Elea aus Aldburg (http://modding-union.com/index.php/topic,5199.msg404139.html#msg404139)
Cyneric blendete die fortdauernden Gespräche der Heerführer aus. Das Wichtigste hatten sie besprochen, nun würde es nur noch um Details gehen. Und schon bald werden wir den Übergang über den Fluss wagen, dachte er. Er hoffte, alles würde reibungslos ablaufen und das Heer würde bald aufbrechen können. Je früher, desto besser.
Draußen vor dem Zelt erregte etwas am Rande seines Sichtfelds seine Aufmerksamkeit. Wachsam trat er nach draußen und sah eine ihm bekannte weibliche Gestalt auf das Zelt zutreten. Er erkannte sie als Elea, die Frau die vor einiger Zeit eine Audienz bei dem Heermeister Faramir gesucht hatte. Er hielt sich bereit, ihr den Zutritt zum Zelt zu verwehren, doch sie wandte sich nach links und kam vorsichtig auf den dort postierten Waldläufer zu. Ihr Gesicht zeigte eine Mischung aus Erleichterug und Sorge, doch vor allem Verständnislosigkeit konnte Cyneric darin entdecken.
"Helluin," sagte sie leise, "du bist hier!"
Der Waldläufer - Helluin - blickte sie mit einem undeutbaren Ausdruck in den tiefblauen Augen an.
"Mutter. Du hättest nicht herkommen sollen," sagte er kühl. "Bitte geh' wieder. Das hier ist kein Ort für dich."
Sie schüttelte den Kopf, offenbar getroffen von dieser Aussage.
"Nein. Ich werde nicht gehen, Helluin. Nicht, bevor du mir nicht erklärt hast, was geschehen ist, und wieso du diesem...Zauberer folgst."
"Du würdest es nicht verstehen," gab Helluin zurück.
"Ich kann es wenigstens versuchen," antwortete Elea fest. "Sag' mir die Wahrheit! Was soll das Ganze? Was ist mit den Dúnedain geschehen? Ich habe Schreckliches über ihre Rolle beim Fall von Lórien gehört!"
"Wir tun nur, was dem Wohle unseres Volkes und dem Ruhm Arnors dient," sagte Helluin, der seine Hand zur Faust geballt hatte. "Saruman wird uns helfen, den Glanz des nördlichen Reiches wieder erstrahlen zu lassen, seine Ruinen wieder zu prächtigen Städten zu machen und sein Volk aus der Armut in der es lebt zu neuem Reichtum zu führen."
"Glaubst du das wirklich?" wollte Elea wissen. "Ich... ich habe gehört, dass Saruman die Familien derer, die sich ihm entgegenstellten als Geiseln genommen hat. Ist es wahr? Folgst du ihm aus Angst davor, was er ihnen antun könnte?"
"Das ist eine Lüge," zischte Helluin. "Saruman hat nichts als unser Wohl im Sinne!"
"Und sein Angriff auf Lórien? Das war eine Tat des puren Bösen!"
"Die Elben mussten lernen, über welche Macht er nun verfügt. Er ist der einzige, der Sauron aufhalten kann. Durch seinen Sieg in Lórien hat er das bewiesen!" erklärte Helluin grimmig.
Schockiert wich Elea einige Schritte zurück. "Das.. kannst du doch nicht wirklich glauben! Bitte, Helluin, komm' mit mir, und wir verlassen diesen Ort. Lass' uns nach Hause zurückkehren, wo wir sicher sein werden!"
"Sicher? Du glaubst, auf dieser Welt gäbe es noch Orte, die wirklich sicher sind?" antwortete Helluin wütend. "Nein - wir müssen uns unsere eigene Sicherheit schaffen, und nur Saruman kann uns dabei helfen!"
Elea ließ die Schultern sinken, und Cyneric konnte sehen, dass ihre Augen voller Tränen waren. Gerade hatte er sich dazu durchgerungen, etwas zu sagen, als Saruman aus dem Zelt hinter ihm trat. Offenbar ist die Besprechung der Heerführer jetzt zuende, dachte Cyneric.
Der Zauberer erfasste die Lage mit einem Blick und trat auf Elea zu, nachdem er Helluin bedeutet hatte, stehen zu bleiben. Cyneric konnte sehen, wie die Dúnadan ihren Blick zornerfüllt auf Saruman richtete. Dann begann er, zu sprechen.
"Erelieva von den Dúnedain. Welch eine Überraschung, Euch hier zu sehen. Wie Ihr sehen könnt, geht es Eurem Sohn gut - er dient mir als Rechte Hand, und hat sich als außerordentlich tapfer erwiesen."
"Lass' ihn in Ruhe!" schrie sie, doch mit weniger Entschlossenheit als zuvor.
"Ich werde nichts tun, was er nicht aus freien Stücken gewählt hat. Er dient mir, weil er erkannt hat, dass es das Richtige ist. Wollt Ihr denn nicht, dass er glücklich ist? Wollt Ihr ihm seine Entscheidungen nehmen?"
"Er weiß nicht, was er da tut," protestiere Elea.
"Oh, Ihr unterschätzt ihn. Jetzt beruhigt Euch, meine Liebe. Ihr seht aus, als könntet Ihr die Erholung des Schlafes gebrauchen."
Mit diesen Worten schritt er an ihr vorbei, und die Waldläufer und Helluin folgten ihm. Elea blieb noch einige Momente unschlüssig stehen, und ging dann ebenfalls ihrer Wege.
Cyneric verbrachte die folgende Stunde auf seinem Posten vor Erkenbrands Zelt, bis seine Schicht schließlich zu Ende ging. Nachdenklich machte er sich auf den Rückweg zur Unterkunft seiner éored. Was würde ich tun, wenn mein Kind auf Abwege geraten würde? Doch als er an seine Tochter dachte, spürte er erneut den stechenden Schmerz des Verlusts seiner Familie und schob die Gedanken mit aller Macht von sich. Um sich abzulenken malte er sich den Angriff auf die Furten aus, der in den kommenden Tagen erfolgen würde. Schon sehr bald wird der Weg nach Dol Guldur frei sein. Und dann versetzen wir Sauron einen schweren Schlag, von dem er sich nicht so schnell erholen wird, sagte er sich, auch wenn er es mehr hoffte als wirklich daran zu glauben.
Er stellte fest, dass ihn seine Füße durch einen Umweg in die Nähe von Irwynes Zelt gebracht hatten. Weshalb - das konnte er nicht sagen. Doch er beschloss, zu überprüfen ob das Mädchen sicher schlief, da er schon einmal in der Nähe war, und ging den von vielen Füßen ausgetretenen Weg im Zentrum des Lagers entlang.
Gerade als er Irwynes kleines Zelt, das sie sich mit einer der Köchinnen teilte, erreicht hatte, ließ ihn ein Schrei erstarren.
Seine Instinkte übernahmen die Kontrolle und er schlug eilig das Tuch am Eingang zur Seite. Die Köchin war nicht da, doch Irwyne lag halb aufrecht mit weit aufgerissenen Augen und heftigem Atem auf ihrer Schlafstätte, die Decke halb über ihren Körper geworfen.
"Amrothos!" stieß sie furchterfüllt hervor. Dann erkannte sie Cyneric, und er sah wie die Anspannung von ihr abzufallen begann. Er setzte sich neben sie und deckte sie sanft zu.
"Hast du schlecht geträumt?" fragte er leise, nachdem sich das Mädchen einigermaßen beruhigt hatte.
"Ja..." antwortete sie schließlich. "Amrothos... er war in Gefahr, doch ich konnte ihn nur kurz sehen. Es war.. er sah schrecklich aus!" schluchzte sie.
Cyneric schloss sanft die Arme um sie und hielt sie, während sie ihr Gesicht an seiner Brust vergrub. Wie oft hatte er Déorwyn so gehalten, wenn sie Alpträume gehabt hatte, und wie bei seiner Tochter schien die Umarmung auch bei Irwyne zu funktionieren.
"Oronêl wird ihn retten," sagte sie schließlich.
"Das wird er ganz sicher," stimmte Cyneric zu, obwohl er nicht ganz verstand, wovon sie sprach. "Das wird er," wiederholte er leise und begann, eine alte rohirrische Melodie zu summen, die er früher oft auf seiner Laute gespielt hatte. Schließlich, ohne dass er es beabsichtigt hatte, kamen ihm die Worte wieder in den Sinn und leise sang er:
"Hwær cwóm helm? Hwær cwóm byrne,
Hwær cwóm feax flówende,
Hwær cwóm hand on hearpestrenge,
Hwær cwóm scir fýr scinende,
Hwær cwóm lencten and hærfest,
Hwær cwóm héah corn weaxende?"
Als Irwyne schließlich eingeschlafen war und regelmäßig atmete legte er sie wieder auf ihr provisorisches Bett und deckte sie zu. Anschließend machte er sich, noch nachdenklicher als zuvor, auf den Weg zu seiner Unterkunft, um ebenfalls die Ruhe des Schlafes zu suchen.