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Das Schicksal Mittelerdes (RPG) => Die Welt von Mittelerde => Dol Amroth => Thema gestartet von: Thorondor the Eagle am 26. Jun 2011, 23:13

Titel: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Thorondor the Eagle am 26. Jun 2011, 23:13
Celebithiel und Amrûn aus der Stadt (http://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg242507.html#msg242507)


Die beiden Elben durchschritten die Torpforte und gelangten in einen wunderschön dekorierten Vorraum von nicht zu verachtender Größe. In der Mitte war ein dunkelblauer Teppich aufgerollt, dessen Ränder mit silbernen Wellen verziert waren. Am Durchgang zum Korridor standen zwei Soldaten in ihren festlichen Rüstungen. In ihren Händen hielten sie stolz das Banner der Schwanenstadt.

Sogleich eilten zwei Diener herbei und nahmen den Herrschaften die Umhänge ab ohne auch nur ein Wort zu sprechen oder sie direkt anzusehen. Unaufgefordert folgte Amrûn dem Läufer, Celebithiel klammerte er fest unter seinen Arm. An den Wänden links und rechts hingen geschichtenerzählende Bilder. Teils bildeten sie heroische Taten, großherzige Fürsten der Stadt und wohlhabende Menschen ab. Plötzlich stoppte Celebithiel und starrte an die Wand.

„Gwilwileth! Was ist los?“, fragte Amrûn.
„Sieh nur dieses Bild! Lange muss es her sein, dass dies geschah.“

Amrûn blickte auf das gemalte Meisterwerk: ein von Wolken verdunkelter Himmel, Andeutungen von grellen Blitzen am Horizont, tosende Wellen die sich an steilen Klippen brachen; am Ufer standen Figuren die mit hocherhobenen Laternen auf das wütende Meer hinausleuchteten und in der Mitte des Gemäldes war ein prächtig weißes Schwanenschiff.

„Amroth, König von Lothlorien im tobenden  Sturm des Schicksals. Es sollte ihm nicht bestimmt sein, seine Geliebte Nimrodel wieder zu sehen. Zumindest nicht in dieser Welt“, sagte die Elbe mit einer dumpfen, traurigen Stimme.
„Eine grausame Vorsehung, doch führte sie zum Umbruch und machte die Stadt zu dem was sie heute ist. Wir wären nicht hier und würden auf das Gemälde starren“, entgegnete er. Doch auf einmal überkam Amrûn ein merkwürdiges Gefühl. Ihm wurde kalt als er auf die Farbe schaute und sich an die Lieder erinnerte, in denen Nimrodel und Amroth besungen wurden. Seine Finger fühlten sich kühl an und das Schlucken fiel im schwer.

„Geht es dir gut?“, riss ihn Celebithiel aus den Gedanken.
Der Elb schloss seine Augen und unterdrückte eine Träne. „Ja! Es geht schon“, sagte er mit kräftiger Stimme und ging mit seiner Begleiterin zum Ende des Ganges.

Vor ihnen eröffnete sich ein großer Saal. Er war hell beleuchtet und bunten Gardinen geschmückt. Von der Decke hingen duzende Girlanden aus blauem, weißen und silberbestickten Stoff. In die Ecken und an die Wände hatten sie hohe, in sattes grün getauchte Pflanzen gestellt und durch die hohen Fensters schienen die letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Der Saal war gefüllt mit Menschen in pompösen Kostümen und mysteriösen Masken. In der Mitte wurde zu einer herrlichen Orchestermusik getanzt und am Rande waren die Menschen in Gespräche vertieft.
Titel: Re: Re:Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Thorondor the Eagle am 16. Jul 2011, 18:22
Der Abend verging nur schleppend. Die Elben musterten die mehr werdenden Gäste vom Rande des Ballsaales. Sie wagten es nicht mit anderen zu sprechen, vielmehr wirkten sie als würden sie nicht dazu gehören und so fühlten sie sich auch. Es erschien Amrûn merkwürdig, dass alle hier feierten während der Feind vor den Toren wartete und mit erhobener Klinge den Kopf des Fürsten forderte. Sie mussten mit ihm sprechen, aber wie würden sie das anstellen?

„Verzeiht mir, mein Herr, dürfte ich Sie um diesen Tanz bitten“, kam plötzlich die sanfte Stimme von Limris von der Seite. Der Elb blickte sie an und lächelte. Auch Berehal war dabei und forderte zeitgleich Celebithiel auf.
In der Mitte des Saales bildeten sich zwei Reihen, auf der einen Seite standen die Männer und blickten in die Augen ihrer gegenüberstehenden Tanzpartnerinnen. Die Musik begann ein Stück zu spielen und ehe der Tanz anfing verbeugten sich die Mitwirkenden. Zu Beginn bewegten sich die Paare einige Schritte aufeinander zu, klatschten einmal in die Hände und traten ein kleines Stück zurück. Dies wiederholte sich, bis sich Mann und Frau gegenüber standen. Sie hängten die Arme ineinander und drehten sich einmal herum. Bei den nächsten Schrittfolgen hatte Amrûn die Gelegenheit mit anderen Frauen zu tanzen, doch am Ende kehrte er wieder zur Limris zurück. Er verneigte sich nochmals vor ihr und bedankte sich für den Tanz. Gemeinsam gingen sie von der Tanzfläche.

Alle vier griffen nach einem Becher mit jungem quirrligen Wein. Limris und Berehal grüßten einige der vorbeigehenden Menschen, doch die meisten erkannten sie wegen der Maskierung auch nicht.
„Berehal, Limris!“, grüßte ein Mann mittleren Alters und blieb stehen.
„Guten Abend“, gaben sie zurück.
„Wie geht es euch?“
„Wir genießen das Fest, danke der Nachfrage“, antwortete die Elbe.
„Und wer sind eure Freunde hier?“, fragte er neugierig.
„Gwilwileth und Idrith. Sie sind vor einigen Tagen mit dem Schiff angekommen.“
„Ich bin Berend. Angenehm ihre Bekanntschaft zu machen“, schmeichelte er den Elben „Woher kommen sie denn, wenn ich fragen darf?“
„Einige Elben haben uns in Edhellond gefunden und hierher gebracht. Sie sagten uns, dass wir hier in Sicherheit seien“, antwortete Amrûn.
„So, so. Gestern noch Flüchtlinge und heute seid ihr auf diesem fürstlichen Fest?“, fragte er etwas misstrauisch.
„Ich kenne einige der Elben die hier angekommen sind und sie baten mich um einen Gefallen“, entgegnete Limris hastig.
„Ich denke bei meinem lieben Neffen und Limris seid ihr gut aufgehoben. Aber jetzt muss ich meine Begrüßung mit dem Fürsten nachholen. Ihr entschuldigt mich vorerst!“, sagte er und ging davon.

„Er kennt den Fürsten?“, fragte Amrûn neugierig.
„Ja. Er ist Kapitän eines Schiffes und treuer Soldat Dol Amroths“, antwortete Berehal.
„Denkst du er könnte uns helfen?“
„Ich frage ihn nur ungern und glaube nicht, dass ich ihn überzeugen kann. Immerhin seid ihr Fremde“, antwortete Berehal.
„Es wäre sehr wichtig, dass wir Imrahil alleine sprechen“, sagte Amrûn und Limris beteuerte es.
„Dann wartet hier. Eines kann ich versuchen“, sagte Berehal mit schwacher Stimme und lief seinem Onkel nach.
Gespannt beobachteten sie das Gepräch der beiden. Hin und wieder drehte sich auch Berend zu ihnen herüber. Was würde er wohl zu ihm sagen? Kannte er Celebithiels und Amrûns wahre Identität?

Mit neutraler Miene kam der Junge zurück: „Kommt mit!“, forderte er sie auf und verschwand in einem Korridor der weiter in den Palast hineinführte. Schleunigst folgten Amrûn und Celebithiel ihm. Limris blieb zurück.
Titel: Re: Re:Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Thorondor the Eagle am 24. Jul 2011, 14:45
Der abgelegene Raum war dunkel. Das schwache Mondlicht erfüllte ihn mit einem sanften blauen Licht. Celebithiel saß etwas teilnahmslos auf einer Bank und blickte in die brennende Kerze, die vor ihr auf dem kniehohen Holztisch stand. Amrûn stand am Fenster und schaute auf die peitschenden Wogen des Meeres. Beide Elben hatten ihre Masken abgelegt.

Plötzlich öffnete sich die Türe und der Raum wurde von einem satten Orange durchflutet, doch ebensoschnell wie es kam war es wieder verschwunden. Zwei Personen hatten das Zimmer betreten.
Der Elb drehte sich zu ihnen und erkannte einerseits Berend, Berehals Onkel und der andere musste Imrahil sein.
„Guten Abend“, sagte Amrûn mit zischender Stimme.
Die funkelnden Augen des Fürsten musterten die beiden dunklen Gestalten misstrauisch: „Mir wurde zugetragen, dass ihr wünscht mit mir zu sprechen. Also sprecht, denn ich habe Gäste zu unterhalten!“
„Das wissen wir, aber es gibt dringendes was ihr wissen müsst.“
„Und was könnte das sein?“, entgegnete er forsch.
„Die bevorstehende Schlacht; der Fall Dol Amroths; das Ende der fürstlichen Linie; der Untergang Gondors?“, sagte Amrûn mit einer drohenden Stimme.
„Nichts von dem wird so bald geschehen. Wir sind uns dieser Gefahr sehr wohl bewusst und haben außreichend dafür vorgesorgt.“
„Seid ihr euch da sicher? Ich meine hier zu sitzen und zu warten bis der Feind über einen herfällt ist wie auf den sicheren Tod zu warten.“
„Und was würdet ihr vorschlagen? Eine Schlacht auf dem offenen Felde? Nein, dazu ist der Feind zu mächtig und das weiß er auch. Nicht wir sind diejenigen die warten, sondern er ist es. Er wartet gerade zu bis wir aus unserer Stadt hinauslaufen und uns dort vor den Mauern der Stadt in den Selbstmord stürzen.“

Amrûn wandte seinen Blick wieder durch das Fenster auf das Meer.
„Warten ist ein gutes Stichwort.“
Der Fürst nickte selbstzufrieden.
„Ich glaube kaum, dass er da draußen auf euch wartet; Nicht Sauron, dass sieht im gar nicht ähnlich. Der dunkle Herr nimmt sich was er will und wann er es will. Ich habe so etwas schon erlebt und es brachte mir beinahe den Tod.
Ein weiteres Mal bedient er sich der Seemacht von Umbar. Garantiert hat er eine Flotte entsenden lassen, größer und kampftüchtiger als jede andere dieses Zeitalters. Ehe er über den Landweg versucht die Stadt zu vernichten, wird er es über den Hafen probieren. Die Kais sind gut gesichert, aber lange nicht so wie die Außenmauern.
Saurons Schergen warten bis die schwarzen Segel am Horizont auftauchen und dann wird der Ansturm beginnen. Ihr könnt nicht Hafen und Stadt gleichzeitig verteidigen, dafür hab ihr zu wenig Truppen.“
Einen Augenblick lang kehrte Stille in den Raum ein.
„Wir haben unsere Flotte kampfbereit gemacht. Sie steht bereit für die Verteidigung des Hafens. Die Korsaren haben schon öfter probiert Dol Amroth einzunehmen, doch wir haben uns stets erfolgreich verteidigt.“
„Diese Stadt ist das letzte Bollwerk gegen Sauron; alles was von Gondor noch übrig geblieben ist. Denkt ihr er geht ein Risiko ein?“
Die Worte wirkten als würden sie ewgi nachhallen und eine lange Pause nachsichziehen.
„Dann haben wir wohl nur eine einzige Möglichkeit!“, antwortete der Fürst.
„Und die ist sehr riskant“, antwortete Amrûn.
„Vor der Mauer dürfen sie es nicht mitbekommen.“
Der Elb nickte ihm zu.
„Berend! Morgen Früh rufst du alle Kapitäne zusammen in den Palast. Wenn Korsaren aus Umbar unterwegs sind, müssen wir ihnen entgegensegeln und ihre Streitmacht zerschlagen ehe sie die Bucht erreichen. Schickt zusätzliche Männer auf den Turm um die See zu beobachten.“

Amrûn hörte die Befehle an den Kapitän, hielt seinen Blick aber weiterhin auf das Meer gerichtet.
„Ich hoffe wir können eurem Urteil trauen!“, sprach ihn nun der Fürst direkt an.
„Ich selbst möchte, soweit es mir ihr Kapitän erlaubt, mitsegeln und kämpfen“, gab der Elb zur Antwort um seine Treue und Ehrlichkeit zu beweisen.
„Jeder Mann der kämpfen möchte ist an Bord meines Schiffes willkommen“, antwortete Berend.
„Kommt in den Morgenstunden zur Rüstkammer in die Feste“, befahl der Fürst ehe er und Berend den Raum verließen.

„Dann findet unsere nächste Schlacht auf den Wogen unserer geliebten See statt?“, fragte Celebiehtiel mit einem besorgten Unterton.
„Nein. Deine nicht. Die Zeiten sind unsicher und ich fürchte, dass unser Plan nicht unbemerkt bleibt. Wenn Sauron weiß, was wir vorhaben, werden die Truppen angreifen nachdem wir den Hafen verlassen haben… Imrahil braucht dich hier, auch wenn er nicht um deine Stärken weiß.“
Die Elbe nickte und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen: „Was siehst du da draußen?“
„Das Meer“, antwortete Amrûn ruhig „Es ruft mich!“
Titel: Re: Re:Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Vexor am 24. Jul 2011, 16:13
„ Verstehe“, murmelte die Elbe und küsste Amrûn auf die rechte Wange. „ Lass dein Herz nicht schwer werden, du wirst sie wiedersehen“, hauchte sie ihm noch ins Ohr, bevor sie sich ihre Maske aufsetzte und durch die Tür verschwand.
"...auch wenn er nicht um deine Stärken weiß"
Die Worte gingen Celebithiel nach, denn sie war sich bewusst, dass sie nun auf sich allein gestellt war. Weder Gandalf oder Galadriel waren hier, um ihr den Rücken zu stärken; sich für sie einzusetzen. Nein. Sie musste Imrahil ganz allein von ihren Stärken überzeugen.

Die festliche Beleuchtung belendete Celebithiel einen Moment und während sie versuchte sich in der Menge aus festlichen Kleidern und Masken zu orientieren, wurde sie von einem schlaksigen Mann zum Tanz aufgefordert.
„ Gestatten sie ein Tänzchen werte Dame?“.
Celebithiel nickte stumm und nahm die Einladung zum Tanz als Möglichkeit an unter der Menge der Feiernden Gäste Fürst Imrahil auszumachen.
Der fremde Mann legt seine kräftige Hand unter ihr Schulterblatt und gemeinsam begaben sie sich in Pose, bevor sie im Rhythmus des Orchesters und der anderen Tanzpaare durch den Raum schwebten. Die Elbe bemerkte, wie es dem Mann, der mindestens ein oder zwei Köpfe größer war als die Elbe, nicht gelang ihr in die ozeanblauen Augen zu blicken.
“ Deine Augen, mein Kind, sind wie ein Spiegel der Seele. Sie zeigen seinem gegenüber alles Leid und all die Trauer, die er in seinen Leben schon erlebt hat“

Für einen kurzen Moment setzten die kräftigen und tiefen Töne der Trompeten aus und nur die hohen, weiblichen Töne der Flöten und Klarinetten waren zu hören. Zeitpunkt für die Frauen zum nächsten Partner zu wechseln.
Celebithiel drehte sich um die eigene Achse und genoss für einen Moment die Musik, genoss die Schwerelosigkeit und die heitere Atmosphäre und mit einem Schlag wurde ihr bewusst, warum Imrahil auch in diesen schweren Zeiten die Festivitäten nicht ausfallen ließ.
„ Wenn erst einmal Krieg und Not den Alltag verdrängen, ist alle Hoffnung tot und Verzweiflung wird der neue Alltag…“, sie murmelte die Worte geistesabwesend und die tiefe Stimme des Mannes, der die Führung übernommen hatte, riss sie aus ihrer Trance.
„ Ganz genau!“.
Sie erkannte den strengen und gütigen Blick Imrahils durch die Maske, die aus hellblauen Satin bestickt war und dessen Ränder weiße Schwanenflügel zierten.
„ Fürst Imrahil“, lächelte Celebithiel und versank in der Führung des Fürsten von Dol Amroth.
„ Also erzählen Sie mir nun, warum zwei Elben nach Dol Amroth kommen in Zeiten, in denen es wohl besser für sie wäre ihre Zufluchtsorte, wie die Grauen Anfurten oder Bruchtal aufzusuchen?“.
Imrahil fixierte die ozeanblauen Augen Celebithiels mühelos und obwohl er gedämpft sprach, um neugierige Ohren nicht zu behelligen, war seine Stimme unglaublich fordernd und stark.
Die rotblonde Elbe hielt seinem Blick stand und für eine Ewigkeit verharrten ihre Augen in greifbarer Intensität und Starre, während ihre Körper über die Tanzfläche wirbelten.
„ Nicht hier“, flüsterte Celebithiel und löste sich aus der Pose mit Imrahil bevor sie von der Tanzfläche verschwand und hinaus auf den Balkon flüchtete.

Der kleine Balkon wurde kaum erhellt von den Lichtern, die im Palast des Fürsten leuchteten. Nur die festliche Musik drang schwach durch die Mauern und Glasfenster und so genoss Celebithiel den Moment des Friedens und der Ruhe.
Sie setzte sich auf das Marmorgeländer und ließ ihre Füße über den Abgrund baumeln. Ihre silbernen Schuhe hatte sie abgestreift und so ließ sie ihre nackten Füße von der kühlen Meeresbrise verwöhnen.
Unter ihr toste das Meer und es ging mindestens hundert Meter Steilhang in die Tiefe. Mehrere scharfe Felsbrocken standen wie spitze Stacheln aus dem Steilhang hinaus, bevor sich das gewaltige Massiv im pechschwarzen Meer verlor.
Wie ätzende Säure spuckte die See die weiße Gischt an die Felsen und es schien fast so als würde sie Celebithiel verhöhnen, als flüsterte sie: „ Noch einmal entkommst du unseren Wogen nicht. Das nächste Schiff, dass du besteigst, bringt dich nach Aman!“.

Der schwache Lichtstrahl, der auf den Balkon fiel und sich in der Nachtluft verlor, kündigte Celebithiel an, dass Imrahil gekommen war. Dennoch rührte sie sich nicht, hatte ihm immer noch den Rücken zugewandt, die Augen geschlossen, und atmete die salzige Luft ein.
Umso erstaunter war sie, als er ihrem Vorbild Folge leistete und sich neben sie setzte. Aus den Augenwinkeln erkannte sie, dass auch er seine Schuhe abgestreift hatte und die nackten Zehen im Wind spielen ließ.
„ Faszinierend diese Weite der See, nicht wahr?“, flüsterte Imrahil und seine Stimme war monoton, als spräche er nicht nur mit Celebithiel, sondern auch mit jemand anderen, vielleicht sich selbst.
„ Hmm….und beängstigend“, erwiderte Celebithiel im selben Tonfall.
Der Fürst musste lächeln und blickte Celebithiel nun direkt an. Beide hatten ihre Masken abgenommen und die Elbe erkannte das markante Kinn und die dunkelblonden Haare des Fürsten.
„ Sie sind wunderschön“, entfuhr es Imrahil, doch Celebithiel ging nicht darauf ein, sondern fixierte seine grauen Augen.
„ Also warum sind Sie und ihr Freund hier Fräulein…?“.
„ Celebithiel“, ergänzte die Elbe und atmete einmal tief ein, bevor sie ihm die Wahrheit offenbarte.
„ Vor fast drei Jahren begann meine Reise, die mich hierher führte, in der Schlacht um Lórien…“.

Die Musik und die Lichter waren schon erloschen und Celebithiel war sich sicher, dass sie am Horizont, wo der Himmel die Wasseroberfläche küsste, schon eine orangefarbene Sonne aufgehen sehen konnte.
Imrahil nickte nur, als sie ihren Satz zu Ende gebracht hatte, schlüpfte in seine Schuhe und reichte Celebithiel die Hand, um vom Geländer zu helfen.
„ Wenn das so ist Celebithiel ist es mir eine Ehre an Ihrer Seite für die Freiheit Dol Amroths und Mittelerdes zu kämpfen!“

 Gemeinsam durchschritten sie die Halle, wo jeglicher Glanz und Prunk des gestrigen Abends wie fortgewischt schien und die Angst und Verzweiflung in den dunklen Ecken der hohen Decke saßen und am Fundament des Palastes nagten.


Celebithiel zurück in die Stadt (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,5963.msg254319.html#msg254319)
Amrûn zum Hafen (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,6044.msg257194.html#msg257194)
Titel: Re: Re:Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 2. Dez 2011, 16:30
Aus der Sicht Amrothos:

... Amrothos aus der Stadt (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,5963.msg271511.html#msg271511)

Amrothos und vier Soldaten der Nachtwache, von denen zwei den Gefangenen führten, eilten die Stufen zum Tor des Palastes hinauf. Am Tor angelangt, sprach er kurz mit den Wächtern, die ihnen daraufhin Einlass gewährten.
Im Palast war es still und dunkel, und nur ab und zu erhellte ein Lampe die Flure. Amrothos führte die Soldaten zu einer Treppe, die sich in engen Spiralen nach unten wand. Aus der Tiefe wehte sie ein kühler Lufthauch an.
"Bringt ihn hinunter in die Verliese und sperrt ihn in eine Zelle- aber allein.", befahl er den Soldaten. "Und gebt dem Kerkermeister Bescheid. Ich werde meinen Vater suchen gehen und ihn von unserem Fang berichten." "Jawohl, mein Prinz.", antwortete der Anführer der kleinen Gruppe und verneigte sich leicht. Dann begannen sie die Treppe hinabzusteigen.
Amrothos drehte sich um und ging in Richtung des Beratungszimmers, in dem er seinen Vater den Fürsten trotz der späten Stunde noch anzutreffen vermutete.
Dieser Krieg strengt ihn an. Tag und Nacht berät er sich mit seinen Hauptleuten und Beratern oder inspiziert die Mauern, oder die Truppen oder die Schiffe. Dabei haben wir die Truppen Mordors doch vor zwei Wochen besiegt und vertrieben!
Er verstand seinen Vater nicht mehr. Anstatt erleichtert zu sein und sich über das Ende der Belagerung zu freuen, vergrub er sich immer tiefer in seine Pflichten und schlief kaum noch, obwohl die direkte Gefahr für Dol Amroth doch vorbei war!
Und Oronêl... der alte Elb war so etwas wie Lehrer, Bruder und Freund in eins für ihn geworden, und dennoch wurde er manchmal noch nicht ganz schlau aus ihm.
Amrothos schüttelte den Kopf und ging schneller.
Ob er wohl den dritten Mann noch erwischt hat? Er als Elb ist doch gewiss schneller als ein Mensch.
Er hatte die Tür zum Beratungszimmer erreicht und stellte fest, dass er sich nicht geirrt hatte: Unter der Tür kroch ein Lichtschein hervor und durch das Holz konnte er leise Stimmen hören.
Er atmete tief durch und öffnete leise die Tür.
"Vater...?" Imrahil saß mit zweien seiner Berater, die Amrothos nicht sofort erkannte, am Ende des langen Holztisches, der in der Mitte des Raumes stand. Bei Amrothos Eintreten hob er langsam den Kopf und blickte ihn aus müden Augen an. "Ja Amrothos, was gibt es denn?", fragte er leise.
"Es tut mir leid, dass ich dich stören muss, aber es ist glaube ich überaus wichtig. Ich bitte dich, komm mit mir.", antwortete Amrothos.
"Nun gut." Imrahil erhob sich und sagte zu seinen Beratern: "Entschuldigt mich. Wir werden unser Gespräch Morgen fortsetzen." Als er mit Amrothos den Raum verließ, sah dieser aus dem Augenwinkel, dass die beiden Berater geradezu erleichtert aussahen.
Während sie nebeneinander dem dunklen Flur zur Kerkertreppe folgten, fragte Imrahil: "Nun, was gibt es so Wichtiges?" "Ich war mit Oronêl unten in der Stadt, als wir von drei Männern überfallen wurden. Den einen konnte ich überwältigen und töten, den anderen schlug Oronêl bewusstlos. Der dritte ist entkommen, aber Oronêl verfolgt ihn."
Sie hatte die Treppe zum Kerker erreicht und begannen den Abstieg. "Den Gefangenen habe ich mit Hilfe der Soldaten von der Nachtwache hierher gebracht und in eine Zelle sperren lassen.", fuhr Amrothos fort.
"Weißt du, wer er ist? Konntest du sein Gesicht erkennen?", fragte Imrahil. "Noch nicht genau, aber ich fürchte, es ist einer unserer Soldaten.", antwortete er.
Unten angekommen führte eine Wache sie zu der Zelle, in der der Gefangene angekettet war und öffnete ihnen die Tür.
Imrahil trat ein und betrachtete den noch immer Bewusstlosen. "Ich glaube, das ist einer von Hauptmann Mithéldirs Männern. Ist er ansprechbar?", fragte er zur Wache gewandt. "Noch nicht, Herr, aber morgen wird er es sein.", antwortete der Soldat. "Schön, dann werde ich morgen früh als wieder herkommen. Amrothos, geh und suche Oronêl, ob er den dritten gefunden hat, und bring morgen früh ihn und Hauptmann Mithéldir mit hierher.", sagte Imrahil, an seinen Sohn gewandt. Amrothos nickte und verließ die Zelle. Als er die Treppe erklomm, kam ihm ein Gedanke.
Mithéldir hat Oronêl am Hafen erwischt, und ihn in die Schlacht geführt. Dann hat er ihn nach der Schlacht ins Lazarett gebracht, und jetzt versucht zumindest einer seiner Männer, Oronêl und mich umzubringen oder gefangen zu nehmen... Merkwürdig.
Er musste schnellstens Oronêl finden.

Amrothos zum Lazarett... (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,15422.msg271699.html#msg271699)
Titel: Re: Re:Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Vexor am 3. Dez 2011, 18:30
Celebithiel vom Hafen (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,6044.msg271145.html#msg271145)


Der Alltag in Dol Amroth verlief bereits zwei Wochen nach dem Ende der Belagerung halbwegs normal. In der Stadt waren –abgesehen von den Brandflecken – kaum noch Anzeichen zu sehen. Ebenso versuchten die Bürger der ehemals blühenden Handelsmetropole wieder ihren Berufen und gewöhnlichen Leben nachzugehen.
Als Celebithiel an diesen äußerst warmen Apriltag über die Straßen flanierte, beobachtete sie herumtollende Kinder und besorgte Mütter, die Gemüse putzten, oder Wäsche auf hingen.
Auch waren bereits einige Geschäfte wieder geöffnet. So beobachtete die Elbe einen alten Schmied, der vermutlich im Auftrag Imrahils Rüstungen und Schwerter herstellte oder reparierte.

„Warte nur Kìli, ich fang dich schon noch!“, brüllte ein kleines Mädchen, dass ein schlichtes braunes Kleid trug, welches beachtliche Flicken aufwies.
„Oh entschuldigen Sie“, murmelte sie, nachdem sie Celebithiel angerempelt hatte, weil sie dem Jungen hinterher setzen wollte.
„Nichts passiert“, erwiderte Celebithiel freundlich und beobachtete sehnsuchtsvoll das kleine Mädchen, bevor es um die nächste Ecke huschte.

Ob sie die Schwester des kleinen Jungen gewesen sein konnte? Ob sie auch jemanden verloren hat bei dieser Schlacht….aber es ist ja nicht nur diese Schlacht. Es ist ein ewiger Kampf…

Die wärmende Sonne streichelte Celebithiels Nacken, als sie die Stufen zum Palast des Fürsten hinaufstieg. Ein warmes wohliges Gefühl breitete sich in ihr aus und alle finsteren Gedanken schienen, wie weggeblasen. Jenes Gefühl verstärkte sich noch, als sie Amrûn, erhellt von mehreren Sonnenstrahlen, würdevoll am Ende der Stufen stehen sah.
In den letzten Tagen hatten die Elben viel Zeit in den Kammern des Palastes zusammen mit Imrahil und einigen seiner Beratern verbracht.
Es ging dabei vor allem um die Zukunft Dol Amroths, aber auch darum, wie mit der drohenden Gefahr eines neuen Angriffs umgegangen werden werden müsse.
Die Elben hatten beobachtet, wie mit jeden vergangen Tag voller Diskussionen und Debatten, die sich oft bis tief in die Stunden der Nacht gezogen hatten, die schlechte Laune und Angespanntheit Imrahils gestiegen war.
Auch an Amrûn und Celebithiel zerrten jene Debatten, da sie sich klar waren, dass auch nur ein kleiner Angriff aus dem Osten Dol Amroth zu Fall bringen würde.

„Ich grüße dich Amrûn! Kommst du oder gehst du?“, fragte Celebithiel und umarmte ihren Freund und Gefährten.
„ Eine ausgezeichnete Frage, aber wie steht es um dich selbst? Du scheinst im Kommen, aber mit welcher Absicht?“
„ Der Fürst bat mich für eine Unterredung…ich weiß noch nicht, um was es geht. Aber gut, dass ich dich hier treffen mein Freund!“, antwortete Celebithiel und ihr Tonfall wurde ernster.
„ Was bedrückt dich denn?“
„ Es geht um Oronêl. Gestern sprach ich mit ihn über etwas, was er dem Úlairi abgenommen hat…ein Artefakt…“
„ Der Ring, welcher vom dunklen Herrscher persönlich angefertigt wurde, oder?“
Ein stummes Nicken folgte Amrûns Worten und Celebithiel ergriff mit besorgten Tonfall erneut das Wort.
„ Ich mache mir Sorgen um ihn Amrûn…der Ring scheint mehr Einfluss auf ihn zu haben, als gut wir ihn zu sein scheint. Vielleicht könntest du ein Auge auf ihn werfen, solange ich mit dem Fürsten im Gespräch bin. Ich befürchte, dass wir ihn verlieren könnte, wenn wir nicht aufpassen.“
Amrûn nickte und legte Celebithiel die starke Hand auf die Schulter. Ohne ein weiteres Wort schritt er die Treppe hinab und als die Elbe in den Himmel blinzelte schien die Sonne kühler geworden zu sein.

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„Imrahil? Ihr wolltet mich sprechen?“, sprach die Elbe behutsam, nachdem sie drei Mal an die verzierte Holztür geklopft hatte. Keine Antwort.
Celebithiel betrat den dunklen, stickigen Raum. Der Fürst hatte alle Fensterfronten verhangen. Nichts war zu sehen von dem sonst einmaligen Blick über die gesamte Stadt Dol Amroth, beziehungsweise die Weite des Meeres.
„ Diese dunkle Kammer ist keines Fürstens würdig“, sprach die Elbe gewollt herablassend, als sie den Fürsten zusammengekauert an seinen Schreibtisch erkannte.
„ Und wenn ich kein Fürst mehr sein möchte“, antwortete ihr eine unbekannte brüchige und raue Stimme.
Imrahil blickte zu der Elbe auf und nichts an ihm rechtfertigte noch den Beinamen der Schöne. Ein mit grauen Haaren versetzter Bart schmückte den Fürsten, ebenso umrahmten tiefe, schwarze Ringe die meergrauen Augen jenes Menschen.
„Nicht der Träger des Amtes sucht sich jenes aus. Das Amt sucht ihn aus!“, entgegnete Celebithiel.
Als der Mensch nicht reagierte kaum sie näher an den Schreibtisch heran und legte einen, mit einem Rubin versetzten, Ring auf den Tisch aus schweren Kirschholz.
„Oder glaubt ihr etwa, dass ich dieses Amt wollte? Dass ich Mithrandir hinterherrannte, um seine Aufgabe zu Ende zu bringen?
Aber es war mein Verlobter, der mir beibrachte, dass ich nie glücklich werden kann, wenn ich vor meiner Bürde davonlaufe. Ich muss es zu Ende bringen und es dort wird sich zeigen, ob ich richtig oder falsch gehandelt hab. Ich kann nicht stehen bleiben und in die Zukunft blicken….das Leben ist nicht so einfach.“
Eine Stille folgte ihren Worten, die aber nicht unangenehm, sondern einfach nur still war.
„ Euer…Verlobter? Ich wusste nicht, dass ihr verlobt seid Celebithiel aus Imladris“, sprach Imrahil nach einiger Zeit und die Elbe lächelte schwach.
„ Wo ist eigentlich eure Gemahlin Imrahil? Eure drei Söhne habe ich bereits kennengelernt, aber wo ist sie?“
Imrahil schluchzte und stöhnte, wodurch es Celebithiel dämmerte, dass sie den richtigen Nerv getroffen hatte.

„Ich entsandte sie und meine Tochter Lothíriel nach Tolfalas. Die Insel blieb immer verschont vor den Angriffen der Kosaren, da heftige Strudel und Strömungen ein Vordringen größerer Flotten verhindern…natürlich auch nicht ungefährlich für unsere eigenen Schiffen. Aber auf der Insel leben bis zu zweihundert Flüchtlinge aus den südlichen Lehen Gondors…“
„…aber ihr habt noch nichts von ihnen gehört, oder?“, beendete Celebithiel den Satz für Imrahil.
Jener nickte nur und raufte sich die Haare, in denen sich deutlich graue Strähnen abzeichneten.
„Weißt du Celebithiel…manchmal wünschte ich mir allein zu sein. Niemanden zu kennen, niemanden zu lieben. Liebe ist doch unser größter Schwachpunkt, oder?“
Celebithiel schwieg für einen Moment und dachte über die Worte nach, die Imrahil ausgesprochen hatte. Als sie darauf antwortete, sprach sie bedacht und wählte ihre Worte vorsichtig.
„ Es ist unser aller größter Schwachpunkt, aber gleichzeitig die Quelle aus dem wir die größte Kraft schöpfen können.
Ich empfand lange ebenso wie ihr in diesen Augenblick. Aber jene Hoffnungslosigkeit und Lethargie hat mich förmlich aufgefressen innerlich; still ohne, dass ich es wirklich bemerkte.
Ich hab' immer zu mir gesagt: Allein bin ich glücklicher! Wenn man jemanden ständig in seinem Leben hat, hat man mehr Ärger als es wert ist, offenbar sehe ich das jetzt anders. Aber es gibt schon einen Grund warum ich sagte ich wär allein glücklicher. Naja ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich allein glücklich wäre. Es lag nur daran dass ich dachte wenn ich jemanden liebe würde und ich könnte dies aus irgendeinem Grund nicht mehr, würde es mich zerreißen. Besser gesagt wieder zerreißen. Allein zu sein schien mir einfacher. Es ist die Hölle, wenn man erfahren hat, wie Liebe ist; wenn man denkt, dass man Liebe braucht und sie dann nicht bekommt. Nachher verlässt man sich noch auf die Liebe, weil sie einen gefällt, nachher baut man noch sein Leben darauf auf und dann bricht alles zusammen. Ich fragte mich, ob man so einen Schmerz überhaupt aushalten könne? Die Liebe zu verlieren ist wie eine schwere Verletzung, es ist wie Sterben, es gibt nur einen Unterschied. Der Tod ist das Ende, das hier könnte ewig so weiter gehen.
Aber es ist ein ewiger Kampf den wir fechten müssen, denn was ich jetzt realisiere. Die Liebe zu verlieren ist schlimmer als der Tod, aber sie nie gehabt zu haben kann man nicht beschreiben.
Steh auf Fürst von Dol Amroth! Steh auf und führe diese Stadt. Führe sie gegen Sauron, zurück in alten Glanz und Wohlstand.
Steh auf Fürst von Dol Amroth, um deiner Frau und deiner Tochter, zu zeigen, dass du nicht zerbrochen bist. Ihnen zu zeigen, dass sie ein Zuhause haben, wenn ihr Schiff sie zurück an diese Küste bringt!“

Mit diesen Worten ging Celebithiel zu den Fenstern und riss die bordeauxfarbenen Vorhänge zurück und die Sonne durchflutete den Raum, brachte Leben zurück in einen Raum, der erfüllt war von Hoffnungslosigkeit.

„Und nun besprechen wir, wie wir diese Zukunft schaffen Imrahil! Zeigt mir die Karte der Anduinmündungen und Harondors!“
Titel: Re: Re:Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 3. Dez 2011, 19:27
Oronêl und Amrothos vom Lazarett (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,15422.msg271699.html#msg271699)

Oronêl, Amrothos und Mithéldir betraten den Palast und schlugen den Weg zum Kerker ein. Unten angekommen fragte Amrothos eine der Wachen: "Ist der Fürst schon eingetroffen? Es geht um den Gefangenen, den ich gestern gebracht habe." Der Wächter schüttelte bedauernd den Kopf. "Es tut mir leid, mein Prinz, aber er ist heute noch nicht hier gewesen."
"Gut, dann werden wir jetzt nach dem Gefangenen sehen. Er wird wichtigeres zu tun haben." Der Wächter nahm einen schweren eisernen Schlüsselbund von einem Haken an der Wand und führte sie durch das niedrige Gewölbe. An der Zelle angekommen, öffnete er die Tür, und mit Amrothos an der Spitze betraten sie nacheinander den kleinen Raum.

Am Ende der Kammer lag, in sich zusammengesunken, der geheimnisvolle Angreifer. Als der Wächter die Tür aufgeschlossen hatte, hatte er sich nicht gerührt und auch jetzt hob er weder den Kopf noch zeigte er eine andersgeartete Regung. Oronêl trat auf ihn zu, kniete nieder und hob sein Kinn an. Noch immer rührte der Mann sich nicht. Oronêl fühlte legte ihm den Hand an den Hals um seinen Puls zu fühlen. Dann stand er auf, drehte sich zu den anderen um und schüttelte den Kopf. "Er ist tot."
"Was!?", rief Amrothos aus, "Wie kann das sein? Gestern Nacht war er doch lediglich bewusstlos. "Nun... ", sagte Oronêl nachdenklich.“Es könnte natürlich eine Spätfolge meines Schlages sein, aber ich glaube nicht daran. Holt einen Arzt her!", sagte er dann, an den Wächter gewandt. Dieser blickte kurz zu Amrothos, und als dieser unmerklich nickte, ging er in Richtung Treppe davon.
Dann wandte Oronêl sich an Mithéldir: "Hauptmann Mithéldir, bitte sagt mir, ob ihr diesen Mann kennt. Wir vermuten, dass es einer von euren Soldaten ist." Mithéldir ging vor dem Toten in die Knie und hob wie Oronêl vor ihm das Kinn des Mannes an. Nachdem er das Gesicht betrachtet hatte, sagte er: "Ja, ich erkenne ihn, und ihr müsstet ihn eigentlich auch erkennen, Oronêl. Es ist Andor, einer der beiden Männer mit denen ich euch vor zwei Wochen am Hafen empfangen habe. Seltsam, ich hätte ihm so einen Verrat nicht zugetraut."
Gerade als er geendet hatte, kam die Wache mit dem Arzt zurück und er erhob sich, um diesem Platz zu machen. Während der Arzt die Leiche untersuchte fragte Amrothos: "Hauptmann Mithéldir, ist heute vielleicht ein weiterer eurer Männer nicht zum Dienst erschienen?" "Ja. Einer meiner Bogenschützen, ein relativ unauffälliger Mann, an dessen Namen ich mich jetzt nicht erinnern kann, ist heute nicht zum Dienst erschienen. Ich habe vermutet, dass er gestern Nacht ein wenig zu ausgiebig getrunken hat, das ist nämlich bei ihm schon mehrfach vorgekommen."
"Interessant..." Oronêl lehnte sich leicht gegen die Wand. "War das bei Andor auch der Fall?" "Nein, bei ihm ist es noch nie vorgekommen. Deshalb war ich auch sehr überrascht, als er heute Morgen fehlte."
In diesem Moment trat der Arzt zu ihnen und sagte: "Herr Amrothos, ich habe den Toten untersucht und konnte außer einem gebrochenen Handgelenk und eine Schlagverletzung am Kopf, die aber nicht tödlich gewesen sein kann keine äußeren Verletzungen feststellen. Allerdings weisen der Geruch und die leichte Verfärbung seines Mundes daraufhin, dass er durch ein Gift, das aus den Wäldern Fern-Harads stammt, zu Tode gekommen ist." Amrothos wandte sich an den Wächter: "Hat er irgendein Behältnis, in dem sich Gift befunden haben kann, bei sich gehabt."
"Nein Herr, wir haben in gründlich durchsucht und nichts gefunden." "Vielleicht hat er eine Giftkapsel im Mund gehabt!", wandte Mithéldir ein. "Das ist sehr unwahrscheinlich, Herr, denn dieses Gift zersetzt Leder und kann daher nur in Glas- oder Tonbehälter aufbewahrt werden.", erwiderte der Arzt.
"Und außerdem hätte wäre die Kapsel wahrscheinlich schon beim Kampf zerbrochen...", sagte Oronêl nachdenklich.“Es muss ihn also jemand in der Nacht vergiftet haben." Der Wächter schüttelte entrüstet den Kopf. "Das ist völlig unmöglich! Einen Eindringling hätten wir gewiss bemerkt!" "Ich wollte auch eure Wachsamkeit nicht in Frage stellen.", erwiderte Oronêl sanft. "Und dennoch... merkwürdig ist es schon."
Als sie den Kerker wieder verlassen hatten und wieder oben im Palast angelangt waren, schickte Amrothos Mithéldir wieder an seine Arbeit. Dann sagte er zu Oronêl: "Wir müssen zu meinem Vater. Er sollte erfahren, dass es Verräter hier in der Stadt gibt."
Titel: Re: Re:Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Vexor am 8. Dez 2011, 13:48
Imrahil rollte das gelbliche Pergamentstück aus, welches fast den gesamten Holztisch umfasste.
Dort sah sie wie die Kartographen des Fürsten filigran mit schwarzer Tinte, Straßen, Flüsse, Gebirge und Länder eingezeichnet hatten.
„Hier verläuft der Anduin, seht Ihr?“, sprach Imrahil ehrfürchtig als er mit dem Zeigefinger, an dem ein großer Siegelring steckte, über die schwarze Linie fuhr, die den großen Strom bildete, der sich durch fast ganz Mittelerde spannte.
„Und da verläuft mitten durch Harandor, welches früher das südlichste Lehen Gondors war, die Harad-Straße!“
Celebithiel strich sich die Haare hinter das Ohr und ihre Augen huschten über die Namen, die auf das Pergament gezeichnet waren.
„ Imrahil…Ihr müsst mir mehr über die Südländer erzählen. Meine Reisen haben mich nie weiter südlich als Dol Amroth geführt und bis zur letzten Stadt bin ich noch nie einem Haradrim begegnet. Natürlich kennt man Geschichten, aber ich denke eure Schilderungen sind weitaus detaillierter und gewinnbringender…“

Imrahil lehnte sich in seinen Stuhl zurück und seufzte laut, bevor er ihm und Celebithiel ein weiteres Glas heißen Metes einschenkte.
Er fuhr sich noch einmal durch die schwarz-gräulichen Haare, bevor er zögern und mit Bedacht fortfuhr.
„Ich werde euch versuchen eine Sicht auf die Dinge zu geben, die so objektiv wie möglich ist. Aber ihr müsst wissen, dass wir schon lange gegen die Haradrim und die Korsaren aus Umbar kämpfen. Die Verbitterung wurzelt tief in uns, wenn ihr versteht, was ich meine?“
Celebithiel nickte, schlug die Beine übereinander und stützte ihr Gesicht mit einer Hand ab, während sie Imrahils Ausführungen schilderte.
„Die Haradrim sind in Gegensatz zu vielen Meinungen, keineswegs eine homogene Masse, wie vielleicht die Ostlinge aus Rhûn.
Es sind viele kleine Stämme und Fürstentümer – sie nennen es auch Kalifate- die alle ihren eigenen lokalen Herrscher haben. Vor allem im Gebiet Nah-Harads – seht hier – ist diese Herrschaftsstruktur verbreitet. Es sind Nomaden, die kaum feste Städte oder Festungen besitzen.
Eine der wenigen bekannten größeren Städte Harads ist der Hafen von Umbar. Einst ein Bollwerk der schwarzen Numenorer, die der Vernichtung ihres Heimatlandes entkommen sind, ist es auch heute noch eine mächtige Festug, die über eine gefährliche Seemacht verfügt.
Auch wenn die Haradrim, vor allem Nah-Harads, hauptsächlich als Nomaden leben besitzen sie auch Festungen. Die größte Festung in der Wüste Harads ist Aïn Séfra und die Stadt Qafsah, die als Residenz Suladans gilt.
Fern-Harad, welches angenehmeres Klima bietet ist weniger stark vom Nomadentum geprägt, sodass es dort auch mehrere kleinere Städte gibt. Hier zählen zu den zwei größten Tindouf und Äin Salah.“
„Entschuldigt Imrahil, wenn ich euch unterbreche, aber Ihr erwähntet den Namen Suladan…wer ist das?“
Ein Lächeln huschte über Imrahils Lippen über diese Frage, bevor er sich räusperte und fortfuhr.
„ Ich vergaß, dass Ihr ihn nicht kennt, ich bitte um Entschuldigung. Also Suladan ist wohl der mächtigste Stammesführer in Nah-Harad. Qafsah, die Residenz Suladans, wird auch gerne als Wüstenschloss bezeichnet. Es muss eine gewaltige blühende Stadt in einer Oase mitten in der orangenen Wüste sein.
Suladan, er sich selbst als Sultan der Haradrim – also so etwas wie ein König – aller Haradrim versteht, war der erste Stammesführer, der sich mit Sauron verbündet hat. Er genießt so etwas wie ein Vertrauensverhältnis zum Dunklen Herrscher.
Dies begründet auch seine Machtstellung in ganz Harad. Die anderen Stammesfürsten haben Angst vor Sauron und damit Suladan und ordnen sich deswegen Suladan unter.
Früher haben die südlichen Lehen Gondors viel Handel mit den Stämmen der Südländer betrieben und ich bin mir fast sicher, dass viele von ihnen den Krieg ebenso sinnlos sehen, wie wir.
Man darf nie vergessen, dass die Südländer trotz aller Grausamkeiten Menschen sind und keine Orks…“
Celebithiel nickte und leerte ihr Glas mit dem warmen Met.

„Okay…ich verstehe“, erwiderte sie, „ dann müssen wir da ansetzen. Unsere Aufgabe muss es sein, dass wir die friedlichen Stämme auf unsere Seite ziehen. Wir müssen die Machtstruktur Suldanas destabliliseren!“
Imrahil lachte laut auf, wobei es kein freudiges Lachen, sondern ein verbittertes Lachen war.
„Celebithiel das klingt in der Theorie ja wunderbar, aber die Haradrim werden von der Furcht vor Sauron getrieben. Was können wir ihnen bieten, das ihnen der dunkle Herrscher in Mordor nicht bieten kann?“

Celebithiel warf Imrahil einen vernichtenden Blick zu und baute sich zu voller Größe vor ihn auf.
„Macht euch nicht lächerlich über mich Fürst der Menschen von Dol Amroth. Wenn ihr meine Hilfe und meinen Rat nicht wollt, dann gehe ich. Lasse eure Stadt im Stich und werde nicht eine Träne weinen, wenn Sauron höchstpersönlich in die Schwanenstadt einzieht, um sie mit einem Fingerschnipsen von den tosenden Wellen der See verschlingen zu lassen.“
Ihre Worte zeigten Wirkung, denn ein finsterer Schatten legte sich über Imrahils Gesichtszüge, bevor er betreten „Entschuldigt“ murmelte.

„Okay….dann setzen wir uns mal daran, wie wir das machen“, setzte Celebithiel an, als es an der Tür klopfte.
Titel: Re: Re:Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 10. Dez 2011, 12:28
Amrothos klopfte an die Tür zum Beratungszimmer, und kurz darauf ertönte die Stimme des Fürsten: "Ja bitte?". Oronêl und Amrothos wechselten einen raschen Blick, denn die Stimme klang noch immer müde und verbittert. Als sie den Raum betraten, senkte Imrahil, der zur Tür geblickt hatte, den Blick wieder auf die Karte, die den Tisch bedeckte. Neben ihm saß Celebithiel, wie Oronêl nicht im Geringsten überrascht feststellte, sah allerdings nicht wieder auf die Karte, sondern blickte sie besorgt an. "Ach, du bist es Amrothos.", sagte Imrahil: "Was gibt es denn wieder?" "Ich... wir...", setzte Amrothos an, doch Oronêl sah in seinen Augen, dass er es nicht über sich brachte, seinem Vater noch eine weitere schlechte Botschaft zu überbringen.
Ich muss ihm dabei helfen!
Er trat einen Schritt vor und begann: "Fürst Imrahil, es tut mir Leid, euch damit zu belästigen. Ich war mit eurem Sohn und Hauptmann Mithéldir im Kerker, bei dem Attentäter, den wir gefangengenommen haben. Wir wollten ihn eigentlich befragen, doch dazu kam es nicht mehr. Als wir den Kerker betraten war er bereits tot, gestorben an einem Gift, das aus den Wälder Fern-Harads kommt."
"WAS?", rief Imrahil und sprang auf. "Wie kann das sein?"
"Wir wissen es nicht. Doch der Wächter hat ihn gestern durchsucht und kein Gift bei ihm gefunden, und es gehört zu den Eigenarten dieses Giftes, dass man es nicht in einem Lederkügelchen oder ähnlichem mit sich führen kann. Also muss jemand in dieser Nacht im Kerker gewesen sein, um ihn zu vergiften. Mein Fürst, so leid es mir tut, aber ich fürchte, ihr habt noch immer einen Verräter in eurer Stadt."
Imrahil trat einen Schritt auf ihn zu und packte ihn an der Schulter. "Wie könnt ihr es wagen! Niemand aus dieser Stadt würde uns an Sauron verraten! Ihr beleidigt alle Menschen Dol Amroths mit dieser Anschuldigung."
Plötzlich stand Celebithiel neben ihnen und sagte mit leiser, aber nicht zu überhörender Stimme: "Das reicht, Imrahil. Habt ihr schon vergessen, was ich euch eben gerade sagte? Oronêl ist euch ebenso freiwillig zur Hilfe gekommen, wie ich. Ihr habt kein Recht, euch gegen die zu wenden, die auf eurer Seite stehen!"
Dieser lächerliche Mensch, was bildet er sich bloß ein auf die Stärke der Menschen
Langsam zog Imrahil seine Hand zurück. "Mit keinem Wort habe ich versucht, eure Stadt zu beleidigen, Imrahil. Ich spreche lediglich die Wahrheit aus, und wenn ihr zu verblendet seid, sie zu sehen, dann kann es mit der Stärke der Menschen nicht weit her sein. Ich bin hierhergekommen, bevor ich wusste, das mein Blut in den Adern der Fürsten dieser Stadt fließt, aus Bewunderung für die Standhaftigkeit für die Menschen dieses Landes, und aus Mitgefühl, doch nicht aus reinem Pflichtbewusstsein. Ich verstehe nicht, warum die Menschen sich gegen jene wenden, die ihnen unbequeme Wahrheiten mitteilen!"
Bei Oronêls Worten war Imrahil kalkweiß im Gesicht geworden und auf seinen Stuhl gesunken. Dann flüsterte er: "Wer seid ihr?"
Hinter Oronêl regte Amrothos sich unbehaglich in der sich ausbreitenden Stille, ging dann zum Tisch und reichte Imrahil einen Becher Met. Imrahil nickte ihm dankbar und müde zu und wandte sich dann wieder an Oronêl. Auch Celebithiel schien es unangenehm zu sein, den Fürsten derart niedergeschmettert zu sehen.
"Ich bin Oronêl aus Lórinand, Vater von Mithrellas, der Elbe, die einen Menschen ehelichte und deren Sohn der erste Fürst von Dol Amroth war. Ich habe euch nichts davon erzählt, weil ich nicht die Rolle des aus alter Zeit wiedergekehrten Ahnen, der kommt, um seine Nachfahren zu retten, spielen wollte. Ihr braucht mir deshalb keine Ehrfurcht entgegen zu bringen, denn ich bin keineswegs verehrungswürdig. Ich bin hier als Oronêl von Lórinand und nicht als Vorfahr der Fürsten von Dol Amroth, und ich bitte euch, mich auch so zu behandeln, wie auch euer Sohn es tut."
Imrahil erhob sich und sagte, nun wieder mit kräftiger Stimme: "Ich danke euch für eure Offenheit, Oronêl, und ich entschuldige mich für mein Verhalten. Doch versucht auch mich zu verstehen. Fast drei Jahre lang haben wir unter Saurons Belagerung gelitten und schon zuvor einen endlosen Krieg gegen seine Schergen aus dem Süden geführt. Allein der Gedanke, dass jemand aus dieser Stadt sich unseren Feinden zuwendet... Dieser Gedanke ist unerträglich."
"Und doch ist es so.", sagte Oronêl. "Und je schneller wir uns mit den Verrätern befassen, desto schneller wird es uns auch gelingen, sie zu entdecken."
"Oronêl hat Recht.", ergriff nun Celebithiel das Wort. "Wir können diese neue Bedrohung nicht ignorieren. Wir müssen etwas tun."
"Etwas haben wir ja schon getan. Wir haben herausgefunden, dass es außer den beiden Attentätern von letzter Nacht noch einen gibt, der uns entkommen ist. Dieser könnte mit dem identisch sein, der Andor vergiftet hat."
"Wir haben noch etwas übersehen.", sagte Amrothos, der sich nun, da die Spannung gelöst war, an den Tisch gesetzt hatte. Die anderen folgten seinem Beispiel. "Wer ist der andere Attentäter gewesen?", fuhr Amrothos fort. "Seine Identität haben wir noch nicht festgestellt. Ist es nicht ein merkwürdiger Zufall, dass zwei von Hauptmann Mithéldirs Männern heute nicht zum Dienst erschienen sind und einer von ihnen tot in unserem Kerker liegt? Vielleicht ist auch der andere Angreifer einer seiner Männer."
Imrahil strich sich über das Kinn. "Amrothos, bitte geh und stell fest, wer der dritte Angreifer war. Wenn auch er zu Mithéldirs Männern gehört, müssen wir ihn im Auge behalten." Amrothos stand auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Imrahil seufzte und sagte: "Verrat... schon immer war er eine der wichtigsten Waffen unseres Feindes. Ich wünschte nur, wir wären davon verschont geblieben."
Oronêl ließ den Blick über die Karte, die auf dem Tisch lag, schweifen und legte den Finger auf Fern-Harad. "Hier kommt das Gift her..." Er bewegte den Finger nach Norden, nach Dol Amroth. "Und hier kommt es zum Einsatz. Wer zwischen diesen Orten könnte diesen Verrat angestiftet haben?"
Imrahil und Celebithiel wechselten einen Blick, dann sagte sie: "Suladan. Er ist der mächtigste Stammesfürst von Harad, und eng mit Sauron verbündet. Er hätte großen Nutzen von Fall Dol Amroths, und natürlich Mittel und Wege, dieses Gift nach Norden zu bringen."
Imrahil lachte. "Da überlegen wir uns, wie wir ihn von innen zu Fall bringen könnten, und er ist schon einen Schritt weiter mit uns. Das Schicksal macht grausame Scherze!"
"Da gibt es noch etwas... ", meinte Oronêl nachdenklich.“Aber es tut mir Leid, davon kann ich euch nichts erzählen, Imrahil. Das liegt nicht daran, dass ich euch nicht vertrauen würde, sonder daran, dass dieses Wissen zutiefst gefährlich für euch wäre."
Er darf nicht von dem Ring erfahren, kein Mensch darf das. Er würde ihn verführen und vernichten, aber das darf nicht geschehen!
Er sah Celebithiel an, und erkannte, dass sie verstanden hatte, was er meinte.

Oronêl und Celebithiel in die Stadt (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,5963.msg274797.html#msg274797)
Titel: Ankunft im Palast
Beitrag von: Eandril am 8. Jun 2012, 19:15
...Edrahi und Lothíriell von Vor der Stadt (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,14229.msg292018.html#new).

Die Rückkehr nach Dol Amroth hatte Edrahils Erwartungen zwar nicht ganz entsprochen, denn der Fürst war nicht da, um ihn zu empfangen, doch dafür hatte Prinz Elphir ihn umso herzlicher willkommen geheißen und ihm sogleich angeboten, zu Ehren seiner Rückkehr ein Festmahl abzuhalten.

"Nein, mein Prinz, es tut mir sehr leid, aber dazu haben wir keine Zeit. Ich bringe beunruhigende Nachrichten, die denke ich keinen Aufschub dulden.", erwiderte er auf Elphirs Ankündigung. "Nun gut.", meinte dieser. "Lasst uns in das Beratungszimmer meines Vaters gehen, dort könnt ihr mir eure Neuigkeiten berichten."
Edrahil nickte zufrieden, und folgte Elphir.
Er macht sich gut in dieser Rolle. Ich konnte ihm keine Enttäuschung ob meiner Zurückweisung ansehen. Das ist ein wichtige Eigenschaft für einen Fürsten...

Im Beratungszimmer setzte Elphir sich an den großen Tisch in der Mitte des Raumes, auf dem eine Karte der Südlichen Lehen ausgebreitet war, und bedeutete Edrahil, sich ebenfalls zu setzen. Er begann zunächst mit einem kurzen Bericht über das Wohlbefinden der Fürstin und die Rückkehr von Elphirs Schwester Lóthiriel nach Dol Amroth.
Darüber schüttelte Elphir nachsichtig den Kopf und meinte: "Ich kann es zwar nicht gutheißen, dass sie wieder hier ist, wo die Gefahr noch nicht völlig gebannt ist, aber es ist ihre eigene Entscheidung. Aber ich glaube, dass nicht dies die dringenden und beunruhigenden Nachrichten waren, Edrahil?"

Edrahil schüttelte den Kopf und antwortete: "Nein. Am Abend vor zwei Tagen erreichte mich auf Tolfalas ein Brief des Fürsten, mit einer verschlüsselten Nachricht. Es ist mir gelungen, diese Nachricht zu entschlüsseln und ihr Inhalt ist der eigentliche Grund für mein Kommen." Er ein zusammengefaltetes Papier aus der Tasche und reichte es Elphir, der es entfaltete und leise murmelnd las.
"... Elben den Ring abnehmt... drei Wochen... Suladans Dol Amroth angreift... Angriff vor... Tor öffnen und unser Vorrücken verschleiern... nächsten Vollmond...  wo das Schwert steht."

Elphir sah auf, und Edrahil sah, wie sich Sorge in seinen Augen spiegelte. "Edrahil...", begann er, und stockte dann.
"Ich fürchte, mein Prinz, Dol Amroth schwebt erneut in Gefahr, doch in geringerer als euch dieser Brief möglicherweise glauben macht.", sagte Edrahil. "Dass wir so früh und überhaupt Kenntnis von diesem Plan erlangt haben, verschafft uns einen Vorteil. Außerdem ist das Attentat auf Prinz Amrothos bereits gescheitert und Mithéldir tot. Damit scheint der Hauptverräter bereits tot zu sein, und unseren Feinden fehlt nun ein wichtiger Bestandteil ihres Plans. Wenn ihr erlaubt, werde ich sobald wie möglich Späher aussenden, um den genannten Treffpunkt zu suchen. Vielleicht gelingt es uns, Mithéldirs Kontaktmann gefangen zu nehmen und von ihm weitere Informationen zu bekommen.
Außerdem werden ich mit eurer Erlaubnis meine Spione anweisen, jeden, der unter Mithéldirs Befehl stand, genau zu überprüfen, selbstverständlich ohne dass diese Personen davon Kenntnis erlangen."
Elphir lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah nicht minder besorgt aus als bisher. "Selbstverständlich habt ihr meine Erlaubnis, alles zu tun, was ihr für nötig haltet. Was ratet ihr mir weiterhin?"
"Ihr solltet heimlich Vorbereitungen gegen einen Angriff vom Meer aus treffen. Aber geht dabei vorsichtig vor, und versucht alle, die unter Mithéldirs Befehl standen, noch aus diesen Vorbereitungen heraus zu halten. Achtet darauf, dass möglichst wenige von dem erfahren, was ich euch erzählt habe, denn wenn unsere Feinde es erfahren, ist unser geringer Vorteil wieder dahin. Ansonsten könnt ihr wenig tun, meine Leute weitere Informationen gesammelt haben."

"Ich danke euch, Edrahil. Ihr habt Dol Amroth und Gondor heute ein weiteres Mal einen großen Dienst erwiesen. Geht nun, und tut was nötig ist.", meinte Elphir und erhob sich. Auch Edrahil stand auf und sagte: "Gestattet mir zu sagen, dass ich vollstes Vertrauen habe, dass ihr diese schwierige Situation meistern werdet. Ihr seid wahrlich ein Prinz von Dol Amroth und ein würdiger Stellvertreter und Nachfolger eures Vaters." Er verneigte sich vor Elphir und verließ den Raum.
Titel: Beratungen und Pläne
Beitrag von: Eandril am 27. Sep 2012, 16:00
Eine Woche war vergangen, seitdem Edrahil und Lóthiriel in Dol Amroth angekommen waren, und an diesem Morgen trafen die Berichte ein, die über Erfolg oder Misserfolg von Edrahils Vorhaben bestimmen würden.
Er setzte sich an seinen Schreibtisch, mit dem Rücken zur durch das östliche Fenster scheinenden aufgehenden Sonne, und nahm die erste Nachricht, den Bericht eines seiner wichtigsten Spione, der die Aufgabe, Mithéldirs Kontaktmann gefangen zu nehmen, gehabt hatte. Zuvor hatten seine Männer durch das Verhör von Mithéldirs Stellvertreter, der sich verdächtigt gemacht hatte und sich nun auch als Verräter gegen seine neuen Herren erwiesen hatte, den gesuchten Treffpunkt ausfindig gemacht. Sofort hatte Edrahil seine besten Leute dorthin gesandt, um dem Kontaktmann Mithéldirs aufzulauern.

Edrahil - Wir haben den Kontakmann am richtigen Ort gefunden und ihn und seine Wächter überwältigt. Durch das Verhör dieser Leute haben wir folgendes erfahren:
- Die Armee, die Dol Amroth vom Meer aus angreifen soll, wird viertausend Mann stark sein.
- Die Flotte wird eine Truppe von weiteren tausend Mann nördlich von Dol Amroth an Land setzen.
- Dieser Truppe sollten Mithéldir und seine Vertrauten heimlich das Tor öffnen, während alle anderen mit der Verteidigung des Hafen beschäftigt sein werden.
- Der Angriff soll in zwei Tagen bei Sonnenuntergang erfolgen.
- Außer Mithéldir sollten sich noch drei weitere Verräter in der Stadt befinden, alles Soldaten unter seinem Befehl.
Da diese Männer sich als außerordentlich willenstark erwiesen haben, rate ich dazu, dass ihr euch nicht nur auf diese Zahlen verlasst. Leider haben die Spione das Verhör nicht überlebt.

Edrahil nickte zufrieden. Er hatte schon ähnliches vermutet, und entsprechende Vorbereitungen treffen lassen. Aber dachte der Mann etwa, er sei ein Anfänger? Sich nicht mit Sicherheit auf durch Folter erlangte Aussagen zu verlassen war eines der ersten Dinge gewesen, die er gelernt hatte...
Er nahm den nächsten Bericht zu Hand.

Fürst Edrahil,
wir haben etwa zwei Drittel der Flotte im Hafen von Edhellond stationiert. Als Signal wurde wie ihr wünscht ein Leuchtfeuer auf dem Dach des Palastes errichtet. Mithéldirs ehemalige Kompanie wurde auf euren Befehl in die Berge von Dor-en-Ernil entsandt, um versprengte Orks zu jagen und wird dauernd von Spähern beobachtet. Die am Hafen stationierten Bogenschützen wurden mit Feuerpfeilen ausgestattet, und es wurde der Befehl ausgegeben, dass sich zum Zeitpunkt des Angriffs nur wenige Soldaten auf den Mauern am Tor zeigen sollen.
gez. Hilgorn, Hauptmann von Dol Amroth


Auch diese Vorbereitungen waren ganz zu Edrahils Zufriedenheit abgeschlossen worden. Die Flotte des Feindes würde nichtsahnend die noch im Hafen der Stadt befindlichen Schiffe angreifen und schließlich vom zurückkehrenden Rest der Flotte eingeschlossen werden. Die Gefahr dabei bestand lediglich darin, dass die wenigen Schiffe im Hafen und die dort stationierten Soldaten überwältigt würden, doch sollte es Anzeichen dafür geben, würden die Bogenschützen die feindlichen Schiffe in Brand setzen. Auch der feindliche Trupp, der vom Land angreifen sollte, würde nichtsahnend in eine Falle gehen...

Imrahil, Fürst von Dol Amroth und Tolfalas an Edrahil, seinen getreuen Ratgeber.
Wir haben die Nachhut Mordors, die wir verfolgten, überrascht und vernichtet. Euer Bote erreichte und einen Tag nach der Schlacht und brachte erneut schlechte Nachrichten, doch mit sogar mehr als einem Funken Hoffnung. Ich werde euren Rat befolgen und mich mit meinen Reitern zum von euch genannten Zeitpunkt östlich der Stadt im Wald verbergen. Sobald das von euch genannte Signal kommt, werden wir reiten, und alle an Land befindlichen Feinde zurück ins Meer treiben.
Edrahil, ihr habt der Stadt Dol Amroth und dem Königreich Gondor erneut einen großen Dienst erwiesen, und ich danke euch dafür. Lasst uns hoffen, dass der Feind sich in seiner eigenen Falle fängt.


Nun, da er wusste, dass die Feinde mit großer Wahrscheinlichkeit auch vom Land angreifen würden, erwies es sich als geradezu prophetisch, dass er Imrahil geraten hatte, sich mit seinen Reitern in Reserve zu halten. Wenn alles so lief, wie Edrahil es sich vorstellte, würden auch diese Feinde, wie ihre Flotte, zwischen den Mauern und Verteidigern der Stadt und einer angreifenden Streitmacht in ihrem Rücken gefangen und vernichtet werden.
Eine letzte Nachricht war noch übrig...

G. von A. an E.
Ich stimme euch zu, dass der Fürst eine bessere Wahl zum Truchsess wäre, als der Herr Faramir. Dieser befindet sich fern von seinem Reich und der Feind ist hier. Wenn der Angriff der Haradrim also abgeschlagen werden kann, werden ich und E. von PG euch in dieser Sache unterstützen.
Titel: Der Auftrag
Beitrag von: Eandril am 28. Sep 2012, 12:04
Hilgorns Start: (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,24510.msg313151.html#msg313151)

Am Morgen vor dem Angriff fiel ein leichter warmer Regen auf die Schwanenstadt. Edrahil saß bereits bei an seinem Schreibtisch, als sich die Sonne im Osten über den Horizont schob und die Wolken allmählich aufrissen, doch er weder las er irgendwelche Berichte noch erteilte er Befehle oder stellte letzte Pläne auf. Die Karten waren ausgespielt, und nun blieb nur noch das Warten auf die Schlacht. Er bettete den Kopf auf seine Arme und schloss die Augen, sich seiner über eine nahezu schlaflose Nacht angestauten Müdigkeit hingebend, als es an der Tür klopfte.

"Edrahil?", hörte er die Stimme Hauptmann Hilgorns fragen, "seid ihr wach? Öffnet bitte, ich habe hier etwas, das ihr sehen solltet."
Edrahil erhob sich mühsam, und hinkte zur Tür, sein Bein schmerzte wie so häufig, wenn er erschöpft war. Er öffnete die Tür, und Hilgorn trat mit zwei Soldaten ein, zwischen sich eine merkwürdige Gestalt. Es war eine Frau, nach der Art Gondors gekleidet, und doch vom Aussehen her eindeutig südländischer Art. Dabei machte sie keineswegs den Eindruck einer verzweifelten Gefangenen, sondern eher einer Königin, die von Hilgorn und seinen Mäner eskortiert und nicht bewacht wurde.

Kurz huschte ein Ausdruck des Hasses über Edrahils Gesicht, doch er hatte sich trotz seiner Müdigkeit sofort wieder unter Kontrolle und sah sie ausdruckslos mit verschränkten Armen an. "Nun, Hilgorn, was gibt es?", fragte er.

Hilgorn sah unbehaglich aus, als er antwortete: "Nun... sie kam heute morgen einfach zum Palast und verlangte euch zu sprechen. Sie sagte..." Weiter kam er nicht, denn die Frau schnitt ihm das Wort ab. "Ich kann durchaus für mich selber sprechen, Hauptmann." Sie sprach verächtlich, doch war ihr Westron makellos und nahezu akzentfrei. Hilgorn wollte wütend aufbegehren, doch Edrahil sah ihn an und schüttelte leicht den Kopf.

Die Gefangene fuhr fort. "Edrahil, Herr der Spione von Dol Amroth, mein Name ist Chatara, und ich bringe euch Nachricht von meiner Herrin. Wir haben bemerkt, dass unser Kontaktmann keinen Bericht erstattet hat, daher nehmen wir an, dass ihr ihn getötet habt. Wie ich an den Vorbereitungen, die ihr trefft, sehen konnte, habt ihr erfahren, dass ein Angriff bevorsteht, und werdet ihn abwehren können und eure Feinde vernichten."

Verflucht, dachte Edrahil, Wie ist es ihr nur gelungen, uns völlig unbemerkt auszukundschaften? Doch er ließ sich nichts anmerken, und Chatara sprach weiter.

"Da nun schon der zweite Angriff auf Dol Amroth scheitern wird, was Suladan, den Herrn Harads noch weiter schwächen wird, hat meine Herrin beschlossen, mit euch zu kooperieren, sofern ihr erfolgreich seit. Daher unser Angebot: Ich werde hierbleiben, bis die Schlacht geschlagen ist, und dann, im Falle eures Sieges, mit einem vertrauenswürdigen Boten nach Harad zurückkehren, wo dieser mit meiner Herrin sprechen wird." "Nun sagt mir," erwiderte Edrahil, "was werdet ihr tun, wenn wir unterliegen?" Chatara lächelte böse und meinte: "In dem Fall werde ich mich unter das siegreiche Heer mischen, und meine Herrin wird niemals in ihrer Treue zu Suladan gewankt sein."

Edrahil ging zum Fenster und sah hinaus, dann fragte er, ohne sich zu Chatara umzudrehen: "Und wieso sollte ich euch glauben? Aus welchem Grund sollte ich einer Südländerin vertrauen?" "Ich werde euch Einzelheiten über den bevorstehenden Angriff geben. Ich weiß nicht, was ihr unserem Kontakmann entlocken konntet, doch ich werde die Wahrheit sagen. Der Angriff wird heute Abend bei Sonnenuntergang erfolgen. Die Flotte wird aus fünfundzwanzig Kriegsschiffen und sieben Transportschiffen, besetzt mit Soldaten bestehen. Insgesamt werden sich etwa viertausend Soldaten auf den Schiffen befinden. Kurz darauf werden etwa tausend Mann, davon fünfhundert beritten, von Osten angreifen, denen Verräter in euren Reihen die Tore öffnen sollen."

Das deckt sich mit dem, was der andere Spion verraten hat...

Edrahil wandte sich um und sagte: "Nun gut. Da ich diese Angaben noch nicht überprüfen kann, sind sie auch noch kein Grund, euch zu vertrauen. Bis die Schlacht geschlagen ist, werdet ihr eingesperrt, und je nach Wahrheitsgehalt eurer Aussagen entweder als Spionin hingerichtet, oder ich werde mich entschließen, zum erstem Mal in meinem Leben jemandem aus dem Süden zu glauben."
Chatara neigte leicht den Kopf und erwiderte: "Ich hatte nichts anderes erwartet. So soll es sein.", und Edrahil stellte leicht angewidert von sich selbst fest, dass sie begann ihn zu beeindrucken.

"Schafft sie fort. Hauptmann Hilgorn, auf ein Wort." Als die Soldaten und Chatara den Raum verlassen hatten, sagte er, obwohl es ihm widerstrebte: "Hauptmann, stellt euch darauf ein, diese Truppentransporter mit Feuerpfeilen zu vernichten. Das könnte euch die Arbeit am Hafen etwas erleichtern, doch verlasst euch nicht völlig auf die Worte dieser Südländer-Schlampe. Das wäre alles." Hilgorn nickte knapp und eilte seinen Männern hinterher. Edrahil setzte sich wieder, um sein Bein zu entlasten, und schloss kurz vor Schmerzen die Augen.

