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Autor Thema: In der Stadt  (Gelesen 35927 mal)

Eandril

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Re: In der Stadt
« Antwort #30 am: 14. Jan 2020, 21:50 »
Hilgorn saß gerade mit Faniel bei einem recht späten Frühstück, als Belegorn in den Raum trat, und sich artig verbeugte. "Mutter, Onkel - da ist jemand an der Tür."
Hilgorn warf Faniel einen über das Verhalten seines Neffen verwunderten Blick zu, und sie zwinkerte ihm verstohlen zu und formte stumm das Wort Später. Dann fragte sie an ihren Sohn gewandt: "Hat derjenige dir auch seinen Namen gesagt?"
Belegorn biss sich auf die Lippen, und erwiderte dann langsam: "Das war... Valion vom... vom Ethir glaube ich. Und... eine Frau. Irgendetwas mit A."
"Das wirst du noch ein bisschen üben müssen, fürchte ich", meinte Faniel mit erhobenen Augenbrauen. "Führ sie bitte herein."
Sobald Belegorn den Raum verlassen hatte, erklärte sie: "Belegorn wünscht sich, als Page an den Hof des Fürsten zu gehen. Und meine Bedingung war, dass er zuerst für ein paar Wochen versucht, sich hier entsprechend zu benehmen."
Hilgorn nickte ein wenig abwesend, denn seine Gedanken waren im Augenblick eher auf Valion gerichtet. Was konnte er hier wollen?
Bevor Hilgorn weiter darüber nachgrübeln konnte, trat Valion auch schon in das kleine Esszimmer hinein, gefolgt von einer ganz in Leder gekleideten, schwarzhaarigen Frau. Hilgorn stand auf, und auch Faniel erhob sich, allerdings sichtlich mit ein wenig Mühe.
"Ich hatte gehört, dass man euch aus dem Kerker entlassen hat", sagte Valion direkt an Hilgorn gerichtet. "Also konnte euch die Herrin Mithrellas von diesem... Zauber heilen?" Valions graue Augen betrachteten Hilgorn mit Neugierde, und gleichzeitig einem Hauch Kälte.
Hilgorn zuckte mit den Schultern. "Ich nehme es an. Doch wir bräuchten vermutlich einen Zauberer, um das mit Sicherheit sagen zu können."
"Hm", machte Valion unbestimmt. "Nun, eigentlich sind wir nicht deswegen gekommen, sondern euretwegen." Die letzten Worte hatte er an Faniel gerichtet, die überrascht wirkte.
Valions Begleiterin trat ein wenig vor, und sagte: "Mein Name ist Areneth, aus dem Haus Maratar. Meine Familie stammt ursprünglich aus Arnor, doch einige meines Hauses sind vor fast dreihundert Jahren nach Süden gekommen."
"Meine Vorfahren stammen aus Arnor", sagte Faniel langsam, und machte dann eine einladende Geste. "Bitte, setzt euch. Es gibt keinen Grund, im Stehen zu sprechen."
Valion und Areneth ließen sich nebeneinander auf den zwei freien Stühlen nieder, und auch Hilgorn und Faniel setzten sich wieder - letztere mit sichtbarer Erleichterung.
"Wir hatten herausgefunden, dass ein Mann namens Glórin aus dem Haus Maratar nach Gondor gekommen war, und ein Lehen im Tal Tum-en-Dín erhalten hatte - eurer Heimat, Hilgorn", erklärte Valion weiter. "Deswegen wären wir ohnehin gekommen, doch gestern Abend erfuhr ich zufällig, dass es sich bei der letzten Nachfahrin dieses Glórin ausgerechnet um eure Frau handelt."
Faniel nickte. "Glórin der Begünstigte wurde er genannt, nachdem er Tugobel erhalten hatte. Ich wusste nicht, dass ich Verwandte in Arnor habe - es hieß, Glórin wäre der einzig Überlebende seines Hauses gewesen."
"Das glaubte er, sonst wäre er vermutlich nach dem Fall von Gilgroth nicht nach Gondor geflüchtet", erwiderte Areneth, und lächelte. "Nach dem was mein Bruder mir erzählt hat, habt ihr dort oben nicht wenig Verwandtschaft." Auf Faniels fragenden Blick hin fügte sie hinzu: "Ich selbst bin in Gondor geboren, da mein Vater einige Zeit hier gelebt hat, und bin nur kurze Zeit in Arnor gewesen."
"Ich freue mich jedenfalls, euch kennenzulernen", meinte Faniel. "Allerdings..."
"Ist das vermutlich kein reiner Höflichkeitsbesuch, nicht wahr?", beendete Hilgorn den Satz für sie, und erntete einen strafenden Blick für seine Direktheit. Auch Valion und Areneth wechselten einen Blick, und Areneth schüttelte den Kopf.
"Gilgroth, der alte Sitz meiner - unserer - Familie, ist seit seinem Fall verschlossen. Mein Bruder und seine Freunde wollen ihn allerdings wieder in Besitz nehmen, doch sie brauchen die Schlüssel."
"Und ihr vermutet, dass Glórin einen dieser Schlüssel bei sich hatte, als er nach Gondor geflohen ist", schloss Faniel.
"Ja. Wir wissen, dass Glórin einen Schlüssel besaß."
Faniel tippte ein wenig nervös mit dem Zeigefinger auf dem Holz des Tisches herum. "Es gibt kaum Erbstücke aus der Zeit, bevor Glórin Tugobel bekommen hat. Es... Ist das der einzige Weg? Gibt es keine andere Möglichkeit?"
"Gilgroth ist keine Burg oder Festung", erklärte Areneth. "Es ist ein System aus Höhlen, das teilweise von den alten Dúnedain angelegt wurde. Der Haupteingang ist eingestürzt und unpassierbar, und so ist ein geheimer Nebeneinang der einzige Weg hinein - und um ihn zu öffnen, brauchen wir die Schlüssel."
Faniel schwieg einige Zeit, und Hilgorn legte unauffällig unter dem Tisch eine Hand auf ihr Bein. Er spürte, dass sie mit sich rang, doch er wollte sie nicht bedrängen.
Schließlich sagte sie: "Das einzige Stück von dem ich weiß, dass Glórin es aus dem Norden mitgebracht hat, ist ein Amulett, auf dem eine geflügelte Krone und darüber sieben Sterne eingraviert sind."
Areneth holte scharf Luft. "Das muss es sein. Es passt zu den anderen Schlüsseln."
"Mein Vater hat es oft getragen", erwiderte Faniel leise. "Es ist eines der wenigen Erinnerungsstücke, die ich noch an ihn habe."
Die Begeisterung schwand aus Areneths Gesicht. "Ich kann verstehen, wenn ihr es mir nicht überlassen wollt, doch..."
"Das habe ich nicht gesagt", unterbrach Faniel sie, und stand dann auf. "Begleitet mich einen Augenblick, Areneth. Bitte." Areneth folgte ihr mit einem etwas unsicheren Blick zu Valion aus dem Raum, und ließ Hilgorn und Valion allein zurück.

