Nur noch eine Tagesreise würden sie brauchen, um die Westküste Harads zu erreichen. Locker hielt Músab die Zügel seines Pferdes, während jenes langsam durch die Einöde der Mehu-Wüste trabte. Er war wie so oft tief in Gedanken versunken. Nun da sein Anspruch auf den Thron Kermas dank des Königssymbos für alle Zeit rechtens war und nur sein Sohn Tamal der legitime Erbe des Königreichs sein würde, war Kerma in Sicherheit. Doch für wie lange...? Der Preis für die Sicherheit war hoch, sehr hoch: Alte, jedoch vor allem treue Freunde hatten mit ihrem Leben dafür bezahlen müssen. Dutzende Kinder hatten ihre Eltern verloren, waren nun Kinder der Straße. Das Heer würde komplett reformiert werden müssen, neue Generäle, Hauptmänner und Stadthalter eingesetzt werden, um die vielen freien Plätze zu besetzen.
Und obwohl das Königreich seinen König nun in der Hauptstadt brauchte, war Músabs Anliegen von höchster Dringlichkeit. Kerma stand nun, abgesehen von Suladan, ohne starke Verbündete da. Das Malikat hatte Kerma verraten und gezwungen mit Suladan zu paktieren und sowhl Kashta als auch Balakân waren Músabs Rache entkommen. Es gab wahrlich viel für ihn zu tun.
Er ging die Einzelheiten seines vor wenigen Stunden aufgesetzten Briefes durch, welche einer der Leibgardisten nun zurück nach Kerma bringen würde.
"Mit diesem Schreiben bestätigt der Qore, dass folgende Befehle seinem eigenem Willen entsprechen.
Famareeq Famareeqid, der momentane Stadthalter Napatas, soll mit sofortiger Wirkung den Titel des Scheichs erhalten. Ihm wird das Lehen El Kurra übergeben, welches seinen Stand wiederspiegeln soll.
Taloraqen, aus dem Haus der Aburniden, wird mit Wohlwollen zum neuen Stadtverwalter der Hafenstadt Napata gekürt. Somit steht ihm auch ein Platz im königlichen Rat zu.
Die Insel Assuit wird wieder in das Königreich von Kerma eingegliedert und wird unter direkte königliche Verwaltung gestellt. Das Haus Assuit stellt jedoch nach dem Ableben des Königs Abdul die Erben der Insel. Khasim bin Abdul und Alyána bint Músab wird weiterhin die Prinzenwürde eingeräumt.
Gez.
Qore Músab bin Kernabes
"Was erhoffst du dir auf Tol Thelyn? Wieso überhaupt diesen Umweg machen, wenn du doch eigentlich nach Ta-Mehu willst?" fragte ihn sein Neffe Gatisen, der Músab aus den Gedanken riss.
"Verständnis, Gatisen. Wir müssen den Thelynrim zeigen, dass wir uns trotz allem an unser Bündnis halten. Ich vertraue Narissa, doch sie mir nicht, zu recht." beantwortete er die Frage, schwieg dann jedoch wieder. Ein langer Moment verstrich, ehe Músab weitersprach. "Du solltest dich jedoch nicht damit befassen. Während dein Vater und ich nach unserem Besuch auf Tol Thelyn weiter nach Ta-Mehu reisen werden, wirst du nach Gondor gehen und mit dem Truchsess verhandeln."
Während Gatisen diese Neuigkeiten verdaute, musterte Músab nachdenklich seine gepanzerte Garde, die ihn wie stets umgab. Dabei fiel ihm ein besonders kleiner Gardist auf, der mehr schlecht als recht versuchte, sich im Sattel zu halten. Es dauerte nicht lange, bis Músab auf die Lösung dieses Rätsels gekommen war.
"Wieso ist das Mädchen dabei?" fragte er schließlich frei heraus.
Gatisen schluckte. " Das ist schwer zu erklären..." Er errötete.
Músab schmunzelte. Er hatte verstanden. "Nun gut. Ta-Mehu ist jedoch zu gefährlich. Sie wird dich nach Gondor begleiten," eröffnete er seinem verdutzten Neffen.