Eine interessante Entwicklung... wenn sie denn die Wahrheit sagt.
Titel: Die zweite Schlacht um Dol Amroth
Beitrag von: Eandril am 28. Sep 2012, 17:46
Der Abend war gekommen, und Edrahil stand auf dem Dach des Palastes neben dem frisch aufgerichteten Leuchtfeuer. Von dort konnte er die ganze Stadt überblicken, doch im Moment richtete er seine Aufmerksamkeit vornehmlich auf den Hafen, dem sich die feindliche Flotte näherte. Die Sonne schien den westlichen Horizont zu berühren und die Masten der feindlichen Schiffe warfen lange Schatten auf die wenigen im Hafen liegenden Schiffe der Verteidiger, als die ersten Pfeilsalven von den Angreifern abgeschossen wurden. Edrahil zählte die Schiffe.

Fünfundzwanzig Kriegsschiffe und sieben Transporter. Das Weib hat die Wahrheit gesagt!

Die schnellen, schlanken Kriegsschiffe aus Umbar wurden von Ruderern voran getrieben, denn der Wind kam aus dem Norden, was möglicherweise ein entscheidender Faktor für den Sieg der Verteidiger sein würde. Nun hatten die ersten Korsarenschiffe den Hafen erreicht, und schon wurden die ersten Enterhaken auf die gondorianischen Schiffe geschleudert. Edrahil wandte sich um und gab den Befehl. "Jetzt! Entzündet das Leuchtfeuer!"

Ein Diener hielt eine Fackel an den ölgetränkten Holzstoß und sprang sofort zurück, als das Holz aufflammte und ihnen eine gewaltige Hitze entgegen schlug. Auch Edrahil trat einige Schritte vom Feuer zurück und schloss kurz geblendet die Augen. Dann blickte er nach Norden, zum Hafen von Edhellond, als ob er hoffte, die Verstärkung bereits herannahen zu sehen.

Als das Leuchtfeuer aufflammte, wurden auf den Hafenmauern dutzende Feuerpfeile entzündet und auf die schwerfälligen Truppentransporter der Südländer abgefeuert, wie Edrahil es mit Hilgorn abgesprochen hatte. Es war ein riskantes Manöver, denn das Feuer konnte leicht auf die eigenen Schiffe übergreifen und so auch für diese zum Verhängnis werden. Doch bislang waren nur vier der Transporter im Schutz der Kriegsschiffe im Hafen eingelaufen, und soweit Edrahil es von seiner Position aus erkennen konnte, wurden auf diese keine Brandgeschosse abgefeuert.

Allerdings zeigten die Feuerpfeile bei den anderen drei Transportern nicht die erhoffte Wirkung. Lediglich bei einem der Schiffe war ein Segel in Brand geraten, bei den anderen loderten lediglich kleine Feuer auf Deck auf, die aber schnell gelöscht wurden. Edrahil fluchte leise, denn das erste der Transportschiffe hatte sich in eine Lücke zwischen zwei Schiffen Dol Amroths geschoben und eine sofort mehrere breite Planken über den Spalt zwischen Reling und Kai geschoben, über die sofort Soldaten an Land stürmten.
Auch auf sämtlichen Schiffen der Verteidiger tobten nun Kämpfe zwischen den durch Soldaten der Garnison verstärkten Besatzungen und den Enterern.

Edrahil wusste, dies war ein entscheidender Moment. Wenn die Südländer die Linien der Verteidiger durchbrachen oder im Hafen zu sehr die Oberhand gewannen, würde die Stadt fallen.
Unmittelbar knickte sein linkes Bein unter ihm weg und er schlug schmerzhaft auf dem Steinboden auf, doch bevor einer der Diener ihm aufhelfen konnte, hatte er sich schon unter Schmerzen wieder erhoben. Trotz seines Widerwillens, Schwäche zu zeigen, nahm der den Stock, den einer der Diener ihm reichte, doch er hielt sich nicht damit auf, ihm zu danken. Dafür waren Diener schließlich da. Er richtete seine Augen wieder auf die Schlacht, die am Hafen hin und her wogte.

Aus Hilgorns Sicht:

Die Sonne war inzwischen ganz verschwunden und die ersten blassen Sterne zeigten sich am Himmel. Von Norden zogen neue Regenwolken heran, die die nördlichen Sterne bereits wieder verhüllten, als Hilgorn, Hauptmann von Dol Amroth, die ersten herannahenden Feinde erspähte. Er blickte vom Tor hinunter auf den Platz, auf dem noch vor etwas mehr als einem Monat ein verzweifelter Kampf gegen die Heerscharen Mordors getobt hatte, und in dem der Nazgûl, der Heerführer Mordors, wider alle Hoffnung gefallen war.
Der Feind dem sie sich heute gegenüber sahen war dagegen weit weniger erschreckend, denn weder wurden die Truppen von einem Ringgeist angeführt noch erreichten sie annähernd die Zahl jener Armee. Außerdem waren rund um den Platz heute Barrikaden aus angespitzen Pfählen errichtet, und der Feind war - - hoffentlich - ahnungslos ob der Falle, die ihn erwartete.

Hilgorn gab den Männern, die an der Torwinde standen ein Zeichen, und das Tor begann langsam aufzuschwingen. Als die ersten Reiter des Feindes die stummen Mauern erreichten, auf denen nur Hilgorn, der scheinbar grüßend die Hand hob, zu sehen war, stand das Tor bereits weit offen. Doch das Zeichen war keineswegs als Gruß gedacht, denn in dem Moment, als die Feinde das Tor passierten, stieg von der Mauer eine Salve von zehn Feuerpfeilen nahezu senkrecht in die Luft.
Gleichzeitig erkannten die Feinde, dass sie keineswegs in eine unvorbereitete Stadt, deren Tore durch Verrat offen standen, einrückten, sondern das der Torplatz befestigt worden war und auf den Mauern plötzlich Bogenschützen standen, die zuvor verdeckt hinter den Zinnen gelegen hatte und nun auf die Angreifer zielten.
Hilgorn zögerte keine Sekunde und gab den Befehl zum Feuern, und die erste Salve schlug in die Truppen des Feindes ein. Männer und Pferde gingen von Pfeilen durchbohrt zu Boden, und einen Augenblick lang sah es so aus, als wollten sich die Angreifer zur Flucht wenden.
Doch da schienen die Verteidiger von den Barrikaden zurückzuweichen, und die Truppen Harad schöpften neuen Mut. Der Angriff begann.


Vom Palastdach sah Edrahil die Salve aus Feuerpfeilen vom Tor aufsteigen, sah in Richtung dieses Kampfes. Zuerst fürchtete er, Hilgorn sei zu stürmisch an die Sache herangegangen würde die Feinde schon zum Rückzug bringen, doch dann griffen die Feinde plötzlich weiter an. Aber schon nahte von Osten eine weiter Reitertruppe, um ihnen in den Rücken zu fallen.

Die Schlacht um den Hafen stand dagegen gar nicht gut. Schon waren zwei Schiffe den Feinden in die Hände gefallen und ein weiterer Transporter hatte angelegt, wodurch sich auch das Kräfteverhältnis an Land immer mehr zu Ungunsten der Soldaten Dol Amroths verschob.

Inzwischen war es immer dunkler geworden, da die von Norden kommenden Wolken den aufgehenden Mond und die Sterne verdeckten und die Sonne vollends verschwunden war und nicht mehr der geringste Schimmer im Westen zu sehen war. Dadurch wurde es für Edrahil immer schwieriger, zu erkennen, wie die Schlacht lief. Er blickte wieder nach Norden, nach Edhellond, spähte ungeduldig in die heraufziehende Dunkelheit, und tatsächlich: Von Norden glitten Schatten über das Wasser, Schatten in Form von Schiffen, die mit dem Wind im Rücken der feindlichen Flotte direkt und zu spät bemerkt in die Flanke fielen. Schon wurde das erste Korsarenschiff  seitlich gerammt und bekam Schlagseite, brach zur Seite aus und begann schließlich zu sinken. Zwei große Kriegsschiffe hielten geradewegs auf einen der hinteren Transporter zu und versenkten auch diesen.
In diesem Augenblick begann sich auch die Schlacht im Hafen zu wenden, denn die Nachricht von der Ankunft einer neuen Flotte der Verteidiger, die zweimal so groß wie die bisherige war, schien sich im gesamten Heer der Angreifer zu verbreiten und Panik auszulösen. Schon versuchten die hinteren Korsarenschiffe beizudrehen und nach Süden zu entkommen, doch einige der Schiffe von Dol Amroth waren in leichten Bogen gefahren und näherten sich nun von Nordwesten, um den Fliehenden den Weg abzuschneiden.
Edrahil blickte zum Tor, und auch dort waren die Feinde in die Falle gegangen: Imrahil und seine Reiter waren gekommen und hatten die Feinde nun zwischen sich, der Mauer und den Verteidigern in die Zange genommen.
Der Sieg war greifbar nah und Edrahil hätte jubeln mögen, doch in diesem Augenblick des Triumphes knickte sein Bein trotz des Stocks erneut ein, und diesmal schlug er mit dem Kopf auf der steinernen Brüstung auf und verlor das Bewusstsein.
Titel: Die Siegesfeier
Beitrag von: Eandril am 5. Okt 2012, 16:00
Nach dem Sieg über die angreifenden Haradrim und Corsaren hatte Edrahil zwei Tage im Lazarett verbracht, weil sein Bein noch immer zu zittern begann, wenn er es belastete.

Nachdem die Verstärkungen Dol Amroths den Feinden in den Rücken gefallen waren, waren diese in Panik geraten, und ihre Reihen begannen sich aufzulösen. Drei der Transporter waren gesunken und drei weitere waren den Soldaten der Stadt in die Hände gefallen, und nur einem von sieben war die Flucht gelungen. Von den fünfundzwanzig angreifenden Kriegsschiffen waren acht gesunken und ein weiteres irreparabel beschädigt, doch sieben waren von den Verteidigern aufgebracht worden. Lediglich acht Kriegschiffe hatten entkommen können, allerdings beschädigt und mit großen Verlusten unter den Mannschaften.
Die von Land angreifende Truppe hatte es sogar noch schlimmer getroffen. Höchstens hundert Mann hatten fliehen können und wurden nun von Reitertrupps gejagt, sodass sie höchstwahrscheinlich nicht endgültig entkommen würden. Der Rest war entweder tot oder gefangen genommen worden.

Nun, drei Tage nach der Schlacht, saß Edrahil auf einem Stuhl an Imrahils linker Seite, auf einer Empore am Westende des großen Saales. Zu Imrahils Rechter saß Prinz Elphir, und hinter ihnen standen die anderen Kinder Imrahils, Prinz Erchirion, sein mittlerer Sohn, und Prinzessin Lóthiriel, sowie Hilgorn, der Hauptmann der Garnison von Dol Amroth.
Erchirion war aus Ethring im Ringló-Tal, wo er als Gast im Haus von Fürst Dervon vom Ringlótal gewesen war, zu seinem Vater gestoßen und hatte mit diesem den Angriff in den Rücken des Feindes angeführt.
Der Saal füllte sich mit Adligen, Hauptleuten und anderen einflussreichen Männern, die gekommen waren, um den jüngsten Sieg über die Streitkräfte Suladans zu feiern. Edrahil ließ den Blick über die Menge schweifen, und erblickte mehrere andere Fürsten der südlichen Lehen: Imrahils Gefolgsleute Amros von Edhellond, der persönlich die Flotte in der Schlacht befehligt hatte, und Ardamir von Belfalas waren ebenso gekommen wie die Golasgil, der Herr von Anfalas, dessen Land bisher von Angriffen größtenteils verschont geblieben war, Elatan, der Herr der Pinnath Gelin, Fürst Angbor von Lamedon, Duilin von Morthond, dem man die Trauer über den Verlust seiner Söhne in der Schlacht auf dem Pelennor noch ansah, sowie Dervon, der Herr über das Ringlótal, der mit seinem Sohn Dervorin gekommen war.

Als der Saal sich gefüllt hatte, erhob sich Imrahil.
"Wir sind heute hier zusammengekommen, um erneut einen Sieg über die Streitkräfte des Bösen zu feiern. Erneut versuchten die Diener Mordors, die Haradrim und die Corsaren aus Umbar, unsere Stadt einzunehmen und unsere Frauen und Kinder zu erschlagen oder als Sklaven wegzuführen."

Bei diesen Worten zuckte Edrahil leicht zusammen, denn sie erinnerten ihn an die, die er vor langer Zeit an ebenjene Feinde verloren hatte. Imrahil fuhr fort: "Doch wider allen Hoffens ist es uns nun erneut gelungen, unsere Feinde zu vertreiben, und ihnen sogar eine empfindliche Niederlage zu bereiten. Dies wäre nicht möglich gewesen ohne die Tapferkeit und Besonnenheit jener, die die Verteidigung führten und die Falle, die unsere Feinde uns gestellt hatte, gegen sie zu richten wussten. Hilgorn, Hauptmann der Garnison von Dol Amroth!", rief er aus.

Hilgorn trat vor Imrahil hin und sank auf ein Knie nieder. "Ihr habt die Truppen am Tor geführt, und nur Dank eurer klugen Führung gelang es uns, unsere Feinde in die Falle zu locken. Hierfür danke ich euch im Namen der ganzen Stadt und erhebe euch in den Rang eines Herren. Ihr werdet von mir ein Stück Land an der westlichen Küste von Belfalas zum Lehen erhalten, und, sofern ihr das Kommando annehmt, den Oberbefehl über sämtliche Landstreitkräfte westlich der Berge von Dor-en-Ernil. Nehmt ihr diese Ehre an?"

Hilgorn erhob sich und erwiderte: "Mein Herr erweist mir mehr Ehre, als ich verdiene, doch ich werde sie annehmen. Ich danke euch, mein Herr."

"Nun möge der vortreten, der die Stadt in meiner Abwesenheit geführt hat, und die Verteidigung des Hafens befehligte. Elphir, mein Sohn und Erbe!" Elphir trat vor, und auch er sank vor seinem Vater auf die Knie. "Ohne deine Taten am Hafen und deine umsichtige Herrschaft über die Stadt wäre dieser Sieg unmöglich geworden. Hierfür danke ich dir, als Vater wie als Fürst, und erhebe dich zu einem Oberbefehlshaber der Truppen von Dol Amroth und zum Truchsessen der Stadt!" Elphir erhob sich und blickte seinem Vater ins Gesicht: "Ich danke euch, Vater, und nehme diese Ehren mit Freuden an.", und setzte sich wieder auf seinen Platz an der rechten Seite des Fürsten.

"Dank gebührt auch meinem Lehnsmann Amros von Edhellond, der unsere Flotte mit seinen eigenen Schiffen verstärkte und selbst das Kommando führte, und Fürst Dervon aus dem Ringlótal, der meine Truppe mit seinen Reitern verstärkte. Doch nun zu jenem Mann, der uns vor dem Angriff warnte, und die genauen Umstände aufdeckte: Edrahil von Belfalas!"
Edrahil erhob sich mühsam, trat vor Imrahil und ließ sich auf sein linkes Knie nieder.
"Ohne euch hätten wir nie von der Falle erfahren, die uns gestellt wurde, und wären blindlings hineingelaufen. Dol Amroth wäre gefallen, und alle Hoffnung für seine Bewohner wäre dahin gewesen. Doch ihr warntet uns, und ihr wart es auch, der den Plan entwarf, die Falle gegen unsere Feinde zu richten. Ihr habt mit eurem Verstand unseren Feinden eine schwere Niederlage zugefügt, und dafür erhebe ich euch zum Herrn über alle Länder zwischen Dol Amroth, Edhellond und den Bergen von Dor-en-Ernil, und erneuere euren Sitz im Rat des Fürsten!"

Edrahil verharrte noch eine Augenblick, dann kam er mühsam auf die Füße und blickte Imrahil fest in die Augen, als er sagte: "Vergebt mit mein Fürst, aber ich muss diese Ehre ablehnen." Verblüffung zeigte sich im Gesicht des Fürsten, und auch in allen anderen Gesichtern, doch Edrahil fuhr fort.
"Ich bedaure, auf einem Fest eine solche Ankündigung zu machen, doch es muss sein: Weder Harad noch Umbar noch Mordor sind in der Nacht vor drei Tagen besiegt worden, und es wird nicht lange dauern, bis wir erneut Krieg führen müssen. Doch unsere Feinde im Süden sind durch ihre Niederlagen geschwächt, und, wie ich erfahren habe, uneins. Wir haben nun möglicherweise die Gelegenheit, unsere Feinde im Süden zu spalten und vielleicht so den Krieg in ihre eigenen Lande verlagern. Dies kann jedoch nicht durch Heere und Feldzüge geschehen, sondern durch Diplomatie und Intrigen. Daher bitte ich euch, mein Fürst, um die Erlaubnis, nach Harad gehen zu dürfen. Ich fürchte, diese Angelegenheit ist so wichtig, dass ich in eurem Rat weniger von Nutzen wäre als im Süden. Habe ich eure Erlaubnis?"

Imrahil seufzte, und mit gelindem Erstaunen stellte Edrahil fest, dass es totenstill im Saal geworden war. Dann sagte der Fürst leise: "Ich hätte euch gerne hier an meiner Seite gehabt, mein Freund. Doch wenn es euer Wunsch ist, so lasse ich euch in meinem Auftrag nach Süden ziehen." Edrahil verneigte sich und erwiderte: "Ich danke euch, mein Fürst. Ich werde mein bestes geben, um dem Haus Dol Amroth zu dienen." Er hob die Stimme und wandte sich der Menge zu.

"Fürsten der südlichen Lehen, Volk Dol Amroths. Seit langer Zeit sind wir von Minas Tirith abgeschnitten, und haben so niemanden, der uns führt und das Königreich Gondor zusammenhält. Der letzte aus dem Haus der Truchsessen ist in Rohan, und somit weit entfernt von den Nöten und Sorgen seines Volkes. Wer soll uns also führen?
Ich schlage vor, das wir hier und jetzt, wo die Fürsten der Lehen versammelt sind, einen anderen Truchsess wählen, einen aus ihren Reihen, der uns im Kampf gegen das Böse anführen kann. Wen schlagt ihr vor?"

Für einen Moment herrschte Schweigen im Saal. Imrahil war auf seinen Sitz zurückgesunken, und Lóthiriel starrte Edrahil mit weit aufgerissenen Augen an. Dann erhob sich Golasgil von Anfals und sagte: "Ich stimme euch zu, Edrahil. Faramir ist weit entfernt und kann uns nicht als Truchsess anführen. Doch wir haben jemanden, der ein erfahrener Fürst und Soldat ist, den Herrn über die größte Stadt und die meisten Menschen des Südens, Imrahil, Fürst von Dol Amroth, und ich schlage ihn als neuen Truchsess von Gondor, den Truchsess des Südens, vor." Er setze sich wieder, und die Stille schien noch drückender zu werden.

Dann stand Elatan, der Herr der Pinnath Gelin, der mit Golasgil verwandt und mit Imrahil befreundet war, auf und meinte: "Golasgil hat Recht. Imrahil wäre ein besserer Truchsess als dieser grüne Junge Faramir, der keine Ahnung vom Regieren hat und überdies sein Volk im Stich gelassen hat. Ich stimme für Imrahil, Fürst von Dol Amroth als Truchsess von Gondor!"

Da stand Angbor von Lamedon auf und erwiderte: "Fürst Faramir ist inzwischen kein grüner Junge mehr, sondern ein erfahrener Heerführer. Er hat uns nicht im Stich gelassen, sondern wird zurückkehren, daran glaube ich. Außerdem ist er der letzte aus dem Haus der Truchsessen und hat somit den besten Anspruch auf dieses Amt. Ich werde nicht dabei mithelfen, ihn seines Erbes zu berauben, doch wenn Fürst Imrahil eure Wahl ist, werde ich ihm ebenso treu folgen wie ich Faramir folgen würde, denn wenn wir darüber entzweien, wir Sauron lachen und uns zerquetschen, während wir uns gegenseitig bekriegen oder tatenlos zusehen, wie andere kämpfen."

Auch Dervon von Ringló sprach gegen Imrahil, doch ähnlich abwägend wie Angbor, und Amros von Edhellond und Ardamir von Belfalas sprachen sich ebenso für Imrahil aus wie dessen Sohn Elphir. Schließlich wandte sich Edrahil an Imrahil und sagte: "Wie es scheint, haben die Fürsten Gondors sich entschieden. Nehmt ihr, Imrahil, Fürst von Dol Amroth, ihre Wahl und das Amt des Truchsess von Gondor an?"

Imrahil erhob sich erneut und ließ seinen Blick einen Moment lang schweifen. Dann sprach er: "Ich danke euch für euer Vertrauen in mich. Dies ist eine der schwersten Entscheidungen die ich je treffen musste, doch wenn ihr mich als Truchsess von Gondor sehen wollt, so werde ich eure Wahl annehmen. Doch lasst mich noch dies sagen: Wenn Fürst Faramir zurückkehrt, werde ich nicht zögern, ihm sein Amt erneut zu überlassen. Ich danke euch."

Edrahil setzte sich wieder, als Imrahil mit den Siegesfeierlichkeiten fortfuhr. Dieser Teil seiner Pläne war einfacher aufgegangen, als er erwartet hatte...

Edrahil, Imrahil, Hilgorn, Elphir, Lóthiriel und Chatara zum Hafen (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,6044.msg313060.html#new)...
Titel: Neue Pläne
Beitrag von: Eandril am 6. Dez 2012, 19:34
Imrahil, Elphir und Hilgorn vom Hafen (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,6044.msg313060.html#msg313060)


Gerade eine Woche war seit Edrahils Abreise vergangen, als Hilgorn, der eigentlich in Begriff war, zu den Truppen außerhalb der Stadt, die nun unter seinem Befehl standen, zum Fürsten von Dol Amroth gerufen wurde.
Nachdenklich schritt er die flachen Stufen zum Eingang des Palastes hinauf, in Gedanken noch mit seinen Plänen beschäftigt, die er für sein neues Amt gemacht hatte. Er erreichte das Tor und betrat den Palast, in der aufgehenden Sonne, die durch die hohen Fenster schien, beleuchtet wurde. Zielstrebig schug er den Weg zum Beratungszimmer des Fürsten ein, und tatsächlich hatten sich dort bereits mehrere andere Hauptleute und Imrahil selbst, sowie sein Sohn Elphir, versammelt.
Als Hilgorn eingetreten war, sagte Imrahil: "Bitte schließt die Tür, und setzt euch. Wir haben einiges zu besprechen, was die Zukunft dieser Stadt beeinflussen wird, und ich möchte verhindern, dass jemand Falsches davon erfährt."
Hilgorn schloss die Tür und setzte sich auf den einzigen freien Stuhl, direkt neben Elphir und Imrahil nahezu gegenüber.
Was mag das bedeuten?

Der Fürst begann. "Wie ihr alle wisst, haben wir unseren Feinden in letzter Zeit mehrere schwere Schläge versetzt: Das Ende der Belagerung und des Nazgûl, die Vernichtung jener, die sich daraufhin nach Osten zurückziehen konnten, die Vernichtung der Flotte von Umbar die gegen uns ausgesandt wurde, und die Enttarnung und der Tod des Verräters Mithéldir.
Doch ich frage euch, was ist das alles wert? Wir verteidigen nur das, was uns geblieben ist, und arbeiten nicht daran, das zurückzuholen, was wir verloren haben."
Er stand auf, und Hilgorn sah erstaunt, was für eine Veränderung mit dem Fürsten vorgegangen war. Er war wieder jene entschlossene Mann, der er vor den vielen Niederlagen im Ringkrieg, vor seiner Rückkehr vom Schwarzen Tor, gewesen war. Selbst nach dem Sieg über die Belagerer hatte Imrahil eher erschöpft gewirkt, als die erste Siegesfreude verflogen war.
Imrahil fuhr fort: "Dies soll sich nun ändern. Wir werden nicht nur ängstlich in Erwartung des nächsten Schlages dasitzen und versuchen ihn abzuwehren, jetzt, wo unsere Feinde geschwächt sind. Nein, wir werden zum ersten Mal seit langem in diesem Krieg wieder vorrücken, und gleichzeitig unsere Verteidigung stärken.
Ich muss euch nun bitten, den Raum zu verlassen, denn ich werde jedem von euch seinen Auftrag allein erteilen. Es geht nicht darum, dass ich euch nicht vertraue, sondern dass unsere Feinde nicht all unsere Pläne aufdecken können, wenn nur einer von euch in Gefangenschaft gerät."
Alle erhoben sich, auch Hilgorn, doch Imrahil sagte: "Nein, ihr noch nicht, Hilgorn, und auch du nicht, mein Sohn. Ihr werdet eure Befehle als erste erhalten."
Hilgorn sank wieder in seinen Stuhl zurück, und blickte in gespannter Erwartung auf Imrahil, der wartete, bis der letzte der Hauptleute den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatte.
"Ihr  werdet, egal welche anderen Pläne ihr mit euren Truppen gehegt habt, diese sammeln, und südlich um die Berge von Dor-en-Ernil herummarschieren, und dabei das ganze Land von Saurons Dienern befreien, bis ihr nach Linhir kommt. Ihr werdet den Hafen von Land belagern, bis weitere Truppen zu euch stoßen, bis ihr genug seid, um den Hafen einzunehmen. Elphir wird euch mit einer Gruppe der Schwanengarde begleiten. Habt ihr verstanden?"
"Jawohl, mein Fürst", antwortete Hilgorn. "Ich werde eure Befehle ausführen, so gut ich kann, egal was es mich kostet." Und das würde er tun, denn sein Fürst baute auf ihn.
Imrahil nickte zufrieden, und entließ die beiden mit einem Wink.
Titel: Re: Re:Der Palast des Fürsten
Beitrag von: FelsMcOwnage am 21. Jan 2013, 20:51
Thobador, vom Tor Dol Amroths (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,14229.msg321701.html#msg321701) kommend


Thobador hatte sich sofort auf den Weg zum Palast gemacht um dem Fürsten der Stadt seinen Dienst anzubieten. Auf seinem Weg konnte er viele verwahrloste Häuser und ihre Bewohner erblicken. Er empfand großes Mitleid mit ihnen und schwor sie dafür zu rächen.
An den Toren des Palasts angekommen, wurde der Waldläufer von zwei Wachen angehalten.
"Halt, was habt Ihr hier zu suchen? So abgerissen wie Ihr ausseht, habt Ihr bestimmt nichts Gutes im Sinn.". Thobador war es inzwischen gewohnt von den Wachen Dol-Amroths mit Misstrauen behandelt zu werden, weswegen er einfach nickte und stehen blieb.
"Verzeiht, aber bin ich hier nicht richtig um dem Fürsten meine Dienste anzubieten?".
Die Wachen blickten sie an und dann fiel der Blick des einen auf Thobadors Schwert, "Wie ein Krieger sieht Ihr immerhin aus und die Wachen am Tor haben Euch sicherlich auch nicht so mir nichts dir nichts herein gelassen, Ihr könnt passieren.". Thobador nickte der Wache erneut zu und betrat den Palast. Das innere des Gebäudes war das genaue Gegenteil der Stadt. Alles war ordentlich und prunkvoll eingerichtet und erinnerte an bessere Tage.
In den Gängen standen sich, in gewissen Abständen, immer zwei in prunkvolle Rüstungen gekleidete Gardesoldaten gegenüber. Sie sagten nichts und warteten wahrscheinlich darauf, dass Thobador etwas falsches tat. So streifte der Dunadan staunend durch die Gänge, bis er letztlich den Thronsaal erreichte. An den Wänden des Saals hingen edle Banner Dol-Amroths mit dem weißen Schwan darauf und in der Mitte stand der Thron Imrahils, des Fürsten der Stadt. Langsam näherte Tghobador, Thobadils Sohn sich Imrahil, bis er einige Meter vor ihm stehen blieb und sich verbeugte. "Mein Name ist Thobador, ich komme aus dem Norden und möchte Euch meine Dienste anbieten, um gegen Mordor zu kämpfen.", wie immer war der Waldläufer dabei sehr direkt, auch wenn es etwas unhöflich schien, vor einem Fürsten unaufgefordert zu sprechen. Imrahil schien das jedoch nicht sonderlich zu stören, ohne sich zu beschweren antwortete er, "Ihr seid den weiten Weg aus dem Norden hierher gereist um uns zu helfen? Wahrlich ehrenhaft, aber das ist schon eine Weile her, nicht wahr? Es drangen Gerüchte von einem Schwert zu uns durch, das Furcht und Schrecken unter den Orks verbreitet. Und die Beschreibung dieses Schwertes, passt auf das Eure.". Thobador blickte zu Boden und dann Imrahil ins Gesicht, "Es ist wahr, ich bin schon vor einiger Zeit nach Gondor gekommen, um gegen Mordor zu kämpfen. Aber die Dinge haben sich geändert, aus dem Sieg wurde eine Niederlage und jetzt könnt Ihr jeden Mann gebrauchen. Verzeiht mein forsches Vorgehen, aber ich rede nicht gerne um den heißen Brei herum. Wollt Ihr mich in Euren Reihen oder nicht?". Imrahil schien zu überlegen, "Normalerweise würde ich nicht jeden Dahergelaufenen in mein Heer aufnehmen, aber es sind schwere Zeiten und wenn Euer Schwert tatsächlich so gefürchtet ist bei den Orks, kommt uns das nur zugute. Ihr seid hiermit in den Streitkräften Dol-Amroths aufgenommen, meldet Euch bei General Hilgorn, meinem Heermeister. Er sollte sich noch hier im Palast aufhalten, fragt eine der Wachen.". Thobador bedankte sich und machte sich sofort auf die Suche nach Hilgorn. Nachdem er einige Zeit durch die Flure des Palasts gegangen war und den General nicht gefunden hatte, fragte er eine Wache. Diese führte ihn zu einem Quartier und ging dann wieder auf ihren Posten. Thobador klopfte an und wartete auf eine Antwort.
Titel: Ein neuer Rekrut
Beitrag von: Eandril am 22. Jan 2013, 17:56
Hilgorn saß in Gedanken versunken am Fenster und sah auf die Stadt hinaus. Heute, am Tag bevor er mit dem Heer nach Linhir aufbrechen sollte, wurde ihm bewusst, dass es vielleicht das letzte Mal war, dass er Dol Amroth sah. Noch nie waren ihm vor einem Kampf solche Gedanken gekommen, und das beunruhigte ihn.

Plötzlich klopfte es an der Tür, und Hilgorn, der keinen Besuch erwartete, schreckte aus seinen Gedanken, sprang auf und sagte laut: "Tretet ein!"
Die Tür öffnete sich, und herein kam ein großer, abgerissen aussehender Mann, der ein Langschwert an der Seite trug. Hilgorn schätzte ihn etwa auf sein Alter.

"Ich bin Thobador, Thobadils Sohn, Waldläufer von Arnor. Ich wurde von eurem Fürsten geschickt, euch mein Schwert anzubieten."
Obwohl Hilgorn von der Direktheit Thobadors überrascht war, war der Waldläufer ihm direkt sympatisch, und er kam ihm auch entfernt bekannt vor.
"Es ist mir eine Ehre, Thobador.", antwortete er, "Mein Name ist Hilgorn, Sohn des Imranir, Hauptmann von Dol Amroth." Während er sich vorstellte, rückte er unauffällig seinen Mantel zurecht, der beim Aufstehen verrutscht war.
Thobador zog eine Augenbraue hoch, wie um Hilgorn zu zeigen, dass er die Geste wohl gesehen hatte, doch er ging nicht darauf ein, sondern meinte: "Hauptmann? Verzeiht, ich war auf der Suche nach dem Oberbefehlshaber. Könntet ihr mir sagen wo ich ihn finden kann?"
"Er steht vor euch", erwiderte Hilgorn. "Ich habe mich wohl falsch vorgestellt, doch ich kann mich noch nicht an meinen Titel gewöhnen. Nun sagt mir, was führt euch zu mir?"
"Wie ich schon sagte wurde ich von Fürst Imrahil angewiesen, mich bei euch zu melden, wenn ich für Dol Amroth kämpfen will."

"Nun, das kommt mir gelegen.", sagte Hilgorn. "Ein weiterer Mann in unseren Reihen kann nicht schaden bei dem was uns bevorsteht, zumal wenn es sich um einen kampferprobten Waldläufer aus dem Norden handelt. Solltet ihr weitere Ausrüstung, Waffen oder Rüstung brauchen, meldet euch beim Quartiermeister und sagt, dass ich euch schicke, dann werdet ihr alles erhalten was ihr benötigt."
Thobador nickte, antwortete jedoch: "Mein Schwert und mein Bogen sind gut genug, und Rüstung benötige ich keine mehr, doch ich danke euch dennoch."

"Sehr gut. Dann findet euch morgen zu Sonnenaufgang auf dem Platz der tausend Schwanenfedern ein. Wir werden eine Stunde nach Sonnenaufgang nach Linhir aufbrechen."
Thobador nickte knapp und wandte sich zum gehen, doch bevor er aus der Tür treten konnte, sagte Hilgorn: "Sagt mir, Thobador, ist es möglich, dass ich euch bereits begegnet bin? Habt ihr mit der grauen Schar in Pelargir und Minas Tirith gekämpft."
"Nein, aber ich war während der Belagerung in Minas Tirith und wurde dort verwundet.", erwiderte dieser. "Dann wart ihr der Waldläufer, den meine Männer und ich dort in der Stadt gefunden und in die Häuser der Heilung gebracht haben? Wir wunderten uns sehr, dass ihr in der Stadt wart, und nicht mit dem Rest der Grauen Schar auf dem Pelennor. Doch für den Moment genug der Kriegsgeschichten. Wenn es euch gefällt, kommt doch heute nach Sonnenuntergang wieder, dann habe ich ein schönes Fässchen Wein organisiert und ihr könnt mir erklären, wie ihr in die Stadt kamt.", antwortete Hilgorn.

"Das würde ich sehr gerne.", meinte Thobador. "Ich werde kommen." Und damit verließ er den Raum.

Hilgorn zum Platz der tausend Schwanenfedern (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,14170.msg324464.html#msg324464)...
Titel: Die Rückkehr
Beitrag von: Eandril am 13. Sep 2015, 11:07
Elphir, Hilgorn, Elúne, Duinhir und Dirar aus der Stadt (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,5963.msg409812.html#msg409812)...

Nachdem Qúsay sein Pferd persönlich in Richtung der Ställe geführt hatte, verabschiedete sich auch Duinhir am Eingang zum Palast mit den Worten: "Ich nehme an, dass die Dinge die Imrahil mit Qúsay zu besprechen hat von größerer Wichtigkeit sind als meine Anliegen. Ich werde mich für den Moment in den Garten begeben, aber ich würde euch bitten mir einen Boten zu senden, sobald der Fürst Zeit für mich hat."
"Natürlich, Fürst Duinhir.", erwiderte Elphir mit einer leichten Verbeugung, und Duinhir ging in Richtung des Gartens davon.
Kurz darauf verabschiedete sich auch die merkwürdige Frau namens Elúne mit der Begründung, sie habe noch einiges zu erledigen, sodass nur Elphir, Dirar und Hilgorn übrig blieben. Als sie das Beratungszimmer erreichten, öffnete Imrahil ihnen höchstpersönlich die Tür. Er bedachte Dirar nur mit einem kurzen Blick, legte seinem Sohn zur Begrüßung die Hand auf die Schulter und wandte sich dann an Hilgorn: "Was habt ihr zu berichten, General?"
Hilgorn salutierte, indem er die rechte Faust gegen die linke Brust schlug und erwiderte: "Mein Fürst, Linhir ist euer. Wir haben eine Garnison bestehend aus einigen unserer Soldaten und Qúsays Truppen unter dem Befehl von Marwan bin Yussuf und Túrin, einem Soldaten der sich in der Schlacht besonders hervorgetan hat, zurückgelassen."
Imrahil sah Elphir scharf an als ob er wüsste, dass diese Beförderung auf seinen Sohn zurückging, und fragte wiederum an Hilgorn gewandt: "Dieser Túrin, ist er vertrauenswürdig?" "Ich denke schon, Herr.", antwortete Hilgorn. "Er hat sich wie gesagt in der Schlacht hervorgetan, und er hatte bereits zuvor gute Dienste für Dol Amroth geleistet."
Der Fürst nickte langsam, offenbar stellte ihn diese Antwort einigermaßen zufrieden. "Und was habt ihr mit dem Rest des Heeres vor?" "Wir haben mehrere kleinere Trupps nach Norden entsandt, um die restlichen Übergänge über den Gilrain zu befestigen sowie das Hinterland bis hinauf nach Ethring von eventuellen Feinden zu säubern. Der Rest des Heeres wird mit den von den Haradrim erbeuteten Waffen nach Dol Amroth zurück kommen."
"Gut.", meinte Imrahil und machte einen Schritt zurück ins Beratungszimmer. Elphir trat sofort ein, doch Hilgorn und Dirar zögerten. Imrahil machte eine einladende Handbewegung und sagte: "Ihr seid bei den Beratungen mit Qúsay ebenfalls willkommen, schließlich wart ihr beide dabei, als dieses Bündnis überhaupt ausgehandelt wurde." Daraufhin betrat auch Dirar den Raum, doch Hilgorn blieb weiterhin vor der Tür stehen. "Wenn ihr erlaubt, mein Fürst, dann würde ich gerne darauf verzichten."
Imrahil zog erstaunt eine Augenbraue hoch. "Ich denke meine Anwesenheit bei der Beratung wäre von keinem großen Nutzen. Ich glaube, in dieser Zeit könnte ich wichtigere Dinge erledigen. Ich habe am Tor einige Elben gesehen, und ich würde gerne mit ihrem Anführer sprechen."
"Ja richtig, die Elben.", warf Elphir ein. "Woher sind sie überhaupt gekommen? Hat Oronêl sie geschickt?"
"Das sind Überlebende aus Lórien.", sagte Imrahil, und erklärte auf die fragenden Blicke seiner Gegenüber: "Saruman hat Lórien angegriffen und erobert, ist jetzt aber mit Rohan und den Elben Düsterwalds und Bruchtals verbündet. Ich hatte Erchirion nach Aldburg geschickt um dort um Hilfe für uns zu bitten, doch durch Sarumans Einfluss wollte fast niemand hören - außer den Überlebenden aus Lórien. Verständlicherweise möchten sie nicht an Sarumans Seite kommen, und Oronêl hat sie überredet hierher zu kommen." Er wandte sich wieder direkt an Hilgorn: "Ihr findet ihre Anführerin im obersten Turmzimmer."
Hilgorn verneigte sich zum Abschied und ging in Richtung des höchsten Turmes davon.

Elune zum Hafen (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,6044.msg429114.html#msg429114)
Titel: Re: Re:Der Palast des Fürsten
Beitrag von: kolibri8 am 1. Nov 2015, 11:43
Qúsay, Lothíriel und der Diener von den Stallungen (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,5963.msg409814.html#msg409814).

Lothíriel ging mit dem Diener voran, während Qúsay sich etwas zurückfallen ließ. So führten sie ihn zum Beratungszimmer des Fürsten, in dem Imrahil sich bereits mit seinem Sohn unterhielt und den Vertrag, den Qúsay und Elphir vor Linhir geschlossen hatte studierte, während Dirar, seiner Rolle unsicher, etwas abseits stand. Als Lothiriel eintrat schenkte ihr Vater ihr ein Lächeln, bevor sie Elphir mit einer Umarmung freudig begrüßte.
Qúsay trat vorsichtig ein, und verneigte sich. Imrahil, sah ihn mit einem strengen, abschätzenden Blick an.
„Ihr seid der Herr Qúsay?“ fragte er. Qúsay nickte und fügte hinzu „der bin ich, mein Herr.“

Imrahil nahm den Vertrag in die Hand und sprach nun: „Nun ich muss euch leider mitteilen, dass mein Sohn wohl etwas voreilig war als er euch diese Zusagen machte. Die Lehen von Tolfalas und Harondor sind einfache Marken, diese zu Fürstentümern zu erheben, und euch zu verleihen steht außerhalb meiner Möglichkeiten, dazu braucht es einen Spruch der Fürsten Gondors. Außerdem wird es den gondorischen Fürsten bereits missfallen einem Fremden, dazu noch einem Haradrim, ein Fürstentum zu verleihen, geschweige denn zwei.“ Imrahil hielt kurz inne und fuhr aber dann fort: „Andererseits hat mit mein Sohn von euren Taten in Linhir berichtet. Dies lässt mich glauben, dass ihr ein ehrenwerter Mann seid. Daher werde ich euch mein Vertrauen schenken, doch enttäuscht mich nicht. Die Fürsten werden schwieriger zu überzeugen sein, doch würde es ihnen wohl leichter fallen, wenn ihr als Ritter Gondors, denn als haradischer Kriegsherr auftretet.“
Qúsay nickte, und zeigte damit, dass er verstand; dann sprach er: „Was ihr mir ratet, werde ich befolgen, Herr.“
Imrahil blickte ihn zufrieden an und befahl dann dem beistehenden Diener: „Bereitet dem Herrn Qúsay ein Quartier und bringt ihm Kleidung, die einem Edlen Gondors würdig ist.“ Der Diener verbeugte sich und verließ den Raum. Imrahil überflog den Vertrag ein weiteres Mal und sprach dann wieder: „Dies ist ein Punkt, der nicht so leicht zu klären ist.“ Er sah seine Tochter an und sprach dann weiter: „Herr Qúsay würdet ihr und euer Begleiter bitte draußen warten, dies ist etwas, dass ich mit meinen Kindern allein bereden sollte.“
Qúsay verstand, folgte der Bitte des Fürsten und verließ mit Dirar den Raum.
Nach einiger Zeit bat Elphir die beiden wieder hinein. Qúsay und Dirar taten wie ihnen gehießen und folgten Elphir. Als sie den Raum betraten ergriff sogleich Imrahil das Wort: „Wir haben nun einige Zeit beraten und sind zu dem Schluss gekommen, eurem Gesuch nach einem Ehebündnis nachzukommen. Doch vergesst nicht, dass ein solcher Bund unsere beiden Häuser vereint und euch somit auch Pflichten auferlegt. Ihr seid damit unserer Familie zu Treue verpflichtet.“
Qúsay nickte und antwortete: „Gewiss, Herr Imrahil. Es mag zwar Fürsten in Harad geben denen ihre Familie nichts bedeutet, doch seit versichert, dass ich nie in dieser Weise gefühlt habe. Die Familie ist mir heilig und ich werde den Bund unserer Häuser ehren.“
„Dann akzeptiere ich euch als meinen Gemahl“,  sprach nun Lothiriel, und blickte dennoch nicht allzu glücklich drein. Der Gedanke, einen Mann zu heiraten, den sie gerade erst kennen gelernt hatte, gefiel ihr offensichtlich nicht, dennoch spielte sie die Rolle, die man von ihr erwartete weiter und  legte mit Qúsay ein Gelübde ab, binnen Jahr und Tag die Ehe zu schließen.
Dann ergriff wieder Imrahil das Wort und erzählte, dass er für den nächsten Tag einen Hoftag einberufen hatte und dies die Gelegenheit wäre, Qúsay die Lehen zu verleihen und die Verlobung bekannt zu geben.
Dann betrat der Diener der Qúsays Quartier bereiten sollte wieder den Raum und Imrahil befahl ihm Qúsay auf sein Zimmer zu führen. So verließ Qúsay mit Dirar wieder den Besprechungssaal und folgten dem Diener.
Titel: Der Hof tritt zusammen
Beitrag von: kolibri8 am 7. Nov 2015, 19:20
Der nächste Morgen war gekommen und Qúsay kleidete sich in die Kleidung die man ihm am Vortag gegeben hatte. Es waren die Gewänder und die Rüstung eines gondorischen Edlen: ein Kettenhemd, ein dunkler Wappenrock mit dem weißen Baum Gondors und ein Helm mit den charakteristischen Vogelschwingen an den Seiten. Auch der Gürtel und das Schwert waren von gondorischer Machart. So gekleidet, war Qúsay äußerlich kaum noch von einem Gondorer zu unterscheiden. Allein seine Haut war etwas brauner als die eines gondorischen Bauern. So ging er in Begleitung Dirars, der ebenfalls in gondorischen Gewändern gekleidet war und damit wie ein echter Gondorer aussah, zum Fürstensaal.

Den Fürstensaal von Dol Amroth sah Qúsay nun zum ersten Mal in seinem Leben. Auch wenn er weniger prachtvoll geschmückt war als der Fürstensaal Umbars, so übertraf er diesen doch um einiges an Anmut und Würde. An der Westseite befand sich eine Empore, auf dem mehrere Stühle standen. In der Mitte stand, die anderen Stühle überragend, der Fürstenthron, auf dem der Fürst und Truchsess Imrahil höchstpersönlich saß. Elphir saß zu seiner Linken, Lothíriel auf dem Stuhl zu seiner rechten. Hinter ihnen standen weitere Personen. Augenscheinlich waren dies Imrahils andere Kinder, und hinter Lothíriel konnte Qúsay Elune erkennen. An den Seiten des Saales hatten sich die edlen Gondors versammelt. Duinhir, den Qúsay bereits aus Linhir kannte, konnte er erkennen, aber die meisten waren ihm unbekannt. Mit einem alten Mann, in den Reihen der Ritter hatte Qúsay einen kurzen Moment lang einen eigenartigen Augenkontakt. Qúsay kam dem alten Mann scheinbar seltsam bekannt vor. Qúsay sah wieder nach vorne wo ihm Imrahil deutete vor ihn zu treten.

„Tretet vor Qúsay, Nazirs Sohn!“ sprach Imrahil und Qúsay tat wie ihm befohlen und trat vor, sodass er direkt vor dem Fürsten stand, dann nahm er sein Schwert vom Gürtel, legte es Imrahil in den Schoß, kniete sich hin, und berührte sein Schwert mit der einen Hand am Heft.
Dann sprach er langsam aber deutlich, sodass jeder anwesende verstand: „Hiermit schwöre ich Treue dem Königreich Gondor und verpflichte mich seinem Herrn und Statthalter, Imrahil, Adrahils Sohn, allzeit mit Rat und Hilfe zur Seite zu stehen, im Frieden wie im Kriege, von dieser Stunde an, bis mein Herr mich aus meiner Pflicht entlässt, der Tod mich nimmt oder die Welt endet. So spreche ich, Qúsay, Nazirs Sohn, vom Stamme Qahtans aus der Künne Anarions.“
„Und dies höre ich, Imrahil, Adrahils Sohn, Herr von Gondor, Statthalter des Königs und Fürst von Dol Amroth, und so schwöre ich euch, meinem Vasallen, dieselbe Treue, die ihr mir geschworen habt und gelobe euch Schutz und Trutz vor euren Feinden, bis auch mich der Tod nimmt oder die Welt endet. Und so will ich es weder vergessen noch versäumen, Empfangenes zu vergelten: Treue mit Treue, Tapferkeit mit Ehre und Eidbruch mit Strafe.“
Imrahil gab Qúsay sein Schwert zurück, der nun aufstand und einige Schritte zurück trat. Imrahil wandte sich nun an die Gruppe der Fürsten, die um Duinhir herum stand und sprach: „Große des Reiches, stimmt ihr zu die Marken des Reiches von Tolfalas und Harondor zu Fürstentümer zu erheben, um sie Qúsay einem Lehnsmann des Reiches zu verleihen?“
Aus der Reihe der Fürsten trat nun ein Mann hervor, der sich als Golasgil, der Herr des Anfalas, herausstellen sollte, und sprach: „Die Fürsten den Reiches haben beraten und stimmen der Erhebung der Marken Tolfalas und Harondor zu Fürstentümern zu.“ Bei diesen Worten nahmen sowohl Golasgil als auch Duinhir jeweils eine der zwei Fahnen in die Hand, die zuvor auf dem Boden vor ihnen lagen. Doch statt diese Fahnen an Imrahil weiterzureichen, hielten sie inne und Golasgil sprach weiter: „doch sehen es die Fürsten des Reiches nicht gerne, das zwei Fürstentümer an einen Mann allein vergeben werden, nach Willen der Fürsten des Reiches soll Qúsay nur ein Fürstentum zugestanden bekommen.“ Bei diesen Worten ging ein Murren durch die Reihen des Saales. Golasgil beriet sich noch einmal kurz mit den anderen Fürsten und ergriff dann wieder das Wort: „Lothíriel, eure Tochter soll das andere Fürstentum erhalten.“ Imrahil sah die Fürsten an, blickte dann zu Qúsay, der mit einem Nicken signalisierte, dass dies akzeptabel sei, und sprach dann: „So sei es!“ Dann wandte er sich an seine Tochter zu seiner linken und sprach: „Lothíriel, meine Tochter, so trete vor.“ Lothíriel stand auf, und stellte sich zur rechten Qúsays. Imrahil stand auf und Duinhir überreichte ihm die eine Fahne. Qúsay kniete wieder vor dem Truchsess nieder. „Hiermit verleihe ich, Imrahil, euch Qúsay das Fürstentum Harondor, damit ihr es zur Ehre des Reiches Gondor verwahrt und verteidigt.“ Mit diesen Worten übergab Imrahil Qúsay die Fahne die das Fürstentum Harondor symbolisierte: ein schwarzer Wimpel, mit Siberfäden bestickt, die einen weißen Baum, ein Schwert und in Tengwar den Namen des Fürstentums zeigten. Nun trat Golasgil vor überreichte Imrahil die Fahne von Tolfalas, ein rot-weißer Wimpel, den ein rotes Schiff und ebenfalls ein Tengwarschriftzug mit dem Namen des Fürstentums zierten. Lothíriel kniete vor ihrem Vater nieder, und empfing die Fahne mit den Worten Imrahils: „Hiermit verleihe ich, Imrahil, euch meine Tochter das Fürstentum Tolfalas, damit ihr es zur Ehre des Reiches Gondor verwahrt und verteidigt.“
Titel: Re: Re:Der Palast des Fürsten
Beitrag von: kolibri8 am 30. Dez 2015, 14:48
Der Hoftag dauerte noch einige Zeit, in der Elphir den Fürsten von der Schlacht bei Linhir berichtete, Imrahil Gericht hielt und Streitereien schlichtete.

Es ging auf den Mittag zu, als sich Qúsay vom Hoftag verabschieden wollte. Tatsächlich hatte Imrahil die Versammlung für ein paar Stunden unterbrochen, um den Teilnehmern eine Ruhepause zu gönnen. Also erbat Qúsay vom Fürsten vom Hoftag entlassen zu werden, was ihm gewährt wurde, und verabschiedete sich von den Anwesenden.

Vor der Halle wurde Qúsay jedoch von einem älteren Mann angesprochen, den er bereits zuvor in den Reihen der gondorischen Ritter gesehen hatte.

„Ihr dort, Qúsay“, rief der Mann, „ich muss euch sprechen.“
Qúsay sah ihn einen Moment verdutzt an, nickte aber dann und folgte ihm in einen leeren Raum.
„Es heißt, ihr kennt die Hauptstadt der Korsaren?“, fragte der Alte.
„In der Tat ich kenne Umbar, wieso fragt ihr?“
„Nun wisst, dass mir vor Jahren mein schwangeres Weib von den Korsaren geraubt wurde und ich fragte mich, ob ihr nicht über ihren Verbleib oder den meines Kindes Kenntnis habet.“
„Ich kann euch nichts versprechen, doch wenn ihr mir ihren Namen nennt, könnte ich Nachforschungen anstellen.“
„Torwen war ihr Name, Tochter von Torhîr…“, begann der Alte, doch Qúsay unterbrach ihn, und sah ihn fragend an: ? Ihr seid Meldir Bârchîrion“
„Ihr kennt meinen Namen?“ entgegnete der Alte, dessen Name tatsächlich Meldir war, erstaunt. Qúsay nickte und erklärte: „Das Kind, das Torwen trug, gebar sie in Umbar und nannte sie Miluiril – dieses Kind ist meine Mutter.“
„Ist das wahr?“, fragte Meldir, „eure Mutter, lebt sie noch? Und was ist mit Torwen?“
„Meine Mutter lebt noch beim Stamm meines Vaters in Harad, Torwen ist soweit ich weiß Jahre vor meiner Geburt gestorben“, antwortete Qúsay und fügte hinzu: „Es tut mir leid.“
Meldir schüttelte den Kopf und sprach: „Nein, das sollte es nicht, ihr habt mir mehr gegeben, als ich erhofft hatte.“
Dirar, der vor der Tür gewartet hatte, trat nun herein, räusperte sich und sprach: „Herr, es ist Zeit“
Meldir sah auf, und sagte: „Oh, ihr müsst los und ich will euch nicht länger als nötig aufhalten. Habt Dank, Qúsay Tochterssohn. Aber versprecht mir, dass ihr, wenn ihr wieder in Gondor weilt, mich auf meinem Gut besucht.“
„Das werde ich“, antworte Qúsay, „Lebt wohl und auf Wiedersehen!“
Qúsay ging mit Dirar aus dem Raum und verließ den Fürstenpalast und machte sich dann zum Hafen auf, wo ein Schiff auf ihn und seinen Begleiter wartete.

Qúsay und Dirar zum Hafen (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,6044.msg428876.html#msg428876).
Titel: Botschaften für den Statthalter
Beitrag von: --Cirdan-- am 6. Jan 2016, 22:21
Botschaften für den Statthalter

Merian und Angbor mit Odjana vom Platz der tausend Schwanenfedern (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,14170.msg425346.html#msg425346)


Die Wache am Palast erkannte Angbor zunächst nicht, was den alten Fürsten fast sein Schwert ziehen ließ.
„Angbor, Herr von Lamedon“, wiederholte er. „Ja, mein Bart ist länger und zotteliger als bei meinem letzten Besuch, aber was erwartet ihr nach einer Gefangenschaft in Linhir, wie ich sie hinter mir habe. Lasst mich gefälligst hinein, wenn ihr meine eiserne Faust nicht zu spüren bekommen wollt“, protestierte Angbor, „ist denn hier kein Soldat mit Verstand oder Bildung zur Stelle um mich hineinzubitten?“ „Wir verloren viele tapfere Männer in den Schlachten um Dol Amroth“, erklärte der junge Wächter am Tor des Palastes. „Sage mir nicht, wenn ihr verloren habt als währet ihr die einzige Stadt die Verluste erleidet hat“, donnerte Angbor, „Ich bin der Herr von Calembel am Ciril und Fürst von Lamedon! Was glaubst du, wie viele Männer, Frauen und Kinder ich in meinem Land in den letzten Jahren verloren habe?“ Es ging noch einige Zeit so weiter und Merian hatte hohe Achtung vor dem jungen Mann, der weiterhin seine Stellung hielt. Schließlich kam jedoch ein Gelehrter des Palastes, der die Drei hinein ließ.

„Seid ihr immer so zornig, wenn euch etwas nicht gefällt?“, fragte Odjana halb spöttisch, halb besorgt. „Nur in der Nähe des Palastes“, erklärte Angbor, „er erinnert mich an Imrahils Ernennung zum Statthalter Gondors. Und außerdem habe ich grade erfahren, dass besagter Statthalter Merians  Freund Qúsay zwei Fürstentümer schenkte.“ Merian wollte widersprechen: „Er ist nicht mein…“, kam aber nicht weit. „Und Qúsay heiratet Lóthiriel!“, stieß Angbor aus, „Was für eine Verschwendung. Imrahil muss wahrhaft verzweifelt sein.“ Er unterbrach sich, denn ihnen entgegen trat ein  Mann im fürstlichen Gewand, der sie mit einer Handbewegung zu sich rief: „Angbor, du alter Rebell.“
Die beiden Männer grüßten einander und der Neue stellte sich als Golasgil von Anfalas vor.
„Es freut mich, dass ihr es zurück geschafft habt Angbor. Wir erhielten Nachricht von deiner Hinrichtung durch die Korsaren. Ich bin froh, dass unsere Informationen schlechter denn je sind“, lachte Golasgil. „Der Donnergott hat mich gerettet und das Korsarenschiff auf Tolfalas gespült. Aber unser Schiff ist nicht alleine auf die Insel gespült worden. Ist Imrahil hier? Er muss sofort Boten nach Linhir schicken“, erklärte Angbor. Golasgil deutete auf die Ratshalle und geleitete ihnen den Weg.

Odjana wurde an der Tür aufgehalten. „Ihr wartet hier bis ich zurückkehre“, befahl Angbor, der zusammen mit Merian und Golasgil eintrat und den Fürsten Dol Amroths und Statthalter Gondors begrüßte. Merian wusste nicht ganz, wie er sich zu benehmen hatte. Er verbeugte sich leicht und sah Imrahil in seine meergrauen Augen. Trotz dessen Alters, kam ihm der Statthalter stolz und mächtig vor, edel und weise. Merian fühlte sich mit einmal klein und sein Leben unbedeutend, wenn er daran dachte, dass dieser Mann mit jeder seiner Entscheidungen über das Leben vieler entschied.
„Ich bin Merian, aus Cirit Dûm in Lamedon. Steinmetz, also das war ich mal“, stellte sich Merian etwas stotternd vor, als ihn Imrahil fragend anblickte.
„Merian“, wiederholte Imrahil erstaunt und ließ daraufhin plötzlich seine rechte Hand durch die Luft kreisen. Die zwei Wachen an der Tür traten vor und packten den verdutzten Steinmetz. Prinz Elphir wurde aus einem der Nebenräume gerufen und Imrahil wandte sich an Angbor: „Warum habt ihr ihn hier herauf gebracht. Mein Fußboden könnte sauber bleiben, wenn ihr ihm bereits am Stadtrand den Kopf abgeschlagen hattet.“ Angbor schien zu Merians beruhigen, auch wenn es im Nachhinein keinesfalls beruhigend war, ebenso überrascht zu sein und wusste nicht was er antworten sollte.
Imrahils Sohn Elphir betrat den Raum und stellte sich mit verschränkten Armen neben seinen Vater. „Ist er das?“, fragte Imrahil. „Das ist er“, antwortete Elphir. „Wir dulden keinen Verrat und sind keinesfalls barmherzig mit Verrätern“, sprach nun wieder Imrahil.

Merian schloss die Augen. Sein Herz pochte in nie dagewesener Geschwindigkeit und in seinem Kopf hämmerte des ununterbrochen. Er überlegte wie er schnellstmöglich aus dieser misslichen Lage entkommen konnte. Mich hinrichten? Wofür denn? Sicherlich hatte er sich in Linhir einiges zu Schulden können lassen, aber letztendlich nur zum Wohle Gondors und zum Wohle seiner Gefangenen Freunde. Das muss eine Verwechslung sein! 
„Was wird ihm vorgeworfen?“, mischte sich Angbor an. Elphir erklärte und Merian wurde klar warum er als Verräter galt.
Am Hafen in Linhir als ich am Heck des Korsarenschiffes stand und mich zwangsweise winkend verabschiedete konnte es für die Männer an Land ja nur so aussehen haben, als wäre ich ein Verbündeter der Korsaren, überlegte Merian.
„Ich bürge für ihn. Er ist unschuldig“, versprach Angbor verstehend, „vielmehr sollte ihm ein Orden verliehen werden für seine Taten der letzten Tage.“
Es dauerte einige Zeit bis Imrahil und Elphir verstanden, aber letztendlich zogen sie ihre Anschuldigungen zurück. Entschuldigen taten sie sich nicht und Merian fühlte sich nicht in der Lage diese Einzufordern.

Sie setzten sich zu Tische und Angbor begann mit seinem Bericht über die Flucht aus Linhir, den gewaltigen Sturm in der Bucht von Belfalas und sprach zu Letzt über den gefundenen Palantir und die gezeigte Version. „Wir haben den Stein an Bord des Schiffes gebracht, mit dem wir herkamen. Der Palantir liegt unten im Hafen“, schloss Angbor seine Erzählung ab. „Bewacht?“, fragte Imrahil besorgt und Angbor bejahrte.
„Es muss tatsächlich der lange verlorene Stein aus der Sternenkuppel von Osgiliath sein, der beim einstigen Sippenstreit in den Anduin viel“, überlegte Imrahil laut und in seinem Tonfall hörte man die Besorgnis mehr als heraus, „Sauron hat seinen Körper wieder, Aragorn ist Geisel und keiner darf den Gilrain überqueren. –Das ist die Botschaft, sagt ihr. Die gezeigten Bilder können kein Zufall sein, vor allem, da jeder am Stand das Selbe gesehen hat, wie ihr sagt. Aber warum bekommen wir dies zu sehen?“ Imrahil machte eine kurze Pause, in der niemand ihn aus seinen Gedanken reißen und etwas sagen wollte. „Es kann nur Sauron gewesen sein, der uns dieses zeigte. Er will uns wissen lassen, wie mächtig er ist, dass er unseren König gefangen hält und einen Körper zurückgewonnen hat… Jedoch ist es wirklich ein ungewöhnlicher Weg uns dies mitzuteilen und großes Glück, dass der Stein durch den Sturm an den Strand gespült wurde. Es sei denn…“, und wieder hielt Imrahil inne. Merian überlegte. War es nicht offensichtlich? Er sprach zum kleinen Kreis der Zuhörer: „Es sei denn Sauron hat den Sturm, dieses mächtige Unwetter, selbst heraufbeschworen und damit bewusst den Stein aus dem Meer gehoben damit wir ihn finden.“ „Aber ist er so mächtig?“, warf Golasgil ein und Imrahil antwortete: „Möglich ist es, schließlich hat er wiedergewonnen, was sein ist. Er konnte diese Bilder übersenden, dann kann er auch das Meer aufwühlen und die Wolken zum Zerbersten  bringen… Der Palantir ist unten im Hafen? Lasst mich alleine und lasst den Stein herauf in meine Gemächer bringen. Ich muss nachdenken, was Sauron beabsichtigt und plant.“
„Aber Herr?!“, sprach Golasgil besorgt. „Lasst mich alleine, bitte“, entgegnete der Statthalter.
„Mein Fürst“, versuchte Merian, der ihm unbedingt noch etwas mitteilen wollte, „es geht um eure Familie und einen Plan von…“ „Das kann warten.“
Merian verließ mit Angbor zusammen die Ratshalle. „Wir leben noch. Das lief doch ganz schön gut“, wollte Merian grade spöttisch sagen, als ihm auffiel, dass Odjana nicht vor der Tür wartete, sondern spurlos verschwunden war. Das war ja klar.

Merian und Angbor in die Stadt (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,5963.msg429113.html#msg429113)



Link korrigiert
Titel: Ein Gedanken an die Familie
Beitrag von: Eandril am 25. Sep 2016, 15:07
"Mein Fürst, ich bitte euch mich für ein paar Tage von meinen Diensten freizustellen." Hilgorn erkannte, dass er den Fürsten mit seine Bitte überrascht hatte. Seit Qúsays Abreise und Lóthiriels Entführung waren ein paar Tage vergangen, Tage in denen Hilgorn viel zu tun gehabt hatte. Er hatte die Verteidigung entlang des Gilrain organisiert, einige faszinierende Gespräche mit der Anführerin der Elben aus Lórien geführt und versucht, die elbische Verstärkung bestmöglichst einzusetzen. Einige der Elben durchstreiften nun das Land zwischen Dol Amroth un dem Gilrain um eventuelle verstreute Orkbanden aufzuspüren und nach Osten zu treiben, während andere die Wachen entlang des Gilrain verstärkten, die dennoch schwächer besetzt waren als Hilgorn lieb war. Nun war für den Moment nichts weiter zu tun, denn noch hielt der brüchige Waffenstillstand mit Mordor, und die Entführung der Prinzessin hatte Hilgorn an seine eigene Familie denken lassen.
Auch wenn er und Aldar in Dol Amroth in Sicherheit waren und er seinem ältesten Bruder Imradon keine Träne nachweinen würde, sorgte er sich doch um seine Mutter und Schwägerin. Er verdrängte den Gedanken an Faniel so schnell wie möglich wieder und strich sich ein unsichtbares Staubkörnchen von seinem makellos sauberen Mantel während er auf Imrahils Antwort wartete.

Der Fürst strich sich nachdenklich über das Kinn, dass neuerdings oft unrasiert war. Insgesamt machte Imrahil keinen guten Eindruck, doch Hilgorn konnte ihn verstehen. Die Tochter nach Harad entführt und der jüngste Sohn nach dem Untergang von Lórien verschwunden oder tot - das brachte wohl jeden Vater an den Rand des Zusammenbruchs. "Also gut.", gab Imrahil schließlich zur Antwort. "Ich entbinde euch für zwei Wochen von euren Pflichten - allerdings nur unter der Bedingung, dass ihr im Kriegsfall sofort, auch vor Ablauf der Frist, zurückkehrt."
Hilgorn neigte restpektvoll den Kopf. "Das versteht sich von selbst, mein Fürst."
"Sehr gut." Imrahil rang sich ein müdes Lächeln ab. "Genießt eure Freiheit, Hauptmann."
Hilgorn verneigte sich dankbar, und verließ das Zimmer.

Sein Weg führte ihn von den Gemächern des Fürsten hinuter, zunächst in die Haupthalle des Palastes und dann über den Hof zu den fürstlichen Stallungen, wo er seinen Rappen Nacht sattelte und schließlich den Palast zu Pferde durch das Haupttor verließ.

Hilgorn vor die Stadt (https://modding-union.com/index.php/topic,14229.msg446069.html#msg446069)...
Titel: Das Verlöbnis
Beitrag von: Fine am 6. Okt 2016, 13:25
Valions Start (http://modding-union.com/index.php/topic,33908.msg445699.html#msg445699)

Die Verlobung war eine kurze Angelegenheit da der Wind für eine Reise nach Süden gut stand und der Kapitän der Súlrohír, des Schiffes das man den Zwillingen zur Verfügung stellte, so bald wie möglich den Hafen verlassen und in Richtung Umbar auslaufen wollte. Die in Dol Amroth anwesenden Fürsten Gondors waren Zeugen der Zeremonie in Fürstenpalast, doch abgesehen von Valion und der Familie des Prinzen waren sie die einzigen Anwesenden. Valirë trug ein edles hellgelbes Kleid und ihre Haare waren zu einer komplizierten Frisur geflochten. Sie sah absolut lächerlich aus, fand Valion. Erchirion schien jedoch anderer Meinung zu sein, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen.
Na komm schon, alter Freund, dachte Valion. Das dümmliche Grinsen kannst du dir sparen. Es juckte ihn in den Fingern, er wollte endlich aufbrechen. Doch der Zeremonienmeister Dol Amroths schien Gefallen daran gefunden zu haben, die Verlobung in die Länge zu ziehen. Seiner Schwester ging es ähnlich wie ihm selbst, das konnte er gut sehen. Sie fühlte sich unwohl in der ungewohnten Aufmachung, obwohl sie natürlich keinerlei Probleme damit hatte, fortwährend als "strahlende Schönheit" und "Abglanz einer Elbin" bezeichnet zu werden. Valirë war eine Kämpferin, keine Hofdame. Sie würde liebend gern mit jedem Anwesenden in der Großen Halle die Klingen kreuzen und Valion vermutete, dass nur wenige ihr im Duell widerstehen könnten.

Endlich ging es voran. Fürst Imrahil trat vor das zu verlobende Paar und reichte Erchirion feierlich einen silberblauen Umhang, der mit dem Siegel seines Hauses verziert war: Der silberne Schwan und das Segel Dol Amroths. Erchirion nahm den Stoff entgegen und legte ihn Valirë um die Schultern, ihren Eintritt in das Haus der Prinzen kennzeichnend. Imrahil gab seinen Segen und beste Wünsche dazu und erklärte die beiden für verlobt. Die Hochzeit sollte nach Valirës Rückkehr aus Umbar so bald wie möglich stattfinden.
"Das wäre geschafft," sagte Valirë als sich die Halle leerte. Sie zufte an ihrer Frisur herum und löste den Knoten, sodass ihre Haare offen über ihre Schultern fielen. "Ich gehe mich umziehen, dann können wir aufbrechen." Schnellen Schrittes eilte sie davon.
"Sieh' zu, dass du sie mir unbeschadet wiederbringst," kommentiere Erchirion lächelnd während er seiner Verlobten nachblickte.
"Sie kann auf sich aufpassen," antwortete Valion. "Der Mann, der ihr gewachsen ist, muss erst noch geboren werden."
"Oh, ich werde mir alle Mühe geben, dieser Mann zu sein," gab sein Freund zurück.
Fürst Imrahil trat zu den beiden. "Ich bin froh über eure Zuversicht," sagte er. "Doch meine Sorge um Lothíriel ist groß. Ich habe... nun, sagen wir, die starke Vermutung, dass sie im Auftrag Sûladans entführt wurde."
"Könnte der Herr Qúsay etwas damit zu tun haben?" überlegte Erchirion.
"Nein, das denke ich nicht," meinte Imrahil. "Er profitiert von Gondors Gunst. Ich habe ihm sogar die Waldläufer Ithiliens als Unterstützung entsandt. Er ist außerdem noch unterwegs, reitet durch Harondor auf dem Weg nach Aín Sefra."
"Wenn wir nur weitere Nachricht von Edrahil hätten!" sagte der Sohn des Fürsten. "Der Brief, den er schickte, konnte zwar entschlüsselt werden, bringt uns jedoch keine neuen Antworten."
"Der alte Edrahil ist in Umbar?" fragte Valion verwundert. Er erinnerte sich an den Herrn der Spione Dol Amroths. Als er und seine Schwester noch Kinder gewesen waren, war Edrahil stets derjenige gewesen, der all ihre Streiche und Pläne aufgedeckt und stets über all ihre Geheimnisse Bescheid gewusst hatte. Valirë und Valion war der Mann unheimlich gewesen und sie hatten sein Wissen gefürchtet.
"Er destabilisiert die Lage dort und versucht, den Bürgerkrieg in Harad weiter anzufachen," erklärte Imrahil. "Doch er scheint in Schwierigkeiten geraten zu sein, wie es aus seinem verschlüsselten Brief hervorgeht. Falls ihr ihn trefft, helft ihm, wenn ihr könnt. Wenn er von Lothíriel hört, wird er euch ebenfalls unterstützen."
"Nun gut," sagte Valion mit leichtem Unbehagen.

Schließlich verabschiedete er sich vom Erchirion und Imrahil, die ihm viel Erfolg und den Segen der Valar wünschten. Am Ausgang der Halle trat ihm einer der Lehnsfürsten, die bei der Verlobung dabei gewesen waren in den Weg.
"Einen Augenblick, Junge," sagte eine raue Stimme. Es war Angbor, der Herr von Lamedon.
"Was gibt es? Ihr seht, ich bin in Eile," gab Valion zurück.
"Nur die Ruhe, es wird nicht lange dauern. Auch ich bin in Eile und will die Stadt so bald wie möglich wieder verlassen," beschwichtigte Angbor. "Hör zu: als Lothíriel entführt wurde war sie nicht die einzige, die unfreiwillig die Stadt verließ, nein. Also, was ich sagen will, ist: wenn du nach Umbar kommst, halte die Augen offen nach einem Mann namens Merian."
"Merian? Wer soll das sein?" wollte Valion wissen.
"Ein guter Mann, der das Herz am rechten Fleck hat," antwortete der Herr von Lamedon. "Er trägt keine Schuld an dem, was Lothíriel passiert ist. Und er ist kein Kämpfer. Sieh einfach zu, dass er aus dem ganzen Schlamassel heil 'rauskommt, in Ordnung?"
"Ich werde sehen, was sich machen lässt," sagte Valion. "Ich kann jedoch nichts versprechen. Mein Auftrag betrifft die Tochter des Fürsten."
"Ja, ich vestehe schon," sagte Angbor ärgerlich. "Die einfachen Leute sind dir egal."
"Nein, so meinte ich das nicht," verteidigte sich Valion. "Beschreib' mir diesen Merian. Wenn ich ihn treffe, hast du mein Wort dass ich ihm helfen werde, wenn ich kann."
Angbor gab ihm eine kurze Beschreibung des Mannes und dankte ihm mit einem festen Händedruck. Auch er wünschte Valion viel Erfolg und ging dann seiner Wege.

Einige Augenblicke später traf Valirë ein, nun wieder in ihrer normale Kleidung, bestehend aus Kettenhemd, Leder und Wappenrock gekleidet. Sie trug ihre Habseligkeiten in einem großen Leinensack über der Schulter, die Klinge in der anderen Hand, und sah mehr nach einer Abenteurerin als einer frisch verlobten Edeldame Gondors aus.
"Geht es los?" fragte sie draufgängerisch.
"Es geht los," gab Valion zurück.
Sie machten sich auf den Weg zum Hafen.


Valion und Valirë zum Hafen (http://modding-union.com/index.php/topic,6044.msg446863.html#msg446863)
Titel: Das Urteil des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 8. Okt 2016, 10:30
Hilgorn mit Anhang von außerhalb der Stadt (https://modding-union.com/index.php/topic,14229.msg446979.html#msg446979)...

