Helegwen, die Frostbogenschützin
Angmar war schon besiedelt lange bevor der Hexenkönig einen Fuß auf seinen Boden setzte. Die Menschen die dort lebten, nannte man die Schwarzen Numenor.
In einem Bergdorf Angmars, in der Nähe eines Berges aus dem ein kristallklarer Fluss entsprang, lebte ein kleines Mädchen namens Helegwen. Helegwen war ein eigensinniges Mädchen, welches zwar gerne mit ihren Freunden im Dorf spielte, jedoch auch ebenso oft mit ihrem Hund Skeever durch die Wälder um Dorf und Fluss zog.
Nur der Berg war ausdrücklich verboten, da dort Orks lebten und diese zu gefährlich waren. Immer hielt sich Helegwen daran und blieb stets am Fluss. Dort traf sie eines Tages einen alten Mann. Als sie ihn fragte wie er hieße meinte er, er habe keinen Namen, sie könne ihn jedoch Bow nennen.
Er entdeckte bereits früh, dass Helegwen mit für Menschen außergewöhnlich guten Augen geboren wurde und zeigte ihr daher den Umgang mit dem Bogen, allerdings nur etwa 1 Monat im Jahr, den Rest der Zeit reiste er durch die Länder südlich von Angmar. Dennoch trainierte Helegwen auch wenn Bow nicht da war und zusammen mit Skeever versuchte sie Jagd auf Tiere zu machen, dennoch brachte sie es nie übers Herz einem Tier Schaden zuzufügen.
So ging es viele Jahre, bis irgendwann ein Turnier der Jungs anstand.
Einer der Älteren hatte von seinem Vater einen Bogen geschenkt bekommen und nun versuchte die versammelte Dorfjugend auf ein Ziel in Form einer großen alten Keramikschale zu schießen. Da jedoch noch nie einer einen Bogen in der Hand hatte, waren die sichersten Plätze oftmals direkt vor dem Ziel oder in einem der Häuser bei verschlossenen Fenstern.
Nachdem die Jungs sich dann vor den Mädchen lächerlich gemacht hatten und sich diese herzhaft darüber echauffierten, forderten die Jungs die Mädchen auf, ihnen doch zu zeigen wie man es richtig machen würde.
Die Trefferquote der Mädchen lag ähnlich der Quote der Jungs, jedoch mit etwas weniger Kollateralschäden, da die Mädchen deutlich weniger Spannkraft mit den Armen aufbringen konnten. Alle, bis auf Helegwen!
Als diese den Bogen bekam, positionierte sie sich so, wie sie es von Bow in ungezählten Stunden gelernt hatte, zielte kurz und schoss, direkt durch die zerspringende Schale hindurch in das Auge eines Orks!
Der Orks fiel jedoch tot um, noch bevor er schreien konnte.
Ein Schwert hatte ihn durchbohrt und der Mann der dieses Schwert aus dem Leichnam zog war Bow. Ohne sich um den Ork oder um Helegwen weiter zu kümmern, ging er sofort zur großen Halle, in denen die Ältesten des Dorfes berateten.
Der Vorsitzende dieser Versammlung stoppte Bow vor dem Haus und fragte ihn was sein erscheinen im Dorf bedeute, da er unerwünscht wäre.
"Der Ork, den Helegwen getroffen hat, war ein Späher einer ganzen Armee von scheußlichen Kreaturen des Gebirges! Sie sammeln sich für einen ihrer Raubzüge. Ihr solltet von hier weggehen, diesmal rauben sie nicht die südlichen Gebiete aus.", erklärte Bow.
Von diesem Bericht gewarnt legte der Vorsitzende eine Eilversammlung der Dorfältesten fest und bis spät in die Nacht wurde diskutiert, ob man den Worten eines Waldläufers denn glauben könne. Die Orks hatten seit Menschengedenken nicht mehr im Norden geplündert.
Aber wenn man nun auf ihn hören würde, wo sollte man hin?
Es dauerte eine volle Woche, in der Bow den Kindern des Dorfes zeigte, wie sie mit dem Bogen schießen konnte, sobald er von den Ältesten entlassen wurde. Erst dann kam man zu einer Entscheidung. Man wolle das Dorf nicht aufgeben, würde jedoch die Bedrohung durch die Orks ernst nehmen und die Barrikaden erneuern. Weiterhin wolle man in den südlichen Dörfern nach Soldaten fragen.
