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Das Schicksal Mittelerdes (RPG) => Die Welt von Mittelerde => Nah-Harad und Harondor => Thema gestartet von: Fine am 22. Feb 2016, 13:28

Titel: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Fine am 22. Feb 2016, 13:28
Qúsay, Dirar, Beregond und Aerien mit den Reitern von den Ebenen nördlich der Stadt (http://forum.modding-union.com/index.php/topic,32735.msg429704.html#msg429704)


Aerien blickte sich staunend um. Die Stadt war voller Menschen unterschiedlichster Herkunft und Hautfarbe. Sie sah viele Haradrimkrieger die zu verschiedenen Stämmen gehörten und deren Banner, die über den Mauern wehten. Die Straßen waren so voll, dass die Reiter nur langsam hindurchkamen. Trotz des vorangeschrittenen Abends waren noch immer sehr viele Leute unterwegs.

Sie kamen zu den Stallungen und saßen ab.
"Qúsay wird im Fürstenpalast sein, aber es ist unwarscheinlich, dass er euch zu dieser späten Stunde noch empfängt", sagte Ibn Nazir und fuhr fort: "Ich würde euch raten, euch für diese Nacht ein Zimmer in einer der Herbergen zu nehmen, dann könnt ihr Qúsay morgen früh aufsuchen. Dirar hier wird euch begleiten und sicherstellen, dass ihr ein Zimmer bekommt. Außerdem würde ich euch raten, euch andere Kleidung zuzulegen. Es wird hier tagsüber sehr heiß, bei dem was ihr tragt könntet ihr einen Hitzeschlag erleiden."
"Wir sind Euch zu Dank verpflichtet, Ibn Nazir," antwortete Beregond. "Ich hoffe, wir werden Euch Eure Freundlichkeit schon bald vergelten können. Habt also Dank für Euren Rat und dafür, dass Ihr uns den Weg hierher gezeigt habt."
"Es war mir eine Ehre. Shalem la-itta!", erwiderte Ibn Nazir und nickte. Nachdem einer der Reiter das Banner von Dirar übernommen hatte ging Ibn Nazir mit seinen Reitern in Richtung Stadtzentrum davon, während Dirar mit den beiden Dúnedain zurückblieb.
"Es wird spät," sagte Aerien. "Dirar, wo finden wir die nächste... Herberge?" Die Gemeinsprache bereitete ihr immer noch Schwierigkeiten.
"Folgt mir," sagte der Angesprochene und führte sie tiefer in die Stadt hinein.
Titel: Die Pranke des Löwen
Beitrag von: Fine am 19. Mär 2016, 20:01
Nur wenige Straßen weiter kamen sie zu einem kleinen Gasthaus. Auf dem Schild, das über dem Eingang hing, standen haradische Buchstaben, die weder Aerien noch Beregond lesen konnten.
"Willkommen im Gasthaus 'Löwenpranke'", übersetzte Dírar. "Das ist natürlich nur eine ungefähre Übersetzung in die Gemeinsprache. Die genaue Bedeutung ist etwas zu kompliziert, um sie Wort für Wort aus der Sprache der Lahmiden zu übersetzen. Beherrscht man die Elbensprache, wird es schon einfacher: Ich hoffe also, 'Raw-gammath'(1) sagt Euch mehr zu."
"Ihr sprecht das Sindarin?" fragte Aerien erstaunt auf Elbisch als sie Dírar durch die Eingangspforte ins Innere folgte.
Sie gelangten in einen großen Raum, der voller Menschen war. Trotz der Lautstärke dort war Dírars Antwort gut zu verstehen. "Ich habe gondorische Vorfahren," sagte er erklärend.
"So wie Euer Herr, Ibn Nazir," stellte Aerien fest. Dírar erwiderte jedoch nichts darauf. Er durchquerte den Raum und kam an einem hölzernen Tresen zum Stehen, hinter dem zwei Männer Getränke ausschenkten. Dírar wechselte einige Worte in einer der Sprachen der Haradrim mit einem der beiden Gastwirte. Bis auf die Worte "Qúsay" und "Gondor" verstand Aerien und Beregond nichts von dem Austausch.
Dann wandte sich Dírar wieder um und sagte: "Ich habe ihm gesagt, dass er euch als Gäste Qúsays betrachten soll, bis dieser euch empfangen hat. Er wird euch ein Zimmer zeigen."
Dírar hob die rechte Hand zum Abschiedsgruß. "Ich werde nun zu meinem Herrn zurückkehren. Mögen wir uns bald wohlbehalten wiedersehen."
"Losto vae(2), Dírar," antwortete Aerien und der Mann eilte hinaus.

Einer der beiden Gastwirte führte sie zu einem Zimmer im zweiten Stock. Dort gab es jedoch nur ein einfaches Bett. Aerien wollte Beregond schon anbieten, auf dem Boden zu schlafen, als dieser ihr zuvorkam.
"Ist schon gut, Aerien. Ich nehme den Stuhl dort in der Ecke. Der wird mir genügen." Er zeigte auf einen großen Stuhl mit Armlehnen, der aus biegsamen Hölzern geflochten war.
Sie richteten sich im Zimmer ein. Draußen war es bereits seit einiger Zeit dunkel geworden. Morgen werden wir uns mit Qúsay befassen, dachte Aerien als sie ihr Reisegepäck auf dem Bett ausbreitete. Ich frage mich, was für ein Mensch er wohl ist. Die Dúnedain müssen ihm wohl oder übel vertrauen wenn sie Sauron schlagen wollen, stellte sie fest.
"Wir müssen uns um angemessene Kleidung kümmern," sagte Beregond, der sein Kettenhemd abgelegt hatte. Den gondorischen Wappenrock trug er weiterhin. "Wie Ibn Nazir gesagt hat wird es uns bald zu heiß werden. Außerdem sind wir so nicht gerade unauffällig."
Aerien widerstrebte es, ihre gute Rüstung gegen einfachere Gewänder einzutauschen, doch konnte sie nicht verleugnen, dass es ihr darin auf dem Weg nach Aín Sefra gerade um die Mittagszeit geradezu unterträglich heiß geworden war.
"Du hast Recht," sagte sie also. "Ich fürchte, zu dieser Stunde wird uns wohl niemand mehr neue Gewänder verkaufen", überlegte sie. "Das wird also bis morgen warten müssen."
"Morgen früh werden wir vor den Fürsten Qúsay treten, der von Imrahil zum Herrn von Harondor gemacht wurde. Wir haben einen Auftrag, vergiss das nicht. Dabei sollten wir wie Gesandte Gondors wirken," sagte Beregond. "Doch danach sollten wir uns die neue Kleidung wirklich beschaffen."
"Du willst also noch warten, bis wir Qúsay Damrods Nachricht überbracht haben?" schlussfolgerte Aerien. Sie fragte sie, wie lange Beregond wohl noch in Aín Séfra bleiben wollte.
"Wir werden wohl noch einige Nächte hier verbringen," antwortete der Gondorer als hätte er ihr die Gedanken am Gesicht abgelesen. "Morgen findet der Majles statt, eine Versammlung der wichtigsten Anführer der Haradrim. Wenn Qúsay zum König - zum Malik - von Harad gekrönt wird, müssen wir sichergehen, dass er es sich nicht anders überlegt und in Gondor einmarschiert. Wenn möglich, müssen wir herausfinden, was er als Nächstes plant, und Damrod warnen sollte ihm Gefahr von Qúsay aus drohen."
"Ich verstehe," sagte Aerien nachdenklich.

Als sie von Mordor aufgebrochen war, hatte sie ursprünglich vorgehabt, nach Dol Amroth zu gehen und den Anführern der Dúnedain alles Wissen über das Schattenland zu überbringen, das sie angesammelt hatte. Sie wollte es den Feinden Saurons ermöglichen, einen schweren Schlag gegen den Dunklen Herrscher zu führen und sie wollte vor allem, die Erben Númenors wieder vereinen und den Bruderkrieg der Dùnedain beenden. Doch Beregond hatte ihr auf der Reise durch Harondor erzählt, dass den Fürsten Gondors die Hände gebunden waren. Wenn sie den Fluss Gilrain, die Ostgrenze des freien Gondors, in kriegerischer Absicht überquerten, würde Aragorn hingerichtet werden. Den Tod ihres Königs konnten die Dúnedain nicht in Kauf nehmen - zumindest noch nicht. Linhir würde vorerst eine Grenzstadt bleiben und wachsam nach Osten blicken müssen.
Dass sie sich nun in Harad wiederfand war nicht nach ihrem Plan gelaufen. Ich brach nach Westen auf und bin im tiefen Süden gelandet, dachte Aerien. Wenn mir die Waldläufer doch nur vertraut und zugehört hätten! Über den geheimen Pass bei Durthang hätten sie ins Schattenland gelangen und viele der Kriegsgefangenen befreien können.
Sie hoffte, den Auftrag Damrods in Harad schnell abzuschließen und den Anführer der Waldläufer Ithiliens von ihren guten Absichten zu überzeugen.
Dann werde ich vielleicht nach Dol Amroth weiterziehen können.

Beregond war inzwischen auf dem Sessel eingenickt. Aerien ließ ihn in Frieden und begann, ihre Rüstung abzulegen. Die Schulterschützer schnallte sie ab und legte sie nebeneinander auf den kleinen Tisch, der neben dem Bett stand. Die ineinander greifenden Plättchen, die ihre Hüfte und Oberschenkel schützen, folgten als nächstes. Zuletzt schlüpfte sie aus dem Brustpanzer und fühlte sich sofort ein gutes Stück leichter. Die enge Stoffkleidung und die lederne Hose, die sie darunter trug bedeckte sie mit dem großen grauen Umhang, den sie über ihre Schultern fallen ließ. Sie ergriff Lôminzagar und blickte das Schwert einen Moment nachdenklich an. Schließlich entschied sie, es nicht mitzunehmen. Der lange Dolch an ihrer Seite würde genügen müssen. Dann verließ sie das Zimmer und ging hinunter in den großen Schankraum, der noch immer gut gefüllt war. Flink band sie sich das lange dunkle Haar zu einem einfachen Pferdeschwanz und trat an den Tresen.
"Was darf es für Euch sein?" fragte der Mann hinter dem Tresen in der Gemeinsprache. Es war nicht derjenige, der Aerien und Beregond das Zimmer gezeigt hatte.
"Nur etwas Wasser, bitte," antwortete Aerien.
Der Mann musterte sie eindringlich und machte keine Anstalten, auf ihren Wunsch einzugehen. Sie erwiderte den Blick und setzte einen neutralen Gesichtsausdruck auf. Einen langen Augenblick starrten sie einander an, bis der Gastwirt von einem Moment auf den anderen den Blick abwandte und sich zu einem großen Wasserfass umdrehte. Er füllte einen einfachen Krug und schob ihn zu Aerien herüber, die dankend nickte. Dann wandte der Gastwirt sich anderen durstigen Haradrim zu.
Aerien betrachtete den Krug. Wasser muss in dieser Gegen rar und daher auch wertvoll sein, überlegte sie. Hat Qúsays Name so viel Gewicht, dass dieser Krug mich nichts kostet?

Eine Bewegung zu ihrer Rechten unterbrach ihre Gedanken. Ein gepflegt aussehender Mann lehnte sich unangenehm nah an sie an den Tresen. Die dunklen Augen des Südländers fixierten ihr Gesicht. Ihre Hand glitt wie zufällig langsam in Richtung des Griffes ihres Dolchs.
"Neu hier, was?" sagte der Mann mit freundlich klingender Stimme. Er hatte einen dichten, aber dennoch kurzgeschnittenen dunklen Bart und trug sandfarbene Gewänder, die recht edel wirkten, ihm jedoch genug Bewegungsfreiheit zu bieten schienen.
Aerien nickte bloß als Antwort und setzte einen abweisenden Gesichtsausdruck auf. Den Mann schien es nicht zu stören.
"Ich bin Sahír," sagte er und deutete eine spöttische Verbeugung an. "Vom Stamm der Kinaḫḫu. Und wie lautet Euer Name, wenn Ihr mir die Frage gestattet?"
"Aerien," antwortete sie skeptisch. Sie wusste nicht recht, was sie von Sahír halten sollte.
"Ein liebreizender Name für eine anmutige Dame," gab Sahír lächelnd zurück. "Wisst Ihr, Aerien, ich bin ein hervorragender Händler - der Beste! - und bin schon in vielen Ländern gewesen. Doch eine Frau wie Ihr ist mir noch nie begegnet. Ich bin ein neugieriger Mann, müsst Ihr wissen, und Ihr fielt mir am Tor sogleich auf. Was tut eine solche Schönheit in Begleitung unseres großen Anführers? fragte ich mich. Also folgte ich Euch, um mehr herauszufinden. Und hier seid Ihr nun. Wollt Ihr mir erzählen, was Euch nach Aín Sefra führt, zu dieser schicksalhaften Zeit?"
Der Redeschwall des Mannes überrumpelte Aerien etwas und so antwortete sie nicht direkt. Sahír schien jedoch nicht auf eine Antwort warten zu wollen.
"Oh, Ihr macht wohl nicht viele Worte, was? Das macht nichts. Ich verstehe Euch, schöne Aerien. Ihr kennt mich ja gar nicht. Nun, dann lasst es mich einmal so formulieren: Erzählt mir ein wenig von Euch, unterhaltet Euch ein bisschen mit mir, und morgen zeige ich Euch meine Waren und Ihr dürft Euch etwas davon aussuchen - ohne zu bezahlen natürlich. Versteht es als Geschenk an Euren Anmut. Ich möchte daher - "
"Ich komme aus Gondor und habe eine Nachricht für Khôr(3) Qúsay zu überbringen," sagte Aerien etwas verärgert, um den Mann zum Schweigen zu bringen. Sie verwendete das adûnâische Wort für Fürst, da ihr das Westron-Wort entfallen war.
"Ha! Wichtige Geschäfte mit hohen Herren! Ja, das kann ich mir denken," äußerte sich Sahír erfreut. "Dieser Qúsay, das ist ein guter Mann," fuhr er fort. "Alle mit Verstand sagen das, und ich habe mit vielen Menschen zu tun. Komme viel herum. Händler, Ihr wisst schon. Überall hört man vom Krieg, der heraufzieht. Ihr müsst verstehen, dass mein Volk vom Dunklen Herrscher eigentlich nur für seine Zwecke ausgenutzt wurde und im Gegenzug keine der versprochenen Belohnungen erhalten hat. Jetzt reicht es den Leuten und Qúsay wird sie vereinen. Ihr werdet es morgen sehen, meine gute Aerien. Ihr werdet es seh'n!"
Aerien versuchte, aufmerksam zu wirken, doch irgend etwas, das Sahír erwähnt hatte, hatte sie nachdenklich gemacht. Der Redefluss des Händlers war zu schnell gewesen als dass sie es genauer hätte mitbekommen können, und seine nicht enden zu wollenden Worte hielten Aerien davon ab, sich zu konzentrieren und sich zu erinnern, was es genau gewesen war. Es hatte mit meiner Ankunft in der Stadt zu tun, war sie sich sicher. Doch wie weiter?
"Woher aus Gondor kommt Ihr?" fragte Sahír gerade.
"Aus Minas Tirith," sagte sie wahrheitsgemäß, doch ohne ihre wirkliche Heimat preiszugeben.
"Ah, die Weiße Stadt! Hab' schon viele Geschichten davon gehört. Die Festungen des Nordens sollen alle geradezu atemberaubend sein!"

Noch ungefähr eine Stunde ertrug Aerien das Gespräch mit Sahír. Gegen Ende musste sie sich eingestehen, dass sie den Mann sogar auf eine Art sympathisch fand, doch spürte sie nun immer mehr, wie sie müde wurde. Sahír schien es sofort aufzufallen.
"Oh, werte Aerien, verzeiht meine Unhöflichkeit," sagte er. "Ihr habt gewiss einen langen Ritt hinter Euch. Habt Dank für die Unterhaltung und vergesst nicht, mich morgen in meinen Handelsposten zu besuchen um Euer Geschenk auszusuchen. Ich habe viele wundersame Dinge, die Euch gut gefallen würden! Doch nun - laylatan saeida(4), gute Nacht!" Damit verabschiedete er sich und verliess die Taverne.
Aerien zog sich schnell in ihr Zimmer zurück, wo sie Beregond leise schnarchend vorfand. So still wie möglich streifte sie den Umhang und die Hose ab und hüllte sich in die weiche Decke, die auf dem Bett lag. Sie schloss die Augen und war bald darauf fest eingeschlafen.



(1) sindarin, "Löwenpranke"
(2) sindarin "Gute Nacht"
(3) ladûnâisch "Herrscher, Fürst"
(4) lahmidisch "Gute Nacht"
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: kolibri8 am 29. Jun 2016, 19:45
Qúsay folgte der Hauptstraße, die geradewegs auf die kleine Festung innerhalb der Stadt zu führte. Die Wachen grüßten ihn und ließen ihn ohne Umschweife passieren. Im Hof vor dem Palas erwartete ihn schon Marwan, der ihn freudig begrüßte. Zusammen traten sie in den Palas ein. Dieser war zwar nicht so groß und prachtvoll wie der Fürstenhof von Umbar, strahlte aber dennoch in seiner eigenen Art und Weise Ehrfurcht und Macht aus. Der Boden war mit Marmor gedeckt und die Wände mit blau glasierten Steinen und Mosaiken, die die früheren Herrscher der Stadt, Marwans Vorfahren, zeigten, verziert.

„Ich habe dir im Westflügel ein Zimmer bereiten lassen“, erwähnte Marwan und führte ihn nach Westen. Dort angekommen blieben sie vor einer zweiflügligen, mit Schnitzereien verzierten Tür, die von Zweien von Marwans Männern bewacht wurde. Die Wachen drehten sich zur Tür hin und öffneten diese, sodass Qúsay und Marwan den Raum betreten konnten. Im Inneren zeigte sich ein geschmackvoll eingerichtetes Zimmer, mit kunstvollen Teppichen und mehreren mit Samt bezogenen Liegen. Diese waren um einen flachen Tisch angeordnet, der mit Früchten gedeckt war. Zur Rechten und zur Linken waren zwei weitere Türen, die jedoch geschlossen waren. Der Eingangstür gegenüber waren mehrere große Fenstertüren, durch die man in einen ummauerten Garten gelangen konnte.

„Ich werde dich nun in Ruhe lassen“, sagte Marwan, „ruh dich aus.“ Dann nickte er kurz und verließ den Raum.
Qúsay nahm sich eine Dattel und öffnete die Tür zu seiner Linken und fand sich in einem ebenso kunstvoll verzierten Badezimmer wieder.
„Ich hab mir gedacht, dass du es bist“, hörte Qúsay eine vertraute Stimme hinter sich sagen. „Und gefällt dir unser neues Heim?“
Qúsay drehte sich der Stimme zu und erblickte Thjodbjörg, die in einem leichten Seidenkleid haradischer Machart in der Tür stand. „Es gefiel mir schon sehr gut“, antwortete Qúsay mit einem Lächeln und ließ seinen Blick über sie wandern, „aber jetzt gefällt es mir um ein vielfaches mehr.“ Sie ging auf ihn zu, umarmte ihn und gab ihm einen Kuss. „Ich bin froh, dass du da bist“, sagte sie und legte ihren Kopf auf seine Brust. „Das bin ich auch“, sagte Qúsay.
Titel: Frühmorgens in Aín Séfra
Beitrag von: Fine am 26. Jul 2016, 10:45
Aerien hatte einen leichten Schlaf, was offenbar auch auf Beregond zutraf. Ein Geräusch am Fenster ließ beide aus dem Schlaf aufschrecken. Im Licht der ersten Sonnenstrahlen, die über die flachen Dächer von Aín Séfra glitten, stellte sich die Ursache des Geräusches als eine große getigerte Katze heraus, die mit ihren Pfoten gegen den Fensterladen trommelte. Gähnend stand Aerien auf und ließ das Tier ins Zimmer. Beregond warf ihr einen verwunderten Blick zu als die Katze sich dankbar an Aeriens Beinen rieb und sich dann auf ihrem Umhang zusammenrollte.
"Noch eine neue Bekanntschaft?" fragte der Gondorer halb belustigt, halb misstrauisch.
"So scheint es wohl," antwortete Aerien, die noch nicht richtig wach geworden war. Sie streckte sich und trat ans Fenster, um einen Blick hinaus zu werfen. Trotz der frühen Stunde war schon einiges los auf den Straßen von Aín Séfra. Diese Stadt kommt wohl nie wirklich zur Ruhe, dachte Aerien und unterdrückte ein erneutes Gähnen.

"Du solltest vorsichtiger sein," meinte Beregond als sie sich zum Aufbruch bereit machten. "Wir sind hier an einem gefährlichen Ort, weit weg von Gondor und allem, was uns vertraut ist."
"Denkst du etwa, dieses Tier ist eine Gefahr für uns?" wollte Aerien wissen. Die Katze hatte die Augen geschlossen und ließ ein leises Schnurren hören.
Beregond seufzte. "Nein, ich denke es wohnt wohl hier. Katzen schlafen tagsüber und gehen nachts dunklen Geschäften nach. Kennst du die Geschichte von Königin Berúthiel?"
Aerien nickte. "Sie richtete ihre Katzen darauf ab, Geheimnisse herauszufinden und andere auszuspionieren," antwortete sie.
"Sei froh, dass dies keine von Berúthiels Katzen sondern nur ein gewöhnlicher Faulpelz zu sein scheint," sagte Beregond.
"Sedh-heleth"(1), übersetzte Aerien. "So werde ich dich nennen, kleiner Faulpelz." Die Katze erhob keine Einwände.

Im großen Schankraum der Taverne war niemand zu sehen als sie schließlich nach unten gingen. Entgegen Ibn Nazirs Rat trugen sie dieselbe Kleidung wie bei ihrer Ankunft in der Stadt. Beregond betonte erneut wie wichtig es sei, einen offiziellen Eindruck zu machen. "Wir sind Abgesandte Gondors und der Herren des Westens," schärfte er Aerien ein. "Sobald wir Damrods Nachricht an Qúsay überbracht haben können wir uns nach passenderen Gewändern für die Hitze Harads umsehen."
Sie brauchten einige Minuten, um die Hauptstraße wiederzufinden von der sie in der Nacht zuvor unter Dírars Führung abgewichen waren. Aín Séfras Gassen waren recht eng da überall Kisten, Stände, Krüge und viele andere Gegenstände an den Hausmauern gestapelt waren und die Gebiete in der Nähe des Haupttores in einen einzigen, riesigen Basar verwandelten.
"Hier hat wohl wirklich jeder etwas zu verkaufen," bemerkte Aerien.
Auf der Hauptstraße, die als einzige frei von Hindernissen war, waren bereits Reiter unterwegs, die zum Tor preschten und große Staubwolken aufwirbelten. Beregond und Aerien gingen raschen Schrittes auf die Festung am Ende der Straße zu, wo sie den Fürstenhof vermuteten. Sie ernteten viele misstrauische Blicke von den Leuten, die ebenfalls in den Morgenstunden unterwegs waren.
"Mach' dir keine Sorgen," beruhigte Beregond die Dúnadan. "Man hat uns gestern in Ibn Nazirs Begleitung eintreffen sehen, und ich schätze, dass sein Name genug Gewicht hat um uns ein sicheres Eintreffen an Qúsays Hof zu ermöglichen."
"Hoffen wir es," antwortete Aerien, doch ihre Anspannung ließ nicht nach.

"Tajmid!"(2) Die Bedeutung war unmissverständlich, doch die Wachen am Eingang der Festung wiederholten ihren Ruf in der Gemeinsamen Sprache. "Halt, Fremdlinge. Dies ist die Residenz von Marwan bin Yusuf, dem Emir der Lahmiden. Welche Absichten führen Euch hierher, balad alhajar?"(3)
"Ich bin Beregond, Baranors Sohn, ein Gesandter der Fürsten Gondors. Und dies ist Aerien Bereneth. Wir bringen dem Fürsten Qúsay eine dringende Nachricht von meinem Herrn, dem Truchsessen von Gondor - Imrahil von Dol Amroth."
Der Torwächter nickte. "Eure Ankunft wurde angekündigt. Malik Qúsay weiß von Eurem Eintreffen in Aín Séfra. Ihr dürft die Festung betreten, doch werdet ihr Eure Waffen ablegen."
Beregond nickte und übergab dem Mann sein Schwert. Aerien jedoch zögerte. Wer garantiert mir dass Lomînzagar(4) nicht während unserer Audienz gestohlen wird?
"Deine Waffe, Mädchen," forderte der zweite Wächter. Aerien nahm die Klinge vom Rücken, noch immer in deren lederner Hülle.
"Hier stelle ich sie hin," sagte sie mit fester Stimme und lehnte das Schwert an die Wand nahe der Wachposten. "Und hier soll sie auf mich warten. Keiner soll sie berühren!"
Die Wachen schienen belustigt, machten aber zustimmende Gesten. "Das Schwert wird bei uns sicher sein. Geht nun ins Innere, zum Vorhof des Palas. Malik Qúsay hat viele wichtige Dinge zu tun, so seid also geduldig und wartet bis man euch ruft!"

Sie kamen zum Vorhof, der im Gegensatz zu den Straßen der Stadt leer war. Aerien spürte eine ungewöhnliche Aufregung, die sie unruhig auf und ab gehen ließ. Sie fragte sich, was sie wohl bei der Audienz erwarten würde und wie der Fürst auf die Nachricht Damrods reagieren würde. Es sind gute Botschaften, die wir bringen. Doch mehr als das gebietet uns unser Auftrag. Wir müssen einschätzen, ob der neue Verbündete Gondors vertrauenswürdig ist. Das wird nicht einfach werden.



(1) sindarin, "Ruhe-pelz"
(2) lahmidisch "Stehen bleiben!"
(3) lahmidisch "Steinländer"
(4) adûnâisch "Nachtklinge"
Titel: Eine Audienz beim Malik
Beitrag von: kolibri8 am 5. Aug 2016, 15:18
Der Morgen war gekommen und Qúsay lag schlafend neben Thjodbjörg im Bett. Es dauerte nicht lange, da wurden sie von einem Klopfen geweckt. Qúsay stand auf und öffnete die Tür: Zwei Sklaven standen an der Tür mit Silbertabletts und brachten Frühstück und neue Kleidung. Ohne umschweife betraten sie den Raum und servierten das Essen auf dem Tisch im Hauptsaal ihres Quartiers.
Nach einen Frühstück, bestehend aus Fladenbrot, Jogurt, Oliven, und Tee, kam Marwan in ihr Quartier.
„Es ist an der Zeit, Qúsay“, sagte er als er eintrat.
„Schon?“, fragte Qúsay verwundert, „es ist noch nicht einmal Mittag.“
„Es haben sich einige Leute zusammengefunden, die mit dem künftigen Malik reden wollen, noch bevor der Majles offiziell zusammentritt.“
Qúsay seufzte, wischte seinen Mund mit einer Serviette ab und stand vom Tisch auf. „In Ordnung“, sagte er und bat Marwan draußen zu warten, bis sie sich umgezogen hatten. Nachdem Marwan die Tür hinter sich geschlossen hatte, zog Qúsay eine purpurrote Tunika an, welche ihm Sklaven zuvor bereit gelegt hatten. Dazu trug er einen Umhang aus schwarzem Leopardenfell. Ein güldener Stirnreif zeigte seinen Status als Fürst an. Auch Thjodbjörg zog sich um und kleidete sich in den Gewändern einer haradischen Fürstin.

So gekleidet folgten sie Marwan in den Fürstensaal, wo Marwan ihnen am Tag zuvor einen Thron hat errichten lassen. Qúsays gestreiftes Banner, war mittlerweile mit Goldfransen versehen worden und wurde von Dirar getragen, der rechts hinter diesem Thron stand. Als sie die Tür zum Saal durchschritten rief Dirar laut: „Seine Herrschaft Qúsay von den Quahtan!“ und die anwesenden Krieger nahmen Haltung an, während das leise Getuschel und Geflüster das zuvor den Saal erfüllte, erstarb. Qúsay nahm seinen Platz auf den Thron ein und ein Lahmide gab Marwan eine Schriftrolle, die dieser eindringlich studierte. Dann nahm Marwan, das Wort: „Mein Herr Qúsay, bevor der Majles am Mittag zusammentritt, haben einige Leute um eine Audienz bei eurer Majestät erbeten: Der Supet Azruba'al von den Kinahhu und der Emir Harith von den Banu Ghassan, außerdem zwei Gesandte aus Gondor.“
„Wie ich Azruba'al kenne, will er nur erneut die Handelsprivilegien für die Kinahhu bestätigt wissen“, erwiderte Qúsay und fuhr dann nachdenklich fort: „Und was Hariths Anliegen ist, kann ich mir ebenfalls denken, zu dunkel, war die Kunde, die wir aus Linhir mitbrachten. Dennoch schienen die Gondorer, als ich sie traf wichtige Kunde bei sich zu haben.“
Qúsay erhob sich und rief den Wachen zu die Gondorer einzulassen.
Krieger vom Stamm der Lahmiden führten die Gesandten in den Thronsaal. Sie trugen ähnliche Kleidung wie am Vortag, als Qúsay sie an der Harnenfurt getroffen hatte. Auf Beregonds schwarzen Wappenrock prangte gut sichtbar der Weiße Baum Gondors, und darunter blitzte sein Kettenhemd hervor. Die junge Frau war in eine leichte Rüstung aus dunklem Metall und Leder gehüllt. Ihren grauen Umhang hatte sie abgelegt. Beide trugen keinerlei Waffen.
Beregond machte eine angemessene Verbeugung als er vor Qúsay trat. Der Gondorer blickte dem Malik ins Gesicht und Überraschung leuchtete in seinen Augen auf als er die Täuschung vom Vortag erkannte.
„Ich grüße Euch, Qúsay, Fürst von Harondor, Tolfalas und König der Haradrim. Oder bevorzugt Ihr es, Ibn Nazir genannt zu werden?“ Sein Tonfall war freundlich, dennoch sprach er mit Vorsicht.
„Und ich grüße euch, Beregond, Baragunds Sohn, und Aerien aus Gondor“, sprach Qúsay, „Entschuldigt, meine Täuschung, doch kann man nicht vorsichtig genug sein, wenn man zwei Fremden im Niemandsland begegnet. Ich bin Qúsay ibn Nazir ibn Qasim al-Quahtani, Nazir war mein Vater und ibn ist unser Wort für Sohn. Ihr seht, als ich euch sagte, dass ich ibn Nazir, der Sohn von Nazir sei, habe ich nichts Unwahres gesagt. Doch seid ihr nicht hier um über meine Namen zu sprechen. Welch Kunde bringt ihr aus Gondor?
„Fürst Imrahil, der das Amt des Truchsessen innehat, sandte Boten nach Ithilien. Sicherlich wisst Ihr, dass es dort eine große Anzahl Waldläufer und Partisanen gibt, die im Verborgenen Mordor weiterhin Widerstand leisten. Angeführt werden sie von einem Mann namens Damrod. Er ist es, der mich und Aerien zu Euch schickt. Er lässt Euch ausrichten, dass er auf Imrahils Geheiß das Bündnis Gondors mit den Haradrim anerkennt und unterstützen wird. Noch erlaubt es die Kriegslage nicht, Streitkräfte zu Eurer Unterstützung zu entsenden, doch er versichert Euch, ein wachsames Auge auf die Nordgrenze eures Reiches Harondor zu haben sodass Ihr bei einem Angriff aus Mordor rechtzeitig gewarnt werdet. Auch wird Damrod versuchen, Mordor weiterhin zu behindern und die Aufmerksamkeit Saurons vom Süden abzulenken.“
Beregond macht eine Pause nachdem er die Nachricht überbracht hatte. „Gondor steht Euch in diesem Krieg bei, Qúsay,“ sagte er anschließend. „Wenn die Waldläufer weiterhin Überfälle und Hinterhalte durchführen glaube ich nicht, dass Ihr Gefahr aus dem Norden fürchten müsst.“
Während Beregond dies erzählte nickte Qúsay und erhob sich von seinem Thron als Beregond endete. „Dies sind gute Nachrichten“, erwiderte Qúsay und ging auf Beregond zu: „und es freut mich, dass sich die Menschen Gondors bereit erklären unsere nördliche Grenze zu sichern. Ich hoffe nur, dass sie keine allzu schweren Kämpfe haben werden und hohe Verluste vermeiden können. Dieser Damrod ist er ein guter und vernünftiger Anführer?“
„Während des Krieges war er die rechte Hand Faramirs, des Heermeisters von Gondor. Damrod ist ein erfahrener Anführer, der es seit dem Fall Minas Tiriths geschafft hat, seine Leute vor Sauron verborgen zu halten. Er agiert stets mit Vorsicht und Bedacht und geht keine unnötigen Risiken ein, ist jedoch ein gutherziger und treuer Sohn Gondors. Dies sind meine Erfahrungen,“ erklärte Beregond.
„Er fasst nicht allzu leicht Vertrauen,“ sagte Aerien mit fester Stimme. „Dies ist in dunklen Zeiten wie diesen sicherlich kein Fehler.“
„Nun, wenn ihr ihm vertraut, werde ich ihm wohl ebenso vertrauen. Habt Dank für diese Nachricht.“ Qúsay nickte beiden zu und setzte sich wieder auf den Thron, „Nun, andere Personen wollen ebenfalls eine Unterredung mit mir. Euch steht es daher jetzt frei zu gehen.“
„Wir danken Euch für Eure Zeit,“ bedankte sich Beregond. Die beiden Dúnedain verbeugten sich vor Qúsay - Beregond respektvoll, Aerien eher verhalten - und eilten aus der Halle.
Titel: Alte und neue Bekanntschaften
Beitrag von: Fine am 10. Aug 2016, 14:00
Beregond und Aerien verließen den Fürstenpalast von Aín Séfra. Am Eingangstor erhielten sie ihre Waffen zurück. Mit breitem Grinsen wiesen die Torwächter Aerien darauf hin, dass ihr Schwert in ihrer Abwesenheit nicht berührt worden war und sie schenkte ihnen ein kleines Lächeln. Sie verabschiedeten sich und gingen ihrer Wege.