"Das sind schlechte Neuigkeiten." Imrahil klang besorgt, und Hilgorn konnte es ihm nicht verdenken. Die einzige Tochter entführt, und nun brachte er auch noch die Nachricht von Verrat in den eigenen Reihen. Der Fürst stand an einem der Fenster des Raumes, und blickte hinaus auf den Hafen, wo die Masten der Flotte sanft im Wind hin und her schaukelten.
"Habt ihr euren Bruder mitgebracht, damit ich mir anhören kann, was er zu sagen hat?"
"Nun... nein", erwiderte Hilgorn betreten. "Ich hatte ihn eingesperrt, doch er ist mit Hilfe einer unserer Wachen entkommen. Der Elb Ladion verfolgt ihn."
Imrahil wandte sich zu ihm um, die Augenbrauen zusammen gezogen. "Das ist schlecht, General. Ich werde niemanden in seiner Abwesenheit verurteilen, auch wenn seine Flucht klar gegen ihn spricht."
"Aber...", wagte Hilgorn zu sagen, doch Imrahil schnitt ihm das Wort ab. "Nein. Ich vertraue euch, aber in dieser Angelegenheit werde ich nicht urteilen bevor ich den Beschuldigten selbst angehört habe. Euer schlechtes Verhältnis zu eurem Bruder ist mir bekannt. Ich will euch nicht beschuldigen, euch alles ausgedacht zu haben um ihm zu schaden, doch möglicherweise verzerren eure Vorbehalte euren Blick auf die Geschehnisse." Der Fürst seufzte, und blickte wieder auf das Meer hinaus, als könnte er allein mit Blicken seine Tochter zurückbringen.
"Es tut mir Leid. Ich gebe euch die Erlaubnis einen Verwalter nach Tíncar zu schicken, solange diese Angelegenheit nicht geklärt ist."
"Und was ist mit meinem Neffen Belegorn? Er ist Imradons Sohn und der rechtmäßige Erbe."
"Aber er ist nicht volljährig." Hilgorn beobachtete, wie sich der Fürst nachdenklich über das Kinn strich. "Also gut. Sobald euer Neffe volljährig wird, erkenne ich ihn als Herrn von Tíncar an - sofern sein Vater bis zu diesem Zeitpunkt verschwunden bleibt. Solange wird der Besitz im Namen des Fürstentums verwaltet, und die Einkünfte fließen zur Hälfte an eure Familie und zur Hälfte an Dol Amroth."
Hilgorn verneigte sich. "Ich danke euch, mein Fürst." Mehr konnte er wohl für den Moment nicht erwarten.



Als er den Raum verließ stieß er vor der Tür auf Faniel, die sich zu seiner Überraschung in der Gesellschaft von Elphir und seiner Frau Tírneth befand.
"Und?", fragte Faniel. "Was hat er gesagt?" Hilgorn riebt sich die Stirn, und antwortete: "Solange Imradon verschwunden bleibt, wird er ihn nicht in Abwesenheit verurteilen. Ich soll einen Verwalter für Tíncar bestellen, und die Einkünfte des Gutes fließen zur Hälfte an das Fürstentum. Sobald Belegorn volljährig wird, wird er ihn als Herrn von Tíncar anerkennen."
"Mehr könnt ihr wohl nicht erwarten, solange mein Vater sich weigert euren Bruder in Abwesenheit zu verurteilen", meinte Elphir mit einem Blick auf Faniels enttäuschte Miene.
"Aber wohin sollen wir dann gehen?", fragte Faniel unglücklich. "Wir haben kein Haus in der Stadt, und solange Imradon in Freiheit ist, möchte ich nicht nach Tíncar zurück."
Tírneth ergriff fürsorglich ihren Arm. "Ich fühle mich manchmal ein wenig einsam hier am Hof, vor allem seit... Lóthiriel fort ist. Ich könnte jemanden gebrauchen der mir Gesellschaft leistet."
"Das... würde ihr tun?" Faniels Frage war leise und ungläubig. "Natürlich", erwiderte Tírneth mit einem Lächeln. "Iorweth wäre eine hervorragende Spielkameradin für Alphros, und Belegorn kann als Page dienen. Wir finden schon einen Platz für euch."
Und ihr müsst Hilgorn nicht verlassen schwang ungesagt mit, denn die bedeutsamen Blicke die Tírneth und Elphir zwischen den beiden hin und her warfen, zeigten eindeutig, dass ihnen die Art von Hilgorns und Faniels Beziehung sofort aufgefallen war.
Hilgorn nickte dankbar. "Das wäre doch eine Möglichkeit." Es war vielleicht nicht ideal, aber so mussten Faniel und ihre Kinder nicht zurück nach Tíncar - und er könnte sie häufiger sehen, als er gehofft hatte. Und vielleicht würde Ladion Imradon ja bald finden, und dann würde sich alles aufklären.

Hilgorn und Faniel in die Stadt... (http://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg452316.html#msg452316)
Titel: Kriegspläne
Beitrag von: Fine am 18. Jan 2017, 22:51
Imrahil, Elphir, Erchirion, Hilgorn, Lothíriel, Valion, Valirë und Lóminith vom Hafen (http://modding-union.com/index.php/topic,6044.msg452396.html#msg452396)


"Edrahil hat was getan?" rief Imrahil ungläubig.
"Er hat den Fürsten von Umbar gestürzt," wiederholte Lothíriel mit einem vergnügten Lächeln.
"Nun, für ungefähr eine Woche," warf Valion ein. "Aber er hat es geschafft, das stimmt."
"Unglaublich," murmelte Imrahil. "Ich dachte nicht, dass er so erfolgreich sein würde. Aber warum nur blieb er zurück als ihr abreistet? Ich könnte seinen Rat wirklich gut gebrauchen."
"Er ließ sich nicht überzeugen mitzukommen," erklärte Valion.
"Er sagte, dass seine Arbeit noch nicht getan sei," fügte Lothíriel hinzu.
"Hmm," machte Imrahil nachdenklich. "Also gut, ich vertraue seinem Urteil. Ich bin mir sicher, er wird seine Gründe dafür haben. Bitte, berichtet weiter."

Valion und Lothíriel wechselten sich damit ab, dem Fürsten von ihren Abenteuern zu erzählen. Die meiste Zeit hörte Imrahil schweigend zu und stellte nur selten eine Zwischenfrage. Als sie vom Sturz Hasaels berichtet hatten hatte er sie zum ersten Mal vollständig unterbrochen. Aufmerksam ließ er sich Tol Thelyn beschreiben und nickte zufrieden, als Valion den Bericht damit beendete, wie der günstige Wind sie bis in Sichtweite Dol Amroths getragen hatte.
Als er geendet hatte erhob sich Imrahil und winkte einen Schreiber herbei. "Valion und Valirë vom Ethir, hiermit erkenne ich als Truchsess Gondors und Fürst von Dol Amroth euren Auftrag, meine Tochter Lothíriel aus der Gefangenschaft zu befreien und wohlbehalten nach Hause zu bringen... als erfüllt an. Ihr habt euch mein Vertrauen und meinen Respekt verdient. Und ich muss sagen, dass die Reise euch hat wachsen lassen. Ihr seid nun bereit, euer Erbe anzutreten. Lasst es bekannt werden, dass die Titel, die euch zustehen, nun offiziell verliehen sind. Valion, Amlans Sohn: Erhebe dich als Erbe von Haus Cirgon und als rechtmäßiger Lehensfürst Gondors. Valirë, meine Tochter, erhebe dich als Herrin von Belegarth und Hohe Dame von Dol Amroth, dem Haus, dem du nun angehörst."
Geehrt standen die Zwillinge auf, während der Schreiber Imrahils Worte sorgfältig notierte. "Ich danke Euch, mein Fürst und Lehnsherr," sagte Valion respektvoll.

Kurz darauf standen die Zwillinge mit Lothíriel und Erchirion in einem der Nebenräume des Palastes und blickten durch ein großes Fenster auf die Stadt hinab.
"Es tut gut, endlich zu Hause zu sein," sagte Lothíriel glücklich. Sie hatte das Kleid, das sie seit ihrer Flucht aus Minûlîths Anwesen getragen hatte, gegen ein frisches, hellgrünes Kleid ausgetauscht. Auch Valirë und Valion hatten sich umgezogen. Auf Valions Brust prangte das Siegel vom Ethir und seine Schwerter hingen an dem neuen Gürtel, den er trug. Valirë trug leichte Reitkleidung in verschiedenen Grüntönen und hatte das Haar zu einem breiten Zopf geflochten. Erchirion hielt sie im Arm und sie flüsterte ihm leise Dinge zu, die ihn zum Lachen brachten. Valion grinste zufrieden. Alles war gut.

Imrahil kam herein und trat neben ihn. "Valion," sagte der Fürst mit einem nachdenklichen Unterton in der Stimme. "Du hast in deinem Bericht etwas Wichtiges ausgelassen - oder besser, jemanden." Lóminîth, die ein säuerliches Gesicht machte, kam hinter Imrahil zum Vorschein. "Möchtest du mir deine Verlobte nicht vorstellen?"
"Verzeiht, Fürst," sagte Valion betroffen. Er hatte Lóminîth tatsächlich vergessen. Peinlich berührt blickte er zu Boden eher er den Blick Imrahils suchte.
"Es war Edrahils Idee," begann er. "Ein Bündnis zwischen Umbar und Dol Amroth, gefestigt durch eine Vermählung."
"So wie ich das sehe herrschen in Umbar jetzt wieder unsere Feinde," stellte Imrahil fest.
"Das wussten wir ja zu diesem Zeitpunkt nicht," beteuerte Valion. Ein Seitenblick auf seine Verlobte zeigte ihm, dass ihre Geduld beinahe am Ende war. Also sprach er schnell weiter: "Edrahil überzeugte mich, mich mit einer der mit uns verbündeten Adeligen Umbars zu verloben. Sie ist absolut vertrauenswürdig und außerdem hat sie ihr Zuhause verloren als wir aus Umbar fliehen mussten. Deshalb habe ich sie mitgebracht."
"Nur deshalb?" hakte Lóminîth mit spürbarer Verärgerung nach.
Es war Lothíriel, die Valion rettete. "Ihr streitet doch nicht etwa, an diesem wunderbaren Tag?" mischte sie sich und legte ihrem Vater und Lóminîth jeweils eine Hand auf die Schultern. "Vater, du kannst Lómi vertrauen. Sie hat ein gutes Herz, ebenso wie ihre Schwester. Und du, Lómi, sei nicht zu hart mit Valion. Es ist das erste Mal, dass er wirklich Verantwortung übernehmen muss."
Das entlockte Lóminîth tatsächlich ein Lächeln, und sie umarmte Lothíriel für einen kurzen Moment. "Vermutlich hast du recht."
"Nun, meine Tochter hatte schon immer einen aufgeweckten und scharfen Verstand," gestand Imrahil ein. "Ich werde auf ihr Urteil vertrauen. Willkommen in Dol Amroth, Lóminîth."
"Ich danke Euch, Fürst Imrahil," erwiderte Lóminîth und knickste anmutig.

Eine halbe Stunde später hatte Imrahil seine engsten Berater in seinem Solar zusammengerufen. Valion stand neben Erchirion und fühlte sich etwas unbehaglich, doch er versuchte, es nicht zu zeigen.
"Der Sturz Hasaels und der aufkommende Krieg in Harad werden uns einiges an Zeit erkaufen," sagte Hilgorn gerade. "Ich schätze, dass wir es für die nächste Zeit hauptsächlich mit den Truppen Mordors zu tun haben werden."
"Umbars Flotte stellt momentan keinerlei Bedrohung dar," berichtete Amros von Edhellond, der Tirn Aear und Oberbefehlshaber der Flotte. "Sie werden alle Mühe haben, ihren Hafen überhaupt verteidigen zu können mit dem, was ihnen verblieben ist."
"Unsere Augen müssen sich nun auf den Ethir richten," sagte Imrahil und warf Valion einen nachdenklichen Blick zu. "Valion hat mit seinem unbedachten Handeln explizit gegen die Bedingungen verstoßen, die Sauron uns nach der Schlacht bei Linhir auferlegt hat."
"Sein geflügelter Bote sagte, dass er darüber hinweg sehen würde," erinnerte sich Valion.
"Das Wort eines Ringgeists ist nichts wert," sagte Amrodin, der Edrahil als Herr der Spione vertrat. Dabei fiel Valion ein, dass er dem Mann noch Edrahils versiegelten Brief übergeben musste. Er nahm sich vor, es direkt im Anschluss an den Kriegsrat zu tun.
"Wir wissen nicht, wie Sauron darauf reagieren wird," fuhr Amrodin fort. "Meine Leute in Linhir berichten, dass an der Front eine trügerische Ruhe herrscht. Für den Augenblick scheint sich die Aufmerksamkeit des Auges auf andere Lande zu richten."
"Gibt es Neuigkeiten von Damrod?" fragte Imrahil, doch Amrodin schüttelte den Kopf. "Nichts neues, mein Fürst. Wenn die Orks das Versteck der Waldläufer gefunden hätten wüssten wir davon. Ich nehme an, sie halten sich weiterhin versteckt und beschränken sich auf kleinere Überfalle. Die Antwort Damrods zu Eurem Befehl, Qúsay betreffend, war deutlich: Wir werden tun, was im Rahmen unsere Möglichkeiten machbar ist."
Elphir nahm das Wort und sagte: "Aus Rohan erreichen uns Nachrichten von einem großen Feldzug der Menschen und Elben gegen Dol Guldur, und von deren Erfolg. Ich denke, wir wissen, was Saurons Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat: der Fall seiner nördlichsten Festung."
"Wir werden sehen, wohin das führt," befand Imrahil. "In naher Zukunft würde ich gerne Valion mit einer kleinen Garnison nach Belegarth entsenden, um den Ethir zu sichern. Wenn wir die Kontrolle über die Anduin-Mündungen zurückerlangen können wir sicher stellen, dass die Haradrim oder sonst jemand den Fluss nicht benutzen kann um Truppen zwischen uns und Damrods Streitmacht hindurchzuschmuggeln."
"Ihr ehrt mich, mein Fürst," sagte Valion, der sich noch daran gewöhnen musste, dass Imrahil ihm mit Vertrauen begegnete.
"Nur nichts überstürzen, mein Junge," fuhr Imrahil fort. "Bis du aufbrichst werden noch einige Wochen vergehen. Wir müssen behutsam agieren und dürfen Mordor nicht sorglos provozieren. Für den Augenblick befehle ich dir, etwas Ruhe zu finden und dich mit deiner Verlobten in Dol Amroth einzuleben."
"Mit seiner Verlobten?" wiederholten einige Stimmen, für die die Tatsache, dass Valion tatsächlich eine solche Bindung eingegangen war, eine Sensation darstellte.
"Mit Verlaub, mein Fürst," sagte Hilgorn. "Ist die Identität dieser Frau überprüft worden? Seid Ihr sicher, dass sie keine Spionin Umbars ist?"
"Edrahil hat das eingefädelt," beschwichtige Imrahil. "Ich vertraue seinem Urteil, und das solltet ihr alle auch. Der Kriegsrat ist hiermit beendet - ihr kennt eure Aufgaben."

Damit waren sie entlassen.
Titel: Der Herr der Spione
Beitrag von: Eandril am 29. Jan 2017, 00:11
Während der Kriegsrat sich auflöste, nahm Amrodin Hilgorn zur Seite. "Ich habe gesehen, dass die letzte Antwort des Fürsten euch nicht wirklich zufrieden gestellt hat, General."
Hilgorn sah sich rasch um, und erwiderte, als er sicher war, dass niemand lauschte: "Euch ebenso wenig, vermute ich." Edrahils Stellvertreter nickte langsam. "Ebenso wie der Fürst vertraue ich Edrahils Urteil. Doch wer sagt uns, dass Edrahil dieser Frau wirklich vertraut? Vielleicht erwartet er auch von uns, dass wir sie im Auge behalten."
Hilgorn dachte ähnliches. "Was braucht ihr von mir?", fragte er, denn er konnte sich nicht vorstellen, wie er Amrodin dabei behilflich sein konnte.
"Für den Moment nichts", antwortete dieser. "Ich bitte euch nur vorsichtig zu sein - und um eure Kooperation und Rückendeckung, falls es zum schlimmsten kommt."
"Die habt ihr", erwiderte Hilgorn ohne zu Zögern, und eine weitere Stimme mischte sich ein: "Rückendeckung wobei?" Es war Valion, der sich ihnen unbemerkt genähert hatte, und Hilgorn fragte sich, wie viel der Erbe des Ethirs mitgehört hatte.
"Tut mir Leid", wehrte er ab. "Das kann ich euch im Moment nicht verraten."
"Hm", machte Valion sichtlich unzufrieden. "Ihr wollt wohl Edrahil Konkurrenz machen. Und wo wir gerade von ihm sprechen, ich habe einen Brief von ihm für euch", sagte er an Amrodin gewand, und reichte diesem einen versiegelten Umschlag. Amrodin nahm den Umschlag entgegen, und Hilgorn deutete eine kurze Verbeugung an. "Ich werde mich zurückziehen", sagte er an Valion gewand. "Meine Glückwünsche zu eurer erfüllten Mission - und zu eurer Verlobung."
"Danke", erwiderte Valion ebenso reserviert, während Amrodin Edrahils Brief las und nur abwesend nickte. Während Hilgorn den Palast verließ, fragte er sich ohne es zu wollen, was der Erbe und baldige Herr vom Ethir von ihm hielt - ob er ihn wie einige andere für einen Emporkömmling, den Imrahil über seinen angestammten Status erhoben hatte, hielt, oder ob er über die Standesgrenzen hinausblicken und nur auf seine Taten achten konnte. Valions sichtlicher Respekt vor Edrahil, der aus noch bescheideneren Verhältnissen kam als Hilgorn, deutete auf das zweite hin. Doch Edrahil war bereits seit Jahrzehnten in seiner Position und der allgemeine Respekt vor ihm war beinahe Gewohnheitssache - und aufgrund von Valions Ruf glaubte Hilgorn eher an ersteres.
Mit einem Seufzer schlug er den Weg zu Faniels Haus ein. Nach der Zeit des wachsamen Abwartens würde morgen vermutlich die Zeit des Pläne schmiedens erneut beginnen, und vorher sehnte Hilgorn sich nach ein wenig Ruhe und der Gesellschaft der Menschen, die er liebte.
Titel: Edrahils Brief
Beitrag von: Fine am 29. Jan 2017, 15:21
In der Hoffnung, dass Amrodin ihn am Inhalt von Edrahils Brief teilhaben lassen würde, blieb Valion einen Schritt neben Edrahils Stellvertreter stehen und beobachtete, wie General Hilgorn schnellen Schrittes den Palast verließ. Noch kannte er den Mann nicht lange genug um sich ein Bild von ihm zu machen, doch Valions erster Eindruck war, dass Hilgorn jemand war, der seine Pflichten und Aufgaben sehr ernst nahm - vielleicht sogar eine Spur zu ernst. Wir werden sehen, dachte er. Es hatte ihm nicht gefallen, dass Hilgorn derjenige gewesen war, der Lóminîths Loyailtät Gondor gegenüber in Frage gestellt hatte. Zwar war er sich selbst noch nicht hundertprozentig über die Absichten seiner Verlobten sicher, doch Valion konnte sich dennoch nicht recht vorstellen, dass Minûlîths Schwester ihn oder den Fürsten von Dol Amroth verraten würde, nachdem ihre Heimat von den Dienern Hasaels in Brand gesteckt worden war.
Als er sich gerade abwenden wollte erfüllten sich seine Hoffnungen, denn Amrodin hielt ihn am Arm zurück. "Dies betrifft auch Euch," sagte er und hielt Valion den geöffneten Brief hin, der ihn eilig überflog.

Amrodin,
1. Bitte sende einen der Gelbflaggen-Vögel nach Süden aus, sobald du kannst. Ich habe mit der Erlaubnis des Turmherren eine gelbe Flagge an der Spitze des Turms anbringen lassen - der Vogel wird also seinen Weg zu mir finden. Sicherlich hat Imrahil sogleich einen Kriegsrat einberufen nachdem Lothíriel sicher heimgekehrt ist. Wir müssen unsere Korrespondenz wieder verstärken. Jetzt, da ich mich nicht mehr im Untergrund Umbars verstecken muss, kann ich mich wieder mehr um die Belange in Gondor kümmern und einen regelmäßigeren Kontakt führen. Bitte schreibe mir, was beim Kriegsrat berichtet und entschieden wurde, und ob es der Prinzessin gut geht.
2. Entsende so bald es geht drei fähige Diener nach Linhir. Die Gerüchte aus den besetzten Gebieten, die aus Nah-Harad und Harondor bis an mein Ohr in Umbar gedrungen sind, sind besorgniserregend. Und nun, da sich die Frontlinie aufgrund der Rückeroberung des Ethirs erneut verschoben und verkompliziert hat, ist es umso wichtiger, einige zusätzliche wachsame Augen auf Mordor zu haben. Bitte nimm auch erneuten Kontakt mit den Waldläufern in Ithilien auf, wenn sie noch nicht aufgespürt und vernichtet worden sind. Sie sollen ihre Ressourcen darauf verwenden, herauszufinden, was Saurons Kommandanten planen. Wir müssen wissen, wie sicher die Grenze momentan ist.
3. Falls du einen detaillierten Bericht über meine Aktivitäten in Umbar benötigst, wende dich an Valion. Er hat den Großteil davon miterlebt und besitzt kein allzu schlechtes Gedächtnis. Allerdings hat er einen gewissen Hang zu Übertreibungen, hake also sorgfältig nach, falls dir Unstimmigkeiten auffallen. Trotz meiner anfänglichen Zweifel haben Valion und seine Schwester sich als fähige, zuverlässliche Verbündete erwiesen. Wenn Valion gewillt ist, dir in weiteren Aufgaben behilflich zu sein, nutze seine Fähigkeiten weise. Und bitte händige den Zwillingen den Inhalt von Kästchen V/V E Nr. 22 aus - sie haben es sich verdient.
4. Mit großer Enttäuschung musste ich vernehmen, dass es dir nicht gelungen ist, Lothíriels Entführung zu verhindern. Viel Ärger hätte uns erspart bleiben können wenn du aufmerksamer gewesen wärst. Lass es dir eine wichtige Lektion sein und sei nie mehr so unaufmerksam! Wenn du mehr Leute brauchst um die Überwachung lückenlos zu gewährleisten, sprich mit dem Fürsten, und er wird sie dir gewähren. Da er sicherlich nicht möchte, dass Lothíriel erneut entführt wird, solltst du bei ihm auf offene Ohren stoßen.
5. Rege beim nächsten Kriegsrat an, ein Schiff mit Vorräten nach Tol Thelyn zu schicken. Ich empfehle dafür Veantur, der Kapitän der Súlrohír ist. Er kennt den Weg und sein Schiff ist eines der schnellsten. Die Turmherren sind wichtige Verbündete für mich und bieten uns ungeahnte Möglichkeiten in Harad, denn die Ausbildung, die die Krieger Tol Thelyns erhalten, ist wirklich äußerst beeindruckend. Wir sollten ihnen jede Hilfe zukommen lassen, die uns möglich ist.
6. Finde heraus, ob die Gerüchte über separatistische Bewegungen in Arandol stimmen. Fürst Elatan scheint sich nicht bewusst zu sein, dass es in seiner eigenen Familie Subjekte zu geben scheint, die größere Ambitionen haben, als gut für sie ist. Wir können jetzt wirklich keinen fehlgeleiteten Putschversuch gebrauchen.
7. Wenn es die Lage zulässt, lasse die Verteidigungen in Pelargir ausspähen. Ich glaube, dass sich uns dort eines Tages eine Möglichkeit eröffnen könnte, nun, da wir drei mögliche Angriffspunkte haben: Von Linhir, vom Ethir, und von Ithilien aus. Ich bin mir sicher, dass die Stadt zu retten wäre, wenn Sauron nicht dieses Druckmittel hätte.
Edrahil.

Valion musste schmunzeln. Edrahil hielt sich in dem Brief an seinen Stellvertreter weder mit Gruß noch mit Abschiedsworten auf sondern schickte Amrodin einfach eine Reihe von Anweisungen, als wäre der Mann nichts als Edrahils verlängerter Arm, der von Tol Thelyn bis nach Gondor reichte. Und auf eine Art und Weise stimmte das ja auch.
Amrodin sagte: "Bitte folgt mir, Valion. Es geht um Edrahils Anweisungen, Euch betreffend." Er führte Valion in sein Arbeitszimmer, das wohl ursprünglich von Edrahil verwendet worden war, bevor dieser nach Umbar aufgebrochen war. Amrodin öffnete ein verstecktes Geheimfach in der Wand und zog ein Kästchen hervor, das mit den Namen Valions und seiner Schwester versehen war. Als Valion es öffnete, staunte er nicht schlecht. Darin befanden sich Beweise über nahezu alle Untaten, die er und Valirë im Laufe der Jahre verübt hatten, sowie schrifliche Aussagen von Zeugen und von Frauen, die Valion in seiner wilden Zeit hatte sitzen lassen. Er verstand nicht, warum Edrahil all diese Druckmittel nun einfach so aus der Hand gab.
"Es ist ein großer Vertrauensbeweis," erklärte Amrodin. "Es sieht ganz so aus, als ob es Meister Edrahil nicht länger für notwendig erachtet, Euch oder Eure Schwester zu erpressen."
"Welch große Ehre," kommentierte Valion.

Das Kästchen unter den Arm geklemmt machte er sich auf die Suche nach Lóminîth. Als er im Palast herumfragte, erfuhr Valion, dass seine Verlobte mit der Prinzessin in ihre Gemächer gegangen war. Dort angekommen klopfte er vorsichtig an, bis Lothíriel den Kopf durch die halb geöffnete Tür streckte.
"Du bist hier gerade nicht erwünscht," sagte sie mit einem ziemlich undamenhaften Grinsen. "Du hast ihre Gefühle verletzt, und ich hoffe, das weißt du."
"Es war nicht meine Absicht," beteuerte Valion. "Ich war einfach abgelenkt und habe nicht mehr daran gedacht, dass Lóminîth uns zum Palast begleitet hatte."
Die Tür wurde weit aufgerissen, und da stand Lóminîth, die Hände wütend in die Hüften gestemmt und ein zorniges Blitzen in den Augen. "So, du dachtest also, ich warte brav auf dem Schiff, bis der feine Herr sich dazu herablässt, mich abzuholen?"
"So war das nicht gemeint..." versuchte Valion die Lage zu entschärfen.
"So ist es aber angekommen," gab Lóminîth wütend zurück. "Du bist sofort zu deinem Fürsten gelaufen um bei ihm mit deinen Taten anzugeben und hast mich einfach stehen lassen! Nicht einmal deine Eltern hast du mir vorgestellt."
"Mein Vater fiel bei Pelargir," erklärte Valion, "und meine Mutter ist bei Faltharan in Anfalas. Ich werde ihr noch heute einen Brief schreiben und sie bitten, zu unserer Hochzeit nach Dol Amroth zu kommen."
Lóminîths Gesichtsausdruck wurde eine Spur sanfter. "Ich wusste nicht, dass dein Vater tot ist," sagte sie. "Aber wenn du dein Verhalten nicht änderst, weiß ich nicht, ob es tatsächlich eine Hochzeit geben wird."
"Nun sei' nicht so dramatisch, Lómi," mischte Lothíriel sich ein. "Er hat sich schon sehr gebessert seitdem er nach Umbar gereist ist. Wir machen folgendes: Du und ich, wir fädeln einfach ein weiteres Abenteuer für die Zwillinge ein, und wenn sie das bestanden haben, sind sie ganz genau so, wie wir sie haben wollen. Was hältst du davon?"
"Damit könnte ich mich anfreunden," antwortete Lóminîth. "Hast du schon eine Idee?"
"Augenblick mal," unterbrach Valion. "Meine Anweisungen kommen von Fürst Imrahil, von deinem Vater, Lothíriel, und..."
"Du wirst schon bald merken, dass hinter allen wichtigen Männern eine Frau steht, die in Wahrheit die Entscheidungen trifft," gab Lothíriel zurück.
"Da bin ich aber mal gespannt, was dieser Qùsay davon hält," mischte sich eine dritte Stimme ein. Es war Valirë, die in Lothíriels Gemach auf dem Balkon gestanden und ihre Klinge geschliffen hatte. Sie trug die Rüstung eines Schwanenritters von Dol Amroth. Valion fragte sich, woher seine Schwester sie wohl hatte, doch dann entschied er, dass er es eigentlich gar nicht so genau wissen wollte. "Was wird er wohl sagen, wenn du anfängst, ihm Vorschläge ins Ohr zu flüstern?"
"Er muss erst einmal seinen Krieg gewinnen," sagte Lothíriel daraufhin. "Jetzt, wo Hasael Umbar wieder kontrolliert, wird die Aufgabe ein ganzes Stück schwerer werden."
Valion wandte sich an Lóminîth. „Kannst du mir verzeihen?" fragte er hoffnungsvoll.
"Wir werden sehen," gab seine Verlobte zurück. "Frag mich das heute Nacht nochmal."
Titel: Die Ahnherrin von Dol Amroth
Beitrag von: Eandril am 5. Feb 2017, 22:22
Als Hilgorn zwei Tage nach Lóthiriels Rückkehr den fürstlichen Solar betrat, waren bereits vier weitere Personen anwesend: Imrahil selbst, Elphir, der alte Kapitän Veantur, und Mithrellas, die elbische Urahnin des Fürsten. Der Elbe begegnete jeder Mensch in der Stadt mit nahezu ehrfürchtigem Respekt, selbst der Fürst und seine Familie.
"Ist die Súlrohír einsatzbereit?", fragte Imrahil gerade und winkte Hilgorn, der unsicher an der Tür stehen geblieben war, heran.
"Ja, Herr", entgegnete Veantur. "Nach zwei Tagen an Land kommt eine weitere Seereise gerade recht. Wo soll es denn hingehen?"
"Nach Lindon", antwortete Mithrellas an Imrahils Stelle, und schenkte Hilgorn, der sich inzwischen neben Veantur gestellt hatte, ein begrüßendes Lächeln, das ihm beinahe den Atem stocken ließ. Für ihn würde es immer nur Faniel geben, doch die Schönheit der Elben war nicht zu leugnen und... etwas anderes. "Ich möchte herausfinden, ob inzwischen bereits mehr Angehörige meines Volkes bereit sind, den Kampf gegen Mordor wieder aufzunehmen. Der Waffenstillstand mit Sauron wird nicht ewig halten, und dann brauchen wir jeden verfügbaren Bogen und jede verfügbare Klinge."
"Seht ihr das ebenfalls so, General?", fragte Imrahil, und Hilgorn zögerte einen Augenblick und überlegte. Er beschloss, den Vorschlag nicht als Kritik an seinem Vorgehen als General zu werten, und sagte stattdessen: "Meine Männer sind selbstverständlich bereit für alle kommenden Kämpfe, aber... ihr habt Recht. Gegen die Macht von Mordor brauchen wir alle Hilfe, die wir bekommen können."
"Zumal die übrigen Erben Lenwes im Augenblick über Gondor verstreut sind", fuhr Mithrellas fort. "Selbst Ladion scheint noch immer mit der Suche nach eurem Bruder beschäftigt zu sein."
Hilgorn verlagerte unbehaglich seinen Schwerpunkt. "Ich wäre selbst gegangen, aber er überzeugte mich davon, dass er Imradon verfolgen würde."
"Es war kein Vorwurf", erwiderte Mithrellas schlicht und mit einem leichten Lächeln. "Es war seine eigene Entscheidung, und ein Mann in eurer Position kann sich nicht einfach auf ein Abenteuer aufmachen." Sie wandte sich wieder Imrahil zu. "Die Elben Lóriens werden auch im besten Fall keine große Streitmacht aufstellen können, doch eine schlagkräftige. Nachdem unsere Heimat an Saruman gefallen ist, werden wir nun eure verteidigen." Mithrellas wirkte gleichzeitig traurig und entschlossen, und Hilgorn fragte sie wie es sein musste, die eigene Heimat brennen und fallen zu sehen. Für ihn war es einmal beinahe so weit gewesen, und er hoffte, es nie erleben zu müssen.
"Wir schulden euch und eurem Volk auf ewig Dank, Herrin", sagte Imrahil mit einer leichten Verbeugung, die seinen immensen Respekt vor seiner Ahnherrin zeigte. Der Fürst von Dol Amroth verbeugte sich vor sonst niemandem. "Und wenn ihr im Norden seid, werdet ihr nach Gerüchten über meinen Sohn Ausschau halten?"
Hilgorn wusste, von welchem Sohn die Rede war: Amrothos, dem jüngsten der Prinzen, der seit dem Fall von Lórien verschollen war. Bereits die Nachricht von seinem Verschwinden hatte den Fürsten schwer getroffen, sodass Lothíriels Entführung ihn beinahe gebrochen hätte. Doch die Prinzessin war nachhause zurückgekehrt und diese Krise überwunden, und der Fürst wirkte so stark und standhaft wie zuvor.
Mithrellas lächelte beruhigend. "Ich werde alles über Amrothos in Erfahrung bringen, was ich kann - wenn mein Vater ihn nicht bereits gefunden hat."
"Gut", meinte Imrahil mit fester Stimme. "Es wird Zeit, dass er in seine Heimat zurückkehrt."

Nur wenig später hatten Mithrellas und Veantur den Solar verlassen, und Hilgorn und Elphir mit dem Fürsten alleine zurückgelassen.
"Es gibt etwas, das ihr für mich erledigen müsst", begann Imrahil, und wirkte besorgt. "Im höchsten Turmzimmer bewahre ich etwas von höchster Wichtigkeit auf." Er tauschte einen raschen Blick mit seinem Erben aus, der Hilgorn zu dem Schluss kommen ließ, dass Elphir wusste, wovon die Rede war.
"Und nun, da Lothíriel wieder hier ist... werdet ihr es von dort entfernen, und irgendwo im tiefsten Kerker einschließen. Wo nicht einmal ich es finden werde."
Imrahil wirkte angestrengt, als hätte er eine schwere Entscheidung treffen müssen, und Elphir betrachtete seinen Vater besorgt.
Also fragte Hilgorn langsam: "Herr... was ist es, das ihr dort oben im Turm aufbewahrt?"
Imrahil warf Elphir einen scharfen Blick zu, und nickte knapp und anerkennend. "Der Palantír von Osgiliath", sagte er schließlich, und Hilgorn musste sich beherrschen, nicht überrascht nach Luft zu schnappen. Dennoch musste man ihm seine Überraschung deutlich angesehen haben, denn Imrahil lächelte schwach, und erklärte: "Euer Bekannter Merian hat ihn auf Tolfalas gefunden und hergebracht. Nach Lothíriels Entführung wollte ich ihn oft verwenden um zu sehen wo sie ist, und ob es ihr gut geht. Doch... ich habe es nicht gewagt."
"Verzeiht, Herr... aber wieso nicht?", fragte Hilgorn. Eine solche Möglichkeit könnte ihnen entscheidende Vorteile im Kampf gegen Mordor helfen. "Ihr habt einen starken Willen, ich bin mir sicher, ihr hätte den Stein benutzen können."
Imrahil schüttelte den Kopf, während Elphir aufmerksam lauschte. Offenbar hatte Hilgorn die Fragen ausgesprochen, die er sich auch selbst gestellt hatte.
"Es hatte zwei Gründe. Zum einen ist dies der Palantír des Königs, und ihm alleine steht es zu, ihn zu benutzen."
"Aber Herr, er könnte...", wagte Hilgorn zu widersprechen, von seiner eigenen Kühnheit überrascht, doch Imrahil gebot ihm mit erhobener Hand Schweigen. "Und ich habe in Minas Tirith gehört, was mit Denethor geschehen ist", fuhr der Fürst fort, und für einen Augenblick sah Hilgorn die Zerrissenheit in seinen meergrauen Augen aufflackern. "Durch den Palantír von Minas Tirith ließ Sauron ihn verzweifeln und schließlich seine Niederlage bereits im Voraus einsehen. Das war, bevor Sauron seinen Ring zurückerlangt hat, und Denethor war ein stärkerer Mann als die meisten anderen. Ich wagte nicht... Dies ist eine Kraftprobe, die ich nicht einzugehen wagte."
Hilgorn nickte langsam. Er verstand die Zwickmühle in der der Fürst steckte, und er verstand die Entscheidung, die er getroffen hatte.
"Ich werde tun, was ihr verlangt", sagte er, und verneigte sich, obwohl sich ein Teil in ihm dagegen sträubte, eine solche Gelegenheit im tiefsten Kerker zu verschließen.

Nachdem sie die endlosen Stufen bis in den höchsten Turm hinaufgestiegen waren, schloss Elphir die Tür zum Turmgemach auf und Hilgorn trat nach ihm ein. Der Raum war beinahe vollständig leer, bis auf ein steinernes Podest in der Mitte, auf dem ein durch ein Tuch abgedeckter runder Gegenstand lag. Langsam trat Elphir an das Podest heran, legte eine Hand auf das Tuch, und drehte sich zu Hilgorn um.
"Ich bin neugierig", gab der Prinz zu, und zog leicht an dem Tuch. "Du nicht auch?"
Hilgorn schwieg. Er ermunterte Elphir nicht, hielt ihn aber auch nicht zurück, was seine Pflicht gewesen wäre, und so zog der Prinz das Tuch weg. Darunter kam ein nachtschwarzer, glänzender runder Stein zum Vorschein, der Hilgorns Blick magisch anzuziehen schien. Kleine, weit entfernte Lichter blinkten in dem Stein auf, und plötzlich kamen Hilgorn Gedanken, was er damit tun könnte. Er könnte herausfinden, wo Imradon sich aufhielt... einen Beweis für seinen Verrat finden... und er und Faniel könnten heiraten. Er spürte sich selbst einen Schritt auf den Stein zu machen, doch dann warf Elphir das Tuch wieder über den Palantír, und das Gefühl ging vorüber.
"Ziemlich interessant, die Artefakte des alten Númenor", meinte der Prinz unbekümmert. "Zu schade, dass er so gefährlich ist. Komm, ich trage ihn, du gehst voraus", sagte er zu Hilgorn, doch dieser schüttelte mit trockenem Mund den Kopf.
"Nein... ich glaube, es ist besser wenn ich nicht weiß, wo er ist. Hast du nicht... wolltest du nicht hineinsehen?"
Elphir schüttelte verwundert den Kopf. "Nein. Du hast meinen Vater doch gehört, es ist zu gefährlich. Es wäre nicht sonderlich gut, wenn einer von uns der Verzweiflung verfallen würde - oder sogar Saurons Willen, wer weiß, was geschehen kann."
"Als ich ihn gesehen habe... hatte ich all das vergessen", sagte Hilgorn langsam, unsicher. "Ich wollte hineinsehen, Imradon finden, und dafür sorgen, dass er bestraft wird."
Elphir zog besorgt die Augenbrauen zusammen, erwiderte aber beruhigend: "Ladion wird ihn finden. Und du und Faniel werdet heiraten, dafür werde ich persönlich sorgen." Er seufzte, und nahm den Palantír auf, der schwerer zu sein schien als er aussah. "Aber wenn es dir lieber ist, werde ich ihn alleine in Sicherheit bringen. Sorg nur dafür, dass der Weg bis zu den Kerkern frei ist - wir wollen schließlich nicht, dass irgendjemand anders mich hiermit durch den Palast laufen sieht."
Hilgorn erwiderte das Lächeln schwach, mit seinen Gedanken an anderen Orten. Er hätte nicht erwartet, so schwach und leicht zu verführen zu sein, und mit einem Schaudern stellte er sich vor, wie Sauron seinen Willen Stück für Stück brach und sich unterwarf. Mit diesen Gedanken beschäftigt machte er sich daran, Elphirs Bitte auszuführen.
Titel: Die Lage in Gondor
Beitrag von: Fine am 17. Feb 2017, 14:25
Die Woche seit seiner Rückkehr nach Dol Amroth verstrich relativ ereignislos. Botschaften zwischen Tol Thelyn und der Schwanenstadt wurden über Edrahils besondere Vögel ausgetauscht und Valion erfuhr, dass der Wiederaufbau gut voranschritt. An der Grenze zu den von Mordor besetzten Gebieten blieb es ruhig.
Lóminîth lebte sich gut in der Stadt ein und hatte schon bald enge Freundschaft mit der Prinzessin geschlossen, bei der sie meist übernachtete. Valion bekam seine Verlobte nur selten zu sehen, und meistens wurde bei diesen Anlässen nicht viel gesprochen. Und auch Valirë blieb den Großteil der Zeit verschwunden und ließ sich nur hin und wieder an der Seite Erchirions blicken. Es war für Valion eine seltsam ruhige Zeit des Abwartens, die erst endete, als Imrahil eine Woche nach der letzten Ratssitzung erneut den Kriegsrat einberief.

Erneut waren die wichtigsten militärischen und sonstigen Berater des Fürsten anwesend, sowie die Herren der beiden an Dol Amroth angrenzenden Lehen Belfalas und Edhellond. Imrahil hatte eine große Karte Gondors auf dem Tisch ausgebreitet, um den sie herum standen. Garnisonen und Truppenbewegungen wurden mit kleinen hölzernen Figuren in der Form von Reitern oder Soldaten darauf dargestellt. Gerade nahm der Fürst einen der Reiter, der bei Dol Amroth gestanden hatte, und verschob ihn nach Linhir, an die Front.
"Ich will, dass eine Kompanie der besten berittenen Späher nach Linhir verlegt und unter das Kommando des jungen Túrin gestellt wird," sagte Imrahil. "Sie sollen ein aufmerksames Auge auf das gegenüberliegende Ufer des Gilrain haben, der momentan unsere Ostgrenze darstellt. Späher auf Pferden können die gesamte Strecke des Flussufers besser und schneller überwachen. Uns darf nichts entgehen. Ich bin wegen der langen Stille beunruhigt und fest entschlossen, unsere Wachsamkeit nicht schwinden zu lassen. Diesen Fehler hat man in Gondor einmal zu oft gemacht."
"Es wird geschehen wie Ihr befehlt, mein Fürst," bestätigte Hilgorn, der die entsprechenden Befehle bereits in schriftlicher Form niederschrieb.
"Was gibt es Neues von der Flotte?" fragte Imrahil in Richtung des obersten Kommandanten, Tirn Aear Amros von Edhellond.
"Die Gewässer sind ruhig und es gibt keine Anzeichen auf Korsarenaktivitäten nördlich des Kaps von Umbar," berichtete dieser. "Ehe aerhír Veantur mit der Súlrohír nach Mithlond aufbrach hat er uns mit von ihm selbst angefertigten Seekarten versorgt und ich habe, wie von Meister Edrahil angeraten, ein mit Vorräten und Waffen beladenes Schiff zur Weißen Insel geschickt. Aufgrund der von uns kontrollierten Lage in der Bucht von Belfalas war es mir sogar möglich, dem Transport zwei kleinere Kriegsschiffe als Geleitschutz mitzugeben. Unsere neuen Verbündeten auf Tol Thelyn werden ihren Wiederaufbau dank unserer Hilfe viel schneller vorantreiben können." Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: "Unsere Flotte ist auf fünf Häfen verteilt: Dol Amroth und Edhellond sind dabei am stärksten bemannt, doch auch in Revaillond in Anfalas und in den Häfen von Tolfalas und Linhir liegen einige unserer Schiffe. Außerdem befinden sich momentan drei neue Kriegsschiffe in Edhellond im Bau."
"Gut," befand Imrahil. "Stadtkommandant Beretar, wie ist die Lage in der Stadt? Ich gehe davon aus, dass die Mauern und Tore gut bewacht sind?"
"Keine besonderen Vorfälle zu melden, mein Herr," sagte Beretar, ein junger Mann mit kurzen, braunen Haaren, der die blausilberne Rüstung der Stadtwache trug. "Die Unterstützung der Elben aus dem Goldenen Wald ist von unschätzbarem Wert. Wenn Herrin Mithrellas wirklich dafür sorgen kann, dass sich uns noch mehr von ihrem Volk anschließen, wird bald nichts und niemand mehr unsere Stadt bedrohen können. Schon jetzt ist es Feinden schier unmöglich, sich ungesehen in Sichtweite der Mauern zu schleichen. Diese Elben haben sehr scharfe Augen und Ohren, und ihnen scheint nichts zu entgehen."
Erneut nickte Imrahil zufrieden. "Das sind ebenfalls gute Nachrichten. Und wie steht es mit der Versorgung unserer Krieger und Bürger aus, Quartiermeister Naerdur?"
Naerdur, ein ergrauter Mann in den feinen Gewändern eines Adeligen, verbeugte sich. "Die Ernte steht in wenigen Wochen bevor, mein Fürst. Glücklicherweise sind die Felder von Anfalas und die Herden in den Pinnath Gelin bisher vom Krieg verschont geblieben, und auch in Belfalas haben unsere Feinde weniger Verwüstung unter den Bauernhöfen angerichtet, als erwartet. Die Obstbäume von Lamedon tragen bereits reichlich Frucht und die Weinberge von Edhellond und Morthond sind gefüllt von weißen und roten Trauben. Wir haben mehr als genug, mein Fürst, selbst nach der großen Schiffsladung, die nach Süden auf die Insel entsandt wurde. Sogar auf Tolfalas werden schon die ersten Beeren geerntet."
Imrahil strich sich anerkennend übers Kinn. "Also gut. Dann wissen wir grunsätzlich, wo wir stehen. Abgesehen von einem Thema. Arachír ó Dagarim, wie ist die Lage beim Heer?"
Damit war Hilgorn gemeint, der nun seinen Bericht vorbrachte, während einer der Fürsten passend dazu die Figuren auf der Karte verschob. "Viel hat sich nicht geändert, aber der Vollständigkeit halber werde ich noch einmal auf die wichtigsten Posten unserer Streitkräfte eingehen," begann der General. "Hier, in Dol Amroth, halten sich die Hälfte unserer sofort einsatzbereiten Soldaten sowie der Großteil der Schwanenritter auf. Dazu kommen die Elben der Erben Lenwes, die hír Beretar bereits angesprochen hat. Wir sind zuversichtlich, die Stadt gegen jeden Angriff halten zu können." Sein Finger fuhr von Dol Amroth nach Norden, wo sich der Hafen von Edhellond befand. "In Edhellond ist der Großteil der reniadrim stationiert, und weitere Seesoldaten werden ausgebildet. Fürst Angbor, der inzwischen nach Calembel zurückgekehrt ist, hält seine Burg mit einigen wenigen Männern besetzt, doch der Großteil der Krieger von Lamedon ist nach Linhir beordert worden, ebenso wie die Männer von Morthond. In Linhir und an der Gilrain-Grenze lagert die Hälfte jener Soldaten, die sich nicht in Dol Amroth befinden. Der Rest - also ein Viertel unserer Gesamtstreitmacht - ist auf kleinere Festungen und Städte im Land verteilt: Maerost in Anfalas, Arandol in den Pinnath Gelin an der Nordwestgrenze, Barad Forn am Oberlauf des Gilrain, die Befestigungsanlagen des fürstlichen Sommersitzes auf Tolfalas, die Leuchtturmstadt von Lontirost am Kap Belfalas, und zu guter Letzt die Festung Belegarth im Ethir."
"Sind all unsere Festungen und Stützpunkte gut bemannt?" hakte Imrahil nach.
"Ja, Herr," bestätigte Hilgorn, und Elphir ergriff das Wort: "Durch die Flüchtlinge aus den besetzten Gebieten haben wir viele neue Rekruten hinzugewonnen, und da die Schmieden Dol Amroths gute Arbeit leisten, haben wir auch genug Waffen für die neuen Soldaten. Es war wichtig, dass die Minen von Dor-en-Ernil und die im Weißen Gebirge weiterhin in unserer Hand geblieben sind."
"Und was hat der Herr der Spione zu berichten?" wandte sich der Fürst von Dol Amroth an Edrahils Stellvertreter. "Ich habe Edrahils Anweisungen gelesen und für gut befunden. Wie sieht es mit der Durchführung aus, hîr Amrodin?"
"Gut, mein Fürst," antwortete Amrodin. "Wie angeordnet habe ich meine besten Leute nach Linhir und Arandol geschickt, um den Gerüchten nachzugehen, von denen Herr Edrahil gehört hat. Außerdem ist es mir erneut gelungen, Kontakt zu hír Damrod und seinen radandrim aufzunehmen. In Bâr Húrin sind Nachrichten über eine bevorstehende Schlacht in der Nähe der Südgrenze Harondors eingetroffen. Wir alle sollten hoffen, dass arachír Qúsay siegreich daraus hervorgehen wird."
"Das ist ihm durchaus zuzutrauen," befand Imrahil und bedeutete Amrodin, mit dem Bericht fortzufahren.
"Die Waldläufer in Ithilien führen ihre Angriffe und Störaktionen weiterhin fort," berichtete dieser. "Meines Erachtens nach sind sie der Grund dafür, weshalb sich die Truppen Mordors noch nicht zu einem Angriff auf unsere Verteidigungslinie bei Linhir oder auf Belegarth entschlossen haben. Der dunkle Herrscher hat sein Blatt überreizt."
"Wir sollten dennoch vorsichtig bleiben," wandte Ardamir, der Herr von Belfalas ein. "Den Schatten im Osten zu unterschätzen könnte unserer letzter Fehler sein."
"Unsere Wachsamkeit darf nicht nachlassen," bekräftigte Imrahil und dachte einen Augenblick nach. Dann wandte er sich an Valion. "Ich denke, es wäre gut, eine permanente Verbindung zu Damrods Leuten herzustellen. Valion, du wirst dich mit Hilgorn beraten und er wird dir eine angemesse Zahl an Soldaten anvertrauen, mit denen du das Gebiet im Ethir und an beiden Ufern des Großen Stromes wieder besetzen kannst. Damit stünde uns der Weg nach Ithilien jederzeit offen. Richte es so ein, dass du spätestens in zwei Wochen aufbrechen kannst. Schiffe wird dir der Tirn Aear zur Verfügung stellen... und diesmal sogar ohne die Überredungskünste deiner Schwester."
Valion grinste, während Amros etwas betreten drein blickte. "Wie ihr Befehlt, Fürst Imrahil," bestätigte Valion. Endlich würde er wieder mehr zu tun haben und durfte in seine Heimat zurückkehren. Exzellent.

"Kommt heute Nachmittag zu mir, und wir besprechen die Befehle des Fürsten," sagte Hilgorn, nachdem der Kriegsrat beendet worden war. An seiner Stimme und Haltung glaubte Valion zu erkennen, dass der General nicht sonderlich daüber erfreut war, doch er konnte sich täuschen. Nachdem er Hilgorn stehen gelassen hatte machte er sich auf die Suche nach seiner Schwester, die er jedoch im Palast nicht fand. Ehe er das große Gebäude verlassen konnte, kamen ihm jedoch seine Verlobte und Lothíriel entgegen, die beide die blausilbernen Farben der Schwanenstadt trugen und leise miteinander tuschelten.
"Da bist du ja, Valion," rief Lóminîth und kam herbei. "Als ich heute morgen aufgewacht bin, warst du schon weg."
"Der Fürst hat mich zum Kriegsrat gerufen," erklärte er.
"Wenn ich dich rufe, kommst du nie," erwiderte sie anklagend. "Außer wenn es um nächtliche Aktivitäten geht."
Lothíriel, die bei diesen Worten leicht errötete, kicherte. "Das ist wirklich nicht sehr nett," kommentierte sie.
"Es tut mir Leid," gab Valion zurück. "In den letzten Tagen hatte ich viel zu tun."
"Da hat mir deine Schwester aber eine andere Geschichte erzählt," stellte Lóminîth klar. "Sie sagt, du langweilst dich hier."
"Valirë mag es, mich in Schwierigkeiten zu bringen," erklärte Valion. "Etwas Ruhe und Frieden zu haben könnte mich niemals langweilen, schon gar nicht, seitdem ich diese wunderschöne und interessante Verlobte bekommen habe."
"Hmmm," machte Lóminîth unschlüssig, doch für den Augenblick schien sie etwas beschwichtigt zu sein. Schnell berichtete Valion von den Plänen, die beim Kriegsrat gemacht worden waren, um die beiden Frauen auf andere Gedanken zu bringen.
"Du kehrst also bald zum Ethir zurück?" fragte Lothíriel. "Ist es dort denn schon wieder sicher?"
"Dafür werden wir sorgen," stellte Valion klar. "Ihr werdet es schon sehen."
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 24. Feb 2017, 22:37
Hilgorn ordnete die Papiere, die auf seinem Schreibtisch lagen - Berichte von den Wächtern am Gilrain, von der Südküste, und aus den westlichen Fürstentümern. In keinem davon war die Rede von Kämpfen oder Angriffen, was Hilgorn eigentlich beruhigen sollte. Dennoch, die verdächtige Stille rief eher Unruhe in ihm hervor. Es erinnerte ihn weniger an eine Zeit des Friedens, sondern an die schwüle Ruhe, kurz bevor ein Sommersturm über der Bucht losbrach. Irgendetwas würde geschehen, und zwar bald.
Er verstaute die Berichte in einer Truhe, und ging noch einmal die Befehle durch, die er für die Truppen am Gilrain und in Linhir vorbereitet hatte, während er auf Valion wartete. Die Räume, die er in einem entlegenen Teil des Palastes bewohnte, waren klein und schmucklos. Den größten Teil bildete sein Arbeitszimmer, an das ein kleiner Schlafraum, den das schmale Bett beinahe ganz ausfüllte, angrenzte. Er hätte vermutlich ein größeres Zimmer bekommen können, doch Hilgorn wollte keines. Darüber hinaus war er ohnehin selten hier, wenn er nicht gerade unterwegs war hatte er sich seit einiger Zeit angewöhnt, den größten Teil seiner Freizeit in Faniels Haus zu verbringen.
Nachdem er sich versichert hatte, dass die Befehle keine Fehler enthielten, warf er einen Blick zum Fenster hinaus, das nach Südwesten über die Halbinsel auf die Bucht von Belfalas hinausging. Die Sonne stand inzwischen bereits recht weit und tief im Westen, und Hilgorn seufzte, während er die Befehle beiseite legte. Valion hatte offenbar vor, heute Nachmittag voll auszunutzen und zum spätmöglichsten Zeitpunkt zu kommen.
Gerade als er den Gedanken beendet hatte, klopfte es an der Tür und Hilgorn antwortete: "Kommt herein." Sofort betrat Valion das Zimmer, und sah sich neugierig um. "War nicht leicht, euch zu finden", sagte er, während seine Augen munter umherglitten. "Also... ziemlich eng ist es hier."
"Es reicht aus", erwiderte Hilgorn, und der kühle Unterton in seiner Stimme konnte Valion nicht entgangen sein. Der Erbe vom Ethir ließ sich jedoch nicht beirren, sondern fragte mit einem Grinsen: "Wie macht ihr das nur, wenn ihr hier mal... Besuch habt?"
Hilgorn unterdrückte ein Ächzen, und erwiderte nur ausdruckslos: "Solchen Besuch habe ich hier nicht nötig." Valions Grinsen wurde noch eine Spur breiter, doch bevor er etwas entgegnen konnte, fügte Hilgorn hinzu: "Und außerdem haben wir denke ich wichtigere Themen zu besprechen."
"Natürlich." Valion ließ sich auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch nieder, wobei er noch immer bestens gelaunt schien. Dennoch beschlich Hilgorn das Gefühl, dass seinen Gegenüber insgeheim etwas beschäftigte.
"Also", begann Valion, und breitete die Arme aus. "Der Ethir."
"Der Ethir", bestätigte Hilgorn, und betrachtete die Karte, die unter den anderen Dokumenten auf seinem Schreibtisch zum Vorschein gekommen war. "Ich vermute, dass ich gerade euch nicht erneut erklären muss, welche strategische Bedeutung der Ethir genau hat."
"Ganz sicher nicht."
"Nun, wir stehen also vor einem gewissen Problem", erläuterte Hilgorn. "Unsere wichtigste Sorge ist natürlich weiterhin, unsere östliche Grenze - Linhir und den Lauf des Gilrain - möglichst stark zu besetzen. Ethir liegt davon getrennt, und ist für uns für den Moment nur auf dem Seeweg sicher zu erreichen. Ich habe also folgendes Problem: Ihr braucht genug Männer, um die Festung instand setzen und einige Zeit verteidigen zu können. Außerdem sollt ihr gemäß dem Befehl des Fürsten die Ufer des Anduin bis Ithilien besetzen und uns den Weg dorthin öffnen."
Er fuhr mit dem Finger die blaue Linie des Anduin auf der Karte bis nach Ithilien hinauf und seufzte. Er hoffte nur, dass Mordor sich durch ihre Pläne nicht vorzeitig provozieren und zu einem Gegenschlag verleiten lassen würde. Zwar wuchs die Zahl ihrer Soldaten durch die neu rekrutierten Flüchtlinge allmählich an, und vielleicht würden sie bald durch weitere Elben verstärkt werden, doch beides brauchte Zeit.
"Ich halte zwar große Stücke auf meine Kampfkunst", meinte Valion spöttisch. "Aber alleine werde ich das wohl kaum bewältigen können."
"Natürlich nicht", entgegnete Hilgorn. "Ich werde euch... zweihundert Mann zur Verfügung stellen." Er würde sie von verschiedenen Orten abziehen, um keine Stellung entscheidend zu schwächen, und die entstandenen Lücken nach und nach wieder auffüllen.
Valions Augenbrauen zogen sich zusammen. "Zweihundert sind nicht sonderlich viel um..."
Bevor er zu Ende sprechen konnte, klopfte es heftig an der Tür, und ohne eine Antwort abzuwarten, betrat der Elb Ladion den Raum. Er sah einigermaßen mitgenommen aus, hatte einen Verband um die Stirn und seine Kleidung war zerrissen und schmutzig.
"Ich bringe wichtige Neuigkeiten", sagte er dennoch mit ruhiger Stimme, und Hilgorn konnte sich gerade noch daran hindern, hinter dem Tisch aufzuspringen.
"Geht es um meinen Bruder?" Er sah Valion aufmerksam lauschen, doch bevor er ihn bitten konnte den Raum zu verlassen, erwiderte Ladion: "Unter anderem. Ich verfolgte ihn weit nach Osten, über den Gilrain hinweg auf das von Mordor besetzte Gebiet, bis nach Osgiliath. Dort gelang es mir, ein Gespräch zwischen einigen Orkanführern zu belauschen. Offensichtlich planen sie einen Angriff auf das Weiße Gebirge, zu welchem Zweck weiß ich nicht."
Jetzt sprang Hilgorn tatsächlich von seinem Stuhl auf, und Valion, der offenbar ebenso wie er die Tragweite des Gehörten begriffen hatte, tat es ihm gleich.
"Wie es aussieht, wird die Besetzung des Ethir noch ein Weilchen warten müssen", sagte er, und verzog das Gesicht. Anscheinend war Valion keineswegs wohl bei dem Gedanken, seine Heimkehr zu verschieben, und Hilgorn konnte ihn verstehen. Trotzdem nickte er langsam. "Allerdings. Wenn Mordor das Gebirge besetzt, schneiden sie uns den direkten Weg nach Rohan ab und trennen uns von unseren nächsten Verbündeten... Ich muss zum Fürsten."
"Ich komme mit", sagte Valion, und Hilgorn erwiderte: "Warum? Das betrifft euch nicht direkt."
"Als Herr des Ethir bin ich ein Fürst von Gondor, und habe das Recht zu gehen, wohin ich will", gab Valion kalt zurück, und Hilgorn stöhnte innerlich auf. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, denn es würde mit Sicherheit darauf hinauslaufen, dass Valion sich freiwillig melden würde, um die Verteidigung anzuführen. Und Hilgorn konnte sich weitaus fähigere Anführer vorstellen, als den verantwortungslosen Herrn vom Ethir.
"Meinetwegen, kommt mit", sagte er schließlich. Er konnte immer noch dafür sorgen, dass nicht Valion sondern jemand geeigneteres ihre Truppen ins Gebirge führen würde.

Während sie durch die Flure des Palastes zu den Gemächern der Fürsten eilten, fragte Hilgorn Ladion leise: "Und was ist mit Imradon?" Der Elb lächelte flüchtig. "Nach dem, was ich belauschen konnte, scheint er bei dem Angriff auf das Gebirge dabei zu sein - als Strafe für seine Enttarnung, wie mir scheint." Hilgorn schnaubte verächtlich. Sein Bruder hatte sich sicherlich nicht freiwillig dafür gemeldet. Dann kam ihm ein weiterer Gedanke. Wenn Imradon im Weißen Gebirge war, dann... würde Hilgorn ebenfalls dorthin gehen. Und dafür sorgen, dass Imradon die Berge nicht lebendig verließ.

Hilgorn in die Stadt (http://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg454669.html#msg454669)
Titel: Krieg zieht herauf
Beitrag von: Fine am 10. Mär 2017, 10:51
Der Krieg geht also wieder in die heiße Phase! dachte Valion mit einer Mischung aus freudiger Erwartung und leichter Besorgnis, während er Hilgorn durch den Palast zu den Gemächern Imrahils folgte. Die Nachrichten, die der Elb Ladion ihnen gebracht hatte, waren zu wichtig, um damit zu warten, weshalb sie den Fürsten von Dol Amroth bei seinem Abendessen unterbrachen. Als sie eintraten blickte Imrahil zunächst mit erstaunter Miene auf, ersparte ihnen dann jedoch eine Rüge als er die ernsten Gesichter sah.
"Mein Fürst, es hat eine wichtige Entwicklung gegeben," erklärte Hilgorn, und Imrahil bedeutete ihnen, sich zu ihm an den Tisch zu setzen.
"Es scheint in der Tat sehr wichtig zu sein," sagte der Fürst. "Berichtet."
Ladion nahm gegenüber Imrahils Platz und beugte sich leicht vor. "Ich komme gerade aus den von Mordor besetzten Gebieten von der Verfolgung des gesuchten Verbrechers Imradon zurück. Dabei gelang es mir, die bevorstehenden Pläne unserer Feinde mitanzuhören: sie haben vor, einen Angriff im Weißen Gebirge durchzuführen."
Imrahil nickte. "Also regt sich der Feind erneut. Ich hatte schon vermutet, dass ihm unsere schnelle Verbindung zu den Rohirrim seit Längerem ein Dorn im Auge ist." Er ballte die rechte Hand zur Faust. "Wenn Sauron Krieg will, dann kann er ihn haben. Wir haben lange gewartet und unsere Grenzen gesichert; haben uns an seine Bedingungen gehalten. Jetzt sehen wir also, was die Versprechungen des Dunklen Herrschers wert sind. Ruf meinen Sohn Elphir und die Offiziere her!" Ein Bote eilte aus dem Raum, um die Befehle weiterzugeben.
"Die Pfade der Toten sind das offensichtlichste Ziel, aber wir wissen nicht, aus welcher Richtung die Orks angreifen werden," sagte Hilgorn.
"Nun, durch Rohan werden sie wohl nicht ziehen," überlegte Valion. "In den jüngsten Berichten stand, dass Faramir die Grenze nach Anórien scharf bewacht hält und bereits mehrere Angriffe zurückgeschlagen hat. Und nun, da sein Hauptheer von der Belagerung Dol Guldurs zurückgekehrt ist hat er eine schlagkräftige Streitmacht unter seinem Kommando."
"Gänzlich auszuschließen ist ein Großangriff auf Rohan nicht, aber der Wortlaut der Befehle war, dass der Angriff im Gebirge selbst stattfinden soll," wandte Ladion ein. "Meine Vermutung ist, dass unsere Feinde den Gilrain nahe seiner Quelle am Fuße der Berge in Lebennin überqueren werden und sich durch die flachen Hügel am Südrand des Gebirges schleichen werden."
"Um dann im Schwarzgrundtal ihren Angriff zu beginnen," folgerte Hilgorn. "Wo ist Duinhir? Er wird sein Volk warnen wollen."
"Hier bin ich," rief der Fürst von Morthond, als er hereingeeilt kam, gefolgt von Elphir und einigen weiteren hochrangigen Offizieren. "Was ist geschehen?"
In wenigen kurzen Sätzen erklärte Hilgorn, was Ladion herausgefunden hatte. Imrahil sagte: "Am besten wäre es, sofort Nachricht ins Schwarzgrundtal zu schicken."
"Ich selbst werde gehen", stellte Duinhir entschlossen klar. "Mein Pferd ist ausdauernd und schnell. Ich werde mich in meiner Heimat auf den Angriff vorbereiten."
"Wir werden so bald wie möglich Verstärkung entsenden," sicherte der Fürst von Dol Amroth ihm zu. "Und auch die Rohirrim müssen gewarnt werden. Es kann sein, dass die Orks die Pfade durchqueren und auch Dunharg angreifen."
"Auch dafür werde ich sorgen und ihnen Bescheid geben," rief Duinhir, ehe er in Eile den Raum wieder verließ.

"Unsere Pläne für Ithilien und den Ethir sind damit wohl erst einmal vom Tisch," meinte Valion.
"Du verstehst sicher, dass die Verteidigung der freien Gebiete Gondors Vorrang hat," sagte Imrahil. "Wir können nicht zulassen, dass Sauron uns den Weg nach Rohan und zu unseren Verbündeten abschneidet. Wenn wir Glück haben, wird er den Ethir weiterhin ignorieren."
"Das wird sich zeigen. Ich möchte jedenfalls dabei sein, wenn ein Heer zur Verteidigung der Pfade der Toten ausgesandt wird," stellte Valion klar. Er wusste schon, dass Hilgorn davon nicht allzu begeistert sein würde, doch das war ihm egal. Seit seiner Rückkehr nach Dol Amroth hatte es ihn in den Fingern gejuckt, und ein ordentlicher Kampf war genau das, was er brauchte. Orks zu töten war ein erfreulicher Zeitvertreib und es fiel ihm leichter, als gegen Menschen zu kämpfen (auch wenn er natürlich auch davor nicht zurückschreckte), da Orks grundsätzlich schlechte Absichten hatten und für gewöhnlich keine Familie hinterließen.
"Es sei," entschied Imrahil. "Du hast dich bei deinem letzten Auftrag bewährt. Aber den Oberbefehl über das Entsatzheer wird Hilgorn führen."
Valion nickte. Auch das hatte er bereits erwartet. "Das wird kein Problem darstellen. Wir kommen wunderbar miteinander aus, stimmt's?" Lässig stupste er Hilgorn an, der ihm einen gereizten Blick zuwarf.
"Ich erwarte, dass ihr beide euer Bestes gebt," fuhr Imrahil fort. "Diese Sache ist von größter Wichtigkeit. Wenn die Verbindung nach Rohan durchtrennt wird, sind wir auf uns allein gestellt. Das können wir nicht zulassen."
"Wir werden es verhindern, mein Fürst," sagte Hilgorn zuversichtlich.
"Dann lasst uns die Planung angehen, meine Herren," schloss Imrahil und winkte die Offiziere herbei, die sich um seinen Tisch versammelten.

Am Ende beschlossen sie, zwei Drittel der in Dol Amroth stationierten Soldaten unter Hilgorns Kommando am folgenden Tag marschbereit zu machen und auf der Straße von Dol Amroth über Edhellond und Calembel auf schnellstem Wege ins Schwarzgrundtal zu entsenden, wo die Männer von Morthond unter Duinhir zu ihnen stoßen würden. Kundschafter wurden in die südlichen Regionen des Gebirges entsandt, um herauszufinden, wo die feindliche Streitmacht entlang ziehen würde. Im Tal von Erech plante Hilgorn, sich ihnen entgegenzustellen. Dabei zählten sie auch auf die eventuelle Unterstützung der Rohirrim von Dunharg, denn diese Bedrohung betraf Rohan genauso wie Gondor.
"Ich denke, es weiß nun jeder von euch, was er zu tun hat," sagte Imrahil am Ende der mehrstündigen Besprechung. Inzwischen war es Nacht geworden, und der Vollmond spiegelte sich auf der Wasseroberfläche der Bucht von Belfalas, die durch die Fenster zu sehen war. "Seht zu, dass bis morgen alles erledigt ist. Ich erwarte, dass unsere Streitmacht morgen rechtzeitig aufbricht!"
Die Offiziere bestätigten den Befehl und die Versammlung löste sich auf. Valion schlug Hilgorn freundschaftlich auf die Schulter und meinte: "Wir beide werden das schon hinbekommen, keine Sorge."
"Sehe ich etwa besorgt aus?" gab Hilgorn etwas gereizt zurück.
"Ein wenig," antwortete Valion. "Vielleicht tut dir eine Nacht bei deiner Geliebten gut," schlug er zwinkernd vor.
Hilgorn starrte ihn einen Augenblick wütend an, ging dann jedoch wortlos davon. "Sag ihr einen Gruß von mir!" rief Valion ihm nach, ehe der General um eine Ecke verschwand.

Valirë wartete in seinen Gemächern auf ihn. "Und, wie ist es gelaufen?" fragte seine Schwester. "Es wird bald so viele Orks zum Erschlagen geben wie lange nicht mehr," erzählte Valion mit einem Anflug von Begeisterung. "Sie wagen tatsächlich einen Angriff. Das wird ein Spaß, liebste Schwester."
"Zu schade, dass ich nicht mitkommen kann," klagte Valirë. "Erchirion bleibt hier, und das bedeutet, dass mein Platz an seiner Seite ist."
"Na sowas," wunderte sich Valion. "Du hast dich doch noch nie von solch trivialen Dingen wie Vorschriften aufhalten lassen."
"Valion, ich bin jetzt verlobt. Und du übrigens auch, falls du es vergessen hast. Die Dinge haben sich geändert. Wir können nicht einfach jede Regel brechen, so wie früher. Ich muss Imrahil davon überzeugen, dass ich ihm eine gute Tochter sein werde. Und dafür muss ich Gehorsam zeigen... zumindest für's Erste."
"Und wie läuft das bisher so?" fragte Valion. "Spielst du jetzt also die brave Ehefrau für Erchirion? Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, dass du tagaus, tagein im stillen Kämmerchen sitzt und wartest, bis dein Gatte dich mit seiner Zeit beehrt."
"Unsinn. Ich mache was ich will - aber ich bleibe im Rahmen des Möglichen. Und heute sieht dieser Rahmen so aus, dass ich die Stadt nicht verlassen kann, wenn es Erchirion nicht ebenfalls tut. Weißt du denn, was das im Umkehrschluss für dich bedeutet?"
"Du meinst, ich sollte Lóminîth mitnehmen? Was könnte sie denn bei einem Feldzug wollen?"
"Wenn sie es wünscht, wirst du es ihr wohl kaum abschlagen können," meinte Valirë achselzuckend.
"Zum Glück für dich wünscht sie es nicht," sagte Lóminîth und trat aus den Schatten hervor. "Ich bitte dich, Valirë. Ich begebe mich doch nicht grundlos in eine solche Gefahr. Valion soll sich austoben, etwas Spaß haben... und dann möglichst in einem Stück wieder heimkehren."
"Du hast uns belauscht?" stellte Valion erstaunt fest.
"Ihr habt so laut geredet dass es beinahe unmöglich war, nichts davon mitzubekommen," gab Lóminîth zurück. "Dies ist nicht nur dein Gemach, schon vergessen?
"Tja, sieht so aus als wäre das dann wohl mein Stichwort," verabschiedete sich Valirë und verschwand.
"Du ziehst also wieder in den Krieg," stellte Lóminîth fest. "Wann geht es los?"
"Morgen schon," antwortete Valion.
"Gut - ich hatte schon befürchtet, du wärest heute schon weg."
"Nein... heute bleibe ich hier. Heute hast du mich nur für dich."
"Auf diese Antwort hatte ich gehofft," sagte sie leise, während sie sich an ihn schmiegte.


