereich, der nur für die höheren Persönlichkeiten, wie die Fürstenfamilie als Wohnbereich diente. Auf dem Weg war Karthull etwas aufgefallen: Je höher wir kommen, desto prunkvoller werden die Häuser. So eine Masse an Menschen und Häusern das ist ja erstaunlich. Und so war es auch, in den unteren Gassen, nahe dem Hafen lebten oft die, die so oder so nicht lange in der Stadt blieben und meist arm waren, Karthull hatte dort auch einen Galgen gesehen. Die meisten Häuser in mittlerer Höhe waren jedoch von Handwerkern oder Soldaten bewohnt, die relativ gut verdienten und ganz oben hatte Karthull erfahren bei dem hohen Turm wohnte der Fürst selbst.
Der Wächter klopfte vorsichtig an die Tür des Hauses und nach einiger Zeit öffnete sie sich und eine Magd kam zum Vorschein sie bat die beiden herein und gebot ihnen zu warten. Karthull hörte sie nach jemandem rufen, doch es konnte nicht "Largund Orop" gewesen sein der Name klang zu fremd.
Ein großer Mann kam heran und begrüßte sie: "Was suchen denn ein Herr von den Festungswächtern und ein... naja komischer Kautz wie sie bei mir in der Wohnung?"
"Nunja" , begann der Wächter : "Der Herr hier hat einen Brief für Largund Orop." Karthull fiel sofort auf wie seltsam der Wächter die Worte betont hatte.
"Das bin dann wohl ich." , sagte der Mann zu dem Wächter und Karthull meinte ein zwinkern erkannt zu haben, war sich aber nicht sicher: "Du darfst jetzt gehen!" , fuhr er gebieterisch fort und sprach nun zu Karthull: "Komm doch herein, gib mir den Brief und erzähl mir von deiner Reise."
Karthull tat wie ihm befohlen. Während Largund Orop sich den Brief zwei oder dreimal genau durchlaß, bekamen Karthull und Herr Orop von der Magd zu essen serviert und Wasser in Becher eingeschenkt, die Karthull sich nicht prunkvoller hätte vorstellen können. Der Mann wies Karthull an zu essen und dabei erzählte Karthull von der Familie Lôdhra und wie verwunderlich er erst etwas später den Brief gefunden habe und vom restlichen Weg nach Dol Amroth. Auch von dem reichlichen Proviant den er von der Familie mitbekommen hatte berichtete er dem Mann.
Dann begann Largund Orop über die Lage in Gondor zu erzählen, wie es den Menschen ergannen sei seit der Niederlage am Schwarzen Tor und das früher alles besser war. Er berichtete Karthull auch von ein paar überstandenen Belagerungen durch die Korsaren und eine Seeblockade, die jedoch durchschlagen werden konnte und der allgemeinen Lage eben. "In diesen Zeiten braucht Gondor Menschen die sich gegen das Übel wehren und bereit sind mit ihrem Tod gegen den Feind zu kämpfen. Andererseits gibt es auch Wege ohne eine offene Schlacht zu riskieren etwas für den König zu tun." Karthull hörte die gesamte Zeit aufmerksam zu, doch jetzt fühlte er sich ein wenig eingeschüchtert von den gewaltigen Worten seines Gegenüber. "Aber was ist den Gondor, wenn es von Mordor besetzt ist?"
"Das ist doch genau die Sache Karthull" , Largund kannte seinen Namen aus dem Brief. Er fuhr fort: "Es geht nicht um irgendwelche Kleinigkeiten! Es kommen Gerüchte, dass sich Lothlorien und Rohan Mordor widersetzt hätten. Es ist an uns diese Nachrichten nach Minas Tirith zu tragen und neue Hoffnung in die Herzen der Menschen Gondor`s zu pflanzen. Ich frage dich hier und jetzt bist du Willens deinen Teil dazu beizutragen?"
"Was kann ich schon tun?" , sagte Karthull und seine Gedanken kreisten in Maßstäben, die er vorher nie erdachte hatte. Er sah die Karte ganz Gondors vor seinen Augen und stellte sich vor er könnte etwas tun, auf das sein Vater stolz gewesen wäre.
"Alles und nichts." , sagte Largund. "Die Familie Lôdhra hat mir geschrieben, dass sie mir einen unauffälligen jungen Mann geschickt haben, der selbst die Tore Minas Tirith´s ohne wie ein Orkhasser zu wirken passieren könnte. Du musst wissen bei Fremden sind die Orks und Ostlinge in Minas Tirith fast noch schlimmer als wir hier in Dol Amroth. Ein adliger Spion hat versucht in die Stadt einzudringen, wurde aber direkt verdächtigt und in den Verließen so lange gefoltert, bis er seine Kontakte in der Stadt verraten hatte.
Wenn in Minas Tirith die Hoffnung wächst und die Stadt sich eines Tages von innen heraus gegen den Feind aufbäumt ist ein Spion mehr wert als tausend Mann bei einer Belagerung von Minas Tirith. Entscheide dich, jetzt willst du etwas für Gondor tun oder willst du den Feind schon gesiegt haben sehen?"
« Letzte Änderung: 26. Aug 2011, 21:26 von PumaYIY »

PumaYIY

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Nach der Ausbildung
« Antwort #2 am: 14. Okt 2010, 00:57 »
Sechs Monate waren seit dieser Frage nun vergangen,  die Zeit war dahin geflossen, die Tage waren länger geworden und begannen wieder kürzer zu werden. Es war Herbst geworden in Dol Amroth und Karthull war dabei seine kurze Ausbildung als Spion von Gondor zu beenden. Als er damals entschlossen eingewilligt hatte, hatte er nicht gedacht, dass die Ausbildung ihm körperlich so viel abverlangen würde. Er wohnte seit einiger Zeit mit drei anderen Männern in einer Unterkunft, die auch vom Fürsten besoldet wurden, vorher hatte er zwei Monate in einer Herberge geschlafen.
An diesem sonnigen Herbsttag, saß Karthull nun im Kasernenhof der Stadtwachen und polierte sein ein Säbel. Es war zwar kein sehr kostbares Stück doch inzwischen hatte er gelernt, damit gebührend umzugehen. "Wenn du für den Feind nicht wie einer von uns Aussehen willst musst du dich wie einer von ihnen benehmen und auch so kämpfen." , hatte seiner Largund ihm gesagt. Largund Orop war, wie er im nachhinein erfahren hatte nicht sein echter Name. Ein Brief an Largund Orop bekamen Fremde im ganzen Land von einzelnen Vertrauten, des Fürsten die fremdaussehende und doch zuverlässige Männer rekrutieren sollten.
Man war selbst in Dol Amroth darauf bedacht möglichst keine militärischen Fakten an die Zivilbevölkerung weiterzugeben, da die Obrigkeit überall Spitzel witterte. So kam es auch, dass Karthull offiziell nur als Gehilfe in der Kaserne arbeitete. Er wurde nur selten von Largund besucht und nur in geschlossenen Räumen trainiert.
Karthull lernte auch einen jungen Mann kennen, der ebenfalls nach Minas Tirith gehen sollte, allerdings war dieser an diesem Tage schon nicht mehr in Dol Amroth.

Als Karthull so dasaß leutete es Alarm und die Truppen die jeweils zu fünft hintereinander und zu zweit nebeneinander über den Platz marschiert waren marschierten nun auf schnellen Befehl des Truppenleiters durch ein Tor  in die Stadt. Verstört war Karthull schon lange nicht mehr durch einen Alarm, zu oft hatte es in letzter Zeit Zwischenfälle gegeben, einmal hatten die Korsaren es tatsächlich geschafft den Handelshafen zu stürmen und ein Schiff zu entführen. Der Militärhafen war für solche gewagten Manöver wohl noch zu gut bewacht. Was jedoch beunruhigend war: Selbst in der kurzen Zeit in der Karthull schon in Dol Amroth war hatte er die Tendenz feststellen können, dass die Korsaren mehr wurden und sie häufiger angriffen. Die Dörfer in weiter Entfernung waren längst geplündert und verlassen und nur wenige konnten sich bis nach Dol Amroth durschlagen, denn die Korsaren waren hartnäckige Verfolger. Seine Großtante hatte Karthull zweimal versucht zu finden, doch beide Male vergebens.
Zwei Männer gingen über den Platz, der Staub der ausgeschwärmten Patroullie hatte sich gerade fast gelegt. Sie schienen auf die halboffene Halle an deren Rand Karthull saß zuzukommen. Die beiden waren wohl in eine hitzige Disskusion verwickelt. Karhtull erkannte Largund, der andere Mann schien durch seine unpraktische Robe erkenntlich ein Beamter des Fürsten zu sein.
"Guten Tag", grüßte Karthull freundlich.
"Tag", antwortete Largund schnell: "Das ist er!"
"Hallo", sagte der Beamte sichtlich geschäftlich, aber auch etwas energisch.
"Wollen sie mit mir reden?", fragte Karthull etwas nervös, denn er war es nicht gewohnt so Ranghohen Persönlichkeiten gegenüberzustehen.
"Ja..." , begann Largund ein wenig ärgerlich zu sprechen.
"Es geht um deinen Einsatz, die Lage in Dol Amroth hat sich wie du sicherlich bemerkt hast verschlechtert und wir brauchen dringend Hilfe. Allerdings dürfen wir nicht zulassen, dass schlechte Nachrichten oder gar falsche Nachrichten von unserer Niederlage Minas Tirith erreichen."
"Du sollst möglichst bald aufbrechen!" , sagte der Beamte, der ihn immernoch ein wenig missbilligend beäugte.
"Aber ich dachte ich bin noch mitten in der Ausbildung?" , sagt Karthull nun verwundert.
"Das dachte ich auch." , antwortete Largund und warf dem Beamten einen verärgerten Blick zu. "Aber die Sachen haben sich geändert und man kann nicht mehr auf das Wohl einzelner schauen." , fuhr er ein wenig verbittert fort. "Du kannst das meiste schon und bist ein hervoragender Lehrling gewesen. Ich hoffte dir etwas mehr Zeit zu verschaffen, doch es scheint als bleibe mir keine Wahl, als bleibe dir keine Wahl. Du wirst übermorgen aufbrechen."
Die beiden berichteten Karthull von einem Plan, mit dem er unbemerkt die Stadt verlassen könne. Er würde wieder mit einem Schiff nach Edhellond segeln und von dort zu Fuß weiterlaufen. Ein wenig beklommen verließ Karthull am Abend den Kasernenhof, der Alarm hatte sich als Fehlalarm herausgestellt, es wurden trotzdem zwei verruchte Leute festgenommen und verhört. Übermorgen also soll es losgehen, dass ist früher als erwartet.


Karthull weiter zum Hafen Dol Amroths
« Letzte Änderung: 12. Feb 2016, 08:19 von Fine »

Vexor

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Re:In der Stadt
« Antwort #3 am: 19. Feb 2011, 12:44 »
Celebithiel, Amrûn, Galdor, Limris, Aphadon, etc. von den Hafenanlagen


Celebithiel kam sich befremdlich vor mit der Maske, die sie auf gewisse Weise einengte.
„ Am…ähm…Idryth kommst du dir mit der Maske nicht auch ein wenig lächerlich vor?“, fragte sie in astreinen Westron, um ihre elbische Herkunft zu verschleiern; denn sie waren nun schon in den Wohnvierteln Dol Amroths angelegt und obwohl es bereits stockfinster war, traf man immer noch vereinzelt auf Bewohner der Schwanenstadt.
Sie alle waren hochgewachsen, hatten schwarze Haare und meergraue Augen.
„ Ein wenig“, erwiderte er knapp und Celebithiel hakte sich bei ihm ein.
„ Einzig deine Spitzenohren würden dich hier auffallen lassen Idryth. Ansonsten gleichst du ihnen sehr“, flüsterte die Elbe und schmiegte sich an ihm.
Auch wenn sie seinen Gesichtsausdruck nicht sah wusste sie, dass er schmunzelte und gemeinsam schlenderten sie auf der Straße, die aus edlen Steinen gepflastert war. In regelmäßigen Abständen konnte Celebithiel erkennen, dass Schwäne aus Marmor in die Wege eingelassen waren.
Der Weg ging nun steil bergauf und wurde von einer Treppe abgelöst, die an den Seiten von hellen Fackeln erleuchtet war.
Galdor, der die ganze Zeit in tiefen Gespräch mit Limris versunken war, flüsterte ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie weiterging. Er hingegen winkte Celebithiel, Amrûn und Aphadon zu sich und gemeinsam gingen sie ein wenig zur Seite.
„ Meine Freunde ich werde mich nun mit Fürst Imrahil treffen. Ihr hingegen werdet mit Frau Limris gehen, die euch zu euren Quartieren bringt. Ich werde dann noch diese Nacht zurücksegeln. Denkt daran, ihr könnt niemanden so leicht vertrauen, und genauso wenig wird man euch auf Anhieb volles Vertrauen schenken. Ich werde selbst Fürst Imrahil nicht eure wahre Identität verraten, entscheidet selbst wenn ihr euch vollkommen vor ihm offenbart. Euer Gepäck werde ich euch vom Hafen noch nachliefern lassen“, Er machte eine kurze Pause bevor er fortfuhr, „ Nun heißt es Abschied nehmen. Ich hoffe euch gelingt es, weswegen ihr hierhergekommen seid.“
Galdor nahm zuerst Celebithiels Hand und küsste sie sanft, bevor sie lachte und ihn zum Abschied umarmte.
„Mach es gut Galdor“, entgegnete sie ihm strahlend. Vor Amrûn und Aphadon machte er eine kleine Verbeugung, bevor er die Stufen zum Palast des Fürsten hinauf sprintete.


Die Zimmer in die Limris sie geleitet hatte, waren edel eingerichtet. Es waren Wohnungen im Viertel, wo die reichen und obersten residierten.
Celebithiel setzte sich vor die kleine Kommode, auf der ein Spiegel stand und eine Kristallschale mit frischem Wasser. Sie löste die schwarzen Schleifen ihrer Maske und legte die Maske auf die Kommode. Mit einem feuchten Tuch tupfte sie sich über das Gesicht. Erst jetzt bemerkte die rothaarige Elbe das Muster auf der Maske und mit den Fingerkuppen fuhr sie über die kleinen Perlen.
Wer hätte gedacht Mithrandir, dass ich diesen Namen noch einmal annehmen würde…
Sie streifte sich das Kleid von den Schultern und legte sich nackt auf das Bett, welches mit blauem Satin bezogen war. Auf den Kopfkissen war das Emblem der Schwanenstadt eingestickt.
Wie es ihm wohl geht?
Celebithiel setzte sich auf, ging zu dem kleinen Tisch und entzündete mit der Fackel, die Limris dort gelassen hatte, eine Kerze. Die Feder kratzte leise auf dem Papier, als sie einen Brief an Galadriel verfasste, indem sie ihr alles schrieb, was sie in den letzten Wochen und Monaten erlebt hatte; von ihrem Aufenthalt in Imladris, ihre Erinnerung an den Abschied Celebrians von den grauen Anfurten und ihrer Überfahrt zu Schwanenstadt.
Sie schrieb so hast und schnell, dass ihr zum Schluss die Hand ein wenig schmerzte. Sie faltete den Brief, steckte ihn in ein Cover und legte ihn in eine Schublade.


Celebithiel zu den Mauern und Verteidigungsanlagen
Amrûn zum Hafen von Dol Amroth
« Letzte Änderung: 15. Feb 2016, 10:07 von Fine »


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Vexor

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Re:In der Stadt
« Antwort #4 am: 17. Mär 2011, 19:56 »
Celebithiel von den Mauern und Verteidigungsanlagen


Der Winde frischte wieder auf und brauchte kühle Luft vom Meer mit sich und der salzig, vertraute Duft stieg Celebithiel in die Nase.
Der Duft des Meeres, mein Herz wird schwermütig und leicht zugleich, wenn ich daran denke, wie das beschlagene Holz durch die Wellen gleitet, als könnte es niemand stoppen. Wie sich die Segel blähen wenn der Wind mit voller Kraft gegen sie drückt. Das ultimative Gefühl von Freiheit und Weite, nur übertroffen von der Möglichkeit durch die Lüfte zu gleiten,…
Sie verschränkte die Arme, um sich ein wenig zu wärmen, und eilte schnellen Schrittes durch die Gassen. Nur vereinzelt nahm sie Bilder auf, von verdorrten Balkonkästen, in denen Kräuter und Pflanzen müde und schlapp herunterhingen; Bilder von jungen Frauen, die in schwarze Tücher gekleidet waren, die Hände vor das Gesicht geschlagen, um die Tränen nicht zu zeigen; Bilder von alten Frauen, die in dieselben Gewänder gehüllt waren, jedoch am Boden kauerten und um ein paar Almosen bettelten, oder um den erlösenden Tod, das konnte Celebithiel nicht beurteilen.
Celebithiel blieb vor der alten Dame stehen, blickte in die leeren Augen und schrak fast zurück, als sie mit juveniler und kraftvoller Stimme anfing zu singen:
Wenn der Schwarze Atem weht,
Todesschatten dräuend steht,
Löschen alle Lichter aus,
Athelas, komm du ins Haus,
Durch Königshand zu geben
Sterbenden das Leben!
Die Elbe lächelte müde und warf der Frau ein Goldstück in den ausgefransten Hut, welche daraufhin lächelte und Celebithiel einen wunderschönen Tag wünschte.
Ich hoffe dir ist klar, dass du mit Goldmünzen allein die Not der Leute hier nicht lindern kannst…
Ja aber wo sind die Sold –

Sie bog in die nächste Gasse ein und erspähte einen kleinen runden Platz, in dessen Mitte ein blühender Kirschbaum stand, dessen rosafarbene Blütenblätter sacht im milden Wind schaukelten.
Gut zwei Dutzend Männer und Frauen standen auf diesen Platz, lachten und sangen. Lieder alte und neue, fröhliche und traurige, amüsante und ernste.
Hohe Schiffe, hohe Herrscher,
Drei mal drei,
Was brachten sie aus versunkenem Land
Über das flutende Meer?
Sieben Sterne und sieben Steine
Und einen weißen Baum.
Plötzlich fingen sie an gemeinsam zu tanzen, nahmen sich unter den Armen und tanzten um den kleinen Kirschbaum herum. Celebithiel war fasziniert von dem kontrastierenden Bild, das sich ihr zur Mittagsstunde bot.
Ganz anders als die Gassen zuvor, spürte sie hier das pulsierende Leben und Hoffnung. Auch wenn die Gesichter auf diesem Platz nicht von frei von den Zeichnungen des Krieges und des Hungers waren, so erkannte Celebithiel in ihren Augen noch Kraft und Ehrgeiz, sowie die Flamme des Mutes, die loderte; es war mehr als eine simple Glut, als der verzweifelte Wunsch lodernde Asche in feurige Blüten zu wandeln. Hier war ein Feuer am brennen, welches der Schatten Saurons noch nicht erstickt hatte.
Beflügelt von den Menschen tastete sich Celebithiel nach vorn, stellte sich in die Mitte und fing nun selbst an, ein Lied anzuschlagen.

Gil-galad war ein Elbenfürst.
Die Harfe klagt im Liede noch:
Von Berg und Meer umfriedet lag Sein Reich
im Glanz und ohne Joch.
Sein Schwert war lang, sein Speer war kühn,
Weithin sein Helm aus Silber schien;
Und silbern spiegelte sein Schild
Der Sterne tausendfaches Bild.
Doch lange schon ritt er davon,
Weiß keiner, wo der Reiter blieb;
Sein Stern versank in Düsternis
In Mordors finsterem Verließ.

Und als Celebithiel bewusst wurde, dass alle Menschen auf sie starrten, wurde ihre Stimme umso kräftiger und erfüllender.

0 Dwimordene, o Lorien,
Selten betreten von Sterblichen
Wenige Menschen bekamen dein Licht,
Das immer leuchtende, je zu Gesicht.
Galadriel! Galadriel!
Klar ist das Wasser in deinem Quell,
Weiß der Stern in weißer Hand,
Schöner noch sind Laub und Land
In Dwimordene, in Lorien
Als die Gedanken der Sterblichen.

Die Menge applaudierte und es schien fast so als könnte Celebithiel die Flammen in ihren Augen wachsen sehen, genährt von unsichtbaren Holz und Geäst. Auch verflüchtigten sich ihre eigenen dunklen Geister, welche sich teilweise noch hartnäckig aus den schwarzen Verließen Isengarts in ihrer Seele gehalten hatten. Und als sie ihre Augen über die Menschen schweifen ließ, sagte eine Stimme in ihrem Kopf.

Hier hast du deine Soldaten, dein Heer, welches Sauron die Stirn bieten kann

« Letzte Änderung: 15. Feb 2016, 10:03 von Fine »


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Re:In der Stadt
« Antwort #5 am: 5. Apr 2011, 19:51 »
Celebithiel hatte die hellen Lichtflecken am pechschwarzen Horizont schon lange gesehen, bevor die kühlen Regentropfen auf ihre nackten Arme tröpfelten. Sie hatte Gefühl für Zeit und Raum vollkommen verloren, sowie die anderen Leute auf dem Platz der Sonne, wodurch sie alle vor dem einsetzenden Gewitter überrascht wurden.

Während die anderen Schutz unter den nahegelegenen Dächern suchte, blieb Celebithiel stehen und ließ sich vom prasselnden Platzregen begießen. Gewaltsam trommelten die Wassermassen auf die Dächer der Schwanenstadt und hätte Celebithiel nicht gewusst, dass dies ein Gewitter war, so hätte sie es für die Kriegstrommeln Saurons gehalten. Der Krach wurde nur durchbrochen, wenn wieder einer der hellen Blitze über den schwarzen Teppich des Firmaments zuckte. Es schien so, als würde ihr Herzschlag aussetzen, wenn der Blitz, gefolgt vom brummenden Getöse, auftauchte.

Dennoch suchte sie keinen Schutz, stellte sich sogar aus der Obhut des Baumes, mitten auf den gepflasterten Platz und streckte die Arme in die Luft. Celebithiel fing an sich zu drehen, wie ein kleines Kind, begleitet von herzlichen Lachen.
Feuchte Strähnen legten sich ihr ins Gesicht und ihr gesamtes Kleid war getränkt vom kalten Regen, aber dennoch lachte Celebithiel immer weiter und fühlte sich so frei und erlöst, wie schon lange nicht mehr.

Plötzlich stoppte sie und rannte los. Sie erntete verwunderte Blicke und so manchen Kopfschüttler als sie durch die Straßen Dol Amroths rannte. Ihrer Schuhe hatte sie sich bereits entledigt und es trugen sie nur ihre nackten Füße durch die Gassen der Schwanenstadt, die mittlerweile nur noch durch die, vor Wind und Regen geschützten, Fackeln oder das Wetterleuchten erhellt wurde. Das breite Grinsen war der Elbe noch nicht von den Lippen gewichen, als sie die Stufen hinauf spurtete, die sie zu dem Viertel führten, wo ihre Unterkunft stand.

Hastig spurtete sie die Straßen entlang und riss die Tür zu der Wohnung auf, in der Amrûn untergebracht war.
„AMRÛN!?...Amrûn wo bist du denn?“, rief sie fröhlich und voll kindlicher Aufregung, während sie durch seine dunkle Wohnung hastete. Das Bett war allerdings gemacht und wies keine einzige Falte auf.
Dann muss ich es eben alleine machen


Celebithiel zum Palast des Fürsten
« Letzte Änderung: 11. Feb 2016, 11:37 von Fine »


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Thorondor the Eagle

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Re:In der Stadt
« Antwort #6 am: 13. Apr 2011, 20:49 »
Amrûn vom Hafen


„Beim Hofe der Fürsten?!“, stammelte Amrûn überrascht als ihn Limris über ihren Plan informierte. Die Elbe war mit ihrem Kopf in einer großen Truhe versunken und suchte verzweifelt nach etwas.
„Ja. Ihr habt eine Einladung zum heutigen Frühlingsfest“, bestätigte sie.
„Was ist das? Ich denke nicht, dass wir zu einer solchen Veranstaltung gehen sollten. Eigentlich hatten Gwilwileth und ich vor uns im Hintergrund zu halten.“
„Ja, ja“, wehrte sie seine Bedenken ab und ein erfreutes Quietschen entkam ihr „Macht euch keine Sorgen. Ihr werdet maskiert sein und keiner wird euer wahres Gesicht sehen. Es ist der Höhepunkt des jährlichen Frühlingserwachen und nicht weniger pompös wird es heuer ausfallen.“ Triumphierend hielt sie einen dunkelblauen Umhang und ein Leinenwamst in die Höhe. Sie ging geradewegs auf Amrûn zu und hielt das Kleidungsstück an seinen Körper.
„Ein Fest… und das obwohl die Truppen Mordors vor unserer Haustüre stehen?“, fragte sich Amrûn.
„Ja. Imrahil will den Menschen keine Hoffnung rauben. Wenn alles seinen gewohnten Gang nimmt, hemmt dies die Spannung und verhindert einen Verfall in die Trostlosigkeit.“
„Auch wenn es nur wenig Sinn macht, erscheint es mir trotzdem ein klein wenig logisch. Und wie kommt ihr zu dieser doch recht späten Einladung? Immerhin ist das Fest heute Abend.“

Limris Hektik schwand ein wenig und sie legte den Mantel zur Seite: „Nunja, ich habe eigentlich kaum etwas dazu beigetragen. Es war Berehal, mein Ziehsohn, falls ihr euch erinnert.“
Der Elb nickte ihr zu.
„Ihm gehört dieses Haus und auch der Name den er trägt. Er eröffnet uns die zahlreichen Privilegien in dieser Stadt. Sein Vater war ein enger Vertrauter des Fürsten, ein Heerführer und Kapitän. Über viele, viele Schichten waren die beiden sogar verwandt. Doch, wie so viele in diesen Tagen, fiel auch er dem Krieg zum Opfer; zu Felde auf dem Pelennor in jener Schlacht in der Gondor seinen letzten Sieg errang. Seine Mutter schied bereits bei seiner Geburt von dieser Welt. So war er ganz alleine. Er trägt ein großes Vermächtnis, einen mächtigen Namen, doch nichts davon half ihm über den Schmerz hinweg. Der Fürst selbst holte mich vor Jahren schon in die Stadt um dem jungen Mann ein wenig die Stärke unseres Volkes zu vermitteln und ihm die Einsamkeit erträglich zu machen. So kam ich schon hierher bevor der Schatten über das Land zog und alles ins Unglück stürzte.“
„Wie lange ist das her?“
„Nicht lang genug, dass die Wunden verheilt wären. Und wir wollen auch kein Salz mehr darüber streuen“, sie setzte eine nachdenkliche und traurige Miene auf. Für einen Moment schien sie wie versteinert, doch dann kehrte warme Zuversicht in ihre Stimme zurück: „Die Zeit wird Heilung bringen. Zieht euch jetzt um. Ich mach mich einstweilen auf die Suche nach Gwilwileth.“

Wie schon wenige Stunden zuvor verließ sie schleunigst den Raum. Doch diesmal glaubte Amrûn ein leises Schluchzen zu hören, ehe die Tür in ihr Schloss fiel.
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Der Palast des Fürsten
« Antwort #7 am: 19. Jun 2011, 22:34 »
Celebithiel stieg gerade die Treppen ihrer Wohnung hinab, als eine zarte Frauenstimme sie zurückhielt. Die Elbe aus Imladris drehte sich verdutzt um, als sie in die Augen Limris' blickte, die sie vom Hafen abgeholt hatte.
"Fräulein Gwilwileth, wartet kurz", legte die Frau gehetzt los, in der Angst sie könnte Gwilwileth nicht mehr erwischen.
Ein " Ja?", war alles was Celebithiel herausbrachte, denn sie wollte so schnell es möglich war den Palast des Fürsten aufsuchen.
"Habt Ihr einen kurzen Augenblick Zeit?", erwiderte Limris und bedeutete ihr, in Celebithiels Wohnung zu kommen.
Widerwillig gab sie nach und folgte der Frau in ihre Wohnung.

Die Kerzen waren alle angezündet, während der Kamin leise knisterte, wodurch sich eine warme und wohlige Atmosphäre in der kleinen Wohnung ausbreitete.
Sie setzten sich aufs Bett und Limris berichtete von dem Gespräch mit Amrûn, den die Elbe anscheinend nur um wenige Minuten verpasst hatte.
"Ach Ihr wart auch auf den Weg zum Fürsten", ertönte Limris' weiche Stimme im Raum und die rotblonde Elbe nickte stumm, während sie in ihrer Erzählung fortfuhr.
"Ich habe einen Plan, wie wir die nahende Belagerung Mordors zurückschlagen können. Deswegen muss ich jetzt auch schnell weiter und zu diesem Fest. Es ist die beste Gelegenheit!"
Celebithiel war schon aufgestanden und hatte die Hand auf die Türklinke gelegt, als Limris aufstand und sie bat noch einen kurzen Moment zu warten.
"Ihr könnt kaum in diesen Aufzug, ohne Schuhe und mit einem nassen Kleid dort auftauchen", erläuterte Limris amüsiert.
Peinlich berührt blickte Celebithiel an sich herunter und musste lächlen.
"Wahrlich, das wäre wohl keine gute Sache", sagte sie scherzhaft und setzte sich wieder aufs Bett.

Limris kramte einige Augenblicke in dem schweren Eichenschrank, während Celebithiel sich bereits ihrer Kleider entledigte.
"Ah da habe ich etwas schönes gefunden. Es passt perfekt zu Eurer Haut und Eurem Teint", sagte Limris und legte ein langes elfenbeinfarbenes Kleid auf das schmale Bett.
"Na los, probiert es an", drängte sie und Celebithiel ergriff den seidenen Stoff und zog es sich über.
"Kannst du mir beim Rücken helfen?", fragte die Elbe und Limris nickte bloß, während sie die Bänder am Rücken zusammenschnürrte.
Danach setzte sich Celebithiel auf einen Stuhl und sah zu, wie Limris ihr die rotblonden Haare hochsteckte und vereinzelt mit silbernen Perlen versah, mit denen auch das elfenbeinfarbene Kleid bestickt worden war.
"Und die Maske", ergänzte Limris, bevor sich Celebithiel im Spiegel ansah. Sie kam sich vor wie eine Prinzessin.

Der Regen hatte aufgehört und die Wolken lockerten sich über dem Abendhimmel Dol Amroths. Der orangfarbene Horizont war hinter den dunkelblauen Wolkenfetzen zu erkennen.
Celebithiel schritt eilig durch die Stadt. Sie kam sich komisch vor mit der Maske auf dem Gesicht, aber glücklicherweise traf sie sowieso niemanden auf ihren Weg zum Palast des Fürsten.
Als sie die Stufen hinaufstieg löste sich die große Gestalt Amrûns aus dem Schatten einer Häuserfassade und galant hakte sich Celebithiel bei ihr unter.
Vor dem Palast des Fürsten standen zwei Wachen, die Celebithiel und Amrûn misstrauisch musterten.
"Eure Karten bitte", sagte eine der Wachen mürrisch.
Erschrocken blickte Celebithiel zu Amrûn, doch jener lächelte nur und überreichte der Wache zwei Karten. Jener nickte nur und öffnete die beiden Türflügel, um Celebithiel und Amrûn Eintritt zu gewähren.


Celebithiel und Amrûn zum Palast des Fürsten
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Re:In der Stadt
« Antwort #8 am: 19. Aug 2011, 20:58 »
Celebithiel vom Palast des Fürsten


Celebithiel atmete tief ein, als sie die schweren Steinstufen, welche zum Palast führten, hinabstieg. Es war weit nach Mitternacht, aber sie verspürte nicht die geringste Müdigkeit.
Es geht endlich los! Endlich regt sich was. Ich werde Mithrandir nicht enttäuschen…
Wehmütig streiften ihre Gedanken hin zum weißen Zauberer, der in Lórien schlief. Welcher in seiner Aufgabe die freien Völker Mittelerdes vor Saurons Zorn zu schützen, von seinen Mitstreiter und Freund verraten worden war.
Saruman…, dachte sie und es schauderte sie, wenn sie an den Zauberer dachte.



„ Eifrig und fleißig wie eine Biene“, ertönte die freundliche Stimme des Magiers.
Celebithiel blickte nicht auf, sondern ihre ozeanblauen Augen flogen begierig über die Quenya-Buchstaben des alten Pergaments, welches sie vor sich ausgebreitet hatte. Sie saß im Schneidersitz und musterte die Aufzeichnungen ihrer Vorfahren.
„ Und taub wie eine Schlange“, schmunzelte Saruman, der aus dem Schatten des Bücherregals gekommen war und um die Elbe herumging, nicht ohne ihr väterlich über den Kopf zu streicheln. Seine scharfen Augen blieben am Pergament hängen, dass Celebithiel studierte.
„ Ahhh“, zischte er, „..die Nirnaeth Arnoediad, die Schlacht der ungezählten Tränen. Ein weniger schönes Kapitel der Geschichte Beleriands!“.
Er seufzte leicht und ließ sich in einen Lehnstuhl nieder und beobachtete die rothaarige Elbe.
Celebithiel lächelte Saruman kurz zu, ließ sich aber nicht irritieren und beendete die Aufzeichnungen aus dem ersten Zeitalter.
Liebevoll rollte sie das Pergament wieder zusammen und legte es zurück in das Regal, wo sie es herausgenommen hatte.
Saruman saß immer noch in den alten Lehnstuhl und fixierte sie mit strengem Blick.
„ Was?“, sagte Celebithiel lächelnd und lehnte sich an das Regal.
Der Zauberer schmunzelte, rieb sich den Bart und fuhr fort, „ Nichts Gwilwileth, ich mag nur deine Gesellschaft. Deine Wissbegier und gleichzeitig ängstigt sie mich.“
Die Elbe stutzte und blickte fragend zu Saruman zurück, der sich langsam aufrichtete und den Raum verließ. Verdutzt folgte sie ihm und gemeinsam verließen sie Orthanc, der sich wie ein Geysir aus pechschwarzem Gestein aus dem Boden erhob.
 Celebithiel hörte die exotistischen und schönsten Vögel in den Gärten Isengarts singen. Jene nisteten in den hunderte Jahre alten Bäumen, die schon dort wurzelten, bevor Celebithiel geboren wurde.
Saruman hatte sich auf seinen Stab gestützt und gemeinsam wanderten sie durch die Gärten, stumm die Natur genießend.