Bow, von dieser Entscheidung nicht begeistert, machte sich sofort auf seinen eigenen Weg weg vom Dorf. Helegwen folgte ihm am nächsten Tag und als sie ihn eingeholt hatte fragte sie: "Warum bist du geflohen?"
"Warum bist du mir gefolgt, kleines Mädchen?"
"Ich bin nicht klein und außerdem wollte ich nicht, dass du alleine bei den ganzen Orks bist!"
"Die Orks sind nicht hier. Die befinden sich einen halben Tagesmarsch entfernt in eurem Dorf."
Ohne ein weiteres Wort rannte Helegwen sofort zurück nach Hause und als sie dort ankam sah sie bloß noch verkohlte Holzbalken und Leichen.
Ihr Dorf war zerstört.
"Warum? W-Wie?" brach Helegwen in Tränen aus. Beruhigend legte sich eine Hand auf ihre Schulter und Bow sagte ihr: "Sie kamen als es dunkel wurde. Die Ältesten haben zu lange gezögert, obwohl die Orks das Dorf unter Beobachtung hatten. Weißt du, Orks sind Feiglinge, aber in großen Truppen schon wieder fast tollkühn.
Hätten die Ältesten sofort die Barrikaden verstärkt, hätten die Orks nicht angegriffen. Sie haben Zeit gebraucht um ihre Armeen aus den Bergen zu versammeln. Diese Woche des Zögerns hat ihnen die Zeit und eurem Dorf einen Tag des Todes gebracht."
Es dauerte einen vollen Tag bis sich Helegwen wieder rührte und mit Bow sprechen konnte. Dieser stellte sie vor die Wahl, entweder mit ihm zu gehen, mit dem Jammern aufzuhören und ebenfalls Waldläuferin zu werden oder er würde sie alleine sterben lassen. Als sie ihn daraufhin als Unmensch beschimpfte meinte er nur, dass auch in seinen Adern Orkblut fließen würde.
Dennoch entschied sich Helegwen für das Leben mit Bow und er lehrte sie alles, was sie über die Wildnis wissen musste und noch einiges mehr.
Die Jahre vergingen und Helegwen wurde immer mehr zu einer erfahrenen Waldläuferin, ohne jedoch je die Taten der Orks zu vergessen und ihr Hass wurde zu einer alles verschlingenden Flamme.
Dennoch wurde auch Helegwen aufgezeigt, dass das Alter noch viel Hassenswerter war als alle Orks der Welt. Während Helegwen nämlich mit 15 Jahren ihre Augen, Ohren und Arme trainiert hatte und so einen Orks mit ihren Pfeilen bereits aus großer Ferne hören, sehen und schließlich töten konnte, wurde Bow nicht nur immer langsamer und schlechter im Bogenschießen, er wurde auch zunehmend schwachsinniger.
Oft pöbelte er, wenn sie mal in einem Dorf waren (besonders in Rhudaur wo sich beide am liebsten aufhielten), oder er war so ungeschickt, dass er mehrmals Orkhaufen auf sie aufmerksam machte und Helegwen das Weite suchen musste, während sie Bow irgendwie mitschleifte. Als solche Fälle immer schlimmer wurden und sich in Helegwen immer mehr das Verlangen durchsetzte ihn zu töten für seinen Leichtsinn, packte sie irgendwann ihre Sachen und ließ Bow des Nachts alleine.
Seither jagte sie alleine die Orks des Gebirges und machte dabei immer wieder Halt in Rhudaur, besonders in der Schänke "Zum Knochenbrecher".
Der Wirt war zwar nur bedingt freundlich, fragte aber nicht woher Helegwen ihre Waren hatte und gab ihr bereitwillig ein Bett für die Nacht. In diesem Wechsel zwischen monatelanger Jagd auf Orks und einer Nacht in einem erbärmlichen Gasthaus wurde sie Erwachsen.
Dennoch hatte sich das Geschäft der Orkjagd verändert.
Von einem grauenhaften Monster war die Rede in den Gebirgen, welches aber nur Orks zu jagen schien. Mit Pfeilen groß wie Baumstämme durchbohrte es ihre Köpfe (im Vorgebirge wurden die Orks gar mit ihren eigenen Gefallenen getötet) und unermüdlicher Rachsucht kam es zu ihnen um blutende Ernte zu holen.
Und wirklich waren die Orks nur noch in großen Verbänden unterwegs, allerdings auch unter einem Zeichen, dass einer Krone aus Eisen geschaffen recht nahe kam. Natürlich hatte Helegwen auch in Rhudaur von diesem dubiosen Hexenmeister, der sich selbst den hochtrabenden Namen Hexenkönig von Angmar, gehört. Was sie jedoch im Unterschied zu den meisten Menschen Rhudaurs wusste war, dass der Hexenkönig nicht nur Orks kontrollierte, sondern auch Menschen Angmars und Arnors gleichermaßen.
Ihre Rache ausschließlich auf die verhassten Orks verfolgte Helegwen dennoch weiter.
"Die Orks sind schwach. Dennoch, die Zahl an Toten muss verringert weren, will die Eisenkrone siegen!" sagte eine heiser, flüsternde Stimme in den Hallen ihrer dunklen Festung in Angmar.
"Mein Gebieter, wir besitzen nicht genug Informationen um zu wissen worum es sich handelt. Die Späher erwiesen sich als Inkonsequent", erklärte ein Mann mit einer Aura die nur aus Alter zu bestehen schien, "Gestattet mir mit Zaphragor alleine auszuziehen und diesen Störenfried seiner gerechten Strafe zuzuführen. Ihr Tod wird den Widerstand der Menschen moralisch schwächen! Sie ist zur Reizfigur einer irrelevanten Hoffnung verkommen, nun, nachdem selbst der Wachturm Amon Suls fiel."
"Ihre Hoffnung, ich werde sie vernichten! Doch nicht mit Tod. Findet diesen Mann, nehmt ihn gefangen und dann wird er zum Champion unserer Armeen!"Der Winter kam früh dieses Jahr.
Rhudaur war fest unter der Hand der Eisenkrone und voll von Orks. Helegwens Vendetta wurde dadurch jedoch eher angefacht denn gemildert. Rhudaur war für sie inzwischen mehr Heimat als Angmar je war und so starben Orks in weitaus größerer Zahl als je zuvor.
Nun, nach über drei Monaten der Jagd, war Helegwen wieder auf den Weg zur Schänke "Zum Knochenbrecher". Dort war sie alleine, denn niemand reiste mehr im Krieg und sie war zu nahe an einer neuen Festung der Dunklen Numenor als das Verräter dort hin gingen, für Soldaten aber auch zu weit entfernt um ihr Bier dort zu holen. So verkam die Schänke noch mehr, aber zumindest wurde Helegwen weiterhin ihre Beute los.
Als sie aber aus dem Wald hervorkam und die Schänke erblicken konnte merkte sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Pferde waren draußen angebunden, drei Stück.
Es war ein Hinterhalt!
Sie wusste es, aber sie spürte ebenso, dass sie nicht fliehen konnte. So ging sie dennoch in das alte Gasthaus und ehe sie etwas bestellen konnte sackte der Wirt mit einem Pfeil im Kopf hinter den Tresen zusammen. Mit den zweiten Pfeil im Anschlag verlangte Helegwen: "Zeigt euch, ihr mieses Gesindel! Kampflos werde ich nicht sterben!"
"Nicht so laut, junges Mädel", beruhigte sie eine Stimme von der Seite und plötzlich saßen dort drei Männer am Tisch.
Der Mittlere war einfach nur als Alt zu beschreiben, dennoch versprühte er die größte Macht.
Rechts daneben saß ein Hüne, gegen den selbst ein Troll klein aussah. Mit großem Schwert und dicker Rüstung schimmerte ein eisiger Fanatismus in seinen Augen, der nur dem Hass Helegwens gleichkam.
Links am Ende saß der Jüngste. Ein Mann mit Kapuzenumhang, den man, sofern man es nicht besser wusste, für einen Waldläufer hätte halten können, jedoch wusste Helegwen sofort, dieser war der Kämpfer unter den Dreien.
"Mein Name ist Gulzar, der Mann mit dem großen Schwert wird Zaphragor genannt und auf der anderen Seite sitzt Durmarth. Hast du bereits von uns gehört, Mädchen?" fragte der Mann in der Mitte.
"Ja, Gulzar, der oberste Hexenmeister und rechte Hand des Hexenkönigs, Zaphragor der Hexerkrieger, einst ein Held der Menschen dieses Landes, nun ein Fleck der Schande in seiner Geschichte und zuletzt Durmarth, der Anführer der Schwarzen Garde, der besten Kämpfer Angmars. Ich habe von euch gehört und muss nun wohl annehmen, ihr wollte meinen Tod!" bestätigte Helegwen.