"Was hältst du nun von der ganzen Sache?" fragte Aerien auf Sindarin.
"Für mich stand vor der Audienz schon fest, dass Fürst Qúsay ein ehrlicher Verbündeter ist," antwortete Beregond. "Truchsess Imrahil hat ihn in Dol Amroth empfangen und ihm sein Vertrauen geschenkt. Er hat Qúsay ja sogar zum Lehnsfürsten von Tolfalas und Harondor gemacht. Doch nun Auge in Auge mit dem neuen Herrscher Harads zu stehen hat mir einige weitere Dinge verraten. Er wirkt echt, ein kluger und verständnisvoller Anführer. Er ist berechnend und vorsichtig, das hat sein Verhalten bei unserem ersten Treffen gezeigt als er sich zwar wahrheitsgemäß als Ibn Nazir vorstellte, seine eigentliche Identität jedoch zunächst vor Fremden wie uns schützte. Dazu kommt, dass er ein ausgezeichneter Heerführer und Befehlshaber zu sein scheint. In Ithilien habe ich Berichte über die große Schlacht bei Linhir gehört. Es war nicht Elphir von Dol Amroth, der für Gondor den Sieg errang. Ohne Qúsays Hilfe und sein taktisches Können wäre die Schlacht wohl nicht zu unseren Gunsten ausgegangen. Nun bleibt jedoch abzuwarten, ob sich Qúsay auch als gerechter und guter Herrscher erweist. Ich habe Vertrauen und Hoffnung, dass dem so sein wird."

Beregond verstummte schließlich und Aerien ließ seine Worte auf sich wirken. Zum großen Teil deckten sie sich mit ihrem eigenen Bild, das sie sich vom Anführer des neuen Malikats in Harad gemacht hatte. Doch ein Puzzleteil fehlte ihr noch.
"Wie kommt es, dass er die Elbensprache versteht?" fragte sie, mehr an sich selbst als an Beregond gewandt. "Wohnen die Eldar so tief im Süden Mittelerdes? Wenn nicht, welchen Sinn würde es für ihn ergeben, diese Sprache zu erlernen?"
"Vielleicht aus dem gleichen Grund wie du selbst," vermutete Beregond. "Du hast es gelernt, weil dich das Wissen reizte, stimmt's? Vielleicht ist es bei Qúsay ebenso. Womöglich teilt er deine Leidenschaft für die Erben Númenors."
"Ich weiß nicht recht," gab Aerien zurück. "Mir kam es vor, als verwende er die Sprache und sein Wissen über Gondor eher als Werkzeug, als Stufe auf der Leiter zu mehr Macht. Du sagst, er herrscht nun über Tolfalas und Harondor. Sind dies nicht Ländereien Gondors? Wie konnte Imrahil nur zulassen, dass diese Gebiete so leichtfertig abgetreten werden? Hat Qúsay ihn womöglich mit seinem Wissen über Gondor für sich eingenommen?"
"Du vergisst, in welcher Situation sich das Reich befindet," erinnerte Beregond sie. "Der Sieg bei Linhir war nur möglich, weil wir unerwartete Hilfe von den Haradrim erhielten. Und der Krieg gegen Mordor ist noch lange nicht gewonnen. Zwar halten wir den Gilrain als östliche Grenze, doch die großen Städte Gondors sind weiterhin in der Hand des Feindes: Pelargir, Minas Tirith, Osgiliath. Dort herrschen die Ringgeister. Nur durch das Bündnis mit Qúsay können wir darauf hoffen, bleibende Erfolge gegen den Schatten im Osten zu erreichen. Und dieses Bündnis hat nun einmal seinen Preis. Harondor ist ohnehin seit Jahren nahezu verlassen; und Tolfalas regiert Qúsay soweit ich weiß nur als Lehnsfürst Gondors, nicht als eigenständiger Herrscher."
Aerien nickte, wurde jedoch von einer Bewegung am rechten Rand ihres Sichtsfelds abgelenkt. Dort stand ein Mann im Türrahmen eines großen Gebäudes und winkte ihr aufdringlich zu. Ihre Augen verengten sich als sie Sahír, den Händler vom Vortag erkannte.
"Ein Freund von dir?" fragte Beregond verwundert, woraufhin sie entschlossen den Kopf schüttelte.
"Bei den Sternen, nein! Aber ich denke, er stellt eine gute Gelegenheit dar, uns mit passenderer Kleidung auszustatten." Sie ergriff Beregonds Hand und zog den verdutzten Gondorer auf Sahírs Laden zu.

"Ehrwürdige Aerien!" rief ihr der Händler entzückt entgegen als Aerien und Beregond näher kamen. "Erneut bringt Ihr mit Eurem Anblick mein Herz zum Jubeln! Kommt, lasst mich mein Versprechen einlösen und Euch meine Waren zeigen. Ihr erinnert Euch, Ihr dürft Euch etwas aussuchen, als Dank für das Geschenk Eures Anmutes." Er warf einen kurzen Blick auf Beregond. "Bringt Euren Vater gerne mit! Auch er soll mir willkommen sein."
Das entlockte Aerien ein belustigtes Grinsen, während Beregond zur Antwort ansetzte: "Ich bin nicht ihr..."
Doch Sahír war bereits ins Innere des Gebäudes geeilt, und die Dúnedain folgten ihm. Der Laden war bis zum Rand mit den verschiedensten Waren gefüllt. Der Händler führte sie durch verschiedeste Räume während er mit einem unuterbrochenen Redeschwall erklärte, welche Stücke etwas Besonderes waren (nahezu alle), für welche er den beiden einen Freundschaftspreis anbieten würde (ebenfalls beinahe alle) und welche ausschließlich bei ihm und bei keinem anderen Händler zu erhalten waren (der Großteil seines Bestandes). Dabei wurde er niemals müde, darauf hinzuweisen, dass er der beste Händler der Stadt, wenn nicht sogar des Landes sei. Auch erzählte er zwischendrin allerlei Gerüchte über die Geschehnisse in der Stadt und über die Stammesführer, die sich in Aín Sefra versammelten.
"Supet Azruba'al ist ein gerissener Verhandlungsführer," sagte Sahír gerade als sie ein weiteres Zimmer voller Waren betraten. "Alle Kinaḫḫu sind sich einig, dass er als unser Anführer unsere Interessen vortrefflich vertreten wird, und dass unsere Handelsprivilegien erneut bestätigt werden, so wie es unserem ruhmreichen Stamm auch zusteht."
"Sind die anderen Kinaḫḫu auch so... " setzte Aerien an.
"...geschäftstüchtig wie ich? Natürlich nicht," beendete Sahír ihren Satz. "Bei uns gibt es viele Händler, doch es gibt nur einen Sahír. Meine Waren und meine Preise sind unvergleichlich!" Er machte eine großspurige Verbeugung, was Beregond nutzte um das Wort zu ergreifen.
"Wir benötigen passende Kleidung für das warme Klima des Südens," erklärte der Gondorer. "Wir sind vorhin durch einen Raum mit Kleidungsstücken gekommen. Dürften wir uns dort erneut umsehen?"
"Selbstverständlich!" erwiderte der Händler entzückt. "Die besten Gewänder für meine neuen Freunde!" Er eilte voran ohne seinen Redefluss zu unterbrechen.

Bald darauf waren Beregond und Aerien mit luftigen Hosen und leichten Gewändern ausgestattet, die das heiße Wetter Harads erträglicher und sie selbst weniger auffällig machen würde. Aerien fixierte das weite Oberteil mit zwei Gürteln um die Taille, um die Beweglichkeit beizubehalten und hängte sich die Schwerthülle ihres Bastardschwertes über die Schulter. Zuletzt stellte sie sicher, dass der Sternenanhänger ihrer Halskette gut sichtbar auf ihrer Brust prangte.
"Wunderbar, ganz wunderbar," schwärmte Sahír hocherfreut. "Jetzt seht Ihr aus wie eine wahre Wüstenkriegerin. Wirklich bezaubernd!"
Aerien ignorierte ihn. Die Kleidung würde ihren Zweck erfüllen, das genügte ihr. Ihre Gedanken schweiften ab während der Händler mit Beregond den Preis aushandelte. Sie rief sich erneut ins Gedächtnis was sie bisher über Qúsay in Erfahrung gebracht hatte.
"Sahír," unterbrach sie dessen Redeschwall, "Was könnt Ihr mir über Malik Qúsay erzählen? Woher stammt er? Wie kommt es, dass er die Elbensprache spricht?"
Der Händler machte eine entschuldigende Geste. "Mit diesem Wissen kann ich leider nicht dienen," sagte er. "In seiner Weisheit wird er sicherlich einen triftigen Grund gehabt haben, jene Sprache zu erlernen. Malik Qúsay vom Stamm der Quahtan ist aus dem Geschlecht der Quasatamiden, einem alten und ehrwürdigen Hause. Sein Onkel, Hasael, verweigerte ihm den Anspruch auf die Nachfolge seines Vaters Nazir, wie ihr gewisst ebenfalls wisst. Nun strebt er nach dem, was sein Geburtsrecht ist."
Und wohl nach so einigem mehr, dachte Aerien.
Sahír fuhr noch eine Weile fort, über Qúsay und sein Reich, das Malikat Harad zu sprechen, welches gerade erst im Entstehen war. Der Händler empfahl ihnen, unbedingt auf das Ergebnis des Majles, des Rats der Stammesanführer zu warten, der noch heute stattfinden sollte. Dann endlich schafften sie es, sich zu verabschieden und kehrten zurück auf die staubigen Straßen Aín Sefras.

"Psst, Aerien! Beregond! Hier drüben!"
Die helle Stimme riss Aerien aus ihren Gedanken und sie fuhr herum. Beregond hatte sich bereits mehrere Schritte in eine kleine Seitengasse bewegt, und Aerien beeilte sich, ihm zu folgen. Dort wartete im Schatten der Mauern eine schlanke Gestalt in weiten haradischen Gewändern. Ihr Gegenüber blickte sich vorsichtig um und setzte dann die Kapuze ab. Darunter kam ein sommersprossiges Gesicht, eingerahmt von zerzausten, hellbraunen Haarsträhnen zum Vorschein.
"Serelloth!" stellte Beregond fest, und da erkannte auch Aerien die Waldläuferin, die sie in Damrods Versteck gesehen hatte.
"Wie lange folgst du uns schon?" wollte Beregond mit einem leichten Vorwurf in der Stimme wissen.
"Glóradan und ich brachen einen Tag nach euch auf," erklärte die junge Frau fröhlich. "Wir begleiteten eine mehrere Dutzend starke Gruppe, die den Barad Harn besetzen sollte um die Poros-Furten zu überwachen. Dort angekommen erhielten wir die Anweisung, euch zu folgen um nach eurem Treffen mit dem Fürsten Harondors Nachricht an Damrod zu schicken. Ist es gut gelaufen?"
"Kann man so sagen," erwiderte Beregond langsam. "Er hat sich Damrods Botschaft angehört und sie gut aufgenommen. Ich habe ein gutes Gefühl bei der Sache."
"Schön!" kommentierte Serelloth eifrig. "Dann kann Glóradan ja mit guten Neuigkeiten zurück nach Ithilien aufbrechen. Ich werde es ihm gleich erzählen!"
Damit wandte sie sich um und eilte davon, ehe sie sie aufhalten konnten.

"Ist sie immer so... stürmisch?" fragte Aerien mit einer Mischung aus Verwunderung und Misstrauen.
"Wenn es um ihren Vater geht schon," antwortete Beregond. "Sie will ihn stets beeindrucken und sich ein Lob von ihm verdienen. Deswegen kommt es vor, dass sie etwas übereifrig wird."
"Und ihr Vater ist...?"
"Kannst du es dir nicht denken, Aerien?"
"Doch nicht etwa..." setzte Aerien an und blickte Beregond scharf ins Gesicht.
"Was? Ich? Nein, wo denkst du hin?" Beregond lachte leise und lange. "Sie ist Damrods Tochter. Serelloth mag man ihr Alter nicht ansehen, doch wenn ich mich recht entsinne ist sie nicht älter als siebzehn. Ein tapferes Mädchen, mit dem Herzen am rechten Fleck."
Sie verließen die Seitengasse wieder. Von Serelloth (oder Glóradan) fanden sie keine Spur. "Lass uns zum großen Platz in der Mitte der Stadt gehen," sagte Beregond. "Wenn heute tatsächlich der Majles stattfindet, bin ich mir fast sicher, dass das Ergebnis dieser Beratung dort verkündet werden wird. Ich bin gespannt was wir erfahren werden!"
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Eandril am 21. Sep 2016, 17:37
Narissa aus Umbar (https://modding-union.com/index.php/topic,25915.msg445741.html#msg445741)...

Am Vormittag des sechsten Tages nach ihrem Aufbruch erreichte Narissa schließlich ihr Ziel. Sie hatte die Nacht in einem kleinen Oasendorf einige Meilen vor der Stadt verbracht und dort, wie schon einige Male zuvor auf ihrer Reise, neben Grauwind im Stroh eines Pferdestalls geschlafen. Trotz der unbequemen Schlafgelegenheit war sie früh am Morgen erfrischt, wenn auch etwas nach Pferd riechend, aufgewacht und hatte sich auf den Weg in die Stadt gemacht bevor die Sonne hoch am Himmel stand.
Die Wachen am Westtor von Aín Sefra warfen ihr und im speziellen ihren Dolchen zwar den ein oder anderen misstrauischen Blick zu, ließen sie aber ungehindert passieren. Durch die vielen Krieger verschiedenster Völker fiel Narissa vermutlich nicht weiter auf. Während sie sich auf Grauwinds Rücken langsam einen Weg durch die Menge bahnte, die die Straßen verstopfte, blickte Narissa sich neugierig um. Auf den Mauern wehten verschiedenste Banner, von denen sie einige kannte, andere wiederum nicht. Eines, dass die Farben Schwarz, Grün, Rot und Weiß und auf dem grünen Streifen die Buchstaben M-L-K zeigte, fiel ihr besonders ins Auge, da es sich von den üblichen ein- oder zweifarbigen Bannern der meisten haradischen Stämme abhob. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um Qúsays Banner, worauf auch die Buchstaben M-L-K, für Malik hindeuten konnten.

Je näher sie dem Zentrum der Stadt kam, desto langsamer kam Grauwind voran und das dichte Gedränge zwang Narissa schließlich zum Absteigen. Sie führte die Stute langsam durch die Menge an den Rand der Hauptstraße und in eine etwas leerere Seitengasse hinein, in der sie ein Gasthaus erspäht hatte. Über der Eingangstür hing ein Schild auf dem ein stilisierter Löwenkopf und die lahmidischen Worte "Zum Wüstenlöwen" prangten. Narissa band Grauwind an einem in die Wand des Gasthauses eingelassenem Haken fest, hoffte dass niemand das Pferd entführen würde, und betrat den dämmrigen Schankraum.
Sobald ihre Augen sich an das Dämmerlicht im inneren des Gasthauses gewöhnt hatte, trat sie an den Tresen heran, hinter dem der Wirt, ein Mann um die vierzig mit einem schwarzen Schnurrbart gelangweilt einen Becher auswischte.
"Habt ihr ein Zimmer für mich und einen Platz für mein Pferd?", fragte Narissa in der Sprache der Lahmiden. Der Wirt stellte den Becher ab und nickte, antwortete allerdings:
"Kommt drauf an. Ihr kommt aus Qafsah, nicht wahr?" Seine Miene war alles andere als freundlich, und Narissa verfluchte sich insgeheim. Offenbar war an ihrem Akzent deutlich zu hören, dass sie mit dem Dialekt von Qafsah aufgewachsen war. Das war das Problem an den vielen haradischen Sprachen, die sich alle in gewisser Weise miteinander verwandt waren, denn mit diesen nicht verwandte Sprachen wie Sindarin oder die Gemeinsprache des Nordens sprach Narissa beinahe akzentfrei.
Wie die Reaktion des Wirtes ihr verriet, war Qafsah in Aín Sefra momentan nicht allzu wohl gelitten. Verständlich, wenn man bedachte dass der Herrscher von Aín Sefra sich offen gegen das mit Suladan verbündete Mordor aufgelehnt hatte und Qúsay als Malik von Harad einsetzen wollte.
"Ich bin in Qafsah aufgewachsen.", gab Narissa wahrheitsgemäß zu, fuhr aber fort: "Ich bin allerdings lange nicht mehr dort gewesen, seit Suladans Machtübernahme nicht mehr."
Die finstere Miene des Wirtes hellte sich deutlich auf. "Ah, das ist deutlich besser. Und welche Geschäfte führen euch in die schöne Stadt Aín Sefra?"
"Ich bin auf der Suche nach einem Freund.", erwiderte Narissa ausweichend. In gewisser Weise war das sogar die Wahrheit, schließlich war sie hier um zu untersuchen ob Qúsay ein Freund war.
"Nun, dabei wünsche ich euch viel Glück.", meinte der Wirt, jetzt lächelnd. "Wie lange werdet ihr hier bleiben?"
Narissa konnte nur mit den Schultern zucken. "Ich weiß es nicht genau, kommt drauf an wie lange ich brauche."
Sie einigten sich schließlich darauf, dass sie vorerst für drei Nächte Unterkunft für sich und ihr Pferd zahlte, und bei Bedarf noch verlängern konnte. Ein Bediensteter brachte Grauwind für sie in den Stall, der sich in einem kleinen Hof auf der Rückseite des Hauses befand.
Nachdem sie ihren Beutel auf ihr Zimmer, einen kleinen Eckraum im oberen Stockwerk des Gasthauses mit einem schmalen, aber bequemem Bett, einem kleinen Ecktisch mit Stuhl und einer mit Wasser gefüllten Schale gebracht hatte und sich ein wenig den Stallgeruch abgewaschen hatte, verließ Narissa den Wüstenlöwen und trat wieder hinaus auf die Straße. Der Morgen war inzwischen voran geschritten, und die Sonne stand schon beinahe im Zenit. Trotz der Hitze kehrte Narissa auf die Hauptstraße zurück, wo sie sich in der Menge in Richtung des zentralen Platzes treiben ließ. Hier und da schnappte sie Gesprächsfetzen auf, die sich darum drehten dass offenbar noch heute die Ergebnisse der Versammlung, die die einberufenen Fürsten in diesen Minuten abhielten, verkündet werden sollten.
Narissa überlegte ob es ihr möglich wäre, sich irgendwie in den Palast zu schleichen und die Fürsten, besonders Qúsay, zu belauschen, als sie, völlig in Gedanken, mit einer schwarzhaarigen Frau die ein Bastardschwert auf dem Rücken trug und gerade aus einer Seitengasse gekommen war, zusammenstieß.
"Oh, Verzeihung.", sagte sie entschuldigend in der Sprache der Lahmiden, und trat einen Schritt zurück, wobei ihr sofort die für Bewohner Harads ungewöhnlich hellen Augen der Frau auffielen.
Titel: Eine unerwartete Begegnung
Beitrag von: Fine am 21. Sep 2016, 23:05
Das Mädchen sagte etwas in einer Sprache, die Aerien nicht verstand, doch ihre Reflexe hatten bereits die Kontrolle übernommen. Sie wusste, dass ein leichtes Anrempeln in Städten wie diesen allzu oft einen Taschendiebstahl kaschieren sollte und taste hastig nach ihrer Halskette. Beruhigt stellte sie fest, dass das Schmuckstück noch da war, ebenso wie Lôminzagar. Sie nahm die Hand vom Griff der Klinge und fixierte ihren Gegenüber mit einem misstrauischem Blick.
"Pass' doch auf, wo du hingehst," sagte sie auf Sindarin, ehe sie ihren Fehler bemerkte. Das versteht sie bestimmt ebenso wenig, wie ich sie gerade verstanden habe, dachte sie, doch ein Blick in die tiefgrünen Augen des Mädchens zeigte keine Verwirrung, sondern Überraschung, Entschlossenheit und ein Aufblitzen von Verstehen. Aerien drehte ihren Kopf zur Seite, doch von Beregond war keine Spur zu sehen. Der Gondorer war offenbar alleine weiter zum großen Marktplatz gezogen. Auch gut, dachte sie. Ich finde ihn dort später.

Ihre Neugierde war geweckt und sie sah sich ihren Gegenüber genauer an. Die feinen Züge und die Augenfarbe wollten nicht recht ins Bild einer einfachen Südländerin passen. Ob sie wohl einem entfernen Verwandten aus Umbar gegenüberstand? Sie beschloss, ein Risiko einzugehen und mehr herauszufinden.
"Kannst du verstehen, was ich sage?" fuhr sie in der Elbensprache fort. "Wie lautet dein Name?"
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Eandril am 22. Sep 2016, 00:43
Eine Reaktion auf Sindarin zu bekommen war ungefähr das letzte was Narissa erwartet hatte, und so reagierte sie langsamer als normalerweise.
"Ich..." Auch sie war nun ins Sindarin gewechselt, dass ihr näher lag als das Lahmidische. "Ja, ich verstehe was du sagst, aber..." Narissa unterbrach sich und betrachtete die andere Frau für einen Moment genauer, denn wie ihr Großvater ihr beigebracht hatte war Sindarin in Harad unglaublich selten, und wurde in der Regel nur von Angehörigen ihres eigenen Volkes gesprochen. Konnte es sein, dass unverhofft auf ein Mitglied des Spionagenetzwerks, dass ihr Großvater in ganz Harad unterhalten hatte, gestoßen war? Auch wenn schwarze Haare in Harad ganz und gar nicht unüblich waren, die grauen Augen, die Gesichtszüge und zuletzt die Tatsache dass die Frau Sindarin sprach, wenn auch mit einem merkwürdigen Beiklang, sprachen stark für númenorische Vorfahren.
Dennoch beschloss Narissa, vorsichtig zu sein. Sie hatte Geschichten von Schwarzen Númenorern, die Sauron seit langem dienten, gehört, und vielleicht stand sie auch einer aus diesem Volk gegenüber.
"Ich heiße... Herlenna.", antwortete sie mit einem kurzen Zögern. Sie wusste nicht wie intensiv Suladan nach ihr suchen ließ, doch sie wollte kein unnötiges Risiko eingehen, und so nannte sie den Namen ihrer Mutter statt ihren eigenen.

Narissa machte einen Schritt zur Seite um einem Trupp bewaffneter Männer auszuweichen, behielt die andere Frau dabei aber im Auge. "Und du? Wie heißt du, und woher kommst du dass du die Sprache der Elben sprichst?", fragte sie zurück.
Titel: Zu viele Fragen
Beitrag von: Fine am 22. Sep 2016, 09:00
Ein merkwürdiger Name für ein merkwürdiges Mädchen, dachte Aerien. Seltsamerweise spürte sie ihr Misstrauen schwinden. Irgendetwas sagte ihr, dass diese Herlenna keine Gefahr darstellte. War dies etwa die sagenumwobene Weitsicht der Dúnedain? Nein, überstürze nichts, hielt sie sich selbst an. Behalte alle Fakten im Auge. Sie hat dich nicht bestohlen, also war der Zusammenstoß wahrscheinlich wirklich bloß ein Zufall. Aber was, wenn nicht? Finde mehr heraus!
Sie warf einen vorsichtigen Blick über die Schulter. Man konnte nie wissen, wer zuhörte. Gerade hier im Süden schienen die Wände nur allzu oft Ohren zu haben.

"Ich heiße Aerien... Gesandte des Herrn Damrod von Ithilien. Ich spreche die Elbensprache weil das viele von meinem Volk tun, in Gondor ist sie recht weit verbreitet. Ich komme gerade von einer Audienz mit dem Fürsten Qúsay. Ich hatte ihm dringende Nachrichten aus dem Norden zu überbringen."
Sie fragte sich, warum sie Herlenna all das erzählte. Eigentlich ging dieses Verhalten gegen alles, was sie von ihrem Vater gelernt hatte. Doch dies waren seltsame Zeiten. Sie beschloss, ihrem Instinkt zu vertrauen.
"Du scheinst nicht aus Gondor zu stammen, nicht wahr?" fragte sie. "Leben denn etwa noch Dúnedain so tief im Süden, die die alten Sprachen noch immer beherrschen? In den Aufzeichnungen wurde nichts dergleichen erwähnt. Deine Familie muss wohl im Verborgen leben."

Sie spürte, wie ihr Wissensdurst sie etwas zu weit gehen ließ, und hob entschuldigend die Hand.
"Verzeih' mir, das sind vielleicht etwas viele Fragen auf einmal, und wir kennen uns ja gar nicht. Gewiss hast du hier wichtige Geschäfte in der Stadt zu erledigen?"
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Eandril am 22. Sep 2016, 09:47
Gondor! Konnte sie es denn möglich sein, dass Narissa innerhalb einer Woche nach Edrahil bereits dem zweiten Menschen aus Gondor begegnete? Bevor sie antwortete machte sie einen weiteren Schritt zur Seite, der sie endgültig aus dem Menschenstrom auf der Hauptstraße beförderte, und zog das andere Mädchen - nein, Aerien - mit sich.
Sie fragte sich ob ihr Gegenüber tatsächlich Aerien hieß, oder ihr ebenfalls einen falschen Namen genannt hatte. Von einem Herrn Damrod von Ithilien hatte sie noch nie gehört - natürlich wusste Narissa, dass es sich bei Ithilien um eine Provinz Gondors handelte, doch der Name Damrod war ihr unbekannt. Vielleicht hätte sie sich bei Edrahil nach den aktuellen Verhältnissen in Gondor erkundigen sollen.
"Ja, ich..." Narissa unterbrach sich, denn was sollte sie sagen? Eigentlich war ihr Ziel geheim und wusste noch nicht, ob Aerien tatsächlich vertrauenswürdig war. "Ich komme tatsächlich nicht aus Gondor, sondern weiter aus dem Süden." Mit der Vermutung, dass Narissas Familie im Verborgenen lebte hatte Aerien bereits sehr nahe an der Wahrheit gelegen, doch Narissa beschloss fürs erste kein Risiko einzugehen und die Insel nicht zu erwähnen.
"Ich bin hier um zu sehen, was Fürst Qúsay für ein Mensch ist. Ob er sein Bündnis mit Gondor ehrlich meint, und ob er wirklich gegen Suladan und Mordor kämpfen will." Sie holte tief Luft und blickte Aerien offen ins Gesicht, denn sie hatte einen Großteil ihrer Karten offengelegt. Und das, obwohl irgendetwas an der Art und Weise, wie das andere Mädchen sprach, merkwürdig war und sich von Edrahils Art zu sprechen unterschied. Aber vielleicht lag es nur daran, dass beide aus unterschiedlichen Regionen Gondors kamen.
"Und du, was führt dich aus Gondor so weit in den Süden?"
Titel: Aeriens Geschichte
Beitrag von: Fine am 22. Sep 2016, 10:10
"Eigentlich wollte ich nach Dol Amroth, doch mir sind wichtigere Dinge dazwischen gekommen," antwortete Aerien, die sich mehr und mehr entspannte. Gelassen lehnte sie sich an die Hauswand, zu der Herlenna sie herübergezogen hatte, etwas abseits von den Massen, die auf der Straße unterwegs waren. Hier war es nicht so laut und man konnte besser verstehen, was sein Gegenüber sagte.

In Aeriens Kopf spielte sie die unterschiedlichsten Szenarien durch. Herlenna wollte also ebenfalls wissen, ob Qúsays Bündnis mit Gondor auch wirklich etwas wert war und ob man ihm vertrauen konnte. Doch weshalb? Gehörte sie vielleicht einem geheimen Orden an? Es wirkte nicht so, als ob das Mädchen alleine arbeitete sondern vielmehr schien sie einem Auftrag zu folgen. Vielleicht kam sie aus einer vergessenen Kolonie tief im Süden, wo noch immer die Gesetze und Gebräuche von Westernis galten? Allein die Möglichkeit faszinierte Aerien. Sie musste mehr herausfinden, doch dazu war es erforderlich, Herlennas Vertrauen zu gewinnen. Sie beschloss, ihr also offen und ehrlich zu erzählen, was sie hier tat. Ihre wahre Herkunft und wahren Namen würde sie jedoch nicht preisgeben, denn sie wusste, dass sie dadurch mit einem Schlag alles verlieren würde. Herlenna würde niemandem vertrauen, der aus Mordor kam, das war Aerien klar.

"Ich ging zuerst nach Minas Tirith, wo ich einen guten Mann befreite - die Stadt ist von den Nazgûl besetzt, musst du wissen - und nach Ithilien brachte, wo der Widerstand gegen Mordors Besatzer im Verborgenen geführt wird. Damrod ist ihr Anführer, ein wirklich misstrauischer Mann. Er gab mir den Auftrag, nach Ain Sefra zu reiten und dem Fürsten Qúsay folgende Nachricht zu überbringen: Die Nordgrenze ist gesichert und das Bündnis wird anerkannt. Doch der eigentliche Grund warum ich hier bin ist deinem eigenen ziemlich ähnlich: Ich soll herausfinden, ob Qúsay ein guter Verbündeter für Gondor ist und ob man darauf vertrauen kann, dass er sein Wort hält. Die Audienz mit ihm scheint das zu bestätigen, aber ich denke, es wird ebenfalls wichtig sein, sich den Maljes heute anzusehen. Dort wird Qúsay wohl eine wichtige Rolle spielen."

