Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Lindon

Die Grauen Anfurten

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Vexor:
Celebithiel, Aphadon, Aratinnuíre und Amrûn aus dem Reich der Dúnedain und den Turmbergen


„ Es riecht nach Schnee“, flüsterte Celebithiel und ihr Atem huschte wie ein kleiner Geist durch die sternenklare Nacht.
Aratinnuíre nickte nur, während sie sich in die Hände hauchte und sie ans Lagerfeuer hielt. Es knisterte leise und hunderter kleiner Funken wurden in die Höhe gespuckt, wo die Kälte sie erstarren ließ und sie einsam, ihrer Seele beraubt, zu Boden sanken.
„ Ist dir kalt Aratinnuíre?“, und ohne eine Antwort abzuwarten gab Celebithiel der zierlichen Elbe ihre Decke ab, die sie zunächst zögernd, dann aber dankbar annahm.
Celebithiel legte sich in das kalte Gras und blickte in die sternenklare Nacht. Der Mond war nicht zu sehen, denn es war Neumond und er schlief gerade, wie ihr Vater immer gesagt hatte. Einzig und allein die Sterne funkelten am Firmament und sie fühlte sich unheimlich geborgen.
„ So friedlich. So friedlich ist es im Winter. Eine Welt bedeckt vom weißen Kleid, gebettet in schöne Träume, in unschuldiger Pracht“, hauchte Celebithiel und unzählige kleiner Geister entfuhren ihrem Mund und stiegen hinauf zu den Sternen, wobei sie wie die Funken von der Kälte irgendwann erbarmungslos verschlungen wurden.

„ Ich mag dort aber nicht hin“, protestierte sie, während sie mit ihren blauen Augen die Landschaft erkundete. Sie blickte über die sanften Hügel der Turmberge, die in feuriges Rot getaucht waren. Der goldene Herbst bestimmte die Flora des westlichen Eriadors und sie konnte sich nicht satt sehen an dem Spiel der Farben, welchem sie ausgesetzt war.
„ Schau mal der Baum da trägt drei – nein vier, unterschiedliche Farben!“, lächelte sie und offenbarte hierbei eine kleine Zahnlücke.
Sie zupfte Celebrian am Ärmel, damit sie aus dem Fenster schaute. Ihr goldenes Haar hatte sich über ihr Gesicht gelegt, welches in den letzten Tagen immer fahler und müder geworden war. Dennoch öffnete sie die Augen, zwang sich zu einem Lächeln, und ihre glasigen Augen folgten dem Zeigefinger des kleinen Mädchens. Er führte zu einer hoch gewachsenen Eiche, deren Blätter schimmerndes Gold, rostiges Rot, weiches Braun und ein schwaches Orange angenommen hatten.
„ Siehst du ihn??“, drängelte das Mädchen in ungeduldiger Manier, während ihr die bläuliche Schleife aus dem Haar fiel, aber sie bemerkte das gar nicht.
Celebrian lächelte liebevoll und nickte, bevor sie mit angeschlagener Stimme antwortete, während sie dem Mädchen durch das gelockte rötliche Haar fuhr.
„ Es sieht wunderschön aus. Ich freue mich, dass dir solche Dinge noch auffallen“, sie hustete leicht, “ Die Menschen beachten die Farben eines Tages lediglich an seinen Anfang und an seinem Ende. Dabei wandert ein Tag durch eine Vielzahl von Farbtönen und Schattierungen, und zwar in jedem Augenblick. Eine einzige Stunde kann aus Tausenden von unterschiedlichen Farben bestehen. Wachsgelb, regenbesprühtes Blau. Schlammige Dunkelheit. Seit den Anfängen in dieser Welt habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, darauf zu achten. Verlier diesen Blick für die Farben der Welt bitte nicht Gwilwileth, mein Schatz.“
Gwilwileth verstand die Worte nicht, aber fand sie wunderschön. Sie ließ sich wieder zurück auf ihren Sitz sinken und blickte immer wieder verstohlen aus dem Fenster der kleinen Kutsche, die sie zu ihrem Ziel brachte.
Celebrian lächelte, nahm die Hand ihres Gemahls, und schloss die Augen wieder, sichtlich froh bald die Grauen Anfurten erreicht zu haben.


