Narissa, Aerien, Gandal, Aragorn, Gimli und Aino aus Anórien (https://modding-union.com/index.php/topic,35380.msg475780.html#msg475780)
Narissa stocherte abwesend mit einem Zweig in dem niedrig brennenden Feuer herum, während sie in die Dunkelheit um sie herum lauschte. Um das Feuer verteilt schliefen ihre Gefährten, bis auf Gandalf, der, sobald sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, ohne eine weitere Erklärung verschwunden war. Das hätte Narissas Misstrauen geweckt, wenn Aragorn dem Alten nicht so bedingungslos vertraut hätte. So verließ Narissa sich auf Aragorns Urteil, und hatte ihren eigenen Instinkt nieder gekämpft.
Gandalf hatte sie auf einem schmalen Pfad geführt, zunächst den Halifirien hinab, dann wieder ein wenig hinauf in die Berge bis zur Quelle des Merings und schließlich wieder hinab in den Wald. Als sie die Berge hinter sich gelassen hatten und so im westlichen Teil des Waldes angelangt waren, war die Dunkelheit bereits hereingebrochen, und so hatten sie sich entschlossen, für die Nacht ein Lager aufzuschlagen.
Narissa hob den Kopf, als sie Geräusche aus nördlicher Richtung hörte. Äste knackten, und sie glaubte ein leises... Wiehern zu hören. Sie sprang von ihrem Sitz auf einem umgestürzten Baumstamm auf die Füße, ging um das Feuer herum, wobei sie dem quer über ihrem Weg liegenden Aino ausweichen musste, und starrte angestrengt in den nächtlichen Wald hinein. Mehrere große Gestalten bewegten sich zwischen den Bäumen, und unter ihnen eine kleinere, vollkommen weiße Gestalt. Gandalf. Narissa atmete erleichtert auf, und als Gandalf sie am Rand des Lagers stehen sah, lächelte er unter seinem Bart. Narissas Gehör hatte sie nicht getäuscht, denn den Alten begleiteten vier Pferde.
"Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe", sagte er freundlich. Die Pferde blieben am Rand des Lagers stehen, während Gandalf auf seinen weißen Stab gestützt in den Lichtkreis des Feuers trat. Narissa zuckte mit den Schultern, und setzte sich wieder auf den umgestürzten Baumstamm. "Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass ihr so spät noch auftauchen würdet."
Die Augen des Alten blitzten belustigt, als er erwiderte: "Ein Zauberer kommt niemals spät. Er trifft genau dann ein, wann er es beabsichtigt." Er ließ sich Narissa schräg gegenüber auf einem flachen Stein nieder, den Stab neben sich angelehnt.
Narissa betrachtete ihn aus verengten Augen. "Zauberer? Was soll das heißen?" Gandalf brummte, eindeutig belustigt, zog eine Pfeife aus einer Tasche seines Gewandes und entzündete sie, ohne dass Narissa verstand, wie er das gemacht hatte. Er hatte jedenfalls keinen Feuerstein oder etwas ähnliches genutzt... Nachdem Gandalf die Pfeife in Gang gebracht und einen tiefen Zug genommen hatte, antwortete er schließlich: "Sofern mein altes Gedächtnis noch funktioniert, kommst du von der Weißen Insel." Er tat einen weiteren genüsslichen Zug, und stieß einen perfekten Rauchring aus. "Hast du dort nie von den Istari gehört?"
Narissa stockte. Natürlich hatte sie von den Istari gehört, mächtigen Wesen, die aus dem Westen gekommen waren um Mittelerde im Kampf gegen Mordor zu helfen, aber... "Ja, aber ich dachte... ich dachte, das wäre nur eine Legende", sagte sie, und Gandalf lachte leise. "Aus jeder Geschichte wird irgendwann Legende. Was glaubst du, meine Liebe, wie die Menschen in ein paar hundert Jahren über euch und eure Reise nach Mordor reden werden?"
Narissa spürte zu ihrem Schreck, wie sie errötete, und wandte rasch den Blick ab. Stattdessen blickte sie ins Feuer, das irgendwie ein Eigenleben entwickelt zu haben schien. Kleine Gestalten aus Flammen bewegten sich dort, schienen gegeneinander zu kämpfen, und im nächsten Augenblick zu tanzen. Sie blickte wieder zu Gandalf, der, die Pfeife im Mundwinkel, lächelte. "Du solltest erst mein Feuerwerk sehen." Ein kaum merklicher Schatten huschte nach diesen Worten über das Gesicht des Zauberers, war aber sogleich wieder verschwunden.
"Ich... manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Rolle in dieser Geschichte nach dieser Geschichte zu Ende ist", hörte Narissa sich selbst sagen. "Was könnte ich schon noch tun, nachdem ich im Dunklen Turm selbst gewesen bin?"