Sie hatte mehr geredet als sie vorgehabt hatte und als sie dies bemerkte, verstummte Aerien. Ich werde Herlenna mit meinem Gerede noch verjagen, dachte sie besorgt. Unbewusst fuhren die Finger ihrer linken Hand über den Sternenanhänger der Halskette.
"Entschuldige," sagte sie nach einem kurzen Augenblick des Schweigens. "Deine Herkunft interessiert mich," platzte sie mit der Wahrheit heraus. "So wie alles, was die Dúnedain betrifft. Aber ich verstehe, wenn du vorsichtig sein willst. Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen da unsere Ziele ähnlich sind, und wenn wir uns etwas besser kennen erzählst du mir vielleicht mehr über deine Familie. Ich bin mit Qúsay den ganzen Weg von den Harnen-Furten bis hierher geritten und kann dir bestimmt einige Fragen über ihn beantworten, wenn du möchtest."
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Eandril am 22. Sep 2016, 12:01
Narissa schwirrte der Kopf von den vielen Informationen. Minas Tirith gefallen und von einem der Neun besetzt, Widerstand in Ithilien, der Aerien nach Aín Sefra geschickt hatte... Sie fragte sich, wie viel Edrahil davon gewusst hatte.
Auch wenn Aeriens Geschichte noch immer einige Ungereimtheiten aufwies - zum Beispiel, von wo und in wessen Auftrag sie nach Minas Tirith gegangen war, und wie sie es geschafft hatte in die besetzte Stadt einzudringen - beschloss Narissa doch, ihr fürs erste zu glauben. Den Ausschlag dazu gaben Aeriens offensichtlich ehrliche Neugierde und der sternförmige Anhänger der, wie Narissa zu sehen glaubte, die Form der untergegangenen Inseln Númenor zu haben schien. Warum sollte ein Diener Mordors ein Symbol tragen, dass für einige von Saurons ärgsten Feinden stand?

Narissa setzte sich auf ein leeres Fass, dass an der Hauswand stand. "Weiter im Süden, noch jenseits von Qafsah und Umbar gab es weitere Kolonien Númenors, und einige von ihnen sind auch nach dem Fall der Insel dem Westen treu geblieben. Meine Vorfahren haben lange Jahre an Gondors Seite gearbeitet, selbst nachdem das Königreich seinen Einfluss in Harad verloren hat. Ich glaube, inzwischen weiß niemand in Gondor überhaupt, dass wir noch existieren - oder existiert haben." Sie verstummte, denn der Gedanke an den Tag als Suladans Truppen auf Tol Thelyn eingefallen waren, war schmerzhaft. Wie Aerien zuvor legte sie nun unbewusst die Linke auf den Anhänger ihrer Mutter, den sie verborgen unter ihrem Hemd trug. Sie beschloss, ein wenig mehr Risiko einzugehen.
"Im Augenblick bin ich allerdings im Auftrag eines Mannes aus Gondor hier, den ich in Umbar getroffen habe. Er steht in Diensten des Fürsten von Dol Amroth, und er hat mich hergeschickt um Qúsays Absichten zu prüfen - und ihm eventuell eine Zusammenarbeit anzubieten." Narissa zupfte das Tuch zurecht, dass ihre Haare noch immer vor neugierigen Blicken verbarg. "Wahrscheinlich sollte ich mir den Maljes tatsächlich ansehen.", meinte sie, und fügte mit einem übermütigen Lächeln, das sie selbst überraschte, hinzu: "Ist bestimmt leichter als sich in seine Gemächer zu schleichen."
Titel: Vertrauen und Vorsicht
Beitrag von: Fine am 22. Sep 2016, 13:56
Aerien konnte gar nicht anders, als dieses seltsame Mädchen zu mögen. Sie verstand es nicht, es widersprach so vollständig ihrer bisherigen Auffassung dass sie sich fragte, ob überirdische Kräfte ihre Hand im Spiel hatten. Doch sie schob die Verwunderung beiseite und hörte gespannt zu, wie Herlenna von ihren Vorfahren erzählte. In ihrer Vorstellungskraft sah sie versteckte Außenposten der Getreuen, verborgen hoch oben im Gebirge, auf vergessenen Inseln oder in unbekannten Oasen tief in der Wüste, die Gondor und die Reiche im Norden aus den Schatten heraus unterstützten und selbstlos und mutig für die Interessen des Westens eintraten. Doch sie konnte sehen, dass die Geschichte Herlennas auch von einem tragischen Unterton begleitet war und sie stets in der Vergangenheitsform erzählte. Irgendetwas Schlimmes musste passiert sein. Bevor sie nachfragen konnte wechselte das Mädchen das Thema und Aerien wurde von diesen Gedanken abgelenkt.

"Sicherlich ist das der leichtere Weg," sagte Aerien und erwiderte das Lächeln. "Ich weiß leider nicht, wann der Majles stattfinden wird - und wie viel davon öffentlich abgehalten werden wird - doch sein Ergebnis wird ganz sicher von Qúsay und den wichtigsten der hiesigen Stammesführern und Königen für die Ohren des Volkes verkündet werden. Hier in Ain Séfra versammelt sich die Hauptmacht der rebellierenden Heere, was Sauron und Suladan bestimmt nicht entgangen sein wird. Ich fürchte, der Krieg wird bald auch hierher kommen."
Sie hielt einen Augenblick inne, hatte erneut ihre Gedanken laut ausgesprochen. Irgendetwas an Herlenna ließ sie sämtliche, gut antrainierte Vorsicht vergessen.
"Du sagtest, dein Auftraggeber steht in Diensten der Stadt Dol Amroth? Dann mag es sein, dass sein Herr derselbe ist, der nun dafür gesorgt hat, dass ich hier im Süden bin: Prinz Imrahil, Adrahils Sohn, der nun Truchsess von Gondor ist. Wir könnten also zusammenarbeiten und uns gegenseitig helfen."

Sie dachte angestrengt darüber nach, was sie bisher über Dol Amroth wusste. Zwar war ihr die Geschichte der Stadt wohl bekannt, soweit sie aus den Aufzeichnungen in Durthang hervorging, doch Beregond hatte ihr auf der Reise durch Harondor nur wenig zur aktuellen Lage erzählen können. Sie hatte also keine Möglichkeit, Herlennas Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Aerien schwankte einen Augenblick zwischen Vorsicht und Sympathie, entschied sich dann jedoch, dem Mädchen weiterhin zu vertrauen.
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Eandril am 22. Sep 2016, 14:51
Als Aerien behauptete im Auftrag Dol Amroths nach Harad gekommen zu sein erwachte Narissas Misstrauen von neuem, obwohl sie ihr in ihrer offensichtlichen Begeisterung für die Dúnedain Harads unwillkürlich sympathisch war.
Dennoch, Edrahil hatte nichts davon erwähnt, dass Fürst Imrahil ebenfalls Boten nach Dol Amroth entsandt hatte, und so gab es nun drei Möglichkeiten: Aerien sagte die Wahrheit und Edrahil hatte entweder gelogen oder wusste davon nichts, oder das Mädchen log. Insgeheim ärgerte Narissa sich, dass sie dem alten Gondorer nicht mehr Informationen entlockt hatte, zum Beispiel wie lange er bereits in Umbar war und wann er zuletzt Kontakt mit Dol Amroth gehabt hatte. So wäre es ihr möglich gewesen, den Wahrheitsgehalt von Aeriens Aussage besser einschätzen zu können, denn ihr war nicht klar was Edrahil davon gehabt hätte, ihr die Anwesenheit weiterer Boten Gondors in Aín Sefra zu verschweigen.
Auch hatte er nicht erwähnt, dass Fürst Imrahil nun der Truchsess von Gondor war. Nach Narissas letztem Wissensstand hatte Truchsess Denethor einen Sohn, Faramir gehabt, der nun eigentlich Truchsess sein müsste. Aber vielleicht war dieser Faramir tot oder gefangen.

"Früher oder später kommt der Krieg überall hin.", sagte Narissa gleichmütig und zuckte mit den Schultern. Sie würde Aerien für den Moment vertrauen, aber weiter vorsichtig sein und die Augen nach Zeichen des Verrats offenhalten. Allerdings, die Bereitwilligkeit mit der Aerien ihr alles erzählt hatte machte das Mädchen entweder zu einer sehr schlechten Spionin - oder zu einer sehr guten.
"Du hast eine Audienz bei Qúsay erwähnt. Wie ist dein Eindruck von ihm gewesen, ist er ehrlich? Was hat er gesagt?" Ihre eigene Neugierde ging nun ein wenig mit ihr durch, aber je mehr sie über Qúsay in Erfahrung bringen konnte, desto besser wurden ihre Chancen ihn richtig einzuschätzen.
Titel: Der Herr von Harondor
Beitrag von: Fine am 22. Sep 2016, 15:30
"Die Audienz war nicht meine erste oder einzige Begegnung mit ihm," sagte Aerien. "Vielleicht sollte ich ganz von vorne anfangen, wenn dir das nichts ausmacht. Ich schätze, uns bleibt noch etwas Zeit, bis der Maljes beginnt."
Sie warf einen Blick auf die Straße, auf der keine zusätzlichen Menschenmassen als zuvor zu sehen waren. Aerien war sich sicher, dass bei einer öffentlichen Verkündigung deutlich mehr Leute über die Hauptstraße in Richtung des zentralen Platzes strömen würden. Solange dies nicht geschehen war gab es keinen Grund zur Eile.
Sie strich sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht und fuhr fort. "Damrod von Ithilien ist ein sehr misstrauischer Mann. Der Auftrag, den er mir gab, soll ihm beweisen, dass ich die Lage des Verstecks in Ithilien nicht verraten werde. Und er selbst erhielt den Auftrag von Fürst Imrahil, Qúsay zu unterstützen. Allerdings will er dies erst tun, wenn Qúsay sich als vertrauenswürdig erwiesen hat. Das soll ich herausfinden."

Aerien machte eine kurze Pause und ordnete ihre Gedanken. Es fühlte sich seltsam befreiend an, Herlenna all dies anzuvertrauen.
"An den Furten des Harnen-Flusses trafen wir - ob durch Zufall oder Schicksal - auf Qúsay und seine Reiter, doch er gab sich uns nicht zu erkennen. Er erwies sich als ein Mann, dem dieses Land am Herzen liegt und es endlich vom Würgegriff Saurons befreien will. Er machte einige Behauptungen, die ich seltsam finde - dass Ithilien einst von Haradrim bewohnt gewesen sei - aber im Großen und Ganzen wirkte er vernünftig, ehrlich und wie ein guter Anführer. Als wir dann heute morgen in der Audienz vor ihn traten zeigte er sich erfreut darüber, dass Gondor ihm weitere Unterstützung zusicherte. Was mich jedoch noch wundert, ist seine Abstammung, von der Linie der Quasatamiden habe ich bis vorhin noch nie gehört. Er versteht ebenfalls die Elbensprache, glaube ich."

Sie ertappte sich dabei, wie sie mit Herlenna nun kaum anders als mit Beregond sprach: wie mit einer Verbündeten, der sie restlos vertrauen konnte. Sie unterdrückte den Impuls, sich selbst zu ohrfeigen. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie noch ihre wahre Herkunft verraten und alles verderben. Sie musste vorsichtig und aufmerksam bleiben, durfte sich nicht von der Sympathie blenden lassen.
"Was hälst du davon?" fragte sie das andere Mädchen.
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Eandril am 23. Sep 2016, 11:11
Narissa zog überrascht eine Augenbraue hoch, denn dass jemand aus Gondor noch nie vom Haus der Qasatamiden gehört hatte. Andererseits...
"Die Qasatamiden sind eine Linie der Nachfahren von Castamir, der im fünfzehnten Jahrhundert König Eldacar von Gondor stürzte und dessen Söhne nach seiner Niederlage nach Umbar flohen und dort die Herrschaft übernahmen."
Ohne dass Narissa wirklich nachdenken musste, kam alles Wissen über die Adelshäuser Gondors und Harads wieder. Sie hatte es gehasst, diesen trockenen Stoff auswendig zu lernen, und sich bei ihrem Großvater beklagt dass sie es niemals brauchen würde, und nun war sie dankbar dass er darauf bestanden hatte.
"Ein Bastardsohn eines der Fürsten von Umbar wurde schließlich Scheich der Quahtan und einer seiner Nachfahren wiederum heiratete die Tochter des letzten Fürsten von Umbar aus dem Haus Castamirs, und ihre Nachkommen sind die Qasatamiden."
Narissa kratzte sich an der Schläfe, wodurch von ihr unbemerkt das Kopftuch verrutschte und eine weiße Strähne zum Vorschein kam, und versuchte sich zu erinnern wie Qúsay in diese Linie passte.
"Wenn ich mich richtig erinnere ist Qúsay der illegitime Sohn von Nazir bin Qasim, der vor ein paar Jahren plötzlich gestorben ist. Und da Qúsay eben illegitim ist, hat sein Onkel Hasaël den Titel Scheich der Quahtan geerbt, der durch seine Frau auch noch Fürst von Umbar geworden ist. Soweit ich weiß hat mein Großvater auch vermutet, dass Nazir von Hasaël ermordet worden ist, aber genaues wussten wir nicht." Sie verstummte, denn mit einem Mal wurde ihr bewusst dass sie mehr Wissen preisgegeben hatte als sie eigentlich gewollt hatte. Außerdem hatte sie zum ersten Mal seit langem ihren Großvater Hador erwähnt, und der Gedanke an seinen Tod ließ sie verstummen. Was hätte er dazu gesagt dass sie gegenüber einer Fremden einfach alles mögliche Wissen offenbarte?

Titel: Eine alte Feindschaft
Beitrag von: Fine am 23. Sep 2016, 11:38
Ein Erbe Castamírs des Thronräubers?
Aerien spürte einen kalten Schauer ihren Rücken hinunterlaufen. Als Nachfahre der vertriebenen Gondorer des Sippenstreits war es gut möglich, dass Qúsays Kenntnis der Elbensprache von seinen Vorfahren stammte. Doch für das Bündnis mit Gondor war dies kein gutes Zeichen. Castamirs Söhne waren Todfeinde der Könige und Truchsessen des Reiches gewesen und man hatte aufgeatmet, als die feindselige Linie endlich ihr Ende gefunden zu haben schien. Aerien hoffte inständig, dass Qúsay nicht wie sein Vorfahr dachte und handelte.
"Das... sind keine guten Neuigkeiten," sagte sie betroffen. "Ein Erbe des Thronräubers schwingt sich zum Herrscher über den Süden auf? Ich fürchte, wenn das in Gondor bekannt wird stehen uns große Schwierigkeiten bevor. Weiß dein Auftraggeber davon?"

Angestrengt dachte sie nach. Die Sache würde geheim bleiben müssen. Die Linie Anárions war mit Earnur erloschen und das Land würde keinen zweiten Bürgerkrieg überstehen. Nun, da der rechtmäßige König in Mordor gefangen gehalten wurde war ein Machtvakuum entstanden, dass Imrahil bisher gut gefüllt hatte, doch wie lange würde das gut gehen wenn nun einer Anspruch auf die Krone Gondors erheben würde? Und wenn Qúsay seine Abstammung von Castamir belegen könnte, wäre sein Anspruch sogar größer als der von Aragorn, stellte sie erschrocken fest. Nein, davon darf in Gondor niemand etwas wissen, entschied sie. Doch wie sollte sie das Herlenna beibringen? Sie blickte dem Mädchen ins Gesicht und dabei fielen ihr die weißen Haare auf, die unter dem Kopftuch hervorlugten.

"Hör zu, Herlenna..." setzte sie an, doch weiter wusste sie nicht. Die Ruhe, die sie vorhin verspürt hatte, war Anspannung gewichen. Irgendwie musste sie dieses Mädchen dazu bringen, dieses Wissen für sich zu behalten.
"Also... wer weiß noch davon? Dein Großvater scheint ein gebildeter und belesener Mann zu sein, aber gewiß ist Qúsays Abstammung kein Allgemeinwissen in Harad, nicht wahr? Du musst wissen dass Aragorn.... ich meine, Elessar, der König Gondors, von Gothmog in Barad-dûr gefangen gehalten wird. Das Reich kann es sich nicht leisten, in Erbfolgestreitigkeiten verwickelt zu werden, verstehst du? Wir müssen das Ganze irgendwie geheim halten."
Das Anliegen war heraus. Sie warf einen besorgten Blick über ihre Schultern. Wenn jemand diese Unterhaltung belauscht hat... Sie konnte sich die Folgen kaum ausmalen.
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Eandril am 23. Sep 2016, 12:17
Narissa schlug entsetzt die Hand vor den Mund. Was sie erzählt hatte war für sie in diesem Moment nur alte Geschichte gewesen, ohne große Bedeutung für die Gegenwart. Doch Aerien hatte Recht, durch seine Abstammung von Castamir hatte Qúsay einen gewissen Anspruch auf den Thron Gondors. Und wenn Qúsay ebenfalls davon wusste - war es möglich dass er über sein Bündnis mit Gondor letzten Endes dessen Thron erlangen wollte? Das wäre das Ende des Königreichs, denn Narissa konnte sich nicht vorstellen dass viele in Gondor einen Haradrim, noch dazu einen Abkömmling Castamirs auf dem Thron dulden würden. Sie hatte in Edrahils Augen gesehen wie sehr dieser sich zur Zusammenarbeit mit Menschen des Südens zwingen musste, und wahrscheinlich dachten viele in Gondor ebenso.
"Ich weiß nicht, wie bekannt das alles ist.", antwortete Narissa leise. Ihr Blick wanderte nervös hin und her, nach möglichen Lauschern Ausschau haltend. "Von denen die von meinem Volk übrig sind wissen es vermutlich einige, und Qúsay weiß es vermutlich ebenfalls. Wenn er sich entschließt seinen Anspruch durchzusetzen..."
Sie sprang von ihrem Sitz auf dem leeren Faß auf. "Ich muss mit Qúsay sprechen. Weißt du, wo er ist?"
Titel: Zweifel
Beitrag von: Fine am 23. Sep 2016, 12:34
"Nun... er muss wohl noch immer im der Residenz des Fürsten Marwan sein, dort hinten." Aerien zeigte in Richtung der Residenz, deren Türme jenseits des großen Zentralplatzes sichtbar waren. "Ich weiß nicht, ob du da so einfach hineinkommst ohne eine Audienz zu haben. Die Wachen dort sind sehr aufmerksam."
Sie überlegte, was sie nun tun könnte. Der Maljes würde im Laufe des Tages stattfinden und sie glaubte nicht, dass Qúsay Zeit haben würde, mit dem seltsamen Mädchen zu sprechen.
"Als ich den Fürstenhof verließ empfing er gerade Würdenträger von verbündeteten Stämmen. Vielleicht leiht er danach einige Zeit lang dem einfachen Volk sein Ohr?"
Doch dann wurde ihr klar, dass Herlenna offensichtlich über die Angelegenheit von Qúsays Abstammung mit dem Herrscher Harondors und Ain Sefras reden wollte, was nun wirklich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Sie war ratlos. Wie wollte sie das bewerkstelligen?
"Tu' nichts unüberlegtes," sagte sie vorsichtig. "Du siehst aus wie jemand, der auf sich aufpassen kann, aber jetzt Hals über Kopf in Qúsays Palast zu stürzen schätze ich nicht gerade als weise ein."
 
Aerien wunderte sich über sich selbst. Wieso war es ihr nicht egal, was mit Herlenna passierte? War es das númenorische Blut, dass die beiden Mädchen teilten und sie nun verband? Sie erkannte sich selbst kaum mehr. War dies etwa... normal im Westen, dass man sich um Mitmenschen sorgte, die man kaum kannte? Sie, die sie nichts als die Intrigen und Brutalität Mordors kannte, hatte nie dergleichen erlebt und zweifelte einen langen Augenblick an ihrer gesamten Entscheidung, ihrer Heimat und ihrer Familien den Rücken zu kehren. Einen Augenblick hing alles in der Schwebe.
Doch der Moment verging und sie war wieder sie selbst.
"Ich habe meine Audienz gehabt, mich wird man wohl kaum erneut hineinlassen," sagte sie. "Das bedeutet dann wohl, dass sich unsere Wege fürs Erste trennen werden. Ich wünsche dir viel Glück mit deinem Auftrag. Mögen die Valar dir gesonnen sein, Herlenna. Wir sehen uns hoffentlich bald wieder."
Sie nahm die Hand des Mädchens und drückte sie, da ihr die Worte für diesen sonderbaren Abschied fehlten. Als sie losließ blieb ihr jeder weitere Satz im Hals stecken.
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Eandril am 23. Sep 2016, 12:53
Als Aerien ihre Hand ergriff wäre Narissa beinahe zurückgezuckt, und sie konnte sich nur gerade so noch zurückhalten. Dennoch erwiderte sie den sanften Händedruck, und sagte: "Ich danke dir. Und... falls du mich suchst, du kannst mich im Gasthaus Zum Wüstenlöwen finden." Warum genau sie das sagte wusste sie nicht, aber Aeriens offenkundige Besorgnis ließ sie ihre übliche Vorsicht vergessen und erweckte das Bedürfnis sich weiter mit dem Mädchen zu unterhalten. Dennoch, dazu war jetzt keine Zeit, und mit einem letzten Kopfnicken wandte sie sich ab.
Anstatt jedoch der Hauptstraße weiter ins Zentrum zu folgen führte ihr Weg sie nun in die Seitengasse, aus der Aerien zuvor gekommen war. Abseits der Hauptstraßen waren deutlich weniger Menschen auf den Straßen unterwegs, und so kam Narissa viel schneller voran als zuvor. Außerdem hoffte sie, dass sie auf diese Weise auf die Rückseite der Fürstenresidenz gelangen würde, denn trotz Aeriens Warnung wollte sie Qúsay nun mit eigenen Augen sehen und am besten unter vier Augen mit ihm sprechen.
Titel: Der Platz der Lahmiden
Beitrag von: Fine am 23. Sep 2016, 15:56
Aerien blickte Herlenna nach, bis diese am Ende der Gasse um die Ecke herum verschwand. Sie setzte sich auf das Fass, auf dem das Mädchen gesessen hatte und ordnete ihre Gedanken.
Habe ich sie gerade in den Tod geschickt? überlegte sie fieberhaft. Was, wenn sie versucht, in die Residenz einzubrechen, und dabei auf frischer Tat erwischt wird? Gibt es in Ain Sefra öffentliche Hinrichtungen?
In Mordor war so etwas hin und wieder vorgekommen. Es gab keine Gnade für jene, die den Dunklen Herrscher enttäuschten. In Durthang selbst geschah das nur selten, doch sie erinnerte sich noch gut an einen kalten Dezembermorgen, an dem sie als fünfjähriges Mädchen an der Hand ihrer Mutter gestanden hatte und dabei zusehen musste, wie ein hochrangiger númenorischer Kommandant langsam an dem Strick um seinen Hals erstickte. Man hatte ihr damit den absoluten Gehorsam Befehlen gegenüber einbläuen wollen. Je mehr sie von der Welt außerhalb des Schwarzen Landes erfuhr desto mehr stellte sie fest, an was für einem grausamen und schrecklichen Ort sie aufgewachsen war. Als Privilegierte waren ihr zwar die meisten Schrecken erspart geblieben, doch hatte sie selbst als Kind schon sehr deutlich gespürt und mitbekommen, dass der Dunkle Herrscher Sauron kein gütiger alter König oder Fürst war. Er verlangte absoluten Gehorsam und perfekte Ergebnisse.

Ihre Gedanken kehrte zu dem geheimnisvollen Mädchen zurück. Noch immer war sie unsicher, ob der Zusammenstoß der das Gespräch der beiden jungen Frauen eingeleitet hatte, wirklich ein Zufall gewesen war, fand jedoch keine Antwort auf diese Frage. Die Dúnedain von Harad ließen ihren Wissensdurst erneut erwachen und sie fragte sie, wieso sie bisher nicht einen einzigen Hinweis auf Getreue südlich von Pelargir gefunden hatte. Dass Herlennas Verwandte so lange im Verborgenen Gondor unterstützt hatten leuchtete ihr ein - wie sonst hätte das schwindende Reich in den Tagen der Truchsessen gegen die wachsende Macht Mordors und gleichzeitig gegen das deutlich größere und stärkere Harad bestehen können? Aber sie erinnerte sich an die Vergangenheitsform von Herlennas Geschichte und das Aufleuchten von Schmerz und Trauer in ihren Augen und Aerien kam zu dem Schluss, dass diese Untergrundnetzwerk entweder zerstört oder zumindest einen schweren Schlag erlitten haben musste. Sonst wäre sie wohl kaum ganz alleine hier, dachte sie. Wahrscheinlich hätte ich dann ganz schnell ein Messer an der Kehle gehabt.

Sie stand auf und trottete langsam die Straße in Richtung des großen Platzes entlang. Noch immer sah es nicht danach aus, als ob der Maljes bald beginnen würde. Der Vormittag neigte sich dem Ende zu und Aerien spürte, wie sich ein Anflug von Hunger in ihr regte. Sie blieb an einem der vielen Stände stehen und kaufte einen großen, runden Laib von hellem Brot, das dort am Straßenrand in offenen Öfen gebacken wurde. Frisch schmeckt es am Besten dachte sie kauend.
"Hast du 'was für mich übrig?" sagte eine helle Stimme an ihrem rechten Ohr. Sie fuhr herum.
"Serelloth!" atmete sie auf, doch ihre Worte klangen verärgert. "Du hast mich fast zu Tode erschreckt!" sagte sie vorwurfsvoll auf Sindarin.
"Oh, Aerien, du musst Augen und Ohren offen halten in einer Stadt wie dieser," lachte Serelloth. "Du hast es offenbar geschafft, den guten Beregond zu verlieren und hast dich von diesem Brot ablenken lassen, sodass ich mich kaum anschleichen musste."
Aerien beschloss, das Ganze als Lektion zu mehr Vorsicht zu verstehen. Sie brach ein großes Stück von ihrem Brot ab und reichte es der Waldläuferin.
"Ich wusste nicht, dass du Damrods Tochter bist," sagte sie.
"Das ist ja auch nicht der Rede wert," gab Serelloth achselzuckend zurück. "Glóradan ist bereits auf dem Rückweg nach Ithilien. Wenn mein Vater von der Audienz erfährt wird er dir bestimmt vertrauen."
Sie schenkte Aerien einen fröhlichen Blick. Die gute Laune Serelloths war ansteckend und schon bald redeten sie wie alte Freundinnen über dies und das, lachten über Beregonds einzelgängerische Art und aßen das Brot gemeinsam leer während sie der Straße in Richtung Stadtmitte folgten.

Als sie zum großen Platz kamen staunte Aerien nicht schlecht: In der Mitte stand eine beeindruckende Statue eines haradischen Reiterkriegers, der offenbar den Stammvater der Lahmiden darstellte. Die Residenz des Fürsten lag nicht weit entfernt, und die Straße die vom Platz dorthin führte war von Wachposten versperrt. Sicherlich würden aus dieser Richtung die Anführer des Malikats kommen wenn der Maljes begann. Aerien und Serelloth suchten sich ein schattiges Plätzchen an der Südseite des Platzes und hielten Ausschau nach Beregond, von dem jedoch jede Spur fehlte.
"Er kommt bestimmt bald," sagte Serelloth. "Spätestens wenn das Spektakel beginnt."
"Ich hoffe es," antwortete Aerien. "Wenn ihm etwas zugestoßen ist..."
"Unsinn," meinte die Waldläuferin. "Er kann schon auf sich aufpassen."
Aerien erwog, Serelloth von Herlenna zu erzählen, entschied sich jedoch dagegen. Stattdessen fragte sie: "Hast du schon einmal etwas von einem Mädchen mit weißen Haaren gehört?"
Serelloth blickte ihr ins Gesicht und blieb einen Moment still. Dann sagte sie: "N-nein, Aerien, bitte nicht. Das würde dir nicht stehen."
Erst einen langen Augenblick später verstand Aerien und lachte leise. "Oh, na gut. Dann färbe ich sie mir nicht."

Sie lehnten sich mit den Rücken gegen die nahe Hauswand und schauten dem Treiben auf dem Platz zu, warteten geduldig auf den Beginn des Maljes.
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Eandril am 3. Okt 2016, 23:03
Nach kurzer Zeit, in der sie sich allerdings in mehrere Sackgassen verirrt hatte, erreichte Narissa die Rückseite des Palastes. Sie lehnte sich gegen die Wand eines auf der der Palastmauer gegenüberliegenden Straßenseite, das rechte Bein angezogen und gegen die Wand gestellt, und suchte unauffällig den Palast nach Wegen ab, auf denen sie heimlich in das Gebäude eindringen könnte.
Sie hatte bereits einen Weg ausgemacht, ein Haus neben dem Palast, dessen Dach gerade weit genug über die Gasse hing um mit einem Sprung auf die Mauer überzusetzen, als sich eine weißgekleidete Frau, deren Gesicht unter einer Kapuze verborgen war, an ihr vorbeiging und sich dann ein Stück entfernt von ihr an die Hauswand lehnte. Eigentlich war Narissa voll und ganz auf ihre Aufgabe konzentriert, doch als die Frau das rechte Bein in die Höhe zog, den Fuß gegen die Wand stellte und damit Narissas Haltung eindeutig nachahmte, blickte sie unwillkürlich zu Seite. In diesem Moment warf die Frau die Kapuze ab.
"Gut getroffen, Narissa. Kind der Zeit."