Eine starke Hand rüttelte sie aus ihrem Schlaf und erschrocken fuhr sie hoch.
„ Keine Sorge, du hast nur geschlafen, wir sind da“, ertönte die Stimme Elronds und seine gütigen Augen hüllten Gwilwileth in völlige Geborgenheit.
Sie stieg aus der Kutsche und blickte auf die westlichste Elbenstadt Mittelerdes. Ihre Augen suchten die Celebrians, die bei ihren Söhnen und Arwen stand. Mit kindlicher Euphorie stürmte sie auf ihre Ziehmutter zu und nahm ihre Hand. Verstohlen blickte sie zu den Zwillingen hinauf, die ihr neckisch durch die locken Haare fuhren.
„ Na Gwilwileth, wie war deine Fahrt?“, fragte Elladan, der mit seinen Geschwistern zu Pferd geritten war.
„ Wunderschön Elladan“, antwortete Gwilwileth mit verträumten Augen, „ Mama hat mir schöne Geschichten über die Farben erzählt.“
Elrohir lächelte und fing an Gwilwileth zu kitzeln, die lachend davon rannte und die Zwillinge aufforderte mit ihr Fangen zu spielen.

„ Ihr fangt mich doch eh nie“, rief sie ihnen trotzend entgegen, während sie über den gepflasterten Weg rannte, der ins Innere der Stadt führte.
Celebrian, die sich einen anthrazit-farbenen Mantel und eine Kapuze übergezogen hatte, hakte sich bei Arwen ein und gemeinsam mit Elrond folgten sie den umher Tollenden.
Gwilwileth achtete nicht auf den Weg und ihre Haare flatterten im Wind, als sie die Stufen heruntersprang, die hinunter führten. Es gab nur wenige Abzweigungen, deshalb entschied sie sich instinktiv für diesen Weg.
Im Nachhinein konnte sie sich kaum an Details Mithlonds erinnern. Nachdem sie beherzt von der letzten Stufe gesprungen war rannte sie noch ein paar Meter, bevor sie keuchend vor einem Abgrund stehen blieb. Elladan und Elrohir holten sie wenige Sekunden später ein und blieben ebenfalls stehen.
Der salzige Geruch des Meeres stieg der schnaufenden Gwilwileth in die Nase und ihre Augen fixierten das Wasser, welches sanft und fast bewegungslos gegen den gemauerten Hafen schwappte.
Regenbesprühtes Blau…ob Celebrian das damit meinte?

Doch Gwilwileth wurde eh und je aus ihren Gedanken gerissen, als eine tiefe, aber freundliche Stimme ertönte, die das leise Rauschen und das pochende Herz Gwilwileths leicht übertönte.
„ Elladan, Elrohir, schön euch zu sehen. Wo ist eure Frau Mutter und Herr Elrond natürlich?“. Gwilwileths Augen wanderten zur Quelle der Stimme und machten einen relativ großen Mann mit schneeweißen Haaren ausfindig.
„ Wir sind hier Cirdan, alter Freund!“, verkündete Elrond, der mit seiner Frau und Arwen gerade die Treppe, die zum Hafen hinab führte, herunter schritt. Als der Mann außer Reichweite war, zupfte Gwiliwleth Elrohir am Ärmel, der sich zu ihr herunter beugte.
„ Duuuu…warum hat der Mann da Haare im Gesicht?“, fragte Gwilwileth mit todernster Miene.
Elrohir konnte nur mit Müh und Not ein lautes Lachen vermeiden. „ Das erkläre ich dir ein anderes Mal“, flüsterte er ihr zu.



Plomp, Plomp
Das Wasser spritzte Gwilwileth auf die Schuhe, aber das war ihr egal. Sie saß am Rande des Hafens und hatte die Beine zu ihrer Brust gezogen. Immer wieder ließ sie die Steine ins Wasser fallen. Die offenen, langen Haare, hingen wie ein Vorhang um ihren Körper, nur ihr Gesicht war teilweise zu sehen.
Plomp, Plomp
Sie wischte sich mit ihrer kleinen Hand über die Nase und rieb sich die Augen. Die Stimme Cirdans, der auf einmal neben ihr stand, hörte sie kaum.
„ Darf ich mich zu dir setzten kleines Fräulein?“, fragte er mit gütiger Stimme.
Gwilwileth zuckte nur mit den Achseln, ohne etwas zu sagen.
Plomp, Plomp
„ Ich kenne dich zwar nicht gut Gwilwileth, aber du erinnerst mich an jemanden. An einen guten Freund, den ich, wie dich, auch zum ersten Mal hier in den Grauen Anfurten antraf. Ich gab ihm damals ein Geschenk. Ein Geschenk, welches ich dir nicht geben kann; aber ihr seid euch sehr ähnlich. Ich glaube es sind – die Augen. Eure Augen sind von derselben Art und Weise.“
Er verstummte und plötzlich blickte Gwilwileth ihn mit verquollenen, roten Augen an.
„ Ein Geschenk von dir würde ich auch nicht annehmen“, funkelte ihn Gwilwileth böse an. Der Mann legte die Stirn in Falten und fragte: „ Wieso?“
Plomp, Plomp
Gwilwileth zögerte und schluchzte tief, bevor sie mit Tränen in den Augen schrie:
„ Weil du meine Mama auf ein Schiff gesteckt hast und jetzt segelt sie davon und kommt nicht mehr wieder!“
Cirdan nickte nur verständnisvoll und legte dem Mädchen ein verfärbtes Ahornblatt in den Schoss. Dann stand er auf und lächelte.

„ Wir werden uns wieder sehen Gwilwileth. Ich weiß nicht wann, aber eines Tages wirst du Mithlond wiederbesuchen“.
Gwilwileth sagte nichts, sondern blickte sturr gerade aus auf die raue See, und so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte die Farbe des Meeres nicht mehr erkennen. Alles was sie sah, war eine trübe Masse, die monoton hin und her schaukelte.
Plomp, Plomp


Eine starke Hand rüttelte sie aus ihrem Schlaf und erschrocken fuhr sie hoch.
„ Keine Sorge, du hast nur geschlafen, wir brechen auf“, ertönte die Stimme Amrûn und seine gütigen Augen hüllten Gwilwileth in völlige Geborgenheit. Irritiert blickte sie auf und erkannte, dass sie immer noch in ihrem Lager in der Emyn Beraid waren.
Aphadon und Aratinnuíre hatten ihre Sachen schon gepackt und warteten anscheinend nur noch auf Celebithiel, die ebenfalls hektisch anfing die wenigen Sachen, die sie ausgepackt hatte, wieder zu verstauen. Es war an diesen Morgen bitterkalt, weswegen Celebithiel den weichen Schal auspackte, den sie in Imladris von Elrond bekommen hatte
Die Gruppe machte sich auf und plötzlich bemerkte Celebithiel etwas weißes in Amrûns Haar.
„ Warte mal Amrûn du hast – du hast da- eine Schneeflocke! Es scheint und das obwohl wir gerade Mal Ende Oktober haben“, lachte Celebithiel, die sich plötzlich, wie ein kleines Kind freute.
„ Dann hattest du doch Recht mit deiner Aussage letzter Nacht, dass es nach Schnee riecht“, sagte Aratinnuíre mit ihrer freundlichen, zurückhaltenden Stimme.
Als sich die rothaarige Elbe noch einmal umblickte, bemerkte sie, dass die Hügelgruppe der Turmberge schon von einer dünnen Schneedecke überzogen war.
„..Und draußen beginnen erste Schneeflocken langsam auf die Welt  herabzuschweben, leise und sachte wie Träume, die endlich bereit sind geträumt zu werden...", seufzte sie, bevor sie nach einer kurzen Wegstrecke die Grauen Anfurten erblickten.