Valion, Lóminth und Valirë zum Platz der tausend Schwanenfedern (http://modding-union.com/index.php/topic,14170.msg454825.html#msg454825)
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 18. Mai 2017, 17:55
Hilgorn aus der Stadt (http://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg457545.html#msg457545)

Hilgorn betrat mit langen Schritten den Solar des Fürsten, wo sich bereits eine kleine Gruppe Männer versammelt hatte. Am Kopfende des großen Tisches stand Fürst Imrahil, flankiert von seinen älteren Söhnen. Außerdem anwesend waren Amrodin, der Herr der Spione in Edrahils Abwesenheit, Beretar, der Kommandant der Stadtwache, und ein staubiger, abgerissener Mann, der vermutlich ein Bote war.
Balvorn, der im Flur von Faniels Haus gewartet hatte als Hilgorn von seinem Gespräch mit Belegorn heruntergekommen war, hatte ihm nichts näheres berichten können - nur, dass Nachrichten aus dem Osten eingetroffen waren, und dass seine Anwesenheit von Nöten war. Dennoch, allein daraus und aus der Tatsache, dass sich alle versammelten, die in Dol Amroth Rang und Namen hatten, konnte Hilgorn sich einiges zusammenreimen, und nichts davon gefiel ihm.
Als Hilgorn eintrat hob Imrahil den Kopf und nickte ihm zur Begrüßung zu. Die Miene des Fürsten war ernst, geradezu besorgt - offenbar waren die Nachrichten alles andere als gut. Kurz nach Hilgorn betrat Ladion leise den Raum, und Imrahil sagte: "Wir sind also beinahe vollständig." Dann wandte er sich an Elphir: "Was ist mit Amros und Valion? Habt ihr sie bereits auftreiben können?"
"Amros scheint einer Einladung von Herrin Lóminîth gefolgt zu sein", erwiderte der Prinz. "Ich habe bereits einen Boten zu ihrem Haus entsandt, er sollte in Kürze eintreffen."
"Herrin Valirë war am Tor", ergänzte Beretar. "Sie wollte ihrem Bruder die Nachricht selbst überbringen, wie ihr sicherlich verstehen werdet."
Hilgorn hob eine Augenbraue. Eine Nachricht, die die Zwillinge vom Ethir direkt betraf konnte nichts gutes für ihre ohnehin schon schwache Stellung östlich des Gilrain bedeuten. Im selben Augenblick betrat Amros von Edhellond mit besorgter Miene den Raum. "Also gut", meinte Imrahil. "Wenn Valion bereits Bescheid weiß, gibt es keinen Grund noch länger zu warten. Helvon, berichtet." Die letzten Worte waren an den Boten gerichtet, der nun mit einer Stimme, der man die Erschöpfung deutlich anhörte, zu berichten begann: "Vor vier Tagen erschien plötzlich einer der Schatten aus Mordor über Belegarth, und begann ununterbrochen über der Festung zu kreisen - meistens so hoch, dass wir ihn nicht sehen konnten, doch seine Anwesenheit war immer spürbar. Und noch am selben Tag erschien das Heer aus Mordor, das aus Pelargir den Anduin hinunter marschiert sein muss. Sie... hielten sich nicht lange damit auf, uns zu belagern, denn wir waren wenige und die Festung in keinem guten Zustand."
Helvon schluckte heftig, denn es schien ihm Schmerzen zu bereiten, darüber zu sprechen. Hilgorn und die übrigen warteten gespannt. Schließlich sprach der Bote leise und stockend weiter: "Sie griffen in der Nacht an, und zwei der Nazgûl waren bei ihnen. Wir kämpften so gut wir konnten, doch wir hatten keine Chance. Als alles verloren war, befahl Kommandant Amrad mir, mich zu verstecken, zu fliehen und die Nachricht hierher zu bringen. Ich weigerte mich zuerst, doch... er ließ mir keine andere Wahl."
"Es war gut getan", sagte Imrahil äußerlich ruhig, doch jeder konnte sehen, wie ihn die Neuigkeiten beschäftigten. "Je früher wir davon erfahren, desto besser."
"Der Ethir ist also erneut gefallen", stellte Amros fest, und Helvon nickte. "Ja, Herr. Und dieses Mal werden wir ihn nicht erneut halten können, denn... nachdem ich der Schlacht entkommen war, konnte ich mich am Westufer des Flusses verstecken und beobachtete, wie Mordors Truppen das wenige, was von Belegarth noch übrig war, einzureißen begannen. Ich fürchte, dort steht kein Stein mehr auf dem anderen."
"Wir haben im Augenblick ohnehin nicht die Kraft, einen Gegenschlag dorthin zu führen", meinte Hilgorn.
"Aber können wir es uns leisten, diese Stellung zu verlieren?", wandte Erchirion ein. "Immerhin stellte der Ethir unsere Verbindung zu den Waldläufern in Ithilien dar, und versperrte sämtlichen Schiffen, die der Feind auf dem Anduin haben mag, den Weg in die Bucht von Tolfalas."
"Das ist richtig", erwiderte Hilgorn. "Und dennoch, mit welchen Männern wollen wir einen Gegenschlag führen, der kräftig genug ist, den Feind vom Ethir zu vertreiben? Und wie wollen wir, selbst wenn wir das könnten, danach sicherstellen, dass Mordor uns nicht erneut zurücktreibt?"
"Arachír Hilgorn hat Recht", sagte Imrahil. "Ich werde..." Weiter kam er nicht, denn die Tür wurde mit Schwung aufgestoßen, und Valion stürmte in den Raum.

Der Schock über die Nachricht vom erneuten Fall seiner Heimat stand Valion ins Gesicht geschrieben, gepaart mit einer verzweifelten Entschlossenheit. "Was werden wir unternehmen?" Hilgorn wechselte einen betretenen Blick mit Elphir, und auch die anderen Männer wandten verlegen den Blick ab.
"Wir werden weitere Männer nach Linhir und zum Gilrain schicken", sagte Hilgorn schließlich. Er war sich der Tatsache, dass Valion eigentlich etwas anderes hören wollte, vollauf bewusst. "Das könnte nur der Auftakt eines neuerlichen Versuchs sein, Gondor vollends zu unterwerfen."
"Ich werde die Schiffspatrouillen zwischen Linhir, Tolfalas und der Harnen-Mündung verdoppeln", ergänzte Amros. "Auf diesem Weg werden sie uns nicht überraschen."
"Außerdem sollten wir die übrigen Fürsten warnen", schlug Elphir vor. "Falls Mordor tatsächlich versucht, den Gilrain zu überqueren, müssen sie bereit sein uns im Notfall zu Hilfe zu kommen."
"Jajaja", warf Valion ungeduldig ein. "Und wann erobern wir Belegarth zurück und treiben Mordors Kreaturen zurück in das Loch, aus dem sie gekrochen sind?"
Eine bleierne Stille legte sich über den Raum, bis Hilgorn feststellte, dass alle ihn erwartungsvoll anblickten. Bis auf den Fürsten selbst hatte er in dieser Angelegenheit das meiste zu sagen, und Imrahil schien tief in eigene Gedanken versunken zu sein. In diesem Moment bereute Hilgorn zum ersten Mal, das Amt angenommen zu haben.
"Wir werden nicht versuchen, den Ethir erneut zurück zu erobern", sagte er langsam. "Ihr müsst verstehen, dass..."
Valion schnitt ihm ohne Umschweife das Wort ab. "Ich verstehe nur, dass meine Heimat zum zweiten Mal Mordor in die Hände gefallen ist. Tapfere Männer haben dafür geblutet und sind dafür gestorben, dass es in unserer Hand ist, und ihr wollt einfach nichts tun?" Sein Tonfall war ungläubig, und die Augen weit geöffnet. Im Augenblick war Valion vermutlich nicht in der Lage, eine vernünftige Entscheidung zu treffen - noch weniger als sonst - und Hilgorn konnte ihn verstehen. Oder zumindest glaubte er das.
"Wir können nichts tun", versuchte Hilgorn zu erklären. "Ich verstehe, wie ihr euch fühlt, aber wenn wir jetzt zum Ethir vorrücken, wird Mordor uns vermutlich schnell zurückschlagen, und das können wir uns nicht leisten. Und selbst wenn wir siegen sollten, wie sollen wir eine Ruine gegen die ganze Macht von Mordor halten?"
"Eine Ruine", sagte Valion langsam. "Meine Heimat ist eine Ruine - ganz im Gegensatz zu eurer, nicht wahr? Eure Heimat hat dank eures verräterischen Bruders - den ich übrigens für euch getötet und euch nebenbei das Leben gerettet habe - vermutlich gar nicht mitbekommen, das Krieg herrscht. Wie könnt ihr da verstehen, wie ich mich fühle?" Hilgorn zuckte zusammen, denn Valion hatte genau seine eigenen Zweifel ausgesprochen.
"Valion, Hilgorn hat...", versuchte Elphir dazwischen zu gehen, doch Valion beachtete ihn nicht. "Ich lege eigentlich keinen großen Wert darauf, aber ihr solltet mir dankbar sein. Sieht so eure Dankbarkeit aus? Ich finde, es wirkt eher wie Feigheit."
"GENUG!", donnerte Imrahil. "Valion, wir alle fühlen mit dir, doch Hilgorn hat Recht. Ich werde keinen einzigen Mann für ein Vorhaben opfern, dass auf lange Sicht von vornherein scheitern muss. Vielleicht eines Tages, doch nicht jetzt."
Valion schnaubte verächtlich. "Schön. Ich habe es einmal alleine geschafft, ich werde es auch wieder schaffen."
"Das wirst du nicht", gab Imrahil hart zurück, und seine Stimme klang so streng, wie Hilgorn es selten erlebt hatte. Er begriff, dass der Fürst seine gesamte Autorität nutzte, um Valion von seinem selbstmörderischen Vorhaben abzuhalten. "Kein Mann von Dol Amroth wird dich begleiten, und auch sonst niemand. Bleib, und du kannst etwas bewirken und eines Tages deine Heimat wieder in Besitz nehmen. Aber geh, und du wirst in Dol Amroth keinen Platz mehr haben, ganz egal wie viel Erfolg du hast. Hast du verstanden?"
Valions Antwort bestand darin, sich auf der Stelle umzudrehen und aus dem Raum zu stürmen, wobei er die Tür mit mehr Schwung als nötig ins Schloss warf. Imrahil ließ sich mit einem Seufzer auf seinen Stuhl sinken und sagte dann: "Amrodin, lasst ihn im Auge behalten und berichtet mir, wenn er etwas unternimmt. Und Erchirion, sprich mit Valirë. Versuch auf sie einzuwirken, vielleicht kann sie verhindern, dass ihr Bruder eine Dummheit macht."
Amrodin verneigte sich knapp und Erchirion nickte, bevor beide Männer den Raum verließen.
"Hilgorn, Amros - ihr wisst, was zu tun ist", fuhr der Fürst fort. "Sichert unsere östliche Grenze, und sorgt dafür, dass kein Ork oder sonst eine Kreatur Mordors den Gilrain überquert. Beretar, sorgt dafür dass Helvon ein Quartier und etwas zu essen bekommt, und besprecht euch mit Hilgorn, wie viele Männer der Stadtwache ihr zur Not nach Linhir entsenden könnt."
Alle vier verneigten sich, und verließen nacheinander den Raum.

Draußen sagte Hilgorn zu Beretar: "Ich werde morgen früh zu euch kommen." Der Kommandant der Stadtwache nickte, und ging mit dem Boten Helvon davon. Amros hatte am oberen Ende der Treppe auf Hilgorn gewartet und sagte: "Ich sollte euch von eurem Bruder grüßen - er erwartet, dass ihr euch demnächst mit ihm trefft und ihm alles über die Schlacht in Morthond berichtet."
Hilgorn verspürte einen kleinen Stich der Verlegenheit, denn er hatte Aldar vollkommen vergessen - aber natürlich verdiente Aldar zu erfahren, was geschehen war, denn Imradon war auch sein Bruder gewesen. Er nickte nur zur Antwort, und meinte: "Ich hoffe, Valion beruhigt sich wieder. Ich habe ihn in Morthond kämpfen sehen, und es wäre nicht gut für uns, ihn zu verlieren."
"Es wird schon gut gehen", erwiderte Amros. "Zumindest wenn Prinz Erchirion es schafft, seine Verlobte zur Vernunft zu bringen - wenn sie es einsieht, wird Valion keine andere Wahl haben, denn Valirë vom Ethir ist keine Frau, der man so leicht etwas abschlägt. Nicht einmal ihr Bruder."

Valion zu den südlichen Mauern (http://modding-union.com/index.php/topic,10716.msg457795.html#msg457795)
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 11. Jun 2017, 18:22
Nachdem Cynewulf gegangen war, machte Hilgorn sich zunächst auf den Weg zu Hauptmann Beretar. Der Hauptmann hatte seit seiner Beförderung Hilgorns altes Quartier in der Nähe der Stadtmauern bezogen, und so brauchte Hilgorn nicht lange, um den Weg zu finden. Ihre Besprechung dauerte nicht lange, denn bereits während ihrer gemeinsamen Zeit in der Stadtwache waren sie gut miteinander ausgekommen. Beretar war ein ernsthafter und gewissenhafter Mann, und Hilgorn war froh, dass er das Kommando über die Stadtwache übernommen hatte.
Sie einigten sich darauf, einige erfahrene Männer von der Stadtwache abzuziehen und nach Linhir zu entsenden um die dortige Besatzung zu verstärken. Diese Männer hatten viel Erfahrung darin eine Stadt zu verteidigen - selbst wenn die Verteidigungsanlagen in Linhir noch immer in schlechtem Zustand waren - und konnten sich als äußerst wertvoll erweisen. Die Lücken in der Stadtwache würden zur Hälfte durch Verwundete aus der Schlacht von Morthond, die damit die Zeit hatten, sich zu erholen, und zur anderen Hälfte durch neue Rekruten aus dem westlichen Gondor ersetzt werden.
Es war keine ideale Lösung, dachte Hilgorn sich, doch sie konnten schließlich keine weiteren Männer aus der Luft herbeizaubern.

Nachdem er sich von Beretar verabschiedet hatte, kehrte er in den Palast zurück, um Amrodin aufzusuchen. Als er das Quartier des zwischenzeitlichen Herrn der Spione betrat, kam ihm eine äußerst hübsche junge Frau entgegen, die nicht allzu elegant gekleidet war und Hilgorn in der Umgebung des Palastes daher sofort auffiel.
Er schloss die schwere hölzerne Tür hinter sich, und meinte an Amrodin, der mit finsterer Miene hinter seinem - oder eher Edrahils - Schreibtisch saß: "Vergnügen im Dienst? Das hatte ich bei euch nicht erwartet." Hilgorn sagte es scherzhaft, konnte allerdings einen leichten Hauch der Missbilligung nicht aus seiner Stimme heraushalten.
"Ihr solltet mich eigentlich genug kennen, um zu wissen dass das nicht der Fall ist", erwiderte Amrodin verstimmt. "Das war etwas... berufliches."
Hilgorn nickte nur knapp, und ließ sich Amrodin gegenüber in dem hölzernen Sessel nieder ohne weiter nachzufragen. "Also." Der Spion stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte die Fingerspitzen aneinander - eine sorgfältig einstudierte Geste der vorsichtigen Aufmerksamkeit, die Hilgorn auch bei Edrahil hin und wieder beobachtet hatte. "Was führt euch zu mir, Arachír?"
Hilgorn zog unauffällig seinen blausilbernen Mantel auf dem Stuhl zurecht, bevor er antwortete: "Ich nehme an, dass ihr die persönlichen Dokumente meines Bruders aus Tíncar hier habt, nicht wahr?" Imrahil selbst hatte verlangt, dass diese Dokumente Imradons an Amrodin gehen sollten, wie es bei Verrätern üblicherweise gehandhabt wurde, und Hilgorn hatte nichts dagegen gehabt.
"Das ist richtig." Amrodin hob den Kopf und blickte ihn aus harten, hellblauen Augen an. "Sagt mir nicht, dass ihr plötzlich nostalgisch geworden seid und sie haben wollt."
Hilgorn schnaubte verächtlich. "Ganz sicher nicht. Aber ich habe mit dem Mann aus Rohan gesprochen, der sich uns in Morthond angeschlossen hat - Cynewulf. Vielleicht habt ihr bereits von ihm gehört."
Amrodin hob eine Augenbraue. "Natürlich habe ich das - er hat ein Zimmer im Gasthaus Zur goldenen Schwanenfeder hier in der Stadt gemietet. Es ist meine Aufgabe, solche Dinge zu wissen, Hilgorn."
Und trotzdem konntest du Lothíriels Entführung nicht verhindern, dachte Hilgorn bei sich, doch er sprach es nicht aus. "Nun, dieser Cynewulf möchte jedenfalls über die Grenze am Gilrain in die besetzten Gebiete gelangen, um Verwandte von sich zu suchen. Er hat mich um Hilfe dazu gebeten, und bietet uns dafür an, Informationen über die Pläne des Feindes zu beschaffen."
"Das klingt überaus interessant", gab Amrodin zurück. "Können wir ihm trauen, was meint ihr?"
"Ich habe keine Ahnung", meinte Hilgorn, und zuckte mit den Schultern. "Doch er kam aus Rohan hierher und weiß nicht sonderlich viel über unsere Lage hier - viele bedeutende Informationen wird er Mordor nicht liefern können, vor allem keine, die Imradon ihnen noch nicht geben konnte."
"Da habt ihr vermutlich Recht - vielleicht ist es in dieser Angelegenheit tatsächlich zweitrangig, ob wir diesem Rohír trauen können oder nicht." Amrodin kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Aus eurer Frage am Anfang schließe ich, dass ihr gedenkt, die Kontakte eures Bruders in Mordors Reihen zu nutzen, um diesen Cynewulf über die Grenze zu schmuggeln - das könnte allerdings riskant sein, schließlich dürften sie bereits erfahren haben, dass wir über die Bescheid wissen. Außerdem..." Amrodin unterbrach sich, und warf Hilgorn einen scharfen Blick zu. "Ich hoffe, ich kann mich darauf verlassen, dass diese Information diesen Raum nicht verlassen wird?"
Hilgorn nickte langsam, innerlich angespannt. Es musste etwas wichtiges sein, wenn Amrodin sich seines Schweigens extra versicherte. "Ihr habt mein Wort."
"Also schön. Nachdem ihr euren Bruder auf so spektakuläre enttarnt habt, sind einige Leute über Nacht verschwunden, und seither nicht wieder in Gondor aufgetaucht - und auf alle finden sich Hinweise in den Dokumenten, die wir in Tíncar in einem verborgenen Fach seiner Truhe gefunden haben."
"Davon habt ihr mir nichts erzählt", warf Hilgorn ein, und Amrodin erwiderte kühl: "Es war ja auch bislang nicht nötig. Es sind allerdings weniger Personen verschwunden, als dort als Kontaktleute verzeichnet waren - um genau zu sein zwei weniger. Einen haben wir vor einer Woche ermordet in Edhellond aufgefunden, doch der andere ist daher umso interessanter. Es handelt sich um einen Jäger in der Nähe von Ethring, der offenbar dafür zuständig war oder ist, Botschaften und Informationen über die Grenze zu schmuggeln."
"Und ihr habt ihn bislang nicht behelligt?", fragte Hilgorn nach. Amrodin schüttelte langsam den Kopf. "Natürlich nicht. Ein Spion, den man nicht kennt, ist gefährlich. Ein Spion den man kennt natürlich ebenfalls, aber viel weniger... und er kann außerdem nützlich sein, wie in diesem Fall."
Der Herr der Spione atmete tief durch, als würde er eine Entscheidung treffen. "Ich werde diese Information nutzen, um euren Cynewulf über die Grenze zu bringen - von da an wird er auf sich gestellt sein. Und da ich damit mein Wissen in Gefahr bringe - wenn Cynewulf sich verrät wird Mordor wissen, dass wir ihren Spion in Ethring kennen - werde ich das nur unter einer Bedingung tun."
Hilgorn seufzte, denn er hatte es beinahe geahnt. Selbst wenn es Gondor nützte was sie taten, ein Mann wie Amrodin hatte immer mehr als einen Plan in der Hinterhand. Bei Edrahil war es noch schlimmer gewesen, doch auch Amrodin war für Hilgorn schwer genug zu ertragen. "Was braucht ihr von mir?"
"Nun, es hat mit der jungen Dame zu tun, deren Berufsfeld ihr vorhin so katastrophal falsch eingeschätzt habt...", meinte Amrodin. "Tatsächlich arbeitet sie für mich. Ihr habt doch sicher davon gehört, dass Herrin Lóminîth aus Umbar seit ihrer Ankunft hier sehr umtriebig gewesen ist?"
Hilgorn schüttelte verwundert den Kopf. "Nein, davon habe ich tatsächlich noch nichts gehört. Verdächtig ihr sie etwa, eine Verräterin zu sein?"
"Vielmehr keine Verräterin", entgegnete Amrodin. "Vergesst nicht, woher sie kommt. Aber um eure Frage zu beantworten: Für den Augenblick habe ich keinen konkreten Verdacht. Doch sie schart Mädchen zweifelhaften Rufs und ebenso zweifelhafter Herkunft um sich, macht sich damit bei vielen unserer edelmütigen Adligen und Bürger sehr beliebt und baut sich zugleich eine Schar munter plappernder Vögelchen auf, die ihr alles zutragen können, was in der Stadt geschieht."
"Ah. Ein solches Verhalten muss natürlich eure Aufmerksamkeit wecken", wurde Hilgorn klar. "Was könnte schließlich dahinterstecken?"
"Freut mich, dass ihr das erkennt." Amrodin beugte sich ein wenig vor, als er weiter sprach. "Ich habe bereits zwei Mal versucht, Informantinnen bei ihr einzuschleusen, doch beide Male erfolglos - dieses Mal hat sie sogar die Frechheit besessen, mich über das Mädchen grüßen zu lassen." Der Herr der Spione sprach leise und beherrscht, doch Hilgorn sah den Zorn, der verhalten in seinen hellen Augen loderte. Offenbar war Valions Verlobte dabei, sich einen sehr gefährlichen Feind zu machen und unwillkürlich fragte Hilgorn sich, wer von den beiden wohl dem anderen überlegen war.
"Ich habe mit der fraglichen Dame noch kein Wort gewechselt", sagte er schließlich. "Also glaube ich nicht, dass ich..." Amrodin schnitt ihm mit einer ungeduldigen Handbewegung das Wort ab. "Mit ihr sollt ihr auch gar nicht sprechen - sondern mit Valion. Findet heraus, ob und was er über die Machenschaften seiner Verlobten weiß."
Hilgorn stieß frustriert den Atem aus. "Valion und ich sind im Augenblick nicht unbedingt die besten Freunde. Vielleicht solltet ihr selbst mit ihm sprechen, Misstrauen scheint nicht in seiner Natur zu liegen. Also sollte er euch alles ohne Schwierigkeiten erzählen."
"Valion würde mir keine Probleme bereiten, dessen bin ich sicher", gab Amrodin zurück. "Nur würde Lóminîth sicherlich davon erfahren und zu verhindern wissen, dass ich etwas wichtiges erfahre. Bei euch könnte das etwas anderes sein."
"Ich..." Hilgorn schüttelte den Kopf. "Schön. Ich werde es versuchen, aber ich kann euch nichts versprechen."
"Ganz genauso kann ich euch nicht versprechen, dass es mir gelingen wird euren rohirrischen Freund heil über die Grenze zu bringen", antwortete Amrodin, während Hilgorn sich erhob. "Aber das ist auch nicht wichtig, solange wir beide unser bestes tun - die Abmachung ist, es zu versuchen, nicht ob wir Erfolg haben oder scheitern."

Von Amrodins Arbeitszimmer führte Hilgorns Weg ihn durch die Flure des Palastes bis zum Solar des Fürsten. Auf sein leises Klopfen antwortete Imrahil mit einem "Herein", und als Hilgorn eintrat, sah er den Fürsten mit dem Rücken zur Tür vor den großen Fenstern stehen, die auf die Bucht hinausblickten.
Der Fürst wandte sich zu ihm um, und sagte: "Ah, Hilgorn. Gibt es Nachrichten aus dem Osten?" Hilgorn schüttelte den Kopf, nachdem er sich verneigt hatte. "Nein, Herr. Ich komme in einer persönlichen Angelegenheit - mit einer Bitte."
Imrahil zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. "Und was könnte das für eine Bitte sein?"
"Nun... nach Imradons Tod ist Faniel nicht länger verheiratet, und da sie keine lebenden männlichen Verwandten hat, seid ihr strenggenommen nun ihr Vormund, und..."
Der verwirrte Ausdruck auf Imrahils Gesicht war einem Lächeln gewichen. "Darum geht es also. Nun denn, tragt eure Bitte vor."
"Also..." Hilgorn spürte, wie sich ein Schweißtropfen auf seiner Schläfe bildete. Es war einige Zeit her, dass er so nervös gewesen war, obwohl er es für wahrscheinlich hielt, dass Imrahil seine Bitte nicht ablehnen würde. "Ich bitte euch um die Erlaubnis, Faniel heiraten zu dürfen, denn... ich liebe sie, und sie mich."
Imrahils lächeln war noch breiter geworden, als er antwortete: "Diese Bitte werde ich euch auf keinen Fall abschlagen - wenn Faniel denn ebenfalls gewillt ist, euch zu heiraten."
"Das ist sie allerdings." Hilgorn spürte seinen Mundwinkel zucken. "Um genau zu sein, ist sie mir mit der Frage zuvorgekommen."
"In diesem Fall dürft ihr eure Verlobung verkünden. Allerdings solltet ihr bis zur Hochzeit wenigstens eine angemessene Trauerzeit abwarten... selbst wenn ihr eurem Bruder nur wenig nachtrauert", fügte der Fürst mit gespielter Strenge und kaum merklichen Augenzwinkern hinzu. "Um genau zu sein... als General Dol Amroths und Gondors verlangt es euer Rang, dass ihr an einem angemessenen Ort heiratet - hier im Palast. Hier sollte auch genug Platz für die Gäste sein."
"Gäste... im Palast", erwiderte Hilgorn schwach. Abgesehen von der Tatsache, Faniel zu heiraten, hatte er sich noch über nichts weiter Gedanken gemacht. Und die Aussicht auf eine große Feier im Palast erschreckte ihn ein wenig doch er ahnte, dass es Faniel gefallen würde. Schließlich hatte sie ihm gestanden, dass sie das Hofleben in Dol Amroth mehr genoss als erwartet.
"Natürlich", meinte Imrahil mit einem beinahe schalkhaften Ausdruck, der sich allerdings auf seine Augen beschränkte. "Ich werde meine Tochter und meine Schwiegertochter beauftragen, die Feier vorzubereiten - in etwa sechs Wochen, würde ich sagen."
"Das... klingt gut", meinte Hilgorn, der sich noch immer etwas überrumpelt fühlte - was den Fürsten ausnehmend gut zu amüsieren schien. Allmählich bekam Hilgorn das Gefühl, dass Imrahils anfängliche Verwirrung nur gespielt gewesen war, und der Fürst seit der Nachricht von Imradons Tod mit diesem Gespräch gerechnet hatte. Die Vermutung war nicht einmal allzu abwegig, denn auch Elphir zeigte hin und wieder einen etwas bizarren Sinn für Humor.
"Ich danke euch, mein Fürst." Imrahil winkte großmütig ab. "Nach euren Taten im Krieg ist es das wenigste was ich tun kann. Und es wird uns allen Hoffnung geben, in diesen Tagen ein solches Zeichen der Liebe zu beobachten..."

Hilgorn verließ den Palast in Eile in Richtung von Faniels Haus, nur noch von einem einzigen Gedanken beherrscht. Cynewulf, Amrodin, Valion, Lóminîth und der Krieg waren für den Moment vollkommen vergessen.

Hilgorn in die Stadt (https://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg463712.html#msg463712)
Titel: Verdandi
Beitrag von: Fine am 3. Jul 2017, 00:37
Valion aus der Stadt (http://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg459014.html#msg459014)


Am folgenden Morgen erwachte Valion davon, dass Lóminîth ihn schüttelte und ihm einen feuchten Lappen ins Gesicht drückte.
"Du wirst noch zu spät zum Fürsten kommen," mahnte sie und erinnerte Valion mit Tonfall und Auftreten schmerzhaft an seine Mutter. Er gab ein resignierendes Grunzen von sich und schwang sich aus dem Bett. Rasch streifte er sich einfache Kleidung über und schlüpfte in seine Stiefel. Lóminîth stand kopfschüttelnd daneben. "So willst du in den Palast gehen? Du siehst aus wie ein Gewöhnlicher! Das ist deines Standes nicht angemessen."
"Mir gefällt es," entgegnete er. "Die Sachen stammen vom Ethir und sind bequem und luftig. Außerdem kennt Imrahil mich gut genug um sich nicht darum zu scheren, ob ich wie ein Adeliger aussehe oder nicht."
Lóminîth seufzte lautstark. "Also gut. Dir ist aber klar, dass meine Mädchen bereits Gerede über dich aufgeschnappt haben? Man wundert sich über die Zwillinge von Belegarth, und das schon seit geraumer Zeit."
"Das ist mir egal, und Valirë gleich zweimal," meinte Valion gleichgültig.
"Was bin ich froh, dass wir nicht mehr in Umbar sind," sagte seine Verlobte. "Dort hätte man dir dieses Verhalten niemals durchgehen lassen."
"Wir sehen uns später, Lóminîth."

Auf dem Platz vor dem Palast waren an diesem Tag viele Soldaten der Stadtwache versammelt. Offenbar fand eine Art Austausch statt. Neue Rekruten aus den friedlichen Lehen Gondors im Westen traten der Stadtwache bei und ersetzten deren beste Krieger, die nach Linhir an die Front abkommandiert wurden. Valion betrachtete einige Minuten interessiert das Treiben auf dem großen Platz, eher er die breiten Stufen zum Haupttor des Prinzenpalastes hinaufstieg. Da er weder Rüstung noch seinen Wappenrock trug wurde er nicht gleich als Lehnsherr Gondors erkannt und fand sich daher zunächst in einer kleineren Nebenhalle wieder, wo bereits einige andere Bittsteller auf eine Audienz mit dem Fürsten von Dol Amroth und amtierenden Truchsessen Gondors warteten. Eine der dort wartenden Personen fiel Valion sofort ins Auge: es handelte sich um eine dunkelrothaarige Frau, die er auf ein oder zwei Jahre jünger als sich selbst schätzte. Sie trug feste Lederrüstung und einen dunklen Wappenrock mit einer goldenen Sonne darauf und besaß einen kräftigen Körperbau, war aber dennoch sehr ansehnlich. Sie schien im Augenblick nur wenig Geduld aufweisen zu können, denn sie ging unruhig auf und ab und warf immer wieder Blicke in Richtung des Durchgangs, der zur großen Halle Imrahils führte.
"Keine Angst, wir kommen heute alle noch dran," sagte Valion mit einem breiten Grinsen in ihre Richtung. "Wenn du weiter so hektisch durch den Raum streunst, wirst du wohl ganz außer Atem vor den Fürsten treten müssen."
Die Frau blieb stehen und musterte ihn eindringlich. Ihr Blick war forsch und ohne jegliche Eingeschüchtertheit darin. "Und wer bist du, der du dir anmaßt, mir Ratschläge zu geben?"
"Mein Name ist Valion, zu deinen Diensten. Und wie heißt du, gute Frau?"
"Verdandi," sagte sie, doch sie beäugte Valion misstrauisch und blieb etwas auf Abstand. Ihre Hände hingen unruhig an ihren Seiten und Valion erkannte, dass er eine echte Kriegerin vor sich hatte. Diese Körperhaltung hatte er schon öfters gesehen, wenn auch nicht unbedingt bei einer Frau: Voller kraftvoller Anspannung und jederzeit bereit, loszuschlagen. Doch sie war unbewaffnet, und das musste unbehaglich auf sie wirken.
"Deine Hände vermissen den Griff deiner Waffe," stellte er fest. "Was bevorzugst du? Schwert? Axt? Hammer?"
"Meinen Speer," gab sie zurück und ihr Blick streifte Valions Oberkörper. "Ich sehe, du bist ebenfalls ein Krieger. Zweihändig? Ja, das sagen mir die Muskeln an deinen Unterarmen. Du hast deine Waffen ebenfalls am Eingang des Palastes abgeben müssen, nicht wahr?"
"Nun ja," setzte Valion an. Eigentlich hatte er seine Schwerter bei Lóminîth gelassen, doch Verdandi fasste seine Antwort bereits als Bestätigung auf.
"Warst du schon öfter in diesem Palast? Geben die Wachen hier gut Acht auf die Waffen, die man ihnen anvertrauen muss? Ich kann für nichts garantieren, wenn sie meinen Speer oder meinen Schild beschädigen..."
Valion erkannte, dass mit Verdandi wohl kaum zu spaßen war und verspürte kein sonderliches Bedürfnis, sie im Zorn zu erleben. Glücklicherweise kannte er die meisten Palastwachen und war mit ihrem Kommandanten befreundet. "Auf die Wachen ist Verlass, das sind gute Männer," antwortete er daher wahrheitsgemäß. "Keine Sorge, meine Dame - da geht nichts verloren."
"Hmpf," machte Verdandi, wirkte aber inzwischen etwas interessierter. Und tatsächlich setzte sie sich neben Valion auf eine der steinernen Bänke, die in der Wartehalle zur Verfügung standen und sie tauschten sich über einige eher belanglose Dinge aus. Sie sprachen darüber, welche Vorteile die Reichweite eines Speeres einem Krieger im Kampf bot und kamen darin überein, dass Beweglichkeit genauso wichtig wie Rüstung war. Valion erzählte Verdandi von seinem in jahrenlangen Übungen einstudierten Kampfstil mit zwei Schwertern, der sie tatsächlich ein klein wenig zu beeindrucken schien - oder ihm bei Verdandi zumindest etwas Respekt verschaffte. Sie hingegen zog es vor, mit Speer und Schild zu kämpfen, auch wenn sie nach Valions Einschätzung eher intuitiv zu handeln schien und gerade bei den feineren Techniken durchaus noch Steigerungspotenzial besaß.

Nachdem sie sich ungefähr eine halbe Stunde angeregt über das Thema des Kampfes unterhalten hatten trat eine Gesprächspause ein. Valion wurde es rasch langweilig, darauf zu warten, von den Palastwachen aufgerufen zu werden. Eigentlich hatte er von Anfang an vorgehabt, seinen Status dazu zu nutzen, ohne Wartezeit mit Imrahil zu sprechen, doch die Bekanntschaft, die er mit Verdandi gemacht hatte, hatte ihn zunächst davon abgehalten. Jetzt allerdings trat er an eine der an der Eingangstür postierten Wachen heran und flüsterte dem Mann leise etwas ins Ohr.
"Komm, Verdandi," sagte er als er in die Wartehalle zurückkehrte. "Wir sind dran. Der Fürst hat jetzt Zeit für uns beide."
Verdandi machte ein zu gleichen Teilen misstrauisches und verwundertes Gesicht, erhob sich aber und folgte Valion durch einen breiten Gang zur großen Halle Imrahils.
Titel: Verdandis Audienz mit Imrahil
Beitrag von: Curanthor am 15. Sep 2017, 22:28
Eigentlich hatte sie nicht erwartet irgendwelche Bekanntschaften zu machen. Mit zusammengekniffenen Augen verfolgte Verdandi den Kerl mit dem Namen Valion, der gerade augfgestanden war. Die vorige Unterhaltung mit ihm hatte zwar ihr Misstrauen etwas gelindert, aber noch immer kam er ihr merkwürdig vor. Er bewegte sich anders, als die meisten Bittsteller, das war ihr sofort aufgefallen. Auch schien er über weiterreichende Kampfkentnisse zu verfügen als der Pöbel, wie man die einfachen Leute in solchen Städten bezeichnete. Sie war sich sicher, dass man sie auch dazu zählen würde. Dabei stammte sie noch nicht einmal aus Gondor oder Dol Amroth. Viel hatte sie von der Stadt auch nicht sehen können, was ihr eigentlich auch ganz lieb war.
Ihr Blick fiel wieder auf Valion, dessen markantes Gesicht sich ihr wieder zuwandte. Scheinbar hatte er sich kurz mit der Wache unterhalten, was erneut ihr Misstrauen weckte. Als er zu ihr zurückkehrte und verkündete, dass sie nun dran seien hob sie ein Augenbraue, sagte aber nichts. Verdandi ahnte schon, dass der zuvor freundliche Kerl in ihrem Alter eigentlich nicht warten musste. Anders konnte sie die plötzliche Audienz sich nicht erklären. Ihr Vater hatte ihr schon von den Gepflogenheiten des Adels erzählt und scheinbar war nicht alles davon veraltet.
"Also war die Unterhaltung mit mir nur ein Zeitvertreibt?", zischte sie Valion leise zu und ging an ihm vorüber, ohne auf eine Antwort zu warnte, "Ich bin keine Dame, die Hilfe nötig hat."
"Vielleicht nicht", erwiderte er lächelnd was Verdandi schweigend ignoriere und eintrat.  Suchend ließ sie ihren Blick durch den Raum gleiten und fand Imrahil an einem Tisch sitzend. Der Fürst blickte auf und legte ein Pergament zur Seite. Hinter ihnen wurde das Tor wieder geschlossen. Der Blick des Mannes, der zuerst zu Valion ging bestätigte Verdandis Verdacht und sie schnaubte kaum hörbar. Der Fürst wandte sich ihr zu und musterte sie erst ausführlich. Sie erwiderte den Blick mit gerecktem Kinn und musterte ihrerseits das strenge Gesicht.
"Ich hörte, Ihr habt eine wichtige Nachricht? Mein Meldereiter konnte mir nicht mehr darüber sagen und mein Freund Valion...", Der Fürst nickte zu dem Kerl, der sie begleitet hatte, "Ist vermutlich nicht der Überbringer der Nachricht, also mit wem habe ich die Ehre?
Verdandi warf Valion einen ärgerlichen Blick und nickte dem Fürsten zu. "Auch wenn ich ungern vor ihm spreche, tue ich es. Mein eigentlicher Name ist Verdandi allerdings bin ich in Gondor eher unter den Namen Bariana bekannt."
Sie konnte sehen, wie ihr Gegenüber für einen winzigen Moment die Stirn runzelte, aber dann nickte. "Ich bin Imrahil, Fürst von Dol Amroth. Nun Verdandi, worum geht es in der Nachricht und was ist Euch widerfahren? Ich hörte, Ihr kommt aus den besetzten Gebieten?"
"Die Nachricht.", erklärte sie, zog das gefaltete Pergament aus ihrer Tasche und legte es Imrahil auf den Tisch, "Wenn Ihr sie liest, muss ich nicht so viel erklären."
Schweigend entfaltete Imrahil das Schriftstück und las es ausführlich. Anhand dessen Augenbewegungen sah sie, dass er es sich mehrmals durchlas. Sie selbst hatte es auch ebenfalls auf dem Weg zum Palast getan, denn das was dort auf dem Pergament stand, war eine ziemlich wichtige Information.
Mit ernstem Gesicht ließ Imrahil das Pergament wieder sinken. "Das sind schlechte Nachrichten, aber auch wertvolle Informationen. Sagt, habt Ihr die genannten Lager selbst gesehen? Könnt Ihr etwas zu den Truppenbewegungen sagen, die angedeutet wurden?"
"Nur zwei Gefangenenlager, ich kann Euch aber bestätigen, dass sie genau dort liegen, wo sie beschrieben sind. Zu den Truppenbewegungen kann ich leider nicht viel mehr berichten, als dort in dem Bericht steht." Die Antwort kam ihr zäh über die Lippen. Sie hasste die Zeit in den Lagern.
Imrahil schien ihren Widerwillen zu bemerken und reichte das Pergament Valion, während er sich erneut an sie wandte: "Verzeiht Euch damit zu drängen, aber könnt Ihr erzählen was in den Lagern vorgeht und wie es der Bevölkerung geht?"
Verdandi atmete tief aus und nickte schließlich, während sie die Lippen zusammenkiff.
"Die Lager sind gut strukturiert", begann sie und vermisste den Griff einer Waffe in ihrer Hand, "Sie trennen die Familien sofort und achten darauf, dass sich niemand kennt. Frauen und Männer werden ebenfalls getrennt, dann wird nochmal im Altersklassen unterschieden. Die Orks erledigen die Drecksarbeit, die normalen Bewacher haben sie aus dem Abschaum der Gesellschaft geholt. Die Lagervorsteher sind meistens Männer aus dem Osten oder Süden... Kaahnd, Rhon und Hrarat oder so ähnlich, ich habe davon noch nie gehört. Dann gibt es da die Gebietsvorsteher, das sind meistens Schwarze Númenorer. Sie sind es, die die Listen aufstellen und die Menschen sortieren."
"Sortieren?" Die Nachfrage Imrahils war neutral, doch fiel Verdandi seine geballte Faust auf. Bisher hatte der Fürst ihr nickend zugehört.
"Ja, mein Herr. Sie sortieren, trennen Familien und zwingen die Männer in den Kriegsdienst, während die Frauen als Druckmittel in Arbeitslagern schuften. Manchmal...", sie stockte und ballte die ebenfalls die Hand zur Faust, "Wenn die Aufpasser sich vergüngen wollen, tun sie ihnen auch Gewalt an. Manche zwingen sie auch Spionage zu betreibten, indem sie die Kinder der Frauen wegnehmen. Das konnte ich in Linhir nicht preisgeben, da es dort wohl von Spionen nur so wimmelt aber hier..."
Sie verstummte und seufzte. Nachdenklich massierte sie ihre Faust und entspannte sie wieder. "Ihr müsst wissen, dass das mit den Spionen eine Sache ist, die ich in einem Lager aufgeschnappt habe. Eigentlich versucht man es so geheim wie möglich zu halten. Man möchte in die Frauen dazu anstiften in den Tavernen und Gaststätten die Soldaten auszuhorchen. Wenn sie nicht gehorchen oder nicht rechtzeitig zurückkehren tötet man ihre Kinder oder andere Verwandte."
"Wir müssen etwas dagegen unternehmen. Diese Leute sind Gondorer... wir dürfen sie nicht länger im Stich lassen." Es war Valion, der gesprochen hatte. Verdandi warf ihm einen Blick zu. Er wirkte aufgebrachte und sie hatte das Gefühl, dass er platzen könnte, wenn er noch mehr über die Lager erfahren würde.
Imrahil wirkte hingegen bedrückt und ließ sich mit der Antwort Zeit. Sie verstand, dass man als Fürst eine große Verantwortung trug, konnte sich aber nicht in ihn hineinversetzen. Wenn es ihr Dorf gewesen wäre, hätte sie sofort alle kampffähigen Bewohner in die Schlacht geführt. Nichts war glorreicher als die Rettung der Seinen. Verdandi trat unruhig von einen Fuß auf den anderen. Sie hasste die Erfahrungen in den Lagern wirklich. Die Zeit in der großen Stadt gar nicht eingerechnet.
Titel: Nachrichten aus dem Westen
Beitrag von: Fine am 16. Sep 2017, 18:55
"Es steht ganz außer Frage, dass wir etwas unternehmen müssen," sagte Imrahil zu Valion. "Doch überstürzt zu handeln wird uns nicht viel bringen - wie wir im Ethir gesehen haben."
Valion unterdrückte seine Wut, denn der Fürst hatte Recht. Der impulsive Angriff der Zwillinge hatte zwar zu einem anfänglichen Erfolg geführt, doch keine vier Wochen später war alles wieder verloren gewesen, und nun lag Valions Heimat noch mehr in Trümmern als bei ihrer ersten Eroberung durch Mordor.
Der Fürst erhob sich von seinem Sitz und stand Verdandi und Valion nun gegenüber. "Zunächst möchte ich dir, Verdandi, danken, dass du mir diese Nachricht überbracht hast - unter Einsatz deines Lebens, wie mir scheint."
Verdandi nickte leicht, blickte den Fürsten jedoch weiterhin mit einem herausfordernden, erwartungsvollen Ausdruck im Gesicht an.
"Ich habe bereits veranlasst, die Hälfte der Soldaten Gondors und Dol Amroths an die Grenze zu verlegen, die vom Gilrain gebildet wird. In Linhir gibt es genug Platz für den Großteil davon. Valion hat ganz Recht; wir können und dürfen unsere Leute in den besetzten Gebieten nicht länger im Stich lassen."
Valion schlug bekräftigend die Hände zusammen. Endlich schienen die Dinge ins Rollen zu geraten.
Doch Imrahil sprach weiter. "Dennoch bin ich auch für den Schutz jener verantwortlich, die innerhalb der Grenzen des freien Gondors leben. Und ich werde diese Aufgabe nicht vernachlässigen. Ich werde also einen Kompromiss zwischen einer erfolgreichen Grenzverteidigung und der Befreiung der gondorischen Gefangenen aus den Lagern, die Verdandi beschrieben hat, finden müssen. Für eine großangelegte Offensive auf das Gebiet zwischen Linhir und Pelargir ist es zu früh. Wir brauchen mehr Informationen wie diese," er hielt die Schriftrolle hoch, die Verdandi ihm gebracht hatte.
"Wenn es darum geht, die Gefangenen zu befreien, habt Ihr schon mindestens eine Freiwillige gefunden," stellte Verdandi klar. "Ich werde zurück in die besetzten Gebiete gehen und sehen, was ich tun kann."
Valion nickte anerkennend. Das Mädel hat Mut, dachte er.
Auch Imrahil schien zufrieden mit dieser Aussage zu sein. "Deine Tapferkeit ehrt dich. Doch du solltest nicht einfach drauflos reiten, ohne einen guten Plan dafür gemacht zu haben. Das, Valion, ist übrigens auch einer der Gründe, warum ich dich heute morgen zu mir rufen ließ. Nun fehlen nur noch mein geschätzter General und der Herr der Spione."
Wie aufs Stichwort öffnete sich eine der Nebentüren der großen Halle, und Hilgorn marschierte hindurch, eine kurze Verbeugung vor Imrahil andeutend. Der Fürst reichte ihm Verdandis Nachricht, und er überflog sie rasch, eher er sie an Amrodin weiterreichte, der ihm dicht gefolgt war."
"Meine Späher haben Gerüchte über solche Dinge gehört, aber dies ist... ein äußerst wertvoller, schmerzlich detaillierter Bericht," kommentierte der Spion.
Hilgorn zeigte eine ähnlich besorgte Reaktion wie Fürst Imrahil. "Ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm ist."
"Und deswegen müssen wir schnellstens etwas unternehmen," beharrte Valion, und Verdandi schien ihm mit einem raschen Nicken zuzustsimmen.

Rasch besprachen sie die von Imrahil angeordneten Truppenbewegungen und Hilgorn wurde zum Kommandant der nach Linhir marschierenden Verstärkungen ernannt. Dies wurde innerhalb weniger Minuten geklärt, doch trotzdem sah Valion, wie die Ungeduld in Verdandis Gesichtsausdruck mehr und mehr wurde. Ganz offensichtlich hielt sie nicht allzu viel von den Befehlsketten und Prozeduren an Imrahils Hof.
Amrodin war erfreut, als er hörte, dass die junge Frau sich als Freiwillige angeboten hatte. Er blickte ihr anerkennend ins Auge. "Wir brauchen mutige Leute wie Euch," sagte er. "Gebt gut auf Euch acht, wenn ihr nach Lebennin jenseits des Gilrain zurückkehrt. Ihr habt ja mit eigenen Augen gesehen, welche Zustände dort herrschen. Wenn Ihr nach Linhir kommt, und Unterstützung benötigt, sprecht mit einer Frau namens Sírien. Sie ist normalerweise in der Taverne am Westtor anzutreffen und hat auffällig rotes Haar. Sie kann Euch viele Dinge beschaffen und ist mein Kontakt vor Ort. Zeigt ihr diese Münze," er reichte Verdandi eine kleine, bronzefarbene Münze, "dann weiß sie Bescheid, dass ich Euch geschickt habe."
Verdandi blickte den Herrn der Spione mit sichtbarem Misstrauen an, nahm jedoch nach einer kurzen Pause die Münze entgegen und ließ sie in einer ihrer Taschen verschwinden.
Imrahil sagte: "Die Dinge, die nun ins Rollen geraten, werden sich ohne Frage auf den Verlauf des Krieges gegen Mordor auswirken. Mögen die Valar unsere Entscheidungen lenken und uns die baldige Befreiung Lebennins ermöglichen."
"Mit Mut, Entschlossenheit und ein klein wenig Glück wird es schon hinhauen," sagte Valion optimistisch. Doch dann musste er an den Fall des Ethir und die Zerstörung Belegarths denken, und sein Lächeln verschwand.
Hilgorn verabschiedete sich, um sich um den Abmarsch seiner Verstärkungstruppen nach Linhir vorzubereiten, und auch Amrodin und Verdandi verließen die große Halle Imrahils bald darauf.
Valion blieb zurück, denn Imrahil hatte ihm ein Handzeichen gegeben.

"Du wirst nicht mit Hilgorn reiten, Valion. Für dich und deine Schwester habe ich eine andere Aufgabe, die ebenso wichtig ist."
Valion hatte fest damit gerechnet, mit dem Heer nach Linhir zu gehen. Umso überraschter war er nun, dass dem nicht so war. "Meine Fähigkeiten wären an der Front besser aufgehoben," wendete er ein.
"Es geht um deine Mutter, Valion," erklärte Imrahil und verschaffte sich damit Valions vollständige Aufmerksamkeit. "Wie du weißt, befindet sie sich auf dem Sitz ihrer Familie, in Nan Faerrim. Heute traf ein Vogel mit einer Nachricht von ihr ein."
"Wieso habt Ihr mir das nicht gleich gesagt? Was schreibt meine Mutter?"
Imrahils Besorgnis schien nicht weniger zu werden. "Sie bittet deine Schwester und dich, so bald wie möglich zu ihr zu kommen und eure Verlobten mitzubringen. Das scheint von äußerster Wichtigkeit zu sein. Auch wenn ich Erchirion gerade nur schwer entbehren kann, bin ich geneigt, ihn aufgrund der Dringlichkeit der Nachricht zeitweise von seinen Aufgaben in Dol Amroth zu entbinden."
Valion platzte beinahe vor Ungeduld. "Was ist denn so dringlich? Sind Nan Faerrim und Haus Seren in Gefahr?"
"Mileth schreibt, dass im Westen, in den Pinnath Gelin und in Anfalas, eine Bewegung an die Macht gekommen ist, die nur wenig am Krieg im Osten interessiert ist. Es sind Separatisten, wenn man so will. Wie du weißt, versorgen die Gebiete im Westen Dol Amroth und die übrigen Fürstentümer mit dringend benötigter Nahrung, und es gibt dort noch viele, die aus dem Osten geflohen sind und sich vielleicht dazu motivieren ließen, erneut in den Kampf zu ziehen. Wir brauchen dringend Verstärkung, und wir brauchen die Nahrungsmittel noch dringender. Wir können nicht zulassen, dass die westlichen Lehen sich abspalten. Und ich fürchte, dass deine Mutter sich nun inmitten eines Netztes aus Intrigen zu befinden scheint."
Valion war zutiefst bestürzt. Noch nie in der Geschichte Gondors war es zu einer Abspaltung eines der Lehen gekommen. Dies waren wahrlich finstere Zeiten. "Ich werde gehen. Und meine Schwester und meine Verlobte sollen mich begleiten. Gemeinsam mit Erchirion werde ich dafür sorgen, dass ihr weiterhin die volle Unterstützung aus dem Westen bekommt, und jeden kampffähigen Mann dazu bringen, sich bewaffnet vor den Toren Dol Amroths einzufinden."
"Darauf zähle ich, Valion. Du hast dich in Umbar gut geschlagen. Jetzt beweise mir, dass sich das Vertrauen, das ich in dich gesetzt habe, nicht fehl am Platz war."


Valion zum Hafen (http://modding-union.com/index.php/topic,6044.msg462046.html#msg462046)
Verdandi in die Stadt (http://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg465300.html#msg465300)
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 9. Sep 2018, 15:33
Hilgorn aus dem Tum-en-Dín (https://modding-union.com/index.php/topic,33922.msg468981.html#msg468981)

"Ihr bringt keine guten Nachrichten, General?", fragte einer der Wächter vor der Halle des Fürsten, als er Hilgorns Miene sah. Dieser schüttelte den Kopf. "Nein, doch sie sind für den Fürsten bestimmt und nicht für dich, Amron. Ich will nicht, dass sie in der ganzen Stadt bekannt sind, bevor Imrahil davon weiß." Der junge Soldat grinste, doch dem Grinsen fehlte ein wenig der Übermut. Schlechte Nachrichten waren in Dol Amroth derzeit nichts wirklich ungewöhnliches, doch sie waren der Stimmung nie zuträglich.
"Im Augenblick spricht der Fürst mit seinen Beratern", sagte jetzt der andere Wächter. "Er wünscht, nicht gestört zu werden."
"Er wird eine Ausnahme machen", erwiderte Hilgorn. "Ich werde dafür sorgen, dass ihr nicht in Schwierigkeiten geratet." Die beiden Männer tauschten einen Blick, und traten dann beiseite - allerdings ohne ihm die Tür zur öffnen. Hilgorn verdrehte die Augen, öffnete die schwere Tür kurzentschlossen selbst, und trat ein.
In der hohen, hellen Halle hatte sich eine Gruppe Männer um einen Tisch versammelt, auf dem eine große Karte von Gondor und den angrenzenden Gebieten ausgebreitet war. Hölzerne Figuren in verschiedenen Farben symbolisierten die Armeen von Gondor, Rohan und Mordor, und mit Sorge erkannte Hilgorn, dass die schwarzen Figuren Mordors deutlich überwogen.
Der erste, der ihn bemerkte als er sich dem Tisch näherte, war Elphir dessen freudiges Lächeln beim Anblick von Hilgorns Gesichtsausdruck sofort wieder verschwand.
"Hilgorn", sagte er, und machte damit die anderen Männer auf Hilgorns Ankunft aufmerksam. "Willkommen zurück." Hilgorn nickte zur Antwort, ließ kurz den Blick durch die Runde schweifen und sank dann vor Imrahil, der sich zu ihm umgewandt hatte, auf ein Knie nieder. Er versuchte, die Worte zu sagen, die er sich auf dem Ritt von Tíncar hierher zurechtgelegt hatte, doch jetzt, in Gegenwart Imrahils, brachte er keinen Ton heraus.
"So sprachlos, General", sagte Imrahil mit leichtem Spott, doch jeder konnte die Sorge in seiner Stimme hören. "Erhebt euch und sprecht, ganz gleich welche Nachrichten ihr bringen mögt." Hilgorn kam wieder auf die Füße, und räusperte sich. "Vor... vorletzte Nacht griff Mordor mit ganzer Kraft Linhir an. Wir verteidigten uns mit ganzer Kraft, doch als das Tor durchbrochen wurde, mussten wir uns zurückziehen. Mordor hat das Ostufer eingenommen, doch wir haben die Brücken zerstört und sie können den Fluss im Augenblick nicht überqueren."
Die Furchen auf Imrahils Stirn schienen sich bei Hilgorns Worten zu vertiefen. "Und wir ebensowenig."
Hilgorn atmete tief durch. "Bitte verzeiht, Herr... aber es war die einzige Möglichkeit, das, was von meiner Armee übrig war, zu retten. Und wenn ihr ein offenes Wort erlaubt, ich habe gesehen, welche Macht Mordor aufbieten kann und wird. Solange wir allein stehen, wird jeder weitere Versuch, den Gilrain zu überqueren, in einer Katastrophe für uns enden."
"Er hat Recht, Imrahil", sprang Angbor ihm bei. Der Fürst von Lamedon war offenbar während Hilgorns Abwesenheit nach Dol Amroth gereist, um sich mit Imrahil zu beraten. "Meine Späher berichten, dass es am Ostufer von Orks und anderem Gezücht geradezu wimmelt. Im Augenblick sollten wir froh sein, dass uns der Gilrain einigermaßen vor ihnen schützt, anstatt davon zu träumen, den Krieg wieder nach Osten zu tragen."
Imrahil nickte, und legte Hilgorn eine Hand auf die Schulter. "Ihr habt recht. Es kann gewiss nicht leicht gewesen sein, mit solchen Nachrichten zurückzukehren, doch ich gehe davon aus, dass ihr alles getan habt, was in eurer Macht stand." Ein leichtes Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück. "Ich erwarte morgen einen vollständigen Bericht von euch, doch für heute Abend seid ihr entlassen. Ich nehme an, dass eure reizende Verlobte bereits sehnsüchtig auf euch wartet."
Tatsächlich hatte Hilgorn Faniel seit seiner Ankunft in Dol Amroth noch nicht gesehen, denn er war direkt zum Palast geritten um Bericht zu erstatten. Der Gedanke, dass sie mit jeder weiteren vergangenen Minute um ihn bangte, bereitete ihm Unbehagen. Dennoch schüttelte er jetzt den Kopf. "Es gibt eine weitere Angelegenheit, über die ich sprechen möchte. Die Flotte hat ein Schiff aufgebracht, dass aus dem Süden kam. Von einem Ort, den sie Tol Thelyn nannten."
Bei diesem Namen horchte Erchirion, der auf der anderen Seite des Tisches stand, sichtlich auf. "Das ist die Insel, von der Valirë erzählt hat, Vater." Imrahil nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte, und bedeutete Hilgorn, weiterzusprechen.
"Das Schiff wird von zwei unserer Schiffe hierher geleitet und sollte spätestens morgen früh eintreffen, dann werdet ihr mit dem Kapitän sprechen können. Allerdings... zwei seiner Passagiere wollten mich über Land begleiten, doch sie..." Er atmete tief durch, denn die Angelegenheit war ihm nicht wenig peinlich. "Sie sind mir gestern in der Nacht in Rendûl entwischt."
Imrahil zeigte mit keiner Miene, was er darüber dachte. Stattdessen fragte er ruhig: "Fürchtet ihr, dass es sich bei ihnen um Spione Mordors oder Suladâns haltet?"
Über diese Frage hatte Hilgorn reiflich nachgedacht, und so schüttelte er jetzt ohne Zögern den Kopf. "Nein, das glaube ich nicht. Es waren zwei Frauen, und sie..." Weiter kam er nicht, denn die Tür öffnete sich mit einem vernehmlichen Geräusch. Imrahil wandte sich der Quelle der Störung mit unwilliger Miene zu, doch dann erstarrte er ebenso wie seine beiden Söhne. Auch Hilgorn starrte den Neuankömmlingen entgegen, und verstand den Fürsten zur allzu gut - immerhin war das ebenmäßige Gesicht mit den schwarzen Haaren und meergrauen Augen nur schwer zu verwechseln.
Amrothos, jüngster Sohn des Fürsten von Dol Amroth, stand in der offenen Tür, und blickte seinem Vater und seinen Brüdern entgegen. Für einen Augenblick herrschte ein beinahe schockiertes Schweigen, bevor Imrahil sich zu einem gänzlich ungewöhnlichen Gefühlsausbruch hinreißen ließ, seinem verschollen geglaubten Sohn mit drei langen Schritten entgegen kam und ihn in seine Arme zog. Hilgorn lächelte unwillkürlich und trat diskret zur Seite, um Elphir und Erchirion Platz zu machen, die geradezu stürmisch um den Kartentisch herumgeeilt kamen. So fand er sich neben Fürst Golasgil von Anfalas wieder, der ihm ins Ohr flüsterte: "So übermütig habe ich Imrahil nicht erlebt, seit er den Titel geerbt hat - eigentlich noch nie."
"Ich wusste nicht, dass ihr den Fürsten so gut kennt", gab Hilgorn ebenso leise zurück, während Elphir drauf und dran schien, seinem jüngsten Bruder mit seiner Umarmung die Rippen zu brechen. Golasgil zog amüsiert eine Augenbraue in die Höhe. "Mein Vater schickte mich als Knappen nach Dol Amroth, und zwar in Imrahils Dienst. Und obwohl er mehr als ein Jahrzehnt älter ist, als ich, sind wir gute Freunde geworden, denn er ist einer der besten Männer, die ich kenne." Hilgorn fand, dass es an der Aussage nichts auszusetzen gab.

Inzwischen schien die erste überwältigende Wiedersehensfreude in der fürstlichen Familie ein wenig abgeebbt zu sein, denn hinter Amrothos kamen drei Frauen in die Halle. Valirë verzichtete, ganz sie selbst, irgendjemanden zu begrüßen, sondern gesellte sich unauffällig zu Hilgorn, Golasgil und Angbor, den einzigen Anwesenden, die nicht zur fürstlichen Familie zählten. "Nun seht sie euch an", sagte sie mit einem Grinsen. "Und ich habe nicht einmal einen Mehlsack zur Hand gehabt, um Amrothos angemessen zu begrüßen." Hilgorn erwiderte ihren Blick verständnislos, doch Angbor und Golasgil tauschten einen wissenden, belustigten Blick. "Ach, ihr wart ja damals noch gar nicht hier. Tut mir leid", sagte Valirë etwas nachlässig an Hilgorn gewandt. "Ich erzähle euch die Geschichte bei Gelegenheit, das war einer unserer gelungensten Einfälle."
Hilgorn nickte stumm, und richtete seine Aufmerksamkeit auf die beiden anderen Frauen, die mit Amrothos gekommen waren. Die größere der beiden Frauen erkannte er sofort wieder, denn Mithrellas, die elbische Ahnherrin des Fürstenhauses, hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen - und damit klärte sich auch die Frage auf, wie Amrothos nach Dol Amroth zurückgekommen war. Die andere war ein junges, blondes Mädchen in einem grünen Kleid, das Hilgorn nicht erkannte. Aber die Art und Weise, wie Amrothos sie seinem Vater vorstellte, ließ ihn bestimmte Schlüsse ziehen. Als sie das Lächeln auf seinem Gesicht bemerkte, lachte Valirë leise. "Sieh an, General. Ihr denkt das gleiche wie ich."
Hilgorn setzte wieder eine möglichst gleichmütige Miene auf. "Ich bin mir nicht sicher, wovon ihr sprecht." Valirë verschränkte die Arme vor der Brust. "Also bitte. Selbst jemandem wie euch sollte doch auffallen, wie er die kleine Irwyne anschaut." Sie seufzte. "Eigentlich ein Jammer, ich habe Amrothos immer gemocht. Aber eigentlich habe ich es mit Erchirion auch nicht schlecht getroffen." Hilgorn presste die Lippen zusammen, um sich nicht anmerken zu lassen, wie skandalös er Valirës Worte fand. Sie schien es ihm trotzdem anzumerken, und lachte erneut. "Ihr seid leicht zu schockieren, General."
Die Antwort blieb Hilgorn erspart, denn jetzt kam Amrothos zu ihnen, wurde zuerst von Angbor und Golasgil freudig begrüßt, und wandte sich dann Hilgorn zu. "Ihr müsste General Hilgorn sein. Mein Bruder Elphir spricht in höchsten Tönen von euch." Hilgorn ergriff die angebotene Hand, und antwortete: "Ich freue mich über eure sichere Heimkehr, mein Prinz. Bei eurer Abreise gehörte ich noch der Stadtwache an, und bin erst recht kürzlich auf diesen Posten berufen worden."
"Hm", machte Amrothos ironisch. Er sah geradezu unverschämt gut und gesund aus, doch in seinen grauen Augen glaubte Hilgorn etwas seltsames zu erkennen, wie einen Schatten, der auf seiner Seele lag. "Meine reizende Beinahe-Schwägerin hat euch bereits am Hafen erwähnt", fuhr Amrothos fort, und warf Valirë einen Seitenblick zu. "Ich glaube, das Wort war Jungspund, nicht war, Valirë?" Die Angesprochene blickte demonstrativ zur Decke, wirkte allerdings nicht so, als ob sie sich schämen würde. Hilgorn beschloss, nicht gekränkt zu sein, und erwiderte: "Ich werte das als ein Kompliment, dass ich mir ein jugendliches Aussehen bewahrt habe." Amrothos lachte leise, und meinte dann: "Ich dachte, ihr wärt in Linhir?"
"Bis vor zwei Tagen", antwortete Hilgorn. "Ich bin kurz vor euch hier eingetroffen." "Und ihr bringt keine guten Nachrichten." Es war eine Feststellung, keine Frage. Offenbar stand der jüngste Prinz seinem Vater in Sachen Scharfsinn nichts nach. Hilgorn schüttelte bedauernd den Kopf. "Keine wirklich guten, nein", stimmte er zu. "Doch ich möchte den Tag eurer Heimkehr nicht damit überschatten."
Amrothos fuhr sich mit einer Hand über das Kinn, und warf einen Blick zu seinem Vater und seinen Brüdern, die jetzt mit Mithrellas sprachen. Irwyne stand etwas verloren neben der Tür und schien unsicher zu sein, was sie tun sollte. "Ich habe im Norden genug erlebt, dass mich ein paar schlechte Nachrichten nicht erschüttern. Ich möchte wissen, wie es in Gondor aussieht, General. Mithrellas ist... nicht besonders mitteilungsfreudig."
"Solange ich in Dol Amroth bin, stehe ich euch gerne zur Verfügung", meinte Hilgorn und deutete eine Verbeugung an. Valirë machte ein Gesicht, als wollte sie irgendeine spitze Bemerkung einwerfen, doch sie kam nicht dazu, denn Lóthiriel, die offenbar irgendwie von Amrothos' Ankunft erfahren hatte, drängte sich zwischen Erchirion und Elphir hindurch und warf Amrothos mit einem nicht sehr damenhaften Jubelschrei die Arme um den Hals.
Hilgorn spürte sein Herz schneller schlagen, als Faniel ihr folgte, und er konnte nur mit Mühe verhindern, ebenso in Jubel auszubrechen wie Lóthiriel. Es war nicht viel Zeit vergangen, seit der Faniel gesehen hatte, doch er kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Trotzdem beschränkte er sich darauf, ihr seinen Arm um die Taille zu legen und sie sittsam auf die Stirn zu küssen. Das Strahlen in ihren Augen genügte ihm.
Mit ein wenig Mühe gelang es Amrothos, sich aus der Umarmung seiner Schwester zu befreien, und ließ den Blick über seine versammelte Familie schweifen. Er atmete tief durch. "Es ist schön, wieder zuhause zu sein."
"Es ist schön, dich wieder zuhause zu wissen, mein Junge", brummte Golasgil. "Dein Vater hat sich fürchterliche Sorgen gemacht, nachdem wir die Nachrichten aus Lórien hörten." Amrothos lächelte ein wenig verlegen. "Nicht ohne Grund, fürchte ich. Aber es ist alles gut ausgegangen, dank Oronêl, und dank... Irwyne." Hilgorn hätte schwören können, dass die Wangen des Prinzen sich ein wenig gerötet hatten, als er das blonde Mädchen zu ihnen winkte. Irwyne knickste zwar ein wenig unbeholfen, aber ohne Scheu. Wenn sie mit Amrothos und Mithrellas aus Lindon hergekommen war, wirkte ein menschlicher Fürstenhof vermutlich längst nicht so beeindruckend wie das, was sie dort gesehen hatte, dachte Hilgorn bei sich. "Dies ist Irwyne, eine gute Freundin der ich mein Leben und meinen Verstand verdanke", stellte Amrothos sie vor. "Irwyne, dies sind Angbor, der Fürst von Lamedon, Golasgil, Fürst von Anfalas, Hilgorn, Generals in der Armee Gondors und..." Er stockte, als er zu Faniel kam. Sie ließ Hilgorn los, knickste um einiges eleganter als Irwyne, und erwiderte: "Faniel Glórin von Tugobel, Herr. Mein Vater war ein Vasall eures Vaters."
"Dann seid ihr Hilgorns..." "Verlobte. Wir werden in ein paar Tagen heiraten." Hilgorn musste lächeln, als er den Stolz in ihrer Stimme hörte, und nahm unauffällig ihre Hand. Auch Amrothos lächelte, als er sagte: "Nun, ich freue mich darauf. Zumindest wenn ich eingeladen bin", fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu. Selbst wenn es nicht so gemeint sein mochte, fasste Hilgorn eine solche Äußerung grundsätzlich als Befehl auf, und so erwiderte er: "Es wäre uns eine Freude, euch auf unserer Hochzeit zu sehen. Und euch natürlich ebenfalls, Fräulein Irwyne."
"Oh, ich werde sehr gerne kommen", sagte Irwyne fröhlich. "Ich bin noch nie auf einer solchen Hochzeit gewesen, aber ich... ich fürchte, ich habe nur dieses eine Kleid." Valirë zwinkerte ihr zu. "Eins reicht auch vollkommen, finde ich."
Beim Klang ihrer Stimme fiel Hilgorn etwas wieder ein, dass er beinahe vollständig vergessen hatte. "Verzeiht, wenn ich unterbreche", sagte er. "Aber ich muss euch etwas fragen, Valirë."
"Ihr wollt mich fragen, ob es nicht besser wäre, wenn ich eurer Hochzeit fernbliebe?", vermutete Valirë mit einem Grinsen. "Das wäre es vermutlich, aber es wäre auch viel langweiliger. Um euch davor zu bewahren, werde ich auf jeden Fall kommen." Irwyne kicherte leise, doch Hilgorn ließ sich nicht ablenken. "Seid ihr auf eurer Reise in den Süden einer Frau namens Ta-er begegnet?"
Valirë wurde zur Abwechslung einmal ernst, und sie blickte Hilgorn aufmerksam an. "Allerdings, in Umbar. Aber woher kennt ihr diesen Namen?"
"Weil ich ihr ebenfalls begegnet bin", antwortete Hilgorn. "Gestern, in der Nähe von Linhir. Ihr Schiff war durch den Sturm vom Kurs abgekommen, doch sie behaupteten, von der Insel Tol Thelyn zu kommen."
Valirë zog die Augenbrauen in die Höhe, während sie nachzudenken schien. "Dort bin ich ihr nicht begegnet, als wir da waren", sagte sie schließlich. "Aber Edrahil kennt sie ebenfalls, also kann es sein, dass er sie dorthin geholt hat." Hilgorn atmete erleichtert auf. "Also ist sie auf keinen Fall eine Feindin?"
"Sie war ein wenig undurchsichtig", meinte Valirë. "Aber im Grunde hat sie uns geholfen, und sie schien nichts für Mordor übrig zu haben." Ihr schien ein Gedanke zu kommen. "Ihr wolltet sie mitbringen, aber sie ist euch zwischendurch entwischt, nicht wahr?" Hilgorn nickte unglücklich, und spürte, wie Faniel seine Hand ermutigend drückte. Doch statt der erwarteten spitzen Bemerkung winkte Valirë einfach ab. "Macht euch nichts draus, ich glaube, sie wäre sogar dem alten Edrahil ebenbürtig."

Nur wenig später verabschiedeten Hilgorn und Faniel sich, ebenso wie die Fürsten Angbor und Golasgil, um der fürstlichen Familie die Gelegenheit zu geben, Amrothos' Rückkehr in Ruhe zu feiern. Und außerdem, gestand Hilgorn sich ein, konnte er ein wenig Zeit mit Faniel jetzt wirklich gebrauchen.
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 3. Okt 2018, 19:53
Hilgorn zog nervös an seinem Mantel, der ihm, egal was er tat, immer falsch zu sitzen schien. Aldar, der neben ihm auf einer niedrigen Bank saß und entspannt die Beine übereinander geschlagen hatte, verdrehte die Augen. "Nun hör endlich auf damit. Du siehst gerade so gut genug aus, dass sie nicht schreiend aus der Halle laufen wird, das muss doch genügen." Hilgorn zwang sich zu einem Lächeln, erwiderte aber nichts.
Er und sein Bruder befanden sich in einer kleinen Seitenkammer der großen Halle des Fürsten, und warteten darauf, in die Halle gerufen zu werden. Hilgorn begann, unruhig auf und ab zu laufen. Der Tag, den er seit geraumer Zeit herbeigesehnt hatte, war gekommen, doch mit einem Mal verspürte er ein beinahe überwältigendes Bedürfnis, einfach davonzulaufen.
Aldar schien seine Gedanken erraten zu haben, und sagte: "Nun hör auf. Du willst sie doch heiraten, oder nicht? Und sie dich ziemlich offensichtlich auch." Hilgorn nickte, und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. "Ja, ja natürlich. Aber was ist, wenn..." Er wurde unterbrochen, als sich die Tür öffnete, und Elphir mit einem breiten Lächeln den Raum betrat.
Aldar seufzte mit gespielter Erleichterung tief auf. "Prinz Elphir, ihr kommt genau zum rechten Zeitpunkt - gerade habe ich mit dem Gedanken gespielt, meinen Bruder zu fesseln und zu knebeln. So wie er sich verhält, könnte man beinahe meinen, es wäre seine erste Hochzeit." Er zwinkerte fröhlich, und Elphir erwiderte mit einem Zwinkern: "Seltsam, wie mag das nur kommen?" Dann wandte er sich direkt an Hilgorn: "Ich war am Tag meiner Hochzeit mindestens ebenso nervös wie du, mein Freund. Darüber hinaus war ich ein paar Jahre jünger als du heute, hatte noch nichts besonderes vollbracht und kannte Tírneth so gut wie gar nicht. Und sieh dir uns heute an."
Hilgorn atmete tief durch, und zog seinen Mantel ein letztes Mal zurecht. Elphirs Worte trugen tatsächlich wie beabsichtigt zu seiner Beruhigung bei. "Das kann auch nicht so viel schlimmer sein, als mitten in der Nacht Linhir anzugreifen", sagte er leise vor sich hin, und richtete sich dann auf. "Also. Ich bin bereit."