Auch wenn Narissa sie seit über zehn Jahren nicht gesehen hatte, erkannte sie Elyana doch sofort. "Was tut ihr hier?", zischte sie. Der Anblick der Frau brachte Erinnerungen in hier hervor, an eine Nacht in der Wüste. Eine Nacht voller Geschichte, Verrat und Gewalt.
"Ich bin hier um dich zu warnen, Narissa", erwiderte Elyana, und Narissa musterte sie etwas genauer. Die Frau aus dem Bund der Sieben Schwestern hatte sich in den letzten zwölf Jahren kein bisschen verändert, es hatten sich höchstens ein paar zusätzliche feine Falten um ihre Augen gebildet.
"Mich warnen?" Narissa spuckte die Worte geradezu aus. "Als ihr das letzte Mal gekommen seid um mich vor etwas zu warnen, habt ihr versucht meine Freunde zu töten und mich zu entführen!"
"Unser Handeln damals war ein Fehler, das gebe ich zu." In Elyanas Gesicht rührte sich kein Muskel, sie wirkte wie aus Stein. "Es war gut dass du deinen Großvater erreicht und die für deine Aufgabe nötigen Fähigkeiten erhalten hast. Aber es war nicht gut, dass du nach seinem Tod nicht zu uns gekommen bist."
Narissa atmete einmal tief durch, und ihr Blick schweifte unruhig über die Straße. Nur wenige Menschen kamen hier vorbei, offenbar hatte sich beinahe die gesamte Bevölkerung von Aín Sefra am zentralen Platz zum Maljes versammelt.
"Ich hatte andere Pläne", gab sie kühl zurück. "Und außerdem hätte ich nicht gewusst, wo ich euch gefunden hätte."
"Hättest du nach uns gesucht, dann hättest du uns auch gefunden." Erstmals klang in Elyanas Stimme ein leichter Vorwurf mit. Narissa zuckte gleichgültig mit den Schultern.
"Na und? Ich wollte eben nicht. Außerdem bin ich jetzt in meinem eigenen Auftrag hier."
"Bist du sicher?" Die Augen der Frau waren wie zwei schwarze Spiegel, in denen Narissa keinen Funken Emotion lesen konnte. "Ich denke, sie hat dich hierher gelenkt. Die Schlange."
"Welche Schlange? Ich kenne keine..." Narissa stockte, denn ihr wurde klar, wen Elyana meinte. Ihr war hingegen überhaupt nicht klar, wie die Sieben Schwester von ihrem Treffen mit der Frau namens Saleme und dem Gondorer Edrahil wissen konnten. Und darüberhinaus war Edrahil es gewesen, der sie nach Aín Sefra geschickt hatte. Und überhaupt... "Ich hatte selbst geplant, hierher zu kommen!", platzte sie heraus, und Elyana zog eine Augenbraue in die Höhe. Das war die erste Regung die sie seit Beginn des Gesprächs erkennen ließ.
"Das mag sein", sagte sie, und wechselte das Thema: "Wie auch immer es gekommen sein mag, du bist von deinem dir bestimmten Weg abgekommen. In Aín Sefra gibt es nichts für dich."
"Ich glaube nicht an euren Kult.", gab Narissa kühl zurück, und richtete die Augen stur geradeaus auf den Palast, ohne Elyana anzusehen. "Und ich tue was ich selbst für richtig halte."
"Aín Sefra bedeutet für dich Blut. Schmerzen. Und Tod." Elyanas Stimme war noch immer vollkommen ausdruckslos. "Der Knochenmann ist dir auf den Fersen, und wenn du hier verweilst wird er dich auch bekommen. Und dann war all unsere Arbeit umsonst, und die Welt wird der Finsternis anheimfallen."
Narissa stieß sich von der Mauer ab, und machte lachend einen Schritt auf die Straße, wobei sie beinahe mit einem vorbeieilenden Mann zusammenstieß.
"Blut, Schmerzen, Tod und der Knochenmann?" Trotz des Lachens war ihre Stimme bitter. "Ihr wisst was ich erlebt habe, und denkt ihr könntet mir damit einen Schrecken einjagen? Damit ich ängstlich wimmernd euren Befehlen folge?"
"Es gibt mehr Grauen auf dieser Welt als du dir vorstellen kannst.", gab Elyana zurück, und in ihrer Stimme war wiederum eine Spur Verärgerung zu hören. Doch Narissa war bereits herumgewirbelt und eilte mit schnellen Schritten die Straße den gleichen Weg den sie gekommen war entlang. Elyana rief ihr noch etwas hinterher, doch sie hörte nicht mehr zu. Sie hatte ihre Entscheidung schon lange getroffen. Sie würde den Sieben Schwestern niemals folgen, also hatte sie es auch nicht nötig, ihnen zuzuhören. Sie folgte dem Gewirr der schmalen Gassen bis zur Hauptstraße zurück, ihr Vorhaben in den Palast einzudringen fürs erst Vergessen, und tauchte in die Menge ein. Hier würde Elyana sie nicht finden - und wenn sie sowieso hier war, konnte sie sich auch gleich das Ergebnis des Maljes ansehen und später versuchen, mit Qúsay zu sprechen.
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: kolibri8 am 6. Okt 2016, 12:10
Kaum waren die Gondorer durch die Tür verschwunden, wurde diese von Azruba’al ungefragt durchschritten. Begleitet wurde er von einigen anderen Kinahhu, die ihrer Kleidung nach Händler waren. Azruba’al selbst war ein hager Mann, mit einer, für die Kinahhu üblichen, olivfarbenen Haut, lockigem, kurz geschnittenen Haar und einem Bart, der Oberlippe und Kinn bedeckte. Sein Amt als Supet verdankte er nur der Tatsache, dass er einer einflussreichen Kaufmannsfamilie aus Hadasht entstammte, die die Stimmen für seine Wahl gekauft hatte. Mit eiligen Schritten durchquerte Azruba’al den Saal und blieb einige Schritte vor Qúsays Thron stehen.
„Qúsay“, sagte er sichtlich aufgeregt, „was hat all dies zu bedeuten? Ich lasse mich nicht…“, setzte er an, doch Qúsay unterbrach ihn mit lauter und drohender Stimme: „Supet Azruba’al! Dies ist das Heim des Herrn Marwan und das unsrige, und es ist allein unsere Entscheidung, wann wer zur Audienz bei unserer Person eingelassen wird. Eine Entscheidung über die ihr euch nicht hinwegzusetzen habt“, Qúsay stand auf und ging ein paar Schritte auf Azruba’al zu und blieb am oberen Rand der Stufen, die das Thronpodest vom Boden des restlichen Saals trennten stehen, sodass er nun auf Azruba’al herabsah und fuhr fort: „Vielleicht solltet ihr euch ein Beispiel an Supet Ahaziah nehmen, er weiß was Geduld ist.“
Die Erwähnung seines Mitregenten ließ Azruba’al, der gerade zum Widerwort ansetzte verstummen. Ahaziah, war wie Azruba’al ins Amt des Supets gewählt worden. Doch war Ahaziah kein Mitglied einer Kaufmannfamilie, wie Azruba’al, sondern entstammte dem Adel von Shekhem, einer weniger bedeutenden Stadt in der Kinahhu-Konföderation, und war bei Gemeinen wie Edlen gleichermaßen beliebt.
Qúsay fuhr ungehindert fort und sprach weiter, „Nun wenn ihr euch nun beruhigen und uns euer anliegen vortragen möget“, dann drehte er sich um und nahm wieder auf seinem Thron platz.
Azruba’al atmete tief durch und sprach schließlich: „Mein Herr Qúsay, wieso wird Fremden aus Gondor, augenscheinlich nicht einmal Füsten, der Vortritt noch vor Fürsten Harads gewährt. Der Herr Harith ist in tiefer Sorge und verdient es vorgelassen zu werden.“
„Wenn ihr euch so sehr um das Recht Hariths sorgt, bei uns vorsprechen zu können, warum habt ihr ihm dann nicht den Vortritt gelassen?“ konterte Qúsay und wieder verstummte Azruba’al deutlich verlegen, „wie wir bereits gesagt haben, obliegt es allein unserer Entscheidung wen wir wann vorlassen. So kommt endlich zu euren wahren Anliegen, oder der Herr Harith wird heute wirklich keine Möglichkeit mehr haben bei uns vorzusprechen.“
„In Ordnung“, grummelte Azruba’al und fragte: „Werdet ihr das Privileg der Kinahhu den westlichen Seehandel der Ghanúbiyya zu kontrollieren, bestätigen?“
„Wir haben euch und dem Herrn Ahaziah bereits unsere Zusage gegeben und wir werden unser Wort halten – oder zweifelt ihr daran?“
„Nein, mein Herr“, antwortete Azruba’al und verbeugte sich leicht.
„Ihr seid nun entlassen“, sagte Qúsay und rief den Wachen zu Harith einzulassen.
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Melkor. am 17. Okt 2016, 23:32
Músab, Alára, Wa'aran Haywat und ihr Gefolge von der Harad-Straße (http://modding-union.com/index.php/topic,33984.msg447181.html#msg447181)


Als nach einer langen, beschwerlichen Reise durch von Suladan kontrollierte Gebiete endlich Aín Sefra in Sicht kam seufzte Músab erleichtert. Nun erst würde er sich ein wenig entspannen können und würde nicht länger besorgt Blicke in alle Richtungen werfen. Sie waren von einem zweiten Überfall verschont geblieben und hatten die Wüstenstadt der Lahmiden im Eiltempo erreicht um noch rechtzeitig zum Beginn des Majles dort anzukommen. Músabs Familie besaß ein Anwesen in Ain Sefra, und er bot seinem Freund Wa'aran an, für die Dauer ihres Aufenthalts als Gast mit ihnen dort zu wohnen.

Am Tor der Stadt wurden sie erkannt und freudig begrüßt. Sie passierten den Eingang Ain Sefras und bahnten sich ihren Weg zu Músabs Anwesend. "Macht Platz! Platz für den König von Kerma und den König von Da'amat!" So kamen sie angenehm schnell durch die Menschenmenge und erreichten schließlich das Haus. Beim Anwesen angekommen sattelten sie von ihren Rössern ab und einige Bedienstete brachten die Pferde in den Stall. Das Anwesen war keineswegs mit dem Königspalast von Kerma zu vergleichen, dennoch war die Residenz groß genug um für die Könige und ihr Gefolge einen Platz zum ausruhen nach der langen Reise zu bieten.

Nach einer kurzen Erholungspause wollten sich Músab und Alára im Speisesaal wieder treffen. Dort wurden bereits einige Vorbereitungen für das kommende Mahl getroffen.  Músab wartete bereits im Saal als Alára, verspätet, den Saal betrat.
"Verzeih' mir meine Verspätung, ich wurde aufgehalten." begrüßte Alára seinen Bruder und setzte sich neben ihn.
"So, Bruder, was möchtest du nun besprechen?" fragte er.
Músab grinste einen Augenblick lang, wurde jedoch gleich wieder ernst. "In wenigen Stunden beginnt der Majles. Dort werden sich alle Anführer und Könige die gegen Sauron kämpfen treffen. Wir sollten uns dort auch blicken lassen," sagte er.
"Was werden wir tun? "fragte Alára.
Doch anstatt zu antworten stand Músab auf und begrüßte Wa'aran Haywat, der in der Tür stand und lud ihn zum baldigen Mahl ein. Dieser bedankte sich, betrat den Saal und setzte direkt neben Músab. Noch bevor das Mahl angerichtet wurde, nutzen sie die Chance, sich zu dritt über den Majles zu unterhalten.
"Eine schöne Residenz besitzst du hier," sagte Haywat während er die Gemälde an den Wänden betrachtete.
Músab versuchte jedoch, ihn wieder auf das eigentliche Thema zurück zu führen und fragte: "Was habt Ihr vor, Wa'aran? Wird sich Da'amat Qusay anschließen?"
Wa'aran nickte. "Du weißt ebenso wie ich, dass wir alleine nicht den Hauch einer Chance gegen Suladan und Mordor haben."
Alára und Músab tauschte einen Blick und dieser reichte aus, dass sie einander verstanden. Alára versuchte eine passende Antwort auf diesen Satz zu finden, doch nach einen Augenblick des Stotterns meldete sich Músab zu Wort.
"Was mein Bruder sagen wollte ist, dass wir uns noch uneins sind. Alleine sind unsere Chancen gering, dennoch können wir uns, aus verschiedenen Gründen, noch nicht genau entscheiden." Er stoppte einen kurzen Augenblick, dann fuhr er fort: "Zudem fällt uns die Entscheidung durch den Tod unserer Mutter nicht gerade leichter..."

Das Gespräch wurde unterbrochen als die Dienerschaft die ersten Speisen in den Saal bringen wollte. "Oh, vergebt mir mein Herr, ich wusste nicht das Ihr hier seid!" sagte eine jüngere Dienerin die bereits im halben Raum stand. Músab nickte und nahm die Entschuldigung mit einen Lächeln im Gesicht an.
"Lasst euch von uns nicht stören," sagte er und unterhielt sich weiter mit Alára und Haywat. Doch als nun auch ein Teil des Gefolge gefolgt von Tamal, Gatisen und Pada'am, Haywats ältesten Sohn, den Saal betreten unterbrachen sie das Gespräch. "Wir müssen das auf später verschieben," flüsterte er zu Haywat herüber. Dieser stimmte dem Vorschlag verständnisvoll zu.
Nachdem alle Speisen aufgetragen waren erhob sich Músab und eröffnete das Mahl mit den traditionellen kermischen Segensworten. Während er sich dem Abendessen widmete fragte sich Músab, was ihn wohl beim Majles erwarten würde....
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: kolibri8 am 18. Nov 2016, 20:19
Das Gespräch mit Harith war zügig beendet: Qúsay drückte Harith sein Bedauern für den Tod von Hariths Sohn Piruz in Linhir, aus, während Harith bekräftigte Qúsay in den bevorstehenden Konflikten beizustehen. Nachdem Harith gegangen war zog sich Qúsay wieder zurück und wurde erst gegen Mittag von Marwan wieder aufgesucht: Die Zeit für den Majles, die Versammlung der Fürsten war gekommen.

Qúsay verließ, begleitet von Marwan, Dirar und einigen Kriegern, den Palast und begab sich zum nahen Marktplatz, der sich bereits mit Menschen füllte. Im Zentrum des Marktes war ein steinernes Podest von etwa zwölf mal zwölf rangar: die Grundmauern eines alten Tempels vom dem ansonsten nur noch ein großer schwarzer Stein im Zentrum übrig geblieben war. Aufgrund der Hitze und der hoch stehenden Mittagssonne waren bereits große Sonnensegel über dem Platz ausgebreitet, die den Menschen etwas Schatten spendeten. Die Tempelruinen  hingegen wurden durch ein purpurnes Zeltdach beschattet. Die Fürsten Harads die bereits auf dem Platz waren, bildeten einen Kreis um die Ruinen. Dort blieb Qúsay mit Dirar im Kreis der Fürsten stehen, während über ihm das grüne Banner der Quahtan, sowie die ihm von Imrahil verliehenen Banner von Harondor und Tolfalas, wehten. Das dreifarbige Königsbanner folgte Marwan, der auf das Podest stieg und von dort seine Augen über die Menge schweifen ließ und scheinbar die anwesenden Fürsten zählte.
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Melkor. am 21. Nov 2016, 22:14
Nach einem langen Abend und einer erholsamen Nacht herrschte bereits großes Treiben in Músabs Residenz in Aín Séfra. Die Köche waren schon mit dem Mittagsessen beschäftigt, und die Dienerschaft kümmerte sich um die Zimmer ihrer Herren. Das Könighaus jedoch hatte die Residenz verlassen und hielt sich im Hof auf. Von dort hallte das laute metallische Klirren von Waffen zum großen Gebäude hinüber. "Beweg deine Füße," sagte Músab zu seinem ältesten Sohn, der gerade mit seinem Vetter Silko gegen Alára kämpfte.
"Wa,aran möchtest du auch mal dein Glück versuchen?" keuchte Alára, der den kurzen Kampf nur knapp verloren hatte. Dankend lehnte dieser jedoch ab.
"Músab würde aber sicher sein Glück versuchen," schlug der König von Da'amat mit einem breiten Lächeln auf den Lippen vor.  Dieser war über den Vorschlag überrascht und konnte kaum zu Worte kommen als Alára Gatisen bereits herbeigerufen hatte.  Gatisen forderte nun seinen Onkel, den König vom Kerma, zu einen Zweitkampf heraus. Músab zögerte einen Augenblick, denn ihm war es bewusst dass sein Neffe einer der besten Kämpfer Kermas war, doch dann zog er seine beiden Schwerter und stellte sich mittig in den Turnierplatz. Gatisen nahm seine Waffe und stellte sich Músab gegenüber. Dieser ging in die Kampfstellung über und ließ seine Schwerter kunstvoll kreisen bevor er zu den ersten Angriffen überging. Jene waren koordiniert und drängten seinen Neffen einige Schritte zurück. Gatisen jedoch gelang es sehr schnell weitere Angriffe abzublocken und selbst mit ersten Hieben zu antworten. Diese waren deutlich wuchtiger, jedoch langsamer als Músabs Angriffe.
"So, und jetzt ernst? " fragte Músab, der erneut in Kampfstellung stand. Gatisen nickte und ging sofort zum Angriff über. Der König von Kerma konnte einige Hiebe parieren und mit einem doppelten Schlag seinen Neffen zurückdrängen. Dutzende Schläge prasselten nun auf Gatisens Waffe ein. Dieser nutzte jedoch eine günstige Gelegenheit und rang Músab fast zu Boden.
"Wenn wir noch älter werden, können wir einpacken, Alára." sagte Músab der stolz auf die Kampfkünste seiner Familie war.
"Wenn wir gemeinsam gegen die drei kämpfen haben sie aber keine Chance mehr." stellte Alára fest und forderte Gatisen, Tamal und Silko zu einem Gruppekampf auf.  Músab, der eine kleine Schramme am Bein verarztete, nickte und wollte sich auf einen weiteren Kampf vorbereiten, doch wurde er von einem Diener gestört, der ihnen mitteilte, dass Qúsay demnächst mit dem Majles anfangen wollte. Dankend über die Nachricht schickte er seinen Diener in die Residenz zuück. Nachdem Músab seine Kleidung gewechselt hatte ging er in Begleitung von Alára, Wa'aran, Tamal und seinen beiden Neffen in Begleitung einer kleinen Gruppe Leibgardisten zum zentralen Marktplatz der Stadt. Dort waren bereits einige Fürsten und Anführer verschiedener Stämme versammelt. "Scheinbar geht es gleich los." bemerkte Alára der sich nebenbei nach möglichen Gefahren für Músab umschaute. Músab hingegen war bereits gespannt auf den Majles und dessen Ausgang.
Titel: Der Majles beginnt...
Beitrag von: kolibri8 am 3. Dez 2016, 13:43
Nachdem alle Fürsten so versammelt waren, erhob Marwan seine Stimme:
„Werte Erdle, Fürsten und Herren, ich freue mich euch so zahlreich in meiner Stadt begrüßen zu dürfen. Wir wissen alle, weshalb wir hier sind: Die Stunde ist gekommen um uns zu verschwören und unserer Heimat und unseren Kindern die Freiheit zukommen lassen die sie verdienen. Zu diesem Zweck werde ich nun jeden von euch bitten auf diesem Heiligen Boden einen Eid abzuleisten.“
Nach diesen Worten zog Marwan eine Textrolle aus dem Gürten, entrollte diese und begann den ersten Namen vorzulesen: Abdallat ibn Abdal'uzza. Sogleich trat der Genannte, der Häuptling des 'Anizza-Stammes vor. Das dreifarbige Banner wurde über den schwarzen Stein gelegt und Marwan wies Abdallat an seine Schwurhand auf Banner und Stein zu legen und ihm nachzusprechen: „Ich, Abdallat, Sohn von Abdal'uzza, Herr der 'Anizza schwöre feierlich, den Kampf gegen Sauron aufzunehmen, jeden Tag und jede Stunde meines Lebens bis zur Stunde meines Todes. Ich schwöre ferner meinen Mitverschwöreren ohne Zagen beizustehen und dass ich bereit bin. mein Leben für sie und unsere gerechte Sache zu geben. Zuletzt schwöre ich die Macht dieses Rates anzuerkennen und denjenigen, den der Rat als unser aller Herr bestimmt, zu folgen und beizustehen, bis er mich freigibt oder der Tod mich nimmt. Die Götter mögen meine Zeugen sein und mich mit dem Tod strafen, wenn ich meinen Schwur breche.“

Nach diesem Schwur begab sich Abdallat wieder in den Kreis der Fürsten und Marwan rief den nächsten Fürsten, Abd-Manat von den Banu Bakr auf. Auch dieser leistete den Eid und so ging es immer weiter. Auf Abd-Manat folgten in dieser Reihenfolge: Dihya, Tochter von Misibsa, Herrin der Tamazikhen;
Damiqilíshu, Sohn von Sînmágir, von den Ungsangiga-Stadtstaaten im Osten Harads;
Hawsa, Sohn von Qásit, Herr der Abd al-Qay;
Ahaziah und Azruba’al von den Kinahhu;
Hozah, Sohn von Ali, Herr von Yamama;
Hayyan, Sohn von Harith, Herr von Najran;
Hinas, Sohn von Takhmy, von den Lihyaniten;
Hasan, Sohn von Bahdal, Herr der Banu Kalb;
Harith von den Banu Ghassan;
Hárún, Sohn von Nawtali, Herr der Banu Quraíza;
Wa'aran Haywat, der König von Da’amat;
Yazid, Sohn von Hasan, Herr der Qarwaliden;
Kulayb, Sohn von Rabi’a, Herr der Banu Taghlib;
Amkhel, Sohn von Yohanan, Herr der Qainuqa;
Muthanna, Sohn von Mansur, Herr der Banu Shayban;
Madher, Sohn von Nazer, Herr der Banu Hothail;
Masnsen, Sohn von Yugerten, Herr der Imragen;
Marwan selbst;
Niqmaddu, Sohn von Ammittamru, Stadtherr von 'Ugart;
Sakhr, Sohn von Harb, Herr der Banu 'n-Nadír und
Sa'amun, König von Ta-Mehu.
Zuletzt wurde Qúsay aufgerufen, also trat er ebenfalls vor und leistete den Eid.

Dann rollte Marwan die Schriftrolle wieder zusammen und steckte sie zurück in seinen Gürtel. Die Liste war komplett, dennoch war einer der Fürsten noch nicht vorgetreten. „Músab von Kerma“, sprach Marwan den Fürsten an, „ihr seid erst kürzlich zu dieser Verschwörung gestoßen und der Herr Wa'aran Haywat hat für euch gebürgt. Seid ihr bereit diesen Eid zu leisten?“
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Melkor. am 3. Dez 2016, 14:16
Músab trat nun zögerlich hervor und legte seine rechte Hand auf Banner und Stein. "Ich, Músab bin Kernabes, König von Kerma, schwöre feierlich, den Kampf gegen Sauron aufzunehmen, jeden Tag und jede Stunde meines Lebens bis zur Stunde meines Todes. Ich schwöre ferner meinen Mitverschwöreren ohne Zagen beizustehen und dass ich bereit bin. mein Leben für sie und unsere gerechte Sache zu geben. Zuletzt schwöre ich die Macht dieses Rates anzuerkennen und denjenigen, den der Rat als unser aller Herr bestimmt, zu folgen und beizustehen, bis er mich freigibt oder der Tod mich nimmt. Die Götter mögen meine Zeugen sein und mich mit dem Tod strafen, wenn ich meinen Schwur breche,“ sagte er, jedoch mit etwas Widerwillen in der Stimme..
Nachdem er den Schwur abgeleistet hatte stellte er sich wieder zu Alára und Wa'aran.
Titel: Die Krönung des Maliks
Beitrag von: kolibri8 am 3. Dez 2016, 19:43
Nachdem nun auch Músab wieder im Kreise der Fürsten stand, wandte sich Marwan wieder an den gesamten Fürstenrat: „Nun da wir uns verschworen haben, ist die Zeit gekommen uns einen Anführer zu wählen. Es wäre nur gerecht, wenn wir den Mann auswählen, der diese Verschwörung überhaupt erst in die Wege geleitet hat. Ich schlage daher vor, Qúsay, den Sohn von Nazir, zu unserem Malik zu wählen.“
Mit einer Handbewegung bat er Qúsay vorzutreten. Als Qúsay neben Marwan stand, ergriff Wa'aran Haywat das Wort und sprach: „Ich sage nicht, dass Qúsay nicht Malik sein sollte, doch ist es unüblich, dass ein Malik über einem anderen steht.“
„Dann sollte der Titel unseres Herren nicht Malik, sondern Malik al-Mulúki‎ lauten“, wandte Harith ein, woraufhin Wa'aran Haywat zustimmend nickte und sein Einverständnis gab: „Dies wäre akzeptabel.“

Wieder ergriff Marwan das Wort und fuhr fort: „Wüsste einer der anwesenden einen Grund, dass Qúsay nicht Malik al-Mulúki werden sollte?“
Marwan wartete einen Moment, doch niemand schien einen Grund vorzubringen zu können.
„Schlägt jemand einen anderen Kandidaten vor?“
Wieder wartete Marwan, doch wurde kein anderer Kandidat vorgeschlagen.
„Dann erwarte ich nun eure Stimmen, wer stimmt dafür, Qúsay zum Malik al-Mulúki zu erheben?“

Reih um hoben die Fürsten die Hand und bald schon war klar, dass die Fürsten einstimmig für Qúsay stimmten. Dann fragte Marwan Qúsay: „Nehmt ihr Qúsay, Sohn von Nazir, von den Quahtan die Wahl zum Malik al-Mulúki an?“
„Ich nehme die Wahl an“, antwortete Qúsay.
Dann fragte Marwan weiter: „Wollt ihr die Tempel und Kulte achten und beschützen?“
„Ich will“
„Wollt ihr die Gerechtigkeit bewahren und das Unrecht bekämpfen?“
„Ich will.“
„Wollt ihr den (inneren) Frieden bewahren?“
„Ich will.“
„Wollt ihr das Malikat erhalten und mehren?“
„Ich will“
Nachdem Qúsay die letzte Frage beantwortet hatte nahm Marwan geweihtes Olivenöl, salbte Qúsay und krönte ihn mit einem goldenen Stirnreif.

So als König gezeichnet erhob sich Qúsay und wandte sich an die versammelte Menge:
„Eine neue Zeit bricht an für Harad. Sehr bald wird die Kunde von den Kämpfen in Linhir und auch von diesem Rat Suladân und Hasaël zu Ohren kommen. Krieg steht uns bevor. Nicht gegen fremde wie seit Alters her, sondern gegen unsere Brüder, die, ob durch Zwang oder aus freiem Willen, weiterhin Saurons Banner folgen. Auch wenn mich der Gedanke schmerzt, ist dies doch ein Opfer, das wir bringen müssen um die Freiheit unseres Volkes und unserer Heimat zu garantieren. In diesem Krieg werden vor allem unsere Familien gefährdet sein, daher rate ich allen die dort leben die ungeschützten Oasen der Wüste zu verlassen und in Harondor Zuflucht zu suchen. Ferner brauchen wir für diesen Krieg Krieger und Waffen“, bei diesen Worten sah er die Fürsten genau an, „entsendet Boten in eure Reiche, dass Truppen ausgehoben und bewaffnet werden sollen. Jeder Mann ob Freier, Leibeigener oder Sklave, der Willens ist für unser Banner zu kämpfen, soll die Möglichkeit erhalten und eine Waffe erhalten“, bevor er fort fuhr überlegte er einen Moment und sprach dann: „Betrachtet dies als unsere erste Amtshandlung als König: Hiermit erlassen wir, Qúsay, König der Könige und König der Haradrim, dass jedem Sklaven, der unter meinem Banner kämpft, die Freiheit zu gewähren ist. Denn wie können wir behaupten für unsere Freiheit zu kämpfen, wenn wir selbst andere unterdrücken?“

Als Qúsay geendet hatte ging ein Raunen durch die Menge und die Leute begannen wild miteinander zu diskutieren.
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Eandril am 4. Dez 2016, 18:14
Narissa hatte Qúsays Rede mit angehaltenem Atem gelauscht. Sklaven die Freiheit schenken, und offener Krieg gegen Suladân (sie weigerte sich, von dem Sultan als ihren Vater zu denken)... das war Zündstoff für ein großes Feuer, dass ganz Harad verschlingen mochte. Es war mehr als Narissa erwartet hätte, ein Aufruf zur Freiheit und Einigkeit im Kampf gegen Mordor, und dennoch war sie noch nicht vollends beruhigt. Ihr war nicht entgangen, dass Qúsay das Verhältnis seines Reiches zu Gondor mit keinem Wort direkt erwähnt hatte.
Kurz entschlossen drängte sie sich zwischen zwei vor ihr stehenden Männern hindurch, schob eine ältere Frau zur Seite und rief: "Malik Qúsay! Ich muss mit euch sprechen!" Narissa wusste nicht, was sie tat. Sie wusste nicht, was sie tun würde wenn sie vor Qúsay stand, und sie wusste nicht was sie tun würde, wenn er den Thron Gondors beanspruchte. Dennoch, es fühlte sich richtig an, zu handeln.
Sie erreichte den schützenden Kreis, den die Soldaten um die anwesenden Fürsten gebildet hatten, und zwei der Männer versperrten ihr den Weg mit gekreuzten Lanzen. "Zurück bleiben, Mädchen."
"Ich muss mit dem Malik sprechen", gab Narissa zurück, und blickte dem Wächter offen ins Gesicht, doch dieser schüttelte den Kopf. "Wir können niemanden einfach durchlassen." Narissas Hand verirrte sich an den Griff ihres Dolches, doch die riss sich zusammen und rief stattdessen wieder laut, die Blicke der umstehenden Leute nicht achtend: "Malik Qúsay!"
"Der Malik ist beschäftigt", sagte der zweite der Wächter. "Also zieh ab." Er wollte Narissa einen Stoß versetzen, doch die tauchte unter seiner Hand hindurch und rammte ihm das Knie in den Bauch. Trotz seines Kettenhemdes krümmte der Mann sich zusammen, doch im selben Moment wurden drei weitere Lanzen auf Narissa gerichtet.
"Was geht hier vor?", ertönte eine ernste Stimme hinter den Wachen. Es war Qúsay.
Der zusammenkrümmte Wächter richtete sich auf, nur um sich sofort tief vor Qúsay vermeiden. "Herr, diese Person hat versucht zu euch vorzudringen und uns dabei angegriffen. Sollen wir sie gefangen nehmen?"
Bevor Qúsay antworten konnte, protestierte Narissa: "Ihr habt mich angegriffen, nicht anders herum." Sie löste beide Dolchscheiden von ihrem Gürtel und ließ sie zu Boden fallen - die Lanzenspitzen näherten sich ihr ein weiteres Stück - und blickte Qúsay dann direkt ins Gesicht. Der frischgewählte Malik war ein Stück größer als sie und hatte trotz der Binde über seinem linken Auge ein edles, königliches Gesicht, ganz so, als wäre er für das Amt geboren worden dass ihm die Fürsten Harads gerade angetragen hatten. Narissa atmete tief durch, und sagte: "Ich muss unbedingt mit euch sprechen, Malik."
"Durchsucht sie nach Waffen und lasst sie dann vortreten", befahl schließlich Qúsay.
Einer der Wächter nahm die beiden auf dem Boden liegenden Dolche auf, während Narissa selbst die beiden Dolche, die sie noch versteckt unter ihrer Kleidung getragen hatte, hervorholte und sie den Wachen entgegenhielt, um zu zeigen dass sie tatsächlich keine Gefahr darstellte. Trotzdem tastete einer der Männer sie von Kopf bis Fuß ab - in manchen Regionen etwas ausführlicher als Narissa lieb war - nickte schließlich und sagte: "Keine weiteren Waffen."
Auf Qúsays knappes Nicken trat Narissa in den inneren Kreis, wo sie ein Stück entfernt einen großen, in einen prächtigen Leopardenpelz gehüllten Mann mit einem kurzen Vollbart dabei beobachtete, wie er beruhigend auf zwei aufgebrachte andere Fürsten einsprach. Sie erinnerte sich an ihn, es war der König gewesen der seinen Eid als letztes geleistet hatte, doch in ihrer Aufregung hatte sie den Namen vergessen. Allgemein schienen viele der anwesenden Fürsten wenig begeistert von ihrer Einmischung zu sein.
Narissa wandte sich wieder Qúsay zu, und sagte: "Mein Name ist Narissa bint'Herlenna aus dem Haus der Turmherren." Ihr war vollauf bewusst, dass viele Leute sie hören konnten, und dass sie vermutlich Suladâns Spionen gerade ihren Aufenthaltsort verriet, doch sie spürte, dass sie Qúsay gegenüber ehrlich sein sollte. Mit einer kurzen Bewegung streifte sie das Kopftuch, das ihr in diesem Moment auf merkwürdige Weise unangenehm wurde, ab, und ließ ihre Haare frei über ihre Schultern fallen.
"Ich weiß nicht, ob ihr jemals von uns gehört habt, aber wir sind - oder waren - immer Verbündete Gondors tief im Süden von Harad. Und deshalb muss ich euch fragen: Werdet ihr nach Suladâns Niederlage Krieg gegen Gondor führen? Und strebt ihr mit eurer Abstammung den Thron von Gondor an?"
Zu ihrer Überraschung ließ Qúsay ein Lachen hören. "Nein ich habe Imrahil einen Eid geleistet und ich stehe zu meinem Wort. Und wenn ihr von meiner Abstammung wisst, wisst ihr auch dass meine Vorfahren ihren Anspruch auf die Krone Gondors im Sippenkrieg verwirkt haben. Die Gondorer brauchen mich nicht zu fürchten. Wir haben einen gemeinsamen Feind und solange Gondor diesen Bund ehrt, werde auch ich ihn ehren", erwiderte er.