Es war als fühlte sie sich in die damalige Zeit zurückversetzt und so sprintete sie los, als würden sie Elladan und Elrohir wieder verfolgen, und sie hüpfte dieselben Stufen hinab, rannte über den selben gepflasterten Weg und blieb an derselben Stelle stehen, an der sie vor etlichen Jahren das Meer zum ersten und einzigen Male erblickt hatte.
Amrûn kam ihr kurze Zeit hinterher und fragte sie, was los sei, aber sie erkannte nur den türkisen Ton des Meeres und lächelte, während sie leiste flüsterte:
„Die Menschen beachten die Farben eines Tages lediglich an seinen Anfang und an seinem Ende. Dabei wandert ein Tag durch eine Vielzahl von Farbtönen und Schattierungen, und zwar in jedem Augenblick. Eine einzige Stunde kann aus Tausenden von unterschiedlichen Farben bestehen. Wachsgelb, regenbesprühtes Blau. Schlammige Dunkelheit. Seit den Anfängen in dieser Welt habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, darauf zu achten. Verlier diesen Blick für die Farben der Welt bitte nicht Gwilwileth, mein Schatz.“

Amrûn verstand nicht, aber legte trotzdem den Arm um seine Freundin, der eine Träne des Glücks über die Wange kullerte.

Thorondor the Eagle:
Der Elb stand mit Celebithiel am Kai des Hafens. Der Wind suchte sich seinen Weg durch über die felsigen Hügelkuppen und brachte das Meer ein wenig zum peitschen. Zahlreiche Schiffe lagen in der Bucht vor Anker. Man erkannte gleich den Unterschied zwischen jenen die für den Krieg bestimmt waren und jenen die in den Westen segeln sollten. Sie waren weitaus kunstvoller bearbeitet, um denen in Valinor ebenbürtig zu sein.

Amrûn schaute auf den weiten Horizont. Unbeschreiblich schön war es hier zu stehen, den Wind zu fühlen, die See zu fühlen, seine Heimat um sich zu haben.
Er bemerkte die Träne, die über Celebithiels Gesicht huschte und fragte sich woran sie dachte und noch ehe er auch nur einen fröhlichen Gedanken fassen konnte, dachte er an den Abschied seiner Mutter und vor allem, wie er sich dabei gefühlt hatte.
Ähnlich musste es seiner Freundin gehen, denn auch sie hatte Celebrian an das Meer verloren. Ein schlechtes Gewissen überkam ihn, denn er wusste welche Wunden sein Abschied bei ihr hinterlassen würde.
„Es tut mir Leid“, murmelte er unverständlich vor sich hin, beließ es aber dabei. „Guten Tag ihr beiden“, begrüßte sie nun eine tiefe Stimme.
Überrascht drehten Sie sich um und verbeugten sich vor Cirdan und Aratinnuíre. „Habt ihr endlich, nach so langer Zeit wieder in meine Häfen gefunden. Das ist gut, denn wir haben schon auf euch gewartet.“
„Herr…“, begann Amrûn los zu stottern.
„Sag nichts Amrûn“, sprach er auf eine befehlshaberische Art  „Aratinnuíre hat mir bereits alles erzählt. Ich unterstütze dich in deiner Entscheidung, denn sie ist nicht weniger ehrenwert und meine Schiffe biete ich euch an um euer Ziel zu erreichen. So verschieden sie auch sind. Wie ich gehört habe Celebithiel, werdet ihr an der Reise nach Dol Amroth teilnehmen. Galdor und seine starken Krieger werden bald los segeln. Nur auf Galadriels Rat hin haben wir gewartet, obwohl die Zeit schon sehr drängt.“
„Dann sollten wir sie wohl kaum warten lassen“, sagte Celebithiel und machte sich zu ihrem Pferd auf um die wenigen Sachen zu holen, die sie mitgebracht hatte.