Hinter Aldar trat er hinaus in die große Halle der Fürsten von Dol Amroth. Entlang der hohen Marmorwände waren lange Tische aufgestellt worden, an denen sich die Hochzeitsgäste eingefunden hatten - beinahe der gesamte Adel von Dol Amroth und Belfalas war gekommen, und auch viele Adlige aus den anderen Fürstentümern Gondors, die sich im Augenblick in der Stadt aufhielten, genau wie viele der wohlhabenderen und einflussreicheren Bürgern der Stadt und Umgebung. Hilgorn kannte die wenigsten von ihnen persönlich und von vielen nicht einmal den Namen, und er glaubte auch nicht, dass die meisten seinetwegen hier waren, sondern eher des Festes wegen. Es war ihm allerdings gleich, denn er hatte nur Augen für das, was auf der Empore am Ende der Halle geschah. Dort am Kopfende der Halle war ein einzelner, großer Tisch aufgestellt worden, hinter dem Hilgorn viele bekannte Gesichter erblickte: In der Mitte stand Imrahil, Fürst von Dol Amroth, flankiert von seinen jüngeren Söhnen. Neben Erchirion saß Valirë vom Ethir, deren hellblaues Kleid ihr trotz ihrer immer offenkundig zur Schau gestellten Abneigung gegen festliche Kleider hervorragend stand. Auf der anderen Seite neben Amrothos saß die Elbin Mithrellas, deren würdevolle Ausstrahlung den meisten Menschen Ehrfurcht und auch ein wenig Unbehagen einflößen konnte. Auch Amros von Edhellond, Angbor von Lamedon und Ardamir von Belfalas waren Ehrenplätze an der hohen Tafel zugewiesen worden, doch fünf weitere Plätze waren bislang freigeblieben.
Als Aldar, Hilgorn und Elphir nacheinander die zwei Stufen zur Empore erklommen hatten, erhob sich Imrahil, und sprach mit einer Stimme, die mühelos im ganzen Saal zu verstehen war: "Wer tritt vor mich, um den Bund der Ehe zu schließen, und wer führt ihn vor mich?" Es waren die traditionellen Worte, die bei den meisten Hochzeiten gesprochen wurden - doch in der Regel nicht vom Fürsten von Dol Amroth höchstpersönlich. Hilgorn war sich der Ehre, die Imrahil ihm damit erwies, nur allzu bewusst. Auf Imrahils Worte hin trat Aldar vor. "Ich bin Aldar Thoron, Sohn des Ithon von Tíncar, und Kapitän der Falthaleth. Und ich führe meinen Bruder Hilgorn Thoron vor euch, General von Dol Amroth und Gondor, der in den Stand der Ehe treten soll, denn er ist einer der besten Männer die ich kenne - selbst wenn er mein kleiner Bruder ist", fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu, und leises Gelächter über seinen Scherz perlte durch den Saal. Hilgorn spürte, wie die Anspannung langsam von ihm abfiel. Das hier würde passieren - es passierte gerade - und es würde vermutlich keine Katastrophe mehr geschehen, die es verhinderte.
Imrahil verzog keine Miene, das Lächeln beschränkte sich auf seine Augen. "Wer spricht außerdem für diesen Mann, und erklärt sich bereit, den Bund zu bezeugen?" Elphir trat langsam vor. "Ich spreche für General Hilgorn, denn ich habe mit ihm bei Linhir gekämpft, und er ist einer der besten Männer und Soldaten, die dieses Land zu bieten hat. Und auch abseits des Schlachtfeldes habe ich ihn als guten Freund kennengelernt, dem ich selbst meine eigene Tochter als Ehefrau anvertrauen würde - wenn ich eine hätte." Erneut war leises Gelächter zu hören, doch Hilgorn hatte nur Augen für die drei Frauen, die nun die andere Seite der Empore hinaufstiegen.
Wieder sprach Imrahil. "Wer tritt vor mich, und welche Frau führt sie diesem Mann zu?" Lóthiriel, die die kleine Prozession anführte, lächelte Hilgorn kurz zu, bevor sie sich am Saal zuwandte, und antwortete: "Ich bin Lóthiriel von Dol Amroth, Tochter des Imrahil von Dol Amroth. Und ich führe Faniel Glórin, Tochter des Lanhael von Tugobel vor euch, die diesen Mann heiraten soll, weil es ihr Wunsch ist." Es war im Vorfeld beschlossen worden, Faniel nicht als Imradons Witwe vorzustellen - auch wenn es nicht verboten war, die Witwe seines Bruders zu heiraten, war es doch eher unüblich und hätte bei vielen der Anwesenden, denen diese Tatsache bislang nicht bekannt gewesen war, vermutlich Befremden hervorgerufen.
"Und wer spricht außerdem für diese Frau, und erklärt sich bereit, diese Ehe zu bezeugen?" Hinter Faniel trat Tírneth nach vorne, tauschte einen wissenden Blick mit ihren eigenen Ehemann, und sprach dann: "Ich spreche für Faniel Glórin, die ich in der Zeit ihrer Anwesenheit hier als eine gute Frau und Freundin kennengelernt habe, und der ich jedes Glück wünsche, dass sie sich erhofft."
Hilgorn hatte kaum ein Wort von dem, was Lóthiriel und Tírneth gesagt hatten, gehört, denn er hatte lediglich Augen für Faniel, die in ihrem weißen Kleid, das er durch Tírneths und Lóthiriels unermüdliche Wachsamkeit heute zum ersten Mal sah, auf ihn schöner wirkte als jemals zuvor. Kaum hatte er sie gesehen, war sein Mund trocken geworden, sämtliche Nervosität war von ihm abgefallen, und nichts außer ihr schien noch von Bedeutung zu sein. Sie lächelte nicht, sondern blickte ihn mit einem beinahe konzentrierten Ausdruck an - anscheinend hatte er bei ihre einen ähnlichen Eindruck hervorgerufen, wie sie bei ihm. Er hatte sich den Bart abrasiert, die Haare auf Kinnlänge gestutzt und trug schwarze Kleidung, auf deren Brust der hellblaue Adler von Tíncar prangte.
Hilgorn war derart in Faniels Anblick versunken, dass er erst wieder auf Imrahils Stimme achtete, als sein Bruder ihn unauffällig, aber nicht gerade sanft, in die Rippen stupste. "... für den Rest eures Lebens lieben, ehren und alles in eurer Macht stehende tun, um sie glücklich zu machen?" Hilgorn räusperte sich, denn er traute seiner Stimme im Augenblick nicht, und erwiderte dann mit einem Nicken: "Das will ich tun, mit jeder Faser meines Wesens."
Imrahil stellte Faniel die gleiche Frage, und auch sie nickte, und als sie antwortete, erstrahlte zum ersten Mal ein Lächeln auf ihrem Gesicht: "Das will ich allerdings, Herr. Meinetwegen auch für die nächsten tausend Jahre." Mit einem Mal wurde Hilgorn bewusst, dass er grinste wie ein Trottel, doch ein wenig erstaunt stellte er fest, dass es ihm vollkommen gleichgültig war. Auf ein unauffälliges Nicken von Imrahil nahm er den  weißen Mantel mit dem Wappen von Tíncar ab und legte ihn Faniel mit ein wenig zitternden Fingern um die Schultern. Dann zog er den Ring hervor, den Elphir ihm geschenkt hatte - ein silberner Reif, auf dem ein kleiner blauer Edelstein von einer silbernen Blüte eingefasst wurde - und steckte ihn Faniel an.
"Dann erkläre ich euch für Mann und Frau, bis dass der Tod euch scheidet", sprach Imrahil erneut, und zum ersten Mal zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht. "Mögen die Valar euch segnen und über euch wachen." An Hilgorn gewandt fügte er hinzu: "Ihr dürft eure Braut nun küssen."
Das tat Hilgorn nur allzu gerne, und es bedurfte eines hörbaren Räusperns von Imrahil, bevor sie sich wieder voneinander lösten.

Das anschließende Festmahl ließ nichts vermissen und war das köstlichste, was Hilgorn jemals gegessen hatte - oder wäre es gewesen, wenn er auch nur einen Bissen von dem, was er aß, wirklich wahrgenommen hätte. Stattdessen verbrachte er den Großteil der Zeit damit, Faniel, die neben ihm in der Mitte der Tafel saß, anzustarren und sich zu fragen, womit er sich ein solches Glück verdient hatte.
Imrahil und seine Söhne waren zur Seite gerückt, damit das Brautpaar die Mitte der Tafe einnehmen konnte, und so saß nun Tírneth zu Faniels linker und Amrothos an Hilgorns rechter Seite. Irgendwann flüsterte Faniel Hilgorn zu: "Es wäre höflich, wenn du dich auch ein wenig mit Amrothos unterhalten würdest. Erchirion hat nur Augen für seine Verlobte, und du für mich - nicht, dass ich nicht geschmeichelt wäre - aber der arme Amrothos dürfte sich deshalb ein wenig langweilen."
"Ich würde dich aber gerne noch ein wenig weiter anstarren", gab Hilgorn ebenso leise zurück. "Dir zu schmeicheln ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen ."
"Aber du hast es nicht mehr nötig", erwiderte Faniel mit diesem Lächeln, dass Hilgorns Herz immer einen Schlag aussetzen ließ. "Immerhin gehöre ich ab heute dir - und du mir. Und außerdem..." Sie senkte die Stimme noch ein wenig mehr. "Außerdem haben wir die ganze Nacht Zeit." Bevor Hilgorn sich ein wenig davon erholt hatte, hatte Faniel sich bereits abgewandt, und begonnen, angeregt mit Tírneth und Elphir zu plaudern.
Notgedrungen wandte Hilgorn sich nach rechts und Amrothos zu, der tatsächlich etwas trübsinnig in die Runde blickte.
"Ihr... stimmt es, dass ihr in Lórien wart, als Saruman das Land überfiel?", begann Hilgorn etwas unbeholfen, und verfluchte sich im gleichen Augenblick dafür, dass er an diesem Tag ein solches Gesprächsthema gewählt hatte. Tatsächlich verdüsterte sich die Miene des Prinzen schlagartig noch mehr, und sein ganzer Körper schien sich zu versteifen. "Nein, ich war zu der Zeit bereits... nicht mehr dort", antwortete er langsam, und sein Tonfall machte deutlich, dass er nicht weiter darüber sprechen wollte. "Aber es gibt etwas, dass ich euch schon länger fragen wollte. Ihr wart doch in Linhir, als wir es zurückerobert haben, und habt diesen Qúsay gesehen. Sagt mir... was haltet ihr von ihm? Immerhin sieht es so aus, als würde er irgendwann meine Schwester heiraten."
"Er... wirkte wie ein guter Mann", erwiderte Hilgorn. "Ich glaube nicht, dass er uns verraten wird, und er hat eurem Bruder das Leben gerettet." Amrothos zog eine Augenbraue in die Höhe, wirkte aber trotzdem nur mäßig interessiert. Stattdessen schweifte sein Blick immer wieder zu irgendeinem Punkt in der Halle ab. "Elphir war vom Schwarzen Atem verwundet worden, und Qúsay hat ihn mit Königskraut geheilt, ganz so wie das, was man sich..."
"... von Elessar berichtet", beendete Amrothos den Satz für ihn, und seufzte. "Letztlich haben wir doch alle einen Tropfen Königsblut in uns. Was beweißt das schon?" Unwillkürlich schweifte Hilgorns Blick zu Mithrellas, die einige Plätze von ihm entfernt saß und nichts von den Speisen angerührt hatte, sondern ernst mir Imrahil sprach. Nie war Hilgorn sich bewusster gewesen, dass auch er sie auf etwas verschlungenen Wegen zu seinen Vorfahren zählen konnte - genau wie jeder einzelne andere Anwesende an der hohen Tafel. Er fragte sich, ob ihr das ebenso bewusst war, uns was sie dabei empfand. Amrothos war seinem Blick gefolgt, und sagte leise, als hätte er Hilgorns Gedanken gehört: "Oh, sie ist sich sehr bewusst, dass im Grunde jeder einzelne Anwesende einer ihrer Nachfahren ist - das schließt euch ein. Aber keine Sorge, man muss vor ihr ebenso wenig Furcht haben wie vor ihrem Vater."
Bevor Hilgorn etwas erwidern konnte, erhob sich Imrahil, und wie auf ein unsichtbares Zeichen hin verstummten nach und nach sämtliche Gespräche im Saal. Am Ende des langen Rechtecks zwischen den Tischen hatte sich eine Gruppe Spielleute eingefunden.  "Das Brautpaar hat die Ehre des ersten Tanzes", verkündete Imrahil.

Hilgorn und Faniel erhoben sich, doch anstatt zur Faniel zur Tanzfläche zu führen, blieb Hilgorn stehen und ergriff ihre Hand. Eine erwartungsvolle und verwunderte Stille hatte sich über die Halle gelegt, und Imrahil ließ sich langsam zurück in seinen Stuhl sinken. "Ich danke euch allen, dass ihr gekommen seid", begann Hilgorn ein wenig unsicher zu sprechen. "Nicht jeder von euch mag wissen, dass Faniel... dass meine Frau aus ihrer ersten Ehe bereits zwei Kinder hat, Belegorn und Iorweth." Leises Getuschel erhob sich an den Tischen, und Hilgorn blickte Faniel an, deren verwunderte Miene sich langsam zu einem strahlenden Lächeln wandelte. "Ich möchte an diesem Abend verkünden, dass ich sie, mit der Erlaubnis meines Fürsten, als meine eigenen Kinder annehmen möchte, und behandeln und lieben will wie alle leiblichen Kinder, die ich mit der Gnade der Valar eines Tages haben werde, und ihnen ein Vater sein werde, so gut ich es kann."
Das Schweigen, dass sich über den Saal gelegt hatte, wurde von einem einzelnen Klatschen unterbrochen. Elphir hatte begonnen, zu applaudieren, und ohne zu zögern schlossen sich ihm erst Tírneth, dann Erchirion und Valirë, und schließlich nach und nach der ganze Saal an. Hilgorn war das alles herzlich egal, denn Faniel hatte ihn heftig an sich gezogen, und flüsterte ihm ins Ohr: "Ich glaube, das war das schönste Hochzeitsgeschenk, dass du machen konntest." Hilgorn fehlten vollkommen die Worte, also wischte er ihr stumm eine einzelne Träne von der Wange, und dann führte er sie zum Tanz.
Nach dem ersten Tanz, in dessen Verlauf Hilgorn wieder einmal jeden einzelnen der Hochzeitgäste völlig vergessen hatte, schlossen sich ihnen nach und nach weitere Paare auf der Tanzfläche an, an erster Stelle Elphir und Tírneth. Lóthiriel tanzte mit Ardamir von Belfalas, Imrahil mit Mithrellas, die so anmutig dahinglitt, als würde sie schweben, und selbst Erchirion und Valirë gesellten sich zu den Tanzenden - allerdings erst, nachdem Amros von Edhellond Valirë zum Tanz aufgefordert hatte, und Erchirion seine Verlobte kurzerhand an der Hand genommen und auf die Tanzfläche geführt hatte, ohne Amros auch nur einen weiteren Blick zu schenken. Valirës Miene nach zu urteilen war sie gleichermaßen überrascht und erfreut über Erchirions Handeln, und Amros wirkte, als wäre er mit der Stirn gegen einen Holzbalken gelaufen.
Hilgorn tanzte mit Lóthiriel, dann wieder Faniel, und wieder mit Faniel, und wieder mit Faniel... Schließlich hatte sich die hohe Tafel vollständig gelehrt, nur noch Amrothos saß dort und betrachtete mit düsterer Miene die Tanzfläche. Mit einem Mal ließ Faniel Hilgorn los, und zog ihn mit der Hand mit sich. "Komm, das kann sich ja niemand ansehen." Ohne zu widersprechen, folgte Hilgorn ihr - heute wäre er ihr vermutlich auch in den tiefsten Schlund Mordors ohne in einziges Widerwort gefolgt. Vor Amrothos blieb Faniel stehen, und sagte: "Amrothos, wenn man euch ansieht, bekommt man das Gefühl, auf einer Trauerfeier zu sein, nicht auf seiner eigenen Hochzeit. Da ich als Braut so etwas wie die Königin dieser Halle bin - zumindest habe ich das gehört - befehle ich euch hiermit, eure Trauermiene abzulegen, und tanzen zu gehen."
Amrothos' Mundwinkel zuckten schwach, doch er schüttelte den Kopf. "Ich habe keine Lust zu tanzen. Doch ich werde euch die Laune nicht weiterhin verderben, inzwischen dürfte ich mich davonstehlen können, ohne Aufsehen zu erregen." Sein Blick war über Faniels Schulter hinweg auf einen Punkt in der Halle gerichtet. Faniel wandte sich um, folgte dem Blick, und sagte dann. "Ah. Ich habe doch geahnt, dass es das ist, was euch bedrückt." Hilgorn blickte ebenfalls dorthin, konnte aber nichts Besonderes erkennen.
"Ich habe keine Ahnung, wovon ihr sprecht", entgegnete Amrothos ein wenig frostig und machte Anstalten, sich zu erheben. "Wenn ihr mich entschuldigen würdet..."
"Ich entschuldige nicht", gab Faniel zurück, und Hilgorn zog scharf die Luft ein. Braut oder nicht, so mit einem der Söhne des Fürsten zu sprechen, gehörte sich für niemanden. "Aber ich glaube euch beinahe, dass ihr keine Ahnung habt, worum es geht - Männer können hin und wieder so blind sein." Amrothos tauschte einen Blick mit Hilgorn, der nur hilflos mit den Schultern zuckte.
"Also, mein Prinz", fuhr Faniel mit einem Lächeln fort, das ihren Worten ein wenig die Schärfe nahm. "Ihr werdet jetzt in den Saal hinuntergehen, und sobald dieser Tanz zu Ende ist, werdet ihr Irwyne um den nächsten bitten. Und um den darauf, und um den darauf, und... ihr wisst schon, was ich meine."
"Wieso?", fragte Amrothos mit einem Schulterzucken. "Sie scheint sich doch auch so bestens zu amüsieren."
"Und dennoch schaut die den ganzen Abend immer wieder zu euch hinauf", erwiderte Faniel. Während Hilgorn sich noch fragte, wie um alles in der Welt seine Frau das bemerkt hatte, glätteten sich die Falten auf Amrothos' Stirn, und der Glanz schien in seine Augen zurückzukehren. Er deutete eine Verneigung in Faniels Richtung an, und sagte: "Wenn ihr mich entschuldigen würdet... ich glaube, ich sollte etwas gutmachen." Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte er um den Tisch herum, die Empore hinab und in die Richtung, wo die junge Irwyne mit einem jungen Ritter aus Imrahils Gefolge tanzte, den Hilgorn flüchtig kannte. Jetzt erinnerte er sich daran, dass Irwyne nicht mit an der Hohen Tafel, sondern an den unteren Tischen gesessen hatte, wo sie angeregt mit einem anderen jungen Ritter geplaudert hatte. Und er erinnerte sich daran, wie Amrothos bei seiner Ankunft mit ihr umgegangen und sie angesehen hatte, und mit einem Mal ergab das, was eben geschehen war, einen Sinn. Er zog Faniel an sich, und lehnte die Stirn gegen ihre. "Ich habe es ja schon immer gewusst - ich habe nicht nur eine sehr schöne, sondern auch eine äußerst kluge Frau geheiratet."
"Wieso nur sehr schön, aber äußerst klug?", fragte Faniel scheinbar empört, aber sie lachte.
"Meinetwegen auch beides äußerst", erwiderte Hilgorn, und küsste sie unauffällig. "Hm", machte Faniel genießerisch. "Was meinst du, wann können wir uns davonstehlen, ohne einen Skandal zu verursachen?"
"Tja, ich weiß nicht... wie wäre es mit... sofort?"

Das Gemach, dass ihnen für diese Nacht im Palast zur Verfügung gestellt worden war, war geräumig und hatte, noch viel wichtiger, ein großes, bequemes Bett. Durch ein hohes, schmales Fenster, das zum Meer hinaus ging, schien der Mond hinein und ließ Faniels rabenschwarzes Haar glänzen. Sie bette den Kopf auf Hilgorns nackte Brust, und Hilgorn fuhr ihr gedankenverloren durch die Haare. Es war ja bei weitem nicht ihre erste gemeinsame Nacht gewesen, und trotzdem... in der Hochzeitsnacht schienen die gewohntesten Dinge neu und aufregend zu sein. "Eigentlich haben wir gerade noch rechtzeitig geheiratet", sagte Faniel langsam und nachdenklich. "Hätten wir noch ein paar Wochen gewartet, hätte es einen Skandal gegeben."
"Was meinst du?", fragte Hilgorn verwirrt, und Faniel packte ihn an den Haaren und zog lachend sanft daran. "Vorhin erst habe ich gesagt, dass Männer blind sein können, und jetzt gibst du das beste Beispiel dafür ab. Ich meine, wenn man alles bedenkt... es wäre ja ein Wunder gewesen, wenn es nicht passiert wäre."
Hilgorn spürte sein Herz einen Schlag überspringen, um dann umso schneller zu schlagen. "Meinst etwa... also, bist du..." Er verstummte, noch unfähig, den Gedanken zu Ende zu denken. Faniel lachte wieder, und es war ein so fröhliches, glückliches Lachen, dass Hilgorn lächeln musste. "Drei Kinder an einem Tag zu bekommen ist auch ein bisschen viel, nicht wahr? Ja natürlich, selbstverständlich bin ich schwanger."
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 6. Okt 2018, 19:55
Drei Tage waren seit der Hochzeit vergangen - drei Tage, die Hilgorn mit Sicherheit für den Rest seiner Tage zu den glücklichsten seines Lebens zählen würde. Imrahil hatte ihm drei Tage der Freiheit gewährt, während derer er sich nicht ein einziges Mal um Mordor, den Krieg und irgendwelche Schlachtpläne hatte kümmern müssen. Doch diese Tage waren nun vorüber.
Bereits am frühen Morgen war Hilgorn von einem Boten Imrahils in den Palast gerufen worden, und ihm war sofort klar geworden, dass es sich um etwas dringliches handeln musste. Ohne triftigen Grund rief kein Fürst der Welt seine Generäle zu sich, wenn gerade erst die Sonne aufgegangen war. Imrahils Miene, als Hilgorn das Beratungszimmer betrat, bestätigte diese Vermutung.
"Fürst Dervon von Ethring bittet um unsere Hilfe", begann Imrahil ohne Begrüßung. "Es tut mir leid, euch direkt nach Ende eures Urlaubs damit belasten zu müssen, doch Mordor greift seit zwei Tagen immer wieder die Furten am oberen Linhir an, und Dervon fürchtet, dass er alleine sie nicht viel länger aufhalten kann."
"Dann bin ich dankbar, dass Mordor jetzt erst angreift", erwiderte Hilgorn. "So haben sie mir wenigstens diese drei Tage des Friedens gelassen." Imrahil lächelte nicht, sondern schüttelte bedauernd den Kopf. "Ich wünschte, ich müsste euch nicht schon wieder ins Feld schicken, Hilgorn. Ich weiß wie es ist, gerade erst verheiratet zu sein, und..." Er verstummte, anscheinend unsicher, was er sagen wollte - untypisch für den Fürsten.
"Ich kann nicht sagen, dass ich glücklich darüber wäre", meinte Hilgorn stattdessen. "Aber es ist meine Pflicht, und darüberhinaus: Wenn Mordor den Gilrain überquert stehen die Chancen gut, dass niemand anderes mehr die Gelegenheit bekommen wird, eine Hochzeit zu feiern."
Imrahil nickte erleichtert, und fuhr mit einem Finger die Linie des Gilrain auf der Karte, die vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet lag, nach. "Laut den Berichten greift Mordor ausschließlich den nördlichen Verlauf des Gilrain an. Sie scheinen Linhir nicht anzurühren."
"Und dennoch dürfen wir nicht den Fehler machen, die Garnison in Linhir zu schwächen." Hilgorn betrachtete die kleinen Holzfiguren, die entlang der Grenze aufgereiht waren, nachdenklich. "Es könnte ein Ablenkungsmanöver sein, um uns zu provozieren unsere Kräfte im Norden zu konzentrieren, sodass sie im Süden den Fluss überqueren können."
Imrahil bedeutete ihm mit einer Geste, fortzufahren. "Die Frage ist nur, wo nehmen wir die Männer her, um die Furten im Norden zu halten, ohne Linhir verwundbar zu machen?" Zu Hilgorns Überraschung lächelte Imrahil. "Nun, zum Glück haben wir Verstärkungen erhalten."
Aus einer der Fensternischen im Hintergrund löste sich eine hochgewachsene weibliche Gestalt, und Hilgorn erkannte rasch die Elbin Mithrellas. "Viele Elbenkrieger haben mich von Lindon aus nach Süden begleitet", begann sie. "Wir haben ihre Ankunft hier bislang geheimgehalten, um sie vor Mordors Spionen zu verbergen. Doch jetzt ist der Zeitpunkt für sie gekommen, in die Schlacht zu ziehen."
"Mit ihnen und einigen unserer Soldaten solltet ihr genug Schwerter nach Osten führen können, um die Furten über den Winter zu halten", fuhr Imrahil fort. Zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs verspürte Hilgorn ein wenig Zuversicht. Ein Elbenkrieger war mindestens zwei Menschen wert, schätzte er.
"Werdet ihr selbst die Elben nach Osten führen?", fragte er an Mithrellas gewandt, und hoffte, sie mit dieser Frage nicht zu beleidigen. Er wusste, dass bei den Elben auch viele Frauen in die Schlacht zogen, mehr als in Gondor üblich waren, doch es war sicherlich auch bei ihnen unüblich, dass die Fürstin - und dafür hielt er Mithrellas - allzu oft persönlich in den Kampf zog.
Mithrellas schüttelte nur den Kopf, offensichtlich nicht beleidigt. "Nein. Mein Sohn Ladion wird sie anführen. Ich glaube, ihr seit ihm bereits begegnet."
"Das bin ich", erwiderte Hilgorn. "Allerdings wusste ich damals nicht, dass er euer Sohn ist." Und damit ebenfalls mein Verwandter, dachte er bei sich. Der Gedanke war noch immer ein wenig gewöhnungsbedürftig.
"Das wusste bis vor relativ kurzer Zeit beinahe niemand", antwortete Mithrellas kurz. "Doch nach bestimmten... Ereignissen sah ich keine Veranlassung mehr, seine Abstammung geheim zu halten." Ihr Tonfall besagte eindeutig, dass das Thema damit abgeschlossen war, und Hilgorn verzichtete darauf, weiter nachzufragen. Stattdessen wandte er sich erneut an Imrahil.
"Ich werde die Männer an den Gilrain führen", sagte er. "Doch ich habe eine Bitte an euch: Schickt euren Sohn Amrothos mit mir. Er hat einige Zeit unter Elben verbracht, und könnte mir sicherlich eine Hilfe sein."
Imrahil nickte beifällig. "Das ist eine gute Idee. Und vielleicht lässt sich bei dieser Gelegenheit eine Verlobung zwischen ihm und Dervons Enkelin aushandeln - das wäre eine angemessene Belohnung für Dervon. Sie soll ein hübsches Mädchen sein."
Mithrellas bedachte ihn mit einem beinahe mitleidigen Blick, der Hilgorn verriet, dass nicht nur Faniel aufgefallen war, wie es zwischen Amrothos und seiner jungen rohirrischen Freundin wirklich stand, sagte aber nichts.
"Und ich würde euch außerdem darum bitten, einen Teil eurer Schwanengarde in Ethring zu stationieren", fuhr Hilgorn fort. "Wir brauchen eine berittene Truppe, die jederzeit an den Furten eingreifen kann."
"So wird es geschehen", stimmte Imrahil zu. "Lasst Mordor die Furten nicht überqueren, Hilgorn. Zumindest bis der Frühling kommt."

Hilgorn und Amrothos nach Ethring (https://modding-union.com/index.php?topic=33778.msg470601#msg470601)...
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 13. Feb 2019, 11:20
Oronêl aus der Stadt (https://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg473021.html#msg473021)

"Ich dachte mir, dass ich dich hier draußen finden würde", sagte Mithrellas' Stimme hinter Oronêl, und als er sich umwandte stand seine Tochter im schwachen Licht der Sterne vor ihm. Von unten drang leise das Plätschern der Wellen gegen die Felsen, auf denen sich der Palast von Dol Amroth erhob, hinauf, und war für einen Augenblick das einzige hörbare Geräusch. Dann schüttelte Oronêl ein wenig resigniert den Kopf. "Ich hätte wissen müssen, dass ich hier nicht lange Ruhe finden würde. Was hat Amrothos dir erzählt?"
Mithrellas hob eine Augenbraue, und setzte sich auf die niedrige Mauer, die den Garten, in dem sie sich befanden, von der Klippe trennte. "Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem Imrazôr mich hierher brachte. Der Palast war noch gerade erst im Bau, und die Stadt war nicht viel mehr als ein Fischerdorf, kleiner als Edhellond. Nach ein paar Tagen hier gestand er mir schließlich seine Liebe und bat mich um seine Hand. Für einen so willensstarken Mann wie er war, war er dabei ziemlich kleinlaut." Mithrellas lächelte über die Erinnerung. Oronêl lächelte nicht, sondern verschränkte die Arme vor der Brust. "Du lenkst ab."
"Mag sein", erwiderte seine Tochter. "Ich habe nicht mit Amrothos gesprochen, sondern mit Irwyne. Sie war geradezu aufgelöst und verzweifelt, und da sie so etwas wie meine kleine Schwester ist, hatte ich das Gefühl, mit dir reden zu müssen. Du kannst nicht Wochen nach unserem letzten Treffen nach Dol Amroth kommen, und allen, die dich lieben, einen solchen Schrecken einjagen."
Oronêl schüttelte den Kopf, und setzte sich langsam ein Stück entfernt von ihr auf die Mauer. "Das war nicht meine Absicht. Ich... wollte mich verabschieden, denn... denn ich meine es ernst."
"Ich zweifle nicht daran, dass ein Teil von dir es ernst meint, Vater. Du bis schon immer so gewesen. Immer, wenn du dir im Inneren einer Sache nicht ganz sicher warst, hast du dich gezwungen, nach außen umso entschlossener zu wirken, um deine eigenen Zweifel verstummen zu lassen."
Oronêl wandte den Blick ab. "Du möchtest es mir ebenfalls ausreden. Ist es nicht so?"
Mithrellas lachte leise, kein besonders fröhliches Lachen. "Oh nein, das will ich nicht. Natürlich will ich nicht, dass du gehst, aber ich will es dir nicht ausreden - nicht, wenn es wirklich dein Wunsch ist, nach Westen zu fahren."
"Es ist mein Wunsch", antwortete Oronêl fest. "Es gibt also keinen Grund, noch weiter darüber zu sprechen."
"Genauso hast du damals ausgesehen", meinte Mithrellas mit einem traurigen Lächeln. "Als du aus dem Krieg des Letzten Bundes heimgekehrt warst und dich mit Mutter gestritten hast. Das war es, was Mutter dazu getrieben hat, den größten Fehler ihres Lebens zu machen."
Oronêl stockte, ließ Mithrellas aber weitersprechen. "Ich war lange Zeit wütend auf dich, doch ebenso wütend war ich auf sie. Sie hat alle Brücken hinter sich abgebrochen, und ihre Zeit in Mittelerde weggeworfen, anstatt sich ihren Schwierigkeiten zu stellen - so wie du es getan hast. Und jetzt möchtest du das Gleiche tun." Oronêl öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch seine Tochter kam ihm zuvor. "Der Grund ist nicht wichtig, Vater. Es gibt keinen Grund, aus dem man diese Welt freiwillig verlassen kann, bevor sie gerettet ist, ohne es zu bereuen. Nicht, wenn man in der Lage ist, etwas zu tun um sie zu retten, und du kannst eine Menge tun. Aber ich glaube nicht, dass ich dir etwas neues erzähle." Sie blickte Oronêl forschend an, und schließlich schüttelte er den Kopf. "Nein. Ich habe das alles schon von anderen gehört, auf andere Weise. Und ich habe diese Gedanken selbst gehabt. Und doch..."
"Der Westen läuft nicht davon, Vater", sagte Mithrellas sanft. "In Mittelerde zu bleiben mag mehr Schmerz bringen. Entsetzen, Trauer, Angst. Aber hier sind auch jene, die du liebst, deine Freunde. Im Westen erwartet dich eine Ewigkeit, ob du jetzt das Schiff besteigst oder später, selbst wenn du in der Schlacht fällst. Und irgendwann in dieser Ewigkeit wirst du bereuen, zu früh gegangen zu sein."
Oronêl schwieg, und blickte die Klippe hinab auf die Wellen, auf denen sich die Sterne spiegelten. "Ich habe Angst davor", gestand er schließlich leise. "Ich habe Angst vor dem, was hier in Mittelerde geschehen könnte. Ich habe Angst davor zu sehen, wie meine Freunde sterben, oder ihnen etwas anderes, schreckliches, widerfährt."
"Was fürchtest du mehr?", fragte Mithrellas. "Zu sehen, wie es ihnen geschieht, oder allein die Tatsache, dass es geschehen könnte?" Oronêl antwortete nicht, denn er wusste, was sie sagen wollte. Ob er in den Westen ging oder nicht, der einzige Unterschied war, dass er nicht sehen würde, wenn seinen Freunden in Mittelerde etwas zustieß - und keine Chance hätte, es zu verhindern. Die Aussicht erschien ihm keineswegs verlockend, und mit Schrecken erkannte er, dass Kerry mit beinahe allem, was sie gesagt hatte, Recht gehabt hatte.
Er blickte Mithrellas in die Augen und lächelte. "Ich... muss darüber nachdenken."
Mithrellas erwiderte das Lächeln, ergriff seine Hand und drückte sie. "Und das sollst du. Doch vorher würde ich gerne wissen, was geschehen ist, seit du Lindon verlassen hast."


Der Morgen kam mit Wolken und leichtem Regen, der Oronêl in den Palast zurücktrieb. Dort begegnete er Amrothos, der in die Rüstung eines Schwanenritters gehüllt war, und mit langen Schritten den Gang entlang eilte. Als er Oronêl entdeckte, leuchteten seine Augen auf. "Oronêl! Du bist noch hier?" Oronêl machte eine Geste, die Amrothos bedeuten sollte, weiterzugehen, und schloss sich ihm an. "Hm. Hattest du etwas anderes befürchtet?" Amrothos warf ihm einen Seitenblick zu. "Ehrlich gesagt... schon. Du warst gestern Abend in einer merkwürdigen Stimmung."
"Das stimmt wohl", gab Oronêl zu. "Aber Irwyne hat mir Mithrellas auf den Hals gehetzt, und sie hat mir einiges zum Nachdenken gegeben." Amrothos lächelte. "Ich wusste, dass sie nicht so einfach aufgeben würde."
"Hm", machte Oronêl, und wechselte dann das Thema. "Wohin gehen wir?" Amrothos blieb stehen, und das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. "Mein Vater hält Gericht über einen Freund, dessen Verlobte eine Adligen Gondors ermordet haben soll, und als Prinz von Dol Amroth wird meine Anwesenheit dabei erwartet."
"Das klingt nicht sehr angenehm", meinte Oronêl, und Amrothos schnitt eine Grimasse. "Nein. Ich glaube nicht, dass Valion ein Verräter ist, aber mein Vater... er ist sehr prinzipientreu, wie du weißt. Ich hoffe nur, dass er in diesen Zeiten über seine Prinzipien ein wenig hinwegsehen kann. Ich..." Er seufzte. "Ich wäre beinahe lieber wieder in Ethring, dort wüsste ich wenigstens, wie die Dinge stehen."
"In Ethring?", fragte Oronêl nach. "Was ist dort?"
"Wir verteidigen dort die Furten über den Gilrain, und ich war dort stationiert", erklärte Amrothos. "Doch dann ist General Hilgorn gefallen, und ich habe die Botschaft hierher gebracht. Ich bin selbst erst vorgestern eingetroffen, und... Was dort geschehen ist, hat mich davon überzeugt, die Dinge mit Irwyne zu klären, bevor es zu spät ist."
"Und das ist offensichtlich gut ausgegangen", meinte Oronêl trocken. Amrothos wirkte ein wenig verlegen und nickte, bevor er sich zu einem Lächeln zwang. "Also dann. Ich will nicht zu spät kommen, die Predigt, die ich mir anhören müsste..."
"Ich begleite dich", meinte Oronêl. Früher oder später würde er Imrahil und seinen älteren Söhnen ohnehin begegnen, also konnte es auch jetzt sein. Außerdem wirkte Amrothos insgeheim erleichtert, dass er nicht allein gehen musste...
Titel: Das Urteil des Fürsten
Beitrag von: Fine am 13. Feb 2019, 15:04
Valion und Lóminîth vom Hafen (http://modding-union.com/index.php/topic,6044.msg472464.html#msg472464)


Getuschel wurde laut, als man Valion und Lóminîth hinein führte. Zwar hatte man keinen der beiden gefesselt, doch acht schwer gerüstete Soldaten umringten sie und führten sie durch die große Halle der Schwanenprinzen, die voller Schaulister war. Alles was in Gondor Rang und Nahmen hatte, schien an diesem Tag anwesend zu sein. Da waren die Lehnsherren Amros, Ardamir, Elatan und Golasgil, sowie die wichtigsten Berater Fürst Imrahils. Beinahe Imrahils gesamte Familie war gekommen, Erchirion und Valirë eingeschlossen; nur die Frau des Fürsten fehlte. Prinzessin Lothíriel und ihre drei Brüder hatten neben dem erhöhten Sitz ihres Vaters Position bezogen. Bei Amrothos stand ein in Grün und Grau gekleideter Elb, der Valion vage bekannt vorkam. Es schien sich um Ladion zu handeln, wie er vermutete. Auch die Herrin Mithrellas, die Begründerin des Hauses von Dol Amroth war anwesend, hielt sich jedoch dezent im Hintergrund.
Valion und Lóminîth erreichten die vorderste Sitzreihe und man wies ihnen gesonderte Plätze direkt zur Linken des zentralen Ganges zu. Ihnen gegenüber auf der rechten Seite der Halle saßen ganz vorne jene, die die Anschuldigung vor den Thron Imrahils gebracht hatten: die Herrin Nengwen von Arandol, Gemahlin Elatans, und ihre Nichte, Magrochil. Beide warfen Valion feindselige Blicke zu.

Als sich alle auf ihren Plätzen eingefunden hatten, erklang von draußen ein lauter Glockenton, der die Mittagsstunde einleitete. Imrahil hob die Hand und das Getuschel verstummte. Der Fürst trug ein blausilbernes Gewand, die Farben seines Hauses, doch sein Umhang war schwarz und in seiner rechten Hand hielt er den Amtstab der Truchsessen Gondors. Er machte eine Handbewegung, und ein Herold trat vor, um den Hofstaat offiziell zu eröffnen. Er begann traditionell in der alten Elbensprache, ehe er zur Allgemeinsprache wechselte.
"Imrahil Adrahilion ó Amrothioní, ernil ar' arachír ó Dol Amroth, arandur connui ó Gondor, Tirn Rochondrim ó Alphriondrim - govennas gondhirrim. Im Namen des Fürsten Imrahil, Sohn des Adrahil, Fürst von Dol Amroth und Truchsess von Gondor, Herr des Silbernen Schwanes und Verteidiger des Königreiches, hört nun, ihr Menschen Gondors und Dol Amroths, den Grund dieses Treffens. Wir sind hier, um die Weisheit des Fürsten zu erbitten und für Gerechtigkeit zu sorgen. Ein Unrecht muss gesühnt werden, nach den Gesetzen unseres Volkes."
Der Herold verbeugte sich und trat beiseite.
Imrahil nickte ernst und nahm das Wort. "Recht sprechen werde ich, wie es die mir auferlegte Pflicht ist, nach den Gesetzen unseres Volkes." Er wandte sich Valion und Lóminîth zu. "Hier stehen vor euch der Lehnsherr Valion, Sohn des Amlan, Herr des Ethirs, und seine Verlobte, Lóminîth, Tochter des Azgarzîr von Umbar."
Ein Raunen ging durch die Menge. Viele hatten bereits über Lóminîths Herkunft Bescheid gewusst, doch offensichtlich nicht alle.
"Es ist mir berichtet worden, dass durch Frau Lóminîths Hand ein Adeliger unseres Volkes zu Tode kam. Desweiteren entzog Valion sich der Eskorte, die ihn nach dem Mord an meinen Hof überstellen sollte. Dies kann nicht hingenommen werden. Deshalb werden wir die Umstände darlegen und ich werde mein Urteil über sie fällen."
Lóminîth warf Valion einen Blick zu, in dem er Sorge, aber auch Zuversicht erkennen konnte. Er nahm ihre Hand und wandte sich wieder dem Fürsten zu.
"Ich rufe zunächst meinen Sohn Erchirion auf, der die Ereignisse mit eigenen Augen mitangesehen hat," sagte Imrahil, und Erchirion trat vor. Er begann, von der Reise nach Anfalas zu berichten und Valion war froh, dass Imrahil Erchirion und nicht Nengwen aufgerufen hatte. Erchirion hatte Valion von Anfang an begleitet und kannte die Umstände der Geschehnisse. Der Fürstensohn gab all das Geschehene im neutralen Ton wieder, und endete damit, dass er Lóminîth, nachdem Valion sich auf Gilvorns Spuren nach Rohan abgesetzt hatte, mit der Eskorte Nengwens nach Dol Amroth überführt hatte, wo man sie unter Hausarrest gestellt hatte.
"Ich danke dir, mein Sohn," sagte Imrahil. "Jetzt soll Valion sprechen und berichten, wie seine Reise nach Norden verlaufen ist."
Valion erhob sich und gab einen detailgetreuen Bericht seiner Jagd auf Gilvorn wieder, der damit endete, wie sie schließlich mit den Booten der Waldläufer Ithiliens nach Tolfalas gelangt waren. An vielen Stellen war erstauntes Raunen im Raum zu hören - bei der Schlacht in Anórien, bei der Befreiung aus Minas Tirith, und beim Hinterhalt in Ithilien. Als Valion geendet hatte, hob Imrahil erneut die Hand, um den Saal zum Schweigen zu bringen.
"Du hast also diesen Gilvorn, der laut deiner Aussage für die Separatistenbewegung in West-Gondor verantwortlich ist, einmal quer durch Gondor und Rohan verfolgt?" fragte Imrahil.
"Ich habe nur den Auftrag befolgt, den Ihr mir selbst gegeben habt," antwortete Valion.
Imrahil nickte leicht. "Du hast eine Frau namens Rinheryn erwähnt, die dich auf dem Großteil deiner Fahrt begleitet hat."
"Rinheryn, die Tochter des Duinhir von Morthond," ergänzte Valion. "Sie wird bestätigen, was ich erzählt habe."
Der Fürst machte eine Handbewegung, und drei Soldaten setzten sich in Bewegung, um Rinheryn zu finden. "Sucht nach Frau Rinheryn, und auch nach dem Herrn Damrod, Sohn des Bregadan, dem Anführer der Waldläufer Ithiliens. Auch seine Stimme muss nun gehört werden," wies der Fürst sie an, ehe sie gingen.
"Bringet nun den Gefangenen hervor."
Zwei Wächter zerrten den gefesselten Gilvorn herein. Valion atmete auf - er hatte bereits befürchtet, Lothíriel hätte den Verräter freigelassen, nachdem sie Valion eingesperrt hatte. Man schleuderte ihn unsanft zu Boden vor die Stufen, die zu Imrahils Sitz hinauf führten.
"Dies ist der Verräter, der für den Tod des Herrn Maecar von Nan Faerrim verantwortlich ist. Erchirions Wort hat dies bestätigt. Über sein Schicksal werde ich später sprechen," sagte Imrahil und blickte Nengwen an. "Herrin Nengwen - Ihr wart es, die die Anschuldigungen gegen Valion und Lóminîth vor mich brachtet. Ich gebe Euch nun die Gelegenheit, eine Strafe einzufordern, doch zunächst müsst Ihr die Identität des Gefangenen bestätigen, denn seine Taten haben den Verlauf der Ereignisse nachhaltig verändert."
"Er ist es," sagte Nengwen mit fester Stimme. "Er war es, der das Gift in die Ohren meines Neffens geträufelt hat. Aber," sie machte eine dramatische Pause, und blickte streng zu Valion und Lóminîth hinüber. "es war nicht er, der Maegonds Herz durchbohrt hat. Das war diese schwarzhaarige umbarische Schlange. Ich fordere ihren Tod."
Lóminîths Hand drückte Valions Finger bei diesen Worten fester, doch sie sagte nichts. Nach außen hin blieb ihr Gesichtsausdruck unverändert.
Nengwen sprach weiter. "Desweiteren fordere ich, dass Valion - und dem Hause Cirgon - der Anspruch auf die Herrschaft des Ethirs entzogen wird. Er ist eindeutig ungeeignet dafür, die Menschen für die er verantwortlich ist, von Untaten abzuhalten."
Viele Stimmen wurden nun in der Halle laut. Nengwen hatte eine deutlich härtere Strafe gefordert, als man es von ihr erwartet hatte. Selbst der Fürst Elatan blickte unbehaglich drein. Er fürchtete wohl, dass der Unmut, der seiner Frau nun entgegengebracht wurde, auch auf ihn übergehen könnte. Doch nicht alle äußerten ihre Ablehnung. Beinahe ein Drittel der Anwesenden stimmte Nengwen zu und forderte sogar noch strengere Maßnahmen.
"Ruhe!" rief Imrahil und brachte die Menge damit zum Schweigen. "Ich habe gehört, was Ihr gefordert habt, Frau Nengwen. Doch bevor ich meinen Spruch fälle, werde ich noch weiteren die Gelegenheit geben, zu Wort zu kommen. Ich frage nun also euch alle: Wer möchte für oder gegen die Beschuldigten sprechen?"
Sofort sprang Magrochil, die Schwester des Ermordeten auf. "Ist Gondor nicht ein Land der Gesetze, mein Fürst?" fragte sie aufgebracht. "Weshalb habt Ihr diese Mörderin nicht unverzüglich hinrichten lassen, wie es die Gerechtigkeit verlangt? Sie hat meinen Bruder kaltblütig ermordet, ohne ihm die Gelegenheit zu lassen, seine Fehler zu bedenken!"
Weitere Fürsprecher Nengwens kamen an die Reihe und wiederholten den Vorwurf, dass Imrahil es überhaupt dazu kommen ließ, Gericht über Lóminîth und Valion zu sprechen. "Sowohl auf Mord als auch auf Fahnenflucht steht nach dem Recht der Könige Gondors der Tod," sagte einer der Adeligen, die Nengwen aus Arandol mitgebracht hatte. "Ihr solltet sie alle beide an den Galgen bringen."
Das löste einen weiteren Aufruhr aus, der sich diesmal trotz Imrahils Autorität nur langsam zur Ruhe bringen ließ. Als wieder Ordnung eingekehrt war, sprachen viele der in Dol Amroth ansässigen Adeligen für Lóminîth und forderten eine Abwendung der Todesstrafe, weil Lóminîth aus ihrer Sicht aus Notwehr gehandelt hatte. Einige wiesen ebenfalls darauf hin, dass Valion mit der Jagd auf Gilvorn nur seine Pflicht im Rahmen von Imrahils Auftrag, die Drahtzieher hinter den Separatisten zur Strecke zu bringen erfüllt hatte und es nur unglückliche Umstände gewesen waren, die dazu geführt hatten, dass er sich unerlaubt von seiner Eskorte entfernt hatte - einer Meinung, der Valion selbstverständlich zustimmte. Dabei fiel ihm auf, dass Lóminîths Fürsprecher allesamt Männer waren, deren Frauen entweder abwesend waren, oder die von einer verdächtig jungen Begleitung unterstützt wurden.
So ging es noch eine ganze Weile hin und her, während Imrahil sich immer wieder mit seinen Söhnen beriet. Schließlich zog er auch seine Vorfahrin Mithrellas hinzu, die jedoch nach Valions aufmerksamer Beobachtung nur wenige Worte sagte, ehe sie sich wieder in den Hintergrund zurückzog. Dabei erhaschte Valion einen besseren Blick auf den zweiten Elben und erkannte, dass es sich dabei definitiv nicht um Ladion handelte. Dieser fremde Elb sah Ladion - und Mithrellas - zwar ähnlich genug, um ein Verwandschaftsverhältnis plausibel zu machen, doch wirkte er distanzierter und nachdenklicher. Wenn er sprach, richtete er sich stets nur an Amrothos, den jüngsten Sohn des Fürsten.

Die laufende Verhandlung wurde unterbrochen, als die von Imrahil ausgesandten Soldaten eintrafen und Rinheryn und Damrod herein führten. Zu Valions Erstaunen befand sich auch der Waldläufer Ardóneth in ihrer Begleitung. Damrod und Ardóneth nannten dem Fürsten ihre Namen und bestätigten in wenigen Worten Valions Erzählung ab seiner Reise von Minas Tirith nach Tolfalas, ehe sie die große Halle wieder verließen. Rinheryn hingegen blieb und überraschte Valion damit, wie sehr sie sich bemühte, das Urteil zu seinen Gunsten zu verändern.
"Valion kann zwar hin und wieder wirklich unerträglich sein, aber er hat das Herz am rechten Fleck," sagte sie und warf Valion ein spitzbübisches Lächeln zu, ehe sie wieder ernst wurde. "Ihr könnt ihn nicht dafür bestrafen, was er getan hat. Im Grunde genommen ist er ein Held, und ich verdanke ihm mein Leben."
"Das ändert nichts an der Tatsache, dass mein Neffe Maegond ermordet wurde," beharrte Nengwen. "Ein Mord lässt sich nicht so leicht abtun, wie es in anderen, unzivilisierteren Ländern der Fall ist."
"Selbst der Herr Faramir nahm Valion nicht in Gewahrsam, als er in Aldburg die Gelegenheit dazu hatte," konterte Rinheryn. "Er hat erkannt, wie wichtig Valions Aufgabe war."
"Und doch ist nicht Faramir Truchsess von Gondor," entgegnete Nengwen. "Er ist nicht hier, um sein Urteil zu sprechen." Sie wandte sich Imrahil zu. "Ich ersuche Euch Gerechtigkeit, mein Fürst."
Imrahil nickte langsam. "Ich habe die Worte gehört, die heute gesprochen wurden und ich werde nun darüber nachdenken, wie ich mit ihnen verfahren soll. Elphir, Erchirion, Amrothos, und Herrin Mithrellas - bitte kommt mit mir." Er ging, gefolgt von den Angesprochenen hinaus, während im Saal leise Gespräche begonnen wurden.
"Sei unbesorgt, Lómi," wisperte Valion. "Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas zustößt."
Anstatt einer Antwort drückte Lóminîth seine Hand. Auf ihrem Gesicht lag ein merkwürdiges Lächeln, während sie ihre Blicke durch die Halle schweifen ließ. Valion glaubte, in der Menge einige von den Mädchen wiederzuerkennen, die er in Lóminîths Begleitung gesehen hatte...
Der in Grün gekleidete Elb sah in Valions Richtung, und für einen Augenblick begegneten sich ihre Blicke. Er war sich beinahe sicher, dieses Gesicht schon einmal irgendwo gesehen zu haben, doch Valion konnte sich einfach nicht erinnern, wo.

Nicht einmal zehn Minuten waren vergangen, als Imrahil und seine Begleiter zurückkehrten. Der Fürst reichte dem Herold, der ihn bereits erwartet hatte, eine unterzeichnete Schriftrolle, die dieser feierlich entrollte. Ein Fanfarenton erschallte und brachte die Halle erneut zum Schweigen. Der Herold trat vor, um das Urteil zu verlesen, während Imrahil auf seinem Sitz platznahm.
"Höret nun den Spruch des Fürsten von Dol Amroth und Truchsessen von Gondor!"
Eine Pause, in der alle die Luft anzuhalten schienen.
"Im Beisein seiner ehrwürdigen Söhne und der Hohen Dame Mithrellas, der Tochter des Oronêl und Gemahlin des Imrazôr hat der Fürst folgendes Urteil erteilt: Valion Cirgonion wird von seinen Pflichten als Lehnsherr des Ethirs entbunden werden, bis er sich ihrer als würdig erwiesen hat. Deshalb wird er unverzüglich nach Linhir beordert, denn die Moral der Verteidigungsgarnison ist seit dem Fall des Generals Hilgorn stark gesunken und die Männer brauchen einen Anführer. Sollte sich Valion im Krieg beweisen, werden ihm seine Titel zurückgegeben. Die Herrin Lóminîth wird sein Schicksal teilen und soll mit ihm gehen, denn ihre Intrigen hier am Hofe sind dem Fürsten wohl bekannt und bereiten ihm Sorge. Desweiteren wird dem Verräter Gilvorn die Gerechtigkeit des Truchsessen widerfahren und er soll heute bei Sonnenuntergang hingerichtet werden."
Jubel- und Protestgeschrei erhob sich, doch Valion achtete gar nicht darauf. Hilgorn ist gefallen? dachte er und war von seiner eigenen Bestürzung überrascht. Er hatte Faniel nirgendwo sehen können, und nun verstand er auch, weshalb. Hätte Imrahil ihn nicht nach Linhir entsandt, hätte er womöglich irgendetwas tun können, um der Witwe Hilgorns etwas Trost zu spenden...
Lóminîth hatte offenbar ein anderes Urteil erwartet und blickte finster drein, doch auch Erleichtung war ihr anzusehen. Dass man sie ebenfalls nach Linhir schickte, gefiel ihr nicht im Geringsten.
Die Türen der großen Halle öffneten sich, und der Hofstaat löste sich nach und nach auf. Valion und Lóminîth blieben zurück, während Valirë und Rinheryn sich bei ihnen einfanden. Beide schienen einander bereits kennengelernt zu haben und sie verstanden sich prächtig und waren aufgrund des Urteils in Hochstimmung. "Da siehst du, kleiner Bruder, dass es sich auszahlt, der Schwager eines Prinzen zu sein," sagte Valions Schwester und winkte Erchirion zu, der sich leise mit seinem älteren Bruder Elphir und mit Lothíriel unterhielt. "Mach dir keine Sorgen wegen dem Krieg. Wenn es selbst Hilgorn bislang gelungen ist, die Grenze zu halten, wirst du gewiss bald dafür gesorgt haben, dass diese Orks Linhir nicht mehr freiwillig betreten werden."
Ihren großspurigen Worten gelang es wie so oft, Valion aufzumuntern. Dass er seinen Titel und Rang für den Augenblick verloren hatte, schien ihm ein geringer Preis dafür zu sein, Lóminîths Leben gerettet zu haben. Und dass Gilvorn nun seine gerechte Strafe erhalten würde, hob seine Laune ebenfalls.
"Also gut," sagte er und legte Rinheryn die Hand auf die Schulter. "Dann geht es also zurück in den Krieg. Schließt du dich uns an, Rinya?"
"Worauf du wetten kannst," antwortete die Tochter Duinhirs. "Jemand muss doch dafür sorgen, dass du diese Mission auch unbeschadet überstehst."


Valion und Rinheryn in die Stadt (http://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg473566.html#msg473566)
Oronêl zum Hafen (http://modding-union.com/index.php/topic,6044.msg474378.html#msg474378)
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 30. Jun 2019, 02:03
Oronêl vom Hafen (https://modding-union.com/index.php/topic,6044.msg474378.html#msg474378)

Die Schwertklingen prallten funkensprühend aufeinander, und trennten sich wieder. Oronêl machte einen kurzen Schritt zur Seite um Amrothos' nächstem Hieb auszuweichen, täuschte einen halbhohen Schlag an und ließ seine Klinge im letzten Moment direkt gegen Amrothos' Schwert zucken. Dieser ließ sich jedoch von der Finte nicht irritieren, wich dem Schlag ebenfalls geschickt zur Seite aus, während sein eigenes Schwert blitzschnell auf Oronêls Kopf zu fuhr. Oronêl wollte den Hieb blockieren, wie er ihn mit einer Axt blockiert hätte - mit einer Hand nah an der Axtklinge und der anderen am unteren Ende des Stiels. Noch rechtzeitig konnte er seinen Instinkt überwinden und verhindern, dass sich seine linke Hand um die Schwertklinge schloss, doch er war aus dem Konzept gekommen, und nur einen Herzschlag später lag Amrothos' Schwertspitze an seiner Kehle.
"Der dritte Punkt für mich", meinte der Prinz grinsend, und ließ die Klinge sinken. "Damit steht es... nun, Drei zu Null für mich." Er wischte sich mit einer Handbewegung den Schweiß von der Stirn. "Allerdings kann ich nicht behaupten, dass du es mir einfach machen würdest."
"Ich weiß, wie man mit dem Schwert umgeht", erwiderte Oronêl, und ließ probeweise die Klinge kreisen. Amrûns Schwert lag wie festgewachsen in seiner Hand, und die Klinge war perfekt austariert. Und dennoch... "Es sind meine Instinkte", erklärte er. "Grundsätzlich weiß ich, wie man mit dem Schwert kämpft - ich habe es selbst vor langer Zeit gelernt, und ich habe viele gute Schwertkämpfer beobachtet oder gegen sie gekämpft. Aber mit der Axt macht man im Kampf viele Dinge, die man mit dem Schwert nicht tut, und umgekehrt. Und mein Instinkt sagt mir im Zweifelsfall das zu tun, was ich mit Hatholdôr tun würde. Wo er mir sonst das Leben gerettet hat, könnte er jetzt dazu führen, dass ich einen Kampf verliere."
Amrothos nickte. "Nun, ich habe gehört, dass... ältere Leute langsame Lerner sind. Aber du wirst es bestimmt schaffen." "Ich danke deine Zuversicht", gab Oronêl zurück, den Blick scheinbar entspannt zu Seite gerichtet. Im selben Augenblick stieß er mit dem Schwert vor, Amrothos' Klinge, die er nur locker in der Hand gehalten hatte, flog im hohen Bogen davon, und mit einem raschen Fußtritt stieß Oronêl ihn auf den mit Sand bestreuten Boden. Das ganze hatte nur einen halben Herzschlag lang gedauert, und Oronêl setzte Amrothos die Spitze von Amrûns Schwert - seinem Schwert - auf die Brust. "Dass ich ein langsamer Lerner bin heißt nicht, dass ich langsam bin... mein Junge." Amrothos blinzelte ein wenig benommen, und dann lachte er. "Schon gut, ich habe verstanden. Jetzt sei so gut, und nimm dieses Schwert weg." Sein Blick fiel auf etwas hinter Oronêl. "Oh-oh", machte er. "Du hast jetzt ganz andere Probleme."
Oronêl legte das Schwert behutsam auf den Sand, und wandte sich langsam um. Über den Übungsplatz kam mit langen Schritten Irwyne, unverkennbar zornig.
"Vielleicht solltest du..." sagte Oronêl leise zu Amrothos, der hinter ihm auf die Füße kam, doch dieser verschränkte die Arme vor der Brust und grinste. "Oh nein. Für diesen Schlamassel hast du ganz allein gesorgt, und ich werde mit Freuden dabei zusehen." Oronêl seufzte, und straffte sich innerlich.

Irwyne blieb so nah vor ihm stehen, dass sie sich beinahe berührten. "Wieso bist du noch hier?", fragte sie, und der Klang ihrer Stimme hätte den wärmten Sommertag erkalten lassen können. "Ich dachte, du würdest gehen."
"Ich... habe mich anders entschieden", erwiderte Oronêl, und er selbst begriff, wie schwach es klang. "Als ich das Schiff sah, dass mich nach Westen bringen würde, da... da wusste ich, dass es nicht der Weg für mich war." Irwyne schnaubte verächtlich, und wandte sich Amrothos zu. "Wenn du glaubst, dass ich... dass ich deine blauen Flecke oder was auch immer ihr euch hier zufügt, versorge, dann... dann irrst du dich!" Amrothos' Grinsen verschwand wie weggewischt, und machte einem Ausdruck der Verwirrung Platz, der Oronêl beinahe entschädigte. "Ich? Wieso... was habe ich...", brachte er hervor, doch Irwyne ließ ihn nicht aussprechen. "Du hast es nicht für nötig befunden mir zu sagen, was passiert ist?" Der schuldbewusste Ausdruck auf Amrothos' Gesicht sprach Bände, und Irwyne schoss wutentbrannte Blicke auf ihn und Oronêl ab. "Ihr macht mich krank!" Mit einem Ruck wandte sie sich ab, wobei ihre blonden Haare Amrothos ins Gesicht trafen, und wollte davonstürmen.
"Warte, Siniel", sagte Oronêl leise, und Irwyne blieb abrupt stehen. "Was willst du?", fragte sie, ihnen noch immer den Rücken zugedreht. Oronêl ging um sie herum, und ergriff ihre Hände. "Es tut mir leid", sagte er schlicht. Irwyne wich seinem Blick aus. "Das sollte es auch", gab sie zurück, doch der Zorn schien aus ihrer Stimme zu schwinden. "Ich... ich fürchte, in letzter Zeit habe ich nur mich selbst gesehen", sprach Oronêl weiter. "Nur mein eigenes Leid, meine eigene Trauer, meine eigenen Sorgen. Und in all dem war ich blind für alle, die ich liebe. Es war falsch, dass ich mich nicht von dir verabschiedet hätte, wie es sich gehört hätte. Und es war falsch, dass ich auch jetzt nicht zu dir gekommen bin. Das tut mir Leid, und ich bitte dich um Verzeihung." Bei sich dachte er, dass er sich diese Worte besser merken sollte für den Tag, an dem er Kerry das erste Mal wiederbegegnete...
Irwyne blickte zu Boden, und schniefte. "Ich... konnte den Gedanken nicht ertragen, dass du mich verlassen wolltest, genau wie Amrûn. Das ist selbstsüchtig, ich weiß, aber... alle, die ich gern habe, verlassen mich irgendwann. Ich weiß nicht, ob ich zugelassen hätte, dass du dich verabschiedest, also..." Oronêl schüttelte den Kopf. Er löste eine Hand aus ihrer, und hob ihr Kinn an, damit sie ihm ins Gesicht blickte. "Nein. Die Schuld liegt allein bei mir. Entschuldige dich nicht für Gefühle, die zu haben dein Recht ist. Also? Kannst du mir verzeihen?"
Irwyne schwieg einen Augenblick, dann schlang sie die Arme um ihn, und brach, das Gesicht an seine Brust gepresst, in Tränen aus. Oronêl legte behutsam die Arme um sie, und blickte über ihren Scheitel hinweg Amrothos an. Er hatte das Gefühl, als wäre hätte sich ein Gewicht von mehreren Tonnen von seiner Seele gelöst. "Das heißt wohl ja", sagte er leise, und Amrothos lächelte. "Du bist doch ziemlich gut weggekommen", meinte er. "Sei bloß still." Irwynes Stimme klang dumpf, weil sie immer noch das Gesicht gegen Oronêls Brust gepresst hatte. "Ich bin immer noch wütend auf dich, Dummkopf." Amrothos grinste wie ein Trottel, und Oronêl musste lachen. Sanft löste er sich aus Irwynes Umarmung, und zog das Amulett, dass Aratinnuíre ihm gegeben hatte, hervor. "Erkennst du es?" Irwynes Augen weiteten sich. "Das hat Amrûn getragen. Woher hast du es?"

Oronêl erzählte, wie er Aratinnuíre auf dem Schiff aus Lindon begegnet war, und was sie zu ihm gesagt hatte. Als er zu dem Traum kam, den er von Amrûn gehabt hatte, zögerte er. Er wusste selbst nicht, was dort geschehen war, ob er wirklich mit Amrûn oder seiner Seele gesprochen hatte, oder ob es nur ein Traum gewesen war, den das Amulett und das Schwert ausgelöst hatten. So oder so, Irwyne hatte Amrûn länger gekannt als er und ihm vermutlich noch näher gestanden. Sie hatte ein Recht, alles zu erfahren.
"Als ich das Amulett umgehängt hatte, sah ich Amrûn, an dem Tag, an dem er gefallen ist. Er... er schien seinen Frieden zu haben. Er sagte mir, dass wir nicht jeden Tod verhindern können, weil er zum Leben dazu gehört. Ich denke, er hat Recht. Und er sagte, dass unsere Entscheidung nur darin liegt, zu entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen, die uns in Mittelerde gegeben ist. Ich glaube, er hat das Beste mit seiner Zeit angefangen. Und das werde ich auch tun."
Irwyne zog die Augenbrauen zusammen. "Was willst du damit sagen?" Oronêl legte ihr die Hände auf die Schultern. "Ich werde Dol Amroth verlassen - für den Moment." Irwyne öffnete den Mund, wie vor Schreck, doch Oronêl sprach weiter. Sein Instinkt, der ihn im Kampf mit Amrothos im Stich gelassen hatte, verriet ihm nun, was er sagen musste. "Der Kampf um Mittelerde ist noch lange nicht vorrüber, obwohl ich wünschte, es wäre so. Ich fürchte, der heftigste Schlag wird auf Gondor niedergehen, auf das was von Gondor übrig ist."
"Mit anderen Worten, auf Dol Amroth", warf Amrothos leise ein. Irwyne streckte ihm stumm die Hand entgegen, und er ergriff sie. "Ja", meinte Oronêl zustimmend. Der Gedanke machte ihm gleichzeitig Angst und ließ ihn eine merkwürdige Ruhe und Entschlossenheit verspüren. "Ich fürchte, alleine werdet ihr nicht standhalten können, und deshalb werde ich gehen. Ich werde nach Norden gehen, nach Rohan, nach Dunland, Eregion und Arnor. Nach Lindon, nach Imladris und zu Finelleth ins Waldlandreich. Und ich werde euch alle Hilfe senden, die ich finden kann." Bis zu diesem Augenblick war Oronêl sich nicht vollkommen sicher gewesen, was er zu tun hatte, doch jetzt wusste er es. Amrûns Amulett auf seiner Brust fühlte sich warm an.
Irwyne warf Amrothos einen raschen Blick zu. "Vielleicht sollten wir mit dir kommen. Zumindest... zumindest bis nach Rohan. Ich habe gehört, dass sie Edoras wieder aufbauen, und ich würde es gerne sehen. Außerdem könnte ich vielleicht behilflich sein. Und immerhin ist Amrothos der Sohn des Truchsess. Vielleicht kann er Königin Éowyn überzeugen, und Hilfe zu schicken, wenn es soweit ist."
"Das müsste mein Vater entscheiden", meinte Amrothos. "Aber... ich denke, ich könnte ihn überreden."
Irwyne schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. "In diesem Fall könnte ich mich dazu durchringen, dir zu verzeihen."
Amrothos legte ihr einen Arm um die Schultern und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Ich habe das Gefühl, Opfer einer Erpressung geworden zu sein. Ich fürchte, ich bin dir nicht gewachsen. Du verbringst zu viel Zeit mit den Hofdamen meiner Schwägerin."
"Ich habe besseres zu tun, als mir auf dem Übungsplatz blaue Flecken zu holen", erwiderte Irwyne hochmütig, und musste dann selbst lachen. Amrothos stimmte ein, und warf Oronêl einen Blick zu. "Ich denke, ich werde weniger blaue Flecken haben als mein verehrter Urahn hier. Er ist ein wenig... eingerostet."
Oronêl verzichtete auf eine Erwiderung, und lächelte lediglich. Auch wenn sein ursprünglicher Plan ein anderer gewesen war, die Aussicht, dass diese beiden ihn nach Rohan begleiten könnten, erwärmte sein Herz und ließ die Zukunft ein wenig heller erscheinen.

Oronêl, Amrothos und Irwyne nach Aldburg (https://modding-union.com/index.php/topic,5199.msg474801.html#msg474801)
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 15. Sep 2019, 23:56
Valion, Hilgorn, Ta-er as-Safar und Rinheryn von den Toren (http://modding-union.com/index.php/topic,14229.msg475236.html#msg475236)...

Vor der Halle des Fürsten drängten sich Stadtbewohner, niedere Adlige vom Land und Kaufleute gleichermaßen, die alle auf eine Audienz mit dem Fürsten von Dol Amroth und Truchsess von Gondor warteten, doch als die Türwächter Valion erblickten, winkten sie ihn und seine Begleiter sofort zu sich.
"Der Fürst ist über eure Ankunft bereits unterrichtet worden, mein Herr vom Ethir", sagte einer der Männer förmlich, konnte sich einen neugierigen Blick in Hilgorns Richtung allerdings nicht verkneifen.
"Großartig", brummte Valion zur Antwort. "Können wir rein?" Anstatt zu antworten ließen die Wächter die beiden großen Türflügel aufschwingen, und nacheinander, Valion und Rinheryn zuerst, Hilgorn nach ihnen und Ta-er als Nachhut, betraten sie die Halle.
Jetzt, dachte Hilgorn, und sein Sehfeld engte sich merkwürdig ein, als er Imrahil auf seinem erhöhten Sitz sah. An den Rändern des Saales standen und saßen verschiedene Adlige, doch Hilgorn nahm niemanden außer Imrahil wirklich wahr. Ich muss es jetzt tun, dann kann es gelingen.
Mit größter Willensstärke legte er die Hand locker auf den Dolchgriff, mit einer unauffälligen Bewegung. Was er vorhatte war ein Verbrechen, ein schreckliches Verbrechen, und irgendein Teil von ihm wollte ihn unbedingt aufhalten. Doch er würde nicht zulassen, dass sein altes, schwaches Ich die Herrschaft übernahm. Er war jetzt stärker als zuvor.
Vorsichtig lockerte er im Gehen den Dolch in der Scheide, und noch bevor sie die niedrigen Stufen, die zum Sitz des Fürsten hinauf führten, zog er die Waffe. Jetzt! dachte er, während eine andere Stimme in seinem Kopf panisch schrie Du wirst alles verderben, du Narr!
Er stach schräg von unten zu, doch zu weit rechts. Die Dolchspitze glitt an gehärtetem Leder entlang, fand eine Lücke und drang tief in das Fleisch darunter ein. Hilgorns Sichtfeld verschwamm, doch der Schmerzenslaut, der wie aus weiter Ferne an sein Ohr drang, war eine weibliche Stimme. Die Frau vor ihm ging zu Boden, während Hilgorn einen langen Schritt über ihren Körper hinweg machte, den blutigen Dolch in der Hand. Jemand packte seinen rechten Arm, und riss ihn herum.
"Was tust du?" Ein männliches Gesicht, umrahmt von dunkelbraunen Haaren. Valion? Da Valion seinen rechten Arm mit eisernem Griff gepackt hatte, hieb Hilgorn ihm die Handkante der Linken gegen die Kehle. Valion taumelte zurück und ließ seinen Arm los, doch als Hilgorn sich umwenden und seinen Weg fortsetzen wollte, traf ihn etwas Hartes gegen den Hinterkopf. Er brach in die Knie, doch das Bewusstsein verließ ihn zur langsam. Sein letzter Gedanke war der erste klare Gedanke, den er seit längerer Zeit gehabt hatte.
Ich hoffe, ich habe Rinheryn nicht ernstlich verletzt...
Titel: Ein unerwarteter Besucher
Beitrag von: Fine am 21. Sep 2019, 22:38
Alles hatte so gut angefangen. Je näher sie Dol Amroth gekommen waren, desto normaler hatte Hilgorn sich zu verhalten begonnen und somit Valions Besorgnis nach und nach versiegen lassen. Der General hatte sogar angedeutet gehabt, bei Fürst Imrahil für Valion zum Dank für seine Befreiungsaktion einzustehen, was Valion vermutlich auch bitte rnötig gehabt hätte. So hätten seine Chancen wahrscheinlich gar nicht allzu schlecht gestanden, erneut mit der Missachtung von direkten Befehlen einigermaßen ungeschoren davon zu kommen.