Narissa konnte sich gerade noch einen Seufzer der Erleichterung verkneifen. Qúsay hatte dem mächtigsten Fürsten von Gondor - der auch noch Edrahils Herr war - persönlich einen Bündniseid geschworen. Natürlich konnten Eide gebrochen werden, doch Qúsay wirkte nicht wie ein Eidbrecher, und er hatte selbst gesagt, dass bereits seine Vorfahren ihren Anspruch auf Gondor verwirkt hatten. Aus einer weiteren Eingebung heraus sank Narissa vor dem Malik auf ein Knie und sagte, während sie zu ihm aufblickte: "Mein Urahn Palandras und Isildur, der letzte Hochkönig von Gondor und Arnor schworen einen Eid, sich für alle Zeiten gegenseitig beizustehen. Dieser Eid geriet in Gondor in Vergessenheit, doch mein Haus hat ihn bewahrt. Ich bin die letzte Überlebende aus dem Haus der Turmherren, und ihr seit ein Nachfahre der Könige von Gondor. Erneuert diesen Eid mit mir, und ich werde euch in eurem Kampf gegen Suladân beistehen, bis der Sultan tot zu unseren Füßen liegt."
Erneut wusste Narissa nicht, was über sie gekommen war, und was sie überhaupt tat. Es fühlte sich einfach richtig an, und als ob sie damit das Erbe ihrer Vorfahren - ihres Großvaters - ehrte.
Qúsay sah sie einen Moment mit großem Auge an. "Ihr seid eine tapfere Frau, Narissa, Herlennas Tochter, mich um so etwas zu bitten, aber ich werde eurer eigentümlichen Bitte entsprechen."
Langsam und deutlich sprach Narissa die uralten Worte, die in ihrem Haus so lange überliefert wurden, und Qúsay tat es ihr nach: "Nai i vorondar endoron, hyarna yo formenya i utúlië númenórello, óven astaroya sé oht'ill ta nai hain númeheruvir ohilyar. Nai tiruvantes i hárar mahalmassen mi númen."
Dann erhob Narissa sich aus ihrer knienden Position, und sagte: "Ich bitte euch nur um eines für meine Hilfe, Malik Qúsay. Ich möchte diejenige sein, die Suladân tötet."
"Wieder eine ungewöhnliche Bitte, welch Groll hegt ihr gegen Suladân, von seiner Dienerschaft zu Sauron abgesehen?" hakte Qúsay verwundert nach.
Narissa zögerte, biss sich auf Unterlippe und erklärte dann: "Er hat meine Mutter und meinen Ziehvater töten lassen. Meinen Großvater und fast alle meine Freunde. Er hat meine Heimat zerstört." Der Anblick des brennenden Turmes stand ihr allzu lebhaft vor Augen, und eine einzelne Träne lief ihre Wange hinunter. Sie wischte sie verärgert weg. "Und... er hat meine Mutter vergewaltigt..." Sie hob den Kopf und blickte Qúsay direkt in sein eines Auge. "Suladân ist mein Vater", sagte sie so leise, dass niemand außer Qúsay und ihr selbst es verstehen konnte.
Qúsay legte ihr die Hand auf die Schulter und sagte in einem ruhigen Ton: "In Ordnung, so Manat will."
"Ich... danke euch", brachte Narissa heraus, wobei sie ihre Stimme zittern hörte. Sie warf einen Blick über die Menge, und sagte: "Ich... sollte jetzt gehen. Falls ihr meine Hilfe brauchen solltet, ich habe ein Zimmer im Gasthaus Zum Wüstenlöwen. Und falls nicht, werde ich zu euch kommen."
Sie knickste ungelenk und wandte sich ab. Die Wächter öffneten ihre Reihen für sie, gaben ihr ihre Waffen zurück, und Narissa tauchte wieder in die Menge auf dem Platz ein, obwohl ihr zunächst viele Augenpaare folgten. Sie fragte sich ob das Mädchen Aerien in der Nähe gestanden und sie beobachtet hatte...
Titel: Nachforschungen
Beitrag von: Melkor. am 4. Dez 2016, 21:02
Nach dem Ende von Qúsays Rede begann die Menschenmenge sich relativ schnell zu zerstreuen, und der große Platz leerte sich. Músab verweilte noch einige Augenblicke, nachdenklich darüber, was das Ergebnis des Majles für Kerma zu bedeuten hatte. Es war schließlich Alára, der ihn aus seinen Gedanken riss.
"Bruder," sagte der Kommandant der Leibgarde. "Dort drüben an der Wand. Westlich von hier. Erkennst du das Gesicht?"
Músab folgte Aláras Hinweis. An einer Hauswand lehnte eine schlanke Gestalt: eine dunkelhaarige junge Frau, gehüllt in dunkle Lederbekleidung die teilweise von einfachem haradischen Stoff überdeckt wurde. Neben ihr hockte eine weitere zierlichePerson am Boden, deren Gesicht von einer grünen Kapuze verdeckt wurde. Alára hatte also offensichtlich die Frau gemeint, deren Gesicht erkennbar war. Músab schirmte seine Augen mit einer Hand von der Sonne ab und sah genauer hin. Er schätzte das Alter des Mädchens auf knapp zwanzig. Die feinen Gesichtszüge trugen einen etwas zweifelnden, sogar fast spöttischen Ausdruck. Die Augen waren grau, die Haare tiefschwarz. Etwas daran erinnerte Músab an seine Mutter, doch als er ein weiteres Mal hinsah fiel ihm auf, was Alára gemeint hatte.
"Der Attentäter auf der Harad-Straße," sagte er leise und mit unterdrücktem Zorn in der Stimme.
Alára nickte. "Die sieht ihm verdächtig ähnlich. Wir sollten uns mit ihr... unterhalten."
Músab stimmte seinem Bruder zu. "Also gut. Doch ich möchte kein Aufsehen erregen. Lass die Männer den Bereich abriegeln. Wir werden sehen, was sie zu sagen hat."

Auf Músabs Befehl hin entstandte Alára die vier Leibwächter, die den König von Kerma auf Schritt und Tritt begleiteten in Richtung des geheimnisvollen Mädchens. Gemeinsam gingen die Brüder auf die Stelle zu, an der ihr Ziel an der Hauswand lehnte. Als sie näher kamen sprang die zweite Gestalt, die die Kapuze trug, überraschend schnell auf und war in einer Seitengasse verschwunden ehe sie reagieren konnten.
Das Mädchen schien davon genauso überrascht zu sein wie Músab, denn für einen kurzen Augenblick sah sie ihrer Begleiterin verwirrt nach. Dieser Moment genügte Aláras Männern, und sie umstellten die junge Frau. Músab und Alára kamen heran und konfrontierten sie.
Die junge Frau trug ein Bastardschwert auf dem Rücken und ihre Hand lag schon am Griff, doch Alára ließ mit einem Wink seine Männer ihre Waffen auf sie richten.
"Keine gute Idee," sagte er. "Hände weg von der Klinge, Mädchen."
Als sie sah dass sie umstellt war ließ sie die Hand sinken und verschränkte die Hände vor der Brust. "Was soll das? Wer seid Ihr?" verlangte sie zu wissen.
"Dies ist Qore Músab bin Kernabes von Kerma! Zeig etwas mehr Respekt. Wir haben ein paar Fragen an dich, und es wäre gut für dich, wenn du sie uns wahrheitsgetreu beantwortest," knurrte Alára. "Wie lautet dein Name, und woher kommst du?"
"Ich wüsste nicht, was Euch das angeht," gab das Mädchen mit fester Stimme zurück. Ihre grauen Augen musterten die auf sie gerichteten Waffen einen Augenblick. "Mein Name ist Aerien Bereneth aus Gondor. Ich bin hier um Malik Qúsay eine Nachricht von Truchsess Imrahil zu überbringen."
Alára nickte zufrieden. "Also gut, Aerien Bereneth. Worum ging es in dieser Nachricht? Hast du sie dem Malik bereits überbracht?"
"Das habe ich," bestätigte Aerien. "Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Inhalt verraten darf. Es ging grob gesagt darum, dass Gondor die Nordgrenze Harondors für Qúsay bewachen wird."
"Gute Nachrichten für Qúsay," befand Alára. Dann wechselte er das Thema: "Auf dem Weg von Kerma hierher wurde unsere Reisegruppe überfallen. Einer der Angreifer sah dir verdächtig ähnlich: schwarze Haare, graue Augen, änhliche Aussprache - doch er war ein schwarzer Númenorer. Hast du irgendwelche Verwandten in Mordor, Mädchen?" fragte er bedrohlich.
Ihre Augen verengten sich und sie blieb einen winzigen Moment still. Dann sagte sie: "Ich komme aus Gondor. Die schwarzen Númenorer sind meine Feinde. Und ich habe nichts mit irgendwelchen Angriffen auf Euch zu tun. Bis heute wusste ich nicht einmal von der Existenz des Reiches von Kerma."
Nun ergriff Músab zum ersten Mal das Wort. "Wie kommt es, dass ein Mädchen wie du als Botin entsandt wurde? Was hat deine Familie dazu gesagt? Hat Gondor keine erfahreneren Meldereiter mehr übrig?"
Aerien warf ihm einen verärgerten Blick zu. "Ich kam nicht alleine her, auch wenn ich sehr gut auf mich selbst aufpassen kann. Ein erfahrener Meldereiter hat mich begleitet." Sie betonte die Worte und es wurde klar dass sie nicht allzu viel davon hielt.
"Und deine Familie? Wer ist dein Vater, und wo wohnen sie?" bohrte Músab weiter nach.
"Meine Familie lebt an der Grenze zu Ithilien," antwortete Aerien nachdem sie einen Augenblick nachgedacht hatte. "Sie wissen nicht, dass ich hier bin. Mein Vater hätte es wahrscheinlich verboten."

Músab und Alára berieten sich flüsternd, sodass das Mädchen nicht hören konnte was sie sagten.
"Sie erzählt nicht die Wahrheit, zumindest nicht die ganze Wahrheit," stellte Músab klar. "Irgendetwas verschweigt sie,..."
"Bist du dir sicher?" fragte Alára leise. Als Músab bestätigend nickte drehte sich sein Bruder um und baute sich bedrohlich vor Aerien auf und befahl den Gardisten, den Kreis enger zu schließen.
"Du verheimlichst uns etwas. Wenn das so weitergeht, wird es übel für dich ausgehen, Mädchen..." drohte er.
"Ich habe Eure Fragen beantwortet." gab sie zurück, jedoch nun mit etwas Verunsicherung in der Stimme. "Was wollt Ihr denn noch? Lasst mich gehen!"
"Nicht ehe du uns alles gesagt hast was wir wissen wollen!" gab Alára zurück. "Der Mann, nach dem wir suchen, hat drei Leben auf dem Gewissen, und du bist unsere beste Spur nach ihm."
"Weil ich ihm zufällig ähnlich sehe?" wunderte sich Aerien misstrauisch. "Das hat doch nichts zu bedeuten. Ihr verschwendet nur eure Zeit mit mir."
Alára hatte offensichtlich genug davon. Sein Unterarm schoss hervor, legte sich an Aeriens Hals und presste das Mädchen fest gegen die Wand. "Das reicht jetzt. Sag' die Wahrheit, oder du bereust es," knurrte er.
Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie hatte Probleme, genug Luft zu bekommen. "Ich... habe nichts damit... zu tun..." presste sie angestrengt hervor und zerrte vergeblich an Aláras Arm.
"Genug!" rief Músab gebieterisch und Alára ließ das Mädchen los. "Also," fragte Músab ruhig. "Woher kommst du wirklich?"
"Ich sagte es euch doch bereits," gab Aerien zurück und rieb sich den Hals. "Aus Ithilien in Gondor. Von dort bin ich nach Ain Sefra gekommen."

Músab blickte der jungen Frau mit einem scharfen Blick in die Augen. Er war sich sicher, dass er sich die Ähnlichkeit zwischen ihr und dem mysteriösen Angreifer, der seine Mutter ermordet hatte, nicht einbildete, doch in den Worten des Mädchens lag keine Lüge. Zwar sagte sie ihnen bei Weitem nicht alles, und ließ vieles aus, doch er wusste, dass sie ihm hier und jetzt nicht mehr verraten würde.
"Also gut, Aerien," sagte er daher. "Du bist frei zu gehen. Doch ich möchte dich einladen, mich in meiner Residenz im östlichen Teil Ain Sefras aufzusuchen, wenn es deine Zeit erlaubt, als kleine Wiedergutmachung für die... grobe Behandlung gerade eben. Dabei warf er Alára einen strengen Blick zu. "Vielleicht könnten wir unter besseren Bedingungen dann noch einmal miteinander sprechen. Ich möchte den Mörder meiner Mutter finden, und wenn du mir dabei behilflich sein kannst, würde ich dich selbstverständlich reich belohnen."
"Nun, König Músab, ich werde sehen ob ich dafür Zeit habe. Doch zunächst sollte ich..." sie brach ab, denn etwas hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. "Entschuldigt mich," fuhr Aerien hastig fort. Sie drängte sich an den Leibwächtern vorbei, die auf Aláras Geheiß den Weg freigaben, und eilte eine der Straßen entlang, die vom zentralen Platz weg führten. Kurz darauf schon war sie außer Sicht.
"Wir sollten zur Residenz zurückkehren," sagte Músab. "Machen wir uns auf den Weg." Gefolgt von Alára und seinen Männern schlugen sie den Weg dorthin ein.
Titel: Eine neue Freundin
Beitrag von: Fine am 4. Dez 2016, 22:48
Das Verhör durch die merkwürdigen Haradrim war Aeriens Laune nicht gerade zuträglich gewesen. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, was König Músab und seine Leute von ihr gewollt hatten. Die vermummten Leibgardisten waren ihr sehr bedrohlich vorgekommen, und dass deren Anführer Aerien grob angegangen war nahm sie ihm übel. Ihr Hals schmerzte noch immer. Sie war sich sicher, dass sie nichts mit der Sache zu tun hatte, wegen der man sie befragt hatte. Doch als die Haradrim von Schwarzen Númenorern gesprochen hatten war Aerien klar geworden, dass sie unter keinen Umständen ihre wahre Herkunft erwähnen durfte, nun, da sich die Anführer in der Stadt mit Qúsay gegen Sauron verschworen hatten.

Sie sah das weißhaarige Mädchen am Ende der Gasse um die Ecke biegen und beschleunigte ihre Schritte. Als Músab sie in seine Residenz eingeladen hatte hatte sie "Herlenna" gerade vorbeimarschieren sehen und wollte die Gelegenheit nicht verpassen, mit ihr ein paar deutliche Worte zu wechseln. Sie sprintete um die Ecke und entdeckte ihr Ziel wenige Schritte vor sich. Aerien legte die kurze Distanz eilig hinter sich und ergriff den Arm der Weißhaarigen.
Ehe sie etwas sagen konnte wirbelte diese herum, riss sich los und hatte, schneller als man es sehen konnte, ein Messer gezogen und es Aerien an die Kehle gelegt. Einen kurzen Augenblick starrten sie sich feindselig an, bis Aerien das Schweigen schließlich brach.
"Hallo, Narissa. Das ist doch dein Name, oder?"

Narissa nahm den Dolch von Aeriens Kehle und atmete tief durch. Als sie eine Hand an ihrem Arm gespürt hatte, hatte sie damit gerechnet, sich einem von Suladâns Schergen gegenüber zu sehen.
"Ja, das ist mein Name." Offenbar hatte Aerien tatsächlich nahe genug gestanden um das zu hören, und Narissa fragte sich, was sie noch alles gehört hatte. Sie steckte den Dolch wieder weg, und sagte: "Hör mal, ich würde gerne so schnell wie möglich von der Straße runter." Dabei warf sie einen nervösen Blick über die Schulter, konnte jedoch nichts verdächtiges hinter sich entdecken. Ungebeten hörte sie wieder Elyanas warnende Worte, und auch wenn sie den Sieben Schwestern eigentlich kein Wort glauben wollte - es war dumm gewesen, ihre Identität so vor aller Augen zu offenbaren. "Komm meinetwegen mit mir, dann erkläre ich es dir", fuhr Narissa fort, und erst jetzt viel ihr auf, dass Aerien äußerst schlecht gelaunt wirkte.
"Ich habe ein Zimmer in einem Gasthaus in der Nähe, dort sollten wir ungestört reden können." Seit dem Moment in dem sie in den Kreis der Fürsten getreten war hatte Narissa das Gefühl, keine Ahnung mehr zu haben was sie eigentlich tat. Es gab keinen wirklichen Grund Aerien etwas über sich anzuvertrauen, doch irgendwie war das andere Mädchen ihr sympathisch, und es war einige Zeit her dass Narissa mit jemandem hatte sprechen können.

"Also gut," antwortete Aerien. "Geh voran." Ihre schlechte Laune blieb bestehen - jedoch nur bis sie gemeinsam mit Narissa im Schankraum des Gasthauses Zum Wüstenlöwen saß und ein alkoholisches Getränk vor sich stehen hatte, das der Wirt als "bester Tropfen in ganz Ain Séfra" bezeichnet hatte. Auf dem Weg zur Herberge hatten die beiden nur wenig gesprochen und waren die Straßen entlang geeilt, doch nun, da sie angekommen waren, schien Narissa sich etwas zu entspannen. Aerien blickte sich im Schankraum um, der mit feiernden Haradrim aller Art gefüllt war. Immer wieder hörte sie den Namen Qúsay und Hochrufe auf dessen heute begonnene Herrschaft als Malik von Harad. Die Menschen feierten den Bund, den der neue Herrscher geschlossen hatte und taten dies recht ausgelassen. Glücklicherweise gab es im Wüstenlöwen auch eine etwas ruhigere Ecke, in der Unterhaltungen möglich waren, ohne dass man schreien musste um sich zu verstehen.

Aerien nahm einen großen Schluck von dem Getränk und spürte, wie ihre Kehle zu brennen begann. Sie hustete und kämpfte gegen den Reflex an, alles wieder auszuspucken. Narissa hingegen trank nur in kleinen Schlucken - offenbar war sie bereits mit dem Trunk vertraut. Obwohl das andere Mädchen Aeriens Lage durchaus witzig zu finden schien wurde Aeriens Laune dadurch nicht schlechter, sondern besser. Sie konnte über sich selbst lachen und wischte sich den Mund ab.
"Nun denn, Narissa," sagte sie schließlich. "was hälst du nun von der ganzen Sache? Du hattest offenbar noch einige wichtige Dinge mit Qúsay zu besprechen. Ist das wirklich dein Auftrag? Und ist "Narissa" nun wirklich dein richtiger Name?"

"Ja, Narissa ist wirklich mein richtiger Name", erwiderte Narissa und fügte angesichts Aeriens misstrauischem Gesichtsausdruck mit einer gehobenen Augenbraue hinzu: "Ehrlich - würde ich bei so etwas lügen?" Der Alkohol hatte einen größeren Effekt auf sie als gedacht, und sie musste sich zusammenreißen um ernst zu bleiben.
"Also... Tatsächlich hat mich ein Mann namens Edrahil beauftragt, mehr über Qúsay und seine Absichten in Erfahrung zu bringen. Er kommt ebenfalls aus Gondor, vielleicht hast du schon von ihm gehört. Ist wohl irgendeine ganz wichtige Person dort", schloss sie in verschwörerischem Flüsterton.
"Und wie es scheint, sind Qúsays Absichten tatsächlich ehrlich, und er will nicht auf den Thron von Gondor klettern." Narissa nahm einen weiteren kleinen Schluck, und spürte wie nach und nach alle Anspannung von ihr abfiel. Warum sollte sie vor Aerien eigentlich geheimniskrämerisch tun? Schließlich kam sie aus Gondor, war also mit Sicherheit kein Feind.
"Es tut mir leid, dass ich dich angelogen habe, aber ich konnte nicht riskieren dass Suladân erfährt, wo ich bin."

"Sûladan?" fragte Aerien verwundert und nahm einen weiteren, vorsichtigen Schluck. So langsam begann das Getränk, ihr tatsächlich zu schmecken. Und außerdem schien es ihre Zweifel Narissa gegenüber und ihre schlechte Laune wie auf wundersame Weise zu vertreiben.
"Also... von dem habe ich nur wenig Gutes gehört. Soll ein besonders grausamer und bösartiger Herrscher sein, unten im tiefen Süden. In Gondor sagen das die Leute zumindest. Von einem Edrahil habe ich aber noch nie gehört. Klingt für mich ganz so, als würde sich da jemand nur wichtig machen. Wichtig sind in Gondor die Namen Imrahil und Damrod und..." sie brach ab und ließ den Satz unbeendet. Ihr Kopf fühlte sich seltsam an.
"Sag mal, Narissa, du stammst doch nicht von den Haradrim ab, oder? Ich hatte vorhin ein ziemlich mieses Erlebnis mit denen. Dieser Músab, König von... Kerma, glaube ich, hat seine Schoßhunde auf mich losgelassen, die mich ziemlich in die Mangel genommen haben, ganz ohne Grund. Das sind echt gruselige Gestalten, das kannst du mir glauben. Sie haben gesagt, dass sie auf dem Weg nach Ain Séfra überfallen wurden und ich einem der Angreifer ähnlich sehe. So einen Unsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört. Meine Verwandtem sitzen alle noch in... in Gondor und faulenzen." Sie hatte sich gerade noch davon abhalten können, in Mordor zu sagen. Aerien wunderte sich über sich selbst - irgend etwas schien mir ihr geschehen zu sein, dass ihre Zunge gelöst und sie beinahe ganz frei mit Narissa reden ließ.
"Also, was ich sagen wollte... wenn Sûladan der Anführer der fiesen Haradrim ist, wundert es mich nicht, dass du nicht von ihm gefunden werden möchtest. Bist du ihm denn schon mal begegnet?"

"Von diesem König Músab habe ich heute zum ersten Mal gehört", sagte Narissa, und mit einem Mal erinnerte sie sich. Das war der Mann gewesen, der während ihrer Begegnung mit Qúsay bei einigen aufgebrachten Fürsten für Ruhe gesorgt hatte. "Aber ich habe ihn vorhin gesehen, und er schien gar kein so schlechter Kerl zu sein. Aber der Eindruck kann natürlich auch täuschen. Und ich bin nicht mit ihm verwandt, wenn du das meintest - meine Familie kam aus Númenor nach Harad, also sind wir also eher Gondorer als Haradrim. Obwohl, was meinen Vater angeht..."
Sie trank den Rest ihre Glases aus, und winkte dem Wirt, ihnen Nachschub zu bringen.
 Aeriens schwachen Protest übersah sie dabei einfach, und sagte: "Wenn ich über ihn reden soll, brauche ich mehr zu trinken."
Sie wartete, bis der Wirt ihre Gläser erneut gefüllt hatte und wieder gegangen war, und fuhr dann fort: "Mein Vater ist tatsächlich einer der fiesen Haradrim. Er ist... ach, verdammt." Sie leerte ihr Glas in einem einzigen Zug erneut, was große Augen bei Aerien, die ihr zweites Glas noch kein bisschen angerührt hatte, hervorrief.
"Mein Vater ist Suladân", sagte sie zum zweiten Mal an diesem Tag im Flüsterton, und ließ sich dann in ihrem Stuhl zurückfallen. "Nun schau nicht so schockiert, du hast doch bestimmt auch ein paar... nicht so nette Leute in der Verwandtschaft. Ich bin ihm nie wirklich begegnet, aber er weiß dass es mich gibt."

Aeriens Augen blieben weit aufgerissen und sie nahm erst einmal einen Schluck aus dem zweiten Glas, da sie das erste inzwischen geleert hatte. Sûladan ist ihr Vater? Das ist ja... mal was anderes. Sie brauchte einen Augenblick, um das Gehörte zu verarbeiten. Dann ist ihr Vater ja fast genauso schlimm wie meiner, dachte sie und konnte ein kleines Lächeln nicht unterdrücken.
"Ich habe auch viele schlimme Leute in der Verwandtschaft, da hast du recht. Und mein Vater... ist auch nicht gerade ein strahlender Held." Sie musste aufstoßen und hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund, was Narissa ein herzliches Gelächter entlockte. Aerien stimmte mit ein und kicherte so unbeschwert wie schon lange nicht mehr. Wenn sie ehrlich war, war es sogar das erste Mal in ihrem Leben, dass sie sich so frei wie jetzt gefühlt hatte. Eine Verbundenheit war zwischen Narissa und ihr entstanden, die wohl jeder, der nicht in Mordor aufgewachen war, als tiefe Freundschaft bezeichnen würde. Doch Aerien kannte so etwas nicht und wusste nicht, was sie davon halten sollte. Also nahm sie einen weiteren Schluck und erzählte Narissa, wie sie mit Beregond durch Harondor und Nah-Harad geritten war, wobei der Gondorer nicht allzu gut wegkam. "Er hat diese Eigenheit, sich immer gedankenverloren am Bart zu kratzen," sagte Aerien kichernd und ahmte die Bewegung nach. "Ich bin grüblerisch und ständig mies gelaunt!" machte sie und gab ihre beste Imitation von Beregonds tiefer Stimme zum Besten. "So ungefähr kannst du dir das abends in unserem gemeinsamen Zimmer in dem Gasthaus, in dem wir wohnen, vorstellen. Wirklich nicht sehr aufbauend." Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Im diesem Augenblick war alles geradezu perfekt. Sieh hatte eine neue Freundin gefunden und ein Getränk kennengelernt, das gute Laune verursachte. Aerien konnte sich nicht vorstellen, diesen Abend jemals in schlechter Erinnerung zu haben...
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Eandril am 6. Dez 2016, 18:30
Narissa zog eine Augenbraue in die Höhe. "Du und dieser Beregond, ihr wohnt also... in einem Zimmer? Sehr interessant..." Aerien schien mit ihrer Anspielung nicht viel anfangen zu können, also fügte sie hinzu: "Gibt es in dem Zimmer vielleicht auch nur ein Bett... das ihr euch auch teilen müsst?" Sie zwinkerte Aerien zu, die empört die Augenbrauen zusammenzog.
"Es ist nicht das, was du denkst..." Narissa ließ sie nicht ausreden. "Nicht?" In gespielter Empörtheit hob sie den Zeigefinger. "Also ich würde mir eine solche Gelegenheit ja nicht entgehen lassen. Es ist schon lange her, dass ich..." Sie brach ab, und spürte ihr Gesicht rot anlaufen. Ihre erste Liebschaft hatte sie vor fünf Jahren gehabt, mit einem gleichaltrigen Jungen aus einem der Dörfer in der Nähe der Inseln, dessen Namen sie inzwischen vergessen hatte. Das ganze hatte nicht ganz drei Wochen gehalten, bevor ihr Großvater ihr auf die Schliche gekommen war und die Angelegenheit unterbunden hatte. In den Jahren danach hatte Narissa sich hin und wieder auf kurze Affären eingelassen, etwas dauerhaftes hatte sie bislang allerdings nie interessiert. Dennoch überraschte es sie selbst, mit welcher Offenheit sie beinahe mit Aerien darüber gesprochen hätte. Sie schob es auf den Alkohol.
"Also, ich meinte..." Narissa räusperte sich, und trank einen weiteren Schluck aus dem erneut aufgefüllten Glas. "Wenn es nicht dieser Beregond ist... gibt es sonst jemanden?"

Auch auf Aeriens Wangen war ein deutlicher Schimmer von Röte zu erkennen, doch es blieb offen, ob Alkohol oder Beschämung der Grund dafür waren.
"Das ist... etwas kompliziert," brachte sie schließlich hervor. Aerien atmete tief durch, nahm einen großen Schluck aus dem Krug und blickte Narissa prüfend an. "In meiner Familie werden Liebschaften nicht geduldet," erklärte sie und strich sich eine Haarsträhne von der Stirn. "Einer der Gründe, warum ich sie verlassen habe und mich dem Widerstand in Ithilien angeschlossen habe ist, dass meine Eltern eines Tages einen Mann für mich ausgesucht hätten und mir niemals die freie Wahl erlaubt hätten. So ist das nun einmal, wenn man aus angesehenem Hause stammt..." Sie brach ab und blieb einen Augenblick still.
Dann fuhr sie mit einem kleinen Lächeln fort: "Das heißt aber nicht, dass du eine unschuldige Jungfrau vor dir hast, liebe Narissa. Ich habe durchaus Gelegenheiten gehabt, etwas Spaß zu haben, und sie auch genutzt. Natürlich dürfen meine Eltern niemals etwas davon erfahren."
Erneut machte sie eine Pause und leerte ihren Becher. Mit einem Wink signalisierte sie der Bedienung, nachzuschenken.
"Du wärst überrascht, was eine Frau am Hofe mit dem richtigen Verhalten alles erreichen kann. Ein Lächeln hier, ein paar geheuchelte Worte dort... Intrigen und Täuschungsspielchen sind mir schon seit dem Tag leichtgefallen, als ich alt genug war um am Hofleben teilzunehmen." Aerien machte eine nachdenkliche Bewegung mit ihrer linken Hand und schien für einige Augenblicke tief in Gedanken an ihrer Vergangenheit zu sein. Schließlich jedoch blickte sie Narissa wieder an und sagte: "Beregond ist nicht mehr als ein Freund und Begleiter auf dieser Reise in den Süden. Nicht mehr und nicht weniger. Und wir teilen uns das Bett nicht."

"Hm...", machte Narissa, und hob dann ihr nur noch halbvolles Glas. "Dann lass uns auf deine neugewonnene Freiheit trinken." Sie trank den Rest in einem Zug aus, und Aerien tat es ihr nach einem Moment des Zögerns nach. Dann wandte Narissa sich um, und ließ den Blick durch den Schankraum schweifen. Die Geräusche der anderen Gäste kamen inzwischen merkwürdig gedämpft bei ihr an, und an den Rändern schien ihr Gesichtsfeld ein wenig zu verschwimmen. Dennoch erspähte sie schnell was sie gesucht hatte, und deutete in Richtung der Theke, an der zwei junge Männer in den Farben der Lahmiden saßen und sich offenbar leise unterhielten.
"Was hältst du von denen?", fragte sie Aerien, und zwinkerte erneut. "Nicht schlecht, oder?" Beide Männer waren ziemlich gut aussehend - oder zumindest glaubte Narissa das durch ihren merkwürdig benebelten Verstand zu sehen. "Vielleicht sollten wir sie an unseren Tisch einladen..."

"Der mit dem roten Halstuch ist süß," befand Aerien. "Aber es sind nur Haradrim. Sie sind es nicht wert, dass ich mich mit ihnen einlassen würde." Ihr Tonfall war nun von einer deutlich heraushörbaren Arroganz unterlegt und sie ließ ihren Blick abschätzend durch den Schankraum schweifen. "Wir sind Töchter Númenors, Narissa. Wir sind besser als dieser Haufen hier. Ich werde nicht so tief sinken und mich von einfachen Südländern betatschen lassen."
Der Alkohol schien eine ganz neue Seite ihrer Persönlichkeit hervorzubringen und war offensichtlich, dass dies nicht ihr normales Verhalten war.