„ Verbrannte Erde und Schmelzöfen…“, flüsterte die Elbe geistesabwesend und wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie Imrahils Stimme hinter ihr ertönte.
„ Wie bitte“, sagte er charmant mit einem Lächeln auf den Lippen.
„ Nichts, nichts…“, murmelte sie und setzte ein gekünsteltes Lächeln auf, „ Habe ich etwas vergessen, oder warum bist du mir nachgerannt?“
Imrahil, der schien als wüsste er nicht, ob er sich eine anzügliche Bemerkung erlauben konnte oder nicht, entschied sich auf den Punkt zu kommen.
„Morgen um die Mittagszeit halte ich eine Ansprache auf dem Stadtplatz…es geht um die nahende Belagerung. Meine Späher berichten mir, dass das Heer gestern den Ringló überquert hat. In ein paar Tagen werden sie da sein!“
Celebithiel nickte und in ihren Augen brannte die felsenfeste Entschlossenheit.
 „ Sonst noch was?“, fügte sie barscher hinzu als sie gewollt hatte, dennoch ließ jener sich dadurch nicht aus der Fassung bringen.
„ Du solltest dabei sein. Als oberste Heerführerin!“.
Die Elbe riss die Augen weit auf, aber in Imrahils erkannte sie dieselbe Entschlossenheit wie in den Ihrigen. Daraufhin nickte sie kurz und ohne ein weiteres Wort gingen sie auseinander.

Ihr Zimmer, das sie in Dol Amroth bewohnte, wirkte heute ziemlich eng und freudlos.
Das liegt wohl daran, dass ich so eben auf diesen Fest war.
Kopfschüttelnd zog sie die Spangen aus dem Haar und wallend-lockig fiel es herab. Plötzlich spürte sie die Müdigkeit der letzten Tage, die sie übermannte und sie ließ sich auf das Bett sinken.

Doch bevor sie einschlafen konnte, hörte sie das Klacken an der Fensterscheibe.
Der rostbraune Vogel ließ sich auf der Stuhllehne sinken und die Elbe lauschte den Gesang und als ihr die Augenlider zufielen befand sie sich erneut in Isengart.
Doch an der Stelle von Orthanc stand dort Baumbart, für immer baumisch geworden, und tausende von Nachtigallen nisteten in seinen Astverstrebungen. Und unten an seinen Wurzel hockte Gandalf, eine Pfeife rauchend und als sich Celebithiel in dieser Idylle neben ihn setzte flüsterte er ihr ins Ohr:
„Ich bin stolz auf dich!“


Celebithiel zum Platz der Tausend Schwanenfedern
« Letzte Änderung: 24. Mai 2017, 15:12 von Fine »


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Eandril

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Ein Attentat
« Antwort #9 am: 2. Dez 2011, 15:02 »
Oronêl vom Lazarett

Oronêl und Amrothos gingen durch die von Laternen erhellten Straßen Dol Amroths, Amrothos vorneweg, Oronêl hinterher. Er hatte Amrothos vor dem Palast des Fürsten gefunden, als dieser gerade aufbrechen wollte, um sich mit seinen Freunden zu treffen. Natürlich hatte er Oronêl sofort aufgefordert, mitzukommen, und so eilte der Elb nun mit einem flauen Gefühl im Magen hinter Amrothos her. Es war schon lange her, das er in geselliger Runde mit anderen zusammengesessen hatte, und schon gar nicht mit Menschen!
"Na komm schon, Ahnherr, dein Alter wird dir doch wohl nicht so schwer zusetzen, dass du mir nicht mehr folgen kannst?" Amrothos war stehen geblieben um auf ihn zu warten und grinste ihn schelmisch an. "Du solltest mir ein bisschen mehr Respekt erweisen, wie sich das gehört.", antwortete Oronêl mit übertrieben strenger Miene. "Zumal ich dein alt, ehrwürdig und weise und auch noch dein Urahn bin!"
Was hat er nur an sich, dass ich solche Scherze mache? So gelöst war ich seit über tausend Jahren nicht mehr, und dass obwohl dieser Stadt immer noch Gefahr droht! Und dann ist da noch der Ring...
"Na los, weiter geht’s.", sagte Amrothos. "Oder kannst du schon nicht mehr, oh altehrwürdiger Gevatter?" Und damit setzten sie ihren Weg durch die Gassen der Stadt fort.
Schließlich erreichten sie eine Schenke, die sich an die südliche Mauer der Stadt schmiegte.
"Da wären wir.", sagte Amrothos, " Die Schenke 'Zur Mauer' ist die beste in der ganzen Stadt, obwohl sie sich nicht besonders interessant anhört."
"Nein, das tut sie wirklich nicht. Aber wenn sie einen guten Wein dahaben, werde ich nicht zögern sie zu testen."
Amrothos zog ironisch eine Augenbraue hoch. "Oho, entpuppt sich der altehrwürdige Ahnherr etwa als Trinker? Wir werden schon etwas für dich finden. Komm schon rein."
Sie betraten die Schenke, in der sie freudig von Amrothos Freunden begrüßt wurden.

                                                                                                                                                               

Es war spät geworden an diesem Abend, Mitternacht war schon vorbei, als Amrothos und Oronêl sich auf den Heimweg machten. Trotz Amrothos' gegenteiliger Unterstellungen hatte Oronêl sich mit dem Wein sehr zurückgehalten- ganz im Gegensatz zu Amrothos selbst. Dieser konnte schon nicht mehr besonders gerade gehen, obwohl er noch klar sprach, und Oronêl musste ihn ein wenig stützen.
"Seit wann muss der Alte den Jungen stützen?", fragte er. "Das ist doch sonst eher umgekehrt!" Amrothos reagierte nicht darauf, sondern sagte: "Ich will dich noch jemandem vorstellen. Komm mit!", und zog ihn in eine Seitengasse.
"Wem willst du mich vor-" Weiter kam er nicht, da ihm ein Knüppelhieb in die Magengrube den Atem nahm. Instinktiv ließ er sich zu Boden fallen, riss Amrothos mit sich und entging so einem weiteren Schlag, der diesmal auf seinen Kopf gezielt war. Er rollte sich ab, fuhr herum und fing den Knüppel mit der Hand ab. Im fahlen Licht der Laterne auf der Hauptstraße erkannte er zwei in Mäntel gehüllte Männer, die mit Knüppeln und Dolchen bewaffnet waren. Hinter diesen stand ein dritter, der allerdings ein Schwert am Gürtel hängen hatte.
Inzwischen war auch Amrothos wieder auf die Füße gekommen und zog, offensichtlich wieder völlig klar im Kopf, einen Dolch aus dem Gürtel.
Oronêl riss seinen Gegner durch einen Ruck an der Keule zu sich und schlug ihm die Faust in den Magen. Der Mann krümmte sich, Oronêl packte sein das Gelenk der Hand, in der er den Dolch hielt, und drehte es kräftig herum. Es knackte scharf, der Mann schrie erstickt auf und ließ Dolch und Keule vor Verblüffung und Schmerz fallen und hielt sich das Handgelenk. Oronêl hob die Keule auf und versetzte seinem Gegner einen Hieb gegen die Schläfe, sodass er bewusstlos zusammensackte.
Auch Amrothos hatte seinen Gegner bezwungen, indem er ihm den Dolch in die Brust gerammt hatte. Rasch sah Oronêl sich nach dem dritten Mann um, doch er bekam nur noch das Ende des Mantels, der um eine Ecke verschwand, zu sehen.
Moment Mal... Er rennt in Richtung Hafen. Zum Lazarett!
"Fessele den hier und übergib ihn der Stadtwache!", sagte er hastig zu Amrothos. "Ich verfolge den anderen." Amrothos nickte nur, und er lief los.
Während er durch die Straßen der schlafenden Stadt hetzte, überkam ihn ein Gefühl der Angst. Was, wenn er mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte, und der Ring bereits gestohlen war? Was, wenn Sauron diesen Ring zurückerlangte? Würde er dann einen neuen Ringgeist schaffen können? Das durfte nicht geschehen!
Er erreichte das Lazarett und durch querte den Flur zu seinem Zimmer, riss die Tür auf und stürmte hinein. Es schien alles normal... Plötzlich hörte er hinter sich ein Geräusch und konnte gerade noch einen Blick auf die Gestalt, die den Flur entlang stürzte, zu sehen.
Der Ring, ich muss nachsehen, ob er noch da ist!
Er ging zum Bett und löste die lockere Wandverkleidung. In der Mauerritze schimmerte noch immer der Ring des Nazgûl. Oronêl schloss das Versteck erneut und ließ sich auf das Bett sinken, wo er zu seiner eigenen Überraschung sofort einschlief.

Oronêl zum Lazarett
Amrothos in den Palast des Fürsten
« Letzte Änderung: 24. Mai 2017, 15:13 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Eandril

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Das zweite Attentat
« Antwort #10 am: 18. Dez 2011, 18:38 »
...Oronêl und Celebithiel vom Palast des Fürsten


Oronêl und Celebithiel hatten den Fürsten in Gedanken versunken zurückgelassen. Nun gingen sie durch die sonnendurchfluteten, trotz der fortgeschrittenen Tageszeit noch fast verlassenen Straßen Dol Amroths.
"Ich fürchte, irgendjemand hat davon erfahren, dass ich den Ring des Nazgûl an mich genommen habe.", sagte Oronêl, "Der Zweck dieses Attentats war nicht, Amrothos zu töten, sondern mich unschädlich zu machen um den Ring stehlen zu können."
Celebithiel nickte. "Aber wie haben die Verräter das herausgefunden? Nur Amrûn, du und ich wissen von diesem Ring, und keiner von uns hätte einem Diener Saurons von ihm erzählt."
"Nun, ich habe einen Verdacht.", meinte Oronêl grimmig, verstummte aber, als sich zwei Soldaten an ihnen vorbei drängten.
Seltsam... Diese Beiden tragen dieselbe Rüstung wie der Attentäter.
Doch bevor er die Soldaten ansprechen konnte, spürte er, wie Celebithiel ihn zur Seite stieß und sich selbst zu Boden fallen ließ. Nur einen Herzschlag später schlug ein Pfeil funkensprühend auf dem Straßenpflaster auf. Oronêl wirbelte herum, doch weder in einem Fenster noch auf einem Dach war auch nur das kleinste Zeichen des Schützen zu sehen. Auch Celebithiel war elegant wieder auf die Beine gekommen und suchte nun die Straße nach dem Angreifer ab.
"Komm!", stieß Oronêl hervor, "Zum Lazarett!", und lief los. Die beiden Soldaten, die eben an ihnen vorbeigekommen waren, waren auf merkwürdige Weise verschwunden.


Oronêl und Celebithiel zum Lazarett
« Letzte Änderung: 24. Mai 2017, 15:14 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Thorondor the Eagle

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Re:In der Stadt
« Antwort #11 am: 6. Jan 2012, 22:25 »
Celebithiel, Antien, Faendir und Amrûn vom Hafen
Oronêl vom Lazarett


Die Szene war schon ein Déja-vu in Amrûns Augen. Die Frauen und Kinder standen versammelt an den Hausmauern und waren den Tränen nahe. Ihre Gesichter waren bleich doch von Hoffnung erfüllt.

In der Mitte des Platzes standen einige Soldaten in volle Rüstung. Das Sonnenlicht reflektierte in ihren Helmen und Schilden. Der Elb hielt die Zügel seines Pferdes fest in der Hand und streichelte ihm über die Mähne, als er den Moment beobachtete.

Inmitten der Menge stand Limris, Antien und Celebithiel, die sich langsam auf ihn zubewegten. „… dir wird es gefallen, glaub mir. Ich freue mich schon.“, sagte sie, dann schloss sie Limris fest in ihre Arme.
„Uns bleibt wohl auch nur noch der Abschied, Amrûn“, kam sie ihm nun entgegen.
„Ja, leider. Danke, dass du uns in deinem Haus willkommen geheißen hast. Danke, für alles“, entgegente der Elb und legte ihr dabei die Hand auf die Schulter.
„Es war auch schön wieder einmal Zeit mit Gleichgesinnten zu verbringen. Passt auf euch auf und viel Glück, woauch immer euch eure Wege hinführen. Leb wohl, Amrûn.“

„Bist du bereit?“, fragte Amrûn seine Freundin. Diese nickte ihm zu: „Wo ist Orónel?“
„Er steht dort drüben, mit Amrothos und dem Fürsten.“
„Es ist schade. Aus tiefsten Herzen möchte er hier bleiben und seinen Verwandten helfen und doch hat er eine Bürde die ihm keine andere Wahl lässt.“
„So wie wir alle eine tragen, nicht wahr?“, entgegente Amrûn und ein schwaches Lächeln huschte über seinen Lippen „Da kommt er.“

Die fünf Elben und Amrothos setzten sich auf die Pferde, die ihnen der Fürst zur Verfügung stellte.

„Es bleibt nicht viel zu sagen, außer das ich euch Danke“, begann Imrahil zu den Erstgeborenen zu sprechen „Ihr habt geholfen diese Stadt zu berfreien. Nur ungern lasse ich solch tapfere Krieger ziehen, doch Dol Amroth ist vorübergehend sicher. Es gibt nun wichtigeres zu tun und größere Not zu bekämpfen. Lebt wohl meine Freunde und kommt gerne wieder, in freundlicheren Tagen.“
„Es war uns eine Ehre und ist es uns noch. Ihr stellt uns eure Kavallerie und sogar euren Sohn zur Seite. Hab ebenfalls Dank“, antwortete ihm Orónel, der eine ganz besondere Beziehung zu Imrahil hatte.
„Euer Weg führt euch nach Norden ins Morthondtal. Nach unseren Berichten ist es noch frei von Saurons Sklaverei. Dort werden meine Soldaten euch verlassen, ehe ihr durch das Tor unter dem Berg schreitet. Es wäre nicht mein bevorzugter Weg, doch möchte ich die weise Entscheidung eurer Herrin Galadriel nicht anzweifeln. Geht mit unserem Segen und unseren besten Wünschen“, verabschiedete sich der Fürst.

Die Elben neigten ehrfürchtig ihren Kopf, als Amrothos den Marschbefehl gab. Es war kurz vor Mittag, als die Elben mit einem Battalion Reiter durch das Stadttor ritten. Der Wind blies heftig über die leicht ansteigenden Wiesen und Felder von Lamedon.


Antien, Amrothos, Amrûn, Celebithiel, Faendir und Oronél nach Edhellond
« Letzte Änderung: 15. Feb 2016, 14:05 von Fine »
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kolibri8

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Re: In der Stadt
« Antwort #12 am: 5. Sep 2015, 12:59 »
Der Trupp um Qúsay und Elphir durch das Stadttor in die Stadt:

So betraten sie schließlich die Stadt. Die Reiter ließen ihre Pferde langsam durch die Gassen traben, von den Seiten bekamen die Südländer Blicke, die Qúsay an seinen Einzug in Minas Tirith erinnerten. Aber vielleicht war es auch nur die Verwunderung der Einwohner darüber, dass die Haradrim in Begleitung Elphirs hoch zu Ross saßen und ihre Waffen am Gürtel trugen an statt gefesselt durch die Stadt getrieben zu werden.

In der Nähe des imposanten Fürsten Palastes führte Elphir die Reiter zu den Stallungen. Stallburschen kamen um die Pferde zu übernehmen während die Reiter absaßen. Als ein Stallbursche Rihs Zügel übernehmen wollte, scheute das Pferd, und Qúsay nahm es selbst wieder an die Zügel und beruhigte es, in dem er ihm es etwas auf Haradisch ins Ohr flüsterte.

„Verzeiht Herr Elphir, aber wie es scheint sollte ich mein Pferd wohl besser selbst in den Stall bringen“, sagte Qúsay, während er dem Pferd langsam durch die Mähne strich. Elphir nickte und führte den Rest der Gruppe hoch zum Fürstenpalast.

Elphir, Hilgorn, Elúne, Duinhir und Dirar zum Fürstenpalast.


Link eingefügt
« Letzte Änderung: 24. Mai 2017, 15:21 von Fine »
RPG:
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kolibri8

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Re: In der Stadt
« Antwort #13 am: 5. Sep 2015, 13:02 »
Qúsay zog leicht an den Zügeln und Rih setzte sich behutsam in Bewegung. So folgte Qúsay den Stallburschen in den Stall. In diesem war es etwas düster, da der Stall nur durch Sonnenlicht erleuchtet wurde, das durch zwei Tore und einigen wenigen Fenstern einfiel. Wegen dem Stroh das den Boden bedeckte wären Kerzen oder Lampen als Belichtung zu gefährlich.

Im hinteren Bereich war noch eine Kammer frei und Qúsay führte sein Pferd in eben diese hinein.
„Ein prächtiges Ross, Südländer“, sagte plötzlich eine weibliche Stimme hinter ihm. Qúsay drehte sich um und erblickte eine hübsche junge Frau mit dunklen Haaren und meergrauen Augen, die gerade das Fell eines Schimmels bürstete.
„Doch sagt“, fuhr sie fort, „was tut ihr hier in Dol Amroth?“
Ein großes Maß an Skepsis und Nervosität, aber keine Furcht, lag in ihren Augen.
„Ich bin hier auf Wunsch des Herrn Elphir, Imrahils Sohn“, antwortete Qúsay und senkte sein Haupt zum Gruße, „Herrin!“, denn eine Herrin war sie, ihrer kostbaren Kleidung, nach ganz gewiss.

Die Skepsis wich aus ihrem Gesicht, diese Antwort schien sie zu beruhigen. „Nun, Südländer“, fragte sie fast hoffnungsvoll, „bringt ihr vielleicht Kunde aus Umbar?“
Qúsay schüttelte den Kopf und erklärte: „Nein, tut mir Leid, aber in Umbar war ich schon seit über einem Jahr nicht mehr.“
Dann fragte er: „Aber sagt, Herrin, wieso interessiert auch Umbar?“
„Ein Freund ist vor einem Monat dorthin aufgebrochen, doch haben wir seitdem keine Nachricht von ihm erhalten, wir fürchten schon…“ Ihre Stimme erstarb fast. „Seid unbesorgt, Herrin, wenn er als Feind Umbars dorthin aufbricht, weiß euer Freund wie man Ärger aus dem Weg geht. Ihm geht es gewiss gut. Wahrscheinlich gab es bisher keinen guten Zeitpunkt eine Nachricht zu verfassen“, sagte Qúsay in einem zuversichtlichen Ton. Die Frau nickte: „Ja, so wird es wohl sein.“
Richtig zuversichtlich klang sie aber immer noch nicht.
„Dennoch ich danke euch, Südländer“, fuhr sie fort und schenkte ihm ein Lächeln. Sie legte die Bürste mit dem sie ihr Pferd gebürstet hatte in einen Korb, der an der Wand hing und ging einen Schritt in Richtung Ausgang und signalisierte Qúsay mit einer Handbewegung, er möge sie nach draußen geleiten. Qúsay band Rih fest und folgte ihr.

Dann fragte sie: „Dürfte ich euren Namen erfahren, oder soll ich euch für den Rest eures Aufenthaltes Südländer rufen?“
Qúsay lächelte und antwortete: „Qúsay ist mein Name, Sohn von Nazir, Sohn von Qasim, aus der Sippe Anarions.“
„Anarion sagt ihr?“, fragte die Frau, „dann seid ihr aus der königlichen Sippe, und habt anrecht auf die Krone Gondors.“
Qúsay schüttelte den Kopf: „Nein, meine Linie hat ihr Anrecht auf die Krone vor langer Zeit im Sippenstreit verloren.“
Sie schien zu verstehen und hakte nicht weiter nach. Sie hatten das Tor erreicht, und Qúsay trat vor um das Tor zu öffnen. Draußen wartete ein Hofdiener, der die Frau ansprach: „Herrin Lothíriel, eure Anwesenheit bei Hof wird erwünscht.“
„Ihr seid Lothíriel?“ fragte Qúsay sichtlich erstaunt, sie war hübscher und vor allem jünger als er erwartet hatte.
„Ja, die bin ich“, sagte sie, „ist etwas?“
„Nun“, fing Qúsay an, es war ihm tatsächlich etwas unangenehm, „ich denke nicht, dass ich derjenige sein sollte, der euch davon berichtet.“
Lothiriel sah ihn leicht argwöhnisch an.
„Im Palast wird man es euch bestimmt erklären“, sagte Qúsay schließlich und deutete mit der Hand an, dass sie den Palast hochgehen sollten.

Qúsay, Lothíriel und der Diener zum Fürstenpalast.
« Letzte Änderung: 24. Mai 2017, 15:22 von Fine »
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« Antwort #14 am: 16. Feb 2016, 14:37 »
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Merian und Angbor aus dem Palast des Fürsten

Odjana war verschwunden. Merian und Angbor entschieden sich aufzuteilen und die Frau aus Umbar zu suchen. Merian wollte es Angbor nicht sagen, aber er ahnte bereits wohin Odjana gegangen sein könnte.

Alleine machte sich Merian auf zu Lóthiriels Turm im Hafen von Dol Amroth

« Letzte Änderung: 24. Mai 2017, 15:23 von Fine »

Eandril

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Re: In der Stadt
« Antwort #15 am: 16. Jan 2017, 22:53 »
Hilgorn und Faniel vom Palast des Fürsten

Hilgorn erwachte davon, dass jemand gegen die Tür des Hauses hämmerte, das Tírneth Faniel und ihren Kindern für die Zeit ihres Aufenthalts in Dol Amroth zur Verfügung gestellt hatte. Das kleine Haus lag ein wenig östlich des Fürstenpalasts in der Nähe des Hafens und besaß einen winzigen Garten dahinter. Hilgorn verbrachte einen großen Teil seiner freien Zeit hier, und in der Stadt war es vermutlich ein offenes Geheimnis geworden, dass er und Faniel eine Beziehung führten. Doch es kümmerte ihn nicht länger, ob es bekannt war - der Fürst hatte sich offenbar entschlossen, es als Tatsache zu akzeptieren und Hilgorn nicht dafür zu bestrafen, und die Meinung anderer kümmerte Hilgorn nicht.
"General Hilgorn?", ertönte jetzt von der Tür her eine männliche Stimme. "Seid ihr da?" Hilgorn ächzte und setzte sich auf. Sein Blick wanderte zur Seite, wo Faniels Kopf und nackte Schulter unter der dünnen Bettdecke hervorschauten. Er küsste ihre Schulter, doch Faniel murmelte nur etwas schläfriges und drehte sich auf die andere Weise, wobei sich ihr Körper unter der Decke auf sehr anregende Weise bewegte. Hilgorn grinste, straffte sich dann aber und stand wiederwillig auf. Er zog sich rasch ein dünnes Hemd und eine Hose über, bevor er leise Faniels Schlafzimmer verließ, die schmale Treppe ins Erdgeschoss hinuntereilte und die Tür öffnete.
Draußen erwartete ihn einer seiner Gardisten, der gleichermaßen ungeduldig und verlegen wirkte. "General Hilgorn, verzeiht, aber... ihr wolltet Bescheid bekommen, sobald etwas geschieht."
"Balvorn", sagte Hilgorn, und hob beruhigend die Hand. "Mach dir keine Sorgen, sag mir lieber, was passiert ist."
Balvorn entspannte sich sichtlich, als er antwortete: "Es ist ein Schiff gesichtet worden, dass auf den Hafen zuhält. Es segelt unter der Flagge von Dol Amroth, und hat blaue Segel."
"Die Súlrohír?", fragte Hilgorn, und war sofort hellwach, obwohl im Osten gerade erst langsam die Sonne aufging. "Nun, wie dem auch sei, ich muss zum Hafen. Ist der Fürst bereits benachrichtigt?" Balvorn nickte. "Ja, Herr."
"Gut. Schickt dreißig Mann zum Hafen und sperrt den Landeplatz ab - Wenn sich das herumspricht, haben wir dort bevor wir es versehen einen Massenauflauf."
Balvorn salutierte und machte sich auf den Weg, seine Befehle auszuführen, während Hilgorn sich umwandte und die Tür hinter sich schloss. Gerade kam Faniel die Treppe hinunter, mit nichts als einem dünnen Nachtgewand bekleidet, und gähnte.
"Was ist denn passiert?", fragte sie, und Hilgorn antwortete: "Die Súlrohír kehrt aus Umbar zurück, wenn die Berichte stimmen."
"Oh, den Valar sei dank. Ich freue mich für Fürst Imrahil, dass seine Tochter nach Hause kommt."
Hilgorn zog sie in seine Arme und genoss ihre Nähe, als er antwortete: "Wir wissen noch nicht ob die Zwillinge vom Ethir ihren Auftrag wirklich ausgeführt haben. Bei ihrem Ruf könnte ich mir auch vorstellen, dass sie ihre Zeit in Umbar mit Zügen durch die Tavernen und Bordelle verbracht haben."
"Dieser Valion sieht ziemlich gut aus, findest du nicht?", fragte Faniel in unschuldigem Tonfall, und als sie Hilgorns Gesichtsausdruck sah, lachte sie und küsste ihn. Hilgorn erwiderte den Kuss sanft, und vergub dann das Gesicht in ihren duftenden, vom Schlaf noch immer zerzausten Haaren. "In meinen Augen allerdings nicht so gut wie du", flüsterte sie ihm ins Ohr, und als sie sich voneinander lösten, leuchteten ihre Augen. "Nun los, du solltest zu Hafen. Ich werde die Kinder wecken und dann nachkommen."

Nur wenige Minuten später trat Hilgorn vollständig in seine Rüstung als General von Dol Amroth gekleidet, das Schwert an der Seite, auf die Straße, und schlug den Weg in Richtung Hafen ein.

Hilgorn zum Hafen...
« Letzte Änderung: 24. Mai 2017, 15:42 von Fine »

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Eandril

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Re: In der Stadt
« Antwort #16 am: 12. Mär 2017, 16:39 »
Hilgorn aus dem Palast des Fürsten

Trotz Valions spöttischer Verabschiedung hatte Hilgorn den Palast verlassen und den Weg zu Faniels Haus eingeschlagen. Er musste ihr sagen, dass er wieder in den Krieg zog, und wollte das nicht erst am Tag des Aufbruchs tun.
Auf den Straßen war um diese Uhrzeit nur noch relativ wenig Betrieb, und in der kleinen Gasse, in der das Haus lag, war kein Mensch zu sehen als Hilgorn an die Tür klopfte. Kurze Zeit später schwang sie nach innen auf, und Hilgorn trat in den dunklen Eingangsbereich. Faniel war bereits für die Nacht gekleidet, mit einem dünnen, knielangen Nachthemd das außer zwei schmalen Trägern die Schultern komplett freiließ, und war barfuß. Hilgorn zog sie an sich, während er die Tür mit einer Fußbewegung hinter sich ins Schloss fallen ließ, und küsste sie zur Begrüßung. Als er die Lippen schließlich von ihren löste, sagte Faniel: "Und ich dachte, du würdest heute im Palast bleiben... ist etwas passiert?"
Die Erinnerung, die er für einen kurzen Augenblick verdrängt hatte, kehrte zurück, und Hilgorn spürte, wie sein Lächeln wie weggewischt verschwand. "Ich muss in den Krieg ziehen", sagte er langsam. "Mordor wird das Gebirge angreifen, und wir können es uns nicht leisten, die Verbindung zu Rohan zu verlieren." In der Dunkelheit wirkte Faniels Gesicht blass, als sie nach einem Moment des Schweigens fragte: "Und... wann wirst du aufbrechen?"
"Morgen", erwiderte Hilgorn, und das Wort zu sagen fiel ihm schwer. "Es ist Eile von Nöten." Noch bevor er den Palast verlassen hatte, hatte er Befehle an seine Offiziere weitergegeben, das Heer am Vormittag des nächsten Tages vor der Stadt zu versammeln, sodass sie spätestens am Mittag nach Morthond aufbrechen konnten. Auch wenn das Heer von Mordor in den Bergen sicherlich nur langsam voran kam und nicht wusste, dass ihr Plan bereits bekannt geworden war, hatten sie keine Zeit zu verlieren.
Faniel schwieg erneut einen Augenblick und nahm Hilgorns Hände in ihre. Ihre waren schmal und kühl, während Hilgorns eigene Hände die eines Soldaten waren, groß und rau von den langen Stunden, die er ein Schwert oder die Zügel eines Pferdes gehalten hatte. "Morgen schon...", sagte sie schließlich leise, und machte rückwärts einen Schritt auf die unterste Treppenstufe, ohne Hilgorns Hände loszulassen. "Lass uns nach oben gehen. Dort spricht es sich besser und außerdem..." Im Dunkeln glaubte Hilgorn ein kleines schelmisches Lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen, dass er gut kannte, und folgte ihr bereitwillig die Treppe hinauf und in ihr Zimmer. Im oberen Stockwerk gab es außer dem Flur und Treppenhaus nur zwei weitere Räume: Faniels Zimmer, und den Raum, den Iorweth und Belegorn bewohnten. Bevor Hilgorn Faniels Zimmer betrat, lauschte er einen Moment an der anderen Tür, durch die er leise die sanften Atemzüge der Kinder zu hören glaubte. Auch wenn sie die Kinder seines Bruders waren, hatte er doch allmählich begonnen, sie als seine eigenen anzusehen - und gerade Iorweth machte es ihm dabei sehr leicht, denn sie behandelte ihn ohne zu überlegen wie einen Vater. Belegorn machte es ihm schwerer, denn er war älter als seine Schwester und mit seinem leiblichen Vater offenbar auch besser ausgekommen. Doch auch er schien sich allmählich daran zu gewöhnen, dass Hilgorn die Rolle seines Vaters übernommen hatte, und der Gedanke machte Hilgorn glücklich.
Hinter Faniel betrat er ihr Zimmer, und während sie sich auf der Kante ihres Bettes niederließ, blieb er vor dem offenen Fenster stehen und blickte auf den mondbeschienenen kleinen Garten hinaus.
"Also, was ist los?", fragte Faniel schließlich. "Warum musst du wieder in den Krieg?"
Hilgorn seufzte, und stützte sich mit den Ellbogen auf den Fensterrahmen. "Ladion ist aus dem Osten zurückgekehrt." Er hörte Faniel hinter sich scharf und plötzlich einatmen, und war sich sicher, dass sie an Imradon dachte. "Er hat Imradon bis nach Osgiliath verfolgt, und dort den Plan belauscht, dass Mordor das Weiße Gebirge besetzen und uns von Rohan abschneiden will", fuhr er fort, und wandte sich dann abrupt zu ihr um. "Imradon wird bei der Armee sein, und selbst wenn Imrahil mir nicht befohlen hätte, unsere Truppen anzuführen..."
"Willst du ihn töten?", fragte Faniel langsam, und dieses eine Mal konnte Hilgorn nicht erkennen, was sie dabei dachte: Ob sie sich über diese Aussicht freute, oder ob sie sie erschreckte. "Könntest du das tun?"
Hilgorn zögerte, und setzte sich dann neben sie. "Ich weiß es nicht. Ich... glaube nicht. Ich würde ihn gefangennehmen, und den Fürsten über ihn urteilen lassen. Das wäre gerecht, denn trotz allem... ist er mein Bruder, auch wenn ich ihn nie geliebt habe."
"Und mein Ehemann", sagte Faniel mit einem traurigen Lächeln, und Hilgorn schüttelte den Kopf. "Nein. Nicht wenn es nach mir geht. Du gehörst zu mir - und ich zu dir." Er küsste sie, während er mit der einen Hand ihr Nachthemd langsam die Oberschenkel hinaufschob und mit der anderen den einen Träger von ihrer Schulter schob. Als er sich am anderen Träger zu schaffen machte, spürte er sie erschauern und hörte, wie ihr Atem schneller und heftiger zu gehen begann. Faniel hob bereitwillig die Arme, wodurch Hilgorn die Träger leichter abstreifen konnte und das Nachthemd bis auf den Bauch hinunterrutschte. Als Hilgorn seine Hände sanft über ihre Brust wandern ließ, stöhnte sie dumpf auf, und er legte ihr einen Finger auf die geöffneten Lippen.
"Schsch... Leise, du willst doch die Kinder nicht aufwecken, oder?", fragte er mit einem Augenzwinkern, ohne mit der anderen Hand sein Tun zu unterbrechen. Zur Antwort packte Faniel den Saum seines Hemdes und sagte: "Wenn, dann bist du daran Schuld... und jetzt solltest du diese viele Kleidung loswerden."

Später saßen sie nebeneinander auf der Kante des Bettes und blickten durch das Fenster hinaus auf den nächtlichen Himmel. Der Mond war inzwischen untergegangen, und die Sterne waren deutlich zu sehen. Sie hatten eine Decke über ihren Beinen ausgebreitet und Faniel hatte sie sich sogar um den nackten Oberkörper gewickelt, denn auch wenn es noch immer Sommer war, brachten die Nächte in Dol Amroth oft einen kühlen Wind vom Meer her.
"Wohin genau werdet ihr eigentlich gehen?", fragte sie, und schien sich in Gedanken eine Karte Gondors vor Augen zu rufen. "Nach Lamedon, oder Ethring?"
Hilgorn musste grinsen, und warf ihr einen schiefen Blick zu. "Du hast ein Talent für romantische Gesprächsthemen, wirklich." Faniel stieß ihm den Ellbogen in die Seite, wobei die Decke ein wenig herunterrutschte - sehr zu Hilgorns Freude. Er hatte das Gefühl sich niemals an ihr satt sehen zu können. "Ansonsten würde ich nie auf die Idee kommen, einen so ernsthaften Kerl wie dich heiraten zu wollen", gab sie halb im Scherz zurück, und stieß erneut mit dem Ellbogen zu. Hilgorn rutschte ein Stück zur Seite, denn der Ellbogen war spitz und traf zielsicher die Stellen, an denen es wehtat, und fragte als ob er sich verhört hätte: "Hast du gerade tatsächlich gesagt, du würdest mich... heiraten?" Er hatte sie nie gefragt, denn solange Imradon lebte und nach Recht und Gesetz mit ihr verheiratet war, war es ihm nicht richtig vorgekommen.
"Mhm", machte Faniel nur, und blickte demonstrativ weiter aus dem Fenster in die Nacht hinaus. "Wenn der Fürst es erlauben würde, würde ich es noch heute tun... bevor du gehen musst."
"Das würde mir gefallen", erwiderte Hilgorn, und spürte, wie heiser seine eigene Stimme dabei klang. Faniel hatte es gesagt, als ob es keine große Sache gewesen wäre, doch auch wenn Hilgorn bereits gewusst hatte, wie sie zueinander standen, bedeutete es ihm viel. Er räusperte sich, und sagte: "Nun ja... Wir werden ins Morthond-Tal ziehen, nach Erech. In Lamedon oder Ethring würden wir womöglich zu früh auf Mordors Truppen treffen, und Erech wird ohnehin ihr Ziel sein. Dort haben wir genug Zeit uns aufzustellen und den Angriff zu erwarten, wenn wir morgen aufbrechen."
"Auch wenn ich nicht viel vom Krieg verstehe, klingt das vernünftig", meinte Faniel nachdenklich, und fügte ein wenig besorgt hinzu: "Denkst du... du wirst zurechtkommen. Mit den... Orks, meine ich?"
Hilgorn schwieg einige Zeit, bevor er antwortete. Er hatte Faniel erzählt, welche Furcht vor diesen Wesen sich in seinem Herzen eingenistet hatte, und jetzt, wo sie es erwähnte, flammte die Furcht einen kurzen Augenblick erneut auf. Natürlich würde die Streitmacht Mordors aus Orks bestehen, doch er musste sich ihnen entgegenstellen. Ansonsten wäre er es nicht wert und nicht geeignet, ein General Dol Amroths zu sein. "Ja", sagte er schließlich. "Es wird schwer, aber ich weiß, dass ich es schaffen kann. Und außerdem...", fügte er hinzu, und rang sich ein schwaches Lächeln ab. "Valion vom Ethir wird das Heer begleiten. Und ich werde mir vor diesem Jungen sicherlich keine Blöße geben."
"Dieser Junge ist nicht viel jünger als du", erwiderte Faniel mit leichtem Vorwurf in der Stimme. "Und er hat es geschafft, Lóthiriel aus Umbar zu befreien und nach Hause zu bringen, und zuvor ist es ihm gelungen, den Ethir zurück zu erobern."
Hilgorn seufzte. Sie hatte ja recht, doch er hatte trotzdem Schwierigkeiten mit Valions lockerer Art und zumindest oberflächlichen Verantwortungslosigkeit. Und auch wenn Valion Hilgorns Beziehung zu Faniel nicht zu verurteilen schien - das wäre an seiner Stelle auch reichlich heuchlerisch gewesen - wäre es Hilgorn lieber gewesen, der Herr vom Ethir hätte wie der übrige Adel Dol Amroths darüber hinweggesehen und gar nichts dazu gesagt. "Eigentlich will ich gar nicht über Valion vom Ethir reden", sagte er, und zog Faniel mit einem Ruck die Decke vom Oberkörper. "Sondern..."
Sie erwiderte den Kuss mit Leidenschaft, und murmelte, während sie sich rücklings auf das Bett sinken ließ: "Du bist wirklich unmöglich, weißt du das?"
Hilgorn küsste spielerisch ihren Hals, und erwiderte: "Ich weiß... aber wer weiß schon, wie lange ich weg bin?" Dann wanderte er tiefer, Faniel schob die Hände in seine Haare und sagte atemlos: "Hoffentlich nicht allzu lange. Und jetzt... hör auf zu reden."

Am nächsten Morgen erwachte Hilgorn kurz nach Sonnenaufgang davon, dass jemand energisch an die Tür von Faniels Schlafzimmer pochte. Nachdem er sich rasch angekleidet hatte, öffnete er und sah sich Iorweth gegenüber, die bei seinem Anblick zu strahlen begann. "Oh, ich dachte du wärst im Palast!"
Hilgorn ging vor ihr in die Hocke, sodass das Mädchen ihn zur Begrüßung umarmen konnte, und antwortete lächelnd: "Ich habe es mir doch noch anders überlegt... schließlich bist du ja hier."
Iorweth kicherte, und sagte: "Mutter hat uns gesagt, dass wir heute mit Alphros und Tírneth ein Picknick machen würden... kommst du auch mit?" Als er ihre strahlenden hoffnungsvollen Augen sah, spürte Hilgorn wie sich in ihm etwas schmerzhaft zusammenzog. Er schüttelte den Kopf, und erwiderte: "Ich würde gerne... aber ich kann nicht. Ich muss... etwas erledigen, außerhalb der Stadt."
Iorweth verzog auf reizende Weise enttäuscht das Gesicht. "Aber das nächste Mal kommst du mit?" Hilgorn richtete sich auf, und fuhr ihr mit der Hand zärtlich durch den schwarzen Haarschopf. "Sobald ich wieder da bin, machen wir das. Ich versprech's."
Iorweth strahlte erneut, und hinter Hilgorn öffnete sich die Tür zu Faniels Zimmer. Faniel kam heraus, wieder in ihr Nachthemd gekleidet, mit zerzausten Haaren, und rieb sich gähnend die Augen. "Was tust du denn schon hier, meine Kleine?", fragte sie verschlafen, und Iorweth zog die Nase kraus. "Du hast gesagt, dass wir zu Alphros in den Palast gehen und dann ein Picknick machen." Sie verschränkte die Arme, und sah äußerst entschlossen aus. Faniel schien inzwischen ein wenig wacher zu sein, warf einen Blick über die Schulter aus dem Fenster und sagte: "Aber doch noch nicht jetzt. Du musst noch ein klein wenig Geduld haben."
"Ist dein Bruder schon wach?", fragte Hilgorn, und Iorweth rümpfte die Nase, als sie antwortete: "Nein... und ich will auch gar nicht, dass er mitkommt. Deshalb war ich ganz leise." Hilgorn und Faniel tauschten einen wissenden Blick. In letzter Zeit kamen die beiden Geschwister nicht allzu gut miteinander aus, und es gab oft Streit.
"Nun, bestell ihm trotzdem Grüße von mir", sagte Hilgorn mit einem Augenzwinkern, und musste über Iorweths finstere Miene lachen. Dann küsste er Faniel auf die Wange und sagte: "Ich muss los, fürchte ich. Der Krieg wartet auf niemanden - wir sehen uns bald."
"Das hoffe ich sehr", erwiderte Faniel, und küsste ihn trotz Iorweths Anwesenheit kurz auf den Mund. "Ich auch!", forderte das Mädchen. Hilgorn hob sie hoch, und ließ sich von ihr auf die Wange küssen. "Du kratzt!", protestierte sie, und fügte dann etwas leiser hinzu: "Ich hoffe auch, dass du bald wieder da bist." Nachdem Hilgorn sie widerwillig abgesetzt hatte, verließ er das Haus und eilte durch die erwachenden Straßen der Stadt zurück zum Palast, wo er seine Waffen und Rüstung gelassen hatte.

Hilgorn zum Platz der tausend Schwanenfedern
« Letzte Änderung: 24. Mai 2017, 15:31 von Fine »

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Re: In der Stadt
« Antwort #17 am: 12. Mai 2017, 19:02 »
Hilgorn, Valion, Cynewulf und Ladion mit dem Heer Dol Amroths aus Lamedon

Das Heer Gondors war in Dol Amroth eingetroffen. Als die Kundschafter, denen sich Cynewulf wieder angeschlossen hatte, in den Stallungen Dol Amroths bereits ihre Sättel von ihren Pferden hievten, öffnete sich gerade das große Tor der Stadt, um den Hauptteil der Armee einzulassen. Die Kundschafter waren bereits wenige Augenblicke vor dem Heer in Dol Amroth eingetroffen. Während die Kundschafter sich nun zu Fuß dem Heer wieder anschlossen, blieb Cynewulf weiterhin im Stall. Der Rohir hatte seinen Hengst in eine freie Box gebracht, die Satteltasche über den Zaun gelegt und strich nun das teilweise zerzauste Fell mit der Bürste wieder glatt. Nebenbei reichte er Schildbrecher immer mal wieder einen der dutzenden kleinen, grün-gelben Äpfel, die er am Wegesrand in Lamedon gesammelt hatte.

Nachdem Cynewulf sein Pferd gestriegelt hatte, verließ schließlich auch er den Stall. Er beobachtete, wie die letzten Männer des Heeres das Tor passierten und sich zur Kaserne begaben. Obwohl Cynewulf nur einen kleinen Teil Dol Amroths gesehen hatte, war er bereits jetzt schon fasziniert von de gondorischen Architektur. Die Stadt war deutlich größer als er sie sich vorgestellt hatte, zudem war sie mit Aldburg oder Edoras nicht vergleichbar. Cynewulf versuchte, sich in der Stadt zurecht zu finden und folgte einer Straße zum Markt. Als er den Markt schließlich fast erreichte hatte, sah er, wie die zwei Kommandanten die er in der Schlacht um Morthond kennen gelernt hatte, sich unterhielten. Er erinnerte sich nur noch vage an beide Namen.
Es interessierte ihn schließlich nicht mehr weiter worüber sie sprachen, und er begab sich zum Markt von Dol Amroth; in der Hoffnung, dort vielleicht Informationen über seine Nichte herauszufinden. Der Markt war deutlich größer und edler als jener in Edoras. Hier gibt es wirklich alles, was das Herz begehrt, dachte Cynewulf als er sich das große Angebot der Händler anschaute.
Der Rohir ging kurz darauf auf einen recht unscheinbaren Händler zu, der gerade neue Kleider auf seinen Stand legte.
"Werter Herr?" fragte er höflich. "Ich suche nach einem Mädchen - sie müsste etwa neunzehn Jahre alt sein, und ist so wie ich eine der Rohirrim."
Der Händler, der die ganze Zeit über gebückt gewesen war, stellte sich nun gerade hin. Cynewulf ging einen Schritt zurück als er die dunkelblauen Augen im markanten Gesicht des mindestens ein Kopf grösseren Mannes sah. "Wieso sucht ihr nach dem jungen Mädel?" fragte dieser schroff.
"Ich suche eine Freundin, die seit einigen Jahren verschwunden ist..." gab Cynewulf preis. Er versuchte, nicht zu viele Informationen darüber preiszugeben, wen er genau suchte. Schließlich geht das niemanden etwas an, dachte er.
"Nun, solche Informationen besitze ich nicht; und nun schert euch davon, ihr haltet meine Kunden auf."
Cynewulf war sichtlich verwundert über die agressive Reaktion des Händlers. Schlechten Tag gehabt, was? dachte er.

Er spazierte noch eine längere Zeit durch den Markt und sah sich die verschiedenen, für ihn teilweise unbekannten Waren, der Händler an, bis sein Bauch sich bemerkbar machte. Zudem stieg ihm der Feine Geruch von frischen Fleisch in die Nase. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er bereits seit längerem nichts mehr gegessen hatte. Er folgte dem Geruch in ein großes Gasthaus und öffnte die Tür. Vorne am Tresen setzte er sich auf einen der Hocker. "Ein Bier und etwas von dem gutriechendem Fleisch." bat Cynewulf den Schankwirt. Obwohl es gerade erst Nachmittag war, war im Gasthaus bereits voller Betrieb. Cynewulf erinnerte sich an seine erste Schlacht seit vielen Monaten zurück. Nachdem er von einem Troll verwundet wurde, musste er ein Jahr in den Heilhäusern Lothloriens verbringen und war deshalb an der Befreiung Rohans kaum mehr beteiligt. In der Zwischenzeit hatte der Schankwirt die Bestellung auf vor Cynewulf gestellt. "Brauchst du noch etwas?" fragte dieser schließlich. Cynewulf schaute sich um, sein Blick blieb bei einer jungen, hübschen Frau hängen. "Ja, ein Zimmer für zwei." sagte er abschließend.
« Letzte Änderung: 13. Mai 2017, 16:18 von Fine »
Er hat noch gezuckt weil ich ihm meine Axt in seine Nervenstränge getrieben habe.

-Gimli Gloinssohn zu Legolas, Schlacht bei Helms Klamm-

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Gerüchte aus dem Osten
« Antwort #18 am: 13. Mai 2017, 17:35 »
Fürst Imrahil erwartete die Kommandanten des siegreichen Heeres bereits auf dem großen Platz, der direkt hinter dem Haupttor Dol Amroths lag. Valion und Hilgorn saßen ab und ließen ihre Pferde von Stallburschen fortbringen. Der Fürst wurde von seinen Beratern Ardamir und Amrodin sowie seinem Sohn Elphir begleitet.
"Ihr kehrt siegreich zurück," stellte er lobend fest.
"Mein Fürst, wir taten nichts mehr als unsere Pflicht im Dienste Gondors und Dol Amroths," gab Hilgorn bescheiden zurück.
"Erneut hast du deinen Wert bewiesen, mein Freund," sagte Elphir freundschaftlich und klopfte dem General auf die Schulter. "Gut gemacht."
"Dieser Sieg ist nicht allein mein Verdienst. All jene, denen Ihr in Eurer Weisheit Teile des Kommandos übertragen habt, haben ihren Teil dazu beigetragen, dass Erech und Calembel noch stehen und die Pfade der Toten weiterhin in unserer Hand sind," fuhr Hilgorn fort.
"Dessen bin ich mir sicher," sagte Imrahil mit einem Seitenblick auf Valion, der selbstsicher lächelte. Ich habe mir das Vertrauen des Fürsten erneut verdient, dachte er. Er mag vielleicht meine Art nicht schätzen, aber er weiß, dass ich Ergebnisse liefere.

Sie waren dem Heereszug weiter durch die Straßen Dol Amroths bis zu den Kasernen gefolgt. In einem der Besprechungsräume dort lieferte Hauptmann Berion einen detaillierten Schlachtbericht, den Imrahil von seinem Schreiber aufzeichnen ließ. Imrahil stellte immer wieder Zwischenfragen und schien vor allem daran interessiert zu sein, was die Soldaten an Gerüchten über den erneuten Kriegsausbruch gehört hatten.
"Auch wir haben einige beunruhigende Nachrichten erhalten," sagte der Fürst und Truchsess nachdem Berion seinen Bericht beendet hatte. "Amrodin?"
"Meine Leute in Linhir und an der Gilrain-Grenze haben erfahren, dass bei Minas Tirith und Osgiliath Truppen zusammengezogen werden und die Orks neue Verstärkung aus Mordor erhalten haben. Außerdem geht das Gerücht um, dass der Kommandant, der für den Angriff auf Morthond verantwortlich war, gestürzt und hingerichtet wurde. Sein Nachfolger scheint eine andere Strategie zu verfolgen. Ich habe bereits Spione nach Ost-Gondor entsandt, aber es wird noch einige Tage dauern, bis wir wirklich belegbare Informationen aus den besetzten Gebieten erhalten werden."
"Das deckt sich mit dem, was unsere Soldaten gehört haben," überlegte Valion. "Unser Feind hat irgendetwas vor. Wir müssen wachsam sein und unsere Grenzen scharf bewachen."
"Das tun wir, junger Herr," erwiderte Amrodin scharf.
"Da bin ich ja beruhigt," gab Valion mit einem Augenzwinkern zurück.
"Die Garnison in Linhir wird schon bald gewarnt werden," sagte Imrahil. "Ich habe heute morgen Meldereiter zu Túrin, ihrem Kommandanten, entsandt. Doch ich denke, es kann nicht schaden, mehr Soldaten an die Grenze zu entsenden."
"Jene, die in Morthond gefochten und geblutet haben, sollten eine Ruhepause gewährt bekommen," meinte Hilgorn. "Lasst stattdessen jene Soldaten nach Osten gehen, die in unserer Abwesenheit die Schwanenstadt bewacht haben."
"Ein guter Vorschlag," stimmte Elphir zu. "Doch heute feiern wir deinen Sieg, Hilgorn. Heute Abend wird es ein Gelage geben."
"Das ist wirklich nicht notwendig..." wehrte Hilgorn ab.
"Faniel und die Kinder sind natürlich auch eingeladen," fügte Elphir lächelnd hinzu.
"Also gut," gab sich Hilgorn geschlagen.

Die Beratung über die Schlacht und die weiteren Pläne neigte sich dem Ende zu, als eine junge Bedienstete herbeigeeilt kam und sich schüchtern neben Valion stellte.
"Herr Valion? Ich... mein Name ist Váneth, zu Euren Diensten..." brachte sie hervor, ehe ihre Stimme unhörbar wurde.
Valion musterte sie aufmerksam und zog die linke Augenbraue hoch. Sie hatte ein hübsches Gesicht, schulterlange hellbraune Haare und trug ein Kleid nach der Tracht Dol Amroths: blau, silbern, und mit weiten Ärmeln. Sie konnte nicht älter als zwanzig sein, schätzte Valion. "Was gibt es, junge Dame?" fragte er freundlich und führte sie behutsam von den übrigen Kommandanten weg, bis sie in einem der Gänge innerhalb der Kaserne standen und allein waren. Als er einen zweiten Blick auf sie warf, fiel ihm ihre Halskette auf, an deren Ende ein kunstvoller Anhänger aus ihrem Ausschnitt hervorlugte, der die Form eines schlanken Schiffes mit vollen Segeln hatte. Da wusste Valion, wer das Mädchen geschickt hatte.
"Ich... bringe eine Nachricht von..." versuchte sie es erneut.
"Von meiner lieblichen Verlobten, ich weiß," ergänzte Valion. "Sie möchte sich mit mir treffen, nicht wahr? Und nicht im Palast, so wie es aussieht. Ansonsten würde sie ja einfach dort auf mich warten. Also dann: geh voraus, kleine Váneth."
"Wie habt Ihr das nur erraten, Herr?" Váneth kam aus dem Staunen kaum mehr heraus. Sie ist wirklich noch sehr jung, dachte Valion.
"Ich habe eine Gabe dafür, verborgene Dinge schneller als Andere zu erkennen," behauptete er.
Váneth hatte sich in Bewegung gesetzt und führte ihn rasch von der Kaserne weg, durch die Straßen in Richtung Westen, bis sie in die großen Gärten kamen, die die Fürsten von Haus Dol Amroth dort angelegt hatten. Und dort saß Lóminith, gehüllt in einen unscheinbaren grauen Umhang, auf einer Bank, die auf einem erhöhten Plateau stand. Von dort hatte man einen exzellenten Blick über die Bucht von Belfalas und den Ozean im Süden.
Váneth eilte zu ihrer Herrin und machte einen anmutigen Knicks. Doch Lóminîth entließ das Mädchen mit einer Handbewegung, ohne sie anzusehen. Valion glaubte, Erleichterung in Váneths Gesicht zu sehen, als sie sich rasch entfernte.
"Du bist also wieder zurück," stellte Lóminîth fest.
Valion umrundete die Bank und stellte sich neben seine Verlobte. "Freust du dich denn nicht, mich zu sehen?" neckte er.
Lóminîth zog die Kapuze ihres Umhangs vom Kopf. Sie trug ein tiefrotes Kleid mit goldenen Stickereien an Ärmeln und Ausschnitt, und auf ihrer Brust prangte dasselbe Medaillon, das auch Váneth getragen hatte. Ihr Blick blieb mehrere Sekunden gleichgültig, bis er schließlich doch erweichte. Sie stand auf und legte die Arme um Valion. "Ich bin froh, dass du wohlbehalten zu mir zurückkehrst," sagte sie leise.
"Ich sehe, du hast dir bereits ein feines Netz aus Gehilfinnen zusammengesponnen," meinte Valion. "Ich hatte mich schon gefragt, weshalb eine der Soldatinnen aus Dol Amroth während der Schlacht seltsamerweise ständig in meiner Nähe war."
Seine Verlobte legte den Kopf leicht schief. "Ich habe eine... Beschäftigung gesucht, und gefunden," antwortete sie schlicht. "Meine Mädchen fügen niemandem Schaden zu. Ich hole sie von der Straße und geben ihnen frische Kleidung, genug zu Essen, und ein Dach über dem Kopf. Und im Gegenzug..."
"...spionieren sie für dich," beendete Valion ihren Satz.
"Sie versorgen mich mit Informationen, und leisten mir Gesellschaft, wenn mein Verlobter weit fort ist," korrigierte Lóminîth. "Selbst die Prinzessin ist heutzutage vielbeschäftigt. Ihre Rolle als Herrin von Tolfalas hat sie in den letzten Tage sehr in Beschlag genommen."
"Ist sie etwa zur Insel aufgebrochen? Die Gewässer zwischen Dol Amroth und Tolfalas sind noch nicht endgültig sicher. Ich will sie nicht ein zweites Mal aus Umbar retten müssen..."
"Nein, Lothíriel ist hier. Aber sie hat einfach viel zu tun. Sie nimmt ihre neue Aufgabe sehr ernst."
"Diese Mädchen, wie Váneth... wieviele sind es?" fragte Valion.
"Nur eine Handvoll. Meine Mittel sind natürlich begrenzt. Ich kann nur eine bestimmte Anzahl an Mäulern stopfen. Aber über deine äußerst hilfreiche Schwester bin ich in den Besitz eines schönen großen Hauses in der Nähe dieser Gärten hier gekommen. Frag' mich nicht, was sie getan hat, damit dieser reiche Einfaltspinsel aus Anfalas es ihr für einen Spottpreis überlassen hat. Mir ist es gleich. Die Mädchen haben einen Ort, an dem sie sicher sind, und das ist alles, was in dieser Hinsicht zählt."
"Entdeckst du jetzt etwa deine gutherzige und fürsorgliche Seite?" stichelte Valion. Ein gefährliches Aufblitzen in Lóminîths Augen brachte ihn jedoch rasch zum Schweigen.
"Komm", sagte seine Verlobte. "Ich zeige es dir. Es ist nicht weit."
Während sie die Gärten verließen, musste Valion an Edrahils Worte denken. Ich hoffe, da steckt nicht mehr dahinter, als es scheint. Ich will dir vertrauen, Lómi... enttäusch mich nicht!
« Letzte Änderung: 13. Mai 2017, 18:29 von Fine »
RPG:

Eandril

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Re: In der Stadt
« Antwort #19 am: 13. Mai 2017, 22:57 »
Hilgorn hatte das Ende der Besprechung ungeduldig herbeigesehnt, und die Kasernen sofort nach ihrem Ende mit schnellen Schritten verlassen. Je näher er jedoch an sein Ziel kam, desto langsamer wurden seine Schritte. Seit sie Lamedon verlassen hatten, hatte er nicht länger an Imradon gedacht, und es vermieden, sich seinen Gefühlen wirklich zu stellen. Doch wenn er Faniel sah, würde es sich nicht länger vermeiden lassen, darüber zu sprechen.
Er klopfte an die Tür, und nur wenige Augenblicke später öffnete Faniel. Wie immer, wenn er sie sah, schien sein Herz einen kleinen Sprung zu machen, und ihre Augen strahlten als sie sagte: "Du bist wieder da!" Hilgorn erwiderte das Lächeln, schloss sie fest in die Arme und küsste sie - sittsam auf die Wange, denn aus einem Nebenzimmer kam Iorweth gestürmt, ein wenig langsamer gefolgt von Belegorn. Das Mädchen drängte sich zwischen ihn und Faniel, umarmte sein Bein - höher reichte sie nicht - und Hilgorn strich ihr zärtlich durch den schwarzen Schopf. Mit der anderen Hand winkte er Belegorn zu, der den Anflug eines Lächelns zeigte, seine Hand ebenfalls hob und sofort wieder sinken lies. Hilgorn unterdrückte ein Seufzen. Ihr Verhältnis hatte sich bereits deutlich gebessert seit der Ankunft in Dol Amroth, doch er und sein Neffe hatten noch einen weiten Weg vor sich.
"Ich habe noch gar nicht gehört, dass das Heer zurück ist. Warum hast du mir keinen Boten geschickt?", beschwerte Faniel sich, aber ihr Lächeln zeigte, dass sie nicht wirklich verärgert war.
"Weil ich euch ganz für mich haben wollte", erwiderte Hilgorn, und löste sich sanft aus Iorweths Umklammerung. "Gab es eine große Schlacht?", fragte das Mädchen. "Habt ihr gewonnen?"
"Ja, es gab eine Schlacht", bestätigte Hilgorn, wobei er Faniel nicht aus den Augen ließ. "Und ja, wir haben gewonnen, für dieses Mal." Faniel musste ihm angesehen haben, dass etwas nicht in Ordnung war, denn sie sagte: "Kinder, bitte geht wieder hinaus in den Garten, spielen. Das Wetter ist viel zu schön, um drinnen zu sein." Das entsprach der Wahrheit, denn außer einigen verstreuten Wolken war der Himmel strahlend blau, und eine leichte Brise vom Meer sorgte dafür, dass die sommerliche Hitze nicht zu drückend wurde.
Dennoch ließen sich die Kinder nicht so leicht abspeisen. "Warum?", fragte Belegorn, und Iorweth ergänzte: "Genau. Ihr seid doch auch drinnen." Dann warfen sich die Geschwister einen misstrauischen Blick zu, offenbar verwundert, einmal einer Meinung zu sein.
"Deine Mutter und ich haben etwas zu besprechen, was nicht für eure Ohren bestimmt ist", erklärte Hilgorn, und erwiderte Belegorns rebellischen Blick ruhig. Er kannte diese Haltung von jungen Rekruten, die sich noch nicht an die militärische Hierarchie gewöhnt hatten, und wie erwartet wandte Belegorn einige Herzschläge später den Blick ab, und ging betont langsam den Flur entlang in Richtung der Gartentür davon.
Iorweth warf ihrer Mutter einen flehenden Blick zu, und trottete ihrem Bruder dann langsam hinterher, nachdem Faniel den Kopf geschüttelt hatte.

Als die Kinder im Garten verschwunden waren, wurde Faniels Miene ernst, und sie fragte: "Was ist geschehen? Hast du... ihn gesehen." Hilgorn nickte langsam, hob dann den Kopf und blickte ihr in die Augen. "Er ist tot, Faniel. Imradon ist tot."
Auf Faniels Gesicht spiegelten sich all die widerstreitenden Gefühle wider, die Hilgorn selbst empfunden hatte. Erleichterung, Schock und sogar Trauer - allerdings eine deutlich größere Trauer als bei Hilgorn selbst. Er sah, wie sie die Zähne zusammen biss und ihre Kiefermuskeln zuckten. Dann fragte sie: "Hast du ihn getötet? Oder war es jemand anders?"
"Es war... Valion", erwiderte Hilgorn langsam. "Und er hat..." Faniel hob die Hand, und bedeutete ihm, zu schweigen. "Nein, bitte. Ich..." Sie atmete tief durch. "Ich muss jetzt einen Moment alleine sein, bitte."
Hilgorn nickte, verwirrt. "Natürlich. Sag mir Bescheid, wenn du dich wieder in der Lage fühlst, zu..." Er unterbrach sich, denn sie hatte bereits begonnen, die Treppe ins obere Stockwerk hinaufzusteigen.
Einige Zeit wanderte Hilgorn im Haus umher, beobachtete durch die Gartentür die spielenden Kinder, und bei ihrem Anblick wurde sein Herz schwer. Ihr Vater - sein Bruder - hatte versucht, Hilgorn zu töten, und war dabei selbst getötet worden, und Hilgorn wollte ihre Mutter heiraten. Wie mochte es für sie sein, wenn er ihnen früher oder später davon erzählen musste? Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, und schüttelte den Kopf. Bei den zwei Bäumen, was für ein Durcheinander.
Schließlich hielt er es nicht länger aus, stieg die Treppe hinauf und blieb vor der Tür zu Faniels Zimmer stehen. Sie war nicht ganz geschlossen sondern nur angelehnt, und er glaubte ein verhaltenes Schluchzen aus dem Raum zu hören.
Nach einem kurzen Zögern öffnete er die Tür leise, und trat neben Faniel, die am Fenster stand, die Ellbogen auf den Fensterrahmen gestützt und das Gesicht in den Händen vergraben. Als er ihr den Arm um die Schultern legte, wehrte sie sich nicht - ein gutes Zeichen.
"Und ich dachte, du hättest ihn nicht geliebt", sagte Hilgorn, und konnte eine leichte Bitterkeit nicht aus seiner Stimme heraushalten. Er wusste nicht recht, was er fühlen sollte - Mitleid, Eifersucht, oder Scham, dass sie offenbar mehr um seinen Bruder trauerte als er selbst? Faniel hob den Kopf, und wandte ihm ihr tränennasses Gesicht zu. "In letzter Zeit nicht, aber als wir geheiratet haben? Ich habe ihn nie so geliebt, wie dich jetzt, aber... damals habe ich zumindest etwas ähnliches gefühlt. Zumindest bis nach Belegorns Geburt, als er hatte... was er wollte." Mit der freien Hand wischte Hilgorn ihr sanft eine Träne von der Wange. Die wenigen Worte hatten alle Zweifel, die ihn kurz überfallen hatten, fortgewischt.
"Und er ist immerhin der Vater meiner Kinder", sprach sie leise weiter. "Also trauere ich um ihn - nur heute, nur dieses eine Mal."
"Ich verstehe", sagte Hilgorn, und es war nicht gelogen. Er hatte Imradon nicht beweint, doch er hatte auch nicht mit ihm zusammengelebt, und ihr Verhältnis war ohnehin nie gut gewesen. Trotzdem hatte er um seinen ältesten Bruder getrauert, allerdings eher aus Pflichtgefühl und aus dem Wissen heraus, was das für seine Mutter bedeuten würde, die all ihre Söhne, ungeachtet ihrer Fehler, immer geliebt hatte.
Faniels Tränen waren versiegt, als sie fragte: "Also... wie ist es geschehen?"
"Er war beim feindlichen Heer", erzählte Hilgorn. "Ich hatte ihn zu Beginn der Schlacht nicht gesehen, sondern erst später. Ich bin zu Boden geschlagen worden, und plötzlich war er da. Er drohte mich zu töten, und wollte dich und Belegorn wiederhaben. Ich... konnte mich nicht wehren, und ich weiß ehrlich nicht, ob ich ihn hätte töten können. Aber dann war Valion da, und... hat ihm den Kopf abgeschlagen. Er hat also nicht gelitten."
"Das ist gut", erwiderte Faniel, und bette den Kopf an seine Schulter. Sie hatte nicht wieder zu weinen begonnen, als er von Imradons Tod erzählt hatte, und sagte nun: "Ein Teil von mir hat sich seinen Tod gewünscht, damit ich frei bin... aber ich wollte nie, dass er leiden muss, trotz allem was er getan hat."
"Du bist eben ein guter Mensch", murmelte Hilgorn, und presste die Lippen gegen ihre Schläfe. Er vergrub die Gefühle des Hasses und der Rache, die er gegenüber Imradon zwischenzeitlich gehegt hatte, tief.
"Wenn du das sagst, ist es genug für mich", meinte Faniel, und küsste ihn, mit dem Hunger und der Leidenschaft einer Frau, die ihren Mann mehrere Jahre nicht gesehen hatte. Als sie sich voneinander lösten, lächelte sie wieder, und die Erleichterung darüber war so groß, dass sie Hilgorn beinahe schmerzte.
"Weißt du, was das heißt?", fragte sie, und Hilgorn nickte. "Du bist frei, um erneut zu heiraten."
"Nach angemessener Trauerzeit natürlich", gab Faniel zurück, und eine Spur von Schalk hatte sich in ihre Augen geschlichen. "Die in Anbetracht der Umstände allerdings nicht allzu lange dauern dürfte..."
"Hm", machte Hilgorn, lehnte sich an die Wand und verschränkte die Arme. "Wie wäre es mit... einem Tag?" Faniel lachte, und es war das schönste Geräusch, dass er seit langem vernommen hatte. "Du bist wirklich unmöglich. Also was ist, willst du mich heiraten?"
Hilgorn stockte kurz, bevor er meinte: "Sollte... ich nicht derjenige sein, der diese Frage stellt?"
"Mag sein. Mir egal", gab Faniel zurück. "Also?"
Hilgorn grinste, zog sie fest an sich und hob sie von den Füßen. "Da fragst du noch. Natürlich will - und werde - ich dich heiraten." Er wirbelte sie einmal lachend im Kreis, und als er sie wieder auf die Füße stellte, küsste sie ihn.

"Wir sollte nicht zu lange damit warten", meinte Hilgorn schließlich. "Immerhin ist Krieg, und man weiß nie..." "Rede nicht davon", unterbrach Faniel ihn, und ihre grauen Augen blickten ernst. "Ich weiß, worauf ich mich einlasse."
Der Zauber des Augenblicks war verflogen, und Hilgorn sagte leise: "Es gibt beunruhigende Nachrichten aus dem Osten. Es könnte sein, dass der Krieg bald wieder ganz ausbricht, und ich nach Osten an den Gilrain muss."
"Wie gesagt, ich weiß, worauf ich mich einlasse", erwiderte Faniel scharf, doch sofort wurde ihre Miene wieder weicher. "Tut mir leid. Ich weiß, dass du mich nur auf das Unausweichliche vorbereiten willst."
"Ich will nicht noch einmal so fortgehen wie letztes Mal", erwiderte Hilgorn. "Plötzlich und unerwartet." "Das ist das Schicksal, wenn man einen Soldaten liebt", sagte Faniel mit traurigem Lächeln. "Aber solange du immer wieder nachhause kommst, kann ich es aushalten." Ihre Miene verdüsterte sich noch ein wenig mehr als sie sagte: "Ich muss es den Kindern erzählen. Was passiert ist."
"Ich helfe dir", sagte Hilgorn, und nahm ihre Hand. "Immerhin war ich dort." Und schließlich war er derjenige, der dafür gesorgt hatte, dass Imradon Tíncar hatte verlassen müssen. Damit war er direkt verantwortlich dafür, dass sein Bruder in Morthond sein Ende durch Valions Klinge gefunden hatte, doch das erwähnte er nicht.

Iorweth nahm die Nachricht vom Tod ihres leiblichen Vaters beinahe gleichmütig auf. Imradon hatte seiner Tochter nie viel Beachtung geschenkt, und wenn, dann war er abweisend und kalt gewesen. So hatte sie nie viel Zuneigung zu ihm entwickeln können, und die Tatsache, dass er nun nicht nur fort, sondern auch tot war, schien sie wenig zu berühren. Belegorn hingegen lauschte Hilgorns stockender Erklärung schweigend, und nur eine einzige Träne stahl sich aus seinem Augenwinkel. Hilgorn konnte nicht umhin, die Beherrschtheit seines Neffen zu bewundern.
Als Hilgorn zu Ende geredet hatte, war Belegorn ohne ein weiteres Wort im Haus verschwunden, und Hilgorn war ihm einige Zeit später gefolgt. Als Hilgorn das Zimmer der Kinder betrat, richtete Belegorn sich mit einem Ruck aus seiner liegenden Position auf und setzte sich auf die Bettkante. Dann wischte er sich mit einer trotzigen Bewegung die Tränen weg, zog die Nase hoch, und blickte Hilgorn feindselig entgegen.
Hilgorn setzte sich ihm gegenüber auf die Kante von Iorweths Bett und sagte: "Es ist in Ordnung, um deinen Vater zu trauern."
"Ich brauche eure Erlaubnis nicht", gab Belegorn feindselig zurück. "Ihr habt ihn ja ohnehin nicht ausstehen können, also seid ihr vermutlich froh darüber, dass er... tot ist."
"Imradon und ich mögen nicht gut miteinander ausgekommen sein, schon seit Kindheit an", begann Hilgorn langsam. "Aber er war trotz allem mein Bruder. Ich habe ihn nie wirklich gehasst, und auch ich habe um ihn getrauert."
"Ach." Es war ein hässlicher Laut. "Und jetzt habt ihr ja euer Ziel erreicht, und könnt mir Tíncar wegnehmen - wie er es gesagt hat."
Hilgorn seufzte. "Belegorn, ich habe es dir damals gesagt - ich will Tíncar nicht. Es steht dir zu, nicht mir. Und selbst wenn, käme vor mir noch immer dein Onkel Aldar an die Reihe."
"Und was ist mit meiner Mutter?", fragte der Junge, und zum ersten Mal zitterte seine Stimme ein wenig. "Die wollt ihr mir aber wegnehmen. Ich bin nicht dumm, ich weiß, was ihr..."
"Du hast recht", erwiderte Hilgorn leise. "Ich liebe deine Mutter, und sie liebt mich. Eines Tages werden wir auch heiraten, aber: Du und deine Schwester, ihr seid ihre Kinder. Und sie wird niemals aufhören, ihre Kinder zu lieben oder für euch da zu sein. Ich will dir deine Mutter nicht wegnehmen, und..." Er überlegte einen Moment, während Belegorn seinem Blick schweigend auswich. "Ich kann nicht dein Vater sein, und ihn auch nicht ersetzen", sagte er schließlich. "Aber was auch immer geschieht, ich bin noch immer dein Onkel, und ich kann, wenn du es versuchen willst, dein Freund sein. Dann könnten wir sicherlich miteinander auskommen."
Noch immer stand Misstrauen in Belegorns Augen, als er Hilgorns angebotene Hand betrachtete. "Aber ihr habt meinen Vater gehasst - das hat er gesagt."
"Du bist nicht dein Vater, Belegorn", erwiderte Hilgorn, ohne die Hand zurück zu ziehen. "Was auch immer zwischen mir und ihm war, betrifft dich nicht. Bist du bereit, mir eine Chance zu geben."
Zögerlich ergriff Belegorn seine Hand, und ließ sie sofort wieder los. "Ihr werdet mir das Kämpfen beibringen."
Was wird Faniel nur dazu sagen... dachte Hilgorn, nickte aber ohne zu Zögern. "Wenn ich die Zeit dazu finde, und sonst werde ich dafür sorgen, dass es jemand anders tut. Aber nur unter einer Bedingung."
"Was?", fragte Belegorn vorsichtig, und Hilgorn grinste in sich hinein. Er wusste, er hatte gewonnen.
"Du wirst aufhören, gemein zu deiner Schwester zu sein. Du musst sie ja nicht alles so machen wie sie will, aber ein bisschen netter zu ihr sein, und vielleicht auch mal mit ihr spielen, wenn du eigentlich keine Lust dazu hat. Immerhin sind du und deine Mutter das einzige, was ihr geblieben ist."
Belegorn sah einen Moment zu Boden, und sagte dann so leise, dass es beinahe ein Flüstern war: "Ich will eigentlich gar nicht gemein zu ihr sein. Aber... mein Vater war immer so zu ihr, und ich dachte, ich müsste so sein, wie er."
"Du musst nur so sein, wie eine einzige Person", erwiderte Hilgorn, und stand von der Bettkante auf. "Du selbst."
Als Belegorn seinen Blick erwiderte, hatte er das erste Mal das Gefühl, dass es tatsächlich etwas mit ihnen werden konnte - dass er, Faniel und ihre Kinder, tatsächlich eine Familie sein konnten.

Hilgorn zum Palast...
« Letzte Änderung: 24. Mai 2017, 15:32 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

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Lóminîths Plan
« Antwort #20 am: 18. Mai 2017, 12:53 »
Nur wenige Minuten später standen Valion und Lóminîth vor dem Eingang eines kleineren, mehrstöckigen Haus, das sich nahtlos in die Nachbarschaft einfügte. Wie die übrigen Gebäude in der Umgebung war es aus hellgrauen Steinen im gondorischen Baustil errichtet worden und lag ungefähr auf halben Weg von den Gärten zum südwestlichen Tor Dol Amroths. Bewacht wurde es von zwei in schwere Rüstung gehüllte Soldaten, deren Helme ihre Gesichter verdeckten und auf deren Schilden nicht etwa der Schwan von Dol Amroth sondern das schwarze Segel von Haus Minluzîr prangte.
"Nicht gerade unauffällig," kommentierte Valion.
"Das muss es auch nicht sein," antwortete Lóminîth ungerührt. "Der Hof des Fürsten weiß über meine Abstammung Bescheid, und meine Anwesenheit in der Stadt sowie unsere baldige Heirat sind gebilligt worden."
"Wofür du dich bei Edrahil bedanken kannst."
"Jedenfalls fand ich es unangemessen, die Leute vor falsche Tatsachen zu stellen. Indem ich dieses Haus für Mädchen wie Váneth zur Verfügung stelle, bekunde ich meine guten Absichten, entgegen meiner Herkunft. Und deswegen dürfen die Menschen von Dol Amroth gerne wissen, wer dafür verantwortlich ist."
Valion gab darauf keine Antwort. Nachdenklich folgte er seiner Verlobten ins Innere des Hauses, als die Wächter den Eingang freigaben. Was Lóminîth gesagt hatte, ergab Sinn. Indem sie Bedürftigen half und ihnen Nahrung und ein Dach über dem Kopf gab, zeigte sie dem Adel und dem Volk von Dol Amroth, dass nicht alle, die aus Umbar stammten, kriegswütige und brandschatzende Korsaren waren, die Gondor hassten. Und je höher die Meinung, die man von ihr hatte, desto größer würde ihr Einfluß am Hofe sein. Valion fragte sich allerdings, ob das alles war, oder ob hinter der ganzen Sache noch mehr steckte...

Drinnen wurden sie von mehreren Mädchen in Váneths Alter begrüßt, denen Lóminîth rasch einige Anweisungen gab. Drei entsandte sie auf den Markt, um Lebensmittel zu kaufen, während zwei weitere junge Frauen eine Nachricht zum Hafen bringen sollten. Zuletzt wies Valions Verlobte die verbliebenen Mädchen an, das Haus auf einen bald eintreffenden Besucher vorzubereiten.
"Der erste Eindruck zählt," schärfte sie ihnen ein. "Nur wer sich hier willkommen fühlt kommt auch gerne wieder."
"Was hast du vor?" fragte Valion, während Lóminîths Dienerinnen davoneilten um ihre Aufträge auszuführen.
Lóminîth zeigte ein gerissenes Lächeln. "Du kennst sicherlich Amros von Edhellond, den Tirn Aear der gondorischen Flotte," sagte sie."
"Er ist mir bekannt, ja," meinte Valion. "Meine Schwester hat ihn dazu gebracht, uns Schiffe für den Angriff auf den Ethir zu leihen."
"Ich habe davon gehört. Und vielleicht kannst du dir jetzt denken, weshalb ich ihn hierher eingeladen habe." Lóminîth machte eine Pause und blickte Valion erwartungsvoll an.
Er brauchte eine volle Minute, bis er verstand. "Amros ist trotz seines Alters noch unverheiratet."
"Ganz genau. Und offenbar ist keines der angesehenen Häuser Gondors momentan dazu bereit, ihre Töchter mit Haus Edhellond zu verheiraten."
"Ich frage mich, woran das liegt," meinte Valion nachdenklich.
"Vielleicht werde ich dir diese Frage heute Abend beantworten können. Jedenfalls hoffe ich, dass arachír Amros eines meiner Mädchen so sehr gefällt, dass er sie heiratet."
"Wodurch du einen gewaltigen Einfluss auf Haus Edhellond und damit die Flotte gewinnen würdest," schlussfolgerte Valion.
Lóminîth nickte. "Und ich würde diesen Einfluss dafür nutzen, die Verbindung nach Tol Thelyn aufrecht zu erhalten und weitere Hilfslieferungen an meine Schwester zu schicken."
Valion atmete innerlich auf. Zwar führte seine Verlobte also durchaus etwas im Schilde, doch immerhin gab sie es ihm gegenüber offen zu, und ihre Ziele waren weder selbstsüchtig noch würden sie Dol Amroth oder Gondor Schaden zufügen. "Die Adeligen Gondors werden es nicht gerne sehen, wenn einer der ihren eine vom einfachen Volk heiratet," wandte er vorsichtig ein.
"Mach dir darüber keine Sorgen. Ich werde dafür sorgen, dass jedes meiner Mädchen ihre Abstammung auf ein angesehenes Haus Gondors, Arnors, Umbars oder sogar Tol Thelyns zurückführen kann," beschwichtigte Lóminîth.
"Nun, dann wünsche ich dir viel Erfolg bei deinem Unterfangen," sagte Valion. "Und ich bin froh, dass du diesen jungen Frauen ein Zuhause gegeben hast."
Lóminîth nickte, und Valion zog sie in eine enge Umarmung.

Valion blieb noch einige Minuten bei seiner Verlobten, ehe er sich zum Gehen wandte. Lóminîth würde sich erst spät Abends in ihren gemeinsamen Räumlichkeiten im Palast wieder mit ihm treffen.
"Bis dahin habe ich zu tun," verabschiedete sie sich von ihm am Eingang des Hauses.
"Ich bin mir sicher, es wird alles wie gewünscht verlaufen," ermutigte Valion sie.
"Wir werden sehen," meinte sie. "Meine Großmutter pflegte zu sagen: Plane für alle Möglichkeiten, gehe davon aus, dass der Plan scheitert, und wirf ihn dann über Bord. Im schlimmsten Fall werde ich improvisieren."
Valion nickte. "Eine gute Lebensweisheit," kommentierte er.

Der Nachmittag versprach nur wenig aufregend zu werden, und Valion stellte sich bereits darauf ein, sich die Zeit mit Belanglosigkeiten vertreiben zu müssen, als einige Straßen weiter urplötzlich seine Schwester vor ihm stand. Valirë wirkte fahrig und nicht ganz auf der Höhe, als wäre sie betäubt worden und erst vor wenigen Minuten aus dem Koma erwacht.
"Was ist denn mit dir passiert?" fragte Valion verwundert. Seine Zwillingsschwester roch nicht nach Alkohol oder sonstigen Rauschmitteln, und wies auch keine äußerlichen Verletzungen auf. Sie trug eng anliegende Reitkleidung sowie einen einfachen grauen Umhang, und ihr Haar war zerzaust und unordentlich. Rasch nahm Valion sie an der Hand und führte sie in eine kleine Seitengasse. Valirës Ruf in Dol Amroth war auch so schon skanadalös genug - sie in diesem Zustand zu sehen würde die Gerüchteküche nur erneut anheizen.
Valirë lehnte sich ermattet gegen die hohe Wand der Gasse und endlich gelang es ihr, den Blick auf Valion zu fokussieren. "Ich komme gerade vom großen Tor," stieß sie hervor. "Ein... berittener Bote von der Front ist eingetroffen."
"Was ist geschehen? Welche Nachricht brachte er?"
"Valion... Belegarth wurde bis auf die Grundfesten zerstört. Der Ethir ist gefallen."


Valion zum Fürstenpalast
« Letzte Änderung: 4. Mär 2019, 15:38 von Fine »
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Re: In der Stadt
« Antwort #21 am: 25. Mai 2017, 23:27 »
Am nächsten Morgen wachte Cynewulf in dem Bett auf, das er am Abend zuvor gemietet hatte. Sein Arm war um den nackten Körper der braunhaarigen jungen Frau geschlungen, die er in der Taverne kennen gelernt hatte. Scheinbar hatte er gestern zu tief ins Glas geschaut, denn als er seinen Arm wegnahm und sich aufrichten wollte, schoss ruckartig ein pochender Schmerz in seinen Kopf. Dem zum Trotz stand er auf und zog seine Kleider wieder an. Langsam ging er die Treppen hinunter, wobei jeder Schritt erzeugte einen stechenden Schmerz verursachte. Er setzte sich auf einen der Hocker vor dem Tresen und fuhr sich langsam einige Male durch sein Haar.
"Du triffst doch viele Leute, richtig?" fragte Cynewulf nach einiger Zeit, an den Schankwirt gerichtet.
Der Wirt nickte "Mhmm."
Cynewulf schnaufte leise. "Hast du dabei vielleicht ein junges Rohirim-Mädchen gesehen?" fragte er den Schankwirt erwartungsvoll.
"Nein, tut mir leid." erklärte dieser.
Ohne etwas dazu zu sagen stand Cynewulf wieder auf. "Trotzdem danke..." warf er noch ein als er die Schänke verließ.

Der Markt war bereits wieder eröffnet und die Händler versuchten wie am Tag zuvor, ihre Waren zu veräußern. Cynewulf wollte die Suche nach Déorwyn noch nicht aufgeben und so versuchte er es bei dutzenden Händlern und Bürgern der Stadt. Allen stellte er dieselbe Frage: Ob sie ein Mädchen gesehen hatten, das auf die Beschreibung von Cynewulfs junger Nichte passte.Zu seiner Enttäuschung wusste niemand etwas über den Verbleib Déorwyns. Mit jeder Absage sank Cynewulfs Mut.

Als die Sonne schließlich im Westen versank, gab er die Suche vorerst wieder auf und streifte etwas orientierungslos durch die Straßen. So tief war er in seinen Gedanken versunken, dass er gar nicht bemerkte dass wenige Schritte vor ihm eine junge, schwarzhaarige Frau ihm entgegen gelaufen kam. Mit einem lauten Klirren fiel der Korb, den die junge Frau trug, zu Boden, nachdem beide zusammengestoßen waren.
"Das tut mir leid. Ich habe wohl... nicht aufgepasst," sagte Cynewulf verlegen. Er kniete sich hin und half beim Aufräumen der Waren. Nachdem dies erledigt war, erhob er sich wieder.
"Ich danke Euch," sagte sein Gegenüber freundlich.
"Oh, Verzeiht. Wie unhöflich von mir, mich nicht einmal vorzustellen. Ich bin Cynewulf, aus Rohan."
In diesem Moment vernahm Cynewulf eine raue, ältere Männerstimme, die immer näher kam. "Da bist du ja, Vania." Ein älterer Mann mit ergrauten kurzen Haaren gesellte sich zur der jungen Frau, deren Name offenbar Vania lautete. "Wer ist denn das?" fragte der Neuankömmling an seine Tochter gerichtet.
"Cynewulf aus Rohan ist mein Name," erklärte der Rohír in einem bestmöglichst höflichen Ton. Die junge Dame lächelte Cynewulf zu.
"Bringst du die Sachen bitte rasch nach Hause?" fragte ihr Vater sie rau.
Vania nickte, winkte zum Abschied Cynewulf schüchtern zu und verschwand dann hinter dem großen Haus das sich an der nächsten Straßenkreuzung erhob.
"Versprecht euch nichts," meinte ihr Vater unfreundlich. "Vania ist meine einzige Tochter und ich suche für sie einen Ehemann, der mein Unternehmen auch nach meinen Tod betreiben kann."
Darauf wusste Cynewulf nichts zu sagen. "Guten Tag", sagte der ältere Mann, und folgte seiner Tochter ohne ein weiteres Wort.

Die Menschen in Gondor sind schon merkwürdig... dachte sich Cynewulf und folgte der Straße weiter bis zu der Taverne, in der er bereits am Abend zuvor zu Gast gewesen war. Die Sonne war inzwischen untergegangen als er das Gasthaus erreichte. Im Inneren herrschte schon erneut ein lebhaftes Treiben, und Cynewulf setzte sich auf einen freien Platz am Tresen. Nachdem er sich ein Getränk bestellt hatte, schaute er sich nachdenklich in der Taverne um. Sein Blick blieb an dem Mann hängen, der neben ihm saß, und Cynewulf erkannte ihn schnell wieder. "Herr Valion, es überrascht mich euch hier zu sehen," sagte er freundlich.
Valion, der neben einer Frau saß die ihm sehr ähnlich sah, reagierte nur langsam auf Cynewulfs Worte. Er schien schon einiges getrunken zu haben. Endlich wandte er sich dem Rohír zu und sagte: "Ach, du bist das. Der Reiter von Rohan der durch die Pfade der Toten kam. Hätte dich fast nicht erkannt. Für einen Moment sahst du aus wie meine Schwiegermutter." Er stieß lautstark auf und nahm danach rasch einen Schluck aus dem Krug, der vor ihm auf dem Tresen stand. "Wieso überrascht es dich, mich hier zu sehen? Man kennt mich und meine Schwester hier. Stimmt's, Ethelorn?"
Der Wirt, dessen Name offenbar Ethelorn lautete, gab einen bestätigenden Laut von sich und füllte Valions Krug erneut auf, was dieser mit einem dankbaren Grunzen quittierte.
"Und was is' mit dir?" fragte Valion in Cynewulfs Richtung. "Was bringt dich heute Abend in dieses gastfreundliche Haus, Freund?"
"Kummer und Sorgen," antwortete Cynewulf. "Um ehrlich zu sein: Der eigentliche Grund, weshalb ich nach Gondor gekommen bin, ist nicht hier. Ich habe jeden Händler in Dol Amroth gefragt, ob er etwas von meiner Nichte oder meinen Bruder weiß..." Cynewulf nahm einen Schluck aus dem Krug, den Ethelorn ihm bereits hingestellt hatte. "Keiner der Händler konnte, oder wollte mir helfen."
Valion legte ihm in einer Geste, die wohl mitfühlend gemeint sein sollte, die Hand auf die Schulter. "Nimm's nicht so schwer. Du wirst schon noch eine Spur finden, da bin ich mir sicher." Er klopfte Cynewulf aufmunternd auf den Rücken, verlor dabei jedoch das Gleichgewicht und landete auf dem Boden vor dem Tresen. Seine Schwester, die sich zuvor mit einigen anderen Gästen unterhalten hatte, half Valion wieder auf die Beine und wurde dadurch auf Cynewulf aufmerksam. Auch sie schien schon einige Krüge getrunken zu haben, denn Cynewulf konnte deutlich ihren nach Alkohol riechenden Atem riechen, als sie näher kam.
"Hallo," säuselte sie. "Ich bin Valirë. Meinen Bruder Valion scheinst du ja schon zu kennen. Du bist neu hier, nicht wahr?"
"Das ist richtig, denn ich komme aus Rohan. Meine Name ist Cynewulf."
Anstatt einer Antwort kam sie noch näher und legte seinen Arm um ihre Schulter. "Das is' ein guter Name," brachte sie undeutlich hervor.
"Lass' ihn in Ruhe, Schwester," mischte sich Valion wieder ein und schubste Valirë grob beiseite. "Er sucht nach... jemandem. Und zwar ganz sicher nich' nach dir."
"Sei doch nicht so grob zu deiner Schwester," sagte Cynewulf und fragte sich, ob er die Situation amüsant oder befremdlich finden sollte. "Aber ja du hast Recht, doch ich schätze, ich werde meine Nichte nicht mehr finden..."
 "So schnell willst du schon aufgeben?" fragte Valion mit echter Verwunderung, während er seine Schwester davon abhielt, sich weiter an Cynewulf heranzumachen. "Hast du denn schon in den besetzten Gebieten im Osten gesucht? Da ist es zwar gefährlich, aber für einen Mann wie dich wäre das sicherlich kein Problem.
 "Meinst du denn, ich würde da durchkommen? Die Orks würden mich eher töten als das ich durch ihre Netze schlüpfen könnte. Ich bräuchte eine wirklich gute Tarnung. Und selbst wenn ich es schaffen würde, meinst du meine Nichte würde dort leben? Sie wäre wahrscheinlich schon lange tot."
"Und wenn schon," mischte sich Valirë hämisch ein, doch ihr Bruder brachte sie mit einem finsteren Blick zum Schweigen. "Es gibt ja auch Menschen in Mordors Diensten," sagte er nachdenklich. "Hab' in der Schlacht in Morthond einen von ihnen enthauptet. Warte mal, das wär' vielleicht gar keine so schlechte Idee... geh' am besten morgen früh zu Hilgorn, dem General. Vielleicht hat er die Ausrüstung seines verräterischen Bruders mitgenommen. Er kann dir helfen, dich als Bote Mordors auszugeben."
"Du hast Recht, das wäre keine schlechte Idee.," befand Cynewulf. "Wenn ihr beiden mich jetzt entschuldigen würdet. Ich brauche Zeit für mich allein." Damit verabschiedete er sich und machte sich auf den Rückweg zu seiner Unterkunft.
« Letzte Änderung: 12. Jun 2017, 15:41 von Fine »
Er hat noch gezuckt weil ich ihm meine Axt in seine Nervenstränge getrieben habe.

-Gimli Gloinssohn zu Legolas, Schlacht bei Helms Klamm-

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Re: In der Stadt
« Antwort #22 am: 28. Mai 2017, 15:10 »
Nach einer langen Nacht wachte Cynewulf allein in seinem Bett wieder auf. Am Vorabend hatte er viel über seine Kindheit aber auch über seine Familie nachdenken müssen. Zudem hatte der Valion, Fürst des Ethirs, ihn mit seinem Einfall auf eine Idee gebracht, über die Cynewulf ebenfalls hatte nachdenken müssen. Letzlich war es ihm klar geworden, dass seine Suche in Gondor nach seinem Bruder und dessen Tochter wohl erfolglos bleiben würde. Er war daher mit sich überein gekommen, in Gondor zu bleiben und sich hier ein neues Leben aufbauen. Dennoch würde er weiterhin mit allen Mitteln versuchen, Informationen über den Verbleib seiner restlichen Familienangehörigen zu sammeln. Nachrichten dieser Art waren leider bislang äußerst rar, und der Beutel mit geld, den Cynewulf von Erkenbrand als 'Abschiedsgeschenk' bekommen hatte, würde nicht für immer reichen. Geldsorgen waren daher auf lange Sicht sein größtes Problem, über dessen Lösung er sich in Zukunft Gedanken machen müsste. Zuerst jedoch stand eine unangemeldete Audienz bei General Hilgorn auf Cynewulfs Plan.
Auf den Weg zum Palast kam er an einen Schießstand vorbei. Hier könnte ich später etwas Zeit verbringen, um meine Fähigkeiten in Schuss zu halten, dachte er.

 Als Cynewulf dann wenige Augenblicke später von einer der Wachen des Palasts angehalten wurde, versuchte er, sich mit einem möglichst guten Grund eine Audienz bei Hilgorn zu sichern. "Valion vom Ethir schickt mich," begann er. "Ich soll mit General Hilgorn über eine ... dringende Angelegenheit sprechen," erzählte er den Wachen in einem ernsten Ton, um glaubwürdiger zu wirken. Geduldig wartete der Rohir auf eine Antwort des Wächters, der sich gerade mit der anderen Palastwache beriet.
Nachdem beide mit einem Nicken wieder ihre vorherige Position eingenommen hatten, sagte die Wache: "Ihr dürfte passieren. General Hilgorn wird nach Euch schicken."
Sein Kamerad öffnete das Tor.
 Cynewulf betrat rasch den Palast und wartete in einem weiten, gangähnlichen Raum, an dessen Wänden Bildnisse ihn unbekannter Männer gemeißelt worden waren. Neben jenen Bildnissen hingen Wandteppiche oder das Banner Dol Amroths: ein silberner Schwan auf einen blauen Hintergrund gestickt. Zudem stützten vier Säulen, in denen ebenfalls einige Verzierungen eingearbeitet waren, die Decke des Raumes.
Cynewulf blieb vor dem Bild einer weiblichen Person stehen. Zu seiner Verwunderung war jenes Bild größer als die anderen. Nachdem er es näher betrachtete, fielen ihm die spitzen Ohren der Person auf, die durch das überliegende, steinernde Haar sehr leicht zu übersehen waren.
"Das ist Mithrellas, die Tochter Oronêls und Begründerin des Hauses von Dol Amroth," erklärte ihm einer der Wachen. "General Hilgorn hätte nun Zeit für euer Anliegen."
Cynewulf bedankte sich und folgte dem Mann durch weitere  ähnlich gebaute Gänge zu dem Zimmer Hilgorns. Dort angekommen blieben beide einen Augenblick stehen.
"Wartet hier," sagte der Wachmann. Nach einem kurzen Moment wurde Cynewulf der Zugang zu den Gemächern Hilgorns gewährt.
"Ich bedanke mich, das ihr euch die Zeit für mich genommen habt, General." Obwohl es nicht Cynewulfs Art war so gestochen zu reden, kam er dennoch als Bittsteller zu Hilgorn und versuchte möglichst höflich zu erscheinen.
"Ich bin leider im Augenblick sehr beschäftigt", erwiderte Hilgorn, der hinter einem mit Papieren übersäten Schreibtisch saß. "In Anbetracht eurer bereitwilligen Hilfe in der Schlacht bin ich allerdings bereit, euch ein wenig meiner Zeit zu gewähren. Was also ist euer Anliegen? Und bitte sagt mir nicht, dass es ein Plan von Valion ist, den Ethir zurück zu erobern..."
"Ich danke euch," sagte Cynewulf dankbar. "Und nein - Valion hat keinen Plan den Ethir zurückzuerobern... Zumindest weiß ich davon nichts," gab er etwas unbeholfen zurück.
"Also schön", meinte Hilgorn, und er klang erleichtert. "Worum geht es dann?"
"Vielleicht könntet ihr mir helfen, unerkannt in die besetzten Gebiete zu gelangen," antwortete Cynewulf.
 Hilgorn hob eine Augenbraue. "Über den Gilrain hinweg nach Osten? Das wird im Augenblick nur schwer möglich sein, fürchte ich. Welchen Grund hättet ihr für ein solches Unterfangen?"
Cynewulf zögerte einen Moment, eher er antwortete: "Ich suche meine Familie. Meine Nichte ist bereits seit Jahren verschollen, und dies ist der einzige Grund, weshalb ich überhaupt nach Gondor gekommen bin. Ich hoffe, meinen Bruder und seine Tochter in Gondor zu finden."
"Nun, ich fürchte es wird euch schwer fallen, in den von Mordor besetzten Gebieten die Spur von zwei Menschen aufzunehmen." Hilgorn schob einen Stapel Papiere beiseite und enthüllte eine Karte, die Gondor zwischen dem Schattengebirge im Osten und Dol Amroth im Westen zeigte. "Nach allen Berichten überleben Kriegsgefangene als Sklaven Mordors nicht lange, und werden meistens an andere Orte gebracht um die Wahrscheinlichkeit einer Flucht zu verringern." Der General fuhr mit dem Finger die Linie des Anduin hinab bis zum Meer. "Ich fürchte, euer Vorhaben könnte bereits jetzt zum Scheitern verurteilt sein - und darüber hinaus kann ich mir nur schwer vorstellen, welchen Vorteil es Dol Amroth bieten könnte, euch zu helfen.
Cynewulf überlegte kurz und sagte dann: "Ich könnte euch Informationen über das besetzte Gebiet liefern, vorallem über die Lage in Minas Tirith. Was habe ich schon zu verlieren?" Hilgorn blickte skeptisch drein. "Nun, Informationen über die Pläne des Feindes könnten tatsächlich nützlich sein. Aber warum kommt ihr damit zu mir? Es wäre doch sicherlich sinnvoller, mit unserem Herrn der Spione darüber zu sprechen."
Cynewulf fiel auf, dass Hilgorn damit durchaus recht hatte. "Es fällt mir sehr schwer, dieses Thema anzusprechen..." sagte er etwas unsicher. "Herr Valion hat mir erzählt, dass euer Bruder ein Verräter war. Während der Schlacht konnte dieser jedoch von Valion erschlagen werden. Ich könnte mit eurer Hilfe als einer der Boten eures Bruders durchgehen.
 "Hm." Hilgorn klang ganz und gar nicht zufrieden. "Valion scheint wohl überaus redselig gewesen zu sein - demnächst wird ganz Gondor darüber reden." Er seufzte. "Jedenfalls hat er recht, mein Bruder Imradon war tatsächlich ein Verräter in Mordors Diensten. Ich weiß allerdings wenig über seine Kontakte in Mordors Reihen."
Der General strich sich nachdenklich über das Kinn. "Allerdings..." Offenbar war ihm eine Idee gekommen. "Ich muss dafür einige Dinge erledigen, mit einigen Leuten sprechen... Vielleicht kann ich tatsächlich etwas für euch tun, allerdings will ich keine Versprechungen machen, die ich nicht halten kann."
"Ich wäre euch sehr verbunden, wenn ich die Möglichkeit bekäme; doch ich verstehe es natüelich auch, wenn ihr mir nicht helfen könnt."
"Es freut mich, dass ihr das einseht", meinte Hilgorn mit einem unauffälligen Nicken zur Tür hin. "Ich muss mich nun leider noch um einige andere wichtige Dinge kümmern - wie kann ich euch erreichen, wenn ich eine Möglichkeit gefunden haben sollte?"
"Ich habe ein Zimmer in dem Gasthaus "Die Goldene Schwanenfeder, nördlich vom Markt gemietet, dort sollte ich erreichbar sein," antwortete Cynewulf.

Mit einem Nicken gab Hilgorn ihm zu verstehen, dass er sich, bei Neuigkeiten zu Cynewulfs Anliegen bei ihm im Gasthaus melden würde. Dankbar verließ Cynewulf den Palast auf schnellsten Wege wieder und blieb vor dem Schießstand, den er vor seinem Besuch beim General entdeckt hatte, stehen. "Zeit für eine Schießübung!" sagte er sich.
« Letzte Änderung: 12. Jun 2017, 15:38 von Fine »
Er hat noch gezuckt weil ich ihm meine Axt in seine Nervenstränge getrieben habe.

-Gimli Gloinssohn zu Legolas, Schlacht bei Helms Klamm-

Fine

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An den Grenzen der Wahrnehmung
« Antwort #23 am: 12. Jun 2017, 15:22 »
Valion von den Mauern Dol Amroths


Valion hatte den Tag damit verbracht, sämtlicher Verantwortung aus dem Weg zu gehen. Den Vormittag über hatte er sich die Zeit in der Kaserne der Stadtwache vertrieben, in die Rüstung eines einfachen Soldaten gehüllt. Dank dem Helm erkannte ihn niemand, und dank des Goldes, das er den Wachposten gegeben hatte, ließ man ihn in Ruhe. Mehrere Stunden starrte er abwechselnd die grauen Wände des kleines Raumes und das Meer an, das durch das Fenster zu sehen war, bis er kaum noch richtig denken konnte. Dann nahm er seine Schwerter und drosch so lange auf die im Hof der Kaserne aufgestellten Übungspuppen ein, bis seine Arme zu sehr schmerzten um weiterzumachen. Zwei Männer vom Ethir, die bei der Rückeroberung von Belegarth aufgrund von Verletzungen in Dol Amroth geblieben waren, nahmen ihn schließlich mit sich, als es Abend wurde.
Wie er in der maroden Taverne in der Nähe des Hafens gelandet war, konnte Valion später nicht mehr sagen. Seine Schwester wartete dort auf ihn und hatte bereits einige Krüge geleert. Beide taten sie in den nächsten Stunden was sie konnten, um möglichst viel von den bisherigen Ereignissen zu vergessen - und es schien zu funktionieren.

Valions Wahrnehmung verschwamm, und er konnte nicht länger unterscheiden, was echt war, und was er sich nur einbildete. Er sah Valirë in einer der Ecken des großen, schlecht beleuchteten Schankraumes, umgeben von Menschen, die ihn an die Korsaren von Umbar erinnerten. Halb erwartete Valion schon, dass der alte Edrahil jeden Moment auftauchen würde. Doch stattdessen betraten zwei junge Frauen den Raum und blickten sich suchend um. Als sie näher kamen fiel Valion auf, dass die Haare der beiden kaum unterschiedlicher sein konnten: Eine hatte langes Haar, so schwarz wie die Nacht, die andere hingegen besaß kurzgeschnittenenes, nahezu makellos weißes Haar. Beide bauten sie sich vor Valion auf und musterten ihn eindringlich. Doch ehe sie etwas sagen konnten blinzelte er und schüttelte leicht den Kopf, um wieder etwas klarer denken zu können. Als er die Augen öffnete, stellte er fest, dass die Frauen in Wahrheit blond und braunhaarig waren. Ihre Absichten waren nur allzu deutlich, doch Valion war nicht in Stimmung für die Unterhaltung, die sie ihm anboten. Er leerte seinen Krug und forderte lautstark Nachschub, was ihm rasch gewährt wurde.
Er fühlte sich müde, unendlich müde. Nicht einmal in Umbar hatte er so exzessiv getrunken. Damals war es der Schock über Edrahils plötzliches Auftauchen gewesen, der Valion aus seinen vernebelten Gedanken gerissen hatte. Doch wahrscheinlich würde nicht einmal das jetzt helfen. Erneut verschwamm seine Sicht. Er sah, oder bildete sich ein, wie der Bandit Mustqîm seiner Schwester geradezu zärtlich durchs Haar strich. Am Tresen neben ihm prosteten sich die Fürsten Imrahil und Hasael wie alte Freunde zu. Irgendwo dazwischen sah er erneut weißes Haar aufblitzen. Neben der Tür lehnte eine in grün gekleidete Gestalt mit einer Axt in der Hand, deren stechender Blick Valion ein tief gehendes Gefühl von Enttäuschung vermittelte, als wäre der Fremde zuiefst erschüttert über die Zustände, die sich hier, in den niedersten Bezirken von Dol Amroth darboten. Doch als er genauer hinsah war der grüngekleidetete Fremde verschwunden. Valion zuckte mit den Schultern und nahm einen weiteren Schluck.

Eine halbe Stunde später kam Valirë zu ihm herüber. Sie konnte kaum noch geradeaus laufen. Geradezu erschöpft ließ sie sich in einen großen Sessel fallen. Um ihre Füße strich eine Katze mit rötlichem Fell. Aufgrund des Zustands ihres Oberteils war Valion klar, dass sie es nicht den ganzen Abend über getragen haben konnte. Doch es war ihm egal mit wem seine Schwester ihren Spaß hatte. Solche Dinge lenkten ihn von seinen Fehlern ab und ließen ihn vergessen, ließen die Zeit verstreichen bis die hohen Herrschaften im Palast endlich für einen militärischen Gegenschlag im Ethir bereit waren.
Valirë verscheuchte mit einer heftigen Handbewegung ein allzu aufdringliches Mädchen mit blonden Haaren und türkisen Ohrringen, an denen offensichtlich falsche Kristalle hingen. Sie schlug die Beine übereinander und ließ geradezu nachdenklich ihre Hände über die enge schwarze Hose gleiten, die sie überraschenderweise noch immer trug.
"Ich.... ich glaube, ich habe vorhin Edrahil gesehen," brachte sie hervor.
"Er hat mehr Klasse als das hier," gab Valion zurück. Das blonde Mädchen hatte sich nun ihm zugewandt, und er ließ zu, dass sie sich in seinem Schoß niederließ. Sie zu vertreiben war ihm in seinem Zustand zu anstrengend.
"Vielleicht war er's, aber in Verkleidung," vermutete Valirë undeutlich und leerte Valions Krug.
Der breite Zopf des Mädchens fiel über Valions Gesicht als sie ihm die Sicht auf seine Schwester verdeckte. Verärgert zog er eine Silbermünze hervor und ließ das Geldstück hinter sich zu Boden rollen. Das Mädchen sprang auf und griff danach, doch eine andere Frau war schneller und ließ die Münze in ihrer Hand verschwinden. Auch sie war blond, trug jedoch eng anliegende Lederkleidung und hatte einen Bogen auf dem Rücken hängen.
Valion wandte sich wieder seiner Schwester zu, doch sie war verschwunden. Stattdessen saß ihm ein Mann von adeligem Aussehen gegenüber, der ihn an General Hilgorn erinnerte. Valions Mund öffnete sich vor Überraschung, als er ihn erkannte.
"Du solltest doch tot sein, Verräter," raunte er.
"So tot wie du bald sein wirst," antwortete Imradon Thoron mit einem furchterregenden Lächeln. Sein Kopf fiel von seinem Hals und sein Körper löste sich in Rauch auf.
Das nimmt langsam etwas überhand, dachte Valion. Er sprang auf - oder versuchte es zumindest. Als er sein linkes Bein belasten wollte, fand er sich stattdessen auf dem dreckigen Boden neben dem Tresen wieder.
Eine Hand wurde zu ihm heruntergereicht, um ihm aufzuhelfen. Valion griff danach und fand sich Auge in Auge mit demselben grüngekleideten Fremden wieder, den er zuvor gesehen hatte.
"Du bist besser als das," raunte der Fremde und beugte sich leicht vor. Seltsamerweise erinnerte er Valion an den Elb Ladion. Ehe er jedoch genauer hinsehen konnte hatte der Fremde Valions Arm losgelassen und war im Durcheinander des Schankraumes verschwunden.

Es folgte eine weitere halbe Stunde voller unzusammenhängender Bilder und Eindrücke, von denen Valion später kaum Erinnerungen zurückbehielt. Er wusste nur noch, dass ihn irgendwann der Verräter Imradon in sich zusammengesunken mit dem Rücken an den Tresen gelehnt fand.
"Verschwinde," murmelte Valion undeutlich. "Du bist tot."
Doch Imradon lachte diesmal nicht, sondern schien eher verwirrt zu sein. "Tot? Das würde mich doch sehr überraschen."
Valion tastete nach Imradons Kopf. Tatsächlich schien er sehr fest auf dessen Schultern zu sitzen. Und da erkannte er, wen er da wirklich vor sich hatte.
"Ihr stinkt schlimmer als die Abwasserkanäle von Pelargir, Valion," sagte Hilgorn und zog Valion auf die Beine.
"Ich gebe mir alle Mühe. Was bei allen Meeresgeistern tust du hier?" Hilgorn erinnerte ihn an Imrahils Entscheidung und daran, was der General während jener Ratssitzung gesagt hatte... und das machte ihn wütend. "Geh' mir aus den Augen."
"Ich verstehe Euren Zorn," erwiderte Hilgorn, und trotz seines vernebelten Geistes konnte Valion sehen, dass der General es auch so meinte. "Aber es gibt etwas, worüber ich dringend mit Euch sprechen muss."
Valion machte ein verärgerte Geräusch, doch dann nickte er langsam. "Also gut. Aber hör' mit diesem höfischen Gerede auf, bei den Sternen. Setz' dich, trink' etwas, und dann reden wir."
Hilgorn schien dieser Vorschlag nicht allzu sehr zu gefallen, doch nach einem kurzen Augenblick betrenem Schweigens bestellte er am Tresen zwei Krüge mit Wasser und setzte sich in den Sessel, in dem zuvor Valirë gesessen hatte.
Noch immer war in der Taverne so viel los, dass der Geräuschpegel ihr Gespräch unbelauschbar machte. "Es geht um Eure... umd deine Verlobte," begann Hilgorn. "Weißt du von ihren Intrigen und von dem Netzwerk, das sie sich aufgebaut hat?"
"Ich habe ihr Mädchenhaus gesehen. Ziemlich beeindruckend, wenn du micht fragst. Aber mach' dir keine Sorgen. Das Ganze ist harmlos."
"Amrodin scheint da anderer Meinung zu sein."
"Sie braucht einfach eine Beschäftigung. Außerdem gibt sie diesen Mädchen genug zu Essen und ein Dach über den Kopf. Und außerdem," sagte Valion und beugte sich leicht vor, "leidet Amrodin meiner Meinung nach an Verfolgungswahn, seitdem Lothíriels Entführung nicht verhindern konnte."
Hilgorn zog nachdenklich die Augenbrauen hoch. "Nun, auf mich machte er eigentlich nur einen besorgten Eindruck. Du verstehst sicher, dass deiner Verlobten einiges an Misstrauen entgegen gebracht wird, wenn man bedenkt, woher sie stammt."
"Sie wird schon keinen Unsinn machen," beschwichtigte Valion. "Aber wenn Amrodin sich wirklich solche Sorgen macht, werde ich mich mal etwas genauer bei ihr umsehen. Auch wenn ich nichts finden werde."
"Gut," meinte Hilgorn einigermaßen zufrieden. Er machte ein Handzeichen in Richtung der Tür der Taverne, und zwei Soldaten der Stadtwache kamen herein. "Diese Männer werden dich jetzt zum Palast begleiten," erklärte er. "Denn morgen früh erwartet dich der Fürst, und dafür solltest du ausgeschlafen sein."
"Auch das noch," stöhnte Valion, als die Männer ihn unter den Armen packten und hinaus schleiften.


Valion zum Fürstenpalast
« Letzte Änderung: 4. Jul 2017, 00:01 von Fine »
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Eandril

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Re: In der Stadt
« Antwort #24 am: 23. Nov 2017, 13:38 »
Hilgorn aus dem Fürstenpalast

"... und dazu muss ich wissen, wie viele Männer der Wache ihr entbehren könnt, bis die Ernte eingebracht ist und die neuen Rekruten aus dem Westen eintreffen." Hilgorn wartete einige Zeit ab, doch als keine Antwort kam, hakte er nach: "Beretar?" Der Kommandant der Stadtwache, der gedankenverloren mit einem Blatt gespielt hatte, schüttelte den Kopf als wäre er aus einem Traum erwacht. "Verzeiht, Hilgorn", erwiderte er. "Ich... war mit den Gedanken woanders." Hilgorn konnte sich denken, wo genau Beretar mit seinen Gedanken gewesen war. Immerhin war sein Vater ein Vasall des Fürsten von Anfalas, dessen Ländereien in der Nähe der Gegend lagen, aus der beunruhigende Gerüchte nach Dol Amroth gedrungen waren. Und auch wenn Beretar mit seinem Vater gebrochen und das Erbe abgelehnt hatte war es für Hilgorn gut verständlich, dass er sich Sorgen machte.
Dennoch, die Aufgabe vor der sie eigentlich standen war in diesem Augenblick ungleich wichtiger, also wiederholte Hilgorn: "Ich fragte euch, wie viele Männer der Wache ihr entbehren und mir als Verstärkung schicken könnt, bis nach der Ernte die neuen Rekruten aus dem Westen eintreffen." Sie hatten sich in Beretars Haus getroffen, um letzte Einzelheiten ihres Plans zur Verteidigung der Ostgrenze, den Hilgorn gemeinsam mit den übrigen Hauptleuten Gondors geschmiedet hatte, zu besprechen. Schon in zwei Tagen würde Hilgorn mit allen Männern, die er auftreiben konnte, nach Linhir aufbrechen, denn der Stadt würde mit aller Wahrscheinlichkeit Mordors Hauptschlag gelten. Zur Verteidigung der Küste waren bereits die Hälfte der Kriegsschiffe aus Dol Amroth nach Tolfalas verlegt worden, wo sie einerseits sicher waren, andererseits aber in der Lage, schnell zu handeln wenn Linhir angegriffen werden würde. Entlang der restlichen Linie des Gilrain waren in regelmäßigen Abständen Lager errichtet worden, die zwar zu schwach waren um einem entschlossenen Angriff Mordors auf Dauer Widerstand zu leisten, aber, so hoffte Hilgorn jedenfalls, lange genug aushalten konnten bis Verstärkung aus Linhir oder Ethring, wo ebenfalls eine größere Anzahl Soldaten postiert worden war, eintreffen konnte. Die Elben aus Lórien unter Ladions Kommando würden als Späher dienen, und bei Bedarf die Verteidiger unterstützen.
Beratar seufzte und warf das Blatt, dass er von einem der Büsche in dem kleinen Garten hinter dem Haus abgerissen hatte, ins Gras. "Ich denke, unter dem Schutz der Flotte wird uns niemand überraschend angreifen können - ohnehin nicht, seit Umbar seine Flotte verloren hat." "Und aller Voraussicht nach inzwischen belagert wird", ergänzte Hilgorn. "Wenn die Nachrichten aus dem Süden stimmen." Er ging davon aus, dass eben das der Fall war - nach der Schlacht bei Linhir traute Hilgorn Qúsay durchaus zu, Suladan in einer Schlacht zu schlagen. Erst recht, wenn der Malik ein ausreichendes Bündnis um sich geschart hatte. "Nun, in diesem Fall werde ich etwa die Hälfte der Wache mit euch nach Osten schicken können", meinte Beretar. "Der Rest wird ausreichen, um die Kontrolle über die Stadt zu behalten und später die Ausbildung der neuen Rekruten fortzusetzen. Und ihr werdet im Osten jedes Schwert brauchen."
"Jedes Schwert und jeden Mann", erwiderte Hilgorn ernst. "Ich danke euch." Er wollte sich gerade von der Bank, auf der er Beretar gegenüber saß, erheben, als Beretars Frau Hirien aus dem Haus hinaus in den Garten trat. "Da ist ein Bote gekommen", sagte sie. "Er sagt, er bringt Nachrichten aus Nan Faerrim." Hilgorn sah, wie sich Beretar bei der Erwähnung seiner Heimat anspannte, und fragte daher: "Soll ich gehen?" Beretar zögerte einen Augenblick, und schüttelte dann den Kopf. "Nein... bleibt, bitte." Hilgorn kannte Beretar seit über zehn Jahren, und war bereits mehrere Male in dessen Haus zu Gast gewesen. Seine Frau Hirien war ein stilles Wesen, die ihre äußerliche Schüchternheit gegenüber Adligen nie ganz abgelegt hatte, aber dennoch angenehme Gesellschaft war. Hilgorn hatte es sich schon längere Zeit vorgenommen, ihnen Faniel vorzustellen, doch bislang hatte es sich nie ergeben.
Hirien trat zur Seite und legte ihrem Mann eine Hand auf die Schulter, und der Bote, ein junger Mann mit dem roten Luchs des Hauses Seren auf der Brust. Er verneigte sich in Beretars Richtung und sagte: "Herr, ich bringe Nachrichten aus Nan Faerrim. Es tut mir Leid, aber - euer Vater Maecar, Herr von Nan Faerrim, wurde ermordet." Die Stimme des Boten hatte bei diesen Worten belegt geklungen, und für einen Augenblick herrschte Stille, in der nur leise die Geräusche der Stadt hinter den Mauern des Gartens zu hören waren. Schließlich ergriff Hilgorn das Wort. "Es tut mir Leid, Beretar. Jeder wird verstehen, wenn ihr nach Nan Faerrim zurückkehren wollt, und..."
"Ich danke euch", unterbrach ihn Beretar mit leiser, aber fester Stimme. "Aber das wird nicht nötig sein. Trotz allem was zwischen uns stand, habe ich meinen Vater geliebt, und alles in mir schreit danach, seinen Mörder in die Finger zu bekommen. Aber... Gondor steht im Krieg. Jeder Mann wird hier im Osten gebraucht, und ich habe meine Pflicht."
"Ich bin sicher, es würde sich eine Lösung finden lassen", meinte Hilgorn, doch ohne Nachdruck. Er würde Beretar seine eigene Entscheidung treffen lassen, und er konnte ihn nicht guten Gewissens dazu drängen, Dol Amroth in dieser Stunde zu verlassen. "Mein Neffe ist in Nan Faerrim", erwiderte Beretar. "Und meine Nichte auch, und daher sogar Prinz Erchirion selbst. Sie werden tun was notwendig ist, und das Grab meines Vaters wird auf mich warten, bis die Zeiten besser sind." "Valion vom Ethir ist euer Neffe", stellte Hilgorn verblüfft fest, und ein winziges Lächeln zuckte über Beretars Gesicht. "Natürlich. Mein Vater hat meine Schwester Míleth mit Amlan vom Ethir verheiratet - das war, bevor sowohl ich als auch mein Bruder Tórdur ihn so tief enttäuscht haben. Valion ist der Herr des Ethir - falls wir ihn eines Tages zurückerobern - doch wenn Erchirion Valirë heiratet, wird er einen Anspruch auf Nan Faerrim haben. Es wäre nicht die schlechteste Lösung, immerhin wird er als zweiter Sohn Imrahils vermutlich nicht der Erbe von Dol Amroth werden." "Und was ist mit euch?", fragte Hilgorn, und Beretar wechselte einen Blick mit Hirien. "Ich habe keine Söhne", erwiderte Beretar. "Und werde vermutlich niemals Kinder haben. Ich bin zufrieden da wo ich bin." Er wandte sich dem Boten zu. "Ihr könnt hier im Garten warten - ich werde einen Brief als Antwort an meine Schwester schreiben." Er stand auf, und auch Hilgorn erhob sich von seiner Bank und verabschiedete sich.
Von Beretars Haus aus führte ihn sein Schritt rasch durch die Gassen von Dol Amroth - zu Faniel.

Hilgorn vor die Stadt
« Letzte Änderung: 9. Jan 2019, 10:07 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Curanthor

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Ein Abend in Dol Amroth
« Antwort #25 am: 24. Jan 2018, 16:25 »
Verdandi aus dem Palast des Fürsten

Nachdenklich drehte sie die Münze durch die Finger, die der Kerl mit dem Namen Amrodin ihr in der Audienz gegeben hatte. Obwohl sie sich freiwillig gemeldet hatte, die gefangenen Gondorer zu befreien, war sie sich nicht, ob sie überhaupt ernst genommen wurde. Diese Lager waren grausamer als alles, was sie in ihrer langen Reise bisher erlebt hatte. Verdandi war sich aber klar, dass sie noch nicht viel von der Welt gesehen hatte. Sie war jung und hatte in dem verborgenen Tal, wo ihr kleine Dorfgemeinschaft nur gelegentliche Orküberfälle mitbekommen. Am gefährlichsten waren aber die Warge und Wölfe gewesen, die Nachts immer aus den Bergen kamen. Damals hat das Dorf immer Wolfsjäger ausgewählt, die die Jäger zum gejagten machten. Nun stand ihr fette, zweibeinige Beute in Aussicht. Zwar wurde sie noch nie zu den Wolfsjägern berufen, aber sie sah es als ihre erste Jagdprüfung ihrer Ahnen.
Sie ließ ihre Beine über die Mauer baumeln und lehnte an einem hohen Brunnen, in einem weniger gut besuchten Teil der Stadt. Die nähe so vieler Menschen bereitete ihr stets etwas unbehagen. Einige ärmliche gekleidete Gestalten tauchten aus einer Gosse auf, schlenderten über den Brunnenplatz, an dem sie saß und verschwanden wieder. Klappernde Schritte erklangen und ein Trupp aus fünf Stadtwachen marschierte über den kleinen Platz. Einige der Männer warfen ihr argwöhnische Blicke zu, doch sie befragten nicht woher sie kam. Ihr war schon einmal passiert, dass man sie für eine Schildmaid aus Rohan gehalten hatte, dass sie aber noch weiter aus dem Norden stammte, brachten viele direkt mit Thal in Verbindung. Letztendlich war sie dazu übergegangen bei Nachfragen zu behaupten, dass sie eine Jägerin aus Thal sei. Das verborgene Dorf sollte seinen Frieden haben. Ihre Ahnen sollen dort in Frieden ruhen. Nachdenklich ließ sie die Münze Amrodins zwischen ihre Brüsten verschwinden, da sie keinen Beutel oder sonstiges besaß. Keinen Augenblick zu spät, denn die schmierigen Gestalten betraten erneut den Platz, diesmal zielstrebiger. Verdandi spannte sofort sämtliche Muskeln in ihrem Körper an. Es waren drei ärmlich gekleidete Männer. Sie hatten schütteres Haar, ledrige Haut und waren in mehreren Laken gehüllt.
"He Hübsche! Wasss *hicks* kostet etwas Ssspaß?", grölte der Kerl in der Mitte, der offenbar der Anführer der besoffenen Landstreicher war.
Nun war Verdandi klar, warum die Wachen sie zuvor so merkwürdig gemustert hatten. Sie befand sich in einem Viertel mit einem schlechten Ruf. Etwas perplex blieb sie sitzen und musterten die Gruppe. Die zwei anderen Kerle, die den Sprecher flankiert hatten, schwärmten aus und näherten sich ihre von rechts und links. Ihre Schritte waren lauernd und abschätzend. Die Gier in ihren Augen war kaum zu übersehen. Verdandi fragte sich, was bei denen in den versoffenen Schädeln vorging. Sie war bewaffnet und in Rüstung gehüllt. Hat der Alkohol sie so sehr vernebelt? Der Sprecher wiederholte seine unflätige Frage und kam auf einen Meter heran. Seine Kumpanen setzten sich neben sie. Verdandi legte ihre Hand auf den Speer, den sie sich quer über die Knie gelegt hatte.
"Wenn ihr nicht sofort verschwindet, wird euch dieser Spaß das Leben kosten!", zischte sie bedrohlich.
Ihr Speer ruckte nach vorn und stoppte an der Kehle des Sprechers. Die zwei Säufer neben ihr zogen ihre Messer. Verdandi reagierte sofort, wechselte den Griff und packte den Speer einhändig. Sie zog ihr Handaxt Tiwaz, dabei rammte sie dem Kerl rechts von ihr den Ellenbogen ins Gesicht, die Klinge blitzte kurz und fing das Messer von dem Kerl links ab. Verdandi wollte nach vorn springen und sich an den Anführer der Landstreicher vorbeirollen, ein scharfer Ruf hielt sie aber davon ab.
"Was geht hier vor?!", erschallte die strenge Stimme und ein Trupp Stadtwachen stürmte auf den kleinen Brunnenplatz.
Verdandi ließ ihre Waffen sinken, rammte einem der beiden Kerle aber die stumpfe Seite des Speeres in den Rücken, da er zu fliehen versuchte. Der Dritte, der links neben ihr gesessen hatte, schaffte es in einer Gasse zu verschwinden. Die anderen beiden Halunken hoben die Hände, als die Hellebarden der Wachen sich drohend senkten. Auch zwei funkelnde Stoßspitzen bedrohten sie. Veradandi legte ganz langsam ihre Waffen neben sich auf die Mauer.
"Ein ungünstiger Platz zum rasten für eine junge Frau. Was führt Euch in diese verruchte Gegend? Seid ihr eine Söldnerin? Oder sucht Ihr Ärger?", fragte einer der Soldaten mit Blick auf ihre Ausrüstung.
"Ich suchte nach einer kurzfristigen Unterkunft und habe mich wohl verlaufen. Eine Arbeit habe ich schon, aber der Aufbruch zieht sich ein wenig hin. Als ich hier mich kurz orientieren wollte, haben mich diese Kerle wohl mit einem Freudenmädchen verwechselt. Doch selbst diese bedroht man nicht mit Entermessern."
Ihre Erklärung genügten den Stadtwachen, dass sich die Hellebarden, die auf sie gezeigt hatten, sich auf die beiden Halunken richtete. Einer von ihnen lallte von Lügen, doch die Wachen packten sie kurzerhand und führten sie mit Stößen in den Rücken davon. Der Kommandant des Trupps verblieb bei ihr und nickte: "Als wir Euch zuvor hier sitzen sahen, hat einer meiner Männer vorgeschlagen ein Auge auf Euch zu haben. Diese Gegend ist nichts für junge Frauen, seien sie noch so kriegerisch wie Ihr, wie dieser Vorfall bewiesen hat. Geht lieber in die Nähe des Fürstenpalastes, oder am Hafen, dort gibt es günstige Zimmer und die Raubeine dort sind nicht so ruchlos wie hier. Der Hafen ist gut besucht und dort gibt es viel mehr Wachen."
Verdandi bedankte sich, woraufhin der Soldat zu seinen Männer aufschloss. Aus den Erzählungen ihres Vaters hatte sie immer im Kopf gehabt, dass die Spelunken im Hafen als Frau stets zu meiden waren. Dass das hier anders war, hätte sie nicht gedacht. In Minas Thirit hatte sie zwar von Dol Amroth gehört, aber nicht wie sich dort die einfachen Bürger verhielten. Sogleich schob sie den Gedanken an die Weiße Stadt sofort von sich und steckte ihre Waffen fort. Mit eiligen Schritten beeilte sie sich in gehobeneren Viertel zu gelangen. Natürlich verlief sie sich auch hier wieder mehrfach und landete an den Stadtmauern. Da es bereits dunkel war und die mauern gut bewacht, beschloss sie sich in eine Ecke zu legen und dort ihren Gedanken nachzuhängen. So kurz nach ihrer Flucht aus den Lager würde sie so schnell nicht schlafen können. Noch immer halten die Schreie und verzweifelten Rufe in ihren Gedanken nach. Sie erinnerte sich an Hände, die sich nach ihrer Kleidung griffen. Den Geschmack von Blut im Mund und den durchdringenen Schrei, als sie einem der Dreckskerle die Finger abgebissen hatte. Dann kam Schmerz. Ein Kopfstoß und ein dumpfes Pochen ließ sie zurücktaumeln. Sie war am Tor angelangt und so sehr im Gedanken versunken gewesen, dass sie - sehr zu Belustigung der Torwachen - dagegen gelaufen war. Ein griemelnder Mann in Rüstung von Dol Amroth, mit einem dichten Bart, der erste graue Strähnen bekam, hielt seine Fackel in ihr Gesicht.
"Wohin des Weges, Verehrteste?"
"Oh... ähm... eigentlich wollte ich nur zu der Mauer, aber wenn es Euch nichts ausmacht, würde ich gern nach draußen", murmelte sie etwas verlegen.
Der Wachmann nickte, noch immer grinsend und öffnete führte sie zu eine Nebenpforte. Sie hatte auch nicht erwartet, dass sie das große Stadttor nur für sie öffnen würden. Sie bedankten sich von dem Mann, der ihr ein sichere Reise wünschte. Verdandi verharrte kurz und betrachtete den Sonnenuntergang, der den Himmel blutrot färbte. Ihre Mutter hatte stets diese Anblick geliebt. Als Verdandi noch ein Kind war, hat sie ihr immer erzählt, dass es das Blut des Tages sei, dass den Himmel färbte. Die Sonne würde sich dann vor Trauer verhüllen und der Mond als Trost erstrahlen. Seufzend sandte sie einen liebevollen Gedanken an ihre Eltern und trat sich durch die Pforte.

Verdandi vor die Stadt
« Letzte Änderung: 5. Jul 2018, 19:01 von Fine »

Eandril

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Re: In der Stadt
« Antwort #26 am: 31. Jan 2019, 18:51 »
Oronêl aus Rohan

Die Bucht, die die Menschen von Dol Amroth Cobas Hafen nannten, glitzerte im Abendlicht, und die höchsten Zinnen des weißen Turms von Dol Amroth erschienen rötlich im Licht der untergehenden Sonne. Oronêl war vom Gebirge hinab zunächst dem Fluss Morthond und dann den Hängen von Tarlangs Hals gefolgt, bevor er den Ringló nahe seiner Mündung überquert hatte. Dort hatte er seine erste Entscheidung treffen müssen - der Straße nach Westen hinab folgen, nach Edhellond von wo die Schiffe der Elben fuhren, oder weiter nach Süden, nach Dol Amroth. Die Entscheidung war ihm nicht leicht gefallen, wenn von Westen lockte das Meer und die Aussicht auf Frieden, doch letztendlich hatte er den Weg auf der Straße nach Süden eingeschlagen. Jetzt blickte er über den südlichen Zipfel der Bucht hinüber auf die Stadt und erinnerte sich an das letzte Mal, dass er hier eingetroffen war. Seine letzte Ankunft in Dol Amroth war weitaus dramatischer gewesen - an den Mauern hatte eine Schlacht getobt, und Oronêl hatte die Bucht durchschwimmen müssen, um in die Stadt zu gelangen. Seitdem hatte ihn sein Weg quer durch Mittelerde geführt, und hier würde er nun wieder enden.
Er erreichte das Stadttor noch vor Sonnenuntergang, im letzten Licht des Tages. Kein Torwächter hielt ihn an oder fragte ihn nach seinem Namen. Offenbar genügte sein elbisches Aussehen, dass sie ihm vertrauten. Auf dem Platz hinter dem Tor hielt Oronêl für einen Augenblick inne, und sah sich um. Für diese Tageszeit herrschte hier noch ein geschäftiges Treiben. Menschen eilten hin und her, Soldaten wie auch Zivilisten, und alles wirkte ein wenig überfüllter als an dem Tag, an dem Oronêl Dol Amroth verlassen hatte. Offenbar waren viele Menschen in die Stadt zurückgekehrt, seit es Gondor gelungen war, Mordors Streitkräfte ein Stück nach Osten zurückzudrängen.
Hier am Tor war es gewesen, dass er Amrothos das erste Mal begegnet war, in den Wirren der Schlacht. Und hier hatte er dem Nazgûl gegenüber gestanden... Oronêl schüttelte den Kopf, und vertrieb die Gedanken an jenen Tag. Gemessenen Schrittes folge er der breiten Straße, die vom Tor aus durch die Stadt führte, langsam ansteigend zu der Klippe hin, auf der sich der Palast des Fürsten von Dol Amroth erhob. Die Tore des Palastes waren geschlossen, doch davor standen im Licht der Fackeln zwei Wächter in den blau-silbernen Rüstungen der Schwanengarde Imrahils. Als Oronêl herangekommen war, richtete einer der Männer das Wort an ihn: "Wer seid ihr, und weswegen kommt ihr zu so später Stunde zum Palast Imrahils?"
"Ich hatte einen langen Weg", erwiderte Oronêl. "Deswegen konnte ich nicht früher kommen. Ich bin auf der Suche nach..." Nach wem eigentlich? "Nach Amrothos, dem jüngsten Sohn des Fürsten."
"Ich glaube nicht, dass Prinz Amrothos noch gestört werden möchte", gab der Wächter abweisend zurück. "Aber sagt mir euren Namen, und ich werde ihm ausrichten, dass ihr hier gewesen seid."
Oronêl lächelte schwach. "Ich denke, er wird für mich eine Ausnahme machen. Man nennt mich Oronêl Galion, und ich..." Er wurde unterbrochen, als der zweite Wächter näher trat, und ihn mit leicht geöffneten Lippen anstarrte. "Ihr seid es tatsächlich! Ich habe euch am Tor gesehen, Herr, als der Nazgûl kam. Bitte vergebt uns, wir... selbstverständlich werden wir euch einlassen."
Sein plötzlicher Eifer amüsierte Oronêl, und er winkte ab. "Es gibt nichts zu vergeben - ihr wärt schlechte Diener eures Herrn, wenn ihr einfach jeden einließet, ohne Fragen zu stellen." Der erste Wächter öffnete einen Flügel des Tores, während der andere fragte: "Sollen wir euch ankündigen, Herr?" Erneut winkte Oronêl ab. "Nein, ich werde meinen Weg alleine finden. Habt vielen Dank."
Oronêl folgte dem blauen Teppich mit silbernen Verzierungen an den Rändern, der den Boden der Eingangshalle schmückte nach links wo, wenn er sich richtig erinnerte, Amrothos' Gemächer lagen. Die Flure waren menschenleer, bis auf die ein oder andere Wache. Je näher er seinem Ziel kam, desto langsamer und zögerlicher waren seine Schritte. Er wusste nicht einmal mehr, mit welchem Grund er hierher gekommen war - nur, dass Dol Amroth eine merkwürdige Anziehungskraft auf ihn ausgewirkt hatte, die noch größer gewesen war als der Wunsch, so schnell wie möglich ein Schiff nach Westen zu finden. Und auch wenn er sich auf ein Wiedersehen mit Amrothos freute, und auch mit Irwyne und Mithrellas, denn wenn Amrothos in Dol Amroth war, waren diese beiden sicherlich mit ihm gekommen, graute ihm doch vor dem Augenblick, in dem er sich verabschieden musste. Der Abschied von Kerry, der gar kein richtiger Abschied gewesen war, machte ihm nach wie vor zu schaffen.
Mit einem Mal stand ihm ein Bild von Kerry im Schnee vor Augen, wie sie auf irgendetwas zurückblickte. Vergiss mich nicht, schien sie zu sagen. Bitte. "Niemals", wisperte Oronêl, und das Bild verschwand, wie es gekommen war. Er schüttelte den Kopf, und blinzelte ein paar mal rasch hintereinander.

Nur kurze Zeit später hatte er die Tür erreicht, die zu Amrothos' Gemächern führte. Die Tür stand leicht offen, und der Raum dahinter wurde nur von einem beinahe herunter gebrannten Feuer im Kamin schwach erleuchtet, doch durch eine offene Tür an der Rückseite des Raumes fiel Licht. Leise durchquerte Oronêl den Vorraum, denn ihm war der Gedanke gekommen, seinen jungen Freund zu überraschen. Kurz vor der Tür blieb er jedoch stehen, denn in dem Schlafgemach dahinter standen zwei eng umschlungene Gestalten, die sich leidenschaftlich küssten. Oronêl lächelte, denn er freute sich, dass Amrothos ein Mädchen gefunden hatte. Er wollte sich gerade leise und diskret wieder zurückziehen - er konnte auch bis morgen warten - als das Mädchen sich ein wenig drehte, und er ihr Profil erkennen konnte.
"Das kann nicht wahr sein", entfuhr es ihm ein wenig lauter als beabsichtigt, und die beiden Gestalten sprengten erschreckt auseinander. Der Schrecken auf beiden Gesichtern verwandelte sich bei seinem Anblick in eine Mischung aus Freude und Verlegenheit. Amrothos räusperte sich verlegen. "Oronêl! Hat... hat dir niemand beigebracht, wie man anklopft?"
Oronêl schüttelte den Kopf, und blickte Irwyne an, die errötete, aber seinem Blick standhielt. "Irwyne, bitte lass uns einen Augenblick allein", sagte er, und zwang sich dazu, ruhig zu sprechen. Irwyne schüttelte den Kopf, sodass ihre blonden Haare flogen. "Was auch immer du zu sagen hast, kannst du uns beiden sagen." Sie ergriff Amrothos' Hand, doch Oronêl hatte nicht vor, klein beizugeben. "Siniel." Der Name klang wie ein Peitschenknall, und Amrothos lächelte Irwyne ein wenig gequält zu. "Geh nur. Ich komme gleich nach." Irwyne sah aus als wollte sie widersprechen, doch irgendetwas in Amrothos' Gesicht schien sie eines anderen zu belehren. Sie drängte sich an Oronêl, der in der Tür stehen geblieben war, vorbei, und Oronêl trat in den Raum hinein und zog mit einem Ruck die Tür hinter sich zu.
"Was um alles in der Welt denkst du dir dabei?", fragte er, und schüttelte ein wenig fassungslos den Kopf. "Sie ist noch ein Kind!"
"Ich freue mich auch, dich zu sehen, Oronêl", erwiderte Amrothos, ließ sich auf der Kante seines Bettes nieder und deutete einladend auf einen Sessel, der an der gegenüberliegenden Wand stand. Oronêl setzte sich widerwillig - dieses Wiedersehen verlief ganz und gar nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. "Und es mag dir nicht aufgefallen sein, aber Irwyne ist schon seit geraumer Zeit kein Kind mehr. Ich glaube, ich habe mich bereits in Bruchtal in sie verliebt, aber wirklich bewusst war es mir lange Zeit nicht. Erst vor kurzer Zeit hat mir jemand die Augen geöffnet, wie es um mich steht, und zu meinem Glück ging es Irwyne genauso."
Oronêl verschränkte die Arme. "Sie muss mindestens zehn Jahre jünger sein als du." Amrothos zuckte mit den Schultern. "Das ist richtig. Aber die meisten Frauen sind einige Jahre jünger als ihre Männer. Meine eigene Mutter zum Beispiel. Oder meine Tante Finduilas, die Truchsess Denethor geheiratet hatte - sie war über zwanzig Jahre jünger als er. Und Irwyne ist alt genug, auch wenn sie für dich noch ein Kind sein mag. Aber für dich müssen alle Menschen nur Kinder sein." Oronêl antwortete nichts. Sein Zorn verrauchte nur langsam, obwohl er erkannte, das Amrothos vermutlich recht hatte. "Und es ist keine vorübergehende Liebschaft, wie ich schon einige gehabt habe", fuhr Amrothos' ein wenig verlegen fort. "Ich... ich liebe sie wirklich. Ich habe Irwyne seit wir uns in Lindon wiedergetroffen haben noch ganz anders kennengelernt als zuvor, und es gibt keine Seite an ihr, die ich nicht liebe. Nicht einmal die Seite, die sie jetzt an der Tür stehen und lauschen lässt." Er lächelte, und im gleichen Augenblick öffnete sich die Tür und Irwyne trat ins Zimmer.
"Also schön, du hast mich erwischt." Sie setzte sich neben Amrothos auf die Bettkante, schob ihre Finger durch seine, und blickte Oronêl beinahe herausfordernd ins Gesicht. Wie er sie beide dort sitzen sah, verrauchte Oronêl Zorn, der aus Schreck und Überraschung geboren war, beinahe augenblicklich, und er musste lächeln. "Mögen die Valar euch beide segnen", sagte er, und Amrothos' Gesichtszüge entspannten sich sichtlich. "Und meinen Segen, wenn ihr ihn wollt, habt ihr auch."
"Nichts würde mich mehr freuen", sagte Amrothos leise, und Irwyne lächelte triumphierend. "Was hast du ihm erzählt, dass er seine Meinung so schnell geändert hat?", fragte sie Amrothos. "Nur die Wahrheit." Er stupste sie leicht mit der Schulter an, und lachte. "Und tu nicht so, als hättest du nicht jedes Wort davon gehört, meine Liebe."
"Na schön." Mit einer raschen Bewegung sprang Irwyne auf und zog Oronêl in eine feste Umarmung. "Er hatte wirklich Angst vor dir, weißt du?", flüsterte sie Oronêl ins Ohr. "Aber ich wusste gleich, dass er dich kleinkriegen würde."
Als Oronêl nichts darauf erwiderte ließ sie ihn los, und blickte ihm in die Augen. Oronêl wich ihrem Blick aus, und hatte das grauenhafte Gefühl, alles zum zweiten Mal zu erleben. "Ist alles in Ordnung?", fragte Irwyne besorgt, und Oronêl nickte langsam.
"Ja... ja, jetzt ist alles in Ordnung. Jetzt wo ich weiß, dass ihr glücklich sein werdet, wenn..."
"Wenn was?", fragte Amrothos, ein wenig misstrauisch. Oronêl atmete tief durch, und wich Irwynes Blick erneut aus. "Wenn ich nach Westen fahre." Irwyne winkte erleichtert ab. "Bis dahin ist es aber doch noch lange hin, nicht wahr?" Amrothos hatte Oronêl nicht aus den Augen gelassen, und griff jetzt nach Irwynes Hand. Oronêl schüttelte den Kopf. "Nein, das ist nicht noch lange hin. Ich... ich werde fahren, sobald ich ein Schiff finde."