„Euch beide sehe ich ja noch“, sagte auch Cirdan und machte sich zu den Kriegsschiffen auf, bei denen bereits einige Männer warteten.
Amrûn machte einen Schritt auf seine Geliebte zu und gab ihr liebevoll die Hand. „Bist du bereit?“, fragte er.
Sie nickte nur zustimmend: „Und bist es du?“
„Bis jetzt habe ich noch nicht darüber nachgedacht, was ich Celebithiel antue. Es macht mich traurig, denn ich bin auch schon einmal hier gestanden und hab einem Schiff und einer geliebten Person hinterher gewunken. Es wird schwer...“, sagte er zuletzt überzeugt.
„Komm mit mir“, legte sie ihm nahe und geleitete ihn zu einer steinernen Bank nahe der Kaimauer.
„Amrûn. Ständig frage ich dich ob du bereit bist in den Westen zu segeln und ständig zögerst du mit deiner Antwort. Was ist los?“
„Ich weiß nicht, ob es die richtige Entscheidung war. Versteh mich nicht falsch, ich liebe dich, mehr als du dir nur vorstellen kannst und nichts wünsche ich mir sehnlicher als mit dir glücklich zu werden. Doch unentwegt plagt mich mein schlechtes Gewissen, weil ich Celebithiel alleine lasse. Sie hat Gandalf verloren, Antien blieb in Lorien und Iseng…, ich wage es gar nicht auszusprechen was dort vorgefallen ist... Galadriel sagte zu mir, dass Freundschaft das wichtigste Gut dieser Welt ist und dass Freundschaft mehr Kraft und Mut spendet als jeder Ring der Macht der jemals geschmiedet wurde. Wenn sie scheitert, werde ich mir dies nie verzeihen“, sprudelte es gerade zu aus ihm heraus.
Sie sagte nichts, stattdessen stand sie auf und rannte weg. Amrûn wurde nervös und folgte ihr sofort.

Was habe ich da nur zu ihr gesagt??

Sie verschwand im Haus von Cirdan gleich gefolgt von ihrem Geliebten: „Aratinnuíre, warte, es tut mir Leid. Ich…“, verdutzt schaute er sie an, als sie ihm ein Blatt Pergament und Tinte hinstellte: „Überlege gut Amrûn und wenn du es weißt, schreibe drauf ob wir hinfort segeln sollen oder nicht und falte es anschließend zusammen. Ich tue dasselbe und zuletzt wird das Glück selbst über unser Glück entscheiden.“

Er tat es, wobei er es nicht für richtig hielt diesen einfachen Weg zu wählen. Lange kehrte er in sich und versuchte beide Seiten abzuwägen, doch es fiel im noch immer so schwer. Aber dann dachte er, wie groß die Angst war, als die Liebe seines Lebens vor ihm davon rannte und er wusste, dass er ohne sie nicht leben konnte. Sein Herz begann zu flattern, als er klar und deutlich „Valinor“ auf seinen Blatt schrieb.

Langsam bewegte sich das Ufer von ihnen weg. Der Wind war stärker geworden und trug das Schiff schneller über das Wasser. Armûn wagte einen letzten Blick auf Mithlond ehe die Sonne hinter dem Horizont verschwand. Tränen überkamen ihn. Er spürte die weiche Hand der Elbe auf seiner Taille: „Ich danke dir für deine Entscheidung.“

Thorondor the Eagle:
Der Horizont verschwamm und er sah das traurige Lächeln Aratinnuíres vor sich. Sie hielt die gefalteten Pergamentstücke in ihrer rechten Hand: „Nimm eines und was darauf steht wird unser Ziel sein.“
Wahllos griff er zu und öffnete es mit dem Wissen was darin stand. Emotionslos schaute er auf den geöffneten Zettel. Aufregung durchzuckte seinen ganzen Körper und er sagte etwas enttäuscht: „Mithlond“. Wie ein Brocken harten Gesteins fiel das Wort auf den Boden und zersprang zwischen ihren Körpern. „Warum hast du das gemacht?“, fragte Amrûn die Elbe, die völlig überfordert von der Reaktion den zweiten Zettel öffnete.
„Du wolltest nach Valinor?“, stotterte sie fragend.
„Ich will dich nicht verlieren“, antwortete er.
„Das wirst du nicht.“
„Ich wünschte, ich könnte dasselbe sagen, aber bleiben wir in Mittelerde, muss ich dich wieder verlassen. So wie ich es vor langer Zeit schon getan hab.“
„Aber dieses Mal gehst du aus anderen Gründen. Du gehst wegen der Freundschaft zu Celebithiel, dies sind Motive die ich verstehe.“
„Trotz allem wird die Vergangenheit mich nicht ruhen lassen und wird weiterhin an meinen Kräften zehren.“
„Wir werden unser Leben gemeinsam verbringen, in naher Zukunft.“
Er schloss sie fest in ihre Arme. Die Stille umhüllte sie wie ein Mantel aus feinem Nebel.

„Amrûn“, flüsterte sie „Die Last… sie wird leichter werden.“ Aratinnuíre überreichte ihm das Amulett von Galadriel: „Es birgt die Macht des ersten Zeitalters, das Licht der zwei Bäume. Dies Schmuckstück mit Galadriel’s Haarsträhne wird dir Hoffnung schenken, wenn du verzweifelst und es wird dir einen Blick in unser gemeinsames Ziel, unser gemeinsames Leben gewähren.“
Dankbar nahm er es entgegen und sein Blick absorbierte das zauberhafte Licht, dass davon ausging. „Für viele Elben ist der Weg nach Valinor eine Flucht aus der Vergangenheit, aber für mich ist es das nicht“, begann Aratinnuíre zu sprechen „Für mich ist damit ewiges Glück und Zufriedenheit verbunden und für dich sollte es auch sein. Bei unserem nächsten Treffen, wirst du bereit sein. Das fühle ich hier.“ Sie führte seine Hand an ihre Brust.
„Die letzten Monate in Imladris waren wunderschön. Ich werde sie lange in Erinnerung behalten, bis ich wieder hierher zurück kehre. Den restlichen Tag verbrachte Amrûn damit all seine Sachen zu packen, die er mitnehmen konnte.
Die Wärme einer leichten Sommerbrise durchflutete Amrûn, als er an den letzten Kuss dachte. An seinen Lippen haftete noch Aratinnuíres Geschmack.

„Wir kommen wieder“, sagte Celebithiel leise zu ihm, deren Hand an seiner Taille lag.

Thorondor the Eagle:
Amrûn holte tief Luft und nahm die frische Brise des Ozeans in sich auf. Er fühlte sich wohl, bei all den Erinnerungen die er an das Meer hatte. Seit jeher hatte er an den Ufern dieser Welt gelebt.
Übermütig preschte das Wasser an den Holzrumpf des Schiffes, also sie aus dem Golf von Lhûn segelten um entlang der Küste nach Süden zu reisen. Lange betrachtete Amrûn die Ufer, er musterte die zahlreichen Farben, die der Herbst über die Landschaft legte. Sie passierten hohe, weiße Klippen, lange Kiesstrände, kleine Fischerdörfer und alte Ruinen.

„Amrûn“, trat nun eine tiefe männliche Stimme an sein Ohr heran „mit deiner plötzlichen Entscheidung doch mitzukommen, hast du mich sehr überrascht. Wobei die Überraschung keinesfalls negativ ist. Ich bin gleich ein wenig ruhiger, wenn ich einen so tapferen und kampferprobten Elben an meiner Seite habe.“
„Ja Galdor, tapfere Kämpfer sind heutzutage kaum noch zu finden“, entgegnete Amrûn.
„Da hast du recht, zumal viele unserer Verwandten fort sind und doch verstehe ich nicht warum. Sieh dir dies Land an, ist es nicht eine Ehre und eine Freude dafür zu kämpfen um es zu bewahren?“
„Da magst du Recht haben, doch der größte Schatz ist nichts wert, wenn man nur damit beschäftigt ist ihn zu verteidigen und keine Zeit hat um ihn zu betrachten und ihn in all seiner Schönheit wahrzunehmen.“
„Diese Zeiten werden wir auch noch sehen, wenn Sauron bezwungen ist und seine Diener für immer von dieser Welt verschwinden.“
„Ich weiß nicht, ob es jemals Friede auf Dauer geben kann. Denn selbst wenn Sauron nicht mehr existiert, so streben andere nach Macht und Ruhm und werden alles tun um ihn zu erreichen.“
„Glaubst du das wir, Elben, Menschen und Zwerge nicht in der Lage sind aus alten Fehlern zu lernen?“
„Mein lieber Freund, wir lernen sehr wohl aus unseren Fehlern, doch was ist mit unseren Kindern und Kindeskindern? Sie wissen nicht, was wir erlebt haben und können nicht nachvollziehen wie wir uns fühlten. Blicke in die Geschichte zurück und du wirst es erkennen…“