"Pah, nur weil ihr oben in Gondor keinen Mangel an Dúnedain habt", gab Narissa zurück, und schob die Unterlippe vor. "Man muss sich mit dem begnügen, was man kriegen kann, und ich habe schon vielen sehr nette Haradrim... kennengelernt. Wenn ich mich auf Männer mit rein númenorischer Abstammung beschränken würde, wäre ich wahrscheinlich noch Jungfrau." Sie kicherte leise in sich hinein, und zwinkerte den Männern an der Theke, denen ihre offensichtliche Aufmerksamkeit nicht entgangen zu sein schien, zu. Bevor sie jedoch irgendwelche weiteren auffordernden Gesten machen, stand wie aus dem Boden gewachsen eine schmale Gestalt in einem dunklen Mantel neben ihrem Tisch. Sie blickte langsam an der Gestalt hoch, bis zu den braunen Haaren und dem mit feinen Sommersprossen übersähtem, jugendlichen Gesicht.
"Aerien!", sagte das Mädchen, das so plötzlich aufgetaucht war, dass Narissa sie nicht hatte kommen sehen. Sie schob auch das auf den Alkohol.
"Was treibst du denn hier? Betrunken?", fügte das Mädchen im Tonfall der Empörung hinzu.

"Serelloth?" wunderte sich Aerien. "Wo kommst du denn so plötzlich her? Ähm... kennst du schon meine neue Freundin Narissa? Narissa, das ist Serelloth... eine Waldläuferin von Ithilien."
"Ach, du bist Narissa?" sagte Serelloth mit erhobenen Augenbrauen. Ihre hellbraunen Haare waren etwas zerzaust, als wäre sie gerannt, doch sie schien nicht im geringsten außer Atem zu sein. "Nun, da draußen vor der Tür sind ein paar unfreundliche Gestalten, die dich näher kennenlernen möchten. Sie haben mir gesagt, ich soll dich raus schicken. Ha! Als ob ich auf solche Leute hören würde. Am besten, du verschwindest unauffällig durch die Hintertür. Es gibt eine, das habe ich schon überprüft. Da hinten, in der Ecke, ist eine Tür. Du kannst es gar nicht verfehlen."
"Warte, Serelloth. Narissa wird verfolgt?" fragte Aerien verwundert, die erst langsam zu begreifen schien, was los war."
"Ich vermute es. He, hast du nicht heute morgen irgendetwas von weißen Haaren geredet? So bist du also auf die Idee gekommen! Hm - Narissa steht das aber."

"Danke, ich..." Erst langsam drang die Bedeutung von Serelloths Worten an Narissas Verstand, und schlagartig schien sich der Nebel des Alkohols zu lichten. "Wie viele Männer?", fragte sie, und tastete dabei nach ihren Dolchen. Sie wusste, es war ein Fehler gewesen beim Majles so öffentlich aufzutreten.
"Vier, glaube ich", erwiderte Serelloth. "Aber ich glaube nicht, dass sie hier herein kommen werden, also..."
Narissa unterbrach sie kurzerhand: "Gut bewaffnet?"
"Hm... nicht wirklich." Die junge Waldläuferin wirkte verwundert, und auch Aerien schien allmählich zu bemerken, dass diese Fragen für Narissa eigentlich unbedeutend waren, wenn sie vorhatte heimlich zu fliehen. Narissa schob schwungvoll ihren Stuhl zurück, und musste sich sofort nach dem Aufstehen am Tisch festhalten, bis die Welt aufgehört hatte, sich zu drehen.
"He, was hast du vor?", fragte Aerien, und Narissa erwiderte: "Ich gehe das regeln. Bleibt hier, ich bin gleich zurück." Sie wusste, dass sie äußerst unvernünftig war, doch sie glaubte, es mit vier Schlägern aufnehmen zu können. Außerdem war dieses hier ihre Angelegenheit, und sie wollte niemanden dafür in Gefahr bringen - und erst recht niemanden, der sie gerade ihre Freundin genannt hatte.
Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich ab und ging durch den Schankraum auf die Tür zu. In ihren Ohren pochte der Zorn auf diese Männer, die sie bis hierher verfolgt haben mussten. Sie wünschte, die Tochter eines anderen zu sein, und einfach in Ruhe gelassen zu werden.
Narissa stieß die Tür auf, und trat hinaus auf in das Abendlicht der Straße.

Sofort sah sie sich vier Männern gegenüber, die an den umliegenden Hauswänden lehnten. "Ihr wolltet mich sehen, habe ich gehört?"
Einer der Männer, der einen ungepflegten grauschwarzen Bart und einen Krummsäbel an der Seite trug, richtete sich auf, spuckte aus und erwiderte: "Sieh an, da ist ja unser kleines Vögelchen. Komm her und lass dich fesseln, dann tun wir dir auch nicht weh... nicht sehr." Er grinste schmierig, und seine Kameraden lachte bellend, während sie langsam näher kamen.
"Hätte echt nicht gedacht, dass die so dumm ist und tatsächlich kommt", sagte ein zweiter Kopfgeldjäger, der mit einer hölzernen Keule bewaffnet war und diese rhythmisch in seine andere Hand klatschen ließ. "Da schämt man sich ja fast, die ganze Summe für sie zu verlangen."
"Red keinen Scheiß, Mann", stieß der erste, der der Anführer zu sein schien, hervor. "Lasst sie uns einkassieren und dann raus aus dieser Stadt."
"Ihr überseht da etwas", sagte Narissa leise, und legte die Hände auf ihren Dolche. Inzwischen hatte zum Glück der Boden aufgehört, unter ihren Füßen zu schwanken. "Ich lasse mich nicht einfach... einkassieren." Beide Messer fuhren blitzschnell aus der Scheide, als sie vorsprang und angriff. Mit einer Rolle tauchte sie unter dem Schwerthieb des Anführers hindurch, schnitt ihm in der Bewegung die Sehnen hinter der rechten Kniekehle durch, und kam hinter ihm wieder auf die Füße. Ihr Angriff schien die Männer überrascht zu haben, denn sie reagierten nur langsam und sie hatte alle Zeit der Welt, dem auf ein Knie gefallenen Anführer von hinten den Dolch ihres Großvaters ins Herz zu stoßen. Narissa riss den Dolch wieder heraus und ließ die Leiche auf die Seite kippen. Dann parierte sie die niederfahrende Klinge des nächsten Mannes mit gekreuzten Dolchen, trat ihm kurzerhand zwischen die Beine und stieß ihm beide Messer in den Hals, während er sich krümmte.
Der dritte Kopfgeldjäger schien sein Heil in der Flucht suchen zu wollen, doch Narissa war nicht in der Stimmung, auch nur einen von ihnen entkommen zu lassen. Sie ließ ihren rechten Dolch fallen, zog eines ihrer Wurfmesser hervor, zielte und warf. Das Messer sirrte durch die Luft und traf den Fliehenden direkt in den Nacken. Der Mann taumelte noch ein, zwei Schritte vorwärts, und stürzte dann reglos zu Boden.
Wo ist jetzt der... konnte Narissa gerade noch denken, bevor sie der Keulenhieb des vierten Mannes in den Rücken traf und ihr die Luft aus der Lunge presste.
Narissa stolperte, ihr Dolch fiel ihr aus der Hand, und sie selbst stürzte zu Boden. Sie konnte sich gerade noch auf den Rücken drehen, und versuchte rückwärts zu kriechen - woran sie allerdings ein gnadenloser Schmerz in ihrer linken Schulter hinderte.
"Ha", keuchte ihr Gegner, und zeigte grinsend seine schiefen Zähne. "Dann muss ich die Belohnung wenigstens nicht..." Er konnte nicht ausreden, denn im selben Moment brach die Spitze eines Schwertes aus seiner Brust hervor. Einen Augenblick schielte er auf die Klinge herunter, dann verschwand sie wieder und er Kopfgeldjäger brach zusammen. Hinter ihm kam Aerien zum Vorschein, die ihr blutiges Bastardschwert in der Hand hielt.

"Nun, was ist aus "ich bin gleich wieder zurück" geworden?" fragte Aerien mit einem breiten Lächeln. "Wir hatten uns schon Sorgen um dich gemacht - zu Recht, wie man sieht." Sie streckte den Arm aus und half Nariasa auf die Beine. "Hier, das musst du fallen gelassen haben." In Aeriens offener Hand lag Narissas Medaillon, das im Mondlicht funkelte. "Hübsch," befand Serelloth. "Ich denke, ihr beiden solltet etwas Schlaf finden - und die Nachwirkungen eures Getränks loswerden," schlug die Waldläuferin vor. Aerien warf Narissa einen schnellen Blick zu und nickte. "Das ist eine gute Idee, Serelloth." Als sie wieder hinsahen war das Mädchen jedoch bereits in einer Seitengasse verschwunden. "Das macht sie ständig," erklärte Aerien amüsiert.

Narissa rieb sich ächzend die Schulter. "Die waren zwar eigentlich keine Herausforderung, aber betrunken zu kämpfen ist keine gute Idee." Sie erwiderte Aeriens Lächeln. "Danke, du bist genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen." Während sie sich das alte Medaillon wieder um den Hals hängte, betrachtete sie den Kampfplatz und das Gasthaus. "Ich denke, ich sollte mir eine neue Unterkunft suchen - eine Schande, ich hatte bereits bezahlt. Aber vielleicht kannst du mir ja etwas gutes empfehlen?"
"In unserem Gasthaus findet sich bestimmt noch irgendwo ein Bett - und sei es im Stall", antwortete Aerien mit einem Augenzwinkern. "Also hol deine Sachen, falls du welche hast, uns lass uns hier verschwinden."
Titel: Der Morgen danach
Beitrag von: Fine am 8. Dez 2016, 11:25
Aerien erwachte davon, dass ihr die Sonne ins Gesicht schien und eine ungewohnte Wärme auf ihrer Nase, Stirn und Wangen verbreitete. Sie blinzelte und setzte sich auf. Dabei stellte sie fest, dass sie auf dem harten Holzboden des Zimmers geschlafen hatte, das sie sich mit Beregond teilte. Wie sie dorthin gekommen war, wusste sie nicht - das letzte, woran sie sich erinnerte, war, dass sie sich gemeinsam mit ihrer neuen Freundin Narissa auf dem Weg zu dem Gasthaus gemacht hatte, das ihr Qúsays Gefolgsmann Dírar nach ihrer Ankunft in Ain Séfra gezeigt hatte. Aerien bewegte die Beine, und die Katze, die es sich in ihrem Schoß bequem gemacht hatte, sprang auf und sah sie vorwurfsvoll an.
"Guten Morgen, Sedh-helleth," murmelte sie. Ihr Kopf fühlte sich merkwürdig an. Die Geräusche der Straße, die durch das offen stehende Fenster herein drangen, kamen ihr unangenehm laut vor, und von ihren Schläfen ging ein pulsierender Schmerz aus. Sie rieb sich die Stirn und schwor sich, niemals mehr auch nur einen Tropfen Alkohol anzurühren. Sie hatte in voller Bekleidung geschlafen, als wäre sie beim Betreten des Zimmers ohnmächtig geworden. Aerien stand mühsam auf und sah sich im Zimmer um.
"Gut geschlafen?" fragte eine Stimme seitlich von ihr. Es war Beregond, der entspannt in dem großen Sessel saß, den er zum Schlafen benutzte. Bevor Aerien antworten konnte, sagte der Gondorer: "Ihr beiden habt gestern ein ziemlich interessantes Bild abgegeben, als ich gegen Mitternacht hier eintraf. Wen hast du da denn mitgebracht?"
"Mitgebracht?" wunderte sich Aerien, doch dann zeigte Beregond lächelnd auf das Bett, in dem Aerien normalerweise schlief. Sie ging hinüber und fand Narissa vor, die auf dem Rücken lag, einen Dolch in der linken Hand, und mit der rechten ihr Medaillon umklammerte. Sie schlief tief und fest.
"Das ist... Narissa," sagte Aerien zögerlich. "Wenn du gestern den Verlauf des Majles verfolgt hast, hast du sie vielleicht gesehen. Sie hat nach Qúsay Rede kurz mit dem Malik geredet."
"Oh, das habe ich mitbekommen," gab Beregond zurück. "Und ich habe mit Serelloth gesprochen, bevor sie wieder verschwunden ist, um dich zu suchen. Sie sagte, dass es gut war, dass jemand die Fragen gestellt hat, die Qúsay in seiner Rede unbeantwortet ließ."
Aerien wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte. Also fragte sie: "Was hältst du nun von dem Ganzen?"
"Nun, die Sache ist ungefähr so abgelaufen wie ich es erwartet hatte. Die freien Haradrim haben sich zur Rebellion gegen Sûladan und Sauron erhoben und Qúsay zu ihrem neuen Anführer gewählt. Jetzt wird sich zeigen, ob der Bund, der hier in Ain Séfra geschmiedet wurde, stark genug ist um die Prüfungen zu bestehen, die auf ihn warten. Sûladan wird dies natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Ich vermute, dass es schon bald Krieg geben wird, und ich denke dass Qúsay das auch weiß. Er wird nun Kriegspläne machen und Vorbereitungen treffen müssen."
"Das denke ich auch," stimmte Aerien zu. "Hoffen wir, dass Qúsay gewinnen kann."
Beregond nickte. "Für Gondors Sicherheit hoffe ich es ebenfalls."

Kurz darauf ging Beregond nach unten in die große Küche des Gasthauses, um für Frühstück zu sorgen, und Aerien nutze die Zeit, um sich umzuziehen. Sie hatte festgestellt, dass Sahír ihr mehr Kleidung gegeben hatte als sie sich in seinem Laden ausgesucht hatte. Darunter befand sich unter anderem ein feines, tiefschwarzes Kleid, das sie nun nachdenklich betrachtete. Doch dann entschied sie sich für leichte, luftige haradische Bekleidung. Eine weite Hose und ein Oberteil, das zwar einen recht tiefen Ausschnitt aufwies, sie aber in der Hitze des Hochsommers von Nah-Harad wenigstens nicht zum Schwitzen bringen würde. Den Sternenanhänger legte sie nicht ab und er funkelte nun gut sichtbar unterhalb ihres Halses. Auch die Stiefel, die sie aus Mordor bis tief in den Süden getragen hatten behielt sie an, denn sie besaß bislang kein anderes Schuhwerk.

Als Beregond zurückkehrte trug er zwei Tabletts mit frischem Gebäck, Früchten und sogar einer Kanne Milch herein. "Sieh zu, dass deine Freundin aufwacht, bevor wir ihr nichts übrig lassen," sagte er und stellte das Frühstück auf dein kleinen runden Tisch, der in der Mitte des Raumes stand. Aerien kletterte auf das Bett in dem Narissa lag und versuchte, das Mädchen wachzurütteln, was zunächst wenig Erfolg hatte. Narissa schien an diesem Morgen einen besonders tiefen Schlaf zu haben. Aerien seufzte und begann mit etwas heftigeren Weckversuchen. Doch die einzige Reaktion darauf war, dass Narissa sich verschlafen von ihr wegrollte und murmelte: "Lass mich in Ruhe, Großvater... die Übungen können warten..."
Aerien hatte schließlich genug davon und schüttete Narissa kurzerhand den Inhalt einer kleinen Tasse voll Wasser ins Gesicht. Das zeigte Wirkung. Narissa fuhr wie von einer Wespe gestochen auf und ließ dabei ihren Dolch fallen. Als ihr überraschter Blick auf Aerien fiel, die sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen konnte, schien sie sehr schnell zu begreifen, was passiert war. "Das bekommst du zurück, Aerien," versprach Narissa. "Eines Tages, wenn du es nicht erwartest." Doch es gelang ihr nicht, die ernste Miene lange aufrecht zu erhalten. Einen Augenblick später lachten sie gemeinsam über die Sache und tauschten Erinnerungsfetzen aus, da keine der beiden erklären konnte, wie sie hergekommen waren.

Beim Frühstück stellte Aerien Narissa und Beregond einander vor, und Beregond erzählte, wie er die beiden Mädchen schlafend vorgefunden hatte und beschlossen hatte, sie nicht zu stören als er spät nachts das Zimmer betreten hatte.
"Es war, um ehrlich zu sein, ein ziemlich erheiternder Anblick," sagte er schmunzelnd.
"Wo sind meine Sachen?" fragte Narissa. "Du hast doch nichts davon angefasst, oder?"
"Neben dem Bett liegt ein großer Beutel, ich nehme an, das ist deiner," erklärte Beregond. "Ich habe ihn dort liegen gelassen, wo ich ihn fand."
Aerien erzählte Beregond von den Erlebnissen am Vortag und berichtete, dass König Músab von Kerma sie in seine Residenz eingeladen hatte. Als sie den König beschriebt, nickte Narissa und sagte: "Ich habe ihn gesehen, den Mann mit dem Leopardenfell. Er kam mir recht vernünftig vor."
"Mir auch, doch seine Leibwächter eher nicht," sagte Aerien und verzog das Gesicht. Dann erzählte sie, wie sie befragt und grob angefasst worden war.
"Nun, das spricht natürlich eher gegen einen Besuch bei diesem König Músab," befand Beregond.
"Er hatte seine Männer aber dann ja doch ganz gut im Griff," wandte Narissa ein. "Bist du nicht auch wenigstens ein bisschen neugierig, was er von dir will, Aerien?"
"Er denkt, ich habe etwas mit einem Überfall zu tun, in den er und seine Reisegruppe gerieten als sie auf dem Weg nach Ain Séfra waren," sagte Aerien. "Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich habe jedenfalls nichts damit zu tun."
Beregond warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. "Vielleicht gibt es eine Verbindung, die wir noch nicht erkennen können," sagte er mit einem Unterton, der Aerien deutlich machte, dass er über ihre Herkunft aus Mordor sprach. "Ich denke, du solltest hingehen und mehr darüber herausfinden. Um deine Sicherheit musst du dir keine Sorgen machen; ich werde dich begleiten."
"Und ich komme ebenfalls mit," entschied Narissa. "Das Ganze ist zu aufregend, um es mir einfach entgehen zu lassen."
"Also gut," sagte Aerien langsam. "Dann werden wir gehen. Aber wann? Er hat mir keinen Zeitpunkt genannt."
"Am besten schicken wir einen Boten zu König Músab," sagte Beregond. "Wir lassen ihm von dir ausrichten, dass du heute Abend mit zwei Begleitern bei ihm vorstellig wirst. Bei Sonnenuntergang. Das gibt ihm genug Zeit, sich darauf vorzubereiten."

Die Entscheidung war getroffen. Ein Überbringer der Nachricht war schnell gefunden, denn Narissa riet ihnen, dafür eines der Straßenkinder zu verwenden, die in der Nähe des Gasthauses herumlungerten. Die Botschaft würde Músab am Vormittag erreichen und ihn wissen lassen, dass er bei Sonnenuntergang mit Besuch von drei Personen rechnen durfte. Aerien fragte sich, was sie am folgenden Abend wohl erwarten würde...
Titel: Der Bote
Beitrag von: Melkor. am 9. Dez 2016, 14:45
Gemeinsam trafen Músab und Alára bei der Residenz ein, wo inzwischen auch Wa'aran Haywat angekommen war.
"Ah, Wa'aran, wie ich sehe, seid ihr auch wieder hier." Mit diesen Worten begrüßte Músab seinen Schwager und bedankte sich nochmals für dessen Bürgschaft bei Qúsay. Nach einem kurzen Gespräch verabschiedete sich Wa'aran von ihnen und Músab und Alára gingen in den Innenhof der Residenz. Dort waren bereits Tamal und Gatisen aktiv und trainierten erneut ihre Waffenkünste. Músab, der wie Alára einen Augenblick zuschaute, unterbrach schließlich den Kampf und rief seinen Sohn zu sich. Alára, gönn dir etwas Ruhe, " befahl Músab um zu symbolisieren dass er mit dem zukünftigen König Kermas unter vier Augen sprechen wollte. Alára nickte zögerlich und folgte Wa'aran ins Innere des Gebäudes.
"Vater, was gibt es zu besprechen?" fragte Tamal, der den richtigen Moment abgewartet hatte.
"Schicke eine Botschaft nach Kerma. Aspelta möge die erste, dritte und siebte Bogenschützenkompanien von Kerma nach Napata beordern." Tamal nickte, konnte jedoch nicht verstehen, warum Músab seinen Onkel von seinen Pflichten befreite. Bevor Músab weiter sprach schaute er sich um, ob niemand ihnen zuhören hätte können. "Der eigentliche Grund warum ich mit dir sprechen möchte ist..." Músab schnaufte kurz durch und sprach dann eilig weiter.  "Wir haben vielleicht einen Hinweis auf den Mörder meiner Mutter gefunden. Eine schwarze Numenorerin - zumindest habe ich die starke Vermutung dass es sich dabei um eine handelt - die sich in Ain Sefra aufhält." Tamal nickte verstehend.. "Du musst heute Abend zu den Fürsten der Nachbarländer gehen und neue Verträge erhandeln. Nimm Alára und Silko als deine Leibwächter mit, verstanden?" befahl Músab seinem Sohn. Tamal nickte erneut und Músab schickte ihn wieder zurück zu seinem Neffen.

Als Músab gerade auch die Residenz betreten wollte, hörte er vom Tor kommend eine helle, junge Stimme die von einer dunkleren Stimme oftmals übertont wurde. Fragend was dort wohl sei, lief er zum Tor. Um so näher er kam umso mehr konnte er Worte heraus hören.  "Aber ich muss zum König..." bat die junge Stimme erneut die jedoch von dem Leibwächter abgewiesen wurde. "Kinder haben hier nichts verloren, zudem empfängt der König gerade niemanden. Geh jetzt!" sagte der Leibwächter im ernsten Tonfall.  Durch das Gespräch mit dem Jungen abgelenkt bemerkte er nicht, dass Músab bereits hinter ihm stand. "Wachmann, was ist hier los?" fragte Músab den Wächter. Genau wie seine Kameraden nahm dieser sofort Haltung an. "Dieser Junge erbittet eine Audienz bei euch, Herr." sagte die Wache. "Lasst ihn gewähren," befahl Músab und der Junge stahl sich seinen Weg an den Wachen vorbei. Stotternd überbrachte der in alten zerrissenen Lumpen umhüllte Junge die Botschaft die ihm Aerien gegeben hatte. Nachdem der Junge nach einigen Anläufen die exakte Botschaft überbringen konnte legte Músab zwei Silbermünzen in die Hand des Kindes. Mit einem Dank auf den Lippen verschwand der Junge schnell wieder in die Gassen der Stadt.
Titel: Zu Gast bei einem König
Beitrag von: Fine am 13. Dez 2016, 00:05
Als die Sonne bereits zu sinken begann machten sich Beregond, Narissa und Aerien auf den Weg zu König Músab. Von einem Einheimischen erfuhren sie schnell, wo sich die Residenz des Herrschers von Kerma befand. Auch am Tag nach dem Majles waren die Straßen Ain Séfras voller Menschen, die von einem Neuanfang für Harad sprachen, und Qúsays Name war in aller Munde. Auch wenn Aerien die meisten haradischen Sprachen und Dialekte nicht verstand konnte sie doch deutlich den Namen des frisch ernannten Maliks heraushören. Sie nickte zufrieden. Qúsay würde sich als ein guter und gerechter Herrscher erweisen, so viel hatte sie bei seiner Antrittsrede erkennen können.

Es dauerte gar nicht lange bis sie in einen Stadteil kamen, wo die Häuser größer und prächtiger und die Straßen breiter und weniger belebt wurden. Músabs Residenz ragte vor ihnen auf. Am Eingangstor, das den Weg zum Innenhof und zum Hauptgebäude dahinter versperrte, standen vier aufmerksame Wächter, die ihre Speere bereit hielten und auf die Neuankömmlinge zeigen ließen.
"Wer seid Ihr, die Ihr Einlass begehrt zur Wohnstatt Músabs bin Kernabes, des Königs von Kerma?" verlangte einer der Gardisten zu wissen.
Aerien trat einen Schritt vor, achtsam, nicht zu nahe an die Speerspitzen zu geraten. Sie zeigte den Wächtern ihre offene Hand, um ihre friedlichen Absichten zu verdeutlichen. "Ich bin Aerien Bereneth, und dies sind meine Begleiter Beregond und Narissa, aus Gondor. Euer König hat uns... zum Abendessen eingeladen."
Der Wächter nickte und musterte die Gruppe einen Augenblick zweifelnd. Dann jedoch trat er beiseite. Unter dem Torbogen hindurch gelangen sie in den Innenhof, der rings um das Residenzgebäude in einen weitläufigen Garten überging. Der Eingang des Gebäudes lag direkt gegenüber. Ein gepflasterte Weg führte dorthin, der nur einige Schritte lang war. Auch an diesem Tor standen Wachen, die sie jedoch durchließen. Die Türen öffneten sich, und Beregond und die beiden Mädchen kamen in eine große Eingangshalle. Der Gardist, der sie ins Innere begleitet hatte, bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Er führte sie durch einen angrenzenden Flur bis sie in einen Speisesaal kamen, in dem ein reich gedeckten Tisch stand. An dessen Kopfende saß Músab, der von einem Berater flankiert wurde.
"Euer Hoheit! Eure Gäste sind eingetroffen." Er verbeugte sich und eilte wieder hinaus.
"Willkommen," sagte Músab und erhob sich. Er flüsterte seinem Berater etwas zu, der sogleich davon ging, nachdem er eine Schriftrolle vom Tisch genommen hatte. "Wie schön, dass ihr es einrichten konntet. Aerien Bereneth, es ist gut, dich zu sehen. Und du musst Narissa sein, nicht wahr?" fragte er in Narissas Richtung. Sie nickte vorsichtig, sagte jedoch nichts.
"Ich bin Beregond, Baranors Sohn," stellte Beregond sich vor. "Ihr ehrt uns mit dieser Einladung, König Músab."
"Bitte, nehmt Platz, meine Gäste," sagte Músab und ließ sich ebenfalls wieder nieder. Er bedeutete ihnen, mit dem Essen zu beginnen.

Seit ihrer Flucht aus Mordor hatte Aerien kein so gutes Essen mehr gekostet. Es gab vieles, das ihr unbekannt war: Früchte aus dem tiefen Süden, Fleisch von kermischen Antilopen sowie Wein, den sie jedoch nicht anrührte. Sie spürte noch allzu deutlich die Nachwirkungen der letzten Nacht. Daher beschränkte sie sich darauf, Wasser zu trinken, von dem es reichlich gab. Ein Blick zur Seite zeigte ihr, dass Narissa dasselbe tat. Sie aßen beinahe eine halbe Stunde, ohne dass viel gesprochen wurde, was Aerien relativ seltsam vorkam, doch sie wagte nicht, ungefragt ein Gespräch mit dem König zu beginnen, der auf sie einen strengen, aber dennoch auf eine Art und Weise gerechten Eindruck machte. Schließlich jedoch ertönte eine Glocke, und Diener begannen, den Tisch abzuräumen.

"Nun denn," ergriff Músab das Wort. "Zunächst, werte Aerien, möchte ich mich für die grobe Behandlung die du von meinem Bruder Alára erdulden musstest, entschuldigen. Er kann sehr impulsiv werden, wenn es um wichtige Angelegenheiten geht."
Aerien nickte langsam, doch Músab sprach weiter. "Die Umstände sind folgende: Mein Vetter, König Wa'aran Haywat von Da'amat, einem Reich südlich von Kerma, reiste mit mir und meinen Söhnen von Kerma in Richtung Ain Séfra, um den Majles beinzuwohnen und Malik Qúsay die Treue zu schwören. Auf der Harad-Straße im Einflussgebiet Sûladans wurden wir von feindlichen Haradrim-Kriegern überfallen. Unter ihnen war ein Mann aus Mordor: ein schwarzer Númenorer. Er tötete meine Mutter, Belazîl, und befreite einen meiner schlimmsten Feinde. Alára und ich suchen nun nach den Spuren des Mörders."
Aerien gelang es glücklicherweise, ihre Überraschung zu verbergen. Der Name Belazîl war ihr bekannt. Es war der Name der Schwester ihres Großvaters Belzagar, die in jungen Jahren aus Durthang geflohen war, ohne jemals wiederzukehren. Aerien fiel auf, dass sich das auf eine Art und Weise ganz nach ihrer eigenen Geschichte anhörte. Doch Belazîl war ein uneheliches Kind gewesen und hatte am Hofe einen schweren Stand gehabt. Aerien - Azruphel - hingegen hatte alles gehabt, was sie sich nur hätte wünschen können... außer der Freiheit, dorthin zu gehen wohin sie wollte. Sie konnte es zwar nicht zweifelsfrei nachweisen, aber sie vermutete, dass die Belazîl, von der Músab sprach, dieselbe Frau gewesen war, die Mordor damals für immer verlassen hatte. Doch wer sie umgebracht hatte wusste Aerien nicht. Sie kannte bei weitem nicht jeden schwarzen Númenorer, geschweigen denn deren Namen.
"Mein herzliches Beileid zu eurem Verlust," sagte Beregond. "Doch was hat all dies mit Aerien zu tun?" fragte der Gondorer.
Músab verzog die Mundwinkel ein wenig und sagte: "Um ehrlich zu sein vermutete ich, dass Aerien auch eine schwarze Númenorerin ist. Sie sieht meiner Mutter erstaunlich ähnlich. Daher hatte ich gehofft, dass sie Informationen für mich haben könnte."
"Ich muss Euch leider enttäuschen, König Músab," sagte Aerien vorsichtig. "Selbst wenn ich Bekanntschaft mit irgendwelchen Dienern Mordors geschlossen hätte - was für jemanden, der aus Gondor kommt, wohl sehr ungewöhnlich wäre - ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass es sich dabei genau um die Person handeln könnte, die Eure Mutter umgebracht hat."
"Das verstehe ich," sagte Músab. "Lasst mich den Mann beschreiben, nur für den Fall der Fälle: Er war ungefähr dreißig, hatte dunkles Haar und trug eine schwarze Rüstung sowie eine dunkle Kapuze. Die Gesichtszüge waren hart, auf eine Art und Weise vertraut, die ich nicht recht einordnen kann, aber dennoch..." er brach ab und sein Blick verweilte auf Aerien, die sich unbehaglich in ihrem Sitz wand. Sie wusste nicht, von wem Músab sprach, aber sie spürte, dass er dem Geheimnis ihrer Herkunft gefährlich nah kam. Sie wollte sich nicht ausmalen, was passieren würde, wenn die Wahrheit tatsächlich als Licht kommen würde. Vielleicht würde Narissa sie auf der Stelle töten, wenn es Músab und seine Leibwächter nicht tun würden. Sie warf einen Blick auf das weißhaarige Mädchen, das dem Gespräch aufmerksam zugehört hatte, jedoch selbst noch kein einziges Wort gesagt hatte. Aerien fragte sich, was Narissa wohl von all dem hielt.
"Es tut mir Leid, Euer Hoheit. Ich kenne den Mann nicht, von dem Ihr sprecht," sagte sie und versuchte, Ruhe auszustrahlen.