Gandalf blickte sie unter buschigen Augenbrauen hervor über das Feuer hinweg an. "Niemand weiß, wann seine Rolle in der Geschichte der Welt zu Ende ist, und niemand weiß, auf welche Weise das Ende kommt. Vielleicht wirst du dich in Gondor niederlassen, und glücklich bis ans Ende deiner Tage leben und deine Rolle in der Geschichte von Mittelerde mag enden, ja. Doch ich denke du ahnst, dass dies vorläufig nicht dein Schicksal ist", schloss der Zauberer scharfsinnig.
Narissa schüttelte den Kopf. Es war seltsam - noch nicht einmal einen ganzen Tag war es her, dass sie Gandalf begegnet waren, und dennoch teilte sie Gedanken mit ihm, über die sie bislang höchstens mit Aerien gesprochen hätte. "Ich habe keine Ahnung, was mein Schicksal ist", sagte sie. "Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es so etwas überhaupt gibt - Vorherbestimmung und all das. Aber... ich habe noch einiges zu erledigen und..." Sie versuchte, die richtigen Worte zu finden. "Was ist, wenn mein Glück mit Aragorns Befreiung endgültig erschöpft ist? Was, wenn irgendwelche Mächte beschließen, dass ich meine Rolle gespielt habe?" Es war eine irrationale Furcht, die sie ergriffen hatte, das wusste sie. Doch je länger Narissa über das nach dachte, was sie und Aerien in den letzten Monaten alles getan und erlebt hatten, desto mehr fürchtete sie sich.
Gandalf brummte nachdenklich, und zog an seiner Pfeife, die zu erlöschen gedroht hatte. "Fürchtest du das Ende?", fragte er schließlich leise. "Den Tod?"
"Nein. Ich fürchte weder Tod noch Schmerz." Das war auf eine gewisse Art und Weise die Wahrheit. Natürlich fürchtete Narissa sich wie jeder Mensch vor dem Tod oder vor Schmerzen, doch es war keine lähmende, erstickende Furcht, wie sie sie früher davor verspürt haben mochte.
"Nun, was fürchtest du dann?", fragte Gandalf, und Narissa, die diese Frage nicht erwartet hatte, stockte.
"Einsamkeit", erwiderte sie schließlich so leise, dass es beinahe ein Flüstern war. "Allein zu sein, ohne meine Freunde, Menschen, die ich liebe. Ich fürchte mich davor, sie zu verlieren - oder sie allein zu lassen." Für einen Augenblick war nur das leise Knacken des Feuers zu hören, und das Prasseln der Glut in Gandalfs Pfeife, wenn der Zauberer daran zog.
"Ich glaube nicht, dass du jemals wirklich alleine sein wirst", sagte Gandalf schließlich. "Niemand von uns ist je wirklich allein, selbst wenn niemand bei ihm ist - wenn du verstehst, was ich sagen will." Wirklich verstanden hatte Narissa nicht, und dennoch beruhigten Gandalfs Worte sie auf seltsame Weise.
"Nun", sprach Gandalf weiter, "ich denke, dir würde ein wenig Schlaf gut tun. Ich werde den Rest deiner Wache übernehmen - in meinem Alter braucht man wenig Schlaf, und ich habe vor einiger Zeit mehr geschlafen, als mir lieb ist."
Narissa wollte ansetzen, ihm zu widersprechen, stellte allerdings fest, dass ihre Augenlider mit einem Mal zu zufallen drohten. Also nickte sie nur dankbar, und streckte sich auf ihrem Lager neben Aerien aus. Bevor sie die Augen schloss, blickte sie noch einmal zu Gandalf hinüber, der offenbar tief in Gedanken versunken am Feuer saß, und fragte: "Gandalf... woher kommen die Pferde?"
Der Zauberer blickte über die Schulter zu den Tieren, die hinter ihm still, offenbar ebenfalls schlafend, unter den Bäumen standen.
"Es gibt Wachtposten der Rohirrim in der Nähe, und sie haben mir freundlicherweise einige überzählige Tiere überlassen", erklärte er, und lächelte dann. "Ich habe sie nicht gestohlen, wenn du das befürchtet hattest. Doch ich hielt es für besser, eure Gegenwart in diesem Land so lange wie möglich geheim zu halten. Und nun schlaf. Schlaf bis zum Morgengrauen."
Bevor Narissa endgültig in den Schlaf hinüber glitt, hörte sie den Zauberer leise vor sich hin singen, zu einer Melodie, die ihr vollkommen unbekannt war, aber dennoch seltsam vertraut vorkam.
Die Straße gleitet fort und fort,
Weg von der Tür wo sie begann,
Weit überland von Ort zu Ort,
Ich folge ihr, so gut ich kann...