"Nun, der Hexenkönig lässt noch ein Mal Gnade vor Recht ergehen. Schließt euch ihm na, tötet keine Orks mehr und regiert unter seiner Hand euer eigenes Reich! Dies biete ich euch an. Wenn ihr aber so dumm seid und euch weigert, da..."
Der Pfeil Helegwens zersprang vor dem Gesicht Gulzars und sofort griffen Zaphragor und Durmarth an.
Helegwen weichte Durmarth aus und schoss einen Pfeil in den nur mit Leder gepanzerten Arm Zaphragors, der davon jedoch sichtlich unbeeindruckt nur mit seinem Schwert ausholte. Gerade wollte Helegwen sich wegducken, da traf sie ein Stoß (ein Zauber Gulzar hatte sie erfasst) und sie fiel.
Was dann geschah wusste sie nicht mehr.
Schmerz, Ein Brummen. Zu viele Stimmen.
Und Hunger und Durst.
Das war es, was sie als erstes merkte als sie die Augen aufschlug.
"Was ist passiert?" fragte sie sich leise selbst.
"Zaphragor hat dir bei deinem Fall die Arme abgeschnitten und du wurdest Ohnmächtig", erklärte ein seltsam geduldiger Gulzar, "Da du nicht tot warst, nahmen wir dich mit nach Carn Dum, wo der Rat der Hexer beauftragt wurde, dich am Leben zu erhalten.
So nahmen wir deine Arme, nähten sie wieder an deinen Körper und verbanden sie mit Magie endgültig. Dennoch, es dauerte fast zwei Wochen, trotz magischer Hilfen und guter Pferde, dich nach Carn Dum zu bringen. In dieser Zeit wurden deine Arme schwach.
Es tut mir Leid, aber du wirst niemals mehr so starke Pfeile schießen wie früher", und das Bedauern war sogar ehrlich, wenn auch mehr wegen der Schwäche des Champions, als wegen Helegwen selbst.
"Ich kann keine Pfeile mehr verschießen? Aber im Nahkampf bin ich nicht gut und von Taktik verstehe ich nicht genug", wandte Helegwen ein.
"Das stimmt, aber Pfeile können auch mit Magie tödlich sein!
Die Kraft selbst hat dich verlassen, aber dafür steht dir nun die Macht der Magie der Eisenkrone zur Verfügung. Sie ist schwächer als bei den Hexern, jedoch mächtig genug um dem Hexenkönig zu dienen.
Du kennst seine Macht. Er musste nur einmal mit seinem weiten Blick nach dir schauen um das zu erkennen, was die Kundschafter, die nach dir suchten, in 5 Jahren nicht schafften. Folge ihm und ergebe dich seiner Macht!", verlangte Gulzar.
"Und wenn ich es nicht mache ist mein Leben wohl verwirkt", Gulzar nickte nur, "Arnor bedeutete mir nichts, nur für den Hass auf die Orks habe ich gelebt, jedoch, dies war ein vergangenes Leben. Die Eisenkrone, lieber würde ich sie zu Fall bringen, doch wie sollte eine Frau schaffen, was Armeen nicht gelang?
Wenn euer Herr so mächtig ist, ich diene ihm, wenn er mir das Alter und den Wahnsinn für alle Zeit absprechen kann!"
"Eine ungewöhnliche Bitte, dennoch machbar. In deinen Adern fließt bereits die Magie des Eises von Angmar. Es gibt nichts was beständiger ist als Eis und so wie das Eis nie vergeht, so sollst auch die nie vergehen, Helegwen, die Frostbogenschützin!" ließ eine Stimme Helegwen und Gulzar erschauern und der Hexenkönig gebot seinem neuesten Champion zu knien.
Und mit diesem Fall wirkte Helegwen als Frostbogenschützin auf ewig in den Diensten Angmars. Ihre Pfeile fliegen nicht tief ins Fleisch, aber das Eis aus dem sie bestehen lähmt den Körper und macht die selbst due dicksten Mauern spröde.
Ihr Hass auf Orks ist nie verloschen und wann immer einer bestraft werden muss, stets ist Helegwen die Erste und ihr Pfeil der letzte Vollstrecker des Urteils. Alter und Wahnsinn haben von ihr abgelassen, so wie der Hexenkönig es versprach, und als ewig Junge führt sie die Armeen der Waldläufer Angmars in die Schlacht.