Sie schaute wieder in Richtung Músab, der sie immer noch musterte. Gerade als sie dachte, sein Blick würde sie durchbohren, wandte der König sich jedoch Narissa zu.
"Nun, das ist schade. Doch was ist mir dir, Narissa? Du stammst von den Turmherren ab, wenn ich richtig gehört habe?" fragte er.
Narissa setzte eine misstrauische Miene auf. "Ja, das ist richtig," beantwortete sie die Frage kurzangebunden.
"Ein altes und ehrwürdiges Haus," kommentierte Músab. "Eins herrschten deine Vorfahren über ein Reich, das sogar bis an die Grenzen des Landes von Kush reichte - dem Vorgänger Kermas. Mich interessiert, was du von Malik Qúsay hältst, werte Narissa. Du hattest nach dem Ende des Majles einige Fragen an ihn. Bist du zufrieden mit seiner Wahl?"
"Fürs Erste schon," gab Narissa zurück, doch sie hielt sich weiterhin bedeckt. "Es wird sich zeigen ob die Wahl gerechtfertigt wird."
Músab nickte erneut, offenbar zufrieden mit dieser Antwort. "Qúsays Aufstieg bedeutet großen Umsturz und Veränderungen. Ein Krieg wird kommen. Und ich bin nun gezwungen, gegen meine eigenen Verwandten zu kämpfen. Dies sind wahrlich finstere Zeiten."
"Gegen Eure Verwandten? Wie das?" fragte Beregond.
"Meine Großmutter entstammt der Linie der Sûladaniden," erklärte Músab. "Der Sultan von Harad ist mein Vetter zweiten Grades."
Als Músab Sûladan erwähnte bemerkte Aerien, wie Narissa sich beinahe unmerklich anspannte. Und da fiel ihr wieder ein, was ihr das Mädchen am Abend zuvor im Geheimen anvertraut hatte: Sie war die Tochter Sûladans.
"Und dennoch steht Ihr nun auf Qúsays Seite," stellte Beregond fest. "Wie kommt es dazu?"
"Der Feind, der bei dem Überfall entkam, war der vorherige König Kermas - mein Bruder Kashta. Und er ist ein Diener Saurons. Durch seinen Sturz stellte sich Kerma offen gegen den Herrn von Mordor. In Qúsay haben wir den Verbündeten gefunden, den wir brauchen, um gegen unsere Feinde zu bestehen."
Beregond nickte verstehend. "Nun, das ergibt Sinn. Ich hoffe, Euer Land ist gut geschützt."
"Ich wäre ein schlechter König wenn ich nicht dafür gesorgt hätte," sagte Músab mit einem Lächeln.

Eine Pause entstand. Ehe sie das Gespräch fortsetzen können betraten zwei Männer den Raum. Einen der beiden hatte Aerien in nur allzu guter Erinnerung: es war jener, der sie am Vortag grob angegangen hatte. Neben ihm stand ein jüngerer Mann, der Músab so ähnlich sah, dass Aerien eine nahe Verwandschaft vermutete. Músab bestätigte dies als er sagte: "Dies ist mein Sohn und Erbe Tamal. Er kehrt von einem wichtigen Auftrag zurück. Wir werden später darüber sprechen, mein Sohn. Warte im Kartenraum auf mich."
Tamal nickte, deutete eine Verbeugung an und verließ den Raum wieder, gefolgt von Alára. Músab erhob sich und sagte: "Ihr seid herzlich eingeladen, die Nacht unter meinem Dach zu verbringen."
Ehe Aerien sich überlegen konnte, wie sie möglichst höflich ablehnen könnte kam ihr Narissa bereits zuvor und sagte: "Vielen Dank, Euer Hoheit, doch dafür fehlt uns die Zeit. Wir haben noch einige Dinge zu erledigen, die nicht warten können."
"So ist es," bestätigte Beregond, dem nicht entgangen war, wie vorsichtig die beiden Mädchen Músab gegenüber waren.
"Ein andermal vielleicht," fügte Aerien höflich hinzu.
"Ein andermal," wiederholte Músab lächelnd und zog zwei Beutel hervor. "Dies sind meine Geschenke an die Damen." Er legte die Beutel auf den Tisch und schob sie ihnen zu. Dabei war zu hören, dass sie voller Münzen waren. Ein Diener trat heran und legte zwei Dolche dazu. "Feine kermische Arbeit," kommentierte Músab. "Mögen sie euch auf euren Reisen beschützen."
"Vielen Dank," sagte Narissa und ließ die Geschenke in ihrer Tasche verschwinden, nachdem sie Aerien ihren Beutel gereicht hatte. Er war schwerer, als sie vermutet hatte. Beregond erhielt ein Schwert, das den Dolchen glich und offenbar von der gleichen Machart war. Auch er bedankte sich bei Músab und machte eine Verbeugung.

Sie verabschiedeten sich von König Músab, der sie herzlich einlud, ihn in seinem Königreich Kerma zu besuchen. "Ich kehre bald in meine Heimat zurück, um Vorbereitungen für den Krieg zu treffen. Ihr werdet mir dort stets willkommen sein," sagte er. Sie bedankten sich für das Essen, die Geschenke und die Einladung und verließen die kermische Residenz auf demselben Weg, auf dem sie gekommen waren. Inzwischen war die Sonne untergegangen, und auf den Straßen kehrte etwas mehr Ruhe ein. Aerien atmete innerlich auf, da sie den Abend einigermaßen gut überstanden hatte. Gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg zur Herberge.
Titel: Verrat
Beitrag von: Eandril am 13. Dez 2016, 12:04
"Was haltet ihr von diesem König?", fragte Narissa, während sie langsam durch die nächtlichen Straßen zu ihrer Herberge zurückgingen. "Er schien mir ziemlich misstrauisch zu sein, was dich angeht, Aerien", fügte sie hinzu, während sie unbewusst einen Blick über die Schulter warf. Niemand schien ihnen zu folgen.
"Dabei sieht man euch beiden doch eindeutig an, dass ihr aus Gondor kommt - Jedenfalls seid ihr bestimmt keine schwarzen Númenorer." Sie lächelte, und ihr entging vollkommen der unbehagliche Blick, den Beregond und Aerien bei ihren letzten Worten tauschten.
"Qúsay sollte ihn auf jeden Fall im Auge behalten", erwiderte Beregond. "Selbst wenn König Músab es ernst meint, seine Verwandschaft mit Suladân machen ihn oder zumindest seine Familie zu einem Risiko."
Narissa zuckte innerlich zusammen, und protestierte: "Ich denke nicht, dass man jemanden nur wegen einer zufälligen Verwandschaft verdächtigen sollte." Neben ihr lächelte Aerien, die ja über ihre Beziehung zu Suladân im Gegensatz zu Beregond Bescheid wusste, in sich hinein. "Es ist nicht wichtig, mit wem man verwandt ist", warf sie schließlich langsam ein, und diesmal entging Narissa Aeriens nachdenklicher Blick nicht. "Es kommt nur darauf an, was man aus sich selbst macht." Vielleicht hatte Aerien ja in Gondor selbst Verwandte, auf die sie nicht allzu stolz war - und vielleicht war das der Grund, warum sie sich auf eine solche Mission begeben hatte. Ganz gleich was der Grund war, Narissa war froh, dass sie es getan hatte. Sie hatte sehr lange keine Freundin gehabt, mit der sie das Gefühl hatte über fast alles reden zu können - nicht seit Yana damals in Qafsah.
Für einen Augenblick schweiften Narissas Gedanken zu ihrer Kindheitsfreundin ab, und sie fragte sich, was wohl aus Yana geworden sein mochte. Ob sie immer noch in Qafsah lebte? Und ob ihr Vater noch immer seinen kleinen Laden hatte? Narissa zwang sich, wieder in die Gegenwart zurückzukehren, denn Gedanken an Qafsah brachten auch schmerzhaftere Erinnerungen mit sich.
"König Músab sieht allerdings nicht schlecht aus", sagte sie um sich abzulenken. "Allerdings etwas zu alt für meinen Geschmack, ich würde da eher seinen Sohn vorziehen. Und wie es aussieht, hat er ja sogar númenorisches Blut." Narissa zwinkerte Aerien zu, die leicht errötete, und Beregond schmunzelte.
"Anscheinend habt ihr zwei gestern ein paar interessante Dinge besprochen", sagte er.
"Ziemlich interessante Dinge", gab Narissa zurück, und kicherte als sie hinzufügte: "Sogar ein paar über euch."
Aerien versetzte ihr einen spielerischen Schlag gegen den Arm, und Beregond zog eine Augenbraue in die Höhe. "Über mich? Das müsst ihr mir dringend erzählen." Er drückte die Tür der Herberge, die sie inzwischen erreicht hatten, auf, und gemeinsam betraten sie den schwach erleuchteten Schankraum.
"Ich glaube, darüber wäre Aerien nicht sonderlich erfreut, denn..." Sie wurde unterbrochen, als ein in einen schwarzen Mantel gekleideter Mann bei ihrem Anblick ruckartig vom seinem Tisch aufstand, und Aerien ansprach: "Azruphel Belkâli! Was tust du denn hier?"

Auf Aeriens Gesicht malten sich Schock und eine Spur Angst, sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Langsam sickerte in Narissas Verstand die Erkenntnis ein, dass der Mann Adûnaisch gesprochen hatte, Aerien zu kennen schien, und sie mit einem Namen angesprochen hatte, der irgendeine verborgene Erinnerung in Narissa berührte.
"Aglazôr... ich..." Aerien stockte, und warf Narissa einen besorgten Blick zu. "Habt ihr sie gerade... Azruphel genannt?", brachte Narissa hervor. Irgendwie schien ihr Verstand langsamer zu arbeiten als sonst. Ein Teil von ihr hatte längst begriffen, womit sie es zu tun hatte, doch ein anderer Teil weigerte sich standhaft, es zu verstehen.
"Natürlich, das ist doch ihr Name", erwiderte der Mann im Tonfall der Verwunderung, und Narissa warf Beregond einen Blick zu. Zu ihrer Verwirrung zeigten sich auf dem Gesicht des Gondorers weder Überraschung noch Schock.
Er hat es gewusst, schrie eine Stimme in ihrem Kopf, und aus einem Winkel ihrer Erinnerung fügte sich das letzte Teilchen in das Bild ein. Sie erinnerte sich, wie ihr Großvater ihr die Geschichte der Turmherren erzählt hatte, an Atanar den Schwarzen und seine Frau Azruphel - eine schwarze Númenorin aus Mordor.
"Du kommst nicht aus Gondor", sagte sie langsam, und der letzte Rest Farbe wich aus Aeriens Gesicht. Narissa wich einen Schritt zurück, dann noch einen, und legte die Hand auf den Griff ihre Dolches - Ciryatans Dolch, durch den der Legende zufolge mehr als ein schwarzer Númenorer sein Leben verloren hatte. "Du kommst aus Mordor." Inzwischen flüsterte sie beinahe. "Was hattest du vor, mich einwickeln und dann an Suladân ausliefern? Mich benutzen um Qúsay zu ermorden?"
Aerien machte eine Bewegung in ihre Richtung, und sofort wich Narissa einen weiteren Schritt zurück und zog ihren Dolch. "Lass mich in Ruhe!"
In ihrem Kopf flüsterte eine leise, hämische Stimme: Närrin, Närrin, Närrin.

Bevor irgendjemand etwas sagen konnte, fuhr Narissa herum, stieß die Tür mit einem kräftigen Fußtritt auf und lief in die Nacht hinaus. Sie umrundete die Herberge, stürmte in den Stall und zog Grauwind am Halfter hinaus. Dann schwang sie sich auf den Rücken der Stute, beugte sich über ihren Hals und flüsterte ihr ins Ohr: "Bring mich weg aus dieser Stadt." Narissa stieß Grauwind die Hacken in die Flanken, das Pferd machte einen Satz nach vorne und galoppierte los, wobei Narissa keine Rücksicht auf die wenigen Leute nahm, die noch auf den Straßen unterwegs waren.
Als sie eines der Stadttore, sie wusste nicht, welches, durchquerte, spürte sie, wie ihr Tränen über das Gesicht liefen - Tränen der Wut, Enttäuschung, und des Verrats. Kurz stand ihr Aeriens bleiches, schockiertes Gesicht vor Augen, doch sie vertrieb das Bild rasch wieder. Sie wollte nur so weit wie möglich fort von hier und Aerien - nein, Azruphel, ihre sogenannte Freundin - niemals wiedersehen.

Narissa fort aus Aín Sefra (https://modding-union.com/index.php/topic,34198.msg450333.html#msg450333)
Titel: Der Sandläufer
Beitrag von: Fine am 13. Dez 2016, 14:37
"Narissa, warte!" rief Aerien, die endlich ihre Sprache wiedergefunden hatte. Doch es war längst zu spät. Als sie die Tür durchquert und die Straße erreicht hatte konnte sie nur noch zusehen, wie Narissa auf dem Rücken ihres Pferdes davonpreschte.
"Ich wollte dich warnen," sagte Beregond behutsam und legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Ich hatte schon geahnt, dass Narissa dein Geheimnis irgendwann herausfinden würde. Du hättest es niemals für immer verheimlichen können."
"Aber ich hätte es ihr selbst sagen sollen, wenn sich die Gelegenheit dazu ergeben und sie mir mehr vertraut hätte," gab Aerien verbittert zurück. Obwohl sie Narissa nur zwei Tage gekannt hatte fühlte sich der Verlust überraschend schmerzhaft an. Ihre Gedanken fanden rasch den Schuldigen: den Mann, der sie verraten hatte als er Aerien mit ihrem wahren Namen angesprochen hatte.

Zornig kehrte sie ins Innere des Gasthauses zurück, wo Aglazôr noch immer bei dem Tisch stand, an dem er gesessen hatte als er Aerien entdeckt und enttarnt hatte.
"Azruphel, was ist denn los?" fragte er leise auf adûnâisch, als sie zurückkehrte.
"Du Narr hast meine Tarnung auffliegen lassen," warf sie ihm wütend vor. "Was bei allen Sternen tust du hier in Ain Séfra, Onkel?"
"Dasselbe könnte ich dich fragen, meine Liebe - um genau zu sein habe ich dir diese Frage sogar bereits gestellt."
"Zum schlechtmöglichsten Zeitpunkt," zischte Aerien.
"Weiß dein Vater, dass du hier bist?" fragte Aglazôr wachsam. "Ich war einige Jahre nicht in Durthang, doch ich vermute nicht, dass sich mein Bruder in meiner Abwesenheit allzu sehr verändert hat." Er musterte Aerien nachdenklich und schien seine Schlüsse zu ziehen. "Du warst schon immer mehr als das brave Mädchen und die anmutige Hofdame, die du zu sein vorgabst, Belkâli(1). Der Name steht dir, wirklich. Du wirst eines Tages noch die Schönheit deiner Mutter übertreffen. Doch unter dieser Fassade lauert ein abenteuerlustiger Geist, wie ich jetzt erkenne. Du bist aus Mordor geflohen, nicht wahr?" Aerien gab keine Antwort, doch ihr Schweigen schien ihrem Onkel zu genügen. "Also ist es wahr. Das erklärt, weshalb vor wenigen Tagen ein Auftrag an mein Ohr drang, nach einer Verräterin in unseren Reihen Ausschau zu halten." Er warf einen raschen Blick auf Beregond, der sich wachsam bereit hielt und abzuwarten schien, wie sich das Gespräch zwischen Aerien und ihrem Onkel entwickeln würde. "Deiner Begleitung nach bist du nach Gondor gegangen. Stehst du jetzt im Dienst der Herren des Westens? Ich hoffe, sie bezahlen dich gut."

Aerien erinnerte sich, dass ihr Onkel in ihrer Familie keinen guten Ruf hatte. Er und sein Sohn Karnûzîr hielten sich nur selten in Mordor auf sondern durchstreiften die weiten Länder im Süden ohne jemals irgendwo einen festen Wohnsitz zu nehmen. Aglazôr hatte bei den Haradrim sogar eine Frau gefunden. Zwar stand er nominell noch immer in Saurons Diensten, doch damit hatte er es schon immer nicht allzu genau genommen. Aglazôr war ein Mann, dessen Loyalität stets käuflich gewesen war - und er verkaufte seine Informationen und seine Fähigkeiten stets an den Meistbietenden.
"Das geht dich nichts an," gab Aerien also zurück und zog den Geldbeutel hervor, den sie von König Músab erhalten hatte. "Hier. Das sollte genügen, um dein Stillschweigen über die Angelegenheit zu wahren. Du hast mich nicht gesehen und du weißt nicht, wo ich bin. Verstanden?"
Aglazôr wog den Beutel einen Augenblick in der Hand, dann öffnete er ihn und ließ einige der Münzen auf den Tisch fallen. Seine Augen weiteten sich ein wenig als er sie genauer untersuchte. "Beeindruckend. Das sind echte kermische Münzen. Du scheinst mächtige Freunde zu haben, Azruphel." Er nickte und steckte das Geld ein. "Also gut. Du hast mein Wort - ich beginne bereits zu vergessen, dich überhaupt getroffen zu haben."
Aerien wusste, dass ihr Onkel sein Wort halten würde. Wenn es eine Konstante in seinem Leben gab, dann war es hartes Geld. Einmal bezahlt galt ein Vertrag bis zu seiner Erfüllung.
"Wo hast du das her?" fragte er neugierig.
"Vom König von Kerma. Er ist auf der Suche nach Informationen darüber, wer seine Mutter ermordet hat. König Músab hat die schwarzen Númenorer im Verdacht. Weißt du etwa etwas darüber?"
Aglazôr deutete ein verschlagenes Lächeln an. "Möglich. Es ist gut zu wissen, dass Músab von Kerma bereit ist, für Informationen gut zu bezahlen. Vielleicht sollte ich ihm einen Besuch abstatten."
"Tu, was du nicht lassen kannst," sagte Aerien gleichgültig.
"Oh, das werde ich, meine Liebe. Ich hoffe, unser nächstes Wiedersehen erfolgt unter... besseren Umständen."
"Wir werden sehen," sagte Aerien. Aglazôr nickte ihr zu und eilte hinaus.

Beregond ließ sich ihr gegenüber am Tisch nieder und setzte eine mitfühlende Miene auf. "Das... hätte besser laufen können," kommentierte er und meinte offensichtlich die Art und Weise, wie Narissa von Aeriens wahrer Herkunft erfahren hatte. Aerien wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte. Ein Teil von ihr hatte sich immer gewünscht, Narissa die Wahrheit sagen zu können, doch ihre Befürchtungen über die Reaktion darauf hatten sich soeben bewahrheitet. Sie hatte den Verlust vermeiden wollen... doch er war durch Pech erzwungen worden."
"Ich weiß nicht, was ich tun soll, Beregond," sagte sie und unterdrückte die Tränen, die in ihr aufstiegen. "Narissa ist fort... für immer."
"Du wirst bestimmt neue Freunde finden," versuchte der Gondorer sie zu trösten.
"Mein Geheimnis wird immer zwischen uns stehen," stellte Aerien traurig fest. "Der Schatten Mordors liegt auf mir. Es war dumm von mir, zu glauben, dass ich ihn abschütteln könnte. Es war dumm, hier her zu kommen. Ich sollte nach Hause zurückkehren... und mich dem Zorn des Gebieters stellen."
"Tu nichts unüberlegtes, Aerien," sagte Beregond mit Sorge in der Stimme. "Du kannst nicht mehr zurück nach Mordor. Man wird dich töten - wenn du überhaupt soweit kommst. Die Waldläufer Ithiliens bewachen die Furten des Poros, schon vergessen?"
"Und noch hast du meinen Vater nicht von deiner Aufrichtigkeit überzeugt," sagte Serelloth, die wie aus dem Boden gewachsen neben Aerien aufgetaucht war.
"Ich nehme an, du hast alles mitangesehen?" fragte Aerien nachdem sie sich von der Überraschung erholt hatte.
"Nein, nur das Ende. Wer ist der Mann, mit dem du gesprochen hast?" wollte Serelloth wissen und setzte ihre Kapuze ab. Verwuschelte Haarsträhnen quollen darunter hervor, und sie warf sie lässig über ihre Schultern.
"Das war mein Onkel, Aglazôr Sandläufer."
"Noch ein schwarzer Númenorer?"
"Nun... er selbst hat einmal gesagt, dass er sich eher als "grau" bezeichnen würde. Aber wenn er eine Farbe haben würde, wäre es eine Mischung aus Silber und Gold. Denn nur dafür lebt er: Geld und Reichtum," erklärte Aerien.
"Und deswegen konntest du sein Schweigen erkaufen," folgerte Serelloth. "Nun, dazu sage ich: Glück im Unglück. Sieh mal, Aerien, es hätte viel schlimmer kommen können. Immerhin weiß keiner in Mordor, dass du hier bist. Narissa war nett, aber auch irgendwie seltsam, findest du nicht? Du hast doch gesehen, was sie mit den Männern gemacht hat, die ihr gestern Abend aufgelauert hatten. Und da war sie sturzbetrunken! Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wozu sie im nüchternen Zustand fähig ist." Aerien wollte widersprechen, doch sie musste zugeben, dass Serelloth zumindest teilweise recht hatte.

Beregond, Aerien und Serelloth verbrachten den Rest des späten Abends damit, im Schankraum des Gasthauses am Tisch zu sitzen und sich zu unterhalten. Aerien war klar, dass die beiden versuchten, sie auf andere Gedanken zu bringen, doch sie ließ es geschehen. Teilweise funktionierte es sogar und sie hörte gespannt zu, wie die Gondorer ihr Geschichten vom verborgenen Widerstand in Ithilien und vom Aufstand in Minas Tirith erzählten. Doch wieder und wieder kam ihr das in den Sinn, was Narissa ihr wütend an den Kopf geworfen hatte: Lass mich in Ruhe. Du kommst aus Mordor. Lass mich in Ruhe.
Endlich wurde es Zeit, ins Bett zu gehen. Aerien konnte es kaum erwarten, durch Schlaf Ruhe in ihren Gedanken zu haben, was ihr glücklicherweise rasch gewährt wurde.



(1) adûnâisch "hübsche junge Frau"
Titel: Die Mission
Beitrag von: Fine am 13. Dez 2016, 21:26
Mitten in der Nacht schreckte Aerien aus dem Schlaf auf. Sie setzte sich ruckartig im Bett auf, schwer atmend. Sie konnte sich nicht erinnern, ob sie einen schlechten Traum gehabt hatte, oder was sie geweckt hatte. Sie spitzte die Ohren und hielt den Atem an: doch da war nichts bis auf die leisen Geräusche der Stadt, die durch das offene Fenster drangen. Sie hörte den regelmäßigen Atem zweier Lebewesen: Beregond, der in dem großen Sessel eingenickt war, und Sedh-heleth - die Katze hatte sich auf einem großen Kissen bei Aeriens Füßen zusammengerollt. Doch irgendetwas stimmte nicht. Aerien konnte geradezu spüren, dass Gefahr in der Luft lag. Langsam und vorsichtig tastete sie nach dem kermischen Dolch, der unter ihrem Kopfkissen lag... doch da legte sich eine Klinge an ihren nackten Hals.
"Sehr gut, Mädchen. Du bist wachsamer, als ich es dir zugetraut habe."
Die Stimme kam Aerien nicht bekannt vor. Sie war weiblich, volltönend und von einer gewissen Tiefe. Aerien wagte nicht, sich zu bewegen, doch ihre Hand verharrte am Griff des Dolches.
"Hab' keine Angst. Ich bin nicht hier, um dir deine hübsche Kehle aufzuschlitzen. Wäre dein Tod mein Ziel gewesen wärst du gar nicht erst aufgewacht. Du entstammst zwar dem Land des großen Feindes meines Ordens... doch du bist kein Feind. Du hast dich abgewandt."
"Wer seid Ihr, und was wollt Ihr von mir?" verlangte Aerien leise zu wissen.
Anstatt einer Antwort nahm Aerien eine Bewegung am Rand ihres Sichtfeldes wahr. Eine hochgewachsene Frau erschien an ihrer Bettseite, ein langes gebogenes Schwert in der Hand, dessen Klinge keinen Millimeter von Aeriens Hals abwich. Die Frau trug weiße Gewänder und schien ungefähr im selben Alter wie Aeriens Mutter zu sein - genau konnte sie es jedoch nicht sagen.
"Ich bin Elyana. Narissa hat dir nichts von mir erzählt, nicht wahr?" Die Frau in Weiß wartete nicht auf eine Antwort Aeriens. Stattdessen fuhr sie fort: "Nein, das hat sie natürlich nicht. Dieses Kind ist unglaublich dickköpfig. Und das hat sie nun erneut in Gefahr gebracht. Sie sollte wirklich lernen, auf mich zu hören."
"Narissa?" wiederholte Aerien verwirrt. "Ich verstehe nicht..."
"Nein, du verstehst nicht, ich weiß. Lass es mich dir erklären, Belkâli. Nun schau mich nicht so überrascht an; ich weiß, wer du bist. Mein Orden wurde deiner gewahr, als du die Grenzen dieses Landes überschritten und Harad betreten hast. Und als du nach Ain Sefra kamst, erkannte ich die wichtige Verbindung, die du zum Kind der Zeit - zu Narissa - haben wirst."
Ehe Aerien eine Frage stellen konnte fuhr Elyana fort: "Belkâli! Bist du bereit, für deine Freundin dein Leben zu riskieren? Willst du ihr beweisen, dass du es ernst gemeint hast als du sagtest, dass euch etwas Besonderes verbindet?"
Aerien blinzelte überrascht. Diese Frau schien wirklich über alles Bescheid zu wissen. Doch sie schob ihre Zweifel für den Moment beiseite und traf ihre Entscheidung. "Ich habe es ernst gemeint, und ich vermute, das wisst Ihr bereits, sonst wärt Ihr nicht hier. Meine Antwort lautet Ja. Ich werde... mein Leben für Narissa riskieren, wenn es sein muss." Als sie die Worte ausgesprochen hatte, dachte sie einen Moment über die schwerwiegende Bedeutung nach, doch Elyana riss sie rasch wieder aus ihren Gedanken.
"Sehr gut - du überraschst mich erneut, Belkâli. Du bist tatsächlich nicht nur äußerlich strahlend, wie dein Name schon sagt. Aber genug davon. Da du entschlossen bist, Narissa zu helfen, werde ich dir erklären, weshalb ich hier bin. Narissa ist in Schwierigkeiten geraten - in große Schwierigkeiten. Sieben Leben gingen verloren um sie zu schützen - alle vergeblich. Sie ist in die Gewalt eines äußerst gefährlichen Mannes geraten. Und du bist die beste Chance, die sie noch hat."
"Was ist mit Euch?" wunderte sich Aerien. "Wenn Ihr wisst, wo Narissa ist, warum befreit Ihr sie nicht selbst?"
"Ich habe noch andere Pflichten, Belkâli. Und ich verbrauchte bereits viel von meiner Kraft bei dem Versuch, Narissa vor ihrem Häscher zu schützen. Ich muss mich wieder erholen, bevor ich ihr erneut zu Hilfe kommen kann. Deswegen brauche ich dich. Du musst sogleich nach Westen reiten, immer der Straße nach Umbar folgend, bis du zu einem Hof kommst, der von einem Zaun umgeben ist. Er besteht aus einem Haupthaus und einer Scheune. Dort musst du Narissas Spur aufnehmen. Ich werde dir alle Hilfe zuteil werden lassen, die ich kann... triff mich, sobald du bereit bist, unten an den Stallungen. In der Zwischenzeit werde ich dafür sorgen, dass dein Pferd die Strecke schnellstmöglichst zurücklegen kann."
Die Klinge verschwand von Aeriens Hals und mit einem Wirbeln ihres weißen Gewandes verschwand Elyana aus Aeriens Sichtfeld.

Aerien atmete tief durch und wog für einen Moment die Möglichkeit ab, dass all dies nur ein Traum sein könnte. Doch sie spürte noch immer eine Kälte an ihrer Kehle, wo Elyanas Klinge so lange geruht hatte. Sie zog sich rasch an und stupste Beregond vorsichtig an. Der Gondorer öffnete ein Auge und sah Aerien müde an. "Was ist los? Du solltest schlafen."
"Ich muss gehen, Beregond. Narissa ist in Gefahr." gab Aerien zurück.
"Du kannst nicht gehen. Was wird Damrod dazu sagen? Du würdest alles Vertrauen verlieren, das du bisher aufgebaut hast."
"Ich muss," beharrte Aerien. "Wenn ich Narissa retten kann ist es mir das Vertrauen der Waldläufer wert. Außerdem wird Serelloth für mich bürgen. Sie kann ihren Vater daovn überzeugen, dass ich keine Bedrohung darstelle."
Beregond blickte ihr zweifelnd in die Augen. "Ich verstehe nicht, warum du mitten in der Nacht aufbrechen musst. Das klingt, ehrlich gesagt, ziemlich nach einer dunklen Angelegenheit deiner Verwandten. Es klingt nach Mordor."
Aerien wand sich. "Es ist mir bewusst, wie sich das anhören muss, Beregond. Ich wünschte, die Umstände wären anders. Aber ich habe gerade erst erfahren, dass Narissa in Schwierigkeiten steckt, und habe keine Zeit mehr zu verlieren, wenn ich sie retten will. Ich werde.... ich werde dich irgendwie wiederfinden, wenn ich bei meiner Mission Erfolg hatte. Und dir dann alles erklären."
"Aerien. Ich vertraue dir. Aber ich kann nicht versprechen, dass Damrod das auch tun wird," sagte Beregond und legte ihr die Hände auf die Schultern. "Wenn du gehen musst, dann geh mit meinen besten Wünschen. Ich hoffe, du weißt, was du tust, Aerien."
Sie nickte. Aerien konnte erkennen, dass sie Beregond in der kurzen Zeit, in der sie sich kannten, auf eine gewisse Art und Weise ans Herz gewachsen war; und sie stellte selbst ebenfalls fest, dass der Gondorer ein guter Freund für sie geworden war; ein Gefährte, den sie nur ungern zurückließ. Doch Beregond hatte Verpflichtungen, denen er nicht einfach entsagen konnte.
"Pass auf dich auf, Beregond," sagte sie.
"Und du auf dich, Aerien Bereneth."

Sie schulterte ihre Habseligkeiten und eilte zum Stall, wo Elyana bereits auf sie wartete.
"Da bist du ja, Belkâli. Ich sehe, dass du noch immer Fragen hast. Doch das wird warten müssen," sagte sie. "Wenn die Zeit reif ist, werde ich dir alles erklären, wenn es Narissa nicht selbst tun wird. Ich habe meinen Orden alarmiert, du wirst also nicht allein sein. Doch du bist jetzt die beste Hoffnung für das Kind der Zeit. Weiche nicht vom Weg ab und zögere nicht!"
Aerien saß auf und Elyana trat ein letztes Mal neben sie. "Der Segen der Schwestern begleitet dich, mutiges Mädchen. Geh nun, und ergreife dein Schicksal. Wir werden uns wiedersehen." Damit wandte die geheinmisvolle Frau in Weiß sich ab und verschwand.
"Jetzt sind nur noch wir beide übrig, nicht wahr?" sagte Aerien zu dem Pferd, das sie den ganzen Weg von Ithilien aus begleitet hatte. Sie verstand nicht genug von Pferden um zu wissen, ob es ein Hengst oder eine Stute war, also beschloss sie, das Tier Karab(1) zu taufen, was "Ross" in ihrer Muttersprache, dem Adûnâischen, bedeutete.
"Auf geht's!" flüsterte sie Karab zu, und preschte in westlicher Richtung davon.


