Rand des Nebelgebirges (Lothlórien)
Sanya, Allana-Avalante und Mithrendan nahe des Nebelgebirges
"Ich verstehe dich ja, Allana," sagte Sanya, die um Ruhe bemüht war. Mithrendan war ein wenig vorausgeschlichen, um eines der Ork-Lager, die sie in den Ausläufern des Gebirges entdeckt hatten, auszuspähen, während die beiden Frauen stehen geblieben waren. "Aber Kiana ist... verschwunden und wahrscheinlich tot. Außerdem ist dies weder die richtige Zeit noch der richtige Ort, um über sie zu sprechen. Ich hatte ja selbst kaum genug Zeit, sie richtig kennenzulernen." Sie schaute die Elbin nachdenklich an und atmete seufzend aus. "Weißt du... es ging alles sehr schnell, mit ihr, und mit mir. Ich wusste teilweise gar nicht, wie mir geschah - sie wollte mich immer um sich haben, kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten. Ich hatte fast vergessen gehabt, wie... es sich anfühlt, umworben zu werden. Von Männern bin ich das ja teilweise noch gewohnt, aber... Kiana ist... oder war... meine Königin. Ich durfte mich ihr nicht widersetzen, aber wenn ich ehrlich bin... wollte ich das auch gar nicht. Es war sehr reizvoll, sie machen zu lassen... und sie tat eine ganze Menge. Ich glaube, sie... war eine lange Zeit sehr einsam gewesen, so wie es vielen Herrschern ergeht. Ich wünschte, es wäre uns mehr Zeit vergönnt gewesen. Doch der Krieg im Norden riss uns auseinander, sie flog auf dem Rücken ihres schwarzen Drachens los und kehrte nicht wieder, und Gondor bekam einen neuen Herrscher. Du hast ja gesehen, wie die Verhältnisse in Minas Tirith nun aussehen."
"Du vermisst sie sehr, nich wahr?" wollte Allana-Avalante im ruhigeren Tonfall wissen.-
Sanya zögerte einen Moment, doch dann nickte sie. Es half nichts, die Elbin anzulügen oder ihre Gefühle zu verstecken. Je rascher sie Allanas Neugierde befriedigen konnte, desto eher konnten sie sich auf die Aufgabe konzentrieren, die vor ihnen lag.
"Ich hätte sie so gerne kennengelernt, ich weiß aber nicht, wie sie dazu gestanden hätte, dass ich eine Elbin bin," sagte Allana nun.
"Sie hat nie über andere Völker gesprochen, als ich bei ihr war," antwortete Sanya. "Aber ich denke... sie wäre froh darüber gewesen, noch eine Verwandte zu haben, die ihr offen und freundlich gegenüber stünde."
"Du hast erwähnt, dass du glaubst, dass sie einsam war..."
"Ja, auch wenn das sicherlich nicht der einzige Grund ist, wieso... es so schnell mit ihr ging. Auf ihre eigene Art und Weise war sie ziemlich anhänglich und irgendwie niedlich... wenn man das über eine Königin überhaupt sagen kann."
"Ich denke, jeder hat so seine verborgenen Seiten," überlegte Allana. "Nach außen hin hat sie sicherlich stets ein würdevolles und beeindruckendes Bild abgegeben. Du hast es nur eben geschafft, ihre wahre Persönlichkeit hervorzubringen, wenn auch nur im Privaten.
Sanya nickte langsam. Ihr Herz schmerzte, je mehr sie mit Allana über Kiana sprach, und vermutlich konnte die Elbin ihr das auch ansehen. Sie legte Sanya kurz die Hand auf die Schulter, dann nickte sie. "Vielleicht können wir noch ein andermal weiter darüber sprechen. Aber jetzt..."
"...jetzt sollten wir Mithrendan finden. Er muss dort vorne irgendwo sein, dort wo der Rauch am Horizont aufsteigt," ergänzte Sanya.
Es gelang den beiden Frauen, rasch zu ihrem Begleiter aufzuschließen. Zu ihrem Erstaunen fanden sie ihn in den schwelenden Ruinen eines einstigen Ork-Lagers kniend vor, wo er nach Spuren suchte. Überall lagen tote Orks und das Lager war vollkommen verwüstet worden.
"Was ist hier geschehen?" fragte Allana ein wenig erschrocken.
"Sieht aus als wären Feinde der Orks hier gewesen," überlegte Sanya.
"Nicht unbedingt," erwiderte Mithrendan. "Seht euch um. Seht ihr irgendwelche Toten, die keine Orks sind?"
"Nein," sagte Allana nach kurzer Zeit. "Denkst du, es war ein einseitiger Überfall?"
"Auch das nicht, nein," sagte der Kundschafter. "Ich sehe hier drei, nein sogar vier verschiedene Stammesmarkierungen auf Schilden und Rüstungen der Orks. Ich glaube, sie haben sich untereinander bekämpft."
"Wie praktisch," sagte Sanya trocken.
"Nun, ich vermute, dass hier im Gebirge mehrere verschiedene Stämme um die Vorherrschaft ringen," überlegte Mithrendan. "Das würde bedeuten, dass die Orks des Nebelgebirges keinen geeinten Anführer haben."
"Noch nicht," sagte Sanya. "Irgendwann wird sich sicherlich einer als der Stärkste erweisen."
"Vielleicht sollten wir warten, bis es soweit ist," meinte Allana-Avalante, die wohl einen Einfall gehabt hatte. "Wenn die Kämpfe noch eine Weile dauern, schwächen sich die Orks selbst. Und in der Zwischenzeit wird Lothlórien vor ihnen sicher sein. Sobald aber ein geeinter Anführer auftritt... müssen wir ihn nur finden und einfangen oder töten... dann sollten die Machtkämpfe von Neuem ausbrechen."
"Eine gute Herangehensweise," lobte Mithrendan. "Ich hoffe nur, das funktioniert auch bei den Orks, die in Gondor aufgetaucht sind. Vielleicht sollten wir uns als Nächstes im Weißen Gebirge umsehen..."
"Nur zu gerne," sagte Sanya. "Ich hätte nichts dagegen, den Heimweg anzutreten."
Sie nahmen von jedem Stammessymbol das sie fanden je ein Exemplar mit, nachdem sie das Lager gründlich durchsucht hatten, dann machten sie sich auf den Rückweg in den Goldenen Wald. Unterwegs sprachen sie etwas mehr als auf dem Hinweg, die Laune war aufgrund ihrer Entdeckungen in den Ausläufern des Nebelgebirges besser noch als auf dem Hinweg. Allanas Strategie, die Machtkämpfe unter den Orks zu fördern und weiterlaufen zu lassen, war für Sanya ein sinnvoller und guter Ansatz dafür, um Zeit zu gewinnen. Irgendwann würden die Orks natürlich aus dem Gebirge vertrieben werden oder ausgerottet werden müssen, um die endgültige Sicherheit der Elben zu gewährleisten, aber sie war dennoch froh, dass es für's Erste nicht danach aussah, als ob die Bedrohung für Mittelerde durch die neu aufgetauchten Orks so groß war, wie sie nach dem Angriff auf Minas Tirith auf den ersten Blick erschienen hatte.
Der Anführer der Elben Lothlóriens, Elladan, nahm die Nachrichten zufrieden auf. Er stimmte der Vorgehensweise seiner Nichte zu und sandte einige seiner Späher aus, die mithilfe der gesammelten Stammelssymbole mehr über die Identität und Schlagkraft der jeweiligen Orkstämme und ihrer Anführer herausfinden sollten.
"Ich denke, wir sollten gleich morgen den Rückweg nach Gondor antreten," sagte Sanya, als sie mit Mithrendan und Allana-Avalante wieder zurück in ihrer Unterkunft in den Baumkronen war. "Für heute sind wir weit genug gelaufen. Aber dennoch drängt die Zeit; wir dürfen nicht zulassen, dass die Orks unten im weißen Gebirge sich vereinen und Gondor erneut bedrohen."
"Richtig," sagte Mithrendan und ließ sich auf eines der Betten fallen. "Aber genauso richtig ist, dass das bis morgen warten kann... außerdem wäre da noch die Frage, ob unsere neue Freundin uns nicht begleiten möchte?"
Sowohl Sanya als auch Mithrendan blickten Allana-Avalante an und warteten gespannt auf die Antwort der Elbin.
Lothlorièn, Elbensiedlung
Allana-Avalante zurück in Lothlorièn…
Die junge Elbin war mehr als froh, dass sie zurück in der Siedlung waren und die Bedrohung scheinbar gar nicht so groß war. Dass die Orks sich nun gegenseitig bekämpften war das beste was den Waldelben passieren konnte. Dann war die Armee, die sie am Osttor von Moria gesehen hatte nun doch in Streitigkeiten ausgebrochen.
Zu alledem war sie mehr als überrascht, dass Sanya sie fragte, ob sie nicht mit ihnen gehen wollte. Für sie bestand kein Zweifel daran, dass sie mit wollte. Die Gefahr war ja nicht mehr allzu groß und so konnte sie mehr von der Welt sehen.
"Natürlich komme ich mit!", platzte es direkt aus ihr heraus. "Ihr habt mir geholfen, also helfe ich euch, das Problem mit den Orks zu erkennen!".
Dabei blieb ihr Sanyas skeptischer Blick nicht verborgen. Sie wirkte auf Allana noch nicht voll und ganz überzeugt. Womöglich lag das aber eher an der ganzen Situation in Gondor anstatt an der Elbin selbst.
"Ich weiß nicht…", entgegnete Sanya zunächst zögerlich. "...Wir haben dich doch erst vor kurzem nach Hause gebracht!".
"Ach, komm schon…", erwiderte Allana-Avalante sofort. "Ich halte es hier doch sowieso nicht aus!".
"Na schön…", antwortete die Frau Gondors seufzend. Freudig und ohne auch nur ein Wort zu sagen, stürmte die junge Elbin fast schon von der Plattform, auf der die beiden Menschen ihren Schlafplatz hatten, und lief zu ihrer.
Dort angekommen erschrak sie erst einmal, als sie plötzlich ihren Namen hörte. Steif von ihrer Starre drehte sie sich vorsichtig um. Am Rand der Plattform saß ihr Onkel Elrohir auf einem Hocker. Er hatte seine Arme verschränkt und blickte seine Nichte ernst an.
"Warum freust du dich denn so?", fragte er. Allana-Avalante wusste aber genau, dass er sich schon denken konnte was mit ihr los war. Seine Miene verriet ihn. Die junge Elbin legte ihren Kopf schief und verzog dabei ihren Mund. Dabei drückte sie die Hände in ihre Hüften, um ihren Onkel zu signalisieren, dass ihr das klar war. Dieser seufzte nur daraufhin und stand auf.
"Vor nicht allzu langer Zeit träumte ich davon, dass du wieder gehen wirst…", fing er zunächst niedergeschlagen an. "...Aber ich kann und will dich hier nicht festhalten. Wenn du nach Gondor gehen willst, soll es womöglich so sein!".
Die junge Elbin umarmte ihren Onkel liebevoll, von dem sie sich fest in ihre Arme geschlossen wurde. Dann ließ er von ihr ab, hielt seine Nichte aber noch an den Schultern fest. Obwohl er sie anlächelte, fielen ihr auch sofort die feuchten Augen Elrohirs auf.
"Pass auf dich auf, die Welt ist gefährlich!", sagte er dabei. Allana schenkte ihm auch ein schiefes Lächeln.
"Umso schneller die Welt von den Orks befreit ist, desto besser ist es!", entgegnete sie nur.
"Ich rede nicht nur von den Orks…", erwiderte Elrohir ziemlich schnell und wischte sich über die Augen. Ihr war bewusst, dass er damit die Länder der Menschen meinte. Deshalb sagte sie dazu auch nichts mehr. Besonders, weil sie selbst schlechte Erfahrungen als Elbin unter Menschen gemacht hatte. Wobei es nur einige waren. Die zwei Männer die Kianas Krone bei sich trugen -wie heißen sie noch bloß? Ah, Thirak und Kael-, aber auch Sanya und Mithrendan, schienen da ganz anders zu sein. Egal wer oder was Allana war. Sie halfen ihr, obwohl sie dabei hätten sterben können.
"Ich passe auf mich auf, das verspreche ich dir!", schwor die junge Elbin und verschränkte dabei ihre Arme auf den Rücken. Er nickte ihr nur sanft zu.
"Dann schlaf noch etwas, bevor ihr Morgen aufbricht!", sagte Elrohir dann."Bis nach Gondor ist es weit!".
Mit diesen Worten verschwand er von ihrer Plattform. Allana-Avalante sah ihm noch eine Weile nach und seufzte dann. Sie war erschöpft, weshalb sie sich schnell in ihr Bett begab, war aber gleichzeitig zu aufgeregt um ans Schlafen zu denken. Viel lieber wollte sie schon sofort aufbrechen und an Sanyas Seite Gondor erkunden. Sie malte sich in ihren Gedanken aus, wie es da wohl war. Natürlich bekam sie durch ihren kurzen Aufenthalt in Minas-Tirith einen kleinen Eindruck. Die junge Elbin war sich aber ziemlich sicher, dass es noch viele weitere schöne Ecken im Land der Menschen gab, die sich zu entdecken lohnten.
Dann schlief sie endlich ein und träumte von ihren Abenteuern im Süden.
Am nächsten Tag war Allana ziemlich früh auf den Beinen. Auf keinen Fall wollte die verschlafen. Deshalb zog sie sich zügig an, packte ihre Sachen zusammen und wartete auf dem sicheren Boden auf die anderen. Es dauerte auch nicht mehr lange bis Sanya, gefolgt von Mithrendan der noch müde wirkte, bei ihr ankam.
"Guten Morgen!", platzte es schon fröhlich aus Allana-Avalante heraus.
"Morgen!", erwiderten Sanya und Mithrendan, nicht ganz so euphorisch, fast im Chor.
"Ich hoffe ihr habt gut geschlafen und freut euch so wie ich!", sagte Allana weiter.
"Ich kann mich nicht beklagen…", antwortete Mithrendan gähnend. "...Es ist leider nur noch so früh.".
"Ich freue mich darauf, endlich zu Hause zu sein…", sagte Sanya, "...Auch wenn ich es sich verändert hat…".
Allana-Avalante war direkt klar dass sie damit die Spaltung des Reiches von Mittelerde meinte. Sie selbst hätte sich lieber noch Kiana als Königin gehabt und sie kennengelernt.
"Dann lasst uns Orks jagen!", sagte Allana gerade über wollte schon vorgehen, da wurde sie von ihrem Onkel Elrohir gestoppt.
"Einen Moment, Allana-Avalante Elenya!", rief er nur. "Du willst uns doch nicht einfach so verlassen!".
Wie erstarrt blieb sie zunächst stehen und drehte sich langsam zu ihm um. Er hatte es sich doch nicht plötzlich anders überlegt und wollte sie nun nicht gehen lassen? Sie konnte nicht da bleiben.
Als sie aber seine ausgebreiteten Arme sah, atmete sie ziemlich schnell durch. Sie sprang ihm in die Arme und erwiderte seine Umarmung.
"Ich möchte euch noch etwas mitgeben!", fing er an, als Allana von ihm ab ließ. "Ich habe hier noch Proviant für euch. Darunter befindet sich auch etwas Lembas-Brot. Ihr braucht nicht viel davon, doch es hält euch satt!".
Als er das Sagte, übergaben andere Elben Sanya und Mithrendan Rucksäcke. Auch Allana-Avalante bekam einen aufgesetzt.
"Zusätzlich möchte ich euch dafür danken, dass ihr meine Nichte lebendig hierher gebracht und uns geholfen habt, die Bedrohung zu entschlüsseln! Hier nimmt diese Waffen!".
Wieder übergaben die Wachen den beiden Menschen aus Gondor Gegenstände. Diesmal jedem jeweils ein Schwert und einen Dolch.
"Und du Allana…", sagte er, "...Ich übergebe dir das Schwert unseres Großvaters! Es heißt Windschneide und soll dir nützlich sein!".
Vorsichtig nahm sie das Schwert entgegen. Sie war erstaunt, dass er es ihr wirklich gab. Immerhin war er das Oberhaupt der Elbensiedlung und es war die Klinge seines Vaters. Die Elbin befestigte es an ihrem Gürtel und sah danach zu ihrem Onkel auf.
"Seid vorsichtig dort draußen, die Welt ist voller Gefahren! Und auch wenn die Bedrohung durch die Orks hier nun klein erscheint kann es in Gondor ganz anders aussehen!", mahnte Elrohir noch.
"Habt Dank!", bedankte sich Sanya fast schon mit einer Verbeugung und ging die ersten Schritte los. Allana-Avalante zögerte einen Moment und verharrte bei ihrem Onkel. Obwohl sie es die ganze Zeit wollte, bekam sie jetzt ein ungutes Gefühl. Wahrscheinlich war es einfach die Aufregung. Immerhin machte sie etwas ungewohntes. Sie verließ ihr Heimat für eine längere Zeit.
Dann aber schloss sie zu den beiden Menschen aus Gondor auf und lief ihrem Schicksal freudig entgegen. Viel schlimmer als bisher konnte es ganz sicher nicht sein.
"Ich bin gespannt auf Gondor und was wir dort erleben werden!", sagte Allana beim laufen...
Allana-Avalante, Sanya Terelos und Mihrendan auf dem Weg nach Gondor...