Als Areneth die Tür hinter sich geschlossen hatte, beugte Hilgorn sich ein wenig vor, und sagte: "Ich fürchte, bei unserer letzten Begegnung war ich nicht... in der Verfassung, euch zu danken. Also: Danke, Valion. Ich weiß nicht... was ich tun kann, um diese Schuld zu begleichen."
Valion winkte ein wenig unbehaglich ab. "Lasst uns nicht von Schuld sprechen. Außerdem... habe ich es eher für Gondor getan. Obwohl ich eure unerträgliche Steifheit sicher nicht vermisst hätte."
Er hielt Hilgorns Blick einen Augenblick stand, bevor er plötzlich grinste, und Hilgorn konnte nicht anders, als das Grinsen zu erwidern. Mit einem Mal fühlte er sich, als wäre eine unsichtbare Last von ihm abgefallen.
Valion beugte sich ein wenig über den Tisch, und sagte leise in einem verschwörerischen Tonfall: "Wir müssen dringend etwas daran ändern. Und da ich von uns beiden der höher gestellte bin - zumindest wenn mein Fürstentum nicht gerade von Mordor besetzt wäre - beschließe ich hiermit, diese unerträglichen Förmlichkeiten abzuschaffen. Kein ihr mehr, kein Herr mehr."
Hilgorn atmete tief durch. "Es wäre mir eine Ehre", sagte er schließlich, und Valion verdrehte die Augen. "Mit Ehre hat das nicht viel zu tun. Also, du hast sicher irgendwo einen guten Wein versteckt, nicht wahr?"
Hilgorn hob eine Augenbraue. "Um diese Tageszeit?" Valion gab einen unwilligen Laut von sich. "Ja, meine Verlobte wäre vermutlich nicht begeistert wenn ich mich schon am Vormittag betrinke."
"Und meine Frau sicherlich ebenfalls nicht."
"Hm. Als verheirateter Mann hat man es sicher nicht leicht", brummte Valion, und Hilgorn lächelte schwach. "Ich kann nicht sagen, dass ich es bereue."
Valion blickte nachdenklich vor sich hin. "Nun, in einem Monat werde ich mir selbst ein Urteil darüber bilden können." Er schien noch etwas sagen zu wollen, es sich dann aber doch anders zu überlegen. Allerdings konnte Hilgorn sich denken, dass die Aussicht auf seine Hochzeit seltsam für den berüchtigten Valion vom Ethir sein musste.
Im selben Augenblick öffnete sich die Tür, und Faniel und Areneth kamen zurück ins Zimmer.
"Ich habe mich entschieden, Areneth das Amulett zu überlassen", sagte Faniel. Valion schob seinen Stuhl zurück und erhob sich. "Hervorragend."
Areneth wirkte überaus erleichtert. "Ich fürchte, ich kann nicht länger in Dol Amroth bleiben - mein Bruder wird den Schlüssel haben wollen."
"Dann wünsche ich euch Glück für euer Vorhaben", meinte Hilgorn, und Faniel ergänzte: "Wenn ihr je wieder nach Dol Amroth kommt, seid ihr in unserem Haus jederzeit willkommen - dein Bruder und du." Areneth lächelte. "Ich werde es mir merken." Sie nickte Hilgorn zu. "Auf bald, General."

Hilgorn und Valion zum Palast des Fürsten
« Letzte Änderung: 12. Feb 2020, 13:00 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

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Eine geheimnisvolle Warnung
« Antwort #31 am: 23. Apr 2020, 15:43 »
Valion und Hilgorn aus dem Fürstenpalast


Doch Hilgorn schien an jenem Tage sehr schweigsam zu sein. Die Ankunft der Thelynrim hatte ihn zumindest ein klein wenig überrascht, davon war Valion überzeugt, doch mehr als ein leiches Anheben der Augenbrauen hatte diese Überraschung dem außer Dienst gestellten General nicht entlockt. Stumm hatte er den Austausch zwischen Imrahil und Thorongil beobachtet, und war anschließend in Begleitung seiner Wachen, die stets ein Auge auf ihn hatten, gegangen - wohl, um zu seiner Frau zurückzukehren.
Valion war nachdem Ende des Hofstaates ein Weilchen ziellos durch die Straßen Dol Amroths gestreift. Er vermisste seine Zwillingsschwester und fragte sich, wie es Valirë bei der Belagerung von Umbar wohl erging. Ich hoffe sie bleibt vernünftig und stellt keinen Unsinn an, dachte er und blieb bei diesem Gedanken überrascht stehen. "Nanu," murmelte er leise. "Ich höre mich ja an wie der alte Edrahil." Ein schiefes Grinsen legte sich auf sein Gesicht und er stellte fest, dass er wie durch Zufall wieder am Fürstenpalast angekommen war. Als er an Edrahil dachte, tauchte vor Valions innerem Auge der strenge, stechende Blick des Herrn der Spione auf. "Umbar," murmelte er, während er begann, die Stufen zum Palast hinauf zu steigen. "Diese Stadt lässt dich einfach nicht los, was, Edrahil?"
"Mit wem sprichst du denn da?" riss ihn eine Stimme zu seiner Linken aus den Gedanken. Als Valion sich zu ihr umdrehte, entdeckte er den kleinen Túor, den Sohn Thorongils, der gerade auf dem schmalen, steinernen Handlauf der großen Treppe balancierte.
"Túor! Wie oft habe ich dir gesagt, ich will nicht, dass du überall herumkletterst!" Minûlîths Stimme drang von unten, vom Fuße der Treppe zu ihnen hinauf, und neben ihr erspähte Valion auch Túors Vater, den Herrn des Turmes. Ganz offensichtlich hatte sich die Familie einen ausgedehnten Spaziergang durch die Straßen Dol Amroths gegönnt und Valion erkannte auch rasch, wer sie dabei begleitet hatte: Der jugendliche Page Bergil, der gerade aus Thorongils Schatten trat.
Kurzerhand schnappte Valion sich Túor und legte seine Arme um die Taille des Jungen, um ihn - der Proteste zum Trotz - zu seinen Eltern zu tragen und dort wieder auf die Beine zu stellen.
Túor streckte Valion die Zunge heraus. "Jetzt weiß ich wieder, wieso ich deine Schwester lieber mag als dich! Sie ist genau wie Narissa!"
"Narissa?" wiederholte Valion fragend. "Wer soll das denn sein?"
"Meine Lieblingstante!" sagte Túor stolz und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Ich wusste nicht, dass noch mehr von deiner Familie überlebt haben,"  sagte Valion an Thorongil gerichtet.
"Narissa ist die Tochter meiner Schwester Herlenna," antwortete der Herr der Thelynrim und verwuschelte seinem Sohn das Haar. "Sie kam mit ihrer Freundin Aerien nur wenige Tage nach eurer Abreise auf Tol Thelyn an. Keiner von uns hatte damit gerechnet und so war es eine wundervolle Überraschung für uns alle, dass sie den Fall des Turmes überlebt hatte. Ein Jahr hatte sie sich in Umbar durchgeschlagen, gemeinsam mit dem Schreiber Bayyin, der dir ja auch bekannt sein sollte. Dabei begegnete sie Edrahil, der letzten Endes dafür gesorgt hat, dass sie den Weg nach Hause gefunden hat."
"Das hört sich an, als würde da eine wirklich spannende Geschichte dahinter stecken," merkte Valion schmunzelnd an.
"Oh, du hast ja keine Ahnung," bestätigte Minûlîth lächelnd. "Aber das ist eine Geschichte für ein andermal. Jetzt würde ich gerne mit meiner Schwester sprechen. Wo hast du sie versteckt?"
"Also... sie war beim Hofstaat dabei," meinte Valion und strich sich etwas ratlos über den Nacken. "Eigentlich hatte ich angenommen, sie würde dich danach aufsuchen, aber..."
"Du hast keine Ahnung wo sie ist, und was sie tut, nicht wahr?" sagte Minûlîth und hob die linke Augenbraue.
"Nun... wenn du es so formulierst..."
Eine silberne Glocke ertönte und die Gruppe drehte sich dem Geräusch nach um. Am Rande der Treppe war eine Gruppe von jungen Frauen in edlen Kleidern aufgetaucht, die sich alle gleichzeitig vor Minûlîth verbeugten - bis auf eine, die in ihrer Mitte stand. Die außen stehenden Mädchen gaben den Weg frei und Lóminîth trat hervor, auf ihre ältere Schwester zu.
"Da bist du ja," sagte Minûlîth freundlich, aber unbeeindruckt wirkend und schloss ihre kleine Schwester in eine Umarmung. "Gehören diese jungen Dinger alle zu dir?"
"Ich bin nicht untätig gewesen," sagte Lóminîth anstelle von einer Erklärung. "Komm - ich zeige dir das Haus, von dem ich in meinem letzten Brief sprach."
"Wir treffen uns später in den Gemächern, die der Fürst für uns vorbereiten ließ," sagte Minûlîth schon im Gehen zu Thorongil. Die Gruppe der Frauen nahm die Schwestern in die Mitte und war kurz darauf verschwunden.

"Ich habe es aufgegeben, die beiden nach dem tieferen Sinn all ihrer geheimnisvollen Pläne und Treffen zu fragen," meinte Thorongil und lachte, Auch Túor schien bereits an die Gepflogenheiten seiner Mutter und Tante gewöhnt zu sein und zupfte ungeduldig an Valions Umhang. "Zeigst du mir die Stallungen der berühmten Schwanenritter?" bat der Junge.
"Das würde ich auch gerne sehen," meinte Thorongil. "Es wäre ein willkommener Zeitvertreiben."
"Ach... na schön," gab sich Valion geschlagen. "Aber unterwegs erzählst du mir, was seit unserer Abreise auf der Insel geschehen ist, in Ordnung?"
So erfuhr Valion von dem Bündnis, das die Thelynrim mit dem Silbernen Bogen geschlossen hatten, und dem Angriff eines Schwarzen Númenorers, der Narissas Freundin Aerien entführte, letzten Endes aber von Thorongil und seiner Nichte aufgehalten worden war. Staunend lauschte Valion der Erzählung von Edrahils geheimnisvoller Expedition in das Reich von Arzâyan im tiefen Süden und den Plänen, die gegen Umbar geschmiedet worden waren.
"Es gibt viel zu tun seitdem ich Herr des Turmes geworden bin. Aber die Insel hat nun wieder Frieden, so sehr wie das in diesen Tagen nun einmal möglich ist," sagte Thorongil abschließend, kurz bevor sie die Stallungen erreicht hatten. Dort angekommen stellte Valion zufrieden fest, dass er dem jungen Bergil das Reden überlassen konnte. Der Page schien genaustens über die sagenumwobenen Schwanenritter Bescheid zu wissen und ließ mehr als einmal durchblicken, dass es sein großer Traum war, sich ihnen eines Tages anzuschließen.