Aerien von Ain Séfra aus nach Westen (http://modding-union.com/index.php/topic,34198.msg450538.html#msg450538)



(1) adûnâisch "Pferd, Ross, Reittier"
Titel: Ein Geheimnisvoller Besucher
Beitrag von: Melkor. am 13. Dez 2016, 21:41
Nachdem Músab seine Gäste verabschiedet hatte, betrat er wieder seine Residenz. Mit einem einfachen "Hmm" sank er langsam auf dem Stuhl in seinem Arbeitszimmer. Dort hatte sein Berater bereits einige Papiere und Briefe abgelegt, die noch eine Unterschrift von ihm benötigten. Anträge über Steuersenkungen, Truppenverschiebungen und auch politische Aktivitäten wurde in den Briefen gestellt.  Nachdem er die ersten Unterschriften auf das Papier gesetzt hatte, wurde er von einen kurzen Klopfen an der Tür gestört.
"Herein" sagte Músab, der sich jedoch nicht von den Staatsangelegenheiten ablenken ließ.
"Wie war das Gespräch mit deinen Gästen?" fragte Alára, lehnte sich mit verschränkten Armen an die helle Wand und versuchte, einige Blicke über Músabs Kopf hinweg zu erhaschen.
Músab drehte sich zu seinem Bruder und sagte: "Leider konnte ich nicht mehr herausfinden. Trotzdem denke ich, das Mädchen, Aerien, verheimlicht uns noch etwas..." sagte er zu Alára.
"Meinst du?" überlegte dieser.
Músab zögerte und wandte sich wieder den Papieren zu. "Sie war vorhin öfters angespannt, das könnte aber auch an deinem grobes Verhalten liegen." sagte er mit einem Grinsen. Alára lachte eher weniger und berichtete davon, dass Tamal noch immer im Kartenraum auf ihn warten würde.
Músab nickte bekräftigend. "Der Mörder von Mutter wird mit Blut bezahlen, das schwöre ich!" sagte er zu Alára und reichte ihm die Hand. Dieser schlug sofort ein und gab zu verstehen dass er ebenso dachte.

Músab betrat den Kartenraum und fand dort Tamal, Gatisen und Silko bei einer Unterhaltung vor. Als Músab dazu trat, unterbrachen sie das Gespräch.
"Tut mir leid, mein Sohn. Ich habe dich ganz vergessen," entschuldigte Músab sich für seine Verspätung. Tamal nahm die Entschuldigung an und begann über das Treffen mit den verschiedenen Fürsten zu sprechen."Sa'amun von Ta-Mehu hat zugesagt, das alte Bündnis wieder zu schließen. Er bittet jedoch darum,  dass du persönlich zur Unterzeichnung kommst. Dihya war jedoch nicht anzutreffen ... " berichtete Tamal. "Gut - was ist mit den Reichen von Yamama und Najran? Werden sie uns im Kampf gegen die Ashaj unterstützen?" fragte Músab erwartungsvoll.
"Nein. Bislang haben sie kein Interesse an einem Bündnis - vielleicht solltest du selbst nochmal mit ihnen reden. "sagte Gatisen, der gerade einige alte Karten anschaute. Nachdem sie einige Augenblicke über die diplomatischen Angelegenheiten sich unterhielten platzte Alára in den Raum herein.
"Músab, ein Mann bittet um eine Audienz bei dir."
Músab schaute verwundert drein. "Jetzt noch? Sagt ihm, wir werden ihn morgen gerne empfangen." antwortete er und wandte sich wieder den Gespräch zu.
"Músab, er sagte er hätte eventuell wichtige Informationen über den Mörder von Mutter," erklärte Alára. Músab ,der nun hellhörig wurde, entschuldigte sich bei seinem Sohn und seinen Neffen und folgte Alára in den Audienzsaal.

Dort trafen sie einen Mann, der in einem schwarzen Umhang gehüllt war. Die vier Leibwächter Músabs hatten ihre Waffen bereits geschultert, sollte er auf dumme Gedanken kommen.
"Wer seid ihr und was wollt ihr hier?" fragte Músab mit gewisser Vorsicht in der Stimme.
"Ich bin Aglazôr, ein Abenteurer, der von dem schändlichen Überfall auf Euch gehört hat. Vielleicht habe ich einige Informationen für Euch - gegen gute Bezahlung versteht sich." sagte der Fremde. Nachdem Alára den Sachverhalt erklärte begann Aglazôr wieder: "Nun, ich denke ich habe durchaus interessante Informationen für euch, jedoch muss die Bezahlung stimmen." sagte er mit einen zweifelhaften Lächeln.
"Also gut - welche Informationen habt Ihr über den Mörder unserer Mutter?" fragte Músab, der neben Alára stand und seine Arme verschränkt hatte. Músab warf einen kleinen Beutel Münzen zu Aglazôr hinüber, der ihn geschickt auffing. "Den Rest gibt es, wenn du uns mehr Details erzählt hast!"
Als der Fremde seinen Mantel öffnete um den neuen Beutel zu verstauen fiel Músab der Geldbeutel auf, den er erst vor kurzen Aerien Bereneth geschenkt hatte. Mit einem Wink zogen die Wachen ihre Waffen und umkreisten Aglazôr.
"Woher habt Ihr diese Münzen?" Aglazôr hob langsam seine Hände" Von meiner Nichte... Azruphel Belkâli von Haus Balákar."
Titel: Auf des Mörders Spur
Beitrag von: Melkor. am 17. Dez 2016, 19:23
Beim Wort Balákar wurden Músab und Alára hellhörig.
"Ihr stammt aus dem Haus Balákar?" fragte Alára verwundert. "Dann seid Ihr... Ihr seid einer der schwarzen Numenorer!" Die Wachen traten einen Schritt näher an Aglazôr, die Waffen immer noch auf ihn gerichtet. Dieser schien jedoch nicht eingeschüchtert zu sein, sondern begann, nun ganz genau über seine Herkunf zu berichtent: über seinen Bruder Varakhôr, aber auch über seinen Vater und dessen Schwester.
"Meine Tante Belazîl verschwand eines Tages spurlos, seitdem habe ich sie zu meinem großen Bedauern nie mehr gesehen," sagte der Mann aus Mordor.
Mit einem Wink befahl Músab den Wachen, sich zurückzuziehen. Obwohl der König von Kerma sich unsicher war, ob es eine gute Entscheidung war, erklärte er Aglazôr, dass Belazîl die Mutter von ihm und Alára gewesen war.
"Dann ist sie...  also tot?" fragte Aglazôr ungläubig.
Músab nickte schwer betroffen. "Was wisst Ihr über den Mörder?" wollte der König wissen. "Jede Information könnte uns helfen, ihn aufzuspüren."
Nachdem Aglazôr über einen schwarzen Numenorer in Qafsah berichtete, der mit dem von Músab beschriebenen Täter fast identisch war, hatten sie nun einen neuen, wichtigen Anhaltspunkt gefunden.
"Eure Nichte Azruphel, von der ihr diesen Beutel habt; ist sie noch in der Stadt?" wollte Músab neugierig wissen.
"Ja, ich fand sie in ihrer Herberge vor, in Begleitung einer Frau und eines Mannes," bestätigte Aglazôr.
"Aerien Bereneth!" sagte Músab, der kurz in Gedanken versunken war. 
Aglazôr nickte bestätigend. "Zumindest hat der Mann sie so genannt."
Músab bedankte sich bei Aglazôr für die Informationen und warf ihm einen weiteren Beutel rüber. Aglazôr verstaute den Beutel neben dem anderen, bedankte sich und bot weitere Dienste an. Schließlich verließ er die Residenz.

Auf Befehl Músabs ging eine kleine Gruppe der Wache zur Herberge wo Aerien vermutet wurde. Alára selbst führte den Trupp an. Als sie die Herberge erreichten entdeckten sie den Gondorer namens Beregond, der alleine in der Schänke unter den Zimmern saß.
Alára und zwei Männer betraten die Schänke, der Rest verteilte sich um das Haus herum, falls jemand Versuch zu flüchten unternehmen sollte.
"Seid ihr Beregond von Gondor?" fragte Alára den Mann, der soeben seinen Becher anhob.
Beregond blickte ihn misstrauisch an. "Wer will das wissen?"
"König Músab von Kerma," erklärte Alára. "Er hat einige Fragen an Aerien - oder sollte ich lieber Azruphel sagen?"
Der Gondorer zog eine Augenbraue nach oben. "Aha. Ich verstehe. Aeriens Onkel hat eurem König offenbar einen Besuch abgestattet. Also gut. Es besteht kein Grund, grob zu werden. Am besten gehe ich zu König Músab und erkläre ihm alles. Aber wisst, dass Aerien jetzt ein Feind Mordors ist."

Als die Männer die Residenz erreichten hatten, erklärte Beregond Músab, dass Aerien die Stadt bereits verlassen hatte. "Euer Majestät, Ihr solltet eines über Aerien Bereneth wissen," setzte er an, doch Músab unterbrach ihn scharf.
"Ihr meint wohl Azruphel von den schwarzen Númenorern,[/i]."
Beregond verzog das Gesicht, doch er versuchte erneut, Músab zu beschwichtigen. "Sie hat mit Mordor und ihrer Vergangenheit gebrochen. Es besteht kein Grund..."
"Sie hat mich getäuscht, das ist Grund genug," beendete Músab die Diskussion. "Ich danke Euch für Eure Offenheit, Beregond, Baranors Sohn, doch für heute habt Ihr genug gesagt."
"Bevor ihr geht hätte ich noch eine Bitte an Euch," sagte Músab zu dem Gondorer. "Ihr könnt besser und schneller nach Gondor gelangen als meine Wenigkeit, darum bitte ich Euch um Folgendes: Gebt diesen Brief von mir eurem Vorgesetzten," bat Músab und erwartete eine Antwort von Beregond. Nach einem Augenblick des Nachdenkens nickte dieser zögerlich und nahm den Brief entgegen.
Nachdem Músab und Alára Beregond zum Tor der Residenz begleitet und dort dankbar verabschiedet hatten schickte Músab vier seiner loyalsten Männer auf die Suche nach Aerien.
"Findet sie und bringt sie zu mir, aber unversehrt!" schärfte er ihnen ein. Mit diesen Worten brach die Gruppe von vier Männern in die Nacht hinein auf.
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: kolibri8 am 15. Jan 2017, 21:16
Nach dem Majles begab sich Qúsay wieder in Marwans Palas und empfing noch den restlichen Tag lang Einwohner und Gäste der Stadt, die dem neuen Großkönig huldigen wollten.

Am späten Abend des darauf folgenden Tages traf sich Qúsay mit Marwan und einigen seiner Hauptmänner, um über den bevorstehenden Krieg zu beraten. Sie standen in einem Kartenraum im Westflügel des Palas und eine kühle Prise zog durch den Raum, da alle Fenster und Türen offen standen.

„Nun, wie viele Männer werden wir in Ain Sefra mustern können ein schließlich der Sklaven, die sich freiwillig meldeten?“, fragte Qúsay.
„Fünfhundert Mann, vielleicht sogar Eintausend, Herr“, antwortete einer der Hauptmänner, je nachdem wie viele der hier gehaltenen Sklaven und der übrigen Einwohner bereit sind zu kämpfen.“
„Dann haben wir hier also knapp fünftausend Krieger hier versammelt“, fasste Qúsay zusammen. „Wie viele werden bis Ende der Woche hier sein?“

„Vielleicht etwa dreitausend weitere Krieger“, antwortete Marwan. „Hängt davon ab, wie schnell die Meldereiter unserer Fürsten sind.“
„Achttausend also“, erwiderte Qúsay nickend, „Gut. Wenn die Männer gemustert und ausgerüstet sind, werden wir das Heer teilen“, dann wandte er sich an Marwan, „Du wirst die eine Hälfte nehmen und nach Osten ziehen. Versammle die Heere der dortigen Stämme und sichere die Grenze nach Eryan und Khand. Ich werde die andere Hälfte nach Westen führen und versuchen Umbar von Quafsah abzutrennen, Mich dann im Süden mit den Heeren der Kinahhu, Ugaritern, Tamazikhen und den Königreichen im Süden zu vereinen und Umbar einzunehmen. Wenn uns die Götter hold sind, werden wir uns dann vor Quafsah wieder sehen.“

„Umbar wird schwer einzunehmen zu sein“, wandte Marwan nachdenklich ein, „und wenn der Hafen nicht ebenfalls blockiert wird, kann eine Belagerung Jahre dauern.“
„Das stimmt, wir müssen sichergehen, dass die Flotte der Kinahhu jener Umbars gewachsen ist.“ Bei diesen Worten kramte Qúsay eine Schriftrolle hervor und legte sie auf den vor Tisch. Der Text war in einer fremden Schrift und Sprache gehalten, doch die gezeichneten Miniaturen zeigten einer deutliche Sprache, wie Feuerstrahl von einem Schiff auf ein anderes überging.
„Diesen Text habe ich vor Jahren aus der fürstlichen Bibliothek von Umbar mitgehen lassen. Das ist die alte Schrift und Sprache der Númenorer, die ich leider nicht imstande bin zu lesen“, erklärte Qúsay, fügte aber bestimmt hinzu: „Aber, wenn ich die Bilder richtig deute, behandelt dieser Text die Herstellung und Verwendung von Seefeuer. Und außerdem, wie man Maschinen baut um es auf Schiffen und an Land zu benutzen. Mit diesem Wissen könnten wir die umbarische Flotte zerstören.“

„Nun gut Qúsay, selbst wenn es so ist, wie du sagst“, sprach Marwan zweifelnd, „dies bringt uns wenig, wenn wir nicht lesen können, was dort steht.“
„Dann brauchen wir einen Dunklen Númenorer, der uns dies übersetzt“, antwortete Qúsay.

Sie wurden durch einen Krieger unterbrochen, der an die offen stehende Tür klopfte. Qúsay winkte ihn herein und bat ihn zu sprechen. „Meine Herren“, sagte dieser mit einer leichten Verbeugung, „die ersten Berichte unserer Späher sind eingetroffen.“ Dabei reichte er Marwan einige Papyri, die dieser annahm und sofort eindringlich studierte. Kurz darauf ließ er ein verärgertes Seufzen hören. „Ein Söldnerheer der Toquz zieht einige Meilen südwestlich von hier in Richtung Quafsah.“
„Wie viele Krieger?“, fragte Qúsay besorgt. „Fünftausend, alle auf Pferden wie es scheint“, antwortete Marwan.
Qùsay ließ beunruhigt Luft aus seinem Mund entweichen. „Wenn dazu auch nur die Hälfte von Súladans Heer stößt, sind wir selbst mit Achttausend deutlich in der Unterzahl, und wenn sie alle beritten sind, werden wir sie nicht abfangen können, bevor sie Quafsah erreichen“, überlegte Qúsay laut, „gibt es auch gute Nachrichten?“ „Nur bedingt“, antwortete Marwan und laß von einem weiteren Papyrus. „Eine karlukische Sklavenkarawane aus Khand, wird wohl in zwei Tagen hier ankommen. Sie scheinen wohl einige hundert Sklaven aus dem Norden mit sich zu führen.“
„Gut, wenn sie ankommen, werden wir diese Sklaven alle aufkaufen. Das werden wir mit jedem Sklavenhändler, der hier in den kommenden Tagen einkehrt, machen. Dann rüsten wir diese Sklaven aus und setzten sie als Ghilmanen ein, falls sie nicht freiwillig kämpfen wollen. Besser als nichts“, schloss Qúsay und sah nach draußen. Es wurde merklich dunkler. „Nun denn, wir werden morgen mit den Fürsten im Thronsaal beraten. Für heute sei es genug.“

Mit diesen Worten verabschiedete Qúsay seine Hauptmänner und wünschte ihnen, „Gute Nacht“ und ging dann selbst schlafen.
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: kolibri8 am 22. Jan 2017, 17:39
Am nächsten Tag begab sich Qúsay zum Thronsaal, denn dort sollte der Kriegsrat abgehalten werden. Alle Fürsten des neuen Reiches waren dem Aufruf gefolgt und füllten langsam die Reihen an den Seiten des Thronsaals, während Qúsay selbst auf dem Thron Platz nahm. Als die Reihen gefüllt waren erhob sich Qúsay und begann zu sprechen: „Willkommen, werte Fürsten. Die Stunde des Kampfes rückt näher. Unsere Späher haben gestern ein Heer der Toquz gesichtet, das auf dem Weg nach Quafsah ist. Wie die meisten von euch wissen, bezahlt Súladan schon seit langer Zeit Söldner aus Khand um für ihn zu kämpfen und seine Armee zu vergrößern. Unsere Späher gehen, davon aus, dass sein Heer bereits in fünf Tagen Aín Sefra erreichen kann. Das heißt wir müssen dann bereit sein, sie gebürtig zu empfangen.“
„Suladans Hunde werde ich liebend gern mit meiner Klinge begrüßen“, kam es von Madher aus der Reihe der Fürsten zu Qúsays Linken, gefolgt von einem Lachen, das Reihum ging.
„Daran habe ich keinen Zweifel, Madher!“, erwiderte Marwan, der in den Reihen zu Qúsays Rechten saß, und mahnte dann: „Suladans Heer hat zwar in Gondor herbe Verluste hinnehmen müssen, dennoch sollten wir ihn nicht unterschätzen. Súladans Land um den Harduin kann eine große Bevölkerung und damit eine große Armee versorgen und er kann damit viele Söldner bezahlen.“
„Das sind keine guten Nachrichten“, sagte Músab bedacht. „Welche Pläne habt ihr bislang gemacht?“
„Nun, wir werden so viele Männer bewaffnen wir möglich, und die Verteidigungsanlagen der Stadt ausbessern und verstärken, das ist alles, was wir derzeit tun können. Wenn wir genaueres über die Zusammensetzung des feindlichen Heeres wissen, können wir erst konkrete Schritte einleiten“, antwortete Qúsay.

Gemurmel ging durch die Reihen. „Bleibt Ruhig!“, erbat Qúsay mit gebieterischer Stimme und sofort wurde es wieder still, „als wir uns vor dem Krieg trafen und diese Verschwörung, ja diese Rebellion beschlossen, wussten wir, dass es nicht einfach werden würde. Súladan und Hasael zusammen haben das größte Heer und die größte Flotte Harads. Die Zahlen sprechen gegen uns. Doch wann haben wir uns schon allein auf die Zahlen verlassen? Súladans Hauptleute haben den militärischen Verstand von Ziegen.  Sie können keinen Pfeil von einer Lanze unterscheiden. Ich sage euch dass unsere Feinde ungeachtet ihrer Zahl vor unseren Klingen sein werden wie Schafe, die zur Schlachtbank geführt wurden. Wenn Súladans Heer hier ankommt werden wir sie schlagen.“

Ein Johlen und Applaudieren ging von den Reihen aus, während einige riefen „Gut gesprochen!“ Als sich die Fürsten wieder beruhigt hatten ergriff Ahaziah das Wort: „Nun, da ihr es selbst angesprochen habt, wie gedenkt ihr gegen die Flotte Umbars vorzugehen? Selbst wenn wir all unsere Handelsschiffe zu Kriegsschiffen umrüsten, könnten wir niemals die Schlagkraft aufbringen um die Flotte Umbars zu besiegen. Aber ihr habt einen Bund mit Gondor geschlossen, heißt es, und deren Schiffen wäre denen Umbars gewachsen. Werden wir von Gondor in dieser Hinsicht Hilfe erwarten können?“

„Unser Vertrag sieht gegenseitige Unterstützung vor, doch weiß ich nicht ob und wie viele Schiffe Gondor uns schicken kann“, erklärte Qúsay, „doch gibt es einen Weg, dass wir gegenüber den Umbarischen Schiffen einen Vorteil erhalten.“ Wieder zog Qúsay das Pergament, dass er bereits am Vortag seinen Hauptleuten und Marwan gezeigt hatte hervor. „Dieser Text ist in der alten Sprache der Númenorer geschrieben, einer Sprache, die heute nur noch von wenigen gesprochen wird, vor allem aber von denen, die als Dunkle Númenor bezeichnet werden. Die Miniaturen auf diesem Pergament zeigen eindeutig die Verwendung von Seefeuer. Wenn wir diese alte Technik meistern könnten, hat die Flotte Umbars keine Möglichkeit uns zu widerstehen. Wir brauchen nur jemanden, der uns den Text übersetzt.“
"Ich könnte dort Abhilfe schaffen" meldete sich Músab erneut zu Wort
Qúsay sah den Kermer verwundert an, „Wie das?“, fragte er schließlich.
Músab warf ihm einen schwer zu deutenden Blick zu. "Ich habe viele Fertigkeiten, von denen Ihr noch nichts wisst, Malik."
„In Ordnung“, sagte Qúsay, ging zu Músab und reichte ihm das Pergament, „übersetzt den Text und teilt eure Erkenntnisse den Kinahhu mit.“
Nachdem Músab das Pergament entgegengenommen hatte kehrte Qúsay zu seinem Thron zurück und erklärte den Kriegrat an diesem Tag für beendet.
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: kolibri8 am 28. Feb 2017, 15:47
Am nächsten Tag kam, wie von Marwan vorausgesagt, eine Sklavenkarawane in der Stadt an. Die etwa zweihundert Wachen und Krieger der Karluken führten und bewachten etwa eintausend Sklaven, Frauen und Männer, die meisten im Alter zwischen 16 und 30 Jahren und zumeist aus den Norden, Thal, Dorwinion und Rhûn mit sich.
Auf dem Marktplatz trat Qúsay, in Begleitung von Marwan und einigen Kriegern, dem Sklavenhändler entgegen. Dieser war etwas kleiner als Qúsay, seine Haut war von der Sonne braun gebrannt und faltig und die Augen wie bei den meisten Menschen Khands zu Schlitzen verengt. Sein Haar war schwarz, an einigen Stellen jedoch schon grau. Als er Qúsay erblickte verbeugte er sich und sprach: „Oh eure Hoheit, wie kann euch der ehrliche Berke zu diensten sein?“
„Nach königlichem Erlass habt ihr dem Malik Qúsay bin Nazir all eure Sklaven zu übereignen“, antwortete Marwan, woraufhin der Händler irritiert drein blickte. „Ihr werdet natürlich angemessen entschädigt: Zwanzig Schekel Silber für einen jeden eurer Sklaven.“
„Zwanzig Schekel?“, stieß Berke erschreckt hervor, „diese Sklaven sind erstklassige Ware. In Gortharia habe ich einhundert Schekel bezahlt, und die sind gut das fünffache Wert.“
„Ihr werdet die zwanzig Schekel akzeptieren“, sagte nun Qúsay, und fuhr mit drohender Stimme fort, „andernfalls werden wir eure Waren beschlagnahmen und ihr seht gar kein Geld.“
„Oh, na ja, wenn das so ist. Nun zwanzig Schekel sind ein doch ein billiger Preis, nicht wahr?“, lenkte Berke in einem entschuldigenden Ton ein, „ich akzeptiere euer Angebot.“

Marwan gab seinen Männern ein Zeichen und diese begannen die Sklaven zum Palas zu führen, während einige andere Truhen mit Silber herbeischafften, die zwanzigtausend Silbermünzen oder etwa fünf Talente an Silber insgesamt enthielten. Berke wog das Silber ab und bedankte sich bei Marwan mit einem Handschlag und einem falschen Lächeln.

Zurück im Palas ließ Qúsay die neuerworbenen männlichen Sklaven im Hof versammeln.
„Ich habe euch hier versammeln lassen“, begann Qúsay in der gemeinen Sprache, „weil ich euch vor die Wahl stellen will.“
„Was für eine Wahl sollen wir denn schon haben, Südländer“, erklang es zornig aus der Gruppe und ein rothaariger Mann, von etwa 30 Jahren trat vor, „wir sind eure Sklaven und dazu verdammt euch auf ewig zu dienen, zu eurer Freude und zu der Saurons.“
„Ihr verkennt da meine Absicht, Nordmann“, erwiderte Qúsay, „die Haradrim, die mir folgen sind nicht länger die Diener Saurons, sondern seine Feinde. Und für diesen Krieg, den wir gegen Sauron führen benötigen wir jeden Mann, der fähig ist zu kämpfen. Die Wahl vor die ich euch stelle ist die, ob ihr für mich als freie Mannen oder als Sklaven kämpfen werden.“
Ein Gemurmel ging durch die Reihen und die Sklaven fingen an untereinander zu diskutieren.
Der Rothaarige, schien jedoch wenig beeindruckt und rief erneut: „Dies ändert nichts, ich für meinen Teil sterbe lieber sofort als für einen Haradrim mein Blut zu geben.“

„Dann gebt euer Blut für mich“, sagte plötzlich eine weibliche Stimme zu Qúsays Linken, und alle Anwesenden blickten dorthin. Thjodbjörg hatte den Hof betreten und die meisten der Sklaven sahen äußerst erstaunt darüber aus. „Thjodbjorg Thjodriks Tochter bin ich, König Brands Schwesterstochter, und Königin der Haradrim“, fuhr sie fort, „wenn ihr nicht einem Haradrim dienen wollt, dann dient stattdessen mir als Huskarl und Vaeringjar.“
Während sie sprach ging sie zu Qúsay herüber und nahm seine Hand. Der rothaarige Mann starrte sie noch für einen Moment verdutzt an, fiel dann auf die Knie, senkte sein Haupt und murmelte: „Meine Herrin.“
„Wie ist dein Name, Nordmann?“`, fragte Qúsay ihn.
„Sigurd Sigmundssohn“, antwortete dieser.
„Erhebe dich, Sigurd“, bat ihn Thjodbjörg, und sprach dann zur versammelten Menge: „Seit ihr bereit einen Eid zu leisten, mir – und meinem Mann – zu dienen, und uns mit eurem Leben zu verteidigen?“
Es dauerte einen Moment, bis sich der erste dazu durchrang, zu schwören, sobald aber der erste seinen Eid abgelegt hatte folgten ihm bald weitere und schließlich hatten alle Anwesenden sich als Gefolgsmänner vereidigt.

Qúsay wies Dirar an, die neuen Krieger mit Rüstung und Waffen auszurüsten und verließ mit Thjodbjörg den Hof.

„Danke“, sagte Qúsay als die beiden durch die Flure des Palas gingen, „aber, ein paar der Wörter die du benutzt hast sind mir nicht bekannt: Was sind Huskarle?“
„Huskarle, so bezeichnen wir in Thal die Leibwache des Königs, wenn du so willst, habe ich dir zu einer Leibwache verholfen“, erklärte Thjodbjörg mit einem Lächeln.

„Du hast mit nie gesagt, dass du mit dem König von Thal verwandt bist“, fragte er wieder, kurz bevor sie ihr Quartier erreichten.
„Du hast nie gefragt“, erwiderte Thjodbjörg neckisch, schritt durch die Tür und zog Qúsay hinter sich her.
Titel: Seefeuer
Beitrag von: Melkor. am 9. Mär 2017, 21:56
Nachdem Qúsay den Kriegrat beendet hatte, verstaute Músab das Pergament sicher unter seiner Kleidung. Gefolgt von seinem Neffen Gatisen sowie seinen Schwager, Wa'aran Haywat und zwei weiteren Leibwächtern, folgte er dem Weg zurück zu seiner königlichen Residenz.
Als sie das weitläufige Haus betraten, wehte ihnen der Duft vom Abendessen, aus der Küche kommend, um die Nase. Zwischen Músab und Wa'aran herrschte eine große Freundschaft, die seit fast fünfundzwanzig Jahren bestand. Nach einem kurzen Gespräch mit seinem Schwager wandte sich Músab zu sich zu Gatisen um.
"Such bitte deinen Vater, ich habe einiges mit ihm zu besprechen," sagte der König von Kerma eindringlich. "Er soll in mein Arbeitszimmer kommen," bat Músab seinen Neffen.
Mit einem Nicken machte Gatisen sich auf die Suche. Nachdem Músab noch kurz mit Haywat gesprochen hatte verabschiedete er sich und begab sich in sein Zimmer.
Das königliche Zimmer wurde seit der Regentschaft Músabs immer mehr zur einer kleinen Bibliothek. Der Qore erweiterte mit großem Elan sein Wissen über die Kulturen anderer Völker, aber auch über die Geschichte seines eigenen Reiches. Auf seinem Schreibtisch lag immer noch ein großer Haufen Papierkram, den er von zuhause mit genommen hatte. Nachdem er den Stapel auf einen Beistelltisch legte, entrollte er das Pergament das ihm der Malik mitgegeben hatte.
Nachdem Músab mehrmals die Anleitung durchgelesen hatte, nahm er seine Feder und ein leeres Blatt Papier. Stirnerunzelnd begann er mit der Übersetzung des Textes. Dank seiner Mutter konnte er mit Leichtigkeit den Text übersetzen. Er hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Mord an seiner Mutter zu rächen. Schließlich hatte er die Rezeptur für Seefeuer entschlüsselt.
Öl, Salpeter, Schwefel und Harz... Bevor Músab die letzten Zeilen übersetzten konnte, betrat sein Bruder Alára sein Arbeitszimmer. Dieser setzte sich in die hintere Ecke, neben dem Schreibtisch. Músab schaute ihm mehrmals prüfend an.
"Malik Qúsay bat mich dieses Pergament zu übersetzen, dort wird über das Geheimnis einer mächtigen Waffe für den Seekampf berichtet - Seefeuer." sagte er zu Alára, der ihn fragend ansah.
"Und das soll funktionieren?" fragte Alára skeptisch.
"Wenn es funktioniert, hätte das Malikat eine Chance gegen die feindliche Flotte." beantwortete Músab seine Frage. "Ich habe bereits eine zweite Abschrift fertiggestellt. Er reichte sie seinem Bruder. "So haben wir deutlich bessere Aussichten gegen die Piraten im Kermischen Golf."
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: kolibri8 am 15. Apr 2017, 20:07
Drei Tage waren seit dem Aufstellen von Qúsays neuer Leibwache vergangen. Qúsay übersah gerade das Training seiner Gardisten, als wieder Botschaften der Späher eintrafen: Das Toquzheer hatte sich mit einem Heer aus Quafsah vereint und war auf dem Weg nach Aín Sefra. Der Geschwindigkeit des Heeres nach zu urteilen, würden sie morgen die Ebenen vor Aín Sefra erreichen.

„Dirar“, rief Qúsay, worauf der Gerufene fragend antwortete: „Ja, Qúsay?“
„Lass die Fürsten und Hauptleute benachrichtigen. Sie sollen sich bereithalten: Der Feind wird morgen hier eintreffen. Sie sollen sich morgen früh beim ersten Sonnenstrahl im Thronsaal versammeln. Ach, und Dirar, lass die Kamele im Ort zählen.“
Dirar nickte und verließ, um Qúsays Befehle weiterzugeben, den Hof.
Nachdem Dirar gegangen war rief Qúsay den neuen Hauptmann seiner Leibwache, Haskuld zu sich. Haskuld war ein älterer Mann um die 50 und ein erfahrener und gestandener Krieger und hatte als solcher schon dem König von Thal als Huskarl gedient. Nachdem er Thjodbjörg erkannt hatte war er der erste gewesen, der sich auf Qúsay hatte einschwören lassen.
„Ihr wünscht, mein Herr?“
„Ich habe Nachricht erhalten, dass der Feind morgen eintreffen wird. Sind die Männer bereit eine Schlacht zu schlagen?“ fragte Qúsay Haskuld, der kurz nachdachte und die Männer noch einmal gezielt in Augenschein nahm.
„Sie werden es morgen bereit sein, Herr“, sagte er schließlich zuversichtlich, „Saurons Diener werden unsere Äxte zu fürchten lernen, das versichere ich euch.“
„In Ordnung, ich verlasse mich auf euch.“

Tag und Nacht vergingen und früh am Morgen, noch vor Sonnenaufgang, stand Qúsay bereits wieder auf.
Er ging noch einmal die Berichte der Späher durch und inspizierte dann in der Dämmerung die Verteidigungsanlagen der Stadt.
Als schließlich die Sonne über den Horizont lugte, kehrte er zum Palast zurück und erwartete die zusammengerufenen Fürsten und Feldherrn.

Nachdem diese sich endlich versammelt hatten, richtete Qúsay das Wort an sie: „Werte Fürsten und Mitglieder dieses Rates, der Tag der Entscheidung ist gekommen, der Feind ist nicht mehr fern. Und sobald er diese Stadt erreicht hat werden wir ihn wieder in die Wüste zurück jagen!“
Applaus kam aus den Rängen der Fürsten doch Qúsay fuhr fort: „Unsere berