Elea vom Haus im vierten RingEisig war jener kalte Abend. Elea hatte nicht daran gedacht sich einen Umhang mitzunehmen. Sie stieg eilig die wenigen Stufen zum Haupteingang hinauf. In der Halle brannte Kerzenlicht und die Kamine, teils am Rande, teils in der Mitte des Raumes waren beheizt.
„Ah, da seid ihr ja. Ihr seht atemberaubend aus, Elea“, begrüßte sie Herumor. Sein Gewand war bis oben hin zugeknöpft und die äußeren Strähnen seines Haares hinten zusammengeflochten. Einladend hob er ihr die Hand hin, sie griff danach. Er verneigte sich eilig vor ihr und beschritt den Saal. Zahlreiche Männer und ein paar Frauen hatten sich eingefunden. Die Blicke fixierten die Fremde an Herumors Seite.
„Möchtest du ein Glas Wein, ehe ich dich den Menschen vorstelle?“, fragte er höflich.
Elea nickte.
„Aus dem fernen Dorwinion, aus den Händen der Elben.“
„Danke“, antwortete Elea und griff nach dem Kelch. Reihum wurde sie der Gesellschaft vorgestellt als „Elea – Dunedain aus dem Norden, eine Tochter Arnors“ und jeder bewunderte ihre schöne, funkelnde Halskette. Sie hingegen lernte Ratsmitglieder, Hauptmänner, den Herren der Heilhäuser und den Hüter der königlichen Grabstätte, Fürsten aus fernen Lehen kennen. Gemeinsam nahmen sie das Mahl ein und es war reichlich gedeckt. Von Nöten gar keine Spur.
„Ach Herumor! Der gestrige Tag liegt mir fast so schwer im Magen wie dies Essen heute. Dieses Feuer… Wann ist das alles vorbei?“ fragte ein dicker Mann am Tisch.
„Das ist schwer zu sagen, werter Freund. Zu vieles entgeht noch unseren Augen, zu wenig können wir überblicken, aber eines ist sicher. In der Stadt werden es immer weniger.“
„Helden wollen sie sein, ungutes Gesindel“, antwortete der Dicke.
„Elea seufzte laut. Ihr Begleiter schaute sie an: „Was ist so verwerfliches daran ein Held sein zu wollen?“
„Heldentum ist nichts für Bauern. Man sollte es den Kriegern und Herren überlassen die genug Macht und Ausbildung haben dafür haben.“
„Dann glaubt ihr mehr Held zu sein als ein einzelner Fußsoldat an der Front der einen Feind nach dem anderen erlegt?“
„Haben sie jemals ein Lied über diesen Bauern gehört?“, fragte wieder das Ratsmitglied.
„Warum habt ihr noch keines geschrieben?“, entgegnete sie schnippisch „Warum sollte der Soldat weniger geehrt werden als sein Heerführer?“
„Weil der Soldat nur Befehle seines Herren befolgt.“
„Und wenn es die Not verlangt, dass er sich einem Befehl widersetzt?“
„Dann war er ungehorsam. Und dies gehört nicht zu den Tugenden eines Helden.“
„Und trotzdem hat er sicherlich mehr Feinde erlegt als ihr euer Leben lang“, widersprach sie.
Die Menschen am Tisch schmunzelten. Herumor legte seine Hand auf die ihre und deutete damit aufzuhören. Ein Moment des Schweigens erfüllte den Saal.
„Hinter diesem hübschen Kleid versteckt sich eine heißblütige Kriegerin, Herumor. Sei vorsichtig“, sagte er grinsend und prostete ihr dabei zu.
„Ja, in ihr fließt das starke und hitzige Blut der Könige Numenors. Ich bin froh, sie heute an meiner Seite zu haben.“
Die Stunden vergingen und die Feuer erloschen. Das Fest war zu Ende. Herumor gab Elea seinen Mantel und begleitete sie nachhause.
„Elea“, sagte er „das war heute nicht sehr höflich von dir.“
Sie sah in leicht erschüttert an, beugte sich dann aber seinem vorwurfsvollen Blick. „Ich weiß. Es hat mich aufgeregt wie abschätzig er über Helden sprach.“
„Er hat es in deinem anderen Zusammenhang gesehen!“
„Ein Held ist ein Held, egal auf welcher Seite er steht. Und jeder von ihnen musste mit kleinen Taten beginnen“, setzte sie ihm entgegen.
„Und nicht zu vergessen: das meist tragische Ende“
„Nein, nicht das Ende ist tragisch, sondern der Scherbenhaufen der zurückbleibt“, antwortete sie „Frau und Kinder, ein führerloses Königshaus oder ein Zusammenbruch des ganzen Landes.“
Er hielt ihre Hand.
„Danke für die Einladung“, sagte sie abschließen.
„Ich hoffe, es gibt ein nächstes Mal.“
„Wir werden sehen!“, verabschiedete sie sich.
Elea zurück zum Haus im vierten Ring