Abends ließ Valion Bergil die beiden Thelynrim zu ihrer Unterkunft bringen, während er selbst kurzerhand beschloss, in einer der Kasernen zu schlafen. Er wusste, dass Lóminîth heute bei ihrer Schwester schlafen würde, wobei die beiden sicherlich bis spät in die Nacht reden und Pläne schmieden würden. Und er sollte recht behalten, denn Túor erzählte ihm später insgeheim, dass selbst spät nach Mitternacht noch Licht im kleinen Vorzimmer der Gästegemächer zu sehen gewesen war, dort wo die Schwestern es sich in einer Sitzecke bequem gemacht hatten. Túor war so tief nachts erwacht, weil ihn die Blase drückte, und er war leise wie ein Schatten ("Leise wie Narissa," wie er es ausdrückte) durch die Gemächer geschlichen, um ja nicht entdeckt zu werden.
Valion selbst war ebenfalls noch eine ganze Weile wach gelegen. Als Bett diente ihm eine einfache Pritsche, wie sie die Soldaten nutzten, denn er mochte keine allzu weichen Unterlagen im Rücken. Das Fenster stand offen, auch wenn es um diese Jahreszeit selbst im südlichen Gondor recht kühl werden konnte. Vom Mond war nichts zu sehen - es war Neumond - doch die Sterne zogen fahl blinkend herauf und spendeten ein dämmriges Licht. Gerade als Valions Augen zufallen wollten, hörte er, wie der dünne Stoffvorhang beiseite gezogen wurde, der sein Bett vom Rest des Schlafraumes der Soldaten trennte. Ruckartig setzte er sich auf und packte den Dolch, der unter seinem Kissen versteckt lag.
"Nur die Ruhe," sagte Ta-er as-Safars Stimme. Sie trug die Kleidung eines Stadtwächters und huschte rasch ans Fenster, um hinaus zu spähen.
"Was... soll denn diese Heimlichtuerei um diese Uhrzeit?" wunderte sich Valion und richtete sich im Bett auf.
"Ich bringe eine Botschaft von der Fürstin, die das Volk "Silberglanz" nennt," antwortete Ta-er geheimnisvoll.
"Und seit wann stehst du in ihren Diensten? Ich dachte, du gehörst zu dieser Vereinigung, die gegen die Assassinen kämpft?"
"Ich diene weiterhin dem Schattenfalken," stellte Ta-er klar. "Doch die Fürstin teilt meine Befürchtungen, dass hier in Dol Amroth eine Gefahr wächst, der um jeden Preis Einhalt geboten werden muss. Deshalb habe ich ihr meine Dienste angeboten."
"Und wie lautet Herrin Avórills Botschaft?" wollte Valion wissen.
"Ich kann noch nicht erkennen, woher sie ihre Informationen hat," gab Ta-er etwas zerknirscht zu. "Aber bisher haben ihre Voraussagen sich jedesmal erfüllt. Heute sprach sie davon, dass schon bald Neuankömmlinge von großer Bedeutung in die Stadt kommen werden. Und sie lässt dich warnen, um jeden Preis auf jene zu achten, der Blut von der Dunkelheit berührt wurde..."
"Blut... Dunkelheit... sehr mysteriös, wenn du mich fragst," meinte Valion etwas ratlos. "Ob sie mit den Neuankömmlingen wohl Thorongil und seine Familie gemeint hat?"
"Ich weiß es nicht," antwortete Ta-er. "Ich bitte dich einfach, die Augen auf zu halten und dich mit mir in Verbindung zu setzen, wenn du etwas bemerkst. Wirst du das tun?"
"Wie kontaktiere ich dich?"
Selbst im Dunkeln sah er Ta-ers Lächeln aufblitzen. "Halte dich an Bergil, den Pagen. Er kann dich zu mir führen."
"Bergil... es scheint, als wäre ich von Leuten umgeben, die mehr sind, als sie vorgeben zu sein..."
"So funktioniert unsere Welt nun einmal, Valion," sagt Ta-er und ging lautlosen Schrittes hinaus.
« Letzte Änderung: 21. Mai 2020, 15:39 von Fine »
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Eandril

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Re: In der Stadt
« Antwort #32 am: 6. Mai 2020, 01:14 »
Es war bereits gegen Mitternacht, als Hilgorn ein leises Klopfen gegen die Haustür vernahm. Faniel war bereits vor einiger Zeit zu Bett gegangen, und so ging er möglichst leise durch die dunkle Eingangshalle und öffnete die Tür ein Stück weit. Draußen erkannte er undeutlich eine schmale Gestalt in Mantel in Kapuze.
"Hilgorn", sagte sie leise. "Bitte, darf ich hereinkommen?"
Hilgorn hatte die Stimme sofort erkannt, und wunderte sich, doch er öffnete die Tür ganz und trat beiseite. "Seid willkommen in meinem - nun, vielleicht eher Faniels - Haus, Herrin."
Lóthiriel trat über die Schwelle, und warf, nachdem Hilgorn die Tür hinter ihr geschlossen hatte, die Kapuze ab.
Hilgorn räusperte sich unsicher. Er hatte keine Ahnung, wie er sich in dieser Situation zu verhalten hatte, und was der Grund für diesen merkwürdigen nächtlichen Besuch sein mochte. "Vielleicht sollten wir in die Küche gehen", schlug er ein wenig zögerlich vor. "Dort brennt noch ein wenig Glut im Ofen, und es ist ein wenig wärmer." Auch wenn Schnee in diesen Gegenden im Winter beinahe nie vorkam, wurde es nachts doch oft empfindlich kühl. Dennoch war sich Hilgorn nicht sicher, ob sein Vorschlag angemessen gewesen war - eine Küche war kaum ein passender Ort für eine Prinzessin.
Lóthiriel jedoch schien weit davon entfernt zu sein, sich Gedanken um Angemessenheit zu machen, und nickte ein wenig abwesend. "Geht ihr nur voran, ich folge euch."

In der Küche entzündete Hilgorn zwei Kerzenhalter, schürte die Glut im Ofen ein wenig und trug rasch zwei Stühle aus dem Nebenzimmer herüber, sodass sie sich an den Tisch, den Faniel normalerweise beim Kochen benutzte, setzen konnten.
Lóthiriel setzte sich mit einem dankbaren Lächeln, dass aber sogleich wieder verschwand.
"Ich nehme an, ihr wundert euch über meinen Besuch - zumal um diese Uhrzeit", begann sie. Hilgorn nickte langsam. Er wunderte sich aus den verschiedensten Gründen. Über die Uhrzeit, über die Tatsache, dass Lóthiriel hier her gekommen war anstatt ihn in den Palast zu bestellen, und vor allem darüber, dass sie allein gekommen war.
Die Prinzessin faltete die schlanken Hände auf dem Tisch. "Nun, ich habe zwei Aufträge für euch, und beide sollten im Augenblick nicht unbedingt öffentlich gemacht werden. Genauer gesagt ist einer dieser Aufträge von mir, und der andere von meiner Mutter."
Hilgorn hob die rechte Augenbraue. "Verzeiht mir, Prinzessin, aber... nein. Ich stehe im Augenblick nicht in den Diensten eures Vaters, und auch wenn ich nach allem Recht sein Gefolgsmann bin... ich stehe nicht zur Verfügung." Er stockte kurz, ein wenig von sich selbst überrascht. "Ich... ich kann nicht wieder in den Krieg ziehen. Nicht jetzt schon", erklärte er ein wenig ruhiger. "Ich möchte hier bleiben, bei meiner Frau - vor allem jetzt, da..." Hilgorn brach ab und spürte, wie er ein wenig errötete.
Anstatt zornig zu werden oder ihn kalt an seine Pflichten zu erinnern, tat Lóthiriel etwas, dass er nicht erwartet hatte: Sie lächelte. "... da sie schwanger ist", beendete sie den Satz für Hilgorn. "Nun, meinen herzlichsten Glückwunsch, Hilgorn."
Hilgorn schüttelte irritiert den Kopf und rieb sich die Stirn. "Danke, aber... habt ihr gehört, was ich vorher gesagt habe?"
Lóthiriel zuckte mit den Schulten. "Natürlich", erwiderte sie ungerührt. Ihr habt es abgelehnt in den Krieg zu ziehen, was ich in eurer Situation auch voll und ganz verstehe. Aber da das auf keinen dieser Aufträge zutrifft, sehe ich keinen Interessenkonflikt." Sie lächelte auf eine zauberhafte Weise, die Hilgorn früher, bevor er Faniel wieder begegnet war, ein angenehmes Kribbeln verursacht hätte. Er suchte einen Augenblick nach Worten, bevor er seufzte und sagte: "Also schön. Was für Aufträge habt ihr für mich?"
"Der eine Auftrag stammt gewissermaßen von meiner Mutter", begann Lóthiriel zu erklären. "Sie hat euch zwar eigentlich nicht erwähnt aber... ich treffe meine eigenen Entscheidungen. Offenbar werden in der nächsten Zeit wichtige Neuankömmlinge hier eintreffen - sie hat sich in dieser Hinsicht recht geheimnisvoll geäußert. Ich möchte, dass ihr Ausschau nach diesen Personen haltet, und mich sofort informiert, wenn ihr etwas in dieser Hinsicht bemerkt."
"Hinter dem Rücken eurer Mutter?", fragte Hilgorn langsam. "Man könnte fast meinen, ihr würdet ihr misstrauen." Alleine bei dem Gedanken lief ein Schauer seinen Rücken hinunter, doch Lóthiriel schüttelte den Kopf.
"Ich misstraue niemandem aus meiner Familie, doch..." Sie unterbrach sich, und fixierte Hilgorn mit ihren grauen Augen über den Tisch hinweg. "Ihr werdet zu niemandem ein Wort hierüber verlieren. Verstanden?"
Obwohl ihm die Angelegenheit von Augenblick zu Augenblick weniger gefiel, nickte Hilgorn. "Verstanden." Auch wenn er gegenwärtig außer Dienst war, als Soldat wusste er, wann er einen Befehl bekommen hatte.
"Gut. Meine Mutter... ist der Meinung, jetzt wo sie wieder in der Stadt ist, habe ich mich ihr in allen Dingen unterzuordnen und zu gehorchen. Zu ihrem Unglück bin ich aber die Fürstin von Tolfalas, und habe genug von diesem Krieg gesehen, um mich nicht hinter ihren Rockschößen zu verstecken."
Ihr Blick ließ Hilgorn nicht los, und zu seiner Verwunderung stellte er fest, dass das Grau ihrer Augen gerade mehr Stahl als dem Meer glich.
"Und damit kommen wir zu meinem zweiten Auftrag. Ich bin dabei, auf Tolfalas eine Truppe aufzustellen, und..." Dieses Mal war Hilgorn vor Überraschung geradezu zusammengezuckt, und Lóthiriel hob missbilligend eine Augenbraue.
"Nehmt euch zusammen, General. Ich habe weder vor, meinen Vater mit diesen Soldaten zu stürzen, noch plane ich, die Seiten zu wechseln und mit Mordor anzuschließen. Wir brauchen Verstärkung, doch mein Vater zögert, noch mehr Männer in die Armee einzuberufen, solange Mordor nicht den Gilrain überschreitet - doch dann wird es zu spät sein. Ich denke, ich werde in der Lage sein, etwa dreihundert, vielleicht vierhundert Mann aufzustellen, größtenteils leicht gerüstet. Doch ich brauche jemanden, der mich berät, wann es sinnvoll ist, diese in den Kampf zu schicken, und auf welche Weise. Jemanden wie euch."
"Einverstanden", sagte Hilgorn nach einer längeren Pause. Das war weitaus harmloser, als er zu Anfang befürchtet hatte, und selbst wenn er womöglich den Unmut des Fürsten und seiner Gemahlin auf sich ziehen würde... jeder Vorteil, den sie im Kampf gegen Mordor erlangen konnten, und sei er noch so klein, konnte entscheidend sein. Und je weniger Leute über die Truppe auf Tolfalas Bescheid wussten, desto geringer war die Gefahr, dass Mordor davon erfuhr und sich darauf vorbereiten konnte.
Lóthiriel schenkte ihm ein weiteres ihrer zauberhaften Prinzessinnenlächeln, und stand auf. "Ich wusste, dass ich mich auf euch verlassen kann. Auf Wiedersehen, General."

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Eine unerwartete Rückkehr
« Antwort #33 am: 20. Mai 2020, 11:06 »
Den folgenden Morgen verbrachte Valion damit, sich in der Stadt umzuhören. Niemand konnte ihm etwas zu den dubiosen Gestalten sagen, die laut Herrin Silberglanz bald in Dol Amroth eintreffen sollten, doch das hatte er auch gar nicht wirklich erwartet. Stattdessen hörte er hauptsächlich Gerüchte über den Kriegsverlauf im Süden.
"Die Haradrim schlagen sich immer noch untereinander die Köpfe ein," sagten die Leute und nicht wenige schienen sich daran kaum zu stören.
"Es heißt, dass die Belagerung von Umbar nichts als eine große Ablenkung ist," sagten andere, die fest davon überzeugt waren, dass die Flotte Gondors niemals den Schutz der Häfen hätte aufgeben und Qúsay im Süden zur Hilfe eilen sollen.
"Sauron wird nicht tatenlos zusehen," warnten diejenigen, die bereits gegen Mordor gekämpft hatten. "Glaubt ihr wirklich, er würde sich Harad einfach wegnehmen lassen?"
Valion fand sich schließlich am Südtor der Stadt wieder, eines der kleineren Nebentore der gewaltigen Befestigungsanlagen, von denen es eine ganze Reihe gab. Hier führte ein Weg - oder vielmehr ein ausgetretener Pfad von den Mauern weg und schlug dann in etwas Abstand einen Bogen nach Osten, um sich mit der gepflasterten Straße in Richtung des Kaps von Belfalas zu vereinen. Außerdem gab es hier trotz der hoch aufragenden Klippen nach Westen hin eine kleine Anlegestelle, über die man mit einem hölzernen Lastenaufzug auf die Höhe der Stadt gelangen konnte, wenn es schnell gehen sollte und der geschäftige Haupthafen der Schwanenstadt wieder einmal zu voll mit großen Schiffen war. Hier waren bei der zweiten Belagerung von Dol Amroth die ersten Spähberichte eingetroffen, die vor der herannahenden Korsarenflotte gewarnt hatte. Valion stutzte, als er sah, wie oberhalb des Lastenaufzugs an einem kleinen Mast eine dünne blaue Flagge gehisst wurde - das Zeichen dafür, dass jemand an der Anlaufstelle angelegt hatte.
Neugierig trat Valion durch das kleine Stadttor, als die Wachen ihn passieren ließen. Er sah, wie der Lastenaufzug - der mithilfe eines Esels bewegt wurde - arbeitete und seine Trageplattform nach oben beförderte, doch bis diese nicht oberhalb der Klippen angekommen war, konnte Valion nicht sehen, wer oder was hinauftransportiert wurde. Er musste sich nicht sonderlich lange gedulden, bis er sehen konnte, dass sich die Fracht als ein einzelner Mensch in einem grauen Mantel mit Kapuze herausstellte.
"Scheint mir ein Bettler zu sein," murmelte Valion als er sah, wie sich der Fremde auf einen Stock stützte, als er sich der Stadt näherte. Valion nickt den Wachen zu und trat ein paar Schritte aus dem Tor heraus, auf den Mann zu.
"Grüß' Euch, Gevatter," sagte er kameradschaftlich. "Es geschieht selten, dass jemand auf diesem Wege die Klippen erklimmt und in die Stadt kommt. Was bringt Euch her?"
Der Fremde blieb in ungefähr drei Meter Entfernung stehen. Als er sprach, drang seine Stimme nur undeutlich unter der Kapuze hervor, die Augen lagen unter deren Rand verborgen. "Was schert es dich, Junge, wie ich die Stadt betrete?" fragte er unwirsch. "Steh' nicht herum und halte Maulaffen feil! Wir sind im Krieg, da kann es sich keiner von uns leisten, auf der faulen Haut zu liegen!"
Valion riss die Augen auf. "Die Stimme kenn' ich doch," stammelte er überrascht. "E...Edrahil? Aber... solltet Ihr nicht bei der Belagerung von Umbar sein?"
Sein Gegenüber seufzte und nahm die Kapuze ab. Es war tatsächlich Edrahil. "Ich musste leider feststellen, dass mein Rat dort nicht länger geschätzt wird," murrte er.
"Aber... was ist mit der Insel? Hattet Ihr Eure Zelte nicht dort aufgeschlagen?"
"Nun, der Herr des Turmes ist nun hier in Dol Amroth, nicht wahr?" erwiderte Edrahil ruhig. "Und auch für mich wurde es so langsam Zeit, den Heimweg anzutreten. Ich habe meine wahren Aufgaben viel zu lange vernachlässigt und Zeit im Süden vertrödelt."
Valion strich sich verwundert über den Nacken. "Ähm... also gut, jetzt seid Ihr ja wieder hier..."
"Komm, Junge," meinte Edrahil unwirsch. "Geh ein Stück mit mir und bring' mich auf den neusten Stand was die Geschehnisse hier vor Ort anbelangt."

Wie es seine Art war schien Edrahil keinerlei Zeit vergeuden zu wollen. Trotz seines charakteristischen Humpelns kamen die beiden recht flott durch die Straßen der Stadt voran, während Valion für Edrahil die Ereignisse seit seiner eigenen Rückkehr nach Dol Amroth zusammenfasste.
"So, so," meinte Edrahil nachdenklich. "Frau Avórill hat ganz offensichtlich beschlossen, wieder eine aktivere Rolle zu spielen. Das ist gut... sie war mir schon früher eine wichtige Verbündete. Dennoch mache ich mir große Sorgen was diese Abspaltungsbewegungen betrifft, von denen du erzählt hast. Ich fürchte, diese Sache in den Pinnath Gelin wird kein Einzelfall bleiben."
"Ihr seid also der Meinung, der Fürst sollte weitere Nachforschungen in den westlichen Außengebiete anstellen lassen?" fragt Valion etwas verwundert.
"Nicht nur das," erwiderte Edrahil im Gehen. "Es könnte sogar notwendig werden, dass Imrahil etwas... deutlicher werden muss."
"Wie meint Ihr das?"
"Ich meine damit, dass die westlichen Häfen ab sofort regelmäßig von voll gerüsteten Kriegsschiffen besucht werden sollten. Um die Leute daran zu erinnern, dass wir noch immer im Krieg sind."
"Aber... die Flotte liegt doch vor Umbar," wagte Valion einzuwenden.
Etwas in Edrahils Blick blitzte zornig auf. "Umbar," knurrte er. "Diese Stadt ist es nicht wert, dafür noch einen einzelnen weiteren Tropfen gondorisches Blut zu vergießen. Dieser Emporkömmling von einem Malik soll sich selbst darum kümmern, wenn er die Stadt unbedingt haben will. Wir brauchen unsere Stärke hier, in der Heimat, und nicht im heruntergekommenen Süden."
"Ähm... nun, also, wie Ihr meint..."
"Mein Junge, du hast mir doch selbst erzählt, mit wieviel Mühe die Verteidigung der Grenze bei Linhir aufrecht erhalten wurde," fuhr Edrahil ungeduldig fort. "Und nun, da die Gefahr droht, dass uns Abtrünnige von Westen in den Rücken fallen - wie gedenkst du diese brüchige Verteidigung am Gilrain weiterhin aufrecht zu erhalten? Die Flotte muss nach Westen verlegt werden. Ich bin mir sicher, Fürst Imrahil wird das ebenfalls so sehen."
Valion musste zugeben, dass Edrahil in diesem Punkt recht hatte - wie so oft. Also ließ er den Protest bleiben und fragte stattdessen: "Wie geht es meiner Schwester? Ist sie wohlauf?"
"Schwester?" wiederholte Edrahil etwas zerstreut, ehe er rasch nickte. "Ach richtig... Ja, ja, es geht ihr gut. Sie ist beim Fürstensohn in Sicherheit, mach dir keine Sorgen um sie."
"Das ist gut," meinte Valion etwas nachdenklich. Eigentlich konnte er sich nicht vorstellen, dass sich Valirë bei den Kämpfen um die Stadt zurückhalten würde. Ehe er jedoch nachhaken konnte, erregte etwas auf der Straße vor ihm seine Aufmerksamkeit. Ihnen entgegen kam eine Frau in einem weißen, langen Gewand, gestützt auf den Arm eines kräftigen Mannes in der Kleidung eines Heilers. Erst auf den zweiten Blick erkannt Valion die rotblonde Rinheryn.
"Na sieh mal einer an wer da wieder auf den Beinen ist," sagte er und grinste sie zufrieden an. Denn es stimmte: Rinya stand wieder, wenn auch etwas wackelig und auf den Arm des Heilers gestützt. "Ist das dein erster Spaziergang?"
"Der zweite," erwiderte Rinheryn mit einem zaghaften Lächeln. "Es ist... schön dich zu sehen, Valion... aber..." Ihre Augen wurden groß, als sie Edrahil entdeckte. "Ist dies... etwa dein Vater?"
"Nicht doch," wehrte Valion rasch ab. "Dies ist Edrahil, der Herr der Spione von Dol Amroth! Und wie ein echter Spion ist er aus dem Nichts hierher zurückgekehrt, als Bettler verkleidet wenn ich mich nicht irre. Meister Edrahil... dies ist Rinheryn von Morthond, Tochter von Herrn Duinhir. Ich hatte vorhin von ihr erzählt, sie hat mich auf der Jagd nach dem Verräter Gilvorn begleitet."
"Ach ja... richtig, ich erinnere mich," meinte Edrahil unbeeindruckt. "Du hattest eine geplante Hochzeit erwähnt..." mit einem prüfenden Blick auf Rinya ließ er den Satz unvollendet ausklingen.
Rinheryn wurde prompt knallrot. "H-Hochzeit?" stammelte sie und der Heiler musste sie packen, da ihr die Knie weich zu werden schienen.
"Wenn das ein Witz sein soll, dann ist er schlechter als man es von Euch gewohnt ist," brummte Valion verdrossen. "Ihr wisst doch, dass meine Verlobte die Schwester der Herrin des Turmes von Tol Thelyn ist. Und nicht Rinya."
Edrahil schwieg einen Augenblick, ehe er dann nickte. "Natürlich ist sie das. Verzeih mir die kleine Unachtsamkeit. Ich habe viele wichtige Dinge im Kopf... da kann ab und zu eben mal etwas durcheinander geraten."
Ehe Valion, der sich wunderte, nachhaken konnte, hatte Rinheryn bereits verlegen abgewunken. "Es... es ist schon vergessen, Meister Edrahil, macht Euch keine Gedanken!"
"Danke, Mädchen," erwiderte Edrahil und strich sich etwas Staub vom Oberkörper. "Wenn ihr beiden mich nun entschuldigen würdet... ich muss mit dem Fürsten sprechen."
"Ähm... sicher, tut das," meinte Valion noch recht durcheinander, als sich Edrahil bereits in Richtung des Palastes in Bewegung gesetzt hatte und ihn gemeinsam mit Rinheryn und dem Heiler stehen gelassen hatte.

"Es ist schön zu sehen, dass du wieder auf den Beinen bist," sagte Valion kurze Zeit später. Sie hatten sich eine Bank in der Nähe ausgesucht, die am Straßenrand stand und trotz des geschäftigen Treibens auf den Straßen Dol Amroths wie durch einen Glücksfall frei gewesen war.
"Es geht ihr mit jedem verstrichenen Tag besser," erklärte der Heiler mit einem zufriedenen Nicken. "Schon bald wird der oberste Heiler sie entlassen, da bin ich sicher."
"Leider hat er mir bereits gesagt, dass ich noch einen Monat auf das Reiten und Kämpfen verzichten muss," sagte Rinheryn niedergeschlagen.
"Ach... das macht nichts," meinte Valion aufmunternd. "Es gibt auch sonst noch genügend Beschäftigungen in der Stadt, die dich auf Trab halten werden. Wie wäre es zum Beispiel, wenn ich dir eine echte Assassine vorstelle?"
Rinheryns Augen glitzerten. "So jemanden kennst du? Denkst du sie... sie würde mir ihre Kampftechniken vorführen?"
Valion lachte. "Wenn wir sie freundlich genug darum bitten, wird sie dir diesen Wunsch bestimmt erfüllen."
Er stellte sich vor, wie Ta-er as-Safar auf so eine Bitte reagieren würde und hob die Augenbrauen. Noch immer fragte Valion sich, was die Kriegerin des Silbernen Bogens wirklich hier in Dol Amroth tat. Dass sie eine unfreiwillige Vorbotin übler Geschehnisse war, war ein Gedanke, der Valion schon seit ihres Wiedersehens nicht losgelassen hatte...
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Eine unerwartete Ankunft
« Antwort #34 am: 27. Jul 2020, 16:38 »
Aragorn, Gandalf, Irwyne, Amrothos, Narissa und Aerien vom Hafen


Als es Abend geworden war, brachte Valion Rinheryn schließlich in die Obhut der Heiler zurück. Er versprach Rinya, sie regelmäßig zu besuchen und ging dann seiner Wege. Es war eine kühle Winternacht, weshalb er über seiner Lederkleidung einen langen Umhang trug, während er sich auf den Rückweg zu seiner Unterkunft machte. Nur wenige Menschen waren auf den leergefegten Straßen unterwegs - die meisten Aktivitäten gab es um diese Uhrzeit eher in den unteren Stadtvierteln sowie am Hafen, während sich Heilhaus, Bibliothek, Adelsviertel und natürlich der Prinzenpalast im nordwestlichen Distrikt der Stadt befanden. Nur hier und da sah Valion eine Patrouille der Stadtwache, oder Pagen und andere Bedienstete, die ihren nächtlichen Aufgaben nachgingen.

Nachdenklich marschierte Valion durch eine Gasse, die auf halbem Weg vom Hafen zum Palast des Fürsten gelegen war. Er war so in Gedanken versunken, dass er beinahe mit einer Gestalt zusammengestoßen wäre, die urplötzlich aus einer Seitengasse aufgetaucht war. Es handelte sich um einen jungen Mann, dessen schwarzes Haar unter einer braunen Stoffkapuze hervorlugte.
"Amrothos?" wunderte Valion sich, als er seinen Gegenüber kurz darauf erkannt hatte.
"Oh, verzeih'," antwortete der jüngste Sohn des Fürsten von Dol Amroth, ehe er Valion musterte. Hinter ihm sammelte sich eine Gruppe von fünf Personen, die im Halbdunkel der Gasse nur undeutlich zu erkennen waren. "Na sowas - Valion, du hier?"
"Ich hab' die Stadt nicht verlassen, im Gegensatz zu dir," entgegnete Valion und versuchte einen Blick auf Amrothos' Begleiter zu erhaschen. Es schien sich um zwei Männer und drei Frauen zu handeln, mehr konnte er aber nicht sehen. "Und du bist schon der Zweite, der sich heute als Bettler getarnt in die Stadt schleicht. Sind denn über Nacht alle wahnsinnig geworden?"
Amrothos musste grinsen und setzte zu einer Antwort an, da drängte sich eine der Frauen nach vorne durch. Als sie ihre Kapuze absetzte, erkannte er Irwyne aus Rohan, von der ihm seine Zwillingsschwester erzählt hatte. Dass sie sich in Amrothos' Begleitung befand, war ein offenes Geheimnis, das bereits die halbe Stadt zu kennen schien.
"Wir müssen zum Palast und mit Fürst Imrahil sprechen!" sagte Irwyne energisch. "Entweder du gibst den Weg frei, oder du kommst mit."
"Genau!" pflichtete ihr eine der anderen beiden Frauen bei. "Wir haben's ein wenig eilig."
Valion schmunzelte, nickte dann aber. "Na wenn das so ist... dann nehme ich die Einladung natürlich gerne an. Aber ihr wisst sicherlich wie spät es ist? Imrahil kann... ungehalten werden, wenn er aus dem wohlverdienten Schlaf gerissen wird, da spreche ich aus eigener Erfahrung."
"Er wird sich anhören wollen, was wir in Rohan.... erfahren haben," sagte Amrothos geheimnisvoll. "Du wirst es sehen, Valion."
"Da bin ich aber mal gespannt," antwortete dieser, ehe er gemeinsam mit Amrothos in Richtung des Palastes losmarschierte.


Aragorn, Gandalf, Irwyne, Amrothos, Valion, Narissa und Aerien zum Palast des Fürsten
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Eandril

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Re: In der Stadt
« Antwort #35 am: 8. Apr 2021, 10:49 »
Hilgorn vom Hafen

Seit die Falthaleth in Richtung Umbar aufgebrochen war, war Minûlîth ein häufiger und gern gesehener Gast in Hilgorns und Faniels Haus. Sie wusste eine ganze Menge faszinierender Geschichten aus dem Süden zu erzählen, aus Umbar und von der Insel, von der Thorongil und Narissa stammten. Túor währenddessen hatte sich schnell mit der gleichaltrigen Iorweth angefreundet und auch Belegorn war froh, endlich einen Spielkameraden in zumindest ungefähr dem gleichen Alter zu haben.
Es klopfte an der Tür des Hauses. Hilgorn, der gerade seinen viel zu lange nicht mehr benutzten Brustpanzer polierte warf Faniel, die sich gerade schwerfällig erheben wollte, einen warnenden Blick zu. Sie verdrehte die Augen, wandte sich aber doch dankbar wieder ihrem Gespräch mit Minûlîth zu, mit der sie gerade Erfahrungen mit ihren Kindern austauschte. Hilgorn legte die Rüstung beiseite, und öffnete die Haustür.
Draußen trieb ein kalter Wind eine Mischung aus Schnee und Regen vor sich her, und in diesem Augenblick war Hilgorn froh, nicht irgendwo unterwegs sein zu müssen. Vor der Tür stand, in Kapuze und Mantel, Ladion. Hilgorn verbarg seine Überraschung, und bat den Elben herein: "Bitte, komm doch hinein. Was führt dich bei diesem scheußlichen Wetter hier her?"
Ladion trat über die Schwelle, und streifte die Kapuze ab. "Ich könnte mir schöneres Reisewetter vorstellen, das ist wahr", erwiderte er mit einem schwachen Lächeln. Hilgorn machte eine einladende Geste in Richtung des kleinen Wohnraums, und Ladion folgte ihm nach kurzem Zögern.
Als sie den Raum betraten sah unterbrach Faniel ihr Gespräch mit Minûlîth und begrüßte Ladion mit einem Lächeln. "Seid willkommen, Ladion. Was verschafft uns die Freude eurer Gesellschaft?"
Ladion erwiderte ihr Lächeln, und Hilgorn stellte fest, dass der Elb seine frühere Distanziertheit offenbar aufgegeben hatte. Vielleicht hatte er sich inzwischen daran gewöhnt, unter den Menschen Gondors zu leben. "Bitte, es besteht kein Grund für solche Förmlichkeiten."
Hilgorn ergriff die Gelegenheit, Minûlîth und Ladion einander vorzustellen. "Ladion hatte großen Anteil daran, die Spur meines Bruders zu verfolgen nachdem...", fügte er hinzu, unterbrach sich aber mit Blick auf Faniel und räusperte sich ein wenig verlegen. Faniel selbst schien der Gedanke weniger zu berühren, und sie erklärte an Minûlîth gewandt: "Mein erster Gemahl, Hilgorns ältester Bruder, hatte sich mit Mordor verbündet."
Minûlîth hob die Augenbrauen. Ihr Lächeln geriet ein wenig süffisant als sie entgegnete: "Es scheint, eure Geschichte ist nicht viel weniger skandalös als meine eigene." Mit einem Seitenblick auf Hilgorn fügte sie hinzu: "Glaub nicht, dass ich euch dafür verurteile. Immerhin kann ich eine lange Ahnenreihe sehr treuer Anhänger Mordors aufweisen..."
Hilgorn rieb sich ein wenig nervös über den Nacken, bevor er sich wieder Ladion zuwandte. "Also... was führt dich hierher?" Er glaubte nicht, dass es sich um einen reinen Höflichkeitsbesuch handelte, schließlich war das noch nie vorgekommen. Zur Antwort zog Ladion einen versiegelten Brief aus einer Tasche, und Hilgorn erkannte das Siegel noch bevor Ladion zu sprechen begann.
"Ich habe auf der Rückkehr aus dem Osten in Tíncar haltgemacht, und deine Mutter hat mich gebeten, diesen Brief zu überbringen." Während Hilgorn den Brief entgegen nahm und das Siegel brach, fuhr Ladion fort: "Ich fürchte, es sind nicht unbedingt gute Neuigkeiten. Ich hatte nicht viel Zeit, aber offenbar gibt es Schwierigkeiten mit einem benachbarten Landbesitzer."
Hilgorn zog besorgt die Augenbrauen zusammen und begann zu lesen.

Iorweth von Tíncar an ihren geliebten Sohn Hilgorn.
Es tut mir sehr leid, dass ich nicht zu Faniels und deiner Hochzeit kommen konnte. Bitte versteht das nicht als Ausdruck meiner Missbilligung, ganz im Gegenteil - ich freue mich, dass Faniel auch weiterhin Mitglied unserer Familie ist! Tatsächlich war ich während jener Zeit für einige Wochen sehr krank, doch bevor du dich sorgst: Es geht mir inzwischen wieder den Umständen entsprechend gut.


Hilgorn sah vom Brief auf und sagte an Faniel gerichtet: "Meine Mutter war krank und konnte deshalb nicht zur Hochzeit kommen. Aber sie freut sich, dass du 'weiterhin Mitglied unserer Familie bist'." Faniel lächelte, wenn auch ein wenig ironisch. "Gut zu wissen, dass es nicht ausreicht zwei Kinder mit eurem Namen zu haben, sondern man auch noch mit einem von euch verheiratet sein muss um zur Familie zu gehören." Hilgorn machte eine entschuldigende Geste, doch Faniel schien nicht wirklich verletzt zu sein. Tatsächlich war ihr vermutlich genau wie ihm klar, dass seine Mutter es nicht böse meinte, sondern manchmal etwas merkwürdige Ansichten besaß.

Ich komme gleich zum eigentlichen Grund dieses Briefes. Unser östlicher Nachbar, Gilanor von Bar-Erib ist der Ansicht, dass unser Anspruch auf Tugobel und dessen Ländereien nicht rechtmäßig sei, da Faniel als Frau nicht erben könnte. Davon abgesehen, dass diese Behauptung Unsinn ist, ist Gilanor angeblich im Besitzt von Dokumenten, die seinen Anspruch auf Tugobel beweisen und hat kurzerhand eine Truppe geschickt, die das Dorf besetzt halten. Da ich außer unseren wenigen Wachen keine Männer zur Verfügung habe, diese Diebe von unserem Land zu jagen, wirst du dich selbst darum kümmern müssen, dass Belegorns Erbe nicht gestohlen wird.

Deine dich liebende Mutter,
Iorweth


Hilgorn blickte Faniel an, der die Sorge ins Gesicht geschrieben stand. Offenbar hatte sie anhand seines Gesichtsausdrucks erraten, dass etwas nicht in Ordnung war. Er schilderte kurz, was geschehen war, und fügte dann hinzu: "Ich werde mich selbst darum kümmern, wenn der König mich gehen lässt. Das ist..." Er brach ab, und Faniel schien seine Gedanken zu erraten: "Du glaubst, dass Mordor etwas damit zu tun haben könnte?" Hilgorn zuckte mit den Schultern.
"Ich weiß nicht. Möglich wäre es, und es läge sicherlich in Mordors Interesse, Unfrieden in Gondor zu stiften, bevor sie erneut angreifen. Gilanor wäre schließlich nicht der erste Adlige Gondors, der die Seiten wechselt."
"Die Sache ist nicht groß genug, um Mordor wirklich zu nützen", warf Ladion nachdenklich ein. "Trotzdem schadet es sicher nicht, sich rechtzeitig darum zu kümmern. Ich würde dich begleiten, um dieser Sache auf den Grund zu gehen."
Hilgorn hatte Ladion gerade um Hilfe bitten wollen, und nickte dem Elben jetzt dankbar zu. "Tatsächlich hatte ich auf deine Hilfe gehofft", erwiderte er. "Wir können nicht einfach mit einer Armee nach Tugobel marschieren, damit würden wir Gilanor und wer weiß wen noch tatsächlich in Mordors Arme treiben. Wir müssen vorsichtig vorgehen."
"Und außerdem ist das ja auch für mich so etwas wie eine Familienangelegenheit", meinte Ladion leise mit einem merkwürdigen Lächeln.
Bislang hatte Hilgorn nicht genau darüber nachgedacht, aber da eigentlich sämtliche Adelshäuser der Region irgendwie miteinander verwandt waren, war Ladion vermutlich tatsächlich etwas wie sein Ur-ur-...-ur-Großonkel. Ladion sah Hilgorns Gesichtsausdruck, und ergänzte überraschend freimütig: "Glaub mir, für mich ist die Sache nicht weniger sonderbar als für euch andere. Wir können uns bei meiner Mutter dafür bedanken."
Minûlîth, die dem Austausch bislang still aber interessiert gefolgt war, ergriff nun das Wort: "Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte... nehmt Aerien mit, wenn der König erlaubt und sie möchte. Es tut ihr nicht gut, immer nur mit Mithrandir und dem König zusammen zu sein, und es wäre sicherlich gut, wenn sie ein wenig mehr von Gondor kennenlernen könnte. Außerdem ist sie ziemlich gut mit dem Schwert, sie wäre also sicherlich alles andere als ein Hindernis."
Hilgorn nickte langsam. "Ich werde darüber nachdenken." Tatsächlich hatte er eigentlich zuerst an Valion gedacht, bis ihm wieder eingefallen war, dass Valion ja nach Umbar unterwegs war.
Er beugte sich hinunter um Faniel einen Kuss zu geben, und sagte dann: "Wir gehen am besten gleich zum Fürsten. Je eher diese Sache erledigt wird, desto besser."

Hilgorn, Faniel und Minûlîth zum Palast des Fürsten
« Letzte Änderung: 23. Apr 2021, 12:56 von Fine »

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Eandril

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Re: In der Stadt
« Antwort #36 am: 3. Jul 2022, 13:57 »
Hilgorn und Belegorn von den Toren vor der Stadt

Hilgorns Rückkehr mit Belegorn war eine tränenreiche gewesen - sowohl Faniel als auch Iorweth hatten ihrer Erleichterung, ihren Sohn und Bruder zurückzuhaben und in Sicherheit zu wissen, keinen Hehl gemacht. Nachdem sich alle wieder ein wenig beruhigt hatten, saßen sie gemeinsam in der kleinen Küche von Faniels Haus am Tisch. Iorweth hatte sich, müde und erschöpft von den letzten Tagen, zwischen Hilgorn und Faniel auf der Bank zusammengerollt und drohte jederzeit einzuschlafen, während Belegorn sich noch immer munter über das Essen hermachte - schließlich war es einige Tage her, dass er etwas anständiges gegessen hatte.
Faniel legte den Kopf auf Hilgorns Schulter und drückte stumm seine Hand hinter Iorweths Rücken. "Ich wüsste jetzt gerne, was genau eigentlich passiert ist", sagte sie schließlich leise.
Hilgorn tauschte einen verschwörerischen Blick mit Belegorn. Sie hatten sich auf dem Rückweg lange unterhalten und waren sich einig gewesen, dass Faniel gar nicht so genau erfahren musste, in welcher Gefahr sie gewesen waren.
"Dieser Balakán - der Bruder von Aerien - hat mich vor der Stadt geschnappt, weil er wusste, dass sie mit Va... Hilgorn unterwegs war", begann der Junge mit halbvollem Mund zu erzählen. "Er wollte sie damit dazu bringen, zu ihm zu kommen. Was genau er von ihr wollte, weiß ich nicht, aber es war bestimmt nichts Gutes."
"Und haben sie dir etwas getan? Dir wehgetan oder...", fragte Faniel, und Hilgorn hörte den Schrecken der letzten Tage in ihrer Stimme. Belegorn schüttelte den Kopf. "Nein. Sie haben mich natürlich gefesselt, sonst wäre ich ja weggelaufen, und ich habe nicht besonders viel zu Essen bekommen, aber sonst haben sie mir nichts getan. Sie wollten ja auch gar nichts von mir sondern von Aerien, also hätten sie ja gar nichts davon gehabt."
Hilgorn dachte für sich, dass Menschen wie Balakán keinen Grund brauchten ihren Gefangenen Schmerzen zuzufügen, doch er sprach es nicht aus. Er war nur froh, dass Belegorn diesem Schicksal offensichtlich entgangen war.
"Und dann?", fragte Faniel leise, denn Iorweth waren inzwischen die Augen zugefallen und das Mädchen war mit dem Kopf auf Hilgorns Bein eingeschlafen. "Was ist dann passiert?" Die Frage war nicht direkt an Belegorn gerichtet, doch Hilgorn schwieg weiterhin und ließ seinen Neffen berichten. "Dann kamen wir an einen verlassenen Bauernhof, und haben dort gewartet. Ba... Balakán ging ab und zu weg, aber die meiste Zeit haben sie gewartet. Aber als Aerien schließlich kam war sie nicht allein, und sie und Hilgorn und die beiden Waldläufer haben mich befreit."
"Waldläufer?", fragte Faniel verständnislos. "Zwei frühere Waldläufer aus Ithilien", erklärte Hilgorn bereitwillig. "Vater und Tochter - der Tochter bin ich früher schon begegnet, und Aerien ebenso. Ein merkwürdiger Zufall, aber ein sehr glücklicher."
"Das denke ich auch", meinte Faniel mit einem schwachen Lächeln, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Sohn zuwandte. "Und was genau ist passiert, als sie dich befreit haben?"
Belegorn öffnete den Mund und schloss ihn wieder, bevor er Hilgorn einen fragenden Blick zuwarf. Hilgorn zwinkerte ihm zu. "Sie haben mich befreit und die bösen Männer verjagt", antwortete Belegorn schließlich.
"Ja, aber...", setzte Faniel an, doch Hilgorn legte einen Arm um ihre Schultern - vorsichtig, um Iorweth nicht zu wecken - und unterbrach sie: "Ich verstehe, dass du alles so genau wie möglich wissen möchtest. Aber wenn Belegorn es dir nicht genauer erzählen möchte, ist das seine Sache. Reicht es nicht zu wissen, dass es zwar gefährlich war, aber wir alle unbeschadet aus der Sache herausgekommen sind?" Faniel seufzte tief. "Meinetwegen." Sie warf Belegorn, der gerade die letzten Reste aus seiner Schüssel kratzte, einen strengen Blick zu. "Aber du, junger Mann, wirst die Stadt nicht mehr ohne Aufsicht verlassen, klar?" Für einen kurzen Moment schien Belegorn seiner Mutter widersprechen zu wollen, doch dann senkte er den Blick und sagte:" Ja, Mutter. Ich verspreche es."

Später, als beide Kinder bereits schliefen - Hilgorn hatte die schlafende Iorweth in ihr Bett tragen müssen - saßen Hilgorn und Faniel nebeneinander auf der Bettkante und blickten aus dem Fenster hinaus auf den klaren Sternenhimmel. "Ich weiß nicht, wie viele Mal ich das noch aushalte", sagte Faniel leise. "Hier zu sitzen und mich zu sorgen, und nichts tun zu können." Hilgorn legte einen Arm um sie, und zog sie dichter an sich. "Ich hoffe, dass wir in nächster Zeit ein wenig Frieden haben werden - soweit das möglich ist in diesen Zeiten." Er strich sanft mit dem Daumen über ihren gerundeten Bauch. "Zumindest, bis das Kind geboren ist."

Mitten in der Nacht fuhr Hilgorn aus dem Schlaf auf. Er hatte irgendetwas düsteres, bedrohliches geträumt, an das er sich schon jetzt, Augenblicke später, nicht mehr erinnern konnte. Er spürte die Gänsehaut, sie sich auf Armen und Nacken gebildet hatte, und schüttelte sich ein wenig um die Reste des Albtraums zu vertreiben. Er stand vorsichtig aus dem Bett auf um Faniel nicht zu wecken, und ging leise die Treppe hinunter in die Küche, wo er sich aus dem Wasserkrug einen Becher einschenkte. Kaum hatte er den Becher in einem einzigen kräftigen Zug geleert, hämmerte jemand gegen die Haustür.
Aus dem Weg zur Tür packte er seinen Schwertgurt, der an der Wand des Eingangsraumes hing, und öffnete mit der anderen Hand vorsichtig die Tür. Draußen stand junger Mann in der Rüstung der Schwanengarde - Berenor, erinnerte sich Hilgorn. Er kannte ihn flüchtig aus seinen Tagen bei der Stadtwache. "Oh General, kommt schnell", stieß Berenor hervor, die Augen vor Schreck weit aufgerissen. "Es hat einen Mord gegeben!"

Nur wenig später eilte Hilgorn, notdürftig angekleidet, hinter Berenor durch die nächtlichen Straßen. Er hatte lediglich kurz Faniel Bescheid gegeben, und war dann dem sehr nervösen und verschreckten Soldaten gefolgt, der sich nicht als besonders auskunftsfreudig erwies und sich weigerte, Hilgorn näheres zu verraten. Also sank Hilgorns Herz, als sie eindeutig den Weg in Richtung Palast einschlugen, und eine schreckliche Ahnung regte sich in seinem Verstand. Was, wenn der König oder der Fürst von Dol Amroth ermordet worden war?
Doch Berenor führte ihn zwar wirklich in den Palast, aber in einen Seitenflügel und schließlich zu dem Teil, den Hilgorn als Edrahils alte Gemächer, die jetzt Amrodin als sein Nachfolger bewohnte, erkannte. Berenor deutete mit zitterndem Finger auf die Tür zum Schlafgemach. "Dort... dort drin." Hilgorn straffte sich innerlich, und betrat vorsichtig den dämmrigen Raum, die eine Hand auf den Schwertgriff gelegt.
Der Raum ähnelte einem Schlachtfeld. Wände und Fußboden waren mit Blut bespritzt und die einst weißen Bettlaken hatten sich vollkommen rot gefärbt. Auf dem Bett lag eine blutüberströmte Gestalt mit weit aufgerissenen Augen und wie zum Schrei geöffneten Mund - Amrodin, eindeutig tot. Hilgorn atmete tief durch, obwohl er nur den unverkennbaren und ihm wohlbekannten Geruch von Blut einatmete. Das einzelne, große Fenster das auf die Stadt hinunterblickte war eingeschlagen worden, und ein leichter Luftzug bewegte die blutbespritzten Vorhänge. Er kniete vorsichtig neben dem Leichnam auf dem Bett nieder, und betrachtete ihn genauer. Der gesamte Oberkörper war von tiefen Schnitten übersäht, wie von einem wilden Tier, und die Hände umklammerten noch immer verkrampft das Bettlaken. Was auch immer genau hier geschehen war, es war schmerzhaft gewesen. Hilgorn richtete sich wieder auf, und schloss mit einer Handbewegung Amrodins Augenlider. Er hatte Edrahils Nachfolger als Herr der Spione weder sonderlich gemocht noch geschätzt - seiner Ansicht nach war Amrodin viel zu sehr von sich selbst überzeugt gewesen und hatte höchstens die Hälfte von Edrahils Talent besessen. Und dennoch, er war immer ein Treue Diener Dol Amroths und Gondors gewesen, und das hier hatte er mit Sicherheit nicht verdient.
Hilgorn verließ das Zimmer und wandte sich an Berenor, der totenbleich an der Wand lehnte. "Wann ist das passiert?"
Der junge Soldat schluckte schwer und antwortete stockend: "Ich... ich hatte die Nachtwache hier, und mir ist nichts besonderes aufgefallen. Nur... da waren ein paar Geräusche aus seinen Gemächern, aber... ich dachte mir erst nicht dabei. Dann hörte ich einen Schrei und ein Klirren wie zerbrechendes Glas und... habe ihn so gefunden."
Hilgorn stutzte. "Das zerbrechende Glas hast du erst nach dem Schrei und den anderen Geräuschen gehört?" Berenor nickte stumm. "Und du hast niemanden hereingehen sehen?" Berenor schüttelte den Kopf. "N-nein, General. Ich hatte die Tür die meiste Zeit im Blick, und... und nie lange genug nicht, dass jemand sich durch den Flur bis in den Raum hätte schleichen können."
Hilgorn rieb sich die Stirn. Die ganze Angelegenheit verursachte ihm einen diffusen Schrecken, als ob sich irgendein großes Unheil näherte. "Hast du irgendjemanden außer mir benachrichtigt?"
"Nein, ich... ich wusste nicht, was ich tun sollte, und ihr seid der erste, der mir eingefallen ist. Ich wollte den Fürsten oder den König nicht wecken, und..." Hilgorn unterbrach den jungen Soldaten. "So oder so ist es das, was wir nun tun müssen, denn..." Er wurde von einem gewaltigen Krachen und dem Geräusch von zersplitterndem Glas unterbrochen, dass durch die Gänge des Palastes widerhallte. Noch bevor das Geräusch verklungen war, hatte Hilgorn sein Schwert in der Hand und befahl Berenor: "Wecke Fürst Imrahil und den König - was immer hier geschieht, sie müssen wach und vorbereitet sein." Ohne Berenors Reaktion abzuwarten, hastete er, das blanke Schwert in der Hand, in die Richtung aus der der Lärm gekommen war.
« Letzte Änderung: 3. Jul 2022, 14:11 von Fine »

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