Galdor überlegte eine Weile, während sich Amrûn wieder der langsam davon gleitenden Küste widmete. Die Gipfel der Ered Luin waren schneebedeckt und vereist, sodass sie in der Dämmerung leicht bläulich schimmerten. Plötzlich ergriff der andere wieder das Wort: „Kein Beispiel fällt mir ein um dir zu Widersprechen, Amrûn. Doch eines sage ich dir, wenn wir nicht für Mittelerde kämpfen um es zu säubern, dann werden wir nicht einmal die Chance auf Frieden haben und das Ansicht ist der wohl traurigste aller Träume.“
„Er hat Recht“, kam Celebithiels Zustimmung von hinten „Wer kämpft, kann verlieren, aber wer nicht kämpft, der hat längst verloren.“

Amrûn streckte ihr die Hand entgegen die sie erfreut entgegen nahm. Eine Woge von Mut überkam den Elben und er spürte eine prickelnde Wärme in seinem Körper. Sein Blick war auf die Silhouette Mittelerdes gerichtet, als ihm die entschlossenen Worte entwichen: „Dann werden wir kämpfen.“


Celebithiel, Aphadon, Galdor, Amrûn und ein Heer von Elbenkriegern auf dem Seeweg nach Edhellond

Fine:
Galadriel, Celeborn, Celebithiel und Faelivrin mit den Galadhrim von der Großen Oststraße


Aus der Sicht Círdans

Die Galadhrim waren eingetroffen. Ein langer Strom von Waldelben erreichte gerade das westliche Ende der Großen Oststraße und sammelte sich auf dem großen Platz vor den Toren der Stadt.
In Begleitung Galdors trat Círdan, der Meister den Anfurten ihnen entgegen. Die Elben MIthlonds  begannen, die ehemaligen Bewohner Lothlóriens in die Stadt und zu den vorbereiteten provisorischen Unterkünften zu geleiten. Jene, die in den leer stehenden Häusern wohnen mochten würde er es gestatten. Doch die meisten Waldelben würden ohnehin die Wälder Lindons als neue Wohnstätte bevorzugen, die von den Hochelben zwar gehegt, aber nicht bewohnt worden waren. Und gewiss würden einige schon bald über das trennende Meer fahren wollen, um die Kreise der Welt für immer zu verlassen.

Die Herrscher Lothlóriens kamen auf Círdan zu. Es wurde zunächst kein Wort gesprochen. Zeitalter hatten sie gemeinsam erlebt und er konnte in ihren Gesichtern und vor allem in ihren Augen vieles lesen, was nicht ausgesprochen werden musste. Das Goldene Tal war gefallen. Curunír hatte seinen erneuten Verrat bewiesen. Doch auch Hoffnung konnte Círdan entdecken, als er die junge Celebithiel erblickte, die Galadriel und Celeborn gefolgt war.
"So ist nun endlich der Zauberbann von Mithrandir genommen worden," stellte er fest. Er musste nicht fragen. Ein zweiter Blickt zeigte ihm, dass der Ring des Feuers Celebithiels Hand nicht länger zierte. Ihr Feuer hatte sie verbraucht und selbst ein Ring der Macht konnte aus der Asche keine neue Glut entfachen. Nein, nur sie selbst konnte es wieder entzünden.

"So ist es," bestätigte Celeborn. "Er brach ins Land der Halblinge auf. Sie liegen ihm weiterhin sehr am Herzen."
"Er wird Sarumans Einfluß dort austreiben," fügte er gleich darauf hinzu. "Und er ist nicht allein. Die Dúnedain werden ihm helfen, wenn sie erkennen, dass sie getäuscht werden."
Círdan war gut über den Verrat der Waldläufer des Nordens unterrichtet. Seine elbischen Boten wandelten ungesehen durch Eriador, um Nachrichten aus Imladris und dem Norden einzuholen. Vieles was sie berichtet hatten war erschütternd gewesen. Es war gut, dass nun etwas gegen Curunír unternommen wurde.
"Auch meine Gestade blieben nicht unberührt," sagte er bedeutungsvoll. "Curunír ließ den Sehenden Stein vom Elostirion entwenden. Ich fürchte, er wird ihn für seine selbstsüchtigen Zwecke missbrauchen. Wir haben es erst vor Kurzem bemerkt, denn für gewöhnlich bleibt der Turm verschlossen und niemand geht hinein."
"Der Elendil-Stein ist fest nach Westen ausgerichtet," merkte Celeborn an. "Viel wird er damit nicht anfangen können."
"Nicht ohne Grund nahm er den Palantír in Besitz," erwiderte Círdan. "Vielleicht vermögen wir seine wahren Absichten noch nicht zu erkennen. Es ist beunruhigend, dass diese Tat vor den Augen der Elben Mithlonds verborgen blieb, die wir uns doch stets für besonders aufmerksam gehalten haben."

Gemeinsam begaben sie sich in Círdans Residenz. Viel wurde nun von den Ereignissen im Süden und dem Verlauf des Krieges gesprochen. Círdan war erfreut zu hören, dass noch nicht alle Galadhrim den Kampf aufgegeben hatten sondern mit der Elbin Mithrellas nach Dol Amroth gegangen waren. "Vielleicht wäre es nun weise, die Schwanenstadt erneut mit Schiffen zu unterstützen," überlegte er. Bereits zuvor hatte er Galdor gen Süden entsandt um die Belagerung durch die Orks von Mordor und die Korsaren von Umbar zu brechen.
Celeborn berichtete nun vom Rat der Freien Völker in Aldburg und vom Auftritt Sarumans. "Er hat sie alle betört, selbst Meister Elrond," sagte er dazu. "Und nun ziehen die verbliebenen Streitkräfte der Menschen und Elben gemeinsam mit Sarumans Orks gegen Dol Guldur. Es ist Torheit, den Feind so zu provozieren. Ich fürchte, Rohan wird nicht lange frei bleiben."
"Freimütig trafen sie die Entscheidung, mit und nicht länger gegen Cúrunír zu kämpfen," erwiderte Círdan. "Es wird sich zeigen, ob ihre Wahl gut war. Lasst uns nun tun, was wir können, um diesen Ort zu einer sicheren Zuflucht für jene, die vom Krieg gebrochen sind zu machen."
Galadriel schien es gleich zu sein. Sie wirkte angeschlagen und nicht ganz sie selbst auf ihn. Ihr Mut schwankt, stellte er fest. Wahrlich, die Welt war kalt geworden wenn sie selbst das Feuer von Finarfins Tochter zu ersticken drohte. Círdan konnte inzwischen erkennen, dass auch sie darüber nachdachte, über das Meer zu fahren. Doch noch schien Celeborn sie davon abzuhalten.

"Ist der junge Amrûn mit euch gezogen?" fragte er in einer Gesprächspause. "Oder ging er zurück nach Dol Amroth, wohin er letztes Jahr von hier aus aufbrach?"
"Amrûn fiel bei der Verteidigung Lothlóriens," antwortete Celebithiel leise. "Er war mutiger als wir alle."
So viele, die nun in den Hallen Mandos' ihres Schicksals harrten. Wie viele mochten wohl noch folgen? Er wusste es nicht. Dies waren finstere Zeiten. Doch solche Jahre hatte er bereits erlebt als Gil-galad noch König von Lindon gewesen war.

Bis spät in den Abend tauschten sie sich aus und besprachen das weitere Vorgehen. Die Galadhrim und ihre Anführer waren müde von der langen Reise durch das Dunland und Eriador und froh, endlich am Ziel angelangt zu sein. Die Wälder und Städte Lindons würden sie gastfreundlich aufnehmen, dafür würde er sorgen. Círdan erhob sich und wünschte allen Anwesenden eine gute Nacht. Langsamen Schrittes begab er sich zum Hafen und erreichte kurz darauf die große Anlegestelle, als gerade eines der kleineren Schiffe die Reise in den Alten Westen antrat. Er blieb stehen, den Blick auf das Segel geheftet als es sich langsam entfernte. Einige hatten offenbar nicht einmal einen Tag in Mithlond verweilt. Er fragte sie, wie viele sich ihnen wohl noch dorthin anschließen würden.

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