Doch jetzt lag Valion keuchend auf dem glatten Boden der großen Halle der Schwanenprinzen und schnappte angestrengt nach Luft. Die Zeit schien sich verlangsamt zu haben. Hilgorns unerwarteter Schlag hatte ihm die Kehle so sehr eingeengt, dass Valion husten musste, um überhaupt Atem in die Lunge zu bekommen. Mit Mühe stützte er sich halbwegs auf und sah Ta-er as-Safar über ihm stehen, die Hand ausgestreckt um Valion aufzuhelfen. Er hustete ein weiteres Mal und packte dann zu. Als er auf die Beine gekommen war, kam es ihm vor, als würden sich die Ereignisse wieder in normaler Geschwindigkeit abspielen und das laute, chaotische Geschrei der Menge im Inneren der großen Halle stürmte mit einer Wucht auf Valion ein, dass er glaubte, er müsste taub werden. Vor ihm, neben Hilgorns bewusstloser Gestalt, lag Rinheryn in einer Blutlache, halb auf den Stufen zu Imrahils erhöhtem Sitz zusammengebrochen.
"Weg da!" brültte Valion mit aller Kraft die er zusammenbringen konnte und stieß die Wachen, die sich gerade um die gefallene Rinya sammelten brutal beiseite. Das ist alles meine Schuld, dachte er entsetzt. Ich hätte es kommen sehen müssen. Bei Rinheryn angekommen kniete Valion sich neben die junge Frau und drehte sie so vorsichtig es ging auf den Rücken.
"Rinheryn, Rinheryn, sag etwas," rief er. Forderte er. "Komm schon, antworte mir, sag etwas..."
Ihr Gesicht war bleich und zunächst blieb sie ihm jede Antwort schuldig. Aus der Wunde, in der noch der Dolch steckte, rann ein wenig Blut. Valion wagte es nicht, die Waffe zu berühren, auch wenn er froh zu entdecken war, dass Hilgorn nicht die Brust, sondern nur die Schulter Rinheryns getroffen hatte. Als Valion ihr sanft gegen die Wange schlug, flatterten die Augenlider von Duinhirs Tochter und sie bewegte sich.
"Sie atmet!" rief Valion erleichtert. "Holt einen Heiler! Na los doch, eilt euch!"
Die Soldaten reagierten auf den Befehl und eilten davon. Das war der Augenblick, in dem Imrahil langsamen Schrittes die Stufen hinab schritt.
"Valion," begann der Fürst mit leiser Stimme, die von beherrschtem Zorn zeugte. "Wärest du vielleicht so freundlich, mir zu erklären, was hier eigentlich verdammt nochmal los ist?"
Die Lautstärke Imrahils hatte mit jedem Wort zugenommen und mit donnernder Stimme brachte der Herr von Dol Amroth und Gondor seinen Satz zu Ende - und den ganzen Saal zum Schweigen.
"Ich..." war alles, was Valion hervorbrachte.
"Ich glaube, so langsam habe ich genug von dir, Valion," sagte Imrahil drohend.
Es war Ta-er, die Valion rettete. Sie hielt respektvoll Abstand und hatte ihre Kapuze abgesetzt - es war das erste Mal, dass Valion die geheimnisvolle Assassine ohne Verhüllung sah. Er war erstaunt, in ein makelloses Gesicht ohne jegliche Narben zu blicken, dessen vertraute, dunkelbraune Augen dem Blick des mächtigen Fürsten von Dol Amroth ohne Mühe standhielten. Ta-er machte einen Schritt nach vorne - nur einen - und neigte das Haupt vor Imrahil. "Wenn Ihr erlaubt, Fürst. Ich werde Euch alles erklären."
Imrahils Miene blieb hart, als er Ta-er musterte, doch in seinen grauen Augen blitzte eindeutiges Interesse auf. "Und was bringt eine Assassine aus dem Süden an meinen Hofe? Es wäre nicht das erste Mal, dass Valion eine Frau von... fragwürdigem Hintergrund von seinen Abenteuern in die Schwanenstadt bringt."
"Oh, das glaube ich Euch gerne, mein Fürst," sagte Ta-er, jedoch ohne zu lächeln. "Seid unbesorgt. Ich bin mit Valion nicht auf diese Art und Weise verbunden."
"Dass Ihr kein Feind seid, dachte ich mir schon in dem Augenblick, in dem ihr meinen besten General so geübt niedergestreckt habt. Ich hoffe, ihr habt ihn nur betäubt und nicht getötet - ich hätte da nämlich die eine oder andere Frage an ihn."
Valion war froh, dass sich Imrahils Zorn zu geradezu neugierigem Interesse gewandelt hatte. Ein rascher Seitenblick des Fürsten zeigte Valion jedoch, dass der Herr der Schwäne ihn nicht vergessen hatte.
"Er wird sich erholen. Doch ich fürchte, Ihr solltet ihn bis auf Weiteres einsperren," sagte Ta-er. Derweil waren endlich die Heiler eingetroffen und kümmerten sich um Rinheryn, die zwar noch immer etwas Blut verlor, aber nicht danach aussah, als würde sie innerhalb der nächsten Minuten sterben. Valion atmete erleichtert auf, während er der Unterhaltung weiter folgte.
"Schafft ihn in eine der Zellen unter dem Palast und seht zu, dass er Nahrung und etwas zu Trinken erhält," befahl der Fürst seinen Dienern. "Und gebt mir sofort Bescheid, wenn der General erwacht." Während vier Männer Hilgorn eher unsanft aufhoben und davontrugen, wandte sich Imrahil wieder der Attentäterin zu. "Also denn. Nennt mir Euren Namen, Assassinin, und erzählt mir, was ich wissen möchte."
Ta-er begann ihren Bericht damit, dass sie dem Fürsten von der Lage auf der Insel Tol Thelyn berichtete und dass sie auf Edrahils Empfehlung hin nach Gondor gekommen war. Sie erzählte dann in kurzen und prägnanten Sätzen von ihrer Ankunft in Linhir und ihrer ersten Begegnung mit Hilgorn und dessen Gefangennahme durch Arnakhôrs Leute. Als sie an die Stelle kam, an der sich Valion entschieden hatte, Hilgorn zu retten, wandte Imrahil ihm den Kopf zu und musterte Valion streng, jedoch ohne die Erzählung zu unterbrechen. Rasch fasste Ta-er noch den Ablauf der Befreiungsaktion und den Ritt nach Dol Amroth zusammen.
"Also sagt Ihr, dass diese schwarzen Númenorer irgend etwas mit Hilgorn gemacht haben, das ihn zu einer Gefahr werden ließ," fasste Imrahil zusammen und rieb sich nachdenklich das Kinn. "Gewiß war ich selbst das eigentliche Ziel, und nicht die arme Rinheryn." Bei der Nennung ihres Namens blickte Rinya schwach auf und sie versuchte, sich aufzustützen. Sanft, aber bestimmt hielten die Heiler sie zurück.
"Wie steht es um meine tapfere Verteidigerin?" erkundigte sich der Fürst.
"Sie wird es überstehen," sagte der älteste der Heiler. "Die Dame wird sich einige Zeit erholen müssen, aber sie wird durchkommen."
Valion suchte Rinheryns Blick. Schwach lächelte sie ihm entgegen. Dann ließ sie zu, dass die Heiler sie auf eine Trage hievten und davontrugen.

"Nun denn," sagte Imrahil. "Ta-er as-Safar. Ich danke Euch für Euren Bericht. Valion - hat sie die Wahrheit gesagt, oder möchtest du irgend etwas davon korrigieren?"
"Sie hat Euch nicht angelogen, mein Fürst," antwortete Valion.
"Das ist gut," meinte der Herr von Dol Amroth. "Dann werden wir nun..."
Weiter kam er nicht. Aus den Tiefen der Halle, die sich inzwischen nach und nach geleert hatte, kam einer der Palastwächter geeilt. "Mein Fürst!"
"Was gibt es?"
"Ihr habt einen Besucher, mein Fürst," sagte der Wächter, außer Atem. "Aus dem fernen Reich von Kerma."
"Ich denke nicht, dass dies die beste Zeit für..." begann Valion, doch Imrahil hob die Hand.
"Noch mehr Haradrim? Nun, dies ist nicht der seltsamste Zufall an diesem denkwürdigen Tag. Ich werde ihn empfangen. Und du, Valion, wirst an meiner Seite bleiben, bis diese Angelegenheit erledigt ist."
Imrahils Ton duldete keine Widerrede. So fand sich Valion neben dem Sitz des Herrn der Schwanenritter ein, auf dem dieser sich nun wieder niederließ.
"Prinz Gatisen von Kerma, Abgesandter seines Onkels, seiner Majestät Músab bin Kernabes, König von Kerma und Schutzherr von Assuit!" kündigte einer der Begleiter des Haradrim-Prinzen den Besucher an, als dieser die Halle durchquerte und einige Schritte vor den Stufen stehenblieb, die zu Imrahils Sitz hinauf führten.
"Willkommen, Prinz Gatisen," sagte Imrahil.
"Ihr steht vor Imrahil, Adrahils Sohn, Fürst von Dol Amroth und herrschender Truchsess von Gondor," sagte Valion nach einem auffordernden Seitenblick Imrahils.
Gatisen war ein Mann in Valions Alter. Er trug feste Reisekleidung von hoher Qualität. Quer über seine Brust hing eine rote Schärpe, auf die ein stilisierter schwarzer Múmak gestickt war. Valion erschauerte als er sich daran erinnerte, wie jene Kriegsbestien in der Schlacht auf den Pelennor-Feldern gegen die Heere Rohans und Gondors gewütet hatten. Gatisens Haar und Augen waren dunkel und sein Hautton ähnelte dem der südlicheren Haradrimstämme. Valion war sich nicht ganz sicher, wo das Königreich von Kerma genau lag, doch er vermutete es jenseits der großen Wüsten hinter Umbar, wenn nicht sogar noch weiter entfernt.
Der Prinz hatte zwei Begleiter: einen Diplomaten, der eine Truhe mit sich führte, und eine junge Frau, quasi noch ein Mädchen, mit glänzendem schwarzen Haar, das ein dünnes weißes Kleid und einen wallenden, hellroten Umhang trug, der ihr zu beiden Seiten über Schultern und Arme fiel, sodass ihre Hände und ihr Oberkörper nahezu verborgen waren.
"Ich danke Euch für Eure Zeit, Fürst Imrahil," sagte Gatisen. Er sprach Westron gut, mit einem hörbaren südländischen Akzent, jedoch fließend und ohne zu stocken. "Ich überbringe Euch die freundschaftlichen Grüße meines Onkels, dem Qore Músab, und ein Geschenk Seiner Majestät - Adiq, bitte..."
Der Diplomat kniete nieder und öffnete langsam die Truhe. Darin lag ein edles Schwert nach Art der Haradrim, über und über mit Gold verziert.
Imrahil gab Valion mit einer kaum wahrnehmbaren Kopfbewegung zu verstehen, die Waffe entgegenzunehmen. Also ging Valion die Stufen hinab und entnahm das kermische Schwert vorsichtig aus der Truhe. Es lag leicht in seiner Hand, trotz des Goldes. Gerne hätte er es ein wenig ausprobiert, doch dies war weder die Zeit noch der Ort dafür. Gemessenen Schrittes kehrte er an Imrahils Seite zurück und reichte das Geschenk König Músabs an den Fürsten von Dol Amroth weiter, welcher es mit Interesse in Augenschein nahm.
"Dies scheint mir eine Gabe von hohem Wert zu sein," meinte Imrahil. "Sagt mir, Prinz Gatisen... was bezweckt König Músab mit diesem Geschenk? Gewiß ist es nicht aus reiner Herzensgüte in meine Hand gelangt."
"Ihr seid weise, mein Fürst," erwiderte Gatisen mit einem Nicken. "Mein Qore erhofft sich die Freundschaft der Herren von Dol Amroth und Gondor und die Aufnahme von freundlichen Beziehungen. Handel ließe sich zwischen unseren Reichen treiben und der Austausch von Wissen wäre sicherlich von Nutzen für unsere Völker."
"Nun, ich bin einem solchen Angebot nicht abgeneigt, das gebe ich zu," sagte Imrahil mit Bedacht. "Doch Ihr müsst verstehen, dass der Múmak von Kerma hier in Gondor nicht viele Freunde hat. Viele von uns haben auf dem Pelennor mit eigenen Augen gesehen, was diese Tiere anrichten können. Und entspricht es nicht der Wahrheit, dass die Múmakîl, die auf Befehl des Dunklen Herrschers Gondor verheerten, zum Großteil aus Kerma stammten?"
Valion beobachtete Gatisen aufmerksam, doch der Prinz verzog keine Miene.
"Darüber hinaus," fuhr Imrahil fort, "ist es mir zu Ohren gekommen, dass Kerma eines der Reiche ist, das dem aufstrebenen Malik der Haradrim, Qúsay bin Nazir, die Treue geschworen hat und sich seinem Malikat angeschlossen hat. Wir stehen im Bunde mit Qúsay und seinem Reich. Weshalb schickt König Músab also nun einen eigenen Unterhändler an meinen Hof, anstatt sich von Qúsay oder dessen Untergebenen vertreten zu lassen?"
Ein Schatten zog über Prinz Gatisens Gesicht. "Mein Onkel hat sich mit Qúsay überworfen. Er wünscht, dass Kerma unabhängige Verbündete findet. Unser Land hat gerade erst einen blutigen Krieg überstanden und braucht neue Handelspartner."
"Ihr versteht sicherlich, dass ich keine Truppen entbehren kann, um sie bis nach Weit-Harad zu entsenden," stellte Imrahil klar. "Auch werde ich mein Bündnis zu Qúsay nicht leichtfertig aufkündigen. Doch über Handel lässt sich ohne Bedenken sprechen, wie ich meine. Ich bin mir sicher, dass Waren aus Kerma in den Häfen Gondors eifrige Käufer finden würden, wenn sie auch nur annährend die Qualität jenes Schwertes haben, dass König Músab mir sandte."
Prinz Gatisen nickte verstehend. "Gewiß, mein Fürst. Ich werde meinen Untergebenen mit Eurem Quartiermeister sprechen lassen, um die Details im Bezug auf den Handel zu klären, und danke Euch erneut für Eure Zeit." Er verbeugte sich galant, ehe er sich umdrehte und ging, gefolgt von dem jungen Mädchen. Der kermische Diplomat blieb, bis Imrahil den Quartiermeister rufen ließ.
"Ich habe über vieles nachzudenken, Valion", sagte Imrahil und stand auf. "Du solltest dich derweil mit deiner Verlobten im Haus vom Schwarzsegel treffen. Wir werden uns morgen wegen deiner Taten unterhalten..."

Nachdem er Rinheryn in den Heilhallen einen Besucht abgestattet hatte und die verwundete junge Frau schlafend, aber einigermaßen wohlauf vorgefunden hatte, verließ Valion mit gemischten Gefühlen  den Fürstenpalast und machte sich auf die Suche nach Lóminîth, die inzwischen mit dem Schiff aus Linhir eingetroffen sein musste...
Titel: Imrahils Wagnis
Beitrag von: Fine am 9. Okt 2019, 11:57
Valion hatte eine anstrengende Nacht hinter sich. Er hatte nur wenige Stunden schlafen können, da Lóminîth ihn noch bis spät in die Nacht wach gehalten hatte, um sich ausführlich mit ihm über alles zu sprechen, was seit der Verkündung von Imrahils Urteil und ihrer zeitweiligen Verbannung nach Linhir ergeben hatte. Valion blieb davon aufgrund seiner zunehmenden Müdigkeit nur das Wichtigste im Kopf: Seine Verlobte war froh, wieder in Dol Amroth zu sein und würde versuchen, in den kommenden Wochen einen Platz unter den Hofdamen des Fürsten zu ergattern. Und der dafür wichtigste Schritt würde es sein, ihre Verlobung mit Valion in eine offizielle Ehe zu verwandeln.
Damit die Hochzeit in aller Förmlichkeit stattfinden könnte, würden noch viele Vorbereitungen getroffen werden müssen. Valions Mutter würde aus dem fernen Nan Faerrim nach Dol Amroth geholt werden müssen. Und nicht nur das: Lóminîth bestand darauf, dass auch ihre Seite der Familie zu den Feierlichkeiten eingeladen würde. Und das bedeutete, dass Nachrichten nach Tol Thelyn gesandt werden müssten. Valion fragte sich, wie der Herr und die Herrin der Weißen Insel auf die Einladung wohl reagieren würden und ob sie wirklich nach Gondor reisen würden, wo doch der Krieg in Harad noch immer beinahe vor ihrer Haustüre tobte.

Am frühen Morgen kehrte Valion in Imrahils große Halle zurück und unterdrückte ein Gähnen. Der Fürst hatte noch vor Sonnenaufgang einen Boten zu Valion entsandt und ihn zu sich rufen lassen. Valion fragte sich, ob er nun erfahren würde, was Imrahil von der ganzen Angelegenheit rings um Hilgorns Befreiung hielt.
Doch die Antwort auf seine Fragen würden noch ein Weilchen auf sich warten lassen. In Imrahils Solar wartete nicht nur der Fürst selbst auf Valion, sondern auch seine Söhne Elphir und Erchirion sowie seine Tochter Lothíriel - und zu Valions Überraschung war auch seine Zwillingsschwester, Valirë, unter den Anwesenden. Sie grinste Valion frech zu, sagte jedoch nichts.
Imrahil nickte zufrieden als Valion eintrat. Der Fürst hatte auf seinem großen Schreibtisch eine detaillierte Seekarte der Bucht von Belfalas ausgebreitet und deutete gerade auf den Punkt, der für Dol Amroth stand.
"Gut, nun sind wir alle hier," begann Imrahil. "Es gilt, eine Unternehmung zu besprechen, die ich schon einige Zeit im Sinne gehabt habe. Gestern Nacht haben mich nun Nachrichten erreicht, die meine Pläne beschleunigen." Er machte eine Pause und fuhr mit dem Finger von Dol Amroth über die blaue Bucht nach Südwesten hin. "Ich gedenke, einen großen Teil der Flotte gen Umbar zu senden," fuhr der Fürst fort. "Qúsays Heer belagert die Stadt, doch solange sie den Seeweg nicht blockieren können, wird sich Hasael dort lange halten können. Die freien Haradrim verfügen über kaum eigene Kriegsschiffe. Und auch wenn ich nur ungerne in unserer prekären Lage Soldaten nach Harad entsende, bin ich nach gründlicher Überlegung zu der Entscheidung gekommen, dass es das Risiko wert ist. Mordors Seemacht ist mit dem Niedergang der Korsaren schon lange gebrochen. Unsere Flotte wächst mit jedem Tag und wir verfügen über gut ausgebildete Mannschaften sowie frische Rekruten aus den westlichen Lehen. Wenn Umbar fällt, stünde uns die gesamte westliche Küste Harads für den Handel offen, der dringend benötigte Güter und Vorräte zu uns bringen würde. Außerdem lenkt ein Sieg Qúsays vielleicht einen Teil der Aufmerksamkeit Saurons fort von Gondor und es könnte uns gelingen, die Grenze am Gilrain weiter zu stabilisieren. Jetzt, wo das Komplott um Hilgorn aufgedeckt wurde, bin ich der Meinung, zumindest für einen gewissen Zeitraum relativ sicher vor weiteren Intrigen Mordors zu sein. Wir haben die Gelegenheit, Qúsays Bundtreue zu belohnen und sich uns damit seine Dankbarkeit zu verdienen. Es mag sein, dass er sich schon bald in der Lage sieht, uns auch hier im Norden militärisch zu unterstützen, wenn der Krieg in Harad gut verläuft. Deshalb stelle ich den Teil der Flotte, der in den Häfen von Edhellond und Dol Amroth liegt mit sofortiger Wirkung unter das Kommando Erchirions."

Der letztgenannte Name überraschte Valion. Er versuchte, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Je länger Imrahils Rede gedauert hatte, desto mehr hatte Valion befürchtet, dass der Fürst ihn zum Kommandanten der Flotte zu machen und zurück nach Umbar zu entsenden. Er hatte nur wenig Lust, in den warmen Süden zurückzukehren. Stattdessen wollte er nach Rinheryn sehen, und die Grenzen Gondors gegen die Orks von Mordor verteidigen. Und nun, da Imrahil Erchirion mit dem Kommando beauftragt hatte, würde Valion nicht zu einer Rückkehr nach Harad gezwungen sein. Er unterdrückte ein zufriedenes Grinsen.
"Ich werde tun, was getan werden muss," sagte Erchirion und klang gleichzeitig stolz und etwas überrascht. Offenbar hatte er ebenfalls nicht erwartet, eine solche Ehre von seinem Vater gewährt zu bekommen.
"Das wirst du. Da bin ich sicher," meinte Imrahil. "Elphir wird die Verteidigung im Osten übernehmen während Amrothos in Rohan ist, und Lothíriel wird mir hier in Dol Amroth helfen, die Angelegenheiten des Reiches zu regeln. Was dich angeht, meine Tochter..." er wandte sich an Valirë.
"Ich möchte mit Erchirion gehen," wagte Valirë zu fordern. "Edrahil ist dort unten, irgendwo im Umbar. Wenn wir die Stadt einnehmen - und diesmal auch richtig - dann wird er vielleicht endlich nach Hause kommen können. Er verdient endlich etwas Ruhe, wie ich finde."
Imrahil zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe. "Ich wollte dich eigentlich in meiner Nähe behalten, doch die Bitte, bei meinem Sohn zu bleiben, werde ich dir nicht abschlagen. Ihr beiden arbeitet gut zusammen, das habt ihr bereits bewiesen. Doch mir ist auch zu Ohren gekommen, welchen Einfluss du auf einige der Kapitäne hast, Valirë. Du wirst auf dem Flaggschiff bleiben, das Erchirion auswählt, und es wird keine weiteren Eskapaden geben, hast du verstanden?"
Valirë nickte demütig - eine geradezu absurde Verhaltensweise für seine Schwester, wie Valion feststellte. "Ich höre und gehorche." Das werde ich dich nie vergessen lassen, dachte Valion und hatte noch mehr Schwierigkeiten, sein Grinsen zu verbergen. Er wusste, dass er sich den Zorn seiner Schwester einhandelte, wenn er sie für ihre Unterwürfigkeit Imrahil gegenüber aufzog, doch die Verlockung war einfach zu groß.
"Dann ist es beschlossen," entschied Imrahil. "Erchirion und Valirë werden die Flotte noch heute abfahrtbereit machen und so bald es möglich ist gen Umbar in See stechen."

Nach dem Ende der kleinen Beratschlagung des Fürsten bat Imrahil Valion nur, noch einige Zeit in Dol Amroth zu bleiben, bis seine Dienste wieder vonnöten sein würden, und alle Hintergründe der Verschwörung Hilgorns aufgedeckt wären. So verließ Valion den fürstlichen Solar und suchte erneut die Heilkammern des Palastes auf, um nach Rinheryn zu sehen.
Duinhirs Tochter war inzwischen wach, doch sie sprach nur wenig. Etwas schien noch immer zwischen ihr und Valion zu stehen. Als ihm endlich einfiel, was Rinheryn kurz vor dem Aufbruch von Linhir zu ihm gesagt hatte, war bereits eine zu lange Zeit des unangenehmen Schweigens verstrichen. Er brachte es nicht über sich, das Thema in diesem Moment anzusprechen.
"Die Heiler sagen, du kommst wieder in Ordnung," sagte er etwas betreten.
Rinheryn schlug die Augen nieder. "Das ist gut, schätze ich."
"Du wirst es sehen. Bald stehst du wieder auf eigenen Beinen als wäre gar nichts gewesen."
Ein tiefes Seufzen antwortete ihm. Dann suchte Rinya Valions Blick. "Warum hat er das getan?" verlangte sie zu wissen.
"Hilgorn? Ich weiß es nicht. Ich verstehe es selbst nicht ganz."
"Dann solltest du es herausfinden. Sprich mit ihm, wenn du kannst."
Valion nickte. "Das werde ich." Ich komme später wieder, wollte er noch hinzufügen, aber die Worte wollten seinen Mund nicht verlassen.
Etwas ratlos irrte er einige Minuten in den Gängen des Palastes herum, bis er um eine Ecke bog und beinahe mit Prinzessin Lothíriel zusammengestoßen wäre. Fast hätte er sie nicht erkannt, denn sie trug einen festen Wappenrock aus Leder, ein Kettenhemd darunter und hatte sich ein Schwert umgegürtet.
Sie hielt Valions Blick stand und sagte: "Ich glaube es nicht."
"Wovon sprichst du?"
"Dass Hilgorn ein Verräter sein soll. Das Ganze riecht für mich nach übler Hexerei aus Mordor. Und das werde ich auch beweisen." Sie wirkte so entschlossen wie an dem Tag, an dem Valion sie zum ersten Mal als Fürstin von Tolfalas kennengelernt hatte - an dem sie ihn gefangen genommen hatte.
"Wie-" setzte Valion an.
"Komm mit. Wir werden uns selbst ein Bild der Lage machen, und mit Hilgorn sprechen."
Ohne auf eine Antwort zu warten, eilte Lothíriel davon. Valion blieb nichts anderes übrig als ihr zu folgen - hinab in die Verliese, wo man Hilgorn eingesperrt hatte.
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 9. Okt 2019, 15:34
Hilgorn erwachte von leisen Stimmen. Er lag auf sauberem Stroh, und um ihn herum war es dunkel, bis auf das flackernde Licht einer Fackel, das durch das in der Tür eingelassene, vergitterte Fenster schien. Offenbar befand er sich in einer Zelle des fürstlichen Kerkers im Palast von Dol Amroth - in seiner Anfangszeit als Gardist hatte er hin und wieder hier unten Wachdienst gehabt. Damals hatte ihm die Dunkelheit der Verliese Unbehagen bereitet. Heute war er froh darüber, hier eingesperrt zu sein, denn hier würde er niemandem schaden können.
"Ich habe Anweisungen, zuerst den Fürsten zu benachrichtigen, wenn der Gefangene aufwacht", stellte eine männliche Stimme entschieden fest. "Und ich darf niemanden zu ihm lassen."
"Für mich würde mein Vater eine Ausnahme machen", erwiderte eine hellere, weibliche Stimme, die Hilgorn entfernt bekannt vorkam. "Glaubst du, wir würden das hier ohne Grund tun, Gwerion?"
"Vermutlich nicht, Herrin", meinte der erste Sprecher zögerlich. "Also schön, ich werde euch einlassen, wenn ihr meint, dass es wichtig ist."
"Kopf hoch", erklang eine dritte Stimme. "Imrahil wird vermutlich zuerst mir den Kopf abreißen. Aber das bin ich gewohnt." Der Sprecher legte eine ironische Schicksalsergebenheit an den Tag, und auch diese Stimme kam Hilgorn bekannt vor. Er hatte das Gefühl, sich sicher sein zu müssen, doch sein Verstand schien in einem dichten Nebel gefangen zu sein.
Die dicke Holztür öffnete sich mit einem Knarren, und eine Frau, die eine Fackel trug, trat vorsichtig in den kleinen Raum dahinter. Eine etwas größere Gestalt folgte ihr, vermutlich einer der beiden Männer, die Hilgorn hatte sprechen hören.
"Ihr seid wach", stellte die Frau fest, als Hilgorn sich ein wenig nach hinten schob, aufrichtete und mit dem Rücken an die kalte Steinwand lehnte. Hilgorn versuchte, sich zu erinnern, wer ihm gegenüber stand, doch sein Gedächtnis ließ ihn im Stich. Stattdessen bemerkte er, wie sich seine rechte Hand im Stroh unwillkürlich zur Faust ballte, als wollte er die beiden Fremden schlagen. Eine kalte Welle Hass überspülte ihn, und ließ ihn ebenso schnell wie sie gekommen war verwirrt zurück.
"Ihr seid... Lothíriel. Imrahils Tochter. Und... Valion?" Hilgorn fragte sich, wie er die beiden nicht hatte erkennen können. Lothíriel wirkte erleichtert.
"Nun, dass Ihr uns erkennt, ist ein gutes Zeichen."
"Was wollt ihr von mir?", fragte Hilgorn müde, und rieb sich abwesend das zerstörte Auge.
Valion schwieg, und betrachtete ihn nur eindringlich. Stattdessen sprach wieder Lothíriel: "Ihr erinnert mich an meinen Bruder, Hilgorn. Für einige Zeit, hatte er einen der neun Ringe bei sich. Er hat mir anvertraut, wie er sich damals gefühlt hat: "Während jener Zeit... lebte ich wie unter einem Schatten. Manchmal wusste ich nicht, wer ich war, oder was ich tat. Manchmal wusste ich, dass ich etwas Falsches tat, doch ich konnte nichts dagegen tun. Es war, als stünde ich unter einem finsteren Zauber, und in gewisser Weise war es auch so, denn der Ring... übte Macht über mich aus." So hat er es mir erzählt, Wort für Wort," schloss Lothíriel.
Hilgorn lauschte, äußerlich gleichmütig, doch seine Gedanken rasten. Er hatte keinen Ring von Arnakhôr bekommen, doch was Lothíriel erzählte, kam ihm nur allzu bekannt vor. Er sagte jedoch nichts, sondern ließ die Prinzessin weiter sprechen. "Ich habe den Verdacht, dass Ihr nicht aus freiem Willen gehandelt habt, sondern unter einem ähnlichen Bann steht", endete sie, und Hilgorn schloss für einen Augenblick sein verbliebenes Auge.
Dann antwortete er: "Was ich oben in der Halle getan habe... habe ich aus freien Stücken getan. Gewissermaßen." Er glaubte, Unverständnis und Abneigung in Valions Augen zu lesen, und Verwunderung in Lothíriels. "Ich... " Es fiel Hilgorn schwer, die richtigen Worte zu finden. Beinahe hatte er das Gefühl, dass etwas in ihm sich dagegen sperrte, die Wahrheit zu sagen. "Ich hatte den Wunsch, Gondor zu schaden", fuhr er schließlich fort. "Also... musste ich etwas tun. Irgendetwas, um eure Aufmerksamkeit zu erregen."
Valion schüttelte den Kopf. "Ich verstehe nicht. Wie konntet Ihr..."
Lothíriel unterbrach ihn. "Ihr habt Euch selbst ausgetrickst", meinte sie, und die Verwunderung war ihrer Stimme deutlich anzuhören. "Nicht wahr?"
"Ja", erwiderte Hilgorn mühsam. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, als wollte er sich selbst daran hindern, zu antworten. "Ihr... hättet mir vertraut. Valion hat mir geglaubt. Ihr alle hättet mir geglaubt, und ich hätte euch ins Verderben geführt. Ich musste... Aufmerksamkeit erregen."
Der Gedanke, dass er sich hatte täuschen lassen, schien Valion nicht sonderlich zu gefallen. Er verschränkte die Arme, und sagte: "Ich hatte mir diese Befreiungsaktion ein wenig anders vorgestellt, wisst ihr? Nun stellt sich heraus, dass alles umsonst war."
Lothíriel schüttelte den Kopf, und betrachtete Hilgorn nachdenklich. "Ich denke nicht, dass es umsonst war. Der Zauber, mit dem die schwarzen Númenorer Hilgorn belegt haben... nun, es war ihm ja offensichtlich möglich, ihn zu einem gewissen Grad zu umgehen. Ich nehme an, dass deine Rettungsaktion sie daran gehindert hat, seinen Geist vollständig zu brechen, da ihnen dafür die Zeit gefehlt hat." Valion wirkte ein wenig beruhigt.
"Wie... wie hat Euer Bruder den Einfluss des Rings brechen können?", presste Hilgorn mühsam hervor. Er wusste nicht, warum er das gefragt hatte. Es war doch unbedeutend. "Nicht alleine, so viel ist sicher", antwortete Lothíriel. "Er hatte Hilfe, aber den Ausschlag... den Ausschlag hat Irwyne gegeben." Ihre Miene wurde nachdenklich. "Einen Versuch wäre es wert. Vielleicht sollten wir..."
Hilgorn hatte bereits begriffen. "Nein", stieß er hervor, und versuchte sich, aus seiner sitzenden Position hochzustemmen, doch eine seltsame Lähmung schien seinen Körper ergriffen zu haben. "Bringt sie nicht hierher. Auf keinen Fall!"
Valion hatte offenbar ebenfalls verstanden, denn er wandte sich an Lothíriel: "Bist du sicher, dass das er einzige Weg wäre? Wenn es scheitert, was dann? Welche Qual wäre es für Faniel, Hilgorn so zu sehen, und ihm nicht helfen zu können?"
"Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es helfen würde", gab Lothíriel betreten zurück. "Ich... ich wünschte, Meister Elrond wäre hier. Oder Radagast. Oder Mithrandir. Sie wüssten sicherlich, was wir tun könnten."
Die Worte drangen zwar an Hilgorns Ohr vor, doch er begriff ihre Bedeutung nicht. Seit er Faniels Namen gehört hatte, kreisten seine Gedanken nur noch darum.
"Bringt sie nicht hierher", bat er erneut. "Ihr müsst sie beschützen... ihr... wenn es nötig ist, tötet mich. Nur... bringt sie nicht hierher."
Titel: Die Herrin Silberglanz
Beitrag von: Fine am 24. Okt 2019, 15:56
Mehr oder weniger verstört verließen Lothíriel und Valion die Kerkerebene unterhalb des Palastes. In gedämpftem Ton unterhielten sie sich darüber, was sie gesehen und gehört hatten.
"Ich fürchte, man kann Hilgorns Lage wohl doch nicht so sehr mit jener vergleichen, in der sich Amrothos einst befand," meinte Lothíriel und klang einigermaßen ernüchtert. "Sein Wahn ging von diesem verfluchten Ding aus, diesem unscheinbaren Ring - ich kann kaum glauben, dass ein so einfaches Schmuckstück den Geist meines Bruders so gewaltig beherrschen konnte, und bin so froh, dass es vorbei ist. Man sagte mir, dass der Elb, Oronêl Galion, den Ring für immer zerstört hat." Sie atmete tief durch und fuhr fort: "Und doch war Amrothos' Situation damals eher durch Zufall entstanden, wenn ich es aus seiner Erzählung richtig verstanden habe. Niemand zwang ihm diesen Ring in böswilliger Absicht auf. Amrothos erlag seiner Versuchung."
"Worauf willst du damit hinaus?" wollte Valion wissen.
"Ich will sagen, dass Hilgorns Zustand absichtlich herbeigeführt wurde," erklärte Lothíriel. "Dieser Mornadan, dieser Schwarze Númenorer - er hat Hilgorn gefoltert und ihn mit böswilliger Absicht seinem Willen unterworfen. Ich glaube nicht, dass Hilgorn sich selbst davon befreien kann, und seine Reaktion auf meinen Vorschlag, Faniel zu ihm zu bringen, sagt mir, dass auch sie es nicht könnte. Wir brauchen jemanden, der größere Macht als derjenige besitzt, der Hilgorn mit diesem Wahn belegt hat."
"Ich fürchte, so jemanden gibt es in Gondor nicht," meinte Valion niedergeschlagen. "Kaum jemand wagt es, die dunklen Künste des Feindes zu studieren, und mit denen, die es tatsächlich versuchen, nimmt es nur selten ein gutes Ende."
Lothíriels Antwort bestand aus einem zaghaften Lächeln. "Ich denke, ich kenne jemanden, der vielleicht einen Rat haben könnte."

Ohne auf Valions Nachfrage einzugehen führte Lothíriel ihn hinauf in die obersten Stockwerke des Palastes, wo die Familie des Schwanenfürsten lebte. Sie kamen durch mehrere luxuriös eingerichtete, weitläufige Gemächer bis auf einen großen Balkon, der nach Südwesten hin einen atemberaubenden Blick auf die Bucht von Belfalas bot. Dort standen drei Frauen am Geländer, die prunkvolle Kleider in den Farben der Stadt trugen - das zarte Blau der ruhigen See und das Schwanensilber von Dol Amroth. Valion machte große Augen, denn zwar erkannte er die erste der drei Frauen sofort, doch es war viele Monate her, dass er sie zuletzt in einem solchen Aufzug gesehen hatte. Es war Ta-er as-Safar. Sie warf Valion einen wissenden Blick zu.
Die zweite Frau war eine vollkommen Unbekannte. Die Dritte hingegen kam Valion entfernt bekannt vor, doch erst als sie sprach, wurde him klar, wen er da vor sich hatte.
"Lothíriel! Was hatte ich über das Tragen von Waffen in meinen Gemächern gesagt?"
Valion beugte respektvoll das Haupt, während Lothíriel mit einem unwilligen Murren den Schwertgurt abschnallte. "Ja doch, Mutter."
Lothíriels Mutter - die Fürstengemahlin Imrahils, Avórill von Dol Amroth, die vom einfachen Volk "Herrin Silberglanz" genannt wurde, fasste nun Valion ins Auge. "Das gilt auch für dich, Valion." Imrahils Frau war zu Beginn des Krieges mit Mordor auf die als sicher geltende Insel Tolfalas gebracht worden, wo sie auch nach Lothíriels Rückkehr in die Schwanenstadt verweilt war. Weshalb sie nun zurückgekehrt war, wusste Valion nicht - bis jetzt hatte er nicht einmal gewusst, dass die Herrin Silberglanz wieder in der Stadt war.
Er wusste, dass er keine wirkliche Strafe zu befürchten hatte. Denn wo Imrahil (und Edrahil) stets streng gewesen waren, als die Zwillinge jung gewesen waren und den Kopf voller Streiche gehabt hatten, war die Fürstin eine der wenigen gewesen, die über die Späße lachen konnte. Sie war es gewesen, die die schlimmsten Strafen von Valion und Valirë abgewandt hatte und die den Zorn ihres Gemahls hatte besänftigen können. Trotzdem tat Valion es Lothíriel gleich und legte seine Waffe beiseite.
"Habt ihr mit dem General sprechen können?" wollte Ta-er as-Safar ungewohnt interessiert wissen.
"Das hat sich ja rasch herumgesprochen," murmelte Valion.
Lothíriel schien einen ähnlichen Gedanken zu haben. "Wer weiß noch davon? Vater befahl, dass niemand zu Hilgorn vorgelassen werden soll."
"Niemand weiß davon," erklärte Avórill beruhigend. "Ich habe es erraten, dass ihr den jungen Hilgorn aufsuchen würdet, als ihr beiden so lange verschwunden geblieben seid." Sie musterte sie beide mit einem interessierten Blick. "Doch ich vermute, ihr seid nun nicht unseretwegen hier, nicht wahr?"
Das wüsste ich auch gerne, dachte Valion, als Lothíriel nickte. "Wir sind hier, um mit Mithrellas zu sprechen."
Die dritte Frau, die sich bislang eher im Hintergrund gehalten hatte und auf das ruhige Meer hinaus geblickt hatte, wandte sich ihnen zu, als Lothíriel ihren Namen nannte. Sie war von atemberaubender Schönheit. Valion war überrascht, dass er dennoch, anstatt sich zu ihr hingezogen zu fühlen, stattdessen einen tiefen Respekt vor der Fremden empfand.
"Dies ist Mithrellas, Tochter des Oronêl Galion und Ahnherrin der Fürsten von Dol Amroth," stellte Lothíriel die Dame mit hörbarem Stolz vor.
Erst jetzt fiel es Valion auf, dass er eine Elbin vor sich hatte. Und obwohl die Tore der Schwanenstadt nun schon seit mehreren langen Monaten von Elben bewacht wurden und er einen von ihnen, Ladion, ein wenig kennengelernt hatte, waren Elben für Valion noch immer ein etwas befremdlicher Anblick. "Hier ist Valion vom Ethir, einer unser tapfersten Krieger," stellte Avórill Valion der Elbin mit einem schelmischen Lächeln vor.
Mithrellas bedachte Valion mit einem forschenden Blick. "Du hast Gilmîths Augen," sagte sie in einem sonderbaren Tonfall. "Wie wundersam die Gabe der Zweitgeborenen doch ist. Imrahils Familie trägt Galadors Blutlinie in sich, doch sie sind bei weitem nicht die Einzigen, die von meinen Kindern abstammen."
"Gilmîth von Dol Amroth, Schwester Galadors des Ersten heiratete den Fürsten von Belfalas," sagte Lothíriel und erinnerte Valion daran, dass sie auch als Mädchen schon gerne mit ihrem Wissen angegeben hatte.
"Ich fühle mich geehrt," sprach er etwas holprig und deutete eine Verbeugung vor Mithrellas an. "Doch ich glaube nicht, dass wir hier sind, um über Stammbäume und Ahnen zu sprechen."
"Nein, sind wir nicht," ergriff Lothíriel rasch die Gelegenheit. "Es stimmt, dass wir mit Hilgorn gesprochen haben. Und es steht wahrlich nicht gut um ihn. Die Knechte Mordors haben ihn lange gefoltert und nun ist er nicht mehr der, der er einst war. Sein Angriff, der meinem Vater galt und die arme Rinheryn traf, ist der größte Beweis dafür."
"Und ihr ersucht nun meinen Rat, wie man General Hilgorn von seinem Leiden befreien könnte," schloss Mithrellas scharfsinnig.
"So ist es," meinte Valion überflüssigerweise.
"Ich bin keine Kriegerin und kenne mich in den dunklen Künsten der Diener des Feindes nur wenig aus," antwortete die Elbin entschuldigend. "Andere von meinem Volk könnten weiseren Rat geben, doch sie weilen fern von hier. Selbst mein Vater hat die Stadt bereits wieder verlassen."
"Ihr müsst ihm doch irgendwie helfen können," sagte Valion. "Immerhin seid Ihr älter als die Grundfesten dieser Stadt!"
"Alter und Weisheit gehen nicht immer Hand in Hand," konterte Mithrellas mit einem traurigen Lächeln. "Ich habe viele Jahre in tatenloser Bitterkeit verbracht und oft sind die goldenen Blätter Lóriens gefallen, ehe sich etwas daran änderte."
Valion wechselte einen Blick mit Lothíriel, die sich ganz offensichtlich mehr erhofft hatte und enttäuscht drein blickte. Erst ein strenger Blick von ihrer Mutter brachte die Prinzessin dazu, sich zu beherrschen und eine neutrale Miene aufzusetzen.
"Eure Augen haben mehr gesehen, als unsere es jemals könnten," sagte die Fürstengemahlin diplomatisch. "Vielleicht genügt es bereits, wenn Ihr einfach nur mit dem General sprecht."
"Nun, diese Bitte werde ich euch nicht abschlagen," erwiderte Mithrellas. "Die Zeit meiner Tatenlosigkeit ist vorbei. Wenn ich etwas dazu beitragen kann, diese Stadt meiner Kinder, die ich liebe, in Sicherheit zu wissen, dann will ich tun, was ich kann."
Sie verließ ihren Platz am Geländer des Balkons und schien sich direkt auf dem Weg zu den Zellen machen zu wollen. Als sie an Valion vorbeikam, blickte ihm die Elbin für einen langen Moment in die Augen, der die Verbundenheit noch verstärkte, die er ihr gegenüber fühlte. Doch erst als sie gegangen war, fiel ihm auf, was Lothíriel zuvor schon angedeutet hatte: Mithrellas, die einst den Begründer der Linie von Dol Amroth geheiratet hatte, war nicht nur die Vorfahrin Imrahils und seiner Kinder - durch ihre Tochter und deren Nachfahren floss ein winziger, längst bis zur Unkenntlichkeit verdünnter Teil von Mithrellas' elbischem Blut auch in den Adern der Zwillinge vom Ethir...
Titel: Ein unerwarteter Vorschlag
Beitrag von: Fine am 14. Nov 2019, 15:06
Obwohl Valion durchaus daran interessiert war zu erfahren, was die Herrin Mithrellas wohl zu Hilgorn sagen würde, wurden Lothíriel und er jedoch von der Fürstin Avórill am Gehen gehindert.
"Ich habe eine Bitte an euch beide," sagte Imrahils Gemahlin, während Ta-er sich mit scheinbarem Desinteresse abgewandt hatte und auf das Meer hinaus blickte. "Erst seit ungefähr zwei Wochen weile ich wieder in der Stadt, doch mir ist aufgefallen, dass sich am Hof des Fürsten einiges verändert hat. Schmerzlich vermisse ich nun Edrahils Abwesenheit - er verstand es, die allzu ambitionierten Adeligen im Zaum zu halten. Sein Stellvertreter vermag es, wohl über die Spione an unseren Grenzen zu gebieten, doch ich fürchte, Amrodins Ohren und Augen fehlt einfach noch die Erfahrung, um auch das leisere, verborgenere Geflüster in den Hallen des Palastes aufzuschnappen."
"Worauf willst du hinaus, Mutter?" wollte Lothíriel wissen.
"Es gibt einen neuen Spieler am Tisch der Mächtigen, die um die Macht am Hofstaat des amtierenden Truchsessen ringen. Jemand schart Leute um sich, die auf die eine oder andere Art und Weise ihren Weg in den Palast finden und dort auf subtilstem Wege Einfluß zu nehmen. Hier ein geflüstertes Wort in das richtige Ohr, dort ein wie zufällig wirkendes Gerücht... selbst vor der Fürstenfamilie machen diese Leute keinen Halt. Für meine beiden noch unverheirateten Kinder -" sie blickte hierbei eindringlich Lothíriel an "-gab es in den vergangenen Wochen vielerlei Verlöbnisangebote, die auf mich höchst suspekt wirken. Sie stammen allesamt von plötzlich auftauchenden Nachfahren längst untergegangener Adelshäuser oder von Junggesellen im falschen Alter, die sich eigentlich längst für ein unverheiratetes Leben entschieden hatten. Und darüber hinaus stelle ich immer wieder fest, dass nicht alle der Bediensteten im Palast im besten Interesse ihrer Herren zu handeln scheinen. Immer wieder verschwinden scheinbar unwichtig wirkende Gegenstände. Truhen mit persönlichen Besitztürmern werden durchwühlt und Schränke mit Gewalt geöffnet. Zwei angesehene Adelige sind tot - in Friedenszeiten wäre dies ein Schock und würde eine gründliche Untersuchung einleiten. Doch es herrscht Krieg, und selbst die Stadtwache ist bis an die Grenzen ihrer Kapazität ausgelastet. In beiden Fällen scheint ein Selbstmord vorzuliegen, doch ich glaube längst nicht mehr daran. Deshalb will ich, dass sich jemand dieser ganzen Angelegenheit annimmt, dem ich absolut vertrauen kann."
Bedeutungsvoll sah sie Valion und Lothíriel an. "Ich spreche von euch beiden," fügte Fürstin Avórill unnötigerweise hinzu. "Findet heraus, was wirklich vor sich geht, und wer dahintersteckt. Ich kann nicht erlauben, dass jemand die Autorität meines Gatten untergräbt und die innere Sicherheit Gondors gefährdet."
"Wo... wo sollen wir anfangen?" stieß Valion überrumpelt hervor.
"Bei deiner Verlobten," schlug Lothíriel vor. "Ich weiß, dass sie viele Waisenmädchen in ihre Dienste genommen hat und bin mir fast sicher, dass einige von diesen jungen Frauen identisch mit so mancher frisch verheirateten Adeligen aus einem der lange verschollen geglaubten Häuser sind."
Valion seufzte. "Ich werde sehen, was sich machen lässt," meinte er. "Doch ich glaube nicht, dass Lóminîth Gondor verraten würde. Sie hat ohnehin schon genug mit den Vorurteilen zu kämpfen, die ihr aufgrund ihrer Herkunft entgegenschlagen."
"Ich teile deine Einschätzung, Valion," sagte Avórill. "Doch ist diese Angelegenheit zu wichtig, um nicht alle Möglichkeiten zu untersuchen. Sprich mit Lóminîth und finde die Wahrheit über ihre Absichten heraus. Vielleicht kann sie dir sogar bei den Nachforschungen behilflich sein."
"Und was ist meine Aufgabe in all dem?" wollte Lothíriel wissen.
Seine Mutter lächelte wissend. "Du wirst uns dabei helfen, eine Falle für unseren geheimnisvollen Spieler zu stellen. Dein Bruder, Amrothos, wird dabei den Köder spielen. Noch wissen nur wenige von Irwynes Existenz, was das arme Kind bislang vor den meisten Intrigen verschont hat. Sicherlich wirst du mir zustimmen, wenn ich sage, dass es am Besten so bleiben sollte. Amrothos wird sich also offen für Verlobungsangebote geben und du, Lothíriel, wirst dir die Bewerberinnen ganz genau ansehen und ihre Hintergründe offenlegen."
"Aber -" wagte Lothíriel zu protestieren.
"Lothíriel, das war keine Bitte."
"Mutter, so höre doch. Ich fürchte... Irwyne wird es nicht verstehen, ich -"
"Sie wird Einsicht zeigen. Sie ist ein kluges Mädchen, wie du selbst auch. Und natürlich wird Amrothos nicht ernsthaft auf eine Verlobung eingehen," erklärte Avórill gelassen.
Lothíriel ließ geschlagen die Schultern hängen. "Da verlangst du aber viel von ihm, Mutter."
"Denk daran, dass Gondors Sicherheit auf dem Spiel steht," erinnerte die Fürstin sie.

Einige Minuten später hatte sich Valion von Imrahils Familie verabschiedet. Er suchte in seinen Gemächern nach Lóminîth, doch seine Verlobte war nicht dort. Eine der Bediensteten ließ Valion ausrichten, dass die Herrin in der Stadt unterwegs und mit diversen äußerst wichtigen Vorbereitungen für ihre anstehende Hochzeit beschäftigt sei und nicht gestört werden wollte. Die Hochzeit, fiel es Valion wieder ein. Er hatte in all der Aufregung völlig vergessen, dass er diesbezüglich einen dringenden Brief an seine Mutter in Nan Faerrim zu schreiben hatte.
Etwas unschlüssig stand Valion am Eingang des Gemaches herum und überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Ob er den Brief jetzt sofort aufsetzen sollte? Oder wäre es sinnvoller, zunächst nach Lóminîth zu suchen?
Dass jemand an ihn herangetreten war, bemerkte er erst, als sich eine zaghafte Hand auf seinen Arm legte.
"E-entschuldigung," stieß die junge Frau hervor und zog ihre Hand sofort wieder zurück. Endlich erkannte Valion sie: die Schwester des Waldläufers des Nordens, der er gemeinsam mit Rinheryn in Anórien begegnet war.
"Areneth, richtig?" fragte er.
Sie nickte. "Ich habe nach dir gesucht," sagte sie ein wenig außer Atem. "Ich brauche deine Hilfe, Valion."
Schon die Nächste, die etwas von mir will, dachte Valion, und sagte mit einem schiefen Grinsen: "Das wollen viele."
Areneth warf ihm einen verärgerten Blick zu. "Lass den Unsinn! Ich bin keine von... dieser Sorte Frauen."
"Natürlich nicht," wagte Valion zu sagen.
Die Dúnadan gab ein leises Schnauben von sich, ehe sie sich wieder fasste. "Ich muss in die große Bibliothek im Stadtzentrum. Aber man will mir keinen Zugang gewähren!"
"Was suchst du dort denn?"
"Zwei Dinge: Einerseits Spuren, die mich zu den Nachfahren des Hauses Glórin führen können. Und zweitens jemanden, der mir bei der Suche zu helfen versprach: Thandor, der alte Archivar aus Minas Tirith, der mit uns aus Ithilien nach Dol Amroth gekommen ist."
"Und weshalb hat man dich nicht in die Bibliothek hineingelassen?"
Areneth verdrehte die Augen. "Diese ganze Stadt scheint zurzeit unter Verfolgungswahn zu leiden. Man traut keinen Fremden mehr. Sie haben mich verdächtigt, eine Spionin Mordors zu sein!"
"Vielleicht sollte ich mal ein Wörtchen mit Onkel Beretar wechseln," murmelte Valion, als ihm einfiel, wer nach Hilgorns Beförderung zum General das Kommando über die Stadtwache von Dol Amroth übernommen hatte. "Also gut, Areneth. Gehen wir. Ich werde schon dafür sorgen, dass man dich in die Bibliothek lässt."
"Danke, Valion," sagte die Dúnadan des Nordens. "Ich bin jetzt schon beinahe einen Monat in dieser Stadt und bin dem Artefakt, das mein Bruder mir zu finden auftrug, noch keinen Schritt näher gekommen. Ich wünschte, ich hätte bei ihm bleiben und mich im Kampf nützlichen machen können..."
"Dafür ist sicherlich auch später noch Zeit," meinte Valion leichthin. Er warf einen Blick aus einem nahen Fenster, um nach dem Stand der Sonne zu sehen. Seiner Schätzung nach hatte der Nachmittag gerade erst begonnen. Er rechnete nicht damit, dass Lóminîth vor dem Abend zurückkehren würde. Sich mit ihr zu befassen konnte also warten. "Komm, Areneth. Ich werde dir bei deiner Suche ein wenig unter die Arme greifen."


Valion und Areneth zur Bibliothek des Túron (http://modding-union.com/index.php/topic,35867.msg475940.html#msg475940)
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 26. Nov 2019, 23:22
Nachdem Valion und Lothíriel ihn wieder in der Dunkelheit allein gelassen hatten, hatte Hilgorn sich mit dem Rücken an die kalte Steinwand gelehnt, die Augen geschlossen, und begonnen, langsam und gleichmäßig tief durchzuatmen - eine Technik, die ihm während seiner Ausbildung beigebracht worden war. Eigentlich sollte sie dazu dienen, sich vor einem Kampf so weit wie möglich zu entspannen und den Geist für die kommende Aufgabe zu schärfen, doch jetzt versuchte Hilgorn nur die Schreckensbilder, die ihn plagten, zu verdrängen. Bilder von Faniel, wie sie sah, was Arnakhôr aus ihm gemacht hatte. Wie sie sich entsetzt abwandte, und vor ihm floh. Er glaubte nicht, dass er sie jemals wieder sehen wollte, sofern kein Wunder geschah. Sollte sie die Erinnerung an den Mann, der er einst gewesen war, behalten.
Langsam beruhigte sich sein Herzschlag, und für einen Augenblick konnte Hilgorn beinahe vergessen, in welcher Lage er sich befand. Vielleicht würde der Fürst ihm eines Tages, wenn der Krieg vorüber war, gestatten, den Kerker zu verlassen. Er könnte weit nach Westen gehen, in die Wildnis von Anfalas, wo er niemandem schaden konnte. Der Gedanke stimmte Hilgorn gleichermaßen froh wie traurig.

Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ein leises Knarren ihm verriet, dass seine Zellentür geöffnet wurde. Merkwürdigerweise hörte er keine Schritte, und als er langsam das rechte Auge öffnete, blendete ihn für einen Augenblick eine seltsame Helligkeit. Vor ihm stand eine hochgewachsene, schlanke Gestalt, die von innen heraus zu leuchten schien. Hilgorn blinzelte in der unerwartete Helligkeit, und die Gestalt ging vor ihm auf ein Knie nieder und ergriff seiner Hände.
"Ich weiß nicht, ob ich etwas für dich tun kann", sagte eine weibliche Stimme. "Doch ich werde es versuchen." Hilgorn konnte nicht anders, als ihr ins Gesicht zu blicken. Es war von einer unwirklichen Schönheit, deren verwirrend graue Augen sich geradezu in seinen Geist zu bohren schienen. Ein Teil von ihm hasste und fürchtete dieses Gesicht, und wand sich unter diesem Blick. Ein anderer Teil fühlte sich unter ihrem Blick geborgen und beschützt, und beide Teile kämpften miteinander um die Vorherrschaft.
"Sieh mich an, Hilgorn aus dem Hause Thoron. Ich spüre die Dunkelheit, die sich auf deinen Geist gelegt hat. Ich spüre, wie Furcht, Hass und Hinterlist versuchen, dich zu überwältigen. Doch deine Seele ist unberührt vom Schatten. Und darum, Hilgorn, gibt es Hoffnung."
Bei den letzten Worten wurde sich Hilgorn der Kälte, die sich in seinem Inneren ausgebreitet hatte, zum ersten Mal bewusst. Es fühlte sich an wie ein Eissplitter, der tief in ihm steckte. Sein Blick fiel auf eine zweite Person, die noch im Türrahmen stand und nun zögerlich näher kam. Ihr langes, rabenschwarzes Haar fiel ihr bis auf die Hüften, und Hilgorn fühlte seine Hände bei ihrem Anblick zittern.
"Nein", murmelte er undeutlich. "Nicht..." Er fühlte den Druck warmer Hände, und die Stimme fuhr fort: "Jeder hat das Recht, sich seine Kämpfe auszuwählen. Und jeder hat das Recht zu wählen, ein Opfer zu bringen. Und manchmal... ist es in Ordnung, andere dieses Opfer für einen selbst bringen zu lassen."
Faniel kniete sich neben Hilgorn ins Stroh, und blickte ihm fest ins Gesicht. "Mit dir habe ich die Liebe gefunden, die ich mein Leben lang gesucht habe", sagte sie leise, aber spürbar entschlossen. "Und ich werde mir das von niemandem wegnehmen lassen, auch nicht von Sauron selbst. Hörst du? Von niemandem."
Hilgorn erwiderte ihren Blick, und stieß einen langen, zitternden Atem aus. Er spürte, wie der Eissplitter in seinem Inneren schmolz, wie sich Wärme in ihm ausbreitete. Er konnte stark genug sein. Vielleicht nicht für Imrahil, für Dol Amroth, oder die ganze Welt, doch für sie konnte er Hilgorn bleiben. Um Faniels Willen würde Arnakhôrs Zauber nicht die Macht über ihn erringen.
Mit einem Mal breitete sich ein stechender Schmerz über seinen ganzen Körper hinweg aus, und er öffnete den Mund zu einem lautlosen Schrei. Der Druck der Hände, die die seinen hielten, verstärkte sich, ein helles Licht erfüllte den Raum, und mit einem Mal war der Schmerz verschwunden. Und nicht nur der Schmerz. Sein Geist schien zum ersten Mal seit Tagen wieder vollständig klar zu werden, und das immer im Hintergrund lauernde Bedürfnis zu töten und zu zerstören, war verschwunden.
Hilgorn atmete tief durch, und blickte Faniel an, die bei diesem Blick die Hand vor den Mund schlug, und ein Schluchzen unterdrückte. Die andere Frau ließ seine Hände los, und sackte ein wenig in sich zusammen. Das Leuchten, das für Hilgorn noch vor kurzem den Raum beherrscht hatte, war verschwunden, und jetzt erkannte Hilgorn sie.
"Herrin Mithrellas", sagte er langsam, mit rauer Stimme. "Mir war nicht klar, dass ihr Wunder vollbringen könnt."
Mithrellas wischte sich mit einer Hand über die Stirn und lächelte schwach. Ihre unwirkliche, überirdische Erscheinung war verschwunden, und trotz aller elbischen Schönheit wirkte sie im Vergleich zu vorher überraschend ungewöhnlich. "Nun, ich habe auch eher gehofft etwas bewirken zu können, als dass ich es wusste", erwiderte sie. "Vermutlich hätte ich es nicht gewagt, hätte euer Freund Valion mich nicht so eindringlich darum gebeten."
Hilgorn nickte langsam. Offenbar schuldete er Valion inzwischen mehr, als er hoffen konnte jemals zurückzuzahlen. Er tastete mit der rechten Hand nach Faniels Linker und ergriff sie fest. "Wie kommst du hierher?", fragte er. "Ich... ich wollte eigentlich nicht, dass du mich hier siehst."
Faniel schnaubte verächtlich, und blinzelte eine einzelne Träne weg. "Die Geschichte von deiner Rückkehr konnte nicht ewig geheim bleiben, und als ich hörte, was geschehen ist, musste ich zum Palast kommen. Dort bin ich Mithrellas begegnet, und sie hat mich mit hierher genommen."
"Was sich als kluge Entscheidung herausgestellt hat", warf Mithrellas ein, die sich inzwischen erhoben hatte, und in der Tür stand. "Ich werde mit Imrahil sprechen", erklärte sie dann. "Er muss erfahren, was geschehen ist."
Hilgorn nickte abwesend, doch der Fürst war im Augenblick seine letzte Sorge. Mit Faniels Hilfe kam er etwas mühsam auf die Füße, bevor er seine Frau fest in seine Arme zog, das Gesicht in ihre dichten schwarzen Haare gepresst. Nach einer halben Ewigkeit, die ihm immer noch zu kurz erschien, ließ er sie wieder los.
"Ich hoffe, du zweifelst jetzt nicht, dass du den richtigen Mann geheiratet hast", sagte er leise, und deutete mit einer nachlässigen Geste auf seine linke Gesichtshälfte. Faniels Antwort bestand aus einer Ohrfeige, die Hilgorns rechte Wange brennen ließ und ihn in seinem gegenwärtigen Zustand beinahe von den Füßen gerissen hätte. "Einen solchen Satz möchte ich nie wieder aus deinem Mund hören", stieß sie hervor, und packte Hilgorn bei den Schultern. In ihren Augen glitzerten nun Tränen. "Ich habe dich nicht für dein gutes Aussehen geheiratet, weißt du. Das da... das ändert nichts. Ich trage dein Kind unter dem Herzen, und ich möchte weitere Kinder mit dir haben. Ich möchte den Rest meines Lebens mit dir verbringen, und es ist mir völlig gleichgültig, ob du zwei Augen hast oder nur eines. Vollkommen gleichgültig, verstehst du? Also sag so etwas nie wieder."
Hilgorn musste gegen seinen Willen lächeln, und wischte mit dem Daumen eine Träne von ihrer Wange. "Also gut", erwiderte er. "Ich werde aber darauf achten, nicht noch ein Auge zu verlieren. Ich würde dich nämlich gerne weiterhin ansehen können."
Faniel blickte ihn für einen Moment an, als hätte er den Verstand verloren, doch dann brach sie in hilfloses Lachen aus. "Es gibt wahrlich niemanden, der so schöne Komplimente machen kann und dabei ein vollkommener Narr ist." Dann küsste sie ihn.

Sie wurden von einem vernehmlichen Räuspern unterbrochen. In der offenen Zellentür stand Imrahil, Fürst von Dol Amroth, begleitet von drei seiner Leibwächter. Der Fürst sah angespannt und müde aus, wirkte allerdings ein wenig erleichtert. "Mithrellas hat mir berichtet was geschehen ist", sagte er. "Und ich hoffe, sie hat nicht übertrieben. Seid ihr wieder bei uns, Hilgorn?"
Hilgorn verneigte sich. "Ich denke schon, Herr. Doch wie kann ich jemals wirklich sicher sein?", fragte er wahrheitsgemäß. Im Augenblick hatte zwar tatsächlich das Gefühl, dass Arnakhôrs Zauber geschwunden war, doch er konnte nicht wissen, ob er tatsächlich völlig gebrochen war oder nur für einige Zeit gewissermaßen schlief.
"Das ist eben das Problem", erwiderte Imrahil ernst. "Ich würde nichts lieber tun, als euch sofort in eure alten Ämter wieder einzusetzen und euch an die Front zu schicken - wir sind wahrlich schwach genug aufgestellt. Doch ich kann diese Wagnis nicht eingehen."
"Ich verstehe. Was also soll mit mir geschehen?"
Imrahils Blick wanderte von Hilgorn zu Faniel und zurück. "Ich werde euch nicht in diesem Kerker belassen", sagte der schließlich. "Aber für den Moment kann ich es nicht wagen, euch in völlige Freiheit zu entlassen. Nicht nur wegen der Ungewissheit, was euren Zustand betrifft, sondern auch weil es vermutlich Duinhir verärgern würde. Immerhin habt ihr seine Tochter, sein einziges überlebendes Kind verwundet. Ich werde euch bis auf weiteres unter Hausarrest stellen. Ihr könnt euch in eurem Haus und Garten frei bewegen, doch für alles weitere benötigt ihr meine persönliche Erlaubnis."
Mit diesen Bedingungen war Hilgorn nur allzu gerne einverstanden. Es bedeutete, dass er Faniel sehen konnte, und Iorweth und Belegorn, so oft er wollte.
Er neigte den Kopf ein wenig vor Imrahil. "Ich danke euch, Herr." Zur Antwort nickte Imrahil knapp, machte dann aber einen Schritt auf Hilgorn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Wir werden irgendeinen Weg finden, wie wir sicher sein können, dass ihr nicht mehr in Gefahr seid", sagte er leise. "Und eines Tages, Hilgorn, werdet ihr wieder eine Armee Gondors in die Schlacht führen, und dann werdet ihr die Gelegenheit bekommen, euch bei Arnakhôr zu revanchieren. Das verspreche ich euch."

Hilgorn und Faniel in die Stadt (http://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg475945.html#msg475945)
Titel: Besuch vom Meer
Beitrag von: Fine am 12. Feb 2020, 12:59
Hilgorn, Valion und Lóminîth aus der Stadt (http://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg476370.html#msg476370)


Es vergingen einige ruhigere Tage, die Valion zum Großteil damit verbrachte, sich die Zeit mit Spaziergängen, Ertüchtigungsübungen und Nickerchen zu vertreiben, während Lóminîth im Zuge der Hochzeitsvorbereitungen zu Hochform auflief. Es schien, als hätte sie geradezu jeden freien Arbeiter in Dol Amroth unter Vertrag genommen, um die gewaltigste Feier zu organisieren, die der Fürstenpalast jemals gesehen hatte. Woher sie das benötigte Geld hatte, war eine Frage, die Valion sich immer mal wieder für kurze Zeit stellte, bis er jedes Mal Kopfschmerzen davon bekam und mit den Achseln zuckte, um resignierend aufzugeben. Sein persönliches Vermögen - der kleine Teil, der seit dem Fall des Ethirs noch übrig geblieben war - war jedenfalls unberührt geblieben. Seine Verlobte musste sich also wohl einer anderen Einnahmequelle bedient haben...

Ungefähr eine Woche nachdem er mit Areneth bei Hilgorn gewesen war - die Dúnadan hatte die Stadt inzwischen verlassen und sich auf die Suche nach ihrem Bruder gemacht, der mit den Waldläufern Ithiliens noch immer hinter feindlichen Linien in Lebennin agierte - war Valion gedankenverloren über einen der Märkte im unteren Teil der Stadt geschlendert, als ihn einer der Pagen des Fürstenhofes entdeckt hatte. Es war der junge Bergil, der Valion aufgefordert hatte, sich in aller Eile an Imrahils Hof einzufinden - anscheinend würden dort schon bald einige sehr wichtige Gäste eintreffen, und der Fürst hatte um Valions Anwesenheit gebeten. Unterwegs war ihnen Hilgorn begegnet, der einfache Kleidung und einen Kapuzenumhang getragen hatte. Bei ihm war Bergil zuvor schon gewesen, denn streng genommen stand der sich derzeit nicht im Dienst befindliche General unter Hausarrest, weshalb er nun von drei Soldaten der Stadtwache begleitet worden war.
 
So kam es, dass sie wenig später in der großen Halle der Schwanenfürsten standen, dessen Berater und Familie sich um den hohen Sitz jenseits der Marmorstufen versammelt hatten. Valion trug nun seine Rüstung sowie die Insignien seines Ranges als Lehnsfürst, während Hilgorn seine Bekleidung nicht gewechselt hatte - offiziell bekleidete er im Augenblick kein Amt, doch inoffiziell schien zumindest Imrahils Erbe Elphir zu wünschen, dass Hilgorn persönlich von den wichtigen Vorgängen am Hofe erfuhr.
Neben Imrahils Sitz war der Stuhl der Fürstin Silberglanz aufgestellt worden. Avórill trug ein tiefblaues Kleid mit silbernen Stickereien entlang der Ärmel und in ihrem Haar steckte eine weiße Blüte. Etwas mehr im Hintergrund standen Elphir, ebenfalls in Rüstung, sowie die Lehnsfürsten Golasgil, Amros und Ardamir, die jeder einen grünen Umhang trugen. Zur Linken des Thrones, ebenfalls im Hintergrund, hielten sich die Berater des Fürsten auf: der Herr der Spione, der Schatzmeister, der Hauptmann der Stadtwache und der Quartiermeister. Ihnen gegenüber standen die Hofdamen, in deren Mitte Valion Lothíriel, Mithrellas, sowie Lóminîth entdeckte.
Eigentlich war Valions Platz bei den anwesenden Lehensfürsten Gondors, doch man schien seine immer wiederkehrenden Verstöße gegen die strengen Etikette des Fürstenhofes mittlerweile stillschweigend mehr oder weniger zu akzeptieren. Daher hielt er sich etwas abseits, links neben der untersten Stufe, und tauschte sich dabei leise mit Hilgorn aus, der neben ihm stand.
"Ich frage mich, welches hohe Tier wohl heute erwartet wird," flüsterte er dem General zu.
Hilgorn warf ihm einen abwägenden Blick zu. "Nun, wenn man den Gerüchten Glauben schenkt, dann handelt es sich um potenzielle neue Verbündete für Gondor."
Valion zog fragend die Brauen zusammen, doch ehe er nachbohren konnte, öffneten sich die großen Tore am jenseitigen Ende der Halle, und der fürstliche Herold marschierte herein, begleitet vom Klang von Posaunen. Exakt drei Schritte vor der untersten Stufe blieb der Mann stehen und machte eine tiefe Verbeugung, dann entrollte er eine Schriftrolle und verkündete: "Höret, Ihr Edlen Gondors, und Ihr, Truchsess des Südlichen Königreiches, Imrahil, Sohn des Adrahil: Hier ist Thorongil, Sohn des Hador, vom Hause der Turmherren und Herr von Tol Thelyn, der Weißen Insel des Trennenden Meeres, mitsamt seiner Frau Melíril vom Turme, und seinem Sohn und Erben, Túor vom Turme."
Nun erschien ein zweiter Herold, der ein Banner trug, das in Weiß und zartem Orange gehalten war und das Siegel von Tol Thelyn zeigte: Ein Schiffssegel, einen Turm, und eine weiße Blüte, übereinander gelegt. Er sprach nicht, sondern reichte das Banner, nachdem er es Imrahil präsentiert hatte, an einen der nahe der Treppen wartenden Soldaten weiter. Inzwischen waren die angekündigten Personen selbst in der Halle eingetroffen. Umgeben von einer kleinen Eskorte in den Farben Tol Thelyns marschierte der Herr des Turmes in Imrahils Halle, gehüllt in eine neu aussehende Rüstung mit einem weißen Umhang. Ehefrau und Sohn folgten ihm auf dem Fuße, bis die Familie mitsamt ihren Begleitern vor dem Thron stand. Als sie an Valion vorbei kamen, warf Melíril - die ja in Wahrheit Minûlîth hieß - Valion einen Blick zu und lächelte, ohne vorerst jedoch etwas zu sagen. Der kleine Túor trug ein Kettenhemd und einen Dolch am Gürtel und wirkte gleichzeitig aufgeregt und ein wenig eingeschüchtert, schien sich jedoch alle Mühe zu geben, eine ernste Miene zu bewahren.
Imrahil erhob sich von seinem Sitz und breitete die Arme leicht aus, die Hände leer und die Handflächen nach oben zeigend. "Willkommen, Thorongil, am Hofe von Dol Amroth. Ich hoffe, Eure Überfahrt verlief recht angenehm?"
Thorongil legte die Hände zusammen und nickte leicht, ohne sich jedoch zu verbeugen. "Habt Dank für Euren freundlichen Empfang, Fürst Imrahil. Unser Schiff hatte keinerlei Schwierigkeiten bei der Fahrt. Eure Stadt ist beeindruckend, muss ich schon sagen," meinte er anerkennend.
"Nun, das ist der Verdienst meiner Vorfahren," erwiderte Imrahil, ehe er sich an den ganzen Saal wandte und seine Stimme lauter werden ließ. "Menschen Gondors und Dol Amroths, der Herr des Turmes ist gekommen, um die Schwester seiner Frau, die Herrin Lómíril, mit dem Herrn des Ethirs, Valion, zu vermählen. Sollte jemand dagegen berechtigte Einwände erheben, so möge er nun sprechen."
Beinahe erwartete Valion, dass Rinheryn auftauchen würde, um tatsächlich zu protestieren. Doch Duinhirs Tochter lag noch immer in der Obhut der Heiler. Die Verletzung, die sie durch Hilgorn erlitten hatte, war anfänglich recht gut verheilt, doch dann hatte die Wunde überrascht zu schwären begonnen und hatte Rinya an ihr Bett gefesselt. Valion hatte sie seither zweimal besucht - beide Male hatte sie ihm ihr Leid geklagt, wie sehr sie es vermisste, zu reiten und frei herumzulaufen. Einer der Heiler hatte Valion anvertraut, dass Rinheryn immer wieder Albträume habe und dass selbst der obersten Heilerin inzwischen die Mittel ausgingen, sie wieder zur Ruhe zu bringen.
So sprach also nun niemand gegen Imrahils Ansinnen. "Es sei also," sagte der Fürst. "Die Hochzeit soll in zwei Wochen stattfinden. Doch wie ich höre, führt Euch noch ein weiteres Anliegen an meinen Hofe, Thorongil?"
"So ist es," bestätigte der Herr des Turmes. "Eine Vermählung hat im Hochadel oft den Zweck, ein Bündnis zu besiegeln. Es war Meister Edrahil, der Herr der Spione von Dol Amroth, der aus exakt diesem Grund jene Verlobung zwischen Valion und Lómíril einfädelte. Doch seitdem Umbar wieder an unsere Feinde gefallen ist, betrifft ein solches Bündnis lediglich Dol Amroth und Tol Thelyn. Ich bin hier, um offiziell eine Allianz mit Euch einzugehen. Ihr habt uns bereits beim Wiederaufbau der Insel unterstützt, doch ich möchte diese Verbindung nun legitimieren. Lasst die Hochzeit das Zeichen dafür sein, dass die Dúnedain des Südens nun wieder vereint gegen ihre Feinde stehen."
Imrahil nickte, doch da trat einer der Lehnsfürsten vor. Es war Ardamir, der Herr von Belfalas. Mit einem Zeichen gab der Fürst von Dol Amroth ihm die Erlaubnis, zu sprechen. "Mein Fürst, eine solche Allianz ist gewiss erstrebenswert, doch bedenkt, dass der Titel des Turmherren in Gondor niemals offiziell anerkannt worden ist. Der Einschätzung der Gelehrten zufolge entspräche er wohl ungefähr einem niederen Adelsrang, allenfalls dem eines geringeren Lehenstitels. Wenn wir eine Allianz mit Tol Thelyn schließen, muss sie im Rahmen eines Lehnseides geschehen."
"Allein der König von Gondor vermag es, ein gänzlich neues Außenlehen zu schaffen," mischte sich Golasgil von Anfalas ein. "Auch wäre es meiner Meinung nach unklug, einen so standhaften Verbündeten gleich zu einem Untergebenen zu machen."
"Tol Thelyn war niemals ein Teil von Gondor," stellte Melíril klar, als sie zum erste Mal das Wort nahm. "Selbst in den Tagen der Schiffskönige, als Gondors Macht ihren Höhepunkt erreicht hatte, erhielten die Turmherren ihre Selbstständigkeit aufrecht."
"Der Truchsess des Königs hat nahezu dieselben Hoheitsrechte," hielt Ardamir dagegen, ohne auf Melíril einzugehen. "Es steht ihm frei, bei der Führung des Königreiches nach eigenen Gutdünken zu handeln. Und kehrte der König wieder-"
"Genug," unterbrach Imrahil laut. "Thorongil und seine Familie sind nicht hergekommen, um das Knie vor mir zu beugen. Dies sollte ein freudiger Tag für ganz Gondor sein - dank den tapferen Menschen von Tol Thelyn steht uns eine nie geahnte Versorgungslinie nach Harad hinein offen. Unsere Flotte liegt vor Umbar und muss keinerlei schwarzen Segel mehr fürchten. Wann konnten Gondors Küsten zuletzt so frei aufatmen?" Er ließ sich wieder auf seinem Sitz nieder. "Thorongil, wie verläuft die Belagerung Umbars? Gibt es Neuigkeiten von der Erstürmung?"
"Schleppend verläuft sie," antwortete Thorongil, dessen Miene schwer zu deuten war. "Die Verteidiger scheinen gut vorbereitet zu sein. Ich habe mehrere Tage nichts mehr von Edrahil gehört, auch wenn ich mir sicher bin, dass er die Lage unter Kontrolle zu bringen versucht. Eure Flotte blockiert den Hafen - wenn Qúsay Geduld zeigt, wird er die Stadt eines Tages ausgehungert haben."
"Und wird er diese Geduld aufbringen können?"
"Nun... ich denke nicht, dass er ewig warten wird," meinte der Herr des Turmes. "Aber mit Sicherheit kann ich es nicht sagen."
"Ich verstehe," sagte Imrahil. "Vermutlich wäre es das Beste, wenn wir uns im Detail über die Lage im Süden unterhalten, doch ich bin kein unhöflicher Gastgeber. Ihr habt einen weiten Weg hinter Euch. Hier im Palast wurden Gemächer für Euch und Eure Familie bereitgestellt. Erholt Euch dort für diesen Tag - morgen würde ich mich freuen, wenn Ihr mich in meinem Solar aufsuchen würdet."
"Ich werde kommen, Imrahil, doch eine Frage habe ich noch. Ihr nennt Euch Truchsess des Reiches, der Stellvertreter des Königs, doch... was würdet ihr tun, käme es zu einer... Rückkehr des Königs?"
Imrahil blickte nachdenklich drein. "Dies scheint... unwahrscheinlich. Geradezu unmöglich. Der König Gondors liegt in Gefangenschaft des Dunklen Herrschers persönlich, und es ist nun an uns, die Verteidigung Gondors zu übernehmen."
"Unwahrscheinlich mag es sein, doch mir geht es um Eure Einstellung. Kehrte der König wieder, würdet Ihr zurücktreten?"
"Ich... würde mein Amt zur Verfügung stellen," meinte Imrahil langsam. "Im Falle einer Rückkehr des Königs wäre ich noch immer Fürst von Dol Amroth, doch es stünde ihm frei, einen neuen Truchsess zu ernennen."
"Danke," sagte Thorongil, der zufrieden wirkte. "Ich werde morgen zu Euch kommen, damit wir in Ruhe über alles sprechen können. Habt Dank für Eure Gastfreundschaft." Er nickte Imrahil zu und ging dann auf dem Weg, auf dem er gekommen war, gefolgt von seiner Familie. Als sie fort waren, begann der Hofstaat sich langsam zu zerstreuen.
Valion warf einen Blick zu Hilgorn hinüber, der mit nachdenklicher Miene das gesamte Spektakel verfolgt hatte. Er fragte sich, was der General wohl von der ganzen Angelegenheit halten mochte.


Valion und Hilgorn in die Stadt (http://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg480200.html#msg480200)
Titel: Im Solar des Schwanenfürsten
Beitrag von: Fine am 27. Jul 2020, 16:39
Aragorn, Gandalf, Irwyne, Amrothos, Valion, Narissa und Aerien aus der Stadt (http://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg481777.html#msg481777)

Sie verwendeten einen der Nebenzugänge des Palastes. Da die Wachen Amrothos und Valion persönlich kannten, stellten sie keine Fragen, als um Einlass gebeten wurde. Der junge Prinz führte die Gruppe durch die leeren Korridore des großen Gebäudes und brachte sie schließlich in Imrahils Solar, wo er sie bat, sich zu setzen und auf seinen Vater zu warten. Dann verschwand Amrothos durch eine Tür, die zum Schlafgemach seiner Eltern führte.
Valion trat auf den großen Balkon hinaus, der den Solar im Nordwesten begrenzte. Die Aussicht war bei Tageslicht phänomenal, denn sie bot einen unvergleichlichen Ausblick über Edhellond, die Küsten von Anfalas und die westliche Bucht von Belfalas. Im Augenblick jedoch konnte man nur erahnen, die hoch sie sich über dem Meerboden befanden, denn der Prinzenpalast war auf dem höchsten Punkt der Klippenfelsen erbaut worden, auf dem die ganze Stadt von Dol Amroth ruhte.
Ein kühler Wind bauschte Valions Umhang hinter ihm auf, und er zog die Ränder des dicken Stoffes enger um seine Schulter. Da trat eine der Frauen neben ihn; jene, die sich bisher meist im Hintergrund gehalten hatte. Sie trug einen grauen Umhang und dunkle Reisekleidung aus Leder, doch ihre Kapuze war ihr auf die Schultern gerutscht und im schwachen Licht, das aus dem Solar drang, sah Valion, dass das Mädchen schwarze Haare und graue Augen hatte. Sie erinnerte ihn stark an seine Verlobte, auch wenn er sie um ein gutes Jahrzehnt jünger schätzte. Ihr Blick ging hinaus auf die Bucht, doch dann schaute sie zu Valion auf.
"Ihr stammt von hier?" fragte sie leise. Sie besaß einen gewissen Akzent, den Valion nicht einordnen konnte. Die Kleine klang nicht so, als käme sie wie Lóminîth aus Umbar oder dem Süden.
"Ich bin Valion, Herr des Ethir Anduin... zumindest war ich das, bis Mordor ihn erobert hat," sagte er wahrheitsgetreu. "Jetzt sitze ich mehr oder weniger hier in der Schwanenstadt fest und erledige einige Dinge für Imrahil, wenn dem Prinzen danach ist." Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln. Schlecht sah sie nicht aus - ganz im Gegenteil sogar. Wenn er ehrlich war, entsprach das Mädchen sogar ziemlich genau seinem Geschmack... doch er war bereits verlobt, und die Kleine war ohnehin zu jung für ihn.
"Ein Lehnsfürst des südlichen Königreiches?" Die junge Frau riss recht erschrocken die Augen auf, dann machte sie einen anständigen Knicks.
"Lass den Unsinn, Kleine. Ich mache mir nichts aus meinen Titeln, das sage ich meinen Soldaten auch immer. Meine Verlobte ist zwar anderer Meinung, aber... diese Höflichkeiten sind nicht vonnöten. Nenn' mir einfach deinen Namen, dann hast du deine Schuld abgetan."
"Aerien," sagte sie leise.
"Und ich bin Narissa," sagte eine zweite Stimme, als die dritte Frau in Amrothos' Gruppe sich plötzlich zu ihnen gesellte. Auch sie trug keine Kapuze mehr und Valion erkannte erstaunt, dass ihr Haar schneeweiß zu sein schien. Sie sprach im Gegensatz zu Aerien akzentfrei und wirkte gleichzeitig aufgekratzt und müde, eine Mischung, die Valion nur zu gut aus seinen Tagen an der Kriegsfront kannte.
"Schön euch zwei kennenzulernen, Aerien und Narissa," sagte Valion. "Und was macht ihr in der Begleitung eines Prinzen von Dol Amroth, der sich eigentlich auf einer diplomatischen Mission nach Rohan befinden sollte?"
Beide Mädchen schauten Valion an, ohne eine Antwort zu geben. Ratlos drehte er den Blick zurück in den Solar, doch dort entdeckte er nur Irwyne, die sich geduldig auf einen der freien Stühle gesetzt hatte und auf Amrothos' Rückkehr zu warten schien. Erst auf den zweiten Blick hin bemerkte Valion, dass die beiden Männer sich in eine der Ecken des großen Arbeitszimmers zurückgezogen hatten und sich leise miteinander unterhielten.

Ehe er bei Aerien und Narissa nachhaken konnte, öffnete sich die Tür, durch die Amrothos verschwunden war, und der Prinz kehrte in Begleitung seines Vaters sowie Meister Edrahils und Golasgils von Anfalas zurück. Zuletzt kam auch Amrothos' Mutter herein, die Herrin Avórill Silberglanz. Da kam Bewegung in die beiden geheimnisvollen Männer, die sich aus ihrer Ecke auf den Fürsten zu bewegten.
"Kann es wirklich wahr sein?" sagte Imrahil und wirkte geradezu ehrfürchtig - so hatte Valion den Fürsten noch nie erlebt.
Als Valion neugierig näher kam, traten die beiden jungen Frauen neben ihn. Beide wirkten auf ihre eigene Art und Weise stolz: die weißhaarige Narissa stellte es offen zur Schau, während man Aerien die Gefühlsregung nur an dem schwachen Lächeln auf ihren Lippen ansehen konnte.
"Glaubt es, Fürst Imrahil. Unserem Feind ist ein schwerer Schlag versetzt worden," sagte der ältere der beiden Männer, und mit einem Mal hielt er einen Stab in der Hand, von dem ein geheimnisvolles Leuchten ausging. Da fiel es Valion wie Schuppen von den Augen. Er kannte ihn - er hatte ihn auf den Mauern der weißen Stadt gesehen. "Mithrandir..." murmelte er vollkommen überrascht.
Wie auf ein stummes Kommando gingen Imrahil und seine Frau, sowie Amrothos und auch Fürst Golasgil auf die Knie. Erst glaubte Valion, sie würden vor dem Zauberer knien, doch dann erkannte er an den Blicken, dass sie jemand anderes anschauten. Den zweiten Mann, der sich mit Mithrandir unterhalten hatte. Dieser setzte nun seine Kapuze ab und im Licht des Zauberstabes erkannte Valion sein Gesicht: Streng, kantig... königlich. Er hatte die Gerüchte vom Herrn Elbenstein, dem Kommandanten der Dúnedain des Nordens, die nach der Schlacht auf dem Pelennor unter den Soldaten umgegangen waren, gehört, und besagten Kriegsanführer einmal mit eigenen Augen gesehen, als dieser in den Häusern der Heilung gewesen war, wo Valion und seine Schwester gelegen hatten. Und er wusste, dass unter den Heilern das Wort ging, dass dieser Mann den Thron von Gondor einfordern konnte.
Viel zu langsam ließ er sich ebenfalls auf ein Knie herab, als Aerien und Narissa es ihm gleich taten. Nur der Zauberer blieb stehen und sagte feierlich: "So kehrt Aragorn, Sohn des Arathorn zurück aus dem Schattenland, um seinen rechtmäßigen Platz als König von Gondor wieder einzunehmen."
"Und ich als Truchsess des südlichen Königreiches werde einer solch unverhofften Rückkehr des Königs wahrlich nicht im Wege stehen," sagte Imrahil.
"Steht auf, meine Freunde," sagte Aragorn leise. "Ich danke euch, dass ihr unser Land während meiner Gefangennahme verteidigt habt und die Hoffnung der Menschen bewahrt habt."
"Doch wie seid Ihr der Gefangenschaft unseres Feindes entflohen?" wollte Avórill wissen, als alle wieder aufgestanden waren.
"Meine Befreier waren so unwahrscheinlich wie einst Earendils Fahrt durch die verwunschenen Inseln vor der Küste von Aman," sagte der König und lächelte. "Eine von ihnen kehrte freiwillig in den Schatten zurück, aus dem sie unter Einsatz ihres Lebens geflohen war. Die andere fand einen geheimen Weg, den selbst Sauron nicht kannte. Jeder im Reich soll wissen, dass es Narissa und Aerien waren, die Gondor seinen König zurückbrachten."
Erstaunt drehten sich alle zu den beiden jungen Frauen um. Während Narissa zufrieden nickte, schien Aerien die Aufmerksamkeit eher unangenehm zu sein.
"Ich bin mir sicher, da steckt eine wahre Heldengeschichte dahinter," sagte Golasgil und nickte anerkennend. "Wie gerne würde ich sie hören."
"Die Zeit dafür wird es geben," sagte Mithrandir. "Doch wir alle sind müde, und morgen steht uns ein wichtiger Tag zuvor. Ich bin mir sicher, dass der Fürst mir zustimmen wird, wenn ich ihn bitte, uns Schlafgemächer zur Verfügung zu stellen und den offiziellen Teil der Rückkehr des Königs ... auf einen anderen Tag zu verschieben." Der Zauberer schmunzelte amüsiert, und Imrahil nickte. "Das wäre wohl das Beste. Ich würde mich freuen, euch alle beim Frühstück zu empfangen, um die Einzelheiten zu besprechen. Edrahil, bitte bereite alles dafür vor." Der Herr der Spione nickte. Dann humpelte er hinaus.

Wenig später machte Valion sich schließlich auf den Heimweg. Er konnte noch immer kaum glauben, was er erfahren hatte. Gondors verschollener König war aus Mordor befreit worden - von zwei Mädchen, die zwar eindeutig Mut in den Knochen zu haben schienen, aber nicht wie unüberwindliche Krieger aussahen. Mit dem Gedanken im Kopf, dass in den kommenden Tagen wohl viele wichtige Entscheidungen getroffen werden würden, schlief Valion schließlich ein.
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 3. Aug 2020, 10:42
Narissa wurde von einem leisen, beinahe zaghaften Klopfen geweckt. Sie richtete sich im Bett auf, vorsichtig, um Aerien nicht zu wecken, und rieb sich mit den Fäusten die Augen.
"Narissa? Aerien?", hörte sie eine leise Stimme von der anderen Seite der Tür. "Seid ihr da?" Eine weibliche Stimme. Sie kam Narissa bekannt vor, doch in ihrem noch immer etwas schläfrigen Zustand konnte sie sie nicht richtig einordnen.
Sie stieg aus dem Bett, wobei sie die Decke wieder über Aeriens schlafender Gestalt zurecht zog, schlich auf Zehenspitzen zur Tür und öffnete sie einen Spalt weit. Draußen im noch dämmrigen Flur stand Minûlîth, deren Lächeln beim Anblick von Narissas Kopf noch ein wenig breiter wurde.
"Da bist du ja. Ich dachte mir, dass ich dich hier finde." Narissa räusperte sich, einen Augenblick lang verlegen. Tatsächlich waren ihr und Aerien getrennte Räume zur Verfügung gestellt worden, doch da sie beide in der ersten Nacht in Dol Amroth nicht allein sein wollten, hatte sich Narissa kurze Zeit später hinüber in Aeriens Zimmer geschlichen.
"Ja", erwiderte Narissa, bevor sie sich erneut die Augen rieb. Allmählich verließ sie auch der letzte Rest Schläfrigkeit. "Aber wie kommst du überhaupt hierher?"
"Später. Wenn du dir etwas anziehst, könnten wir einen kleinen Spaziergang machen und über alles sprechen. Was ist mit Aerien?"
Narissa warf einen Blick über die Schulter. Aerien drehte ihr den Rücken zu, doch sie hatte ihre Position kein Stück verändert und schlief offensichtlich weiterhin tief und fest. Narissa kämpfte einen kurzen Moment mit sich. Einerseits wollte sie Aerien auf keinen Fall wecken, denn ein wenig Schlaf in einem ordentlichen Bett konnte ihr nur gut tun. Andererseits stellte Narissa fest, dass ihr allein der Gedanke, Aerien alleine zurückzulassen, Schwierigkeiten verursachte - vor allem wenn sie daran dachte, was geschehen war, als sie sich das letzte Mal für nur kurze Zeit getrennt hatten.
Schließlich atmete sie tief durch, und drehte sich wieder zu Minûlîth, die geduldig wartete, um. "Wir sollten sie schlafen lassen. Es gibt nur ein Problem... Meine ganzen Sachen sind in meinem Zimmer."
Minûlîths Gesicht ließ kaum eine Regung erkennen, höchstens ein leichtes belustigtes Zucken. "Dann würde ich sagen, ich gehe ans andere Ende des Flurs und passe auf, das niemand kommt, und in der Zeit schleichst du zurück."
Narissa nickte, bevor sie sich so leise wie möglich ihre Unterbekleidung von einem der Stühle schnappte. Sie warf einen letzten Blick auf die schlafende Aerien, und kritzelte dann rasch mit Feder und Tinte, die auf dem einzigen Tisch bereitgestellt waren, eine kurze Notiz.
Aerien -
bin mit Minûlîth gegangen. Ich wollte dich nicht wecken.
Wir sehen uns spätestens beim Fürsten.

Die Zungenspitze zwischen die Lippen geschoben, setzte Narissa nach kurzer Überlegung noch einen weiteren Satz hinzu.
Du bist niedlich wenn du schläfst, falls ich dir das noch nie gesagt habe.
Sie ließ das Papier auf dem Tisch liegen, und schlich, ihre Kleidung an sich gepresst, auf nackten Füßen zur Tür hinaus. Natürlich hätte sie zumindest ihre Unterwäsche schon anziehen können, fiel ihr ein, während sie vollkommen nackt durch den verlassenen Flur schlich. Doch sie hatte Glück. Niemand versuchte in diesem Augenblick diesen Weg zu nehmen, und sie gelangte ohne Zwischenfälle bis zu ihrem Zimmer.
Dort angekommen stellte Narissa fest, dass ihre Reisekleidung verschwunden war - vermutlich um gewaschen zu werden, und das war auch besser so. An ihrer Stelle war zur ihrer Erleichterung kein Kleid bereitgelegt worden, sondern im Grunde ihre übliche Kleidung, nur in den blau-silbernen Farben Dol Amroths. Nachdem sie sich angezogen hatte und ihre von der Nacht zerzausten Haare ein wenig geordnet hatte, trat Narissa wieder hinaus auf den Flur, wo Minûlîth sie bereits erwartete.
"Früher musste immer meine Schwester für mich Schmiere stehen", sagte sie, mit einem nostalgischen Funkeln in den Augen. Narissa hakte sich bei ihrer Tante unter, und folgte ihr den Gang hinunter, an weiteren Türen vorbei. Nach rechts gingen verglaste Fenster auf die Bucht hinunter, doch durch sie war nicht viel mehr als Grau zu sehen. Es versprach ein trüber Tag zu werden.
"Wieso?", fragte Narissa nach, und Minûlîth lächelte ein wenig wehmütig. "Als dein Onkel und ich und kennenlernten, lebte mein Vater noch. Er war nicht besonders begeistert von Thorongil - Tayyad, wie er sich damals öffentlich nannte. Er hielt ihn für einen nutzlosen Rumtreiber, der natürlich niemals gut genug für seine Töchter sein könnte. Das hat Thorongil natürlich nicht davon abgehalten, mich zu besuchen, selbst wenn mein Vater ausnahmsweise einmal zuhause war. Zum Glück konnte ich mich auf Lóminîths Hilfe verlassen."
Sie bogen um die Ecke in einen breiteren Flur mit einem Teppich im allgegenwärtigen Blau und Silber ab.
"Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, dich hier zu sehen", wechselte Narissa das Thema. "Ist mein Onkel auch hier?"
"Ja. Und Túor auch." Bei der Erwähnung ihres Sohnes lächelte Minûlîth. "Die beiden sind noch früher auf gewesen als ich, und sind zum Hafen hinunter gegangen, um sich Schiffe anzusehen. Dafür wissen sie noch nichts von eurer Ankunft."
"Wie hast du überhaupt davon erfahren?", fragte Narissa. "Und wie kommt es, dass ihr hier in Dol Amroth seid?"
Minûlîth wirkte belustigt. "Ich hatte ja gehofft, zuerst mit den Fragen an der Reihe zu sein, aber ich hätte es besser wissen müssen." Inzwischen hatten sie einen kleinen Innenhof mit einem Springbrunnen erreicht, den sie überquerten bevor sie in den nächsten langgestreckten Flur auf der anderen Seite eintraten. "Zu deiner ersten Frage: Ich bin einem sehr freundlichen Herrn namens Mithrandir begegnet, der eine Menge zu wissen schien, und der mir von eurer Ankunft erzählt, und mir gleichzeitig einen Eid abgenommen hat, mit niemandem darüber zu sprechen." Sie beugte sich ein wenig näher zu Narissa herüber, und fügte im Flüsterton hinzu: "Heißt das, dass ihr Erfolg hattet?"
Narissa verzichtete auf eine wörtliche Antwort, sondern nickte nur kurz, wobei sie sich ein stolzes Lächeln nicht verkneifen konnte. Minûlîth blieb stehen, zog Narissa in eine kurze, aber feste Umarmung. Als sie wieder los ließ, glänzten ihre Augen, und sie lächelte.
"Und um deine zweite Frage zu beantworten... ", fuhr sie fort, als wäre nie etwas gewesen. "Meine Schwester heiratet in ein paar Tagen Valion vom Ethir, und da wollten wir dabei sein."
"Valion?", fragte Narissa. "Ich glaube, dem sind wir gestern begegnet. Er ist uns in der Stadt über den Weg gelaufen, und hat uns zum Palast begleitet."
Minûlîth wirkte aus irgendeinem Grund nicht sonderlich glücklich über diese Erkenntnis. "Er ist ein guter Mann", sagte sie. "Und er hatte einen nicht unbedeutenden Anteil daran, dass niemand aus meiner Familie in Umbar gestorben ist - und daran, Prinzessin Lóthiriel aus der Gefangenschaft zu retten. Aber..." Minûlîth seufzte leise. "Ich fürchte was er weiß, erfährt auch bald meine Schwester, und..."
Sie brach ab.

Bevor Narissa die Frage stellen konnte, die ihre auf der Zunge lag, erreichten sie das offenstehende Haupttor des Palastes, wo sie beinahe mit einem hochgewachsenen Mann zusammengestoßen wären. Der Mann verneigte sich entschuldigend, wobei ihm die schwarzen Haare ein wenig ins Gesicht rutschten, und sagte: "Bitte entschuldigt. Ich war in Gedanken, und habe euch nicht gesehen."
Minûlîth winkte großzügig ab. "Macht euch darum keine Gedanken. Wir waren so in unser Gespräch vertieft, dass wir euch ebenfalls übersehen haben."
Sobald der Mann den Kopf gehoben und die Haare aus dem Gesicht zurückgestrichen hatte, war Narissa aufgefallen, dass sein linkes Auge von einer schwarzen Augenklappe bedeckt war, was sein eigentlich gut aussehendes Gesicht ein wenig wild wirken ließ. Sein Lächeln war allerdings offen, und er erwiderte: "Dann ist es gut, dass wir alle gerade noch rechtzeitig unsere Augen geöffnet haben." Bei dem Wort Augen zuckte sein Mundwinkel ein winziges bisschen, als wäre es ein unbedachter Ausdruck gewesen, der ihm selbst Schmerzen bereitete. Doch sein Lächeln fing sich schnell wieder, als er hinzufügte: "Ich erinnere mich an euch, Herrin Melíril, doch ich fürchte, eure Begleiterin noch nie gesehen zu haben."
"Mein Name ist Narissa", erklärte Narissa. "Min- Melíril ist meine Tante. Also, die Frau meines Onkels. Thorongil. Er..." Sie brach mit einem frustrierten Laut ab. Höfliche Förmlichkeiten würden wohl nie ihre Stärke werden.
"Hilgorn Thoron, zu euren Diensten", stellte sich ihr Gegenüber formvollendet vor, und fügte in verschwörerischem Tonfall hinzu: "Unter uns gesagt, die höfische Ausdrucksweise ist nicht gerade meine Stärke." Er wandte sich wieder Minûlîth zu. "Ich bin eurem Gemahl und eurem Sohn auf dem Weg hierher begegnet. Ich habe mit eurem Gemahl bereits darüber gesprochen, aber... Nun, jedenfalls habe ich einen Neffen und eine Nichte - jetzt eher meine Stiefkinder - die in einem ähnlichen Alter sind wie euer Sohn. Ich weiß nicht, wie lange ihr in Dol Amroth bleiben werdet, doch sollte euer Sohn sich einsam fühlen... vielleicht könnten sie Freunde werden."
"Ich danke euch für das Angebot", erwiderte Minûlîth. "Und ich werde Túor danach fragen."
Hilgorn verbeugte sich erneut. "Ich fürchte, ich muss jetzt weiter, sonst komme ich zu spät. Auf Wiedersehen." Damit eilte er in den Palast hinein, seine langen Schritte auf dem hellen Marmor der Eingangshalle widerhallend.

Narissa und Minûlîth traten auf den Vorhof des Palastes hinaus, und Minûlîth führte sie durch das äußere Tor hindurch, und dann eine gepflasterte Gasse direkt unterhalb der Mauer hinab, bis ans Ufer der Bucht heran. Hier lag, ein wenig versteckt in einer Einbuchtung der Felsplatte, auf der der Palast und Teile der Stadt erbaut waren, eine kleine Anlegestelle, von der aus vermutlich die Adligen von Dol Amroth in sichereren Zeiten mit kleinen Booten auf die Bucht in See stechen konnte. Minûlîth zog Narissa auf eine niedrige Mauer neben sich, sah sich um und sagte dann: "Ich glaube, hier sind wir ungestört. Erzähl."
Also erzählte Narissa, wie die Reise nach Mordor verlaufen war - in Kurzfassung. Dennoch ließ sie nichts wichtiges aus, bis auf das, was in Durthang geschehen war. Als sie fertig war, schüttelte Minûlîth ungläubig den Kopf. "Wenn du nicht hier sitzen würdest, würde ich die ganze Geschichte für ein Märchen halten."
Narissa musste grinsen, und lehnte den Kopf gegen den Felsen hinter ihr. "Mir geht es nicht viel anders. So richtig kann ich immer noch nicht glauben, dass wir es wirklich getan haben."
Sie schwiegen einen Moment, bevor Narissa die Frage stellte, die ihr noch immer auf den Lippen brannte: "Was ist schlimm daran, wenn deine Schwester erfährt, was passiert ist? Misstraust du ihr?"
Minûlîth seufzte. "Nein, das ist nicht das richtige Wort. Ich liebe sie wirklich, aber... Lóminîth tut nichts, was ihr nicht zum Vorteil gereicht. Ich habe dir erzählt, wie sie mir geholfen hat, wenn Thorongil... zu Besuch kam." Narissa nickte, sie erinnerte sich an die Geschichte. "Sie hat mir zuverlässig geholfen und mich nie verraten, doch sie hat immer eine Gegenleistung der ein oder anderen Art von mir eingefordert. Immer. Und wenn sie die Wahrheit erfährt... ich glaube nicht, dass sie soweit gehen würde, uns an Mordor zu verraten. Nicht meine Schwester. Aber ich fürchte, dass sie unvorsichtig sein würde, was am Ende aufs gleiche hinauslaufen würde."
"Hm...", machte Narissa nachdenklich. "Vielleicht könnte Edrahil mit diesem Valion reden. Das müsste doch Eindruck machen."
Minûlîths Augenbrauen hatten sich misstrauisch zusammengezogen. "Edrahil? Aber er ist doch in Umbar."
Ihre Worte ließen Narissa stutzen. "Nein, er ist... er war gestern dabei, als wir beim Fürsten waren. Aber... er hat kein Wort zu Aerien oder mir gesagt, und er hat auch keine Regung gezeigt, als er uns gesehen hat."
"Das ist an sich nicht unbedingt bemerkenswert", meinte Minûlîth langsam. "Dieser Mann liebt seine Geheimnisse. Aber seltsam ist es doch - wieso sollte er einfach so zurückkehren, ohne seine eigene Aufgabe zu erfüllen? Das passt nicht zu ihm."
"Ich werde mit ihm reden", sagte Narissa kurzentschlossen. "Dann finde ich schon raus, was los ist."
"Tu das", erwiderte Minûlîth, doch sie wirkte besorgt. "Aber tu es am besten nicht alleine. Falls tatsächlich irgendetwas an der Sache faul ist, wärst du alleine in Gefahr."
"Aerien wird mich begleiten", stellte Narissa wie selbstverständlich fest, und musste erneut lächeln. "Ich glaube nicht, dass sie mich alleine gehen lassen würde."
"Wo wir gerade davon sprechen..." Minûlîth blickte zum Himmel auf, wo die Sonne blass durch die Wolken schien. "Wir sollten uns besser auf den Rückweg machen. Denn egal was für Heldentaten man auch vollbracht haben mag: Einen Fürsten lässt man am besten nicht warten."
Titel: Ein Frühstück mit dem Fürsten
Beitrag von: Fine am 5. Aug 2020, 13:22
Die Sonne, die durch das kleine Fenster hereinfiel, weckte Aerien. Sie stellte fest, dass sie auf dem Bauch lag, was so gar nicht zu ihren normalen Schlafgewohnheiten passte. Schon immer hatte sie am liebsten auf der linken Seite geschlafen. Da fiel ihr wieder ein, dass Narissa spät Abends zu ihr gekommen war.
"'Rissa?" murmelte sie undeutlich und tastete mit der Hand über die Matratze. Aber ihre Finger griffen ins Leere. Verschlafen setzte Aerien sich auf, das dunkle Haar fiel ihr unordentlich über Stirn und Gesicht. Sie strich sich die Strähnen etwas unwillig hinter die Ohren und musste feststellen, dass Narissa fort war, ebenso wie deren Kleider.
Wo ist sie denn so früh bloß hingegangen? fragte sie sich. Ohne dass sie dagegen etwas tun konnte, stiegen leise Stimmen in Aerien auf die ihr einzureden versuchten, Narissa hätte Geheimnisse vor ihr. Sie verscheuchte diese Gedanken mit einem energischen Kopfschütteln und begann dann, sich für das Frühstück mit dem Truchsessen Gondors präsentabel zu machen.

Erst als sie beinahe fertig war, entdeckte sie den Zettel, auf dem in Narissas unordentlicher Schrift etwas gekritzelt stand. "Bin mit Minûlîth gegangen?" las Aerien fragend vor. "Minûlîth ist hier?" Sie schlüpfte in ein Kleid, das wohl der Hofstracht von Dol Amroth entsprach, denn es war hellblau, mit silbernen Stickereien und einem Ziersaum aus weißen Schwansymbolen am Rock und an den Ärmeln. Woher die Dienstmädchen ihre Maße kannten, fragte Aerien sich gar nicht erst - wenn Minûlîth wirklich in der Stadt war, waren solche Dinge nicht sehr verwunderlich.
Zwei Pagen wiesen ihr freundlicherweise den Weg zum Solar des Fürsten. Beide schienen von Aeriens Anblick recht angetan zu sein, was sie selbst ein wenig verlegen machte. Die Jungen waren natürlich weder in ihrem Alter, noch ihr Typ. Aber sie konnte dennoch nicht ganz verhindern, dass sie sich etwas geschmeichelt fühlte. In Durthang hatte sie gelernt, solcherlei Zuneigung für ihre Zwecke auszunutzen. Doch mittlerweile kam ihr diese Vorgehensweise so absurd vor, dass sie beinahe laut gelacht hätte.
"Wenn ich es dir doch sage, Edrahil. Hast du dir in Umbar irgendwo den Kopf gestoßen? Es passt nicht zu dir, so ein Detail einfach zu vergessen." Als Aerien diese Stimme hörte, sah sie wie Valion vom Ethir vor ihr um eine Ecke bog, in Begleitung Edrahils, der sich auf seinen Stab stützte. Sie war erstaunt, dass die beiden sich kannten und blieb stehen. Da hatte der impulsive Valion sie bereits entdeckt und kam auf Aerien zu, sein Gesprächsthema mit Edrahil beiseite lassend. "Guten Morgen, Aerien!" grüßte er sie gut gelaunt.
"Ich freue mich, Euch zu sehen, Meister Valion," sagte Aerien und machte einen angemessenen Knicks. Immerhin war dies ein Lehnsfürst Gondors, auch wenn sein Erbland wohl im derzeit von Mordor besetzten Gebiet des Reiches lag.
Eine breite Hand legte sich auf Aeriens Kopf und wuschelte ihr durch das sorgfältig in Form gebrachte Haar, und sie hörte Valion lachen. "Meister Valion?" wiederholte er. "Ich sagte doch, du sollst diesen förmlichen Kram sein lassen, Kleine." Sie schaute auf und sah, wie er breit grinste. "Ich bin Valion... mehr nicht. Wenn du schon jemandem mit Meister anreden willst, dann spare dir das für Edrahil auf."
"Du solltest nicht ihre offensichtlich gute Erziehung und vorbildliche Manieren untergraben," sagte Edrahil streng.
"Ihr beiden kennt euch?" wollte Aerien zaghaft wissen.
"Lange Geschichte," winkte Valion ab. "Wenn du möchtest, erzähle ich dir alles, was du über unseren alten Griesgram wissen willst, aber... "
"Der Fürst wartet," sagte Edrahil kühl. "Wir werden uns verspäten."

Tatsächlich trafen sie noch genau rechtzeitig ein. Eine kleine Glocke aus Silber schlug, als die drei Menschen in den privaten Gästesaal der Fürstenfamilie kamen. Gandalf, Aragorn, Amrothos und Irwyne waren bereits anwesend und hatten an einer langen Tafel Platz genommen, auf der ein ausgiebiges Frühstück aufgetischt worden war. Am Kopfende des Tisches saß Fürst Imrahil, und neben ihm seine Ehefrau, die, wie Aerien aufgeschnappt hatte, im Volksmund "Fürstin Silberglanz" genannt wurde. Neben der Fürstin saß eine Frau, die wie eine jüngere Ausgabe von ihr aussah - Aerien erkannte sie sofort als Amrothos' Schwester, Lothíriel. Und neben der Prinzessin saßen Minûlîth, und... Narissa.
Narissa! dachte Aerien, und in dem Augenblick drehte Narissa ihr den Kopf zu und winkte sie eifrig zu sich hinüber. Gerade noch rechtzeitig, denn als Aerien den freien Stuhl neben Narissa erreichte, entdeckte sie einen der anderen Würdenträger Gondors - Golasgil von Anfalas, wie sie später erfuhr - der wohl ebenfalls denselben Sitzplatz angestrebt hatte. Er neigte respektvoll das Haupt und ließ Aerien den Vortritt.
"Oh - danke!" sagte sie und nahm mit einem Lächeln Platz.
"Wie könnte ich einer Heldin Gondors den Vortritt verweigern?" sagte Golasgil schmunzelnd und wählte dann stattdessen den Sitzplatz neben Aerien. Auch Valion und Edrahil hatten mittlerweile Platz genommen - beide saßen genau gegenüber von Aerien und Narissa - und somit schien die Tafel vollständig zu sein.
Fürst Imrahil schien bereits über so manches Detail im Bilde zu sein, unter Anderem über Minûlîths Wissen über Narissas und Aeriens Reise, was wohl die Anwesenheit der Herrin des Turms an der Tafel erklärte. Von Thorongil hingegen fehlte jegliche Spur, auch der kleine Túor war nicht zu sehen. Aerien fragte sich, ob die beiden überhaupt in Dol Amroth waren. Ehe sie Minûlîth jedoch danach fragen konnte, nahm der amtierende Truchsess Gondors, Imrahil, das Wort.
"Ich hoffe, ihr hattet eine ruhige Nacht, meine Freunde. Bitte, esst und seid frohen Mutes. Gondors Stern scheint heute heller denn je zuvor, seit dem Fall der östlichen Lehen. Es wird viel zu besprechen geben, doch zunächst sollten wir uns stärken. Und während wir das tun, wird Mithrandir uns allen erzählen, wie es dazu gekommen ist, wir heute hier mit dem rechtmäßigen König der Erben Númenors zu Tisch sitzen können."
Aerien schaute erstaunt zu dem Zauberer hinüber, ihrem Blick mit einem zufriedenen Anheben der linken Augenbraue begegnete, ehe er zu sprechen begann. "Euch allen ist die Insel Tol Thelyn ein Begriff," sagte Gandalf. "Einer ihrer Söhne, Arandir der Wanderer, fand vor Jahrtausenden einen verborgenen Weg nach Mordor hinein, der selbst den Weisesten nicht bekannt war. Auch Sauron war sich dieses Weges nicht gewahr. Unzählige Jahrhunderte schlummerte Arandirs Geheimnis, bis es seinen Weg in die Hände Narissas fand, die wie Arandir aus dem Haus der Turmherren stammt. Als bekannt wurde, dass der dunkle Herrscher Gondors König in seinem Turm gefangen hielt, wurde das Schicksal von Arandirs Weg offenbart. Narissa tat sich mit Aerien zusammen, deren Wissen sich als unschätzbar erweisen sollte, und so beschlossen sie, den Gefangenen Saurons zu befreien. Sie gingen nicht allein, sondern hatten Hilfe von vielen Seiten - die Thelynrim der Weißen Insel versorgten sie mit einem Schiff und Proviant; ein Abtrünniger der Menschen Mordors leitete sie auf ihrem Weg durchs Schattenland, und.. .ein guter Freund von mir lieh ihnen in Mordor seine Kraft und seine Findigkeit."
Aerien staunte. Gandalf schien vieles zu wissen, was er nur von Narissa oder von ihr selbst erfahren haben konnte. Außer Gimli hatten die Mädchen nämlich niemandem die genauen Details ihrer Reise nach Mordor erzählt... "Gimli!" entfuhr es ihr leise, und Narissa nickt bestätigend, als sie den Namen hörte. "Er muss es Gandalf erzählt haben," flüsterte sie, ehe Gandalf weitersprach. Der Zauberer hielt sich zwar kurz, dennoch brauchte er eine halbe Stunde, um die wichtigsten Ereignisse von Narissas und Aeriens Weg von Tol Thelyn über Harondor, Mordor, Ithilien, Anórien und schließlich Rohan bis nach Dol Amroth zusammenzufassen. In der Zwischenzeit hatten alle anderen ihr Frühstück beendet, blieben aber sitzen, da weder Aragorn noch Fürst Imrahil sich erhoben hatten.
"Ihr fandet diese... Karte zu Arandirs Weg," sagte der Fürst von Dol Amroth und blickte dann seine Tochter an. "Haben wir nicht von dir, Lothíriel, etwas Ähnliches gehört, nach deiner Rückkehr aus Umbar?"
Die Prinzessin nickte. "Als man mich aus den Verliesen Hasaels befreite, entwendete der Schreiber-"
"Bayyin," warf Narissa ein.
"-Bayyin," wiederholte Lothíriel ruhig. "Er entwendete die Karte aus der Bibliothek Umbars, soweit ich weiß. Ich nehme an, er hat sie entschlüsselt."
"So ist es," sagte wieder Narissa. "Aber die Idee, Arandirs Weg zur Befreiung Aragorns zu benutzen, stammte nicht von Bayyin."
"Sondern von wem?" wollte die Fürstin Silberglanz wissen.
"Es war Ed-" sagte Aerien, und riss überrascht die Augen auf, als sich Narissas Hand auf ihren Mund legte.
Minûlîth beugte sich leicht vor und schaute zu Gandalf hinüber. Ihr Blick sagte Aerien, dass beide etwas zu wissen schienen, was den meisten anderen noch verborgen blieb. "Der Verantwortliche soll selbst erklären, wie er auf die Idee gekommen ist. Immerhin hat er dadurch einen nicht zu vernachlässigenden Anteil am Ruhme der Rückkehr des Königs."
Ratloses Schweigen antwortete ihr. Dann endlich rührte sich Edrahil, gerade als Aerien zu dem Glauben gekommen war, der alte Spion wäre im Sitzen mit offenen Augen eingeschlafen.
"Es war selbstverständlich... mein Vorschlag," sagte Edrahil.
Doch sein Zögern hatte zu lange gedauert. Etwas musste mit Edrahil geschehen sein, denn der Mann, den Aerien auf der Insel kennengelernt hatte, hätte deutlich schneller, und verärgerter reagiert, und hätte den Ruhm unwirsch zurückgewiesen. Minûlîth schien derselben Meinung zu sein. Sie erhob sich und legte die Hände zusammen. Sofort tauchten in den beiden Zugängen zur Halle bewaffnete Soldaten auf. Als auch Gandalf aufstand, und die anderen Anwesenden begannen, überrascht und wild durcheinander zu reden, starrte Aerien in Edrahils Richtung und... die Zeit schien mit einem Mal still zu stehen.

Alle Farben verblassten und der Raum wurde grau. Ein düsterer Nebel breitete sich aus. Niemand bewegte sich, und nach und nach verblassten die Menschen rings um Aerien, einer nach dem anderen, bis es nichts mehr gab als sie selbst, ihren Stuhl, den Tisch vor sich und... Edrahil auf der anderen Seite der schmalen Tafel. Er sah sie an... und als er sprach, erklang seine Stimme in Aeriens Kopf.
Hast du wirklich geglaubt, du wärest entkommen, Azruphêl?
Dachtest du, die Augen des Dunklen Turmes wären blind?
Ich wusste, dass du ihn hier her bringen würdest.
Ich habe euch erwartet.

Sie konnte sich nicht rühren. Die Stimme war wie flüssiges Eis in Aeriens Ohren. Sie erschauerte bis aus Mark, als sie sie erkannte.
Nein, du... du bist tot, keuchte sie in ihren Gedanken auf.
Tot? Ein schrilles Lachen erklang und Edrahils Gesicht schien zu schmelzen, als es sich langsam und grauenhaft umformte. Zu Metall wurde. Eine abscheuliche stählerne Maske bildete sich heraus. Die Maske des Bleichen Herolds. Es bedarf mehr als der Klinge eines erbärmlichen Verräters um mich zu töten. Der Tod ist auf meiner Seite, Azruphêl. Du gehörst mir.
Die toten Augen des Herolds leuchteten feurig leuchtend hinter seiner Maske auf, und schneller als eine Schlange schoss er über den Tisch hin auf sie zu, ein langes Messer in der Hand.

Ein langgezogener Schrei durchbrach die Starre und Aerien war es, als ob der Nebel um sie herum wie Glas zersplitterte. Es war Narissa, die entsetzt aufgeschrien hatte. Aerien konnte sich wieder bewegen, und sah, wie Edrahil über den Tisch hinweg auf sie zusprang, als wäre sein Gebrechen wie durch ein Wunder verschwunden. Der Dolch in seiner Hand hätte sich in Aeriens Herz gebohrt, wenn nicht in diesem Augenblick zwei Dinge geschehen wären. Etwas sirrte unglaublich nahe an Aeriens Gesicht vorbei, und kaum einen Sekundenbruchteil später blitzte ein blendend helles Licht auf, begleitet von einem lauten Donnerschlag und einem Krachen von berstendem Holz.
Als Aerien die Augen wieder öffnete, lag vor ihr auf dem Tisch - oder was von dem Tisch übrig war, denn er war in zwei Hälften gespalten worden - der rauchende Leichnam Edrahils. In seinem Hals steckte ein Wurfmesser, das bis zum Anschlag eingedrungen war. Als Aerien sich das Gesicht näher ansah, stellte sie fest, dass die Gesichtszüge nun keinerlei Ähnlichkeit mehr mit Edrahil hatten.
Jemand trat neben sie. Es war eine Frau mit dunkelbraunen Haaren und Augen, die beinahe dasselbe Kleid trug wie Aerien selbst. "Sieht aus als wäre meine Hilfe gar nicht vonnöten gewesen," sagte sie trocken und schaute ungerührt auf die Leiche herab, dann zog sie das Wurfmesser heraus. Es war Ta-er as-Safar.
"Es ist gut zu wissen, dass mehr Augen über Aerien wachen, als selbst mir klar war," sagte Gandalf, der nun den Tisch umrundete. Sein Stab strahlte eine gewisse Wärme aus, und wie Aerien bald schon von Narissa erfuhr, war der Zauberer für den Blitzschlag verantwortlich gewesen.
Valion vom Ethir versetzte der Leiche einen Fußtritt und diese rollte an Aerien vorbei und blieb auf dem Rücken liegen. "Das... ist verdammt noch mal nicht Edrahil," sagte der junge Adelige und sprach damit aus, was allen inzwischen klar geworden zu sein schien.
"Ich hatte es befürchtet," sagte Minûlîth.
"Wie ist das möglich?" wollte die Fürstin Silberglanz wissen.
"Dies ist das Werk des Bleichen Herolds," sagte Gandalf. "Er hat diesen Menschen behext und mit den dunklen Künsten sein Aussehen so verändert, dass die Täuschung beinahe perfekt war. Dies war von langer Hand geplant, wie es mir scheint."
Amrothos sagte leise: "Ich glaube... das war es, was... auch mit Hilgorn geschehen sollte..."
"Sauron weiß, dass wir hier sind," sagte Aragorn leise, dann erhob er sich. "Das bedeutet, das Versteckspiel ist vorbei."
Imrahil nickte. "Ich bin froh, dass dieser Verrat aufgedeckt wurde, ehe noch mehr Schaden angerichtet werden konnte."
Narissa, deren Schultern zitterten, sprang auf Aerien zu und drückte sie so fest an sich, dass es beinahe weh tat. Aber nur beinahe. "Ich... ich lass' dich nie mehr aus den Augen, hörst du!" sagte sie mit belegter Stimme, und Aerien glaubte bereits, Narissa würde in Tränen ausbrechen.
"Es... ist mir nichts passiert," sagte sie beruhigend und legte die Arme um Narissa.
"Was für ein Aufruhr am frühen Morgen," sagte Valion, der sich ziemlich fassungslos über den Nacken strich. "Ich hoffe, der Tag hat nicht noch weitere böse Überraschungen zu bieten."
Titel: Die graue See
Beitrag von: Fine am 3. Dez 2020, 15:59
Aerien stand auf einem der vielen Balkone des Fürstenpalastes und ließ ihren Blick über die Bucht von Belfalas schweifen, die sich vor ihr nach Westen und Süden hin ausbreitete. Es war kalt, denn selbst hier im Süden Gondors, wo die Winter mild waren, lag eine kühle Luftschicht wie ein unsichtbares, kaltes Netz über dem Land und sorgte dafür, dass Aeriens Nase und Ohren eine rötliche Färbung angenommen hatten. Sie schlang ihren Umhang enger um ihre Schultern. Zwar er mit einem Pelzrand besetzt, doch sie trug darunter nur das feine Kleid, das auf Minûlîths Befehl in ihrem Zimmer für sie bereitgelegt worden war. Kälte kroch langsam ihre Beine hinauf. Aber hineingehen und sich wärmen wollte sie nicht.

Düstere Gedanken plagten Aerien, als sie auf das Meer hinausblickte. Es kam ihr grau und unbarmherzig vor. Wird es jemals aufhören? fragte sie sich. Der Bleiche Herold ist am Leben, obwohl Karnûzîr ihn getötet hat. Ich habe ihn mit eigenen Augen sterben sehen, aber dennoch kann er mich selbst hier, in der sichersten Festung Gondors noch erreichen und mir nach dem Leben trachten. Werde ich jemals wirklich in Sicherheit sein?
Sie dachte an Tol Thelyn. Auch die Weiße Insel war bereits zweimal angegriffen worden, einmal von Sûladan und einmal von Karnûzîr. Ihre Lage war längst kein Geheimnis mehr, weder in Harad noch in Gondor. Wohin ich auch gehe... die Schatten Mordors werden mir folgen, und Leid über die Menschen bringen, die mich aufnehmen. Sie seufzte verzagt und fasste den Entschluss, ein Leben auf Wanderschaft zu verbringen, sofern die Heere des Dunklen Herrschers die Welt der freien Völker nicht überrannten.

"Dunkle Worte stehen dir ins Gesicht geschrieben, Mädchen," sagte eine Stimme, die sie nicht gleich erkannte. Aerien fuhr herum und fand sich Auge in Auge mit einer hochgewachsenen Frau mit silbrigem Haar und grauen Augen. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie die Fürstin Silberglanz, die Gemahlin Imrahils.
"Herrin," sagte sie hastig und machte einen Knicks.
"Mein Name ist Avórill von Dol Amroth," sagte die Fürstin und gesellte sich zu Aerien auf den Balkon. "Erzähl mir, was du hier tust, Aerien Bêlkali."
"Ich... ich denke nach, Herrin," antwortete Aerien stockend.
"Du machst dir Sorgen wegen des Angriffs vorhin, nicht wahr?" stellte Avórill fest, während sie die Hände hinter ihrem Rücken zusammenlegte.
"So ist es, Herrin," erwiderte Aerien wahrheitsgemäß.
"Erkläre mir, wie diese Täuschung bewerkstelligt worden ist. Sicherlich kennst du derlei Praktiken aus eigener Erfahrung, aus dem Schattenland?"
Aerien zuckte um eine Winzigkeit zusammen, doch dann nickte sie und verbarg ihr Unwohlsein. "Ja, Herrin. Eine solche Illusion wird Schleier der Schatten genannt und ist nur den erfahrensten Meistern der Dunklen Künste vorbehalten," erklärte sie mit leiser Stimme. "Um sie so täuschend echt hinzubekommen sind viele Monate der Vorbereitung notwendig. Außerdem muss der Anwender das Aussehen der Person, das sein Opfer annehmen soll, sehr genau studiert haben."
"Es würde mich wundern, wenn Edrahil so etwas zugelassen hätte," sagte die Fürstin. "Er war schon immer der vorsichtigste Mensch, den ich kenne."
"Auch ein sehr vorsichtiger Mensch braucht seinen Schlaf," erwiderte Aerien. "Und nachts sind die Dunklen Künste am stärksten, und ihre Anwendung gelingt am leichtesten."
"Ich verstehe," sagte die Fürstin knapp. "Dann erzähle mir, wie sich solche Schleier der Schatten erkennen lassen."
"Die Mittagssonne gibt die Täuschung oft preis," sagte Aerien und wagte einen Blick auf Avórill zu werfen. Die Fürstin blickte ebenso wie Aerien zuvor auf das Meer hinaus; ihr Blick war streng, aber nicht bösartig. "Deswegen zeigen sich jene, die unter dem Schleier wandeln, um jene Tageszeit für gewöhnlich nicht. Aber... Herrin...."
"Was ist, Mädchen?"
"Der Herold... er..."
"So sprich!" forderte die Herrin Silberglanz sie auf. "Nur heraus damit!"
Aerien schluckte und zwang sich dazu, ihren Verdacht zu äußern. "Er wird nun auf... andere Tricks zurückgreifen, fürchte ich. Es geht ihm um mich... solange ich hier bin, bin ich eine Gefahr für ganz Dol Amroth."
Fürstin Avórill wandte sich Aerien zu und musterte sie eine ganze Weile lang mit prüfendem Blick, ohne etwas zu sagen. Dann schüttelte sie sachte den Kopf. "Nun rede keinen Unsinn, Aerien. Du hast dem Feind bereits den schlimmsten Schaden zugefügt, zu dem du imstande warst, und hast dir damit nicht nur unseren Respekt erworben, sondern auch... dich der Gefahr entledigt, in der du geschwebt bist. Mordor braucht keine Ressourcen mehr zu verschwenden, um dich zu töten."
"Herrin, Ihr... versteht nicht, welchen Stellenwert... Rache für die Diener des Dunklen Turms besitzt."
"Oh, ich bin mit dem Konzept von Rache sehr gut vertraut," sagte die Fürstin. "Aber du hast es selbst gesagt: eine solch elaborierte Täuschung anzuwenden, um dir Schaden zuzufügen, würde Monate an Zeit kosten. Zeit, die Mordor nicht hat."
"Wieso nicht?" fragte Aerien atemlos.
"Weil wir ihnen diese Zeit nicht geben werden," antwortete die Fürstin zufrieden. "Du hast Gondor seinen König zurückgebracht, und damit auch seinen Mut. Die Zeit unseres Vormarsches steht kurz bevor, sobald Elessar wieder auf dem Thron sitzt. Du wirst hier sicher sein, Aerien. Du hast mein Wort... und dieses gebe ich nicht leichtfertig."
"Ich... ich danke Euch, Herrin," erwiderte Aerien leise und senkte das Haupt.
Anstatt einer Antwort fuhr ihr Fürstin Avórill einmal überraschend sanft mit der Hand über den Kopf, dann wandte sie sich ab und verschwand im Palast.

Mehrere Minuten blieb Aerien an Ort und Stelle stehen und hatte Mühe, ihre Gedanken zu ordnen. Mit einem Mal vermisste sie ihr Schwert - oder irgend eine andere Waffe - das sie schwingen und mit dem sie sich verausgaben konnte. Ihr war nicht mehr kalt; stattdessen kam es ihr vor, als füllte sich ihr Herz langsam mit neuer Entschlossenheit. Als sie auf das Meer hinausblickte, glaubte sie, inmitten des Graus einen feinen, silbrigen Glanz wahrzunehmen.
So fand Narissa sie kurz darauf. "Hier steckst du also," beschwerte die Weißhaarige sich, ehe sie Aerien eng umarmte. "Du bist einfach so verschwunden, und wenn dieser Valion mich nicht mit seinen Kriegsgeschichten unterhalten hätte, wäre es mir auch viel früher aufgefallen!"
"Tut mir Leid, 'Rissa... ich brauchte einfach etwas frische Luft, nach... nach all dem, was beim Frühstück passiert ist."
"Versteh' ich ja, wirklich... aber das nächstes Mal sagst du mir Bescheid, ehe du dich davonmachst, versprich's mir!"
"Ich verspreche es dir."
Narissa lächelte besänftigt und begann, Aerien eine Zusammenfassung der Geschichten zu geben, die sie von Valion gehört hatte. "Wusstest du," sagte sie und wurde erstaunlich rot, um dann kichernd fortzufahren, "dass Valions Zwillingsschwester es geschafft hat, Bayyin..." Den Rest flüsterte sie Aerien ins Ohr, welche daraufhin die Hände vor den Mund schlug und noch eine Spur roter als Narissa wurde. "Wirklich! Diese Zwillinge sind, dafür dass sie Adelige sind, ziemlich nach meinem Geschmack," fuhr Narissa fort. "Sie waren sogar schon auf der Weißen Insel!"
Als sie das sagte, legte sich ein seltsamer Ausdruck auf Narissas Gesicht, der ihr typisches Grinsen ein wenig schwinden ließ. Aerien drückte sie mitfühlend an sich und sagte: "Du hast Heimweh, nicht wahr?"
Narissa nickte zaghaft. "Ja... aber nicht nur das. Ich..." Sie schwieg eine lange Minute, dann wurde ihr Gesicht hart. "Es gibt da noch etwas, das ich... erledigen muss. In Harad."
"Du willst zurück? So bald schon?" fragte Aerien erschrocken.
"Je länger ich zögere, desto schwerer wird es werden."
"Wovon sprichst du?" wollte Aerien beinahe tonlos wissen und blickte Narissa aus großen Augen an.
"Ich werde meinen Vater suchen und töten," antwortete Narissa leise. "Dafür was er meiner Mutter und meinem Großvater angetan hat. Ich muss es tun, und ich muss es bald tun."
Aerien sagte nichts. Ihr Herz wurde ihr wieder schwerer, denn sie hatte gehofft, eine Weile in Dol Amroth bleiben zu können, nun da die Fürstin ihr hier Sicherheit versprochen hatte.
So kam es, dass einer der Pagen die beiden Mädchen fand, ehe sie ihr Gespräch fortführen konnten. "Der Fürst schickt nach Euch, edle Damen," sagte der Junge und überschlug sich beinahe bei seiner Verbeugung. "Er wünscht euch beide in der Großen Halle zu sehen."
Sie sahen einander an und ohne dass sie etwas sagen mussten, verstanden beide, dass sie ihr offenes Gespräch ein andermal fortführen würden. Sie folgten dem Pagen zurück ins Innere des Palastes.
Titel: Die Bitte der Attentäterin
Beitrag von: Fine am 14. Jan 2021, 07:27
Nach dem Tumult beim Frühstück hatte sich Valion eine ganze Weile mit Narissa unterhalten, dem weißhaarigen Mädchen das mit Mithrandir und Amrothos in die Stadt gekommen war. Sie erinnerte ihn mit ihrer quirligen und ruhelosen Art ein wenig an seine Zwillingsschwester, als sie in diesem Alter gewesen war. Der große Unterschied bestand allerdings darin, dass Narissa im Gegensatz zu Valirë den Fürsten und Rittern in ihrem Umfeld nur das Nötigste an Aufmerksamkeit zu schenken zu schien.
Beinahe eine ganze Stunde lang saßen sie beieinander und tauschten sich aus. Valion stellte fest, dass er das Mädchen wirklich gut leiden konnte. Ihre direkte Art zu denken passte zu seiner eigenen Herangehensweise, und als er erfuhr, dass sie die Nichte Thorongils von Tol Thelyn war, fielen ihm die Gemeinsamkeiten auf, die Narissa mit ihrem Onkel hatte. Er erzählte ihr von seinen Erlebnissen im Krieg gegen Mordor und seiner Reise nach Umbar, während sie ihm aufmerksam und voller Interesse zuhörte und oft Zwischenfragen stellte. Doch ehe Valion Narissa noch mehr kennenlernen konnte, beschloss diese, sich auf die Suche nach ihrer Freundin Aerien zu machen, die seit dem Angriff beim Frühstück verschwunden war.

Valion beschloss, nach seiner Verlobten zu sehen, doch auf dem Weg aus dem Palast hinaus lief ihm Ta-er as-Safar über den Weg, die ein Kleid in der Tracht von Dol Amroth in Silber und Blau trug und die noch immer das Wurfmesser in der Hand hielt, mit dem sie den falschen Edrahil aufgehalten hatte. Die Klinge war blutig, was Ta-er nicht im Geringsten zu stören schien.
"Einen Augenblick deiner wertvollen Zeit, wenn's dir genehm ist," sagte sie und lotste Valion in einen der verwaisten Seitengänge des Prinzenpalastes.
"Was gibt es denn? Neue Geheimnisse?" wollte er wissen.
"Nein. Keine Verschwörungen oder dergleichen. Nur eine simple Bitte."
"Nun gut. Dann lass mich diese Bitte hören."
"Ich brauche deine Hilfe, Valion," sagte Ta-er leise und ernst. "Umbar ist gefallen und der Krieg in Harad geht in die entscheidende Phase. Ich brauche jemanden dort, dem ich absolut vertrauen kann. Jemand, der nicht bereits in die verworrenen Streitigkeiten Harads verwickelt ist."
Valion zog verwundert die Brauen zusammen und warf ihr einen zweifelnden Blick zu. "Was genau verlangst du von mir?"
"Die Assassinen sind von der Bildfläche verschwunden, Valion. Seit ihrem Angriff auf Burj-al-Nar hat niemand etwas von ihnen gehört. Ich... fürchte das Schlimmste, seitdem der Schattenfalke in den Süden gezogen ist. Edrahil kehrte von dort ohne ihn zurück. Der Silberne Bogen ist in Gefahr..."
"Ta-er," sagte Valion ruhig und wiederholte seine Frage etwas deutlicher. "Was verlangst du von mir?"
"Dass du mit Narissa gehst und ihr dabei hilfst, Sûladan zu töten. Und dass du dafür sorgst, dass... Saleme entmachtet wird, am besten durch ihren Tod."
Valions Augen weiteten sich. Wieder einmal war er überrascht davon, wieviel Ta-er as-Safar wusste, obwohl sie keinen großen Wirbel darum machte. "Und du glaubst, dass ich dazu in der Lage sein werde? Oder dass Fürst Imrahil mich einfach so gehen lassen wird?"
"Die Erlaubnis mit Narissa nach Harad zu gehen zu erhalten ist Teil der Herausforderung, welche ich dich bitte, anzunehmen," sagte Ta-er. "Aber soweit ich verstehe weilt deine eigene Schwester in Umbar, an der Seite Erchirions."
"Ich habe das Kommando über Linhirs Garnison erhalten, wie du weißt..."
"Und du hast getan, weswegen du dorthin entsandt worden bist. Gondors General ist frei und bei guter Gesundheit. Er wird den Befehl wieder selbst aufnehmen wollen."
"Nun, da... hast du vermutlich recht," gestand Valion ihr ein.
"Jemand muss ein Auge auf Narissa haben, sonst rennt sie noch in ihr Verderben," fuhr Ta-er as-Safar fort.
"Das verstehe ich, aber... wieso ist sie dir so wichtig?"
Ta-er starrte ihn eine Weile lang an und blieb ihm die Antwort schuldig. "Wirst du es tun, oder nicht?" wollte sie schließlich wissen.
Valion begegnete ihrem Blick. Ein Mann von besonnenerem Gemüt hätte sich an seiner Stelle vermutlich jetzt Bedenkzeit erbeten, doch Valion hatte selten lange über Entscheidungen nachgegrübelt. Er traf sie, indem er auf sein Bauchgefühl vertraute. "Also gut. Ich werde tun was du verlangst."
Sein Gegenüber nickte und für einen kurzen Augenblick erschien es ihm, als huschte ein erleichtertes Lächeln über Ta-ers Lippen, die sonst stets von einem ruhigen, neutralen Ausdruck beherrscht wurden. "Möge dir Erfolg beschieden sein," murmelte Ta-er. "Dieser Krieg in Harad... er dauert bereits viel zu lange. Stell dir vor, was die Menschen erreichen könnten, wenn sie einem vereinten Ziel folgen würden..."
"Und welches Ziel wäre das?"
"Der Sturz des Dunklen Herrschers," antwortete sie prompt. "Er erwartet derzeit keinen Angriff aus dem Süden. Gegen den Osten geht er bereits vor... ich fürchte, die Zeit verrinnt schneller als angenommen, und sie spielt gegen die Haradrim. Eines nicht allzu fernen Tages werden die Horden Mordors sich gen Ain Séfra und Umbar wenden."
Valion verstand. Je eher der Bruderkrieg in Harad ein Ende fand, desto eher konnte Gondor auf eventuelle Entlastung im Krieg gegen Mordor hoffen. "Dann werde ich dafür sorgen, dass Sûladan fällt. Du hast mein Wort."
"Ich danke dir, Valion..." Ta-er nickte ernst, dann wandte sie sich ab und verschwand den Gang entlang.

Valion blieb eine Weile dort stehen und ging in Gedanken durch, was er nun alles zu erledigen hatte, ehe er Dol Amroth verlassen konnte. Er musste mit dem Fürsten sprechen... und mit seiner Verlobten. Er musste die Hochzeit, die Lôminîth und Valions Mutter geplant hatten, verschieben, falls es irgend möglich war. Er musste dafür sorgen, dass Hilgorn - oder jemand anderes - das Kommando über die Garnison von Linhir zurückerhielt. Und er musste mit Narissa über all dies sprechen.
Wie es der Zufall wollte, kamen in jenem Augenblick Narissa und Aerien den Gang entlang geeilt. Valion trat ihnen in den Weg, als er die Mädchen bemerkte.
"Auf ein Wort, Narissa," bat er.
"Wie? Valion? Ähm - nun gut, aber es muss schnell gehen! Der Fürst ruft uns alle zu sich in die große Halle, du wirst dort vermutlich ebenfalls erwartet."
"Ist das so?" wunderte sich Valion, doch dann nickte er. "Vermutlich wollen sie euren Freund Aragorn wieder offiziell auf den Thron setzen... was die Anwesenheit sämtlicher Lehnsfürsten Gondors erforderlich macht." Er grinste. "Und wenn der Herr des Ethirs fehlt, können sie nicht beginnen."
Aerien blickte etwas unbehaglich drein, anscheinend war es ihr unangenehm, zu spät zu kommen, doch Narissa musste lachen. "Ha! Gut mitgedacht. Also, was gibt es denn so Dringendes?"
"Ich weiß, dass du nach Harad zurückkehren wirst," begann Valion und er sah, wie die beiden Mädchen einen erstaunten Blick miteinander wechselten. "Ich bitte um deine Erlaubnis, dich zu begleiten und dir zu helfen... Sûladan zu töten."
Narissa gab ein überraschtes Keuchen von sich. "Woher..."
Aerien schob Narissa beiseite und stellte sich schützend vor sie. Misstrauisch starrte sie Valion an. "Wir haben genug Verrat erlebt um eine so offensichtlichen Falle zu erkennen wenn sie uns gestellt wird," sagte sie kalt. "Ich lasse nicht zu, dass Narissa in noch größere Gefahr gerät als sie dieses Unterfangen es ohnehin schon tut."
"Ich weiß es von Ta-er as-Safar," sagte Valion rasch. "Und ich will dir wirklich helfen, Narissa. Meine Zwillingsschwester ist in Umbar, und ich bin mir sicher, dass sie sich der Mission anschließen wird wenn sie davon hört. Drei Klingen sind tödlicher als nur eine, und je eher Sûladan aus dem Weg geräumt ist, desto eher wird es für Gondor eine Entlastung im Krieg geben."
"Nein," sagte Narissa scharf. "Ich werde diejenige sein, die ihn tötet. Er gehört mir."
"Narissa..." setzte Aerien leise an.
"Du kannst mit mir kommen, wenn du es mir so aus freien Stücken anbietest," fuhr Narissa fort. "Aber Sûladan gehört mir."
"Natürlich," antwortete Valion. "Ich werde ihn nicht anrühren. Aber du hast meine Schwerter, um dir den Weg zu ihm freizuräumen."
"Dann akzeptiere ich dich und deine Klingen gerne," sagte Narissa, und schien bemüht, erst gar keine Diskussion über ihre Entscheidung zu ermöglichen. "Und jetzt sollten wir zum Fürsten, ehe er noch beschließt, dich deines Amtes zu entheben."
Valion nickte, doch als er Aerien ansah, starrte sie ihm mit demselben Blick entgegen, den er von seiner Verlobten nur allzu gut kannte: in ihren grauen Augen leuchtete gut kontrollierter, lodernder Zorn, den ihr Gesichtsausdruck nur begrenzt preisgab. Er hatte das eindeutige Gefühl, dass es darüber noch eine ganze Menge zu reden geben würde...
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 16. Jan 2021, 11:04
Hilgorn musste sich zwischen zwei edel gekleideten Adligen hindurchzwängen, um die große Halle des Fürsten zu betreten, was ihm böse Blicke von beiden eintrug. Faniel folgte ihm und lächelte den beiden Männern entschuldigend zu, was sie offenbar ein wenig besänftigte. Ein Bote Lóthiriels hatte sie beide zum Palast gerufen, allerdings ohne Näheres über den Anlasse zu verraten. Angesichts der Tatsache, dass nahezu jeder von Rang und Einfluss sich in der Halle eingefunden hatte, musste allerdings etwas wichtiges bevorstehen.
Hilgorn verschaffte Faniel und sich einen Platz auf der linken Seite der Halle in einer der vorderen Reihen. Direkt vor dem Sitz des Fürsten hatten sich die hochrangigen Fürsten Gondors versammelt - Imrahil stand unterhalb des Thrones, flankiert von seinen Söhnen Amrothos und Elphir. Als Elphirs Blick in Hilgorns Richtung fiel, hob er kurz die Hand zum Gruß. Hilgorn entdeckte außerdem die Fürsten Dervon vom Ringló, seinen Verwandten Ardamir von Belfalas und Elatan von den Pinnath Gelin. Amros von Edhellond war in ein Gespräch mit Golasgil von Anfalas und und Angbor von Lamedon vertieft. Der Anblick Duinhirs von Morthond, der ein wenig abseits mit Faltharan, dem Fürsten von Pelargir im Exil, stand, versetzte Hilgorn einen leichten Stich - immerhin hätte er um ein Haar Duinhirs Tochter auf dem Gewissen gehabt.
Über der ganzen Halle lag eine nervöse, aufgeregte Spannung, der sich auch Hilgorn nicht entziehen konnte. Die Anwesenheit fast aller überlebenden Lehensfürsten Gondors musste bedeuten, dass etwas überaus wichtiges bevorstand.
"Was glaubst du, wo Valion steckt?", flüsterte Faniel ihm ins Ohr. "Immerhin ist er doch auch einer der Fürsten, und wenn alle anderen hier sind..."
Hilgorns Mundwinkel zuckten amüsiert. "Vermutlich kommt er nur zu spät. Es würde..." An der Tür der Halle entstand ein wenig Unruhe, als Valion mit langen Schritten geradezu herein gestürmt kam, dicht gefolgt von zwei jungen Frauen. Hilgorn erkannte eine von ihnen als Narissa, die Nichte des Fürsten Thorongil von Tol Thelyn. "... ihm ähnlich sehen.", beendete er seinen Satz. Während Valion sich, ohne sich um die Unruhe, die er auslöste, zu kümmern, nach vorne zu den anderen Fürsten durchkämpfte, hatten Narissa und ihre Begleiterin offenbar Fürst Thorongil und seine Familie entdeckt, die auf der rechten Seite des Saales dicht an der Wand standen, und gesellten sich zu ihnen.
Als Valion die Gruppe der Fürsten erreicht hatte, nickte Imrahil knapp, und stieg die flachen Stufen zu seinem Sitz hinauf. Oben angekommen setzte er sich nicht, sondern blieb stehen, der Menge zugewandt und den Amtsstab der Truchsessen in der Hand. Schon bald hatte sich Stille in der Halle ausgebreitet, und der Fürst begann zu sprechen.
"Söhne und Töchter Gondors. Ich habe euch hier zusammengerufen, um euch etwas mitzuteilen. Am heutigen Tage lege ich, Imrahil, Adrahils Sohn, Fürst von Dol Amroth, die mir verliehene Macht als Truchsess von Gondor nieder."
Ein Raunen ging durch die Halle, während Imrahil eine Pause machte. Er zeigte ein kaum wahrnehmbares Lächeln.
"Dies hat einen einfachen Grund - es ist im Augenblick nicht nötig, das Amt des Truchsessen auszufüllen, denn... der König von Gondor, Aragorn Elessar, Arathorns Sohn, ist zurückgekehrt."
Wie auf einen Schlag verstummten sämtliche Geräusche in der Halle, und Hilgorn spürte, wie sich Faniels Hand um seine schloss und sie fest umklammerte.
Durch die schmale Tür unterhalb des Thronsitzes trat ein einzelner, dunkelhaariger Mann. Er trug keinen Schmuck und keine Krone, und einfache Gewänder wie sie für die Männer Dol Amroths übrig waren, doch obwohl sein Gesicht gezeichnet und zerfurcht war, erkannte Hilgorn den Mann, unter dessen Führung er in Pelargir und auf den Feldern des Pelennor gekämpft hatte, mit einem Blick wieder. Ohne einen weiteren Gedanken ging er auf die Knie, noch bevor der König die erste Stufe des Thrones erreicht hatte, und zog Faniel mit sich. Um ihn herum taten es ihm immer mehr unter den Anwesenden gleich, bis schließlich der ganze Saal kniete.
Aragorn erreichte die oberste Stufe, und nahm den Stab der Truchsessen, den Imrahil ihm darbot, entgegen. "Imrahil, Fürst von Dol Amroth und Truchsess von Gondor", sagte er mit tragender Stimme. "Unter eurer Führung hat Gondor dem Ansturm des Schattens bis heute widerstanden. Es wäre mir eine Ehre, wenn ihr dieses Amt weiterhin ausfüllen würdet, um zu Zeiten meiner Abwesenheit über das Reich zu regieren." Mit diesen Worten gab er Imrahil den Stab zurück, und der Fürst verneigte sich tief, bevor er die Stufen hinunterstieg und sich zu seinen Söhnen gesellte.
Aragorn ließ währenddessen den Blick über die Halle schweifen, und sprach weiter: "Bitte, erhebt euch. Jedem einzelnen von euch gebührt ebenfalls Dank, denn ohne eure Tapferkeit hätte es kein Gondor gegeben, in das ich hätte zurückkehren können." Er wartete einen Augenblick ab, bis sich alle wieder erhoben hatten und erneut Stille eingekehrt war. "Ihr werdet diese Tapferkeit weiterhin brauchen, denn ich fürchte, gefährliche Tage stehen uns bevor. Der dunkle Herrscher weiß um mein Entkommen aus Barad-Dûr, dem dunklen Turm. Wir sind uns außerdem sicher, dass er inzwischen weiß, dass ich nach Gondor zurückgekehrt bin, und sein Zorn wird schrecklich sein. Noch ist seine Kraft anderswo gebunden, doch schon bald wird sich seine volle Aufmerksamkeit wieder auf uns richten. Dann müssen wir bereit sein."
Er wechselte einen raschen Blick mit Imrahil. "Heere allein werden nicht genügen, um den Schatten abzuwehren. Darum rufe ich am heutigen Tag den Orden des geborstenen Schwertes ins Leben - zum Andenken an die Klinge, die geborsten war." Mit den letzten Worten zog Aragorn das Langschwert, dass er an der Seite trug, aus der Scheide, und hielt es nach unten gerichtet vor sich, sodass die Spitze leicht den Boden berührte. "Die Mitglieder dieses Ordens werden jene sein, die herausragende Taten im Krieg gegen den Schatten vollbracht haben - oder noch vollbringen werden. Sie werden an die gefährlichsten und dunkelsten Orte dieser Welt gehen, und den Kampf zum dunklen Herrscher selbst tragen. Es ist eine Ehre, und gleichzeitig eine Verpflichtung."
Aragorns Blick glitt zur rechten Seite der Halle hinüber, und er lächelte. "Die ersten beiden Mitglieder dieses Ordens sind bereits an den dunklen und gefährlichsten Ort dieser Welt gegangen, und nur ihretwegen stehe ich heute hier. Tretet vor, Narissa, Herlennas Tochter aus dem Haus Ciryatan von Tol Thelyn, und Aerien Bereneth."
Ein Raunen ging durch die Menge, und auf der rechten Seite der Halle entstand ein wenig Unruhe, bevor Narissa und die schwarzhaarige junge Frau, die mit ihr in die Halle gekommen war, vorgetreten waren. Wie auf ein Kommando blieben sie nebeneinander stehen, und sanken vor dem Thron auf die Knie.
Aragorn schüttelte leicht den Kopf, und ging langsam die Stufen hinunter, bis er vor den beiden stehen blieb. "Nein", sagte er, leiser, doch seine Stimme war noch im ganzen Saal zu hören. "Ihr kniet nicht vor mir. Ohne euch säße ich noch immer an der Spitze des Dunklen Turms und mein Geist würde früher oder später dem dunklen Herrscher erliegen und zerbrechen. Ihr habt mich vor diesen Schicksal bewahrt, und mir die Hoffnung zurückgegeben." Damit hob er erst Aerien, dann Narissa auf, und schloss beide nacheinander kurz, aber fest in die Arme.
Neben Hilgorn schniefte Faniel, und wischte sich mit der freien Hand kurz über die Augen. Als sie seinen Blick bemerkte, drückte sie seine Hand ein wenig fester.
Inzwischen hatten sich Aerien und Narissa hinter Aragorn zu Füßen des Throns postiert, und als Hilgorn auffiel, dass sie ebenfalls die Hand der jeweils anderen ergriffen hatten, wurde ihm schlagartig einiges klar.
Jetzt trat Imrahil an Aragorns Seite, und sagte laut: "Der König hat den Fürsten Gondors die Ehre erwiesen, selbst Mitglieder für den Orden des geborstenen Schwertes vorzuschlagen, die sich in den Jahren seiner... Abwesenheit durch Tapferkeit oder große Taten ausgezeichnet haben. Einer dieser Männer ist mein jüngster Sohn Amrothos."
Ein wenig zögerlich trat Amrothos vor, und sank dann vor dem König auf die Knie. Hilgorn konnte sein Gesicht nur kurz sehen, doch die Miene des Prinzen ließ eindeutig erkennen, dass der damit nicht gerechnet hatte. "Amrothos hat tapfer in jener Schlacht gekämpft, die die Belagerung dieser Stadt beendete, und auch wenn sein Weg ihn danach für einige Zeit fort von Dol Amroth und Gondor führte, kämpfte er doch immer auf unserer Seite - selbst im verlorenen Lothlórien." Bei den letzten Worten zuckte Aragorns Wangenmuskel, als wären sie schmerzhaft für ihn. Seine Stimme war jedoch unverändert, als er Amrothos aufhob und ihm beide Hände auf die Schultern legte: "Erhebe dich, Amrothos von Dol Amroth, Ritter vom geborstenen Schwert."
Als nächstes trat Fürst Duinhir von Morthond vor. "Es gibt einen aus unseren eigenen Reihen, den ich für würdig erachte, diesem Orden beizutreten." Er verzog ein wenig das Gesicht. "Allein schon, weil meine Tochter oft genug von seinen Heldentaten schwärmt."
Hinter Duinhir zuckte Valion, der gerade Elphir etwas zugeflüstert hatte, sichtlich zusammen, und Duinhir wandte sich mit einem ein wenig grimmigen Lächeln zu ihm um. "Ja, genau. Die Rede ist von dir, Valion vom Ethir." Wieder an die Menge gewandt, fur der Fürst von Morthond fort: "Valion hatte nicht unbeträchtlichen Anteil daran, einen Einfall von Orks in mein eigenes Fürstentum abzuwehren. Bevor aber jemand unterstellt, man müsste nur mein kleines Fürstentum retten - wie wohl den meisten bekannt ist, befreiten Valion und seine Schwester unsere allseits geliebte Prinzessin Lóthiriel aus der Gefangenschaft in Umbar und brachten sie zu uns zurück. Ich könnte noch ein bisschen länger mit der Aufzählung seiner Heldentaten verbringen, aber fragt ihn am besten selbst danach, er erzählt sie sicher gerne."
Nachdem auch Valion niedergekniet und von Aragorn in den Orden aufgenommen worden war, trat der zurück neben Amrothos, der ihm anerkennend auf die Schulter klopfte. Hilgorn musste bei dem Anblick lächeln. Valion mochte ungestüm und oft voreilig und unvorsichtig sein, doch Hilgorn verdankte ihm mehr als einmal sein Leben.
Gerade als Aragorn ansetzte, etwas zu sagen, trat Lóthiriel aus der Menge hervor.
"Verzeiht", sagte sie respektvoll. "Mein Vater vergisst es gerne, wenn es ihm passt, doch gehöre auch ich als Fürstin von Tolfalas zu den Fürsten Gondors." Imrahil warf ihr einen zornigen Blick zu, doch Aragorns Blick zeigte Interesse, und er bedeutete Lóthiriel fortzufahren.
"Auch ich habe einen Kandidaten für euren Orden", sprach Lóthiriel weiter. "Hilgorn Thoron, General von Dol Amroth."
Hilgorn war geneigt, seinen Ohren zu misstrauen, und offenbar ging es nicht nur ihm so. Fürst Duinhir hatte die Zähne fest zusammengebissen und blickte Lóthiriel ungläubig an, und auch die Gesichter einiger anderer Fürsten zeigten Unverständnis.
"Meine Tochter, hältst du das wirklich für eine gute Idee?", fragte Imrahil leise. "Hast du vergessen..."
"Ich habe nichts vergessen", unterbrach Lóthiriel ihn kurzerhand. "Wir sollten doch nicht vergessen, dass General Hilgorn gemeinsam mit Elphir für den Sieg in der ersten Schlacht von Linhir verantwortlich war?" Sie wandte sich kurz Duinhir zu. "Dass er das Heer angeführt hat, das Morthond vor den einfallenden Orks rettete? Dass er seinen eigenen Bruder als Verräter entlarvte und so eine gefährliche Verschwörung direkt vor unseren Mauern aufdeckte? Dass er Linhir vor dem erneuten Fall bewahrte und dabei beinahe in der Schlacht fiel? Dass er die Furten des Gilrain für Gondor hielt und anschließend in der Gefangenschaft Folter und Zauberei ausstand? Habt ihr das alles vergessen, und straft nun einen eurer getreuesten Gefolgsleute mit Missachtung?"
"Ich schließe mich dem an", ergriff Valion, der vorgetreten war, kurzentschlossen das Wort. "Wie soll eine Tat, zu der er durch dunkle Zauberei gezwungen wurde, Jahre des Dienstes ungeschehen machen? Ich habe an Hilgorns Seite gekämpft, und bürge für ihn." Hilgorn bemerkte kaum, dass Narissa und Aerien bei Valions erstem Satz einen raschen Blick tauschten. Seine Hände zitterten, und er wünschte sich, irgendwo zu sein, nur nicht hier.
Imrahil wirkte nun tatsächlich ein wenig verlegen, wollte aber dennoch etwas erwidern als Aragorn die Hand hob. "Ich werde selbst darüber entscheiden. Tretet vor, Hilgorn Thoron."
Hilgorn rührte sich zuerst nicht, denn seine Beine wollten ihm nicht gehorchen. Schließlich legte Faniel eine Hand auf seinen Rücken und schob ihn langsam nach vorne. Er bewegte sich wie in einem Traum, bis er schließlich vor dem König stand und auf die Knie gehen wollte. Aragorn jedoch bedeutete ihm, stehen zu bleiben, und sah ihm fest ins Gesicht. "Ich sehe keine Bosheit an euch", sagte er leise, und scheinbar mehr zu sich selbst als wirklich an Hilgorn gerichtet. "Was immer die Diener des Schattens getan haben... es ist vergangen." Er legte Hilgorn beide Hände auf die Schultern, und sagte lauter: "Erhebt euch, Hilgorn Thoron, als Ritter des geborstenen Schwertes."
Als Hilgorn sich neben Valion stellte, klopfte dieser ihm auf die Schulter, und sagte etwas, doch Hilgorn nahm es nicht wirklich wahr. Er hörte auch nicht mehr, was der König als nächstes sagte, denn er verspürte nur Erleichterung. Erleichterung, dass er nicht das geringste Bedürfnis verspürt hatte, Aragorn Leid zuzufügen, als er vor ihm gestanden hatte. In diesem Augenblick wagte er zum ersten Mal zu glauben, dass Arnakhôr tatsächlich keinerlei Macht mehr über ihn hatte.
Titel: Re: Der Palast des Fürsten
Beitrag von: Eandril am 1. Feb 2021, 23:46
Narissa trat ein wenig ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, während Aragorn weiter sprach, jetzt wieder direkt an den ganzen Saal gerichtet.
"Der Krieg ist noch lange nicht vorüber, im Gegenteil - ich fürchte, vor uns allen liegen noch dunkle Tage. Doch vielleicht befinden wir uns an einem Wendepunkt. Und, Männer und Frauen Gondors, erinnert euch immer an eines: Hoffnung kann man selbst an den dunkelsten Orten und in den verzweifeltsten Momenten finden."
Mit diesen Worten trat er von seinem Platz an den Stufen des Thrones zurück, und langsam begann sich die Halle unter allgemeinem Raunen und Getuschel zu leeren. Während sich die Fürsten Gondors um den König scharten, wandte sich Hilgorn Narissa und Aerien zu. Sein eines Auge zeigte Neugierde, vor allem als sein Blick auf Aerien fiel.
"Wir sind einander ja bereits begegnet", begann er, den Blick auf Narissa gerichtet. "Auch wenn mir natürlich die Tragweite nicht bewusst war. Aber wir hatten noch nicht das Vergnügen", fügte er mit einer leichten Verbeugung in Aeriens Richtung hinzu.
"Mein Name ist Aerien... wie ihr ja sicherlich gehört habt", erwiderte Aerien ein wenig unbeholfen, und Hilgorn lächelte. Narissa kam nicht umhin zu bemerken, wie stark dieses Lächeln den Mann veränderte - vorher hatte sein einäugiges Gesicht ein wenig grimmig gewirkt, doch das Lächeln machte ihn um ein Vielfaches sympathischer.
"Ich denke, Förmlichkeiten sind jetzt überflüssig, oder? Unter uns bin ich einfach Hilgorn."
"Diese ganze Förmlichkeit ist sowieso nichts für mich", meinte Narissa. "Ehrlich gesagt kann ich es kaum abwarten, wieder nach Harad zurückzukehren, und mir darum keine Gedanken zu machen." Sie sagte es betont leichthin, und tat so, als spürte sie Aeriens Blick nicht, der sich in ihre Seite bohrte.
"Was führt dich zurück nach Harad?", fragte Hilgorn interessiert. "Der Krieg? Ein geheimer Auftrag von Edrahil?"
"Ihr... du kennst Edrahil also?", mischte sich Aerien wieder ein. Offenbar war sie nicht sehr erpicht darauf, über das Thema Harad zu sprechen. Hilgorn nickte, und antwortete: "Ich war früher Mitglied der Stadtwache, und hatte das ein oder andere mit ihm zu tun. Kurz bevor er nach Umbar aufbrach, haben wir gemeinsam einen Angriff auf die Stadt abgewehrt, was mir letztendlich meine Stellung als General eingebracht hat. Ich war froh zu hören, das er offenbar immer noch in Harad seine Netze gegen Mordors Anhänger spinnt."
"Von ihm stammt der ganze Plan, der uns hierher gebracht hat", sagte Narissa, doch bevor sie noch mehr sagen konnte, traten Aragorn, Thorongil und Valion zu ihnen. Nur einen Augenblick später schloss sich auch Amrothos und sein Vater ihnen an.
Ein wenig überrascht stellte Narissa fest, dass sich die Halle bis auf diese Gruppe inzwischen beinahe vollständig geleert hatte - lediglich Prinzessin Lóthiriel und Hilgorns Begleiterin standen noch in der Nähe der Türen, offenbar wartend.

"Ich hoffe, mein Sohn hat eure Kinder noch zu keinen allzu großen Untaten angestiftet", meinte Thorongil an Hilgorn gerichtet, der mit einem Lächeln abwinkte. "Sie sind beide sehr gut in der Lage, von alleine Unheil anzurichten - vor allem Iorweth." Er schüttelte mit einem kleinen Seufzer den Kopf, und fügte hinzu: "Macht euch darum nur keine Sorgen. Vor allem Iorweth tut es sicherlich gut, einen Spielgefährten in ihrem Alter zu haben."
Aragorn, der den kurzen Austausch geduldig abgewartet hatte, hob eine Hand. "Wir haben einiges zu tun. Sauron weiß über meine Anwesenheit in Gondor Bescheid, und er wird sie nicht lange dulden. Nach allem, was wir wissen, bleibt uns allerdings ein wenig Zeit, denn er ist im Augenblick auf einem Straffeldzug in Rhûn beschäftigt. Diese Zeit sollten wir nutzen."
Aus der Nähe fiel Narissa auf, dass der dunkle Ringe unter den Augen trug und tatsächlich erschöpfter wirkte als vor ihrer Ankunft in Dol Amroth. Sie fragte sich, ob er seitdem überhaupt geschlafen hatte.
"Wir sind uns einig, dass Gondor im jetzigen Zustand einem entschlossenen Angriff Mordors nicht lange standhalten wird", ergriff Imrahil das Wort. "Erst recht nicht, wenn der dunkle Herrscher selbst das Schlachtfeld betritt - zumindest hört man solche Gerüchte aus dem Osten."
Bei diesen Worten zuckte Narissa unwillkürlich zusammen, und ihr fiel auf, das allen anderen bei der Vorstellung ebenso unbehaglich zumute war wie ihr. Sie fürchtete sich nicht vor dem Kampf gegen Mordor, doch Sauron selbst... das war etwas anderes. "Wir brauchen Verbündete", fuhr der Fürst von Dol Amroth fort. "Die Rohirrim werden an unserer Seite stehen, nehme ich an?"
Aragorn nickte. "Ich habe mit Faramir und Königin Éowyn gesprochen, und wenn die Stunde kommt, werden sie alles, was in ihrer Macht liegt, tun um uns beizustehen. Doch es wird nicht reichen. Wir brauchen mehr Verbündete, und wir finden sie im Norden - und im Süden."
"Den Süden übernehme ich", sagte Narissa, ohne groß nachzudenken, und warf einen Seitenblick zu Valion. "Oder - wir?"
"'Rissa...", sagte Aerien leise, doch es klang bedrohlich. Narissa wandte sich ihr zu, ohne dem Zorn in Aeriens Augen auszuweichen. "Ich muss, Aerien. Ich wünsche mir, du kämest mit, aber..." Sie musste schlucken. "Wenn du nicht willst, dann werde ich alleine gehen müssen."
"Nicht ganz alleine", meinte Valion leise, doch in diesem Moment beachtete Narissa ihn nicht, sondern hielt ihren Blick auf Aerien gerichtet. Aeriens Wangenmuskel zuckte einmal, bevor sie sich abrupt abwandte.
Aragorn räusperte sich leise. "Es mag schmerzhaft sein, aber... ich spüre, dass dies tatsächlich der beste Weg ist. Narissa und Valion werden mit dem Auftrag nach Harad gehen, Malik Qúsay und Meister Edrahil dabei zu unterstützen, den Bruderkrieg so schnell wie möglich zu beenden und die Haradrim zu unserer Unterstützung nach Norden zu führen." Aerien blickte ihn an als wollte sie sagen das ist nicht dein Ernst.
Narissa legte eine Hand auf ihre Schulter, doch Aerien schüttelte sie mit einer knappen Bewegung ab.
Thorongil ergriff das Wort. "Ich werde ebenfalls nach Süden gehen, tun was ich kann. Melíril und Túor werden, mit eurer Erlaubnis, hier in Dol Amroth bleiben." Die letzten Worte waren an Imrahil gerichtet, der nickte und entgegnete: "Es wäre mir eine Ehre."
"Wir werden außerdem jemanden brauchen, der nach Norden geht, gemeinsam mit Gandalf", fuhr Aragorn fort. Amrothos hob ein wenig zurückhaltend die Hand. "Das wäre vielleicht eine Aufgabe für mich. Ich glaube, von uns bin ich der einzige, der sich ein wenig im Norden auskennt."
Er warf seinem Vater einen halb entschuldigenden Blick zu, doch Imrahil wirkte zufrieden. "Tatsächlich halte ich mein Sohn für überaus geeignet, Verbündete im Norden zu sammeln."
"Dann ist es beschlossen", meinte Aragorn. "Genaueres werden wir noch besprechen. Und was euch angeht, Hilgorn und Aerien: Ich spüre, dass euer Platz im Augenblick hier ist, in Gondor. Wir werden auch hier Schwerter brauchen und jene, die den Menschen Hoffnung geben."
Er ließ den Blick von Aerien zu Narissa schweifen, und sagte dann: "Wir werden uns später treffen um genauere Pläne zu schmieden. Für den Augenblick hätte ich jedoch gerne mit Aerien und Narissa allein gesprochen."

Als sie schließlich allein waren, ließ Aragorn sich langsam auf die Stufen des Thrones sinken, während Narissa und Aerien unsicher stehen blieben.
"Meine Freunde", begann Aragorn leise. "Meine Retterinnen. Ich trenne euch nicht gerne von einander, und ich tue es nicht mutwillig. Mein Herz sagt mir, dass dies der beste Weg für euch ist, auch wenn es schmerzhaft sein mag. Doch es ist nie gut, im Streit auseinander zu gehen. Gebt euch nicht gegenseitig die Schuld dafür, dass es euch auch an unterschiedliche Wege zieht - Wege trennen sich, und sie vereinen sich wieder. Das ist noch lange kein Ende."
Als weder Aerien noch Narissa etwas sagten, seufzte Aragorn leise. "Sprecht miteinander, bevor es soweit ist. Schweigen... ist Gift. Und gerade in diesem Fall ist es wichtig, einander die Wahrheit zu sagen." Narissa hatte das Gefühl, dass Aragorn sie mit den letzten Worten direkt angesprochen hatte, und sie wusste auch, worum es ging. Doch sie bezweifelte, dass sie tatsächlich tun konnte, was er sich vorstellte.

Sie schwiegen noch den ganzen Weg zurück zu ihren Zimmern, und als Narissa ein wenig unschlüssig auf dem Gang stehen blieb, wandte Aerien sich in der Tür um und sagte: "Nun komm schon mit rein. Ich werde dir nicht den Kopf abreißen." Da es nur einen Stuhl in dem Zimmer gab, ließ Narissa sich schließlich Aerien gegenüber auf der Bettkante nieder.
"Ich..." "...muss nach Harad gehen", beendete Aerien den Satz für sie. "Ja, ich weiß. Aber ist es denn wichtig, wer Sûladan am Ende tötet? Wenn Qúasy ihn in die Finger bekommt, ist er genauso tot, wie wenn du es tust."
"Das weiß ich", entgegnete Narissa heftig, und atmete dann tief durch. "Aber... es würde sich nicht einfach nicht richtig anfühlen. Sûladan... ohne ihn würde ich nicht existieren, doch gleichzeitig ist er verantwortlich für alles Schlechte in meinem Leben. Er hat mir die Männer weggenommen, die ein Vater für mich waren - Yaran und meinen Großvater. Er hat meine Heimat zerstört, zuerst die in Qafsah und dann die auf Tol Thelyn. Er hat meine Mutter jahrelang eingesperrt bis sie... bis sie..." Narissa konnte nicht weitersprechen, und als sie sich mit der Hand über das Gesicht fuhr, spürte sie, dass ihre Wangen feucht waren.
"Sûladan hat mehr als einmal alles Gute in meinem Leben zerstört", fuhr sie schließlich fort. "Und deshalb muss ich es selbst tun. Verstehst du?"
"Rache wird nichts davon zurückbringen", erwiderte Aerien leise. "Aber sie könnte dich zerstören."
Narissa schniefte, und wischte sich mit dem Ärmel die Tränen von den Wangen. "Das werde ich nicht zulassen. Und du weißt, wenn ich mir einmal etwas vorgenommen habe..." "Dann bringt dich nichts in der Welt davon ab", ergänzte Aerien, und lächelte schwach, bevor sie sich neben Narissa auf die Bettkante setzte, und ihr einen Arm um die Schultern legte.
"Ein nicht allzu kleiner Teil von mir will auch unbedingt mit dir nach Harad zurückgehen", sagte sie. "Denn dummerweise liebe ich dich eben."
"Und ein großer Teil von mir würde am liebsten mit dir hier bleiben", entgegnete Narissa, und lehnte den Kopf sanft gegen Aeriens. "Denn, vielleicht wusstest du es noch nicht, aber ich liebe dich schließlich auch, Sternchen. Aber... es scheint, als hätte das Schicksal andere Pläne mit uns. Normalerweise glaube ich ja nicht an so etwas, aber..."
"Hm", machte Aerien. "Versprich mir nur eins: Dass du heile wieder zu mir zurückkommst. Und ich werde diesem Valion sagen, dass er ja dafür sorgen soll, dass du in einem Stück bleibst."
Narissa schnaubte ein wenig verächtlich. "Wahrscheinlich werde ich eher dafür sorgen müssen, dass er in einem Stück bleibt." Sie wurde rasch wieder ernst. "Ich verspreche es dir. Und du versprichst mir, dass du in der Zeit auf dich acht gibst. Lass dich lieber nicht täuschen - auch die Menschen von Gondor sind nur das: Menschen."
"Ich werde auf mich achtgeben", versprach Aerien. "Wie sollte ich sonst überprüfen, ob du dein Versprechen einhältst?"
"Das ist ein guter Punkt", meinte Narissa leise, und atmete tief durch. "Hör mal, es gibt etwas, das ich dir noch erzählen muss. Ich..." Sie brach ab. Sie fühlte Aeriens warme Schulter an ihrer, den Arm, der um ihre Schultern lag und... brachte es nicht fertig. Stattdessen räusperte sie sich verlegen. "Vielleicht ein anderes Mal. Ist nicht so wichtig."
Aerien löste sich ein wenig, und blickte ihr ins Gesicht. "Es hörte sich aber wichtig an, 'Rissa."
"Nein, es..." Narissa schloss kurz die Augen, und atmete erneut tief durch. "Vielleicht. Aber... jetzt ist kein guter Zeitpunkt. Ich verspreche, ich erzähle es dir, bevor ich aufbreche."
Titel: Auf dem Ball des Königs
Beitrag von: Fine am 6. Feb 2021, 12:31
Am folgenden Abend nahmen Narissa und Aerien als Ehrengäste an einem offiziellen Bankett zur Feier der Rückkehr Aragorns auf den Thron teil. Aerien erinnerte sich später nur noch ungenau an das Fest, es wurden viele Reden geschwungen und für sie bedeutungslose Worte gemacht. Der König selbst hielt sich im Hintergrund, und der Zauberer Gandalf war der Veranstaltung ganz fern geblieben. Das Einzige, was ihr im Gedächtnis geblieben war, war ein Gespräch, das sie mit Valion gehabt hatte, als dieser sie gegen Ende des Abends überraschend zum Tanz aufgefordert hatte. Aerien wusste, dass es sich nicht schickte, eine Einladung von einer so wichtigen Person abzulehnen, aber beinahe hätte sie darauf gepfiffen. Sie war müde und fühlte sich nicht gut. Sie wollte nicht daran denken, dass Narissa bald ohne sie nach Harad ziehen würde. Aber Valion hatte etwas so entwaffnendes an sich, dass sie seinen Aufforderungen schließlich nachgab.
Für einen so großspurigen Kerl war der junge Fürst vom Ethir ein erstaunlich guter Tänzer. Aerien - die natürlich die höfischen Tänze Gondors kaum kannte - konnte ihm getrost die Führung überlassen. Um sie herum mischten sich die Adeligen Dol Amroths; hier und da sah Aerien ein vertrautes Gesicht wie das von Minûlîth, das der Fürstin Silberglanz oder das von Hilgorn, der mit seiner Frau ebenfalls die Tanzfläche betreten hatte. Von Narissa fehlte jede Spur, denn sie hatte sich mit Ta-er in eine ruhige Ecke zurückgezogen, um die Attentäterin über alles auszuquetschen, was es über die aktuelle Lage in Harad zu wissen gab.
Das blausilberne Kleid das Aerien trug, flatterte, als Valion sie herumwirbelte. "Es gefällt dir nicht, dass Narissa nach Harad geht, so viel kann jedermann sehen," stellte er fest. "Du hast die Angst, dass sie in ihr Verderben rennt."
Aerien machte einen Schritt nach vorn, so wie es der aktuelle Tanz erforderte. "Nein. Ich habe Angst, dass ihre Rachsucht sie umbringt."
"Das bedeutet doch das Gleiche," erwiderte Valion. "Aber lass mich dir das Herz ein wenig leichter machen. Narissa wird nicht alleine gehen. Sie wird äußerst fähige Verbündete haben, Kleine."
Sie musterte Valion misstrauisch. "Du sprichst von dir selbst."
"Oh, nicht nur," antwortete Valion lächelnd und ließ seinen Fuß nach rechts gleiten, Aerien an der Hüfte mit sich schiebend. "Denk nur mal an Edrahil. Er wird dafür sorgen, dass nichts schief gehen wird. Er steckt doch hinter eurem Kunststück in Mordor, nicht wahr? Und ist das schief gegangen?"
"Beinahe," beharrte Aerien und ließ zu, dass er sie für einen Moment rückwärts tief herab sinken ließ und dann wieder zu sich in seinen Arm hob. "Es stimmt, Edrahil hat den Plan entworfen. Aber andere haben dafür gesorgt, dass er auch funktioniert hat. Gimli, Aino... Karnûzîr."
Valion nickte. "Nun, damit hast du Recht. Dieses Mal jedoch wird es anders sein. Edrahil ist dort unten, in Harad, und er wird mit Narissa gehen, dafür sorge ich schon. Und er wird nicht der Einzige sein. Zwar wird Ta-er as-Safar noch in Gondor bleiben, aber sie ist nur eine von vielen Kriegern des Silbernen Bogens. Du bist bei ihnen gewesen, nicht wahr? Ich werde sie bitten, Narissa beizustehen, wenn wir nach Tol Thelyn kommen. Und dann ist da noch jemand ganz besonderes..."
"Wer?" wollte Aerien wissen.
"Meine Zwillingsschwester. Valirë. Die beste Kämpferin die ich kenne. Narissa kann viel von ihr lernen."
Aerien zögerte einen langen Augenblick und wäre dabei beinahe aus dem Tanzschritt gekommen. Valion legte den Arm um ihre Taille und führte sie überraschend sanft in die richtige Position, gerade noch rechtzeitig ehe sie über ihre eigenen Füße stolpern konnte. "Du musst mir eines versprechen," verlangte sie, nachdem der Moment verstrichen war.
"Und das wäre?"
Aeriens Hand, die auf Valions Schulter lag, drückte bei den folgenden Worten etwas fester zu, so ernst meinte sie es. "Dass du Narissa mit deinem Leben beschützt. Versprich es mir, bei deiner Ehre."
Valion blickte sie mit einer Mischung aus Überraschung und Verstehen an, dann nickte er langsam. "So ist das also," murmelte er, ehe er wieder sein charakteristisches schiefes Lächeln im Gesicht hatte. "Ich verspreche es dir, Aerien. Wenn ich Narissa durch mein Leben oder meinen Tod schützen kann, dann werde ich es tun... und wenn sie sich noch so sehr dagegen wehrt, sich helfen zu lassen."
"Oh, ja, das wird sie wohl," pflichtete Aerien ihm bei und musste verlegen lächeln. Wie recht er hatte, ahnte er wohl gar nicht.

Sie bewegten sich tanzend zur Mitte des Raumes und eine Gesprächspause trat ein. Aerien bemerkte, dass Valion sie neben Hilgorn und dessen Frau, Faniel, manövriert hatte.
"Wundervoller Abend, nicht wahr?" fragte Valion gut gelaunt und erntete einen etwas irritierten Blick von Hilgorn, Faniel hingegen lächelte.
"Das ist er in der Tat," sagte sie freundlich."
Aerien sah wie Valion grinste und in seinen Augen blitzte der Schalk auf. Sie erstarrte, als er ihre Hände ohne Vorwarnung losliess, gerade als der Tanz eine komplizierte Drehung der Damen erfordert hätte. "Du entschuldigst, Hilgorn," hörte Aerien Valion frech sagen, dann ertönte ein überraschtes "Huch!" von Faniel, Aerien wurde zweimal um die eigene Achse gedreht und fand sich Auge in Auge mit Hilgorn wieder, die Hand auf seiner Schulter, und seine Hand an ihrer Taille.
"Ich borge mir deine Liebste nur für ein Weilchen aus!" lachte Valion, der Faniel im Arm hielt und mit ihr davontanzte, ehe Aerien oder Hilgorn etwas dagegen unternehmen konnten. Weitere Paare in der Nähe näherten sich und zwangen die beiden, um ihr Gesicht zu wahren, miteinander weiter zu tanzen.
"Dieser... Mistkerl," murmelte Aerien. "Tut mir Leid... ich wollte damit nicht andeuten..."
"Dass du nicht mit mir tanzen möchtest?" vollendete Hilgorn den Satz. "Schon gut; so habe ich es nicht aufgefasst." Er seufzte. "Das ist noch einer von Valions harmloseren Streichen. Ich schlage vor, wir machen das Beste draus." Mit diesen Worten trat er Aerien beherzt auf den linken Fuß.
Sie unterdrückte einen Schmerzenslaut. Anscheinend war Hilgorn kein ganz so virtuoser Tänzer wie Valion. "V-verzeih!" murmelte er hastig und führte sie etwas aus dem Zentrum der Tanzfläche heraus. "Ich ahne so langsam, dass ich mich bislang beim Tanz etwas zu sehr auf Faniel verlassen habe, die meine Fehltritte kommen sieht und sie korrigiert..."
"Es... es geht schon," sagte Aerien beschwichtigend. "Lass mich dir helfen, ich glaube ich habe mittlerweile verstanden, welche Schritte wann dran sind, und ganz so verschieden sind die gondorischen Tänze erstaunlicherweise auch gar nicht von denen in ..." Sie brach erschrocken ab und wäre beinahe aus dem Tritt gekommen.
"In...?" fragte Hilgorn verwundert, und musterte sie mit zusammgenzogenen Brauen.
"Ich... nun, was ich damit sagen wollte," beeilte sich Aerien zu sagen, "Ich glaube, du hast vorhin den linken Fuß mit dem rechten verwechselt und dich in die falsche Richtung bewegt, nämlich nach vorne, dabei wärest du mit einem Rückschritt dran gewesen."
"Sieh an," sagte Hilgorn ruhig. "Vielleicht sollte ich dir wirklich die Führung überlassen? Das wäre gar nicht verkehrt." Er überspielte damit den unangenehmen Moment ein wenig. "Aber trotzdem habe ich für meinen Teil habe für's Erste genug vom Tanz, mir ist nach einer Erfrischung. Begleitest du mich?"
Sie bahnten sich ihren Weg von der Tanzfläche herunter und in Richtung der Tische, an denen sie zuvor gesessen und gespeist hatten. Pagen waren noch immer damit beschäftigt, dort Getränke bereitzustellen, selbst nachdem der Großteil des Essens und Bestecks bereits abgeräumt worden war. Hilgorn und Aerien setzen sich nebeneinander und griffen beide gleichzeitig nach einer großen Glaskaraffe, die mit klarem Wasser gefüllt war. Ihre Hände berührten sich und beide mussten lachen. "Ich habe das Gefühl, wir ähneln uns ein wenig," sagte Aerien, nachdem sie ihm den Vortritt gelassen hatte und Hilgorn im Gegenzug ihnen beiden je ein Glas Wasser eingeschenkt hatte.
"Du spielst auf einen Sinn der Vernunft an," stellte Hilgorn fest. "Das mag sein. Deine Freundin, Narissa, sie... kommt mir wiederum ähnlich ungestüm wie der gute Valion vor."
Damit sprach er aus, was auch Aerien bereits aufgefallen war. Wie um die Aussage zu bestätigen tauchte nun Faniel vor ihnen auf, während im Hintergrund Valion zu sehen war, der mittlerweile mit Narissa tanzte. Ganz offensichtlich war deren Gespräch mit Ta-er as-Safar vorbei, auch wenn die Attentäterin nirgends zu sehen war. Aerien kicherte, als sie sah, dass Valion seine liebe Mühe mit Narissas Tanzkünsten - oder der Abwesenheit davon - hatte. Doch rasch wurde sie wieder ernst, als sich Faniel neben ihren Mann setzte und sagte: "Ich fürchte, wenn die beiden gemeinsam nach Harad gehen, dann... stacheln sie sich gegenseitig zu irgendwelchen halsbrecherischen Heldentaten an..."
Hilgorn zog die Brauen zusammen und starrte nachdenklich in Richtung der Tanzfläche, als würde er etwas ähnliches vermuten. Doch Faniel sagte leise: "Und ich bin mir sicher, Meister Edahil wird dafür sorgen, dass sie sich dabei nicht in zu große Gefahr begeben. Nicht wahr, Hilgorn?"
"Oh. Ja, natürlich wird er das," bestätigte Hilgorn und seine Miene entspannte sich wieder ein wenig.
Aerien folgte seinem Blick. Mittlerweile schien Narissa den Dreh etwas besser herausbekommen zu haben, und Aerien sah ihr an, wie gut es ihr tat, ausgelassen zu sein und alle düsteren Gedanken für ein paar kostbare Augenblicke lang zu vergessen. Vielleicht... passen sie ja doch besser zusammen als ich befürchte, gestattete sie sich zaghaft zu hoffen.


Aerien, Narissa, Valion, Lóminîth, Imrahil, Hilgorn und Thorongil zum Hafen (http://modding-union.com/index.php/topic,6044.msg485078.html#msg485078)
Titel: Auf andere Gedanken kommen
Beitrag von: Fine am 23. Apr 2021, 10:04
Aerien aus der Bilbiothek des Túronn (http://modding-union.com/index.php/topic,35867.msg485201.html#msg485201)
Hilgorn, Faniel und Minûlîth aus der Stadt (http://modding-union.com/index.php/topic,5963.msg485311.html#msg485311)


Gandalf und Thandor hatten sich in einen abgeriegelten Winkel der Bibliothek zurückgezogen, um alle noch unentschlüsselten Hinweise in dem alten Buch sowie möglichen anderen Quellen aufzudecken, die sie über die Eid-Steine noch finden konnten. Der Zuaberer hatte Aerien gebeten, nachdem er sich seiner Sache sicher geworden war, den König - Aragorn - über den bisherigen Stand der Dinge zu informieren. So hatte sie sich auf den Weg zum Palast von Dol Amroth gemacht, und war dort angekommen, als die Sonne langsam zu sinken begonnen hatte.

Mittlerweile waren sowohl ihr Gesicht als auch ihr Name bei den Wachen gut bekannt. So wurde sie zwar ohne Widerstand jederzeit hinein gelassen, doch obwohl Aerien sich sicher war, dass nur ein ausgewählter Kreis an Personen über ihre wahre Herkunft informiert war, gab es doch den ein oder anderen schiefen oder fragenden Blick, der in ihre Richtung geworfen wurde. Sie seufzte innerlich, nach außen hin ließ sie sich nichts anmerken. Sie beschloss, es den Soldaten nicht nachzusehen. Sie hatten ihr ganzes Leben lang Mordor als ständig wachsende Bedrohung erlebt, die letzten Endes wie eine Welle über das östliche Gondor geschwappt war, und die Hälfte des Reiches noch immer fest im Griff hielt.

Aragorn zu finden stellte sich als nicht sonderlich schwer heraus. Nachdem Aerien den großen Saal des Fürsten leer vorgefunden hatte, machte sie sich auf den Weg zu Imrahils Solar und wurde sogleich fündig. Sowohl König als auch Fürst waren dort, und unterhielten sich über ein Thema, das Aerien durchaus interessierte: Umbar.
"Die Flotte sollte nicht sofort von Umbar aufbrechen," sagte der König gerade, als Aerien hereinkam. Aragorn hielt einen kleinen, noch halb zusammengerollten Brief in den Händen, der sie an eine der Botschaften erinnerte, die man Kuriervögeln an die Beine band. "Wir müssen wissen, wie es um die Stadt stehen wird, wenn dieser Kriegsherr der freien Haradrim seine Streitmacht abgezogen hat."
"Er hat Gondor die Treue geschworen," erklärte Imrahil. "Als Vasall der Krone in der Rolle des Fürsten von Harondor."
"Das mag stimmen, aber über die Lande jenseits des Harnen herrschte er als unabhängiger Monarch, nicht wahr?" hakte Aragorn nach. "Und Umbar scheint er nun ebenfalls als sein Eigentum zu betrachten. Doch dies ist ein Punkt, der noch besprochen werden muss. Umbar gehört mit Fug und Recht der Krone des Südreiches, und ich gedenke, diesen Anspruch durchzusetzen, sofern wir über den Schatten im Osten triumphieren. Ich dachte daran, den Herrn des Turms von Tol Thelyn zum Fürsten zu erheben, gleichgestellt mit den Fürstentümern Pelargir, Dol Amroth und Harondor, und ihm Umbar und die Umlande anzuvertrauen. Bis Umbar verloren ging, herrschten dort ebenfalls Fürsten in Gondors Namen, und die Turmherren haben sich als treue Verbündete erwiesen - eine Treue, die ich zu belohnen weiß."
"Es wird schwierig sein, Qúsay davon zu überzeugen, Umbar abzutreten, das er doch gerade erst unter großen Verlusten erobert hat," wandte Imrahil ein.
"Die Meinung des Herrn der Spione wird von unschätzbarem Wert sein," sagte Aragorn, nachdem er einen Augenblick über die Angelegenheit nachgedacht hatte. "Ich möchte, dass er nach Dol Amroth zurückkehrt. Nachdem ich so viel ihm gehört habe, wäre es mir eine Freude, ihn persönlich sprechen zu können."
Imrahil nickte. "Ich werde Edrahil einen Vogel senden und ihn darüber informieren." Der Fürst wandte sich Aerien zu. "Was gibt es?" fragte er freundlich, aber dennoch ernst.
"Ich komme gerade aus Eurer fürstlichen Bibliothek, Herr," sagte Aerien förmlich. "Ich bringe Neuigkeiten von Gand...von Mithrandir."

Sie erzählte Fürst und König von den Geheimnissen, die Gandalf und Thandor in Erfahrung gebracht hatten. Imrahil war das Erstaunen ein wenig anzusehen, Aragorn hingegen blieb ruhig.
"Dass der Stein von Erech ein solch mächtiges Relikt sein soll übersteigt alles, was ich erwartet hatte," gestand der Fürst ein. "Ich habe den Stein oft gesehen, doch wie die meisten hielt ich ihn nur für ein Überbleibsel von Westernis - geheimnisvoll, aber machtlos."
Aragorn sah Aerien an und sagte: "Als ich dort stand, und... die Eidbrecher dazu aufrief, mir nach Pelargir zu folgen, da spürte ich, dass hier nicht nur meine Willenskraft und mein Erbe als Isildurs Nachkomme am Werke waren. Nun kenne ich die Antwort dieses Rätsels. Allerdings ist dies nicht der erste Eid-Stein, den ich in meinem Leben gesehen habe. Der Landassar von Dorwinion... es muss der grüne Stein sein, der tief in den Fluten des Binnenmeere von Rhûn ruht. Auf meinen Reisen in den Osten und Süden, nachdem ich mein Werk in Gondor unter dem Namen Thorongil vollendet hatte, sah ich vielerlei ungewöhnliche und absonderliche Dinge... doch nichts beeindruckte mich mehr als die geheimnsvollen Kavernen tief unter den umtosten Wassern des Binnenmeeres."
Aerien und Imrahil tauschten einen Blick aus; beide waren sich nicht ganz sicher, was der König damit meinte. "Was fangen wir nun mit diesen Informationen über die Steine an?" fragte Imrahil schließlich.
"Wir tun, was Gandalf geraten hat," sagte Aragorn. "Der Feind darf niemals davon erfahren. Schon einmal zuvor hat er einen Eid-Stein gegen mein Volk gewendet, als er den Tauressar korrumpierte und den Fall Rhudaurs dadurch auslöste. Er muss in den Glauben bleiben, dass dieser Stein ein Unikat war, das nun verloren ist. An unserer Strategie ändert sich nichts, aber dennoch bin ich froh, dass Gandalf dieses alte Geheimnis nun ergründet hat." Er machte eine nachdenkliche Pause, dann sagte er: "Der Fürst von Harondor war bei meiner Krönung nicht zugegen und hat womöglich noch gar nicht davon erfahren. Sobald es die Kriegslage erlaubt, wünsche ich ihn zu sprechen. Er muss sich der Krone Gondors beugen und mir die Treue schwören... am Eid-Stein von Erech."
Aerien war sich nicht sicher, wie gut diese Entscheidung bei Qúsay ankommen würde, den sie zwar als gerecht und gut, aber auch als stolz und freiheitsliebend kennengelernt hatte. Dennoch legte sie keinen Widerspruch gegen Aragorns Worte ein - er war der König, und er hatte entschieden. Aerien war sich sicher, dass sich seine Wahl am Ende als richtig herausstellen würde.

Als Aerien sich gerade verabschieden wollte, stand mit einem Mal Minûlîth in der Tür, die dort wohl geduldig abgewartet hatte, bis König und Fürst Zeit für sie hätten. Bei ihr waren Faniel und Hilgorn, die nun nacheinander herein kamen und vor Aragorn das Haupt beugten, sich allerdings dann an Imrahil wandten. Hilgorn sprach von einem Brief, den er aus seiner Heimat erhalten habe und in dem seine Mutter ihn bat, sie baldmöglichst aufzusuchen. Anscheinend ging es um eine Art Erbstreitigkeit, die Faniels Sohn Belegorn um einen rechtmäßigen Teil seines ererbten Grundbesitzes bringen würde, wenn nichts unternommen werden würde.
"Ich erbitte die Erlaubnis, nach Tûm-en-Dín reisen zu dürfen, mein Fürst," schloss Hilgorn sein Anliegen ab.
"Erneut ruft dich die Heimat, wie es scheint," sagte Imrahil. "Als du zuletzt in jener Angelegenheit loszogst, gerieten Ereignisse ins Rollen, die letzten Endes zu deiner Heirat führten" Imrahil sah bei diesen Worten Faniel wohlwollend an, die etwas verlegen beiseite blickte. "Ich bin gespannt, was sich dieses Mal ergeben wird, Hilgorn. Meine Erlaubnis hast du." Nachdem er dies gesagt hatte, blickte Imrahil abwartend in Aragorns Richtung, der bislang ohne ein Wort zu sagen dem Anliegen gelauscht hatte.
"Ich vertraue dem Urteil des Truchsessen," sagte er knapp und Aerien kam es vor, als wäre Aragorn mittlerweile mit anderen Gedanken beschäftigt. Sie fragte sich, worum es dabei wohl gehen mochte. "Die Reise in Eure Heimat steht Euch frei."
Hilgorn und Faniel verbeugten sich dankbar, dann, wie auf ein unausgesprochenes Zeichen, blickten sie beide in Aeriens Richtung - Hilgorn mit sichtlich gemischten Gefühlen, Faniel mit einem warmen Lächeln. Als jedoch keiner von beiden etwas sagte, war es schließlich Minûlîth, die die Stille mit einem leisen Lachen unterbrach. "Also bleibt es nun doch an mir hängen, sie zu fragen, ob sie euch begleiten möchte?" sagte sie mit erhobenen Augenbrauen und schüttelte mit spielerischer Enttäuschung den Kopf, dann kam sie zu Aerien und legte ihr die Hände an die Schultern. "Ich dachte mir, es würde dir gut tun, ein wenig aus dem Trubel der Stadt herauszukommen und mehr vom ländlichen Gondor zu sehen. Würde dir das gefallen?" sagte sie, wie eine Mutter, die zu ihrem Kind spricht.
Aerien warf Hilgorn und Faniel einen zaghaften Blick zu, denn wirklich gut kannte sie die beiden zwar noch nicht, aber besonders Faniel war ihr ein wenig ans Herz gewachsen, und auch Hilgorn war keine üble Gesellschaft. Faniel sagte: "Wir würden uns über deine Begleitung und Unterstützung freuen."
Nun war es Aragorn, der das Wort ergriff. Er trat zu Mînulîth und lächelte, nun anscheinend frei von seinen ablenkenden Gedanken. Ein unausgesprochenes Verständnis schien zwischen den beiden stattzufinden, als sich ihre Blicke begegneten. "Ich stimme diesem Vorschlag voll und ganz zu," sagte er. "Aerien, du bist ebenfalls freigestellt, um Hilgorn bei seinem Anliegen zu unterstützen. Ich werde deine Hilfe hier in Dol Amroth erneut benötigen, aber für den Augenblick scheint es, dass sowohl Gandalf als auch ich für eine kurze Weile auf dich verzichten können. Diese Reise wird dir gut tun, das spüre ich."
Und mir helfen nicht ständig an Narissa zu denken, dachte Aerien und ein Blick in Mînulîths Gesicht zeigte ihr, dass die Herrin des Turms genau dies insbesondere beabsichtigt hatte. Aerien spürte, wie sie rot wurde. War sie wirklich ein so offenes Buch, was ihren Gefühlszustand anging? Eigentlich hatte sie gedacht, ihre Emotionen nach außen hin meisterlich unter Kontrolle zu haben. Aber sowohl Mînulîth als auch Aragorn schienen die Fähigkeit zu besitzen, hinter Aeriens sorgfältig errichteten Schleier zu blicken, wann immer sie es beabsichtigten.
"Dann ist es also beschlossen," sagte Hilgorn langsam. "Wir werden morgen bei Sonnenaufgang aufbrechen."

Die Nacht verbrachte Aerien in der Gesellschaft Minûlîths, Hilgorns und der beiden dazugehörigen Familien. Es war ein ruhiger, schöner Abend, an dem wenig Ernstes gesprochen und stattdessen Geschichten erzählt, Lieder gesungen und Spiele gespielt wurden. Und obwohl die Stimmung entspannt und froh war, kam Aerien dennoch nicht darüber hinweg, sich zu wünschen, dass Narissa all dies nicht verpassen würde. Tausend Sorgen um ihre Freundin belagerten ihr Herz. Viel konnte auf dieser gefahrvollen Reise nach Süden geschehen. Was wenn Narissa und Valion Schiffbruch erlitten, oder Umbar aus einem anderem Grund gar nicht erst erreichten? Und selbst wenn sie sicher dort ankamen, wie viele weitere Gefahren würden sich ihnen auf ihrem Weg durch den Krieg in Harad bis hin zu der unerreichbar scheinenden Gestalt Sûladans in den Weg stellen?
Aerien gab sich einen innerlichen Ruck und versuchte, sich auf ihre eigene, bevorstehende Mission zu konzentrieren. Als der junge Belegorn vorbeirannte, der von seiner Schwester und Mînulîths Sohn Túor als Teil irgend eines Spiels durch den Raum gejagt wurde, nickte Aerien und wisperte: "Wir werden nicht zulassen, dass dir irgendjemand dein Erbe stiehlt..."


Hilgorn, Aerien und Ladion nach Túm-en-Dín (http://modding-union.com/index.php/topic,33922.msg485513.html#msg485513)
Titel: Schwarze Segel, schwarze Vorzeichen
Beitrag von: Fine am 3. Jul 2022, 14:03
Aerien und Serelloth vom Markt vor der Stadt (http://modding-union.com/index.php/topic,14229.msg487704.html#msg487704)

Trotz der kalten Jahreszeit stand ein Fenster in den Gemach offen, in dem Aerien lag und daran scheiterte, sich dem Schlaf hinzugeben. Der Wind wisperte leise herein und bewegte die tiefblauen Vorhänge, während von tief unten am Grund der gewaltigen Klippen auf denen die Stadt stand, das endlose Rauschen der Wellen heraufdrang. Aerien stellte sich vor, dass diese Laute für Narissa sehr beruhigend klingen mussten. Denn genau wie Dol Amroth lag auch der weiße Turm von Tol Thelyn hoch oben über der Küste und Wind und Wellen waren dort ständige Begleiter. Doch anstelle von Narissa lag Serelloth in dem Bett neben ihr und schnarchte leise vor sich hin. Das Mädchen schien Aeriens Einschlafprobleme nicht zu teilen und war innerhalb von Sekunden ins Reich der Träume geglitten, nachdem sie das Kerzenlicht im Zimmer gelöscht hatten.

Aerien und Serelloth waren erst spät abends in den Palast zurückgekehrt, nachdem sie die meiste Zeit des vergangenen Tages vor den Toren der Stadt und in Gesellschaft des Nordmann Mákon in der kleinen Schänke auf den Feldern verbracht hatten. Dennoch hatten sie sich nicht unbemerkt in ihre Unterkunft schleichen können. Die Residenz des Fürsten von Dol Amroth, die im Augenblick sowohl Machtsitz des Königs von Gondor als auch Palast seines Statthalters war, schlief nie, selbst wenn König und Fürst sich zurückgezogen hatten. Zu jeder Tageszeit waren Bedienstete unterwegs und erfüllten die Aufträge ihrer Herren oder gingen ihren regelmäßigen Aufgaben nach. Wachposten sorgten für die Sicherheit der hohen Persönlichkeiten und Boten eilten durch die Korridore des Palastes, denn manche Nachrichten ließen sich bei Nacht ungestörter überbringen als im Gedränge des Tages. So war es nicht verwunderlich, dass Soldaten Aerien und Serelloth zu ihrem Zimmer eskortierten und ihnen dort zwei Zofen aufwarteten. Serelloth schickte die Frauen mit freundlichen Worten fort; an diesem Abend würden sie keinerlei Dienste mehr benötigen. Aerien war froh darüber, denn im ersten Augenblick hatte sie sich unwohl gefühlt. Bedienstete zu haben, die für ihre Bedürfnisse sorgten, erinnerte sie auf unangenehme Art und Weise an ihr früheres Leben, als sie noch Azrûphel von Durthang, Tochter des Bâr n'Âdûnai gewesen war. Damals hatte man ihr, soweit möglich, jeglichen Wunsch erfüllt. Doch Aerien, die sie nun war, wäre hätte stattdessen jenem Abend am Liebsten mit Serelloth draußen in irgend einem Wäldchen übernachtet, und fühlte sich schuldig. Sie hatte nur einen Wunsch, und den konnte ihr niemand erfüllen, nicht einmal sie selbst.

Erneut ertappte sie sich dabei, wie sie Serelloths schmalen Rücken anstarrte und sich vorstellte, es handelte sich dabei um Narissa. Seufzend gab sie den Versuch auf, einzuschlafen und stand vom Bett auf. Das Fenster übte eine seltsame Anziehungskraft auf sie aus, und als sie heran trat, fühlte sie sich mit einem Mal wie in der Zeit zurückversetzt. Während ihr der Wind das nachtschwarze Haar verwirbelte und ihr der markante Geruch von Salz und Wellen in die Nase stieg, war Aerien wieder im obersten Raum des alten Leuchtturms von Tol Thelyn, in den Narissa sie geführt hatte und ihr einen Abend geschenkt hatte, der alles verändert hatte. Auch damals waren die Wellen gegen das Gestein unter ihren Füßen gerauscht, wenngleich sie sich hier in Dol Amroth auch unwahrscheinlich viel weiter oben befand. Auch damals hatte der Wind sie gestreichelt, doch eines war anders: die Geborgenheit und der Friede, den Aerien dort auf Tol Thelyn verspürt hatte, war verloren gegangen. Serelloths Anwesenheit half gegen die Einsamkeit, doch die wachsende Verzweiflung in Aeriens Innerem ließ sich von der guten Laune, die Damrods Tochter stets ausstrahlte, nicht gänzlich vertreiben.

Aerien wusste nicht, wie lange sie dort stehen geblieben war - es mochten Minuten oder Stunden vergangen sein; für sie machte es keinen Unterschied. Als sie sich endlich vom Fenster abwandte, hatte sich Serelloth im Schlaf auf die andere Seite gewälzt und ihr Schnarchen war versiegt. Aerien ergriff den von der Bettkante herunterhängenden Zipfel der dünnen Decke, in die Serelloth sich gekuschelt hatte, und zog ihn bis an die Schulter ihrer Freundin herauf, von wo er im Laufe der Nacht herunter gerutscht sein musste. Dann warf sie sich einen pelzbesetzten Umhang um, schlüpfte in ein Paar leichter Schuhe, und verließ das Gemach. Sie war einigermaßen überrascht, im Gang auf einen dort wachenden Soldaten zu treffen. Als Aerien und Serelloth hier angekommen waren, hatte noch keine Wache vor ihrer Tür gestanden. Der Mann musterte sie kurz, sprach jedoch kein Wort und hielt Aerien auch nicht auf. Als sie den Korridor hinab ging, ohne ein wirkliches Ziel zu haben, nahm der Wächter seine Position wieder ein und hüllte sich in Schweigen.

Aerien fand sich einige Zeit später in der großen Halle Fürst Imrahils wieder, die übergangsweise als Thronsaal König Elessars diente. Im Gegenzug zum Rest des Palastes wirkte die riesige Halle totenstill und vollkommen verlassen. Es war dunkel, denn die Fenster auf der Rückseite, hinter dem Thron, waren verschlossen und von langen Bannern verhangen, die die Insigien Gondors und Dol Amroths zeigten.
"Wie fühlt es sich an, dafür verantwortlich zu sein?"
Die Stimme war aus den Schatten zu ihrer Linken gekommen, und Aerien fuhr zu Tode erschrocken herum. Aus der Finsternis schälte sich eine schlanke Gestalt, die in ein tiefschwarzes Kleid und einen Kapuzenumhang gehüllt war. Als die Frau ihre Kapuze absetzte, glaubte Aerien im ersten Moment, Minûlîth vor sich zu haben. Doch die Gesichtszüge waren etwas schärfer geschnitten, die Wangenknochen stachen etwas deutlicher hervor und das dunkle Haar war eine Spur länger.
"Verantwortlich für... was?" fragte Aerien vorsichtig.
Die geheimnisvolle Frau deutete auf den leeren Thron. "Für die Rückkehr des Königs von Gondor. Meine Schwester Minûlîth hält große Stücke auf dich, meine Liebe. Als sie mir in einem Brief berichtete, dass du mit dem wilden Mädchen vom Turm nach Mordor gingest, war ich mir sicher, dass euer Auftrag scheitern und ihr den Tod finden würdet. Doch du hast bewiesen, dass das Vertrauen meiner Schwester in dich gerechtfertigt war."
Aerien wusste nicht recht, was sie von dieser Sorte von Lob halten sollte. Höflich nickte sie und blickte ihrem Gegenüber in die dunklen Augen. "Vielen Dank," sagte sie schlicht. "Minûlîth ist Eure Schwester?" fügte sie dann eine kurze Frage hinzu.
"Ooh. Sie hat dir nicht von mir erzählt, obwohl sie doch so sehr in dich vernarrt ist und dich am liebsten adoptieren würde?" Minûlîths Schwester gab ein leises, beinahe spöttisches Lachen von sich. Dann fiel die humorvolle Aura wie ein Schleier von ihr ab, und Stahl trat in ihre Stimme. "Ich bin Lóminîth von Haus Minluzîr, Herrin des Ethir Anduin und Gebieterin der Schwarzsegel." Ihre Präsenz wirkte so respekteinflößend, dass Aerien beinahe instinktiv auf die Knie gegangen war, als ein lange unterdrückter Reflex aus ihrer Kindheit an die Oberfläche ihres Bewusstseins drang. Doch so rasch wie die dominierende Aura Lóminîths gekommen war, so schnell verblasste sie erneut, und die Schatten im Thronsaal Imrahils schienen wieder ruhig zu schlafen.
Aerien, der es gelang, den gehörigen Schreck zu verbergen, den Lóminîth ihr eingejagt hatte, nickte langsam. "Sprecht Ihr von den schwarzen Segeln Umbars, Herrin?" hakte sie nach, um Interesse zu zeigen.
Lóminîth schüttelte den Kopf. "Die Korsaren sind besiegt und zerschlagen. Die meisten von ihnen waren ohnehin kaum mehr als Wilde - mein eigener Vater mit eingeschlossen. Das schwarze Segel war bereits lange vor den ersten Raubzügen der vertriebenen Thronräuber Gondors das Emblem meines Hauses, und ich sorge nun dafür, dass die Menschen von Dol Amroth es nicht mehr mit Schrecken verbinden, sondern mit Mitgefühl."
"Wie das?"
"Wenn du darüber mehr erfahren möchtest, besuche mich in meinem Haus, meine Liebe," sagte Lóminîth geheimnisvoll. "Sobald du etwas Zeit findest, versteht sich. Eine so enge Vertraue des großen Königs ist gewiss eine vielbeschäftigte Frau." Sie lächelte, doch Aerien vermutete, dass Lóminîth sie erneut - zumindest teilweise - spöttisch behandelt hatte. "Es liegt nahe der großen Gärten des Fürsten; du erkennst es an meinem Banner, das über dem Hauptdach flattert; ein schwarzes Schiff auf rotem Feld. Du wirst es nicht bereuen."
Damit wandte Lóminîth sich von Aerien ab und schritt anmutig durch die Halle, bis die Schatten sie verschluckten und Aerien nur noch ihre leisen Schritte vernahm, bis auch diese Laute verklangen.

Aerien blieb noch eine ganze Weile allein in der großen Halle stehen und dachte über ihre merkwürdige Begegnung mit Lóminîth nach. Sie brauchte eine ganze Weile, bis sie herausfand, was sie unterschwellig an der Frau geärgert hatte. Lóminîth hatte abfällig über Narissa gesprochen, und das brachte Aerien gegen sie auf. Dennoch beschloss sie, zum Haus der Schwarzsegel zu gehen, sobald sie etwas Zeit fand. Sie würde Serelloth mitnehmen, entschied sie. Doch das Treffen mit dem Nordlänger Hákon am kommenden Tag war zunächst wichtiger. Aerien fragte sich, was der Jäger ihnen wohl über seine geheimnisvolle Beute preisgeben würde, wenn sie sich mit ihm am Platz der tausend Schwanenfedern trafen, sobald die Mittagssonne ihren höchsten Stand erreicht hatte.

Mit diesem Gedanken im Kopf machte sie sich schließlich auf den Rückweg zu ihrer Unterkunft. Endlich verspürte Aerien die Müdigkeit in ihren Gliedmaßen und hoffte, nun etwas Schlaf zu finden. Als sie in den Gang einbog, in dem ihr Gemach lag, war sie sogar bereits so müde, dass sie erst nach einigen Schritten wahrnahm, dass der Boden unter ihren Füßen nass zu sein schien. Als sie herab blickte, schimmerte der weiße Marmor tiefrot im Licht der kleinen Lampe, die den Gang beleuchtete. Aeriens Augen weiteten sich, als ihr der stechende Geruch von Blut in die Nase stieg. Drei Schritte weiter lag der Wachmann in sich zusammengesunken an der Wand, und von ihm ging die Lache aus, die den Fußboden bedeckte. Serelloth! schoss es Aerien durch den Kopf, und sie vergaß ihre Schreckstarre. Schon war sie an ihrer Zimmertür und riss sie hastig auf. Lautes Schnarchen schlug ihr entgegen. Serelloth lag dort, wo Aerien sie zurückgelassen hatte, mittlerweile auf dem Rücken, die Arme und Beine weit von sich gestreckt. Aerien war erleichtert, doch ihre Angst blieb. Sie warf hastige Blicke durch den Raum, der leer zu sein schien. Gerade als sie darüber nachdachte, ob sie ihre Freundin wecken sollte, drang aus dem Nebenraum ein gewaltiges Krachen hervor, als hätte jemand eine riesige Glasscheibe eingeschlagen. Auf dem Gang vor dem Zimmer wurden Rufe laut, und Aerien vernahm die schweren Schritte heraneilender Soldaten. Ihr lief es eiskalt den Rücken hinunter, als ihr einfiel, wessen Schlafraum nebenan lag. Also ließ sie Serelloth - der es beeindruckenderweise gelungen war, friedlich weiterzuschlafen - liegen und eilte hinaus, bog nach rechts ab und erreichte die Tür des Zimmers, in dem Minûlîth nächtigte. Hier stieß sie an der offen stehenden Tür auf einen weiteren Toten, ebenfalls ein Wachmann. Seine blutbespritzte Rüstung wies ihn als Krieger von der Weißen Insel aus.
Der Raum wurde von einer breiten Fensterfront dominiert, die tagsüber einen atemberaubenden Ausblick über das Meer bot. Zwei der Fenster waren eingeschlagen worden, und in dem Bett, dass davor stand, lang eine regungslose Gestalt mit schwarzem Haar, deren Körper so blutüberströmt war, dass sie tödliche Verletzungen am gesamten Leib haben musste. Aerien kannte das grüne Kleid, das hier und da noch zu erkennen war; Minûlîth hatte es oft getragen, sowohl in Dol Amroth als auch auf Tol Thelyn.
Aeriens Herz schien zu versagen.
Titel: Die Klippen der Schwanenstadt
Beitrag von: Fine am 29. Sep 2022, 15:12
Benommen vor Schock blieb Aerien stehen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Ihre Hände zitterten und sie presste sie eng um ihren Körper, als der frostige Wind, der durch die zerschlagenen Fensterscheiben drang, sie umwehte. Tief in ihrem Inneren erhob sich ein Drang, ein Gedanke, der sie aus ihrer Vergangenheit einholte: "Erste Regel: Überlebe!".
Aerien sah sich hastig um. Sie war allein in dem Schlafgemach, das Minûlîth bewohnt hatte. Der oder die Angreifer mussten durch das Fenster geflohen sein. Ihr fiel der tote Wächter auf, der in der Türschwelle lag. Als sie ihn näher betrachtete, bemerkte Aerien, dass er durch einen Wurfdolch gestorben war, der seine Kehle durchbohrt hatte. Der Winkel, in dem die Leiche auf dem Boden lag, ließ darauf schließen, dass das Geschoss von der gegenüberliegenden Seite des Raumes gekommen war - dort, wo die zerbrochenen Fenster waren.
Sie sind also durch das Fenster eingedrungen und auf dem selben Wege geflohen, dachte Aerien. Im selben Augenblick stieß sie ein Gardist beiseite, der an der Spitze eines halben Dutzends Soldaten in das Schlafgemach gestürmt kam; ohne Zweifel alarmiert durch den Lärm der auch Aerien geweckt hatte. Ein Wächter eilte zum Fenster und blickte hinaus. "Seile, Kommandant!" rief er. "Wer auch immer dafür verantwortlich ist, sie können noch nicht weit sein!"
Der Gardist, der den Befehl führte, verschwendete keine weitere Zeit. Er befahl zwei Soldaten, sich um die Leichen zu kümmern und nahm mit dem Rest der Krieger die Verfolgung auf - den selben Weg durchs Fenster verwendend, den auch die Eindringlinge benutzt haben mussten. Kaum waren die Soldaten durch das Fenster geklettert, betrat Hilgorn den Raum, ein gezogenes Schwert in der Hand. Er schien die Situation mit einem Blick zu erfassen und ließ sich von den beiden verblibenen Gardisten Bericht erstatten. Dann machte er kehrt und eilte so rasch davon, wie er gekommen war, zweifellos um den Angreifern auf einer anderen Route den Weg abzuschneiden.

Einer der beiden Wächter nahm Aerien beim Arm und führte sie zurück in ihr Gemach. Sie leistete keinen Widerstand. Serelloth lag noch immer tief schlafend dort wo Aerien sie zurückgelassen hatte. Doch sie war nicht allein. An ihrem Bett saß eine dunkle Gestalt in den Gewändern einer Palastzofe.
"Es geht dir gut," sagte die Zofe mit Erleichterung in der Stimme. Sie stand auf und umarmte die verdutzte Aerien. Erst auf den zweiten Blick erkannte Aerien die totgeglaubte Minûlîth.
"Du bist... am Leben?" stammelte sie und kam sich vor, als würde sie aus einem Albtraum erwachen.
"Was man über die arme Renvís nicht sagen kann," meinte Minûlîth mit Bedauern. "Sie hat ihre Rolle gut gespielt... zu gut, könnte man sagen."
"Aber... woher wusstest du...?"
"Amrodin, der Herr der Spione, warnte mich gestern Abend," erklärte Minûlîth. "Der tapfere Narr! Er konnte mich vor dem Tod retten, aber nicht sich selbst."
Aerien sah Minûlîth an, eine unausgesprochene Frage in den Augen. Die Herrin des Turms von Tol Thelyn nickte sachte.
"Er ist tot," erklärte sie. "Ganz auf ähnliche Weise wie Renvís. Wer hätte jemals damit gerechnet, dass das Herz Gondors selbst angegriffen werden könnte? Dass der Palast, in dem der wiedergekehrte König residiert, nicht sicher sein könnte?"
Aerien hatte keine Antwort auf diese Fragen. Glücklicherweise schien Minûlîth ohnehin keine von ihr zu erwarten. "Du solltest versuchen, trotz aller Schrecken noch ein wenig zu schlafen, Mädchen," sagte sie sanft und ließ Aeriens Hände los, die sie nach der Umarmung noch einen Augenblick festgehalten hatte. "Ich denke nicht, dass wir heute Nacht einen weiteren Angriff befürchten müssen. Unser Feind glaubt, sein Ziel erreicht zu haben und hält mich für tot. Lassen wir ihn noch eine Weile in dem Glauben, schlage ich vor."

Es gelang Aerien, noch einmal Schlaf zu finden. Tatsächlich schlief sie ungewöhnlich lange. Es war Serelloth, die sie voller Aufregung weckte. Sie wirkte nicht so als hätte der nächtliche Angriff auf den Palast sie eingeschütert, ganz im Gegenteil: Serelloth wirkte aufgekratz und tatkräftig.
"Wir haben noch ein paar Stunden bis zu unserem Treffen mit dem Nordmann," sagte sie. "Komm! Vielleicht finden wir eine Spur, die uns zu den geheimnisvollen Angreifern führt, die letzte Nacht zugeschlagen haben."
Aerien teilte zwar Serelloths Begeisterung nicht sonderlich, dennoch schloss sie sich ihrer Freundin an. Gemeinsam umrundeten sie den Palast, indem sie sich ihren Weg durch die fürstlichen Gärten suchten, bis sie an die mächtige Klippe kamen, an die die Rückseite des Gebäudekomplexes angrenzte. Hier ging es für sie nicht weiter, denn die Klippen waren zu steil und zu glatt, um an ihnen ohne Seile hinunterzuklettern. Und selbst wenn sie es bis ganz nach unten geschafft hätten, würde sie nichts als tosende See erwarten, denn der kalte Stein der Klippen setzte sich nahtlos unter der Wellenlinie fort; das Meer war an dieser Stelle beinahe so tief wie auf hoher See.
"Sie müssen ein Boot dort unten vertäut haben," überlegte Serelloth.
"Oder sie haben es geschafft, dem Wellengang schwimmend zu trotzen," meinte Aerien.
"Das glaube ich nicht. Die Wachen, die hier gestern Nacht heruntergeklettert sind, um unseren Feinden zu folgen, mussten schließlich umkehren und wieder die Seile hinauf steigen. Und wenn selbst Ortskundige es nicht wagen es mit der Strömung aufzunehmen, werden es Fremde doch noch viel weniger versuchen," hielt Serelloth dagegen.
Aerien antwortete nicht. Sie blickte auf das schäumende Wasser hinab, das sich in schwindelerregender Tiefe wieder und wieder in großen Wellen gegen die steinernen Klippen warf, auf denen die Stadt Dol Amroth stand. Erneut fragte sie sich, ob ihre Anwesenheit in Gondor Schuld an den Toden trug. Und für einen kurzen Moment dachte sie daran, zwei rasche Schritte vorwärts zu machen, die sie über den Rand hinaus tragen würden...

Doch dann schüttelte Aerien den Kopf, wie um diese Gedanken zu vertreiben. Serelloth sah sie verwundert an, fragte aber nicht nach. Stattdessen schlug sie vor, nach etwas Essbarem zu suchen und sich dabei die Zeit zu vertreiben, bis die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte. Das war der vereinbarte Zeitpunkt zu dem sie sich mit dem Jäger des Nordes auf dem Platz der tausend Schwanenfedern treffen würden.
Aerien hielt noch einen Moment inne, dann nickte sie. Etwas zu Essen würde sie auf anderen Gedanken bringen und Serelloths Gesellschaft war in der Regel erheiternd und ablenkend. Und das war genau das, was Aerien nun gut gebrauchen konnte.

In den Speisekammern und Küchen des Palastes fanden die beiden jungen Frauen rasch, wonach sie gesucht hatten. Mit vollem Mund erzählte Serelloth erneut von ihrer Reise, die sie von der Weißen Insel von Tol Thelyn per Schiff nach Linhir und von dort weiter ins Hinterland Gondors geführt hatte. Besonders viel sprach sie über Ta-er as-Safar; die Bewunderung, die Aeriens Freundin für die geheimnisvolle Südländerin hegte, war kaum zu überhören. Von den Bediensteten und Küchendienern erfuhren sie nebenher, dass zwei Angreifer von General Hilgorn gefasst worden waren und sich seiner strengen Befragung unterziehen mussten. Als Serelloth das hörte, wäre sie wohl sogleich zu den Verliesen losgeeilt, wenn Aerien sie nicht daran erinnert hatte, dass ihnen für diesen Umweg keine Zeit bleiben würde.
"Die Sonne steht kurz vor ihrem Zenit," sagte sie. "Wir werden uns Pferde leihen müssen, wenn wir den Treffpunkt mit Mákon noch rechtzeitig erreichen wollen."
"Gut, dann werden wir reiten," stimmte Serelloth zu. "Machen wir uns auf den Weg!"

Serelloth und Aerien zum Platz der tausend Schwanenfedern (https://modding-union.com/index.php/topic,14170.msg489815.html#msg489815)