Für einen Augenblick, der sich bis in die Unendlichkeit zu dehnen schien, herrschte Stille. Eine einzelne Träne löste sich aus Irwynes weit geöffneten Augen, und rann ihre Wange hinunter. "Das kannst du nicht ernst meinen", sagte sie leise. "Nicht nach... nicht nach dem letzten Mal."
"Irwyne, ich...", begann Oronêl etwas hilflos, doch Irwyne ließ ihn nicht zu Wort kommen. "Erinnerst du dich nicht, was geschehen ist? Erinnerst du dich nicht an Amrûn? Was mit ihm geschehen ist? Und du hast versucht, es zu verhindern! Und jetzt? Jetzt willst du den gleichen Fehler begehen!"
"Irwyne, Amrûn ist in der Schlacht gefallen", erwiderte Oronêl sanft, auch wenn die Erinnerung schmerzte. "Er ist nicht nach Westen gefahren, sondern er ist zurückgekommen und er ist gefallen. Das war etwas anderes."
"Das war es nicht", gab Irwyne heftig zurück. "Amrûn wollte nach Westen, und dort ist er jetzt, oder nicht? Auf die ein oder andere Weise hat er seinen Willen bekommen, und er hat mich verlassen. Und mit dir wird das gleiche passieren, und ich kann es wieder nicht verhindern!" Sie sprang abrupt auf die Füße und stürmte mit einem Schluchzen aus dem Zimmer.
Oronêl ließ sich zurück in den Sessel sinken und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Es geschah ein zweites Mal, genau wie er es befürchtet hatte. Warum konnten sie nicht verstehen? Warum konnten sie ihn nicht einfach gehen lassen?
"Willst du ihr nicht nachgehen?", fragte er Amrothos, der bislang geschwiegen hatte, doch dieser schüttelte den Kopf. "Später. Jetzt braucht sie mich noch nicht." Er schwieg wieder einen Moment, bevor er Oronêl ansah. "Es wäre ein großer Verlust, nicht nur für Irwyne, wenn du gingest. Aber ich kann dich nicht aufhalten." Oronêl stand auf. Er fühlte sich rastlos, und machte einen Schritt zur Tür. "Ich... brauche ein wenig Zeit alleine. Ich werde ein wenig durch die Stadt wandern und mir die Sterne ansehen", sagte er, und Amrothos nickte. "Versprich mir nur, dass du dich nicht in der Nacht davonschleichst", erwiderte er. "Gib Irwyne die Zeit, sich zu beruhigen und... warte ein paar Tage. Auf ein paar Tage mehr oder weniger wird es nicht ankommen."
Oronêl nickte stumm, trat durch die Tür und ging hinaus.

Oronêl zum Palast des Fürsten
« Letzte Änderung: 13. Feb 2019, 12:13 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

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Eine schwerwiegende Aufgabe
« Antwort #27 am: 4. Mär 2019, 09:49 »
Valion und Rinheryn aus dem Palast des Fürsten


Nachdenklich stand Valion als einer der Letzten auf der untersten Stufe der großen Treppen, die zum Prinzenpalast hinauf führten. Die Fackel in seiner Hand spendete ihm Licht, denn die Sonne war bereits untergegangen und Dunkelheit breitete sich über Dol Amroth wie eine Decke aus schwarzem Samt. Lóminîth und Valirë waren bereits zum Palast zurückgekehrt. Doch Valion war nicht allein.
„Das ist doch mal ein hübscher Schlussstrich unter ein langes Kapitel von Unerfreulichkeiten,“ sagte Rinheryn und lenkte Valions Blick mit ihren Worten wieder nach vorne. Dort baumelte Gilvorns lebloser Körper am Galgen. Das Urteil war bei Sonnenuntergang vollstreckt worden, wie Imrahil angeordnet hatte.
„Ich glaube nicht, dass er der letzte Verräter Gondors gewesen sein wird,“ mutmaßte Valion, ungewohnt schwermütig. Die Ereignisse, die Imrahils Urteilsspruch umgaben, beschäftigten ihn noch immer. Er fragte sich, ob er wohl jemals zu einem Menschen werden würde, der den hohen Ansprüchen des Adels von Gondor genügen würde.
„Wann bist du denn so ein Schwarzseher geworden?“ wollte Rinheryn wissen. „Freust du dich denn gar nicht darüber, dass dieser Mistkerl seine gerechte Strafe erhalten hat?“
„Freuen ist das falsche Wort dafür,“ meinte Valion. „Auch wenn er auf der falschen Seite stand, war er dennoch ein Mann aus Gondor. Es lässt mir keinen Frieden, dass es Sauron immer wieder zu gelingen scheint, unser Volk gegen sich selbst zu wenden. Ich fürchte um Gondors Fortbestand.“
Rinheryn legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Solche Worte passen nicht zu dem Valion, von dem ich Geschichten gehört habe und den ich in Rohan kennengelernt habe,“ sagte sie. „Zweifel werden dich nur von der Aufgabe ablenken, die der Fürst dir nun erteilt hat.“
„Die Verteidigung Linhirs,“ sagte Valion.
„Ja,“ bestätigte Rinheryn. „Unsere Grenzen müssen standhalten, bis Faramir und die Rohirrim und Elben von Aldburg aus einen erneuten Angriff wagen können. Wir müssen ihnen genug Zeit erkaufen, ihre Kräfte zu sammeln und Mordors Heere so lange binden, wie es uns möglich ist.“
„Keine leichte Aufgabe,“ meinte Valion.
„Das hat dich doch noch nie zurückschrecken lassen,“ neckte Rinheryn ihn. „Und außerdem... werde ich dir zur Seite stehen.“
Die Art und Weise, wie sie das sagte, hätte Valion zu einem anderen Zeitpunkt vielleicht stutzig gemacht. Doch der Galgen und die Ereignisse des Tages forderten noch immer viel von seiner Aufmerksamkeit ein.
„Lass uns diesen trostlosen Ort verlassen,“ schlug Rinheryn vor. „Ich denke, ich habe eine Idee, die dich wieder aufmuntern könnte.“

Das Gasthaus „Zur Mauer“ war an jenem Abend gut besucht, doch Rinheryn hatte offensichtlich vorgesorgt. Jemand hatte ihr und Valion Plätze an einem runden Vierertisch in einer der Ecken des Schankraumes freigehalten. Dieser Jemand stellte sich rasch als der Dúnadan Ardóneth heraus, der in Begleitung Damrods war und bereits einen Krug Bier beinahe vollständig geleert hatte.
„Na sieh mal einer an,“ begrüßte der Arnorer die Neuankömmlinge. „Seid ihr hier, um das wohlmeinende Urteil des Fürsten zu feiern?“
„Könnte man so sagen,“ erwiderte Rinheryn und nahm Platz. Valion tat es ihr gleich und gab einer der Bedienungen ein Zeichen, um ebenfalls Getränke zu bestellen.
„Wir sind froh, dass Gilvorns Geschichte nun am Ende angekommen ist,“ meinte Duinhirs Tochter, ehe sie Ardóneth den Krug aus der Hand nahm und ihn in einem raschen Zug leerte.
„Schätze, ich sollte mal ein ernstes Wörtchen mit deinem Vater bezüglich seiner Erziehungsmethoden wechseln,“ scherzte der Waldläufer, was sogar dem meist eher düster dreinblickenden Damrod ein schiefes Grinsen entlockte. „Sogar in der Wildnis meiner Heimat in Arnor haben die Frauen für gewöhnlich den Anstand, zu fragen, ehe sie nach fremden Krügen greifen.“
„Ich bin nun einmal keine gewöhnliche Frau,“ gab Rinheryn zurück.
Das kannst du laut sagen, dachte Valion, während er seine Bestellung entgegen nahm und bezahlte.
„Also,“ sagte Ardóneth, nachdem sie alle einige Schlucke getrunken hatten; „wie sieht dein Schlachtplan aus, Valion? Wie wirst du Linhir und die Ostgrenze Gondors nun verteidigen?“
„Ich muss mir zuerst ein Bild der Lage vor Ort machen,“ erwiderte Valion. „Das Wenige, das ich über die Situation in Linhir bis jetzt weiß, bereitet mir mehr Kopfschmerzen als Beruhigung. Hilgorn hat die Stadt nur zur Hälfe halten können, und das nur unter größten Mühen.“
„Hilgorn?“ fragte Damrod.
„Der General des Heeres von Dol Amroth,“ erklärte Valion. „Imrahil erwähnte, dass Hilgorn bei der Verteidigung der Gilrain-Furten nördlich von Linhir gefallen sei.“
„Du kennst... kanntest ihn?“ fragte Rinheryn mitfühlend.
„Er führte bei der Verteidigung des Schwarzgrundtales, deiner Heimat, den Oberbefehl und sorgte dort für den Sieg Gondors,“ antwortete Valion. „Ich kannte ihn nicht sonderlich lange, aber ich schätze, er war ein guter Mann. Meine Schwester sagt, er hat erst wenige Tage vor seinem Tod geheiratet...“
„Tragisch,“ sagte Ardóneth. „Möge seine Witwe Frieden bei dem Gedanken daran finden, dass Hilgorn sein Leben zur Verteidigung Gondors gab.“
„Ein schwacher Trost,“ meinte Damrod ungerührt.
Als er an Faniel dachte, fiel Valion etwas ein. „Ardóneth, wie ist es dir inzwischen mit der Suche nach den Nachfahren von Haus Glórin ergangen?“
Etwas überrascht blinzelte der Waldläufer, ehe er den Kopf schüttelte. „Ich habe noch nichts finden können. Die Stadt war aufgrund des Rechtspruches Imrahils voll von Menschen, die über nichts anderes sprechen wollten. Selbst der alte Thandor hat sich in den Archivgewölben unter dem Palast verkrochen und keine Spur gefunden.“
„Das macht nichts,“ sagte Valion. „Du solltest mit Faniel sprechen, der Witwe des besagten Hilgorn. Sie stammt, wenn ich mich recht entsinne, aus derselben Region, in der das Haus Glórin ansässig war und ist vielleicht sogar direkt mit dessen Nachfahren verwandt.“
„Nun, ich schätze, es wäre einen Versuch wert,“ entgegnete Ardóneth und nahm einen großen Schluck aus seinem, inzwischen wieder gut gefüllten Krug. „Dann werde ich gleich morgen mit dieser Faniel sprechen.“
„Meine Schwester kann dich zu ihr bringen,“ schlug Valion vor.
Damrod setzte seinen Bierkrug mit einem lauten Knall ab. „Und wann gedenkst du, nach Linhir zu reiten, Valion?“ fragte er rundheraus.
„Übermorgen, bei Sonnenaufgang,“ antwortete dieser.
„Dann werde ich mit dir gehen,“ entschied der Anführer der Waldläufer Ithiliens.
„Dürfte ich den Grund dafür wissen?“ fragte Valion.
„Das geht dich nichts an,“ erwiderte Damrod verschlossen.
Ardóneth zog eine Augenbraue in die Höhe. „Was kann es schon schaden, ihm zu verraten, worum es dir geht? Seine Hilfe könnte sich als wichtig bei der Suche erweisen.“
„Bei der Suche wonach?“ wollte Rinheryn neugierig wissen.
Als Damrod nicht antwortete, seufzte Ardóneth und sagte: „Nach seiner Tochter. Ihr Name ist Serelloth und Damrod glaubt, dass sie sich irgendwo in den besetzten Gebieten zwischen Linhir und Minas Tirith aufhält.“
Valion nickte. „Wenn ich etwas über eine Serelloth höre, lasse ich es dich selbstverständlich wissen.“
Damrod brummte etwas, das man grob als „Danke“ interpretieren konnte. Dann leerte er seinen Krug und blieb für den Rest des Abends so schweigsam wie eh und je.

Am späten Abend kehrten Valion und Rinheryn zu ihren Unterkünften im Palast zurück. Auf dem Weg dorthin sprachen sie leise über die kommenden Tage und darüber, was sie in Linhir womöglich erwarten würde. An den Stufen zum Palast angekommen stellten sie erstaunt fest, dass man Gilvorns Leiche inzwischen entfernt hatte. Ein kühler Ostwind brauste über die Stadt hinweg und die Sterne waren von dunklen Wolken verhüllt. Valion zögerte, die Stufen zu erklimmen. Er drehte sich zu Rinheryn um, deren rotblondes Haar im Licht der Fackel in ihrer Hand ebenfalls in Flammen zu stehen schien.
„Wenn du mit mir nach Linhir kommst,“ setzte er an und wunderte sich über ihren erwartungsvollen Blick und das Leuchten in ihren grünen Augen.
„Ja?“
„...werden sie in Rohan dann nicht ihre Stormhére vermissen?“
Rinheryn atmete tief aus. „Ich habe dir doch schon erklärt, weshalb ich jetzt, wo Gilvorn erledigt ist, in Gondors Krieg kämpfen möchte. Wir müssen Faramir die Gelegenheit erkaufen, zum Gegenangriff überzugehen.“
„Ich weiß nicht, ob diese Gelegenheit jemals kommen wird. Die Orks von Mordor sind bei Weitem zu zahlreich.“
„Das wissen wir nicht mit Sicherheit,“ hielt sie dagegen.
„Und doch zeigt Saurons Streitmacht kein Zeichen von Schwäche. Sein Nachschub an Truppen scheint unerschöpflich zu sein.“
„Wenn er so viele Orks hat, wieso haben sie uns dann nicht längst überrannt?“
„Weil das Blut und die Tapferkeit der Menschen Gondors sie davon abhalten...“ sagte Valion leise. Und bei diesen Worten wurde ihm das ganze Gewicht seiner neuen Aufgabe klar. Er würde in Hilgorns Fußstapfen treten und den Schild tragen, der die Grenzen des südlichen Königreiches verteidigte. Doch er vermochte nicht zu sagen, ob er auch dabei Hilgorns Schicksal teilen würde und ihn diese Aufgabe das Leben kosten würde.
„Komm,“ sagte Rinheryn leise. „Es ist schon spät, und du hast morgen viel zu tun.“
„Ja,“ bestätigte er. „Ich kann die vielen Vorbereitungen und Besprechungen morgen schon kaum erwarten.“
Er gähnte und streckte sich. Dann folgte er Duinhirs Tochter die Stufen hinauf zu Imrahils Palast.


Valion, Ardóneth, Rinheryn und Damrod vor die Stadt
« Letzte Änderung: 25. Mär 2019, 14:26 von Fine »
RPG:

Eandril

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Re: In der Stadt
« Antwort #28 am: 12. Dez 2019, 01:01 »
Hilgorn und Faniel aus dem Palast des Fürsten

Wieder durch die Tür des kleinen Hauses, das Faniel seit ihrer Ankunft in Dol Amroth bewohnte, zu treten, fühlte sich für Hilgorn an, als schlage er ein neues Kapitel in seinem Leben auf. Düsternis und Schmerz, Kampf und Tod lagen hinter ihm - fürs erste.
"Lass uns in den Garten hinaus gehen", schlug er leise vor. "Bis vor kurzem dachte ich, ich würde nie mehr draußen im Freien sein." Faniel drückte seine Hand, die sie, seit sie den Palast verlassen hatten, nicht losgelassen hatte, um ihre Zustimmung zu zeigen.
Der Tag war trübe, und dunkle Wolken zogen rasch über den Himmel, doch eine frische, salzige Brise wehte vom Meer her, und in dem kleinen, ummauerten Garten war es nicht allzu kalt. In einer Ecke des Rasens war Iorweth mit irgendetwas beschäftigt, hob aber den Kopf und sprang auf die Füße, als Hilgorn und Faniel in den Garten hinaustraten. Bei Hilgorns Anblick trat ein unsicherer Ausdruck auf das Gesicht des Mädchens, und sie blickte verwirrt von Hilgorn zu ihrer Mutter und zurück. Dann stahl sich ein unsicheres Lächeln auf ihr Gesicht, und sie fragte: "Onkel Hilgorn? Bist... du das?"
Hilgorn ließ Faniels Hand los und kniete sich in das ein wenig feuchte Gras. "Allerdings." Er streckte Iorweth eine Hand entgegen, und fügte hinzu: "Sehe ich so furchtbar aus?"
"Ja", antwortete Iorweth, schlug dann wie über ihre eigene Kühnheit erschreckt die Hand vor den Mund und kicherte ein wenig verschämt. Hilgorn lächelte ihr zu.
"Du musst sich nicht schämen, die Wahrheit zu sagen. Ich sehe furchtbar aus, das ist wohl wahr. Ich hatte... eine schlimme Zeit, aber jetzt geht es mir besser." Er zwinkerte, und ergänzte: "Viel besser, jetzt wo ich dich gesehen habe."
Iorweth erwiderte sein Lächeln, noch immer ein wenig schüchtern, und ergriff jetzt seine ihr noch immer entgegen gestreckte Hand. "Es ist schön, dass du wieder da bist. Mama hat dich ganz furchtbar vermisst. Und ich auch."
Hilgorn biss sich fest auf die Unterlippe, und rang ein wenig um Fassung. Bevor er etwas sagen konnte, fragte Iorweth jedoch: "Was ist mit deinem Auge passiert? Wird es wieder heile?"
"Ich fürchte nicht." Hilgorn stupste Iorweths Nase mit dem Finger an. "Aber um dich zu sehen, genügt mir auch eines."
Iorweth kicherte erneut, bevor sie ihm plötzlich die Arme um den Hals schlang. "Weißt du, dass ich eine kleine Schwester bekomme?", flüsterte sie ihm aufgeregt ins Ohr.
"Mhm. Es könnte aber auch ein Brüderchen werden, meinst du nicht?"
Iorweth löste sich, und schüttelte entschieden den Kopf. "Nein. Ich weiß, dass es ein Mädchen wird."
"Wo wir gerade von Brüdern sprechen...", mischte Faniel, die sich hinter Hilgorn auf eine der steinernen Bänke gesetzt hatte. "Wo ist Belegorn, Iorweth?"
Ihre Tochter zog die Nase kraus, und dachte sich sichtlich angestrengt nach. "Ich weiß nicht. Ich glaube, er wollte jemanden besuchen. Vielleicht einen Freund?"
Faniel seufzte. "Großartig. Wer weiß, wo er sich wieder herum treibt." Sie legte eine Hand auf den Bauch und warf Hilgorn einen bedeutungsvollen Blick zu. "Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich wirklich freue, noch eines von der Sorte zu bekommen."
"Ich würde sagen, daran sind wir beide gleichermaßen Schuld", erwiderte Hilgorn, und konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. Gleich darauf warf er jedoch einen schuldbewussten Blick in Iorweths Richtung, doch das Mädchen hatte sich, offenbar vollauf damit zufrieden, dass Hilgorn wieder zurück war, wieder in ihre Ecke verzogen und schien nichts gehört zu haben.

"Es ist schön, wieder hier zu sein", sagte Hilgorn leise, nachdem er sich neben Faniel auf die Bank gesetzt und einen Arm um ihre Taille gelegt hatte. "Wie ist es dir ergangen während ich... nun ja..."
Faniel, die den Kopf auf seine Schulter gebettet hatte, lachte leise. "Wenn ich mir dich so ansehe, mein Gemahl... dann ist es mir deutlich besser gegangen als dir. Abgesehen davon, dass ich fürchtete zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen verwitwet zu sein und dass unser Kind seinen Vater verloren hätte, bevor es überhaupt geboren ist... davon abgesehen ging es mir gut, denke ich." Aus dem Ton ihrer Stimme hörte Hilgorn heraus, dass es ihr ganz und gar nicht so gut gegangen war, wie sie ihm weismachen wollte, und er zog sie ein wenig fester an sich. "Ich... hatte schreckliche Albträume, nachdem die Nachricht gekommen war, dass du gefangen genommen warst. Natürlich wusste niemand etwas genaues, aber... ich habe mir furchtbare Dinge vorgestellt."
Hilgorn fuhr sanft mit den Lippen über ihren Scheitel. "Es tut mir leid", sagte er, und Faniel hob den Kopf und blickte ihm ins Gesicht. "Was tut dir leid? Du hast dich nicht freiwillig in Mordors Gefangenschaft begeben. Ich habe dir schon gesagt, ich wusste, worauf ich mich einließ, als ich einen Soldaten geheiratet habe. Also hör auf mit den unsinnigen Entschuldigungen und erzähl mir lieber, was wirklich geschehen ist."
Für einen Moment schwieg Hilgorn, bevor er sich dazu entschied, dass Faniel ein Recht darauf hatte, diese Dinge zu erfahren. Selbst, wenn er sich dazu erinnern musste.
Also erzählte er, was bei der Schlacht an der Furt geschehen war, von Varazîr und Arnakhôr, und von Yersin. Er erzählte ihr alles, was sie getan hatten, und auch was er getan hatte. Wie Arnakhôr seinen Geist beinahe gebrochen hatte, und wie Valion und die anderen ihn schließlich befreit hatten.
"Nach dem, was dann hier geschehen ist... befürchte ich, dass Arnakhôr mich gehen ließ. Was ist, wenn es andere wie mich gibt? Andere, deren Geist von Mordor beherrscht werden, und die im entscheidenden Moment zuschlagen?" Er lächelte schwach, und sagte dann: "Entschuldige. Ich will diesen Augenblick nicht mit Sorgen trüben."
"Jede Sorge verdient es, ausgesprochen zu werden", erwiderte Faniel. Ein wenig zögerlich fügte sie hinzu: "Es mag in Anbetracht der Umstände unwichtig erscheinen, aber... ich habe ein Angebot erhalten, Belegorn zu verloben."
Hilgorn hob eine Augenbraue. Er war dankbar, sich mit einem derart unbedeutend erscheinenden Thema beschäftigen zu können, um die Gedanken an Arnakhôr und seine Schergen zu vertreiben. "Es ist nicht ein wenig früh, um an eine Verlobung zu denken?", fragte er. "Der Junge ist gerade erst neun, an eine Hochzeit wäre frühestens in sieben Jahren zu denken." Wenn wir dann noch leben und Gondor dann noch existiert, dachte er, sprach es aber nicht aus.
"Das denke ich auch, und deshalb hatte ich auch gar nicht daran gedacht, auf dieses Angebot einzugehen", meinte Faniel, doch Hilgorn konnte ihr ansehen, dass sie etwas beschäftigte. "Allerdings... das fragliche Mädchen ist angeblich die Erbin eines ausgestorben geglaubten Adelshauses, das nicht unbedeutende Ländereien östlich von Edhellond besitzt."
Hilgorn wartete ab, ohne voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen, bis Faniel weiter sprach. "Ich habe am Hof gehört, dass andere Verlöbnisse, und sogar Ehen, geschlossen wurden, die ähnlich sind wie dieser Fall. Eine plötzlich aufgetauchte Erbin aus einem verschollen geglaubten Adelshaus heiratet entweder einen reichen Erben oder einen Mann von gewissem Einfluss."
Hilgorn rieb sich das Kinn. Er hatte nie viel mit derlei Intrigen anfangen können - ein Grund, warum er sich der Stadtwache angeschlossen und dem Hof nie viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte. "Worauf willst du hinaus?"
Faniel zuckte mit den Schultern. "Ich bin mir nicht sicher, aber irgendetwas... irgendetwas kommt mir daran verdächtig vor. Was, wenn jemand dahinter steckt, der auf diese Art und Weise Macht, Reichtum und Einfluss ansammelt? Und was... was, wenn dieser jemand ein Verräter ist? Du hast selbst gesagt..."
"Ich weiß. Aber glaubst du wirklich, Mordor könnte mit dieser Sache etwas zu tun haben? Glaubst du, Mordor hätte solche Intrigen nötig?"
"Das weiß ich nicht", erwiderte Faniel leise. "Aber es beunruhigt mich trotzdem. Meinst du... meinst du, ich sollte vielleicht mit Tírneth darüber sprechen? Oder vielleicht könntest du mit Elphir reden, oder mit Lothíriel."
Hilgorn seufzte, sagte aber: "Gut, ich werde mit einem von ihnen darüber reden, wenn ich die Gelegenheit dazu bekomme. Es ist immer besser, sicher zu gehen."
Einen Augenblick lang schwiegen sie. Iorweth war irgendwo im Haus verschwunden, sodass sie vollkommen alleine im Garten waren. Die Wolken verzogen sich langsam nach Osten, und das Licht der sinkenden Sonne warf nun lange Schatten.
"Wir müssen uns etwas überlegen, um Valion zu danken", sagte Faniel plötzlich. "Ohne ihn wärst du schließlich mit Sicherheit jetzt nicht hier." Und wäre er zurückgekehrt, dann vollkommen unter Arnakhôrs Bann. Hilgorn war sich sicher, dass er den Zauber nur teilweise hatte überwinden können, weil Arnakhôr die Zeit gefehlt hatte, ihn vollkommen zu überwältigen.
"Hm", gab er zurück. "Ich werde mir etwas ausdenken. Aber fürs erste möchte ich an niemanden denken, auch nicht an Valion vom Ethir. Ich möchte einfach mit dir in Stille und Frieden hier sitzen, bis die Sonne untergeht."
« Letzte Änderung: 10. Jan 2020, 16:10 von Fine »

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Das Haus im Gartenviertel
« Antwort #29 am: 7. Jan 2020, 15:04 »
Valion, Bergil und Areneth aus der Bibliothek des Túron


Sie mussten nicht weit gehen. Lóminîths Haus, das Haus des Schwarzen Segels, lag keine halbe Meile von der Bibliothek des Túron entfernt, inmitten des Gartenviertels im westlichen Teil von Dol Amroth. Während Bergil ihnen vorauslief, musterte Valion den Jungen nachdenklich. Er besaß hellbraunes, kurzgeschorenes Haar und würde vermutlich noch ein ganzes Stück wachsen, auch wenn er für sein Alter nicht gerade klein war. Gekleidet war er in die Tracht der Hofdiener des Schwanenfürsten: ein hellblaues Wams mit passender Hose ergänzt durch eine weiße Schärpe. Dass sich Dol Amroth im Krieg befand erkannte man ohne Zweifel daran, dass selbst ein Page wie Bergil mit einem Kurzschwert bewaffnet war.
Bergil schlug ein ordentliches Tempo an. Der Bursche erinnert mich an mich selbst, dachte Valion. In seinem Alter hatte ich es ebenfalls ständig eilig und konnte kaum stillstehen. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als sie gerade um die letzte Straßenecke bogen und ihr Ziel erreichten.

Vor dem Haus des Schwarzen Segels hielten vier Bewaffnete Wacht, auf deren Turmschilden das Siegel von Lóminîths Familie zu sehen war, das namensgebende Schwarze Segel. Hier verabschiedete sich Areneth mit der Bemerkung, sie würde sich von einem solchen Ort lieber fernhalten. Bergil hingegen schien keinerlei Vorbehalte zu haben, denn kaum hatten die Wachen den Weg ins Innere freigegeben, stürmte der Junge bereits hinein und war verschwunden - zweifellos um die Hausherrin über Valions Ankunft zu unterrichten.
Mit gemischten Gefühlen schritt Valion ins Innere des Hauses. In der Eingangshalle begegneten ihm mehrere junge Frauen, die er noch nie gesehen hatte. Diejenigen, an denen er vorbeikam, knicksten respektvoll und hießen ihn, die Treppen zu den oberen Stockwerken zu nehmen. Dort angekommen traf Valion auf Váneth, eines der ersten Mädchen die Lóminîth von der Straße in ihre Dienste geholt hatte. Ihm fiel auf, dass an Váneths Hand inzwischen ein Verlobungsring steckte. Mit einem Blick auf das Kleinod sagte er: "Und wer ist der Glückliche?"
Váneth wurde rot. "Toradan von Anfalas," sagte sie mit einem beschämten Lächeln. Valion fand, dass das Mädchen tatsächlich glücklich wirkte. Waren seine dunklen Vorahnung vielleicht doch unbegründet gewesen? Lóminîth verschaffte den jungen Frauen, die sie bei sich aufnahm, eine bessere Zukunft, so viel war klar. Valion erinnerte sich daran, was Herrin Avórill ihm aufgetragen hatte. Er würde versuchen, herauszufinden, ob Lóminîth ihre guten Taten ohne Hintergedanken vollbrachte. Vielleicht konnte Váneth ihm dazu Auskunft geben?
"Ein... stattlicher junger Mann," zwang Valion sich zu sagen, auch wenn diese Aussage wohl kaum der Wahrheit entsprach. Er hatte Toradan als arroganten, aber harmlosen Wichtigtuer erlebt, als er auf der Jagd nach dem Verräter Gilvorn nach Anfalas gereist war.
"Das ist er," schwärmte Váneth. "Ich bin Herrin Lóminîth so unendlich dankbar, dass sie uns miteinander bekannt gemacht hat! Es war während des Balls auf der Hochzeit des Generals Hilgorn mit Faniel von Haus Glórin, vor einigen Monaten. Unser erster Tanz war wie verzaubert, er nahm meine Hand, und..."
"Warte mal. Sagtest du Haus Glórin?" unterbrach Valion die Schwärmerei.
"So ist es," bestätigte Váneth, sichtlich verwirrt. "Sie entstammt einem der kleinadeligen Häuser aus Tum-en-Dín, eine passende Partie für jemanden vom Rand und Stand des Generals, der selbst aus derselben Gegend stammt." Váneth schien sich in den Sitten und Vorschriften des Hochadels von Gondor inzwischen sehr gut auszukennen, was zweifellos Lóminîths Verdienst war. Noch während er fieberhaft über die Bedeutung der Enthüllung, dass ausgerechnet Faniel die Nachfahrin der von Areneth gesuchten Dúnedain des Nordens war nachdachte, musste Valion zugeben, dass Lóminîths Erziehung ihrer Mädchen wirklich tadellos zu sein schien.
"Nun, was für ein ungewöhnlicher Zufall," sagte er wie beiläufig. "Verzeih mir - ich habe dich unterbrochen." Gleichzeitig nahm er sich vor, am folgenden Tag mit Hilgorn über die ganze Sache zu sprechen, wenn nicht sogar mit Faniel selbst.
"Es gibt nichts zu verzeihen, Herr," sagte Váneth anmutig. "Ich habe Euch mit meinem Geschwätz nur aufgehalten. Eure Verlobte erwartet Euch, und wegen mir verspätet Ihr Euch nun. Ihr findet sie im Zimmer am Ende dieses Ganges." Sie zeigte in die entsprechende Richtung und eilte die Treppen hinab davon.

Valion fand schließlich den beschriebenen Raum. Lange, rote Vorhänge hingen zu beiden Seiten des großen, bis zum Boden reichenden Fensters, das einen beeindruckenden Blick auf die Bucht von Belfalas nach Süden hin bot. Daneben stand Lóminîth, die ein langes, pastellfarbenes Kleid trug; eine ungewöhnliche Farbe für ihren sonst eher dunklen Stil.
"Da bist du ja," begrüßte sie Valion und gab ihm einen raschen Kuss auf die Wange. Lóminîth drehte sich um die eigene Achse und fragte: "Wie gefällt es dir?"
Valion brauchte einen Augenblick, bis er verstand. "Es steht dir," meinte er dann rasch. "Ja, sogar sehr."
"Ich weiß nicht recht," entgegnete seine Verlobte. "Es passt weder zu den Farben meines noch deines Hauses. Aber es entspricht der hiesigen Tracht und Mode..."
"Mhm," machte Valion und ließ sich auf einen ausladenden Sessel fallen. "Wolltest du mich deswegen so dringend sehen?"
"Natürlich nicht," entgegnete Lóminîth. "Auch wenn du durchaus etwas mehr Interesse an deiner bevorstehenden Hochzeit zeigen könntest. Du hast nicht einmal deiner eigenen Mutter geschrieben."
Ehe Valion darauf antworten konnte, winkte seine Verlobte bereits ab. "Ich habe das längst erledigt. Ich gehe davon aus, dass ihre Eskore Nan Faerrim bereits verlassen hat."
"Und was ist mit deiner Schwester?" wollte Valion wissen.
"Sie wird mit dem nächsten Schiff hier eintreffen," antwortete Lóminîth stolz.
"So rasch? Aber..."
"Die Botenvögel des Herrn der Spione fliegen schnell," erklärte seine Verlobte.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass Edrahil dir seine kostbaren Vögel für so eine triviale Botschaft überlassen würde," mutmaßte Valion.
"Nicht Edrahil," entgegnete Lóminîth. "Meister Amrodin war so freundlich, nachdem ihn seine bessere Hälfte von der Wichtigkeit meiner Botschaft überzeugt hat."
"Amrodin? Ich dachte, er wäre unverheiratet?"
Lóminîth lächelte. "Nicht mehr."
Valion wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Alles schien darauf hinzudeuten, dass Lóminîth ihre Mädchen an einflussreiche Personen verteilte und sie dazu benutzte, sich diverse Gefälligkeiten zuzuspielen. Aber lag dahinter tatsächlich eine bösartige Absicht? Vielleicht war ein solches Verhalten in Umbar gang und gebe gewesen? Immerhin sorgte Lóminîth dafür, dass die Mädchen nicht länger auf den Straßen betteln mussten. Und solange sie ihren neu gewonnenen Einfluss nur dazu nutzte, ihre Hochzeit zu einem unvergesslichen Ereignis zu machen...
Er atmete tief durch. "Und wann, denkst du, wird unsere Hochzeit..."
"In einem Monat," unterbrach Lóminîth. "Am ersten Tag des Súlimë. Vergiss es nicht!"
Valion nickte langsam. "Also gut," meinte er.
Lóminîth nahm seine Hand. "Es wird der schönste Tag unseres Lebens werden," versprach sie ihm.
Sie führte Valion zum Fenster. Über dem gewaltigen Meer versank langsam die Sonne, während sie dort schweigend eine ganze Weile standen. Valions Kopf war voller Fragen, auf die er keine Antworten hatte. Waren Lóminîths Absichten bösartig, oder zeigten sich hier nur die letzten Spuren ihrer Kindheit und Jugend unter den Korsaren von Umbar? Wieviel würde sich nach ihrer Hochzeit verändern? Und was, wenn Herrin Avórill und Lothíriels Verdacht falsch war? Wenn Lóminîth unschuldig war, wer übte dann jenen unguten Einfluss auf den Hofe des Schwanenfürsten aus?
"Du wirkst nachdenklich," meinte Lóminîth. "Ungewöhnlich," fügte sie mit sanftem Spott hinzu.
"Die Menschen sagen mir immer, ich sollte mehr denken, bevor ich handele," wehrte Valion sich schmunzelnd.
"Diese Grübelei steht dir nicht," erwiderte sie. "Komm. Ich helfe dir, diese Gedanken für eine Weile... ruhen zu lassen.
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Re: In der Stadt
« Antwort #30 am: 14. Jan 2020, 21:50 »
Hilgorn saß gerade mit Faniel bei einem recht späten Frühstück, als Belegorn in den Raum trat, und sich artig verbeugte. "Mutter, Onkel - da ist jemand an der Tür."
Hilgorn warf Faniel einen über das Verhalten seines Neffen verwunderten Blick zu, und sie zwinkerte ihm verstohlen zu und formte stumm das Wort Später. Dann fragte sie an ihren Sohn gewandt: "Hat derjenige dir auch seinen Namen gesagt?"
Belegorn biss sich auf die Lippen, und erwiderte dann langsam: "Das war... Valion vom... vom Ethir glaube ich. Und... eine Frau. Irgendetwas mit A."
"Das wirst du noch ein bisschen üben müssen, fürchte ich", meinte Faniel mit erhobenen Augenbrauen. "Führ sie bitte herein."
Sobald Belegorn den Raum verlassen hatte, erklärte sie: "Belegorn wünscht sich, als Page an den Hof des Fürsten zu gehen. Und meine Bedingung war, dass er zuerst für ein paar Wochen versucht, sich hier entsprechend zu benehmen."
Hilgorn nickte ein wenig abwesend, denn seine Gedanken waren im Augenblick eher auf Valion gerichtet. Was konnte er hier wollen?
Bevor Hilgorn weiter darüber nachgrübeln konnte, trat Valion auch schon in das kleine Esszimmer hinein, gefolgt von einer ganz in Leder gekleideten, schwarzhaarigen Frau. Hilgorn stand auf, und auch Faniel erhob sich, allerdings sichtlich mit ein wenig Mühe.
"Ich hatte gehört, dass man euch aus dem Kerker entlassen hat", sagte Valion direkt an Hilgorn gerichtet. "Also konnte euch die Herrin Mithrellas von diesem... Zauber heilen?" Valions graue Augen betrachteten Hilgorn mit Neugierde, und gleichzeitig einem Hauch Kälte.
Hilgorn zuckte mit den Schultern. "Ich nehme es an. Doch wir bräuchten vermutlich einen Zauberer, um das mit Sicherheit sagen zu können."
"Hm", machte Valion unbestimmt. "Nun, eigentlich sind wir nicht deswegen gekommen, sondern euretwegen." Die letzten Worte hatte er an Faniel gerichtet, die überrascht wirkte.
Valions Begleiterin trat ein wenig vor, und sagte: "Mein Name ist Areneth, aus dem Haus Maratar. Meine Familie stammt ursprünglich aus Arnor, doch einige meines Hauses sind vor fast dreihundert Jahren nach Süden gekommen."
"Meine Vorfahren stammen aus Arnor", sagte Faniel langsam, und machte dann eine einladende Geste. "Bitte, setzt euch. Es gibt keinen Grund, im Stehen zu sprechen."
Valion und Areneth ließen sich nebeneinander auf den zwei freien Stühlen nieder, und auch Hilgorn und Faniel setzten sich wieder - letztere mit sichtbarer Erleichterung.
"Wir hatten herausgefunden, dass ein Mann namens Glórin aus dem Haus Maratar nach Gondor gekommen war, und ein Lehen im Tal Tum-en-Dín erhalten hatte - eurer Heimat, Hilgorn", erklärte Valion weiter. "Deswegen wären wir ohnehin gekommen, doch gestern Abend erfuhr ich zufällig, dass es sich bei der letzten Nachfahrin dieses Glórin ausgerechnet um eure Frau handelt."
Faniel nickte. "Glórin der Begünstigte wurde er genannt, nachdem er Tugobel erhalten hatte. Ich wusste nicht, dass ich Verwandte in Arnor habe - es hieß, Glórin wäre der einzig Überlebende seines Hauses gewesen."
"Das glaubte er, sonst wäre er vermutlich nach dem Fall von Gilgroth nicht nach Gondor geflüchtet", erwiderte Areneth, und lächelte. "Nach dem was mein Bruder mir erzählt hat, habt ihr dort oben nicht wenig Verwandtschaft." Auf Faniels fragenden Blick hin fügte sie hinzu: "Ich selbst bin in Gondor geboren, da mein Vater einige Zeit hier gelebt hat, und bin nur kurze Zeit in Arnor gewesen."
"Ich freue mich jedenfalls, euch kennenzulernen", meinte Faniel. "Allerdings..."
"Ist das vermutlich kein reiner Höflichkeitsbesuch, nicht wahr?", beendete Hilgorn den Satz für sie, und erntete einen strafenden Blick für seine Direktheit. Auch Valion und Areneth wechselten einen Blick, und Areneth schüttelte den Kopf.
"Gilgroth, der alte Sitz meiner - unserer - Familie, ist seit seinem Fall verschlossen. Mein Bruder und seine Freunde wollen ihn allerdings wieder in Besitz nehmen, doch sie brauchen die Schlüssel."
"Und ihr vermutet, dass Glórin einen dieser Schlüssel bei sich hatte, als er nach Gondor geflohen ist", schloss Faniel.
"Ja. Wir wissen, dass Glórin einen Schlüssel besaß."
Faniel tippte ein wenig nervös mit dem Zeigefinger auf dem Holz des Tisches herum. "Es gibt kaum Erbstücke aus der Zeit, bevor Glórin Tugobel bekommen hat. Es... Ist das der einzige Weg? Gibt es keine andere Möglichkeit?"
"Gilgroth ist keine Burg oder Festung", erklärte Areneth. "Es ist ein System aus Höhlen, das teilweise von den alten Dúnedain angelegt wurde. Der Haupteingang ist eingestürzt und unpassierbar, und so ist ein geheimer Nebeneinang der einzige Weg hinein - und um ihn zu öffnen, brauchen wir die Schlüssel."
Faniel schwieg einige Zeit, und Hilgorn legte unauffällig unter dem Tisch eine Hand auf ihr Bein. Er spürte, dass sie mit sich rang, doch er wollte sie nicht bedrängen.
Schließlich sagte sie: "Das einzige Stück von dem ich weiß, dass Glórin es aus dem Norden mitgebracht hat, ist ein Amulett, auf dem eine geflügelte Krone und darüber sieben Sterne eingraviert sind."
Areneth holte scharf Luft. "Das muss es sein. Es passt zu den anderen Schlüsseln."
"Mein Vater hat es oft getragen", erwiderte Faniel leise. "Es ist eines der wenigen Erinnerungsstücke, die ich noch an ihn habe."
Die Begeisterung schwand aus Areneths Gesicht. "Ich kann verstehen, wenn ihr es mir nicht überlassen wollt, doch..."
"Das habe ich nicht gesagt", unterbrach Faniel sie, und stand dann auf. "Begleitet mich einen Augenblick, Areneth. Bitte." Areneth folgte ihr mit einem etwas unsicheren Blick zu Valion aus dem Raum, und ließ Hilgorn und Valion allein zurück.

Als Areneth die Tür hinter sich geschlossen hatte, beugte Hilgorn sich ein wenig vor, und sagte: "Ich fürchte, bei unserer letzten Begegnung war ich nicht... in der Verfassung, euch zu danken. Also: Danke, Valion. Ich weiß nicht... was ich tun kann, um diese Schuld zu begleichen."
Valion winkte ein wenig unbehaglich ab. "Lasst uns nicht von Schuld sprechen. Außerdem... habe ich es eher für Gondor getan. Obwohl ich eure unerträgliche Steifheit sicher nicht vermisst hätte."
Er hielt Hilgorns Blick einen Augenblick stand, bevor er plötzlich grinste, und Hilgorn konnte nicht anders, als das Grinsen zu erwidern. Mit einem Mal fühlte er sich, als wäre eine unsichtbare Last von ihm abgefallen.
Valion beugte sich ein wenig über den Tisch, und sagte leise in einem verschwörerischen Tonfall: "Wir müssen dringend etwas daran ändern. Und da ich von uns beiden der höher gestellte bin - zumindest wenn mein Fürstentum nicht gerade von Mordor besetzt wäre - beschließe ich hiermit, diese unerträglichen Förmlichkeiten abzuschaffen. Kein ihr mehr, kein Herr mehr."
Hilgorn atmete tief durch. "Es wäre mir eine Ehre", sagte er schließlich, und Valion verdrehte die Augen. "Mit Ehre hat das nicht viel zu tun. Also, du hast sicher irgendwo einen guten Wein versteckt, nicht wahr?"
Hilgorn hob eine Augenbraue. "Um diese Tageszeit?" Valion gab einen unwilligen Laut von sich. "Ja, meine Verlobte wäre vermutlich nicht begeistert wenn ich mich schon am Vormittag betrinke."
"Und meine Frau sicherlich ebenfalls nicht."
"Hm. Als verheirateter Mann hat man es sicher nicht leicht", brummte Valion, und Hilgorn lächelte schwach. "Ich kann nicht sagen, dass ich es bereue."
Valion blickte nachdenklich vor sich hin. "Nun, in einem Monat werde ich mir selbst ein Urteil darüber bilden können." Er schien noch etwas sagen zu wollen, es sich dann aber doch anders zu überlegen. Allerdings konnte Hilgorn sich denken, dass die Aussicht auf seine Hochzeit seltsam für den berüchtigten Valion vom Ethir sein musste.
Im selben Augenblick öffnete sich die Tür, und Faniel und Areneth kamen zurück ins Zimmer.
"Ich habe mich entschieden, Areneth das Amulett zu überlassen", sagte Faniel. Valion schob seinen Stuhl zurück und erhob sich. "Hervorragend."
Areneth wirkte überaus erleichtert. "Ich fürchte, ich kann nicht länger in Dol Amroth bleiben - mein Bruder wird den Schlüssel haben wollen."
"Dann wünsche ich euch Glück für euer Vorhaben", meinte Hilgorn, und Faniel ergänzte: "Wenn ihr je wieder nach Dol Amroth kommt, seid ihr in unserem Haus jederzeit willkommen - dein Bruder und du." Areneth lächelte. "Ich werde es mir merken." Sie nickte Hilgorn zu. "Auf bald, General."

Hilgorn und Valion zum Palast des Fürsten
« Letzte Änderung: 12. Feb 2020, 13:00 von Fine »

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Eine geheimnisvolle Warnung
« Antwort #31 am: 23. Apr 2020, 15:43 »
Valion und Hilgorn aus dem Fürstenpalast


Doch Hilgorn schien an jenem Tage sehr schweigsam zu sein. Die Ankunft der Thelynrim hatte ihn zumindest ein klein wenig überrascht, davon war Valion überzeugt, doch mehr als ein leiches Anheben der Augenbrauen hatte diese Überraschung dem außer Dienst gestellten General nicht entlockt. Stumm hatte er den Austausch zwischen Imrahil und Thorongil beobachtet, und war anschließend in Begleitung seiner Wachen, die stets ein Auge auf ihn hatten, gegangen - wohl, um zu seiner Frau zurückzukehren.
Valion war nachdem Ende des Hofstaates ein Weilchen ziellos durch die Straßen Dol Amroths gestreift. Er vermisste seine Zwillingsschwester und fragte sich, wie es Valirë bei der Belagerung von Umbar wohl erging. Ich hoffe sie bleibt vernünftig und stellt keinen Unsinn an, dachte er und blieb bei diesem Gedanken überrascht stehen. "Nanu," murmelte er leise. "Ich höre mich ja an wie der alte Edrahil." Ein schiefes Grinsen legte sich auf sein Gesicht und er stellte fest, dass er wie durch Zufall wieder am Fürstenpalast angekommen war. Als er an Edrahil dachte, tauchte vor Valions innerem Auge der strenge, stechende Blick des Herrn der Spione auf. "Umbar," murmelte er, während er begann, die Stufen zum Palast hinauf zu steigen. "Diese Stadt lässt dich einfach nicht los, was, Edrahil?"
"Mit wem sprichst du denn da?" riss ihn eine Stimme zu seiner Linken aus den Gedanken. Als Valion sich zu ihr umdrehte, entdeckte er den kleinen Túor, den Sohn Thorongils, der gerade auf dem schmalen, steinernen Handlauf der großen Treppe balancierte.
"Túor! Wie oft habe ich dir gesagt, ich will nicht, dass du überall herumkletterst!" Minûlîths Stimme drang von unten, vom Fuße der Treppe zu ihnen hinauf, und neben ihr erspähte Valion auch Túors Vater, den Herrn des Turmes. Ganz offensichtlich hatte sich die Familie einen ausgedehnten Spaziergang durch die Straßen Dol Amroths gegönnt und Valion erkannte auch rasch, wer sie dabei begleitet hatte: Der jugendliche Page Bergil, der gerade aus Thorongils Schatten trat.
Kurzerhand schnappte Valion sich Túor und legte seine Arme um die Taille des Jungen, um ihn - der Proteste zum Trotz - zu seinen Eltern zu tragen und dort wieder auf die Beine zu stellen.
Túor streckte Valion die Zunge heraus. "Jetzt weiß ich wieder, wieso ich deine Schwester lieber mag als dich! Sie ist genau wie Narissa!"
"Narissa?" wiederholte Valion fragend. "Wer soll das denn sein?"
"Meine Lieblingstante!" sagte Túor stolz und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Ich wusste nicht, dass noch mehr von deiner Familie überlebt haben,"  sagte Valion an Thorongil gerichtet.
"Narissa ist die Tochter meiner Schwester Herlenna," antwortete der Herr der Thelynrim und verwuschelte seinem Sohn das Haar. "Sie kam mit ihrer Freundin Aerien nur wenige Tage nach eurer Abreise auf Tol Thelyn an. Keiner von uns hatte damit gerechnet und so war es eine wundervolle Überraschung für uns alle, dass sie den Fall des Turmes überlebt hatte. Ein Jahr hatte sie sich in Umbar durchgeschlagen, gemeinsam mit dem Schreiber Bayyin, der dir ja auch bekannt sein sollte. Dabei begegnete sie Edrahil, der letzten Endes dafür gesorgt hat, dass sie den Weg nach Hause gefunden hat."
"Das hört sich an, als würde da eine wirklich spannende Geschichte dahinter stecken," merkte Valion schmunzelnd an.
"Oh, du hast ja keine Ahnung," bestätigte Minûlîth lächelnd. "Aber das ist eine Geschichte für ein andermal. Jetzt würde ich gerne mit meiner Schwester sprechen. Wo hast du sie versteckt?"
"Also... sie war beim Hofstaat dabei," meinte Valion und strich sich etwas ratlos über den Nacken. "Eigentlich hatte ich angenommen, sie würde dich danach aufsuchen, aber..."
"Du hast keine Ahnung wo sie ist, und was sie tut, nicht wahr?" sagte Minûlîth und hob die linke Augenbraue.
"Nun... wenn du es so formulierst..."
Eine silberne Glocke ertönte und die Gruppe drehte sich dem Geräusch nach um. Am Rande der Treppe war eine Gruppe von jungen Frauen in edlen Kleidern aufgetaucht, die sich alle gleichzeitig vor Minûlîth verbeugten - bis auf eine, die in ihrer Mitte stand. Die außen stehenden Mädchen gaben den Weg frei und Lóminîth trat hervor, auf ihre ältere Schwester zu.
"Da bist du ja," sagte Minûlîth freundlich, aber unbeeindruckt wirkend und schloss ihre kleine Schwester in eine Umarmung. "Gehören diese jungen Dinger alle zu dir?"
"Ich bin nicht untätig gewesen," sagte Lóminîth anstelle von einer Erklärung. "Komm - ich zeige dir das Haus, von dem ich in meinem letzten Brief sprach."
"Wir treffen uns später in den Gemächern, die der Fürst für uns vorbereiten ließ," sagte Minûlîth schon im Gehen zu Thorongil. Die Gruppe der Frauen nahm die Schwestern in die Mitte und war kurz darauf verschwunden.

"Ich habe es aufgegeben, die beiden nach dem tieferen Sinn all ihrer geheimnisvollen Pläne und Treffen zu fragen," meinte Thorongil und lachte, Auch Túor schien bereits an die Gepflogenheiten seiner Mutter und Tante gewöhnt zu sein und zupfte ungeduldig an Valions Umhang. "Zeigst du mir die Stallungen der berühmten Schwanenritter?" bat der Junge.
"Das würde ich auch gerne sehen," meinte Thorongil. "Es wäre ein willkommener Zeitvertreiben."
"Ach... na schön," gab sich Valion geschlagen. "Aber unterwegs erzählst du mir, was seit unserer Abreise auf der Insel geschehen ist, in Ordnung?"
So erfuhr Valion von dem Bündnis, das die Thelynrim mit dem Silbernen Bogen geschlossen hatten, und dem Angriff eines Schwarzen Númenorers, der Narissas Freundin Aerien entführte, letzten Endes aber von Thorongil und seiner Nichte aufgehalten worden war. Staunend lauschte Valion der Erzählung von Edrahils geheimnisvoller Expedition in das Reich von Arzâyan im tiefen Süden und den Plänen, die gegen Umbar geschmiedet worden waren.
"Es gibt viel zu tun seitdem ich Herr des Turmes geworden bin. Aber die Insel hat nun wieder Frieden, so sehr wie das in diesen Tagen nun einmal möglich ist," sagte Thorongil abschließend, kurz bevor sie die Stallungen erreicht hatten. Dort angekommen stellte Valion zufrieden fest, dass er dem jungen Bergil das Reden überlassen konnte. Der Page schien genaustens über die sagenumwobenen Schwanenritter Bescheid zu wissen und ließ mehr als einmal durchblicken, dass es sein großer Traum war, sich ihnen eines Tages anzuschließen.

Abends ließ Valion Bergil die beiden Thelynrim zu ihrer Unterkunft bringen, während er selbst kurzerhand beschloss, in einer der Kasernen zu schlafen. Er wusste, dass Lóminîth heute bei ihrer Schwester schlafen würde, wobei die beiden sicherlich bis spät in die Nacht reden und Pläne schmieden würden. Und er sollte recht behalten, denn Túor erzählte ihm später insgeheim, dass selbst spät nach Mitternacht noch Licht im kleinen Vorzimmer der Gästegemächer zu sehen gewesen war, dort wo die Schwestern es sich in einer Sitzecke bequem gemacht hatten. Túor war so tief nachts erwacht, weil ihn die Blase drückte, und er war leise wie ein Schatten ("Leise wie Narissa," wie er es ausdrückte) durch die Gemächer geschlichen, um ja nicht entdeckt zu werden.
Valion selbst war ebenfalls noch eine ganze Weile wach gelegen. Als Bett diente ihm eine einfache Pritsche, wie sie die Soldaten nutzten, denn er mochte keine allzu weichen Unterlagen im Rücken. Das Fenster stand offen, auch wenn es um diese Jahreszeit selbst im südlichen Gondor recht kühl werden konnte. Vom Mond war nichts zu sehen - es war Neumond - doch die Sterne zogen fahl blinkend herauf und spendeten ein dämmriges Licht. Gerade als Valions Augen zufallen wollten, hörte er, wie der dünne Stoffvorhang beiseite gezogen wurde, der sein Bett vom Rest des Schlafraumes der Soldaten trennte. Ruckartig setzte er sich auf und packte den Dolch, der unter seinem Kissen versteckt lag.
"Nur die Ruhe," sagte Ta-er as-Safars Stimme. Sie trug die Kleidung eines Stadtwächters und huschte rasch ans Fenster, um hinaus zu spähen.
"Was... soll denn diese Heimlichtuerei um diese Uhrzeit?" wunderte sich Valion und richtete sich im Bett auf.
"Ich bringe eine Botschaft von der Fürstin, die das Volk "Silberglanz" nennt," antwortete Ta-er geheimnisvoll.
"Und seit wann stehst du in ihren Diensten? Ich dachte, du gehörst zu dieser Vereinigung, die gegen die Assassinen kämpft?"
"Ich diene weiterhin dem Schattenfalken," stellte Ta-er klar. "Doch die Fürstin teilt meine Befürchtungen, dass hier in Dol Amroth eine Gefahr wächst, der um jeden Preis Einhalt geboten werden muss. Deshalb habe ich ihr meine Dienste angeboten."
"Und wie lautet Herrin Avórills Botschaft?" wollte Valion wissen.
"Ich kann noch nicht erkennen, woher sie ihre Informationen hat," gab Ta-er etwas zerknirscht zu. "Aber bisher haben ihre Voraussagen sich jedesmal erfüllt. Heute sprach sie davon, dass schon bald Neuankömmlinge von großer Bedeutung in die Stadt kommen werden. Und sie lässt dich warnen, um jeden Preis auf jene zu achten, der Blut von der Dunkelheit berührt wurde..."
"Blut... Dunkelheit... sehr mysteriös, wenn du mich fragst," meinte Valion etwas ratlos. "Ob sie mit den Neuankömmlingen wohl Thorongil und seine Familie gemeint hat?"
"Ich weiß es nicht," antwortete Ta-er. "Ich bitte dich einfach, die Augen auf zu halten und dich mit mir in Verbindung zu setzen, wenn du etwas bemerkst. Wirst du das tun?"
"Wie kontaktiere ich dich?"
Selbst im Dunkeln sah er Ta-ers Lächeln aufblitzen. "Halte dich an Bergil, den Pagen. Er kann dich zu mir führen."
"Bergil... es scheint, als wäre ich von Leuten umgeben, die mehr sind, als sie vorgeben zu sein..."
"So funktioniert unsere Welt nun einmal, Valion," sagt Ta-er und ging lautlosen Schrittes hinaus.
« Letzte Änderung: 21. Mai 2020, 15:39 von Fine »
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Re: In der Stadt
« Antwort #32 am: 6. Mai 2020, 01:14 »
Es war bereits gegen Mitternacht, als Hilgorn ein leises Klopfen gegen die Haustür vernahm. Faniel war bereits vor einiger Zeit zu Bett gegangen, und so ging er möglichst leise durch die dunkle Eingangshalle und öffnete die Tür ein Stück weit. Draußen erkannte er undeutlich eine schmale Gestalt in Mantel in Kapuze.
"Hilgorn", sagte sie leise. "Bitte, darf ich hereinkommen?"
Hilgorn hatte die Stimme sofort erkannt, und wunderte sich, doch er öffnete die Tür ganz und trat beiseite. "Seid willkommen in meinem - nun, vielleicht eher Faniels - Haus, Herrin."
Lóthiriel trat über die Schwelle, und warf, nachdem Hilgorn die Tür hinter ihr geschlossen hatte, die Kapuze ab.
Hilgorn räusperte sich unsicher. Er hatte keine Ahnung, wie er sich in dieser Situation zu verhalten hatte, und was der Grund für diesen merkwürdigen nächtlichen Besuch sein mochte. "Vielleicht sollten wir in die Küche gehen", schlug er ein wenig zögerlich vor. "Dort brennt noch ein wenig Glut im Ofen, und es ist ein wenig wärmer." Auch wenn Schnee in diesen Gegenden im Winter beinahe nie vorkam, wurde es nachts doch oft empfindlich kühl. Dennoch war sich Hilgorn nicht sicher, ob sein Vorschlag angemessen gewesen war - eine Küche war kaum ein passender Ort für eine Prinzessin.
Lóthiriel jedoch schien weit davon entfernt zu sein, sich Gedanken um Angemessenheit zu machen, und nickte ein wenig abwesend. "Geht ihr nur voran, ich folge euch."

In der Küche entzündete Hilgorn zwei Kerzenhalter, schürte die Glut im Ofen ein wenig und trug rasch zwei Stühle aus dem Nebenzimmer herüber, sodass sie sich an den Tisch, den Faniel normalerweise beim Kochen benutzte, setzen konnten.
Lóthiriel setzte sich mit einem dankbaren Lächeln, dass aber sogleich wieder verschwand.
"Ich nehme an, ihr wundert euch über meinen Besuch - zumal um diese Uhrzeit", begann sie. Hilgorn nickte langsam. Er wunderte sich aus den verschiedensten Gründen. Über die Uhrzeit, über die Tatsache, dass Lóthiriel hier her gekommen war anstatt ihn in den Palast zu bestellen, und vor allem darüber, dass sie allein gekommen war.
Die Prinzessin faltete die schlanken Hände auf dem Tisch. "Nun, ich habe zwei Aufträge für euch, und beide sollten im Augenblick nicht unbedingt öffentlich gemacht werden. Genauer gesagt ist einer dieser Aufträge von mir, und der andere von meiner Mutter."
Hilgorn hob die rechte Augenbraue. "Verzeiht mir, Prinzessin, aber... nein. Ich stehe im Augenblick nicht in den Diensten eures Vaters, und auch wenn ich nach allem Recht sein Gefolgsmann bin... ich stehe nicht zur Verfügung." Er stockte kurz, ein wenig von sich selbst überrascht. "Ich... ich kann nicht wieder in den Krieg ziehen. Nicht jetzt schon", erklärte er ein wenig ruhiger. "Ich möchte hier bleiben, bei meiner Frau - vor allem jetzt, da..." Hilgorn brach ab und spürte, wie er ein wenig errötete.
Anstatt zornig zu werden oder ihn kalt an seine Pflichten zu erinnern, tat Lóthiriel etwas, dass er nicht erwartet hatte: Sie lächelte. "... da sie schwanger ist", beendete sie den Satz für Hilgorn. "Nun, meinen herzlichsten Glückwunsch, Hilgorn."
Hilgorn schüttelte irritiert den Kopf und rieb sich die Stirn. "Danke, aber... habt ihr gehört, was ich vorher gesagt habe?"
Lóthiriel zuckte mit den Schulten. "Natürlich", erwiderte sie ungerührt. Ihr habt es abgelehnt in den Krieg zu ziehen, was ich in eurer Situation auch voll und ganz verstehe. Aber da das auf keinen dieser Aufträge zutrifft, sehe ich keinen Interessenkonflikt." Sie lächelte auf eine zauberhafte Weise, die Hilgorn früher, bevor er Faniel wieder begegnet war, ein angenehmes Kribbeln verursacht hätte. Er suchte einen Augenblick nach Worten, bevor er seufzte und sagte: "Also schön. Was für Aufträge habt ihr für mich?"
"Der eine Auftrag stammt gewissermaßen von meiner Mutter", begann Lóthiriel zu erklären. "Sie hat euch zwar eigentlich nicht erwähnt aber... ich treffe meine eigenen Entscheidungen. Offenbar werden in der nächsten Zeit wichtige Neuankömmlinge hier eintreffen - sie hat sich in dieser Hinsicht recht geheimnisvoll geäußert. Ich möchte, dass ihr Ausschau nach diesen Personen haltet, und mich sofort informiert, wenn ihr etwas in dieser Hinsicht bemerkt."
"Hinter dem Rücken eurer Mutter?", fragte Hilgorn langsam. "Man könnte fast meinen, ihr würdet ihr misstrauen." Alleine bei dem Gedanken lief ein Schauer seinen Rücken hinunter, doch Lóthiriel schüttelte den Kopf.
"Ich misstraue niemandem aus meiner Familie, doch..." Sie unterbrach sich, und fixierte Hilgorn mit ihren grauen Augen über den Tisch hinweg. "Ihr werdet zu niemandem ein Wort hierüber verlieren. Verstanden?"
Obwohl ihm die Angelegenheit von Augenblick zu Augenblick weniger gefiel, nickte Hilgorn. "Verstanden." Auch wenn er gegenwärtig außer Dienst war, als Soldat wusste er, wann er einen Befehl bekommen hatte.
"Gut. Meine Mutter... ist der Meinung, jetzt wo sie wieder in der Stadt ist, habe ich mich ihr in allen Dingen unterzuordnen und zu gehorchen. Zu ihrem Unglück bin ich aber die Fürstin von Tolfalas, und habe genug von diesem Krieg gesehen, um mich nicht hinter ihren Rockschößen zu verstecken."
Ihr Blick ließ Hilgorn nicht los, und zu seiner Verwunderung stellte er fest, dass das Grau ihrer Augen gerade mehr Stahl als dem Meer glich.
"Und damit kommen wir zu meinem zweiten Auftrag. Ich bin dabei, auf Tolfalas eine Truppe aufzustellen, und..." Dieses Mal war Hilgorn vor Überraschung geradezu zusammengezuckt, und Lóthiriel hob missbilligend eine Augenbraue.
"Nehmt euch zusammen, General. Ich habe weder vor, meinen Vater mit diesen Soldaten zu stürzen, noch plane ich, die Seiten zu wechseln und mit Mordor anzuschließen. Wir brauchen Verstärkung, doch mein Vater zögert, noch mehr Männer in die Armee einzuberufen, solange Mordor nicht den Gilrain überschreitet - doch dann wird es zu spät sein. Ich denke, ich werde in der Lage sein, etwa dreihundert, vielleicht vierhundert Mann aufzustellen, größtenteils leicht gerüstet. Doch ich brauche jemanden, der mich berät, wann es sinnvoll ist, diese in den Kampf zu schicken, und auf welche Weise. Jemanden wie euch."
"Einverstanden", sagte Hilgorn nach einer längeren Pause. Das war weitaus harmloser, als er zu Anfang befürchtet hatte, und selbst wenn er womöglich den Unmut des Fürsten und seiner Gemahlin auf sich ziehen würde... jeder Vorteil, den sie im Kampf gegen Mordor erlangen konnten, und sei er noch so klein, konnte entscheidend sein. Und je weniger Leute über die Truppe auf Tolfalas Bescheid wussten, desto geringer war die Gefahr, dass Mordor davon erfuhr und sich darauf vorbereiten konnte.
Lóthiriel schenkte ihm ein weiteres ihrer zauberhaften Prinzessinnenlächeln, und stand auf. "Ich wusste, dass ich mich auf euch verlassen kann. Auf Wiedersehen, General."

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Eine unerwartete Rückkehr
« Antwort #33 am: 20. Mai 2020, 11:06 »
Den folgenden Morgen verbrachte Valion damit, sich in der Stadt umzuhören. Niemand konnte ihm etwas zu den dubiosen Gestalten sagen, die laut Herrin Silberglanz bald in Dol Amroth eintreffen sollten, doch das hatte er auch gar nicht wirklich erwartet. Stattdessen hörte er hauptsächlich Gerüchte über den Kriegsverlauf im Süden.
"Die Haradrim schlagen sich immer noch untereinander die Köpfe ein," sagten die Leute und nicht wenige schienen sich daran kaum zu stören.
"Es heißt, dass die Belagerung von Umbar nichts als eine große Ablenkung ist," sagten andere, die fest davon überzeugt waren, dass die Flotte Gondors niemals den Schutz der Häfen hätte aufgeben und Qúsay im Süden zur Hilfe eilen sollen.
"Sauron wird nicht tatenlos zusehen," warnten diejenigen, die bereits gegen Mordor gekämpft hatten. "Glaubt ihr wirklich, er würde sich Harad einfach wegnehmen lassen?"
Valion fand sich schließlich am Südtor der Stadt wieder, eines der kleineren Nebentore der gewaltigen Befestigungsanlagen, von denen es eine ganze Reihe gab. Hier führte ein Weg - oder vielmehr ein ausgetretener Pfad von den Mauern weg und schlug dann in etwas Abstand einen Bogen nach Osten, um sich mit der gepflasterten Straße in Richtung des Kaps von Belfalas zu vereinen. Außerdem gab es hier trotz der hoch aufragenden Klippen nach Westen hin eine kleine Anlegestelle, über die man mit einem hölzernen Lastenaufzug auf die Höhe der Stadt gelangen konnte, wenn es schnell gehen sollte und der geschäftige Haupthafen der Schwanenstadt wieder einmal zu voll mit großen Schiffen war. Hier waren bei der zweiten Belagerung von Dol Amroth die ersten Spähberichte eingetroffen, die vor der herannahenden Korsarenflotte gewarnt hatte. Valion stutzte, als er sah, wie oberhalb des Lastenaufzugs an einem kleinen Mast eine dünne blaue Flagge gehisst wurde - das Zeichen dafür, dass jemand an der Anlaufstelle angelegt hatte.
Neugierig trat Valion durch das kleine Stadttor, als die Wachen ihn passieren ließen. Er sah, wie der Lastenaufzug - der mithilfe eines Esels bewegt wurde - arbeitete und seine Trageplattform nach oben beförderte, doch bis diese nicht oberhalb der Klippen angekommen war, konnte Valion nicht sehen, wer oder was hinauftransportiert wurde. Er musste sich nicht sonderlich lange gedulden, bis er sehen konnte, dass sich die Fracht als ein einzelner Mensch in einem grauen Mantel mit Kapuze herausstellte.
"Scheint mir ein Bettler zu sein," murmelte Valion als er sah, wie sich der Fremde auf einen Stock stützte, als er sich der Stadt näherte. Valion nickt den Wachen zu und trat ein paar Schritte aus dem Tor heraus, auf den Mann zu.
"Grüß' Euch, Gevatter," sagte er kameradschaftlich. "Es geschieht selten, dass jemand auf diesem Wege die Klippen erklimmt und in die Stadt kommt. Was bringt Euch her?"
Der Fremde blieb in ungefähr drei Meter Entfernung stehen. Als er sprach, drang seine Stimme nur undeutlich unter der Kapuze hervor, die Augen lagen unter deren Rand verborgen. "Was schert es dich, Junge, wie ich die Stadt betrete?" fragte er unwirsch. "Steh' nicht herum und halte Maulaffen feil! Wir sind im Krieg, da kann es sich keiner von uns leisten, auf der faulen Haut zu liegen!"
Valion riss die Augen auf. "Die Stimme kenn' ich doch," stammelte er überrascht. "E...Edrahil? Aber... solltet Ihr nicht bei der Belagerung von Umbar sein?"
Sein Gegenüber seufzte und nahm die Kapuze ab. Es war tatsächlich Edrahil. "Ich musste leider feststellen, dass mein Rat dort nicht länger geschätzt wird," murrte er.
"Aber... was ist mit der Insel? Hattet Ihr Eure Zelte nicht dort aufgeschlagen?"
"Nun, der Herr des Turmes ist nun hier in Dol Amroth, nicht wahr?" erwiderte Edrahil ruhig. "Und auch für mich wurde es so langsam Zeit, den Heimweg anzutreten. Ich habe meine wahren Aufgaben viel zu lange vernachlässigt und Zeit im Süden vertrödelt."
Valion strich sich verwundert über den Nacken. "Ähm... also gut, jetzt seid Ihr ja wieder hier..."
"Komm, Junge," meinte Edrahil unwirsch. "Geh ein Stück mit mir und bring' mich auf den neusten Stand was die Geschehnisse hier vor Ort anbelangt."

Wie es seine Art war schien Edrahil keinerlei Zeit vergeuden zu wollen. Trotz seines charakteristischen Humpelns kamen die beiden recht flott durch die Straßen der Stadt voran, während Valion für Edrahil die Ereignisse seit seiner eigenen Rückkehr nach Dol Amroth zusammenfasste.
"So, so," meinte Edrahil nachdenklich. "Frau Avórill hat ganz offensichtlich beschlossen, wieder eine aktivere Rolle zu spielen. Das ist gut... sie war mir schon früher eine wichtige Verbündete. Dennoch mache ich mir große Sorgen was diese Abspaltungsbewegungen betrifft, von denen du erzählt hast. Ich fürchte, diese Sache in den Pinnath Gelin wird kein Einzelfall bleiben."
"Ihr seid also der Meinung, der Fürst sollte weitere Nachforschungen in den westlichen Außengebiete anstellen lassen?" fragt Valion etwas verwundert.
"Nicht nur das," erwiderte Edrahil im Gehen. "Es könnte sogar notwendig werden, dass Imrahil etwas... deutlicher werden muss."
"Wie meint Ihr das?"
"Ich meine damit, dass die westlichen Häfen ab sofort regelmäßig von voll gerüsteten Kriegsschiffen besucht werden sollten. Um die Leute daran zu erinnern, dass wir noch immer im Krieg sind."
"Aber... die Flotte liegt doch vor Umbar," wagte Valion einzuwenden.
Etwas in Edrahils Blick blitzte zornig auf. "Umbar," knurrte er. "Diese Stadt ist es nicht wert, dafür noch einen einzelnen weiteren Tropfen gondorisches Blut zu vergießen. Dieser Emporkömmling von einem Malik soll sich selbst darum kümmern, wenn er die Stadt unbedingt haben will. Wir brauchen unsere Stärke hier, in der Heimat, und nicht im heruntergekommenen Süden."
"Ähm... nun, also, wie Ihr meint..."
"Mein Junge, du hast mir doch selbst erzählt, mit wieviel Mühe die Verteidigung der Grenze bei Linhir aufrecht erhalten wurde," fuhr Edrahil ungeduldig fort. "Und nun, da die Gefahr droht, dass uns Abtrünnige von Westen in den Rücken fallen - wie gedenkst du diese brüchige Verteidigung am Gilrain weiterhin aufrecht zu erhalten? Die Flotte muss nach Westen verlegt werden. Ich bin mir sicher, Fürst Imrahil wird das ebenfalls so sehen."
Valion musste zugeben, dass Edrahil in diesem Punkt recht hatte - wie so oft. Also ließ er den Protest bleiben und fragte stattdessen: "Wie geht es meiner Schwester? Ist sie wohlauf?"
"Schwester?" wiederholte Edrahil etwas zerstreut, ehe er rasch nickte. "Ach richtig... Ja, ja, es geht ihr gut. Sie ist beim Fürstensohn in Sicherheit, mach dir keine Sorgen um sie."
"Das ist gut," meinte Valion etwas nachdenklich. Eigentlich konnte er sich nicht vorstellen, dass sich Valirë bei den Kämpfen um die Stadt zurückhalten würde. Ehe er jedoch nachhaken konnte, erregte etwas auf der Straße vor ihm seine Aufmerksamkeit. Ihnen entgegen kam eine Frau in einem weißen, langen Gewand, gestützt auf den Arm eines kräftigen Mannes in der Kleidung eines Heilers. Erst auf den zweiten Blick erkannt Valion die rotblonde Rinheryn.
"Na sieh mal einer an wer da wieder auf den Beinen ist," sagte er und grinste sie zufrieden an. Denn es stimmte: Rinya stand wieder, wenn auch etwas wackelig und auf den Arm des Heilers gestützt. "Ist das dein erster Spaziergang?"
"Der zweite," erwiderte Rinheryn mit einem zaghaften Lächeln. "Es ist... schön dich zu sehen, Valion... aber..." Ihre Augen wurden groß, als sie Edrahil entdeckte. "Ist dies... etwa dein Vater?"
"Nicht doch," wehrte Valion rasch ab. "Dies ist Edrahil, der Herr der Spione von Dol Amroth! Und wie ein echter Spion ist er aus dem Nichts hierher zurückgekehrt, als Bettler verkleidet wenn ich mich nicht irre. Meister Edrahil... dies ist Rinheryn von Morthond, Tochter von Herrn Duinhir. Ich hatte vorhin von ihr erzählt, sie hat mich auf der Jagd nach dem Verräter Gilvorn begleitet."
"Ach ja... richtig, ich erinnere mich," meinte Edrahil unbeeindruckt. "Du hattest eine geplante Hochzeit erwähnt..." mit einem prüfenden Blick auf Rinya ließ er den Satz unvollendet ausklingen.
Rinheryn wurde prompt knallrot. "H-Hochzeit?" stammelte sie und der Heiler musste sie packen, da ihr die Knie weich zu werden schienen.
"Wenn das ein Witz sein soll, dann ist er schlechter als man es von Euch gewohnt ist," brummte Valion verdrossen. "Ihr wisst doch, dass meine Verlobte die Schwester der Herrin des Turmes von Tol Thelyn ist. Und nicht Rinya."
Edrahil schwieg einen Augenblick, ehe er dann nickte. "Natürlich ist sie das. Verzeih mir die kleine Unachtsamkeit. Ich habe viele wichtige Dinge im Kopf... da kann ab und zu eben mal etwas durcheinander geraten."
Ehe Valion, der sich wunderte, nachhaken konnte, hatte Rinheryn bereits verlegen abgewunken. "Es... es ist schon vergessen, Meister Edrahil, macht Euch keine Gedanken!"
"Danke, Mädchen," erwiderte Edrahil und strich sich etwas Staub vom Oberkörper. "Wenn ihr beiden mich nun entschuldigen würdet... ich muss mit dem Fürsten sprechen."
"Ähm... sicher, tut das," meinte Valion noch recht durcheinander, als sich Edrahil bereits in Richtung des Palastes in Bewegung gesetzt hatte und ihn gemeinsam mit Rinheryn und dem Heiler stehen gelassen hatte.

"Es ist schön zu sehen, dass du wieder auf den Beinen bist," sagte Valion kurze Zeit später. Sie hatten sich eine Bank in der Nähe ausgesucht, die am Straßenrand stand und trotz des geschäftigen Treibens auf den Straßen Dol Amroths wie durch einen Glücksfall frei gewesen war.
"Es geht ihr mit jedem verstrichenen Tag besser," erklärte der Heiler mit einem zufriedenen Nicken. "Schon bald wird der oberste Heiler sie entlassen, da bin ich sicher."
"Leider hat er mir bereits gesagt, dass ich noch einen Monat auf das Reiten und Kämpfen verzichten muss," sagte Rinheryn niedergeschlagen.
"Ach... das macht nichts," meinte Valion aufmunternd. "Es gibt auch sonst noch genügend Beschäftigungen in der Stadt, die dich auf Trab halten werden. Wie wäre es zum Beispiel, wenn ich dir eine echte Assassine vorstelle?"
Rinheryns Augen glitzerten. "So jemanden kennst du? Denkst du sie... sie würde mir ihre Kampftechniken vorführen?"
Valion lachte. "Wenn wir sie freundlich genug darum bitten, wird sie dir diesen Wunsch bestimmt erfüllen."
Er stellte sich vor, wie Ta-er as-Safar auf so eine Bitte reagieren würde und hob die Augenbrauen. Noch immer fragte Valion sich, was die Kriegerin des Silbernen Bogens wirklich hier in Dol Amroth tat. Dass sie eine unfreiwillige Vorbotin übler Geschehnisse war, war ein Gedanke, der Valion schon seit ihres Wiedersehens nicht losgelassen hatte...
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Eine unerwartete Ankunft
« Antwort #34 am: 27. Jul 2020, 16:38 »
Aragorn, Gandalf, Irwyne, Amrothos, Narissa und Aerien vom Hafen


Als es Abend geworden war, brachte Valion Rinheryn schließlich in die Obhut der Heiler zurück. Er versprach Rinya, sie regelmäßig zu besuchen und ging dann seiner Wege. Es war eine kühle Winternacht, weshalb er über seiner Lederkleidung einen langen Umhang trug, während er sich auf den Rückweg zu seiner Unterkunft machte. Nur wenige Menschen waren auf den leergefegten Straßen unterwegs - die meisten Aktivitäten gab es um diese Uhrzeit eher in den unteren Stadtvierteln sowie am Hafen, während sich Heilhaus, Bibliothek, Adelsviertel und natürlich der Prinzenpalast im nordwestlichen Distrikt der Stadt befanden. Nur hier und da sah Valion eine Patrouille der Stadtwache, oder Pagen und andere Bedienstete, die ihren nächtlichen Aufgaben nachgingen.

Nachdenklich marschierte Valion durch eine Gasse, die auf halbem Weg vom Hafen zum Palast des Fürsten gelegen war. Er war so in Gedanken versunken, dass er beinahe mit einer Gestalt zusammengestoßen wäre, die urplötzlich aus einer Seitengasse aufgetaucht war. Es handelte sich um einen jungen Mann, dessen schwarzes Haar unter einer braunen Stoffkapuze hervorlugte.
"Amrothos?" wunderte Valion sich, als er seinen Gegenüber kurz darauf erkannt hatte.
"Oh, verzeih'," antwortete der jüngste Sohn des Fürsten von Dol Amroth, ehe er Valion musterte. Hinter ihm sammelte sich eine Gruppe von fünf Personen, die im Halbdunkel der Gasse nur undeutlich zu erkennen waren. "Na sowas - Valion, du hier?"
"Ich hab' die Stadt nicht verlassen, im Gegensatz zu dir," entgegnete Valion und versuchte einen Blick auf Amrothos' Begleiter zu erhaschen. Es schien sich um zwei Männer und drei Frauen zu handeln, mehr konnte er aber nicht sehen. "Und du bist schon der Zweite, der sich heute als Bettler getarnt in die Stadt schleicht. Sind denn über Nacht alle wahnsinnig geworden?"
Amrothos musste grinsen und setzte zu einer Antwort an, da drängte sich eine der Frauen nach vorne durch. Als sie ihre Kapuze absetzte, erkannte er Irwyne aus Rohan, von der ihm seine Zwillingsschwester erzählt hatte. Dass sie sich in Amrothos' Begleitung befand, war ein offenes Geheimnis, das bereits die halbe Stadt zu kennen schien.
"Wir müssen zum Palast und mit Fürst Imrahil sprechen!" sagte Irwyne energisch. "Entweder du gibst den Weg frei, oder du kommst mit."
"Genau!" pflichtete ihr eine der anderen beiden Frauen bei. "Wir haben's ein wenig eilig."
Valion schmunzelte, nickte dann aber. "Na wenn das so ist... dann nehme ich die Einladung natürlich gerne an. Aber ihr wisst sicherlich wie spät es ist? Imrahil kann... ungehalten werden, wenn er aus dem wohlverdienten Schlaf gerissen wird, da spreche ich aus eigener Erfahrung."
"Er wird sich anhören wollen, was wir in Rohan.... erfahren haben," sagte Amrothos geheimnisvoll. "Du wirst es sehen, Valion."
"Da bin ich aber mal gespannt," antwortete dieser, ehe er gemeinsam mit Amrothos in Richtung des Palastes losmarschierte.


Aragorn, Gandalf, Irwyne, Amrothos, Valion, Narissa und Aerien zum Palast des Fürsten
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Eandril

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Re: In der Stadt
« Antwort #35 am: 8. Apr 2021, 10:49 »
Hilgorn vom Hafen

Seit die Falthaleth in Richtung Umbar aufgebrochen war, war Minûlîth ein häufiger und gern gesehener Gast in Hilgorns und Faniels Haus. Sie wusste eine ganze Menge faszinierender Geschichten aus dem Süden zu erzählen, aus Umbar und von der Insel, von der Thorongil und Narissa stammten. Túor währenddessen hatte sich schnell mit der gleichaltrigen Iorweth angefreundet und auch Belegorn war froh, endlich einen Spielkameraden in zumindest ungefähr dem gleichen Alter zu haben.
Es klopfte an der Tür des Hauses. Hilgorn, der gerade seinen viel zu lange nicht mehr benutzten Brustpanzer polierte warf Faniel, die sich gerade schwerfällig erheben wollte, einen warnenden Blick zu. Sie verdrehte die Augen, wandte sich aber doch dankbar wieder ihrem Gespräch mit Minûlîth zu, mit der sie gerade Erfahrungen mit ihren Kindern austauschte. Hilgorn legte die Rüstung beiseite, und öffnete die Haustür.
Draußen trieb ein kalter Wind eine Mischung aus Schnee und Regen vor sich her, und in diesem Augenblick war Hilgorn froh, nicht irgendwo unterwegs sein zu müssen. Vor der Tür stand, in Kapuze und Mantel, Ladion. Hilgorn verbarg seine Überraschung, und bat den Elben herein: "Bitte, komm doch hinein. Was führt dich bei diesem scheußlichen Wetter hier her?"
Ladion trat über die Schwelle, und streifte die Kapuze ab. "Ich könnte mir schöneres Reisewetter vorstellen, das ist wahr", erwiderte er mit einem schwachen Lächeln. Hilgorn machte eine einladende Geste in Richtung des kleinen Wohnraums, und Ladion folgte ihm nach kurzem Zögern.
Als sie den Raum betraten sah unterbrach Faniel ihr Gespräch mit Minûlîth und begrüßte Ladion mit einem Lächeln. "Seid willkommen, Ladion. Was verschafft uns die Freude eurer Gesellschaft?"
Ladion erwiderte ihr Lächeln, und Hilgorn stellte fest, dass der Elb seine frühere Distanziertheit offenbar aufgegeben hatte. Vielleicht hatte er sich inzwischen daran gewöhnt, unter den Menschen Gondors zu leben. "Bitte, es besteht kein Grund für solche Förmlichkeiten."
Hilgorn ergriff die Gelegenheit, Minûlîth und Ladion einander vorzustellen. "Ladion hatte großen Anteil daran, die Spur meines Bruders zu verfolgen nachdem...", fügte er hinzu, unterbrach sich aber mit Blick auf Faniel und räusperte sich ein wenig verlegen. Faniel selbst schien der Gedanke weniger zu berühren, und sie erklärte an Minûlîth gewandt: "Mein erster Gemahl, Hilgorns ältester Bruder, hatte sich mit Mordor verbündet."
Minûlîth hob die Augenbrauen. Ihr Lächeln geriet ein wenig süffisant als sie entgegnete: "Es scheint, eure Geschichte ist nicht viel weniger skandalös als meine eigene." Mit einem Seitenblick auf Hilgorn fügte sie hinzu: "Glaub nicht, dass ich euch dafür verurteile. Immerhin kann ich eine lange Ahnenreihe sehr treuer Anhänger Mordors aufweisen..."
Hilgorn rieb sich ein wenig nervös über den Nacken, bevor er sich wieder Ladion zuwandte. "Also... was führt dich hierher?" Er glaubte nicht, dass es sich um einen reinen Höflichkeitsbesuch handelte, schließlich war das noch nie vorgekommen. Zur Antwort zog Ladion einen versiegelten Brief aus einer Tasche, und Hilgorn erkannte das Siegel noch bevor Ladion zu sprechen begann.
"Ich habe auf der Rückkehr aus dem Osten in Tíncar haltgemacht, und deine Mutter hat mich gebeten, diesen Brief zu überbringen." Während Hilgorn den Brief entgegen nahm und das Siegel brach, fuhr Ladion fort: "Ich fürchte, es sind nicht unbedingt gute Neuigkeiten. Ich hatte nicht viel Zeit, aber offenbar gibt es Schwierigkeiten mit einem benachbarten Landbesitzer."
Hilgorn zog besorgt die Augenbrauen zusammen und begann zu lesen.

Iorweth von Tíncar an ihren geliebten Sohn Hilgorn.
Es tut mir sehr leid, dass ich nicht zu Faniels und deiner Hochzeit kommen konnte. Bitte versteht das nicht als Ausdruck meiner Missbilligung, ganz im Gegenteil - ich freue mich, dass Faniel auch weiterhin Mitglied unserer Familie ist! Tatsächlich war ich während jener Zeit für einige Wochen sehr krank, doch bevor du dich sorgst: Es geht mir inzwischen wieder den Umständen entsprechend gut.


Hilgorn sah vom Brief auf und sagte an Faniel gerichtet: "Meine Mutter war krank und konnte deshalb nicht zur Hochzeit kommen. Aber sie freut sich, dass du 'weiterhin Mitglied unserer Familie bist'." Faniel lächelte, wenn auch ein wenig ironisch. "Gut zu wissen, dass es nicht ausreicht zwei Kinder mit eurem Namen zu haben, sondern man auch noch mit einem von euch verheiratet sein muss um zur Familie zu gehören." Hilgorn machte eine entschuldigende Geste, doch Faniel schien nicht wirklich verletzt zu sein. Tatsächlich war ihr vermutlich genau wie ihm klar, dass seine Mutter es nicht böse meinte, sondern manchmal etwas merkwürdige Ansichten besaß.

Ich komme gleich zum eigentlichen Grund dieses Briefes. Unser östlicher Nachbar, Gilanor von Bar-Erib ist der Ansicht, dass unser Anspruch auf Tugobel und dessen Ländereien nicht rechtmäßig sei, da Faniel als Frau nicht erben könnte. Davon abgesehen, dass diese Behauptung Unsinn ist, ist Gilanor angeblich im Besitzt von Dokumenten, die seinen Anspruch auf Tugobel beweisen und hat kurzerhand eine Truppe geschickt, die das Dorf besetzt halten. Da ich außer unseren wenigen Wachen keine Männer zur Verfügung habe, diese Diebe von unserem Land zu jagen, wirst du dich selbst darum kümmern müssen, dass Belegorns Erbe nicht gestohlen wird.

Deine dich liebende Mutter,
Iorweth


Hilgorn blickte Faniel an, der die Sorge ins Gesicht geschrieben stand. Offenbar hatte sie anhand seines Gesichtsausdrucks erraten, dass etwas nicht in Ordnung war. Er schilderte kurz, was geschehen war, und fügte dann hinzu: "Ich werde mich selbst darum kümmern, wenn der König mich gehen lässt. Das ist..." Er brach ab, und Faniel schien seine Gedanken zu erraten: "Du glaubst, dass Mordor etwas damit zu tun haben könnte?" Hilgorn zuckte mit den Schultern.
"Ich weiß nicht. Möglich wäre es, und es läge sicherlich in Mordors Interesse, Unfrieden in Gondor zu stiften, bevor sie erneut angreifen. Gilanor wäre schließlich nicht der erste Adlige Gondors, der die Seiten wechselt."
"Die Sache ist nicht groß genug, um Mordor wirklich zu nützen", warf Ladion nachdenklich ein. "Trotzdem schadet es sicher nicht, sich rechtzeitig darum zu kümmern. Ich würde dich begleiten, um dieser Sache auf den Grund zu gehen."
Hilgorn hatte Ladion gerade um Hilfe bitten wollen, und nickte dem Elben jetzt dankbar zu. "Tatsächlich hatte ich auf deine Hilfe gehofft", erwiderte er. "Wir können nicht einfach mit einer Armee nach Tugobel marschieren, damit würden wir Gilanor und wer weiß wen noch tatsächlich in Mordors Arme treiben. Wir müssen vorsichtig vorgehen."
"Und außerdem ist das ja auch für mich so etwas wie eine Familienangelegenheit", meinte Ladion leise mit einem merkwürdigen Lächeln.
Bislang hatte Hilgorn nicht genau darüber nachgedacht, aber da eigentlich sämtliche Adelshäuser der Region irgendwie miteinander verwandt waren, war Ladion vermutlich tatsächlich etwas wie sein Ur-ur-...-ur-Großonkel. Ladion sah Hilgorns Gesichtsausdruck, und ergänzte überraschend freimütig: "Glaub mir, für mich ist die Sache nicht weniger sonderbar als für euch andere. Wir können uns bei meiner Mutter dafür bedanken."
Minûlîth, die dem Austausch bislang still aber interessiert gefolgt war, ergriff nun das Wort: "Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte... nehmt Aerien mit, wenn der König erlaubt und sie möchte. Es tut ihr nicht gut, immer nur mit Mithrandir und dem König zusammen zu sein, und es wäre sicherlich gut, wenn sie ein wenig mehr von Gondor kennenlernen könnte. Außerdem ist sie ziemlich gut mit dem Schwert, sie wäre also sicherlich alles andere als ein Hindernis."
Hilgorn nickte langsam. "Ich werde darüber nachdenken." Tatsächlich hatte er eigentlich zuerst an Valion gedacht, bis ihm wieder eingefallen war, dass Valion ja nach Umbar unterwegs war.
Er beugte sich hinunter um Faniel einen Kuss zu geben, und sagte dann: "Wir gehen am besten gleich zum Fürsten. Je eher diese Sache erledigt wird, desto besser."

Hilgorn, Faniel und Minûlîth zum Palast des Fürsten
« Letzte Änderung: 23. Apr 2021, 12:56 von Fine »

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Eandril

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Re: In der Stadt
« Antwort #36 am: 3. Jul 2022, 13:57 »
Hilgorn und Belegorn von den Toren vor der Stadt

Hilgorns Rückkehr mit Belegorn war eine tränenreiche gewesen - sowohl Faniel als auch Iorweth hatten ihrer Erleichterung, ihren Sohn und Bruder zurückzuhaben und in Sicherheit zu wissen, keinen Hehl gemacht. Nachdem sich alle wieder ein wenig beruhigt hatten, saßen sie gemeinsam in der kleinen Küche von Faniels Haus am Tisch. Iorweth hatte sich, müde und erschöpft von den letzten Tagen, zwischen Hilgorn und Faniel auf der Bank zusammengerollt und drohte jederzeit einzuschlafen, während Belegorn sich noch immer munter über das Essen hermachte - schließlich war es einige Tage her, dass er etwas anständiges gegessen hatte.
Faniel legte den Kopf auf Hilgorns Schulter und drückte stumm seine Hand hinter Iorweths Rücken. "Ich wüsste jetzt gerne, was genau eigentlich passiert ist", sagte sie schließlich leise.
Hilgorn tauschte einen verschwörerischen Blick mit Belegorn. Sie hatten sich auf dem Rückweg lange unterhalten und waren sich einig gewesen, dass Faniel gar nicht so genau erfahren musste, in welcher Gefahr sie gewesen waren.
"Dieser Balakán - der Bruder von Aerien - hat mich vor der Stadt geschnappt, weil er wusste, dass sie mit Va... Hilgorn unterwegs war", begann der Junge mit halbvollem Mund zu erzählen. "Er wollte sie damit dazu bringen, zu ihm zu kommen. Was genau er von ihr wollte, weiß ich nicht, aber es war bestimmt nichts Gutes."
"Und haben sie dir etwas getan? Dir wehgetan oder...", fragte Faniel, und Hilgorn hörte den Schrecken der letzten Tage in ihrer Stimme. Belegorn schüttelte den Kopf. "Nein. Sie haben mich natürlich gefesselt, sonst wäre ich ja weggelaufen, und ich habe nicht besonders viel zu Essen bekommen, aber sonst haben sie mir nichts getan. Sie wollten ja auch gar nichts von mir sondern von Aerien, also hätten sie ja gar nichts davon gehabt."
Hilgorn dachte für sich, dass Menschen wie Balakán keinen Grund brauchten ihren Gefangenen Schmerzen zuzufügen, doch er sprach es nicht aus. Er war nur froh, dass Belegorn diesem Schicksal offensichtlich entgangen war.
"Und dann?", fragte Faniel leise, denn Iorweth waren inzwischen die Augen zugefallen und das Mädchen war mit dem Kopf auf Hilgorns Bein eingeschlafen. "Was ist dann passiert?" Die Frage war nicht direkt an Belegorn gerichtet, doch Hilgorn schwieg weiterhin und ließ seinen Neffen berichten. "Dann kamen wir an einen verlassenen Bauernhof, und haben dort gewartet. Ba... Balakán ging ab und zu weg, aber die meiste Zeit haben sie gewartet. Aber als Aerien schließlich kam war sie nicht allein, und sie und Hilgorn und die beiden Waldläufer haben mich befreit."
"Waldläufer?", fragte Faniel verständnislos. "Zwei frühere Waldläufer aus Ithilien", erklärte Hilgorn bereitwillig. "Vater und Tochter - der Tochter bin ich früher schon begegnet, und Aerien ebenso. Ein merkwürdiger Zufall, aber ein sehr glücklicher."
"Das denke ich auch", meinte Faniel mit einem schwachen Lächeln, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Sohn zuwandte. "Und was genau ist passiert, als sie dich befreit haben?"
Belegorn öffnete den Mund und schloss ihn wieder, bevor er Hilgorn einen fragenden Blick zuwarf. Hilgorn zwinkerte ihm zu. "Sie haben mich befreit und die bösen Männer verjagt", antwortete Belegorn schließlich.
"Ja, aber...", setzte Faniel an, doch Hilgorn legte einen Arm um ihre Schultern - vorsichtig, um Iorweth nicht zu wecken - und unterbrach sie: "Ich verstehe, dass du alles so genau wie möglich wissen möchtest. Aber wenn Belegorn es dir nicht genauer erzählen möchte, ist das seine Sache. Reicht es nicht zu wissen, dass es zwar gefährlich war, aber wir alle unbeschadet aus der Sache herausgekommen sind?" Faniel seufzte tief. "Meinetwegen." Sie warf Belegorn, der gerade die letzten Reste aus seiner Schüssel kratzte, einen strengen Blick zu. "Aber du, junger Mann, wirst die Stadt nicht mehr ohne Aufsicht verlassen, klar?" Für einen kurzen Moment schien Belegorn seiner Mutter widersprechen zu wollen, doch dann senkte er den Blick und sagte:" Ja, Mutter. Ich verspreche es."

Später, als beide Kinder bereits schliefen - Hilgorn hatte die schlafende Iorweth in ihr Bett tragen müssen - saßen Hilgorn und Faniel nebeneinander auf der Bettkante und blickten aus dem Fenster hinaus auf den klaren Sternenhimmel. "Ich weiß nicht, wie viele Mal ich das noch aushalte", sagte Faniel leise. "Hier zu sitzen und mich zu sorgen, und nichts tun zu können." Hilgorn legte einen Arm um sie, und zog sie dichter an sich. "Ich hoffe, dass wir in nächster Zeit ein wenig Frieden haben werden - soweit das möglich ist in diesen Zeiten." Er strich sanft mit dem Daumen über ihren gerundeten Bauch. "Zumindest, bis das Kind geboren ist."

Mitten in der Nacht fuhr Hilgorn aus dem Schlaf auf. Er hatte irgendetwas düsteres, bedrohliches geträumt, an das er sich schon jetzt, Augenblicke später, nicht mehr erinnern konnte. Er spürte die Gänsehaut, sie sich auf Armen und Nacken gebildet hatte, und schüttelte sich ein wenig um die Reste des Albtraums zu vertreiben. Er stand vorsichtig aus dem Bett auf um Faniel nicht zu wecken, und ging leise die Treppe hinunter in die Küche, wo er sich aus dem Wasserkrug einen Becher einschenkte. Kaum hatte er den Becher in einem einzigen kräftigen Zug geleert, hämmerte jemand gegen die Haustür.
Aus dem Weg zur Tür packte er seinen Schwertgurt, der an der Wand des Eingangsraumes hing, und öffnete mit der anderen Hand vorsichtig die Tür. Draußen stand junger Mann in der Rüstung der Schwanengarde - Berenor, erinnerte sich Hilgorn. Er kannte ihn flüchtig aus seinen Tagen bei der Stadtwache. "Oh General, kommt schnell", stieß Berenor hervor, die Augen vor Schreck weit aufgerissen. "Es hat einen Mord gegeben!"

Nur wenig später eilte Hilgorn, notdürftig angekleidet, hinter Berenor durch die nächtlichen Straßen. Er hatte lediglich kurz Faniel Bescheid gegeben, und war dann dem sehr nervösen und verschreckten Soldaten gefolgt, der sich nicht als besonders auskunftsfreudig erwies und sich weigerte, Hilgorn näheres zu verraten. Also sank Hilgorns Herz, als sie eindeutig den Weg in Richtung Palast einschlugen, und eine schreckliche Ahnung regte sich in seinem Verstand. Was, wenn der König oder der Fürst von Dol Amroth ermordet worden war?
Doch Berenor führte ihn zwar wirklich in den Palast, aber in einen Seitenflügel und schließlich zu dem Teil, den Hilgorn als Edrahils alte Gemächer, die jetzt Amrodin als sein Nachfolger bewohnte, erkannte. Berenor deutete mit zitterndem Finger auf die Tür zum Schlafgemach. "Dort... dort drin." Hilgorn straffte sich innerlich, und betrat vorsichtig den dämmrigen Raum, die eine Hand auf den Schwertgriff gelegt.
Der Raum ähnelte einem Schlachtfeld. Wände und Fußboden waren mit Blut bespritzt und die einst weißen Bettlaken hatten sich vollkommen rot gefärbt. Auf dem Bett lag eine blutüberströmte Gestalt mit weit aufgerissenen Augen und wie zum Schrei geöffneten Mund - Amrodin, eindeutig tot. Hilgorn atmete tief durch, obwohl er nur den unverkennbaren und ihm wohlbekannten Geruch von Blut einatmete. Das einzelne, große Fenster das auf die Stadt hinunterblickte war eingeschlagen worden, und ein leichter Luftzug bewegte die blutbespritzten Vorhänge. Er kniete vorsichtig neben dem Leichnam auf dem Bett nieder, und betrachtete ihn genauer. Der gesamte Oberkörper war von tiefen Schnitten übersäht, wie von einem wilden Tier, und die Hände umklammerten noch immer verkrampft das Bettlaken. Was auch immer genau hier geschehen war, es war schmerzhaft gewesen. Hilgorn richtete sich wieder auf, und schloss mit einer Handbewegung Amrodins Augenlider. Er hatte Edrahils Nachfolger als Herr der Spione weder sonderlich gemocht noch geschätzt - seiner Ansicht nach war Amrodin viel zu sehr von sich selbst überzeugt gewesen und hatte höchstens die Hälfte von Edrahils Talent besessen. Und dennoch, er war immer ein Treue Diener Dol Amroths und Gondors gewesen, und das hier hatte er mit Sicherheit nicht verdient.
Hilgorn verließ das Zimmer und wandte sich an Berenor, der totenbleich an der Wand lehnte. "Wann ist das passiert?"
Der junge Soldat schluckte schwer und antwortete stockend: "Ich... ich hatte die Nachtwache hier, und mir ist nichts besonderes aufgefallen. Nur... da waren ein paar Geräusche aus seinen Gemächern, aber... ich dachte mir erst nicht dabei. Dann hörte ich einen Schrei und ein Klirren wie zerbrechendes Glas und... habe ihn so gefunden."
Hilgorn stutzte. "Das zerbrechende Glas hast du erst nach dem Schrei und den anderen Geräuschen gehört?" Berenor nickte stumm. "Und du hast niemanden hereingehen sehen?" Berenor schüttelte den Kopf. "N-nein, General. Ich hatte die Tür die meiste Zeit im Blick, und... und nie lange genug nicht, dass jemand sich durch den Flur bis in den Raum hätte schleichen können."
Hilgorn rieb sich die Stirn. Die ganze Angelegenheit verursachte ihm einen diffusen Schrecken, als ob sich irgendein großes Unheil näherte. "Hast du irgendjemanden außer mir benachrichtigt?"
"Nein, ich... ich wusste nicht, was ich tun sollte, und ihr seid der erste, der mir eingefallen ist. Ich wollte den Fürsten oder den König nicht wecken, und..." Hilgorn unterbrach den jungen Soldaten. "So oder so ist es das, was wir nun tun müssen, denn..." Er wurde von einem gewaltigen Krachen und dem Geräusch von zersplitterndem Glas unterbrochen, dass durch die Gänge des Palastes widerhallte. Noch bevor das Geräusch verklungen war, hatte Hilgorn sein Schwert in der Hand und befahl Berenor: "Wecke Fürst Imrahil und den König - was immer hier geschieht, sie müssen wach und vorbereitet sein." Ohne Berenors Reaktion abzuwarten, hastete er, das blanke Schwert in der Hand, in die Richtung aus der der Lärm gekommen war.
« Letzte Änderung: 3. Jul 2022, 14:11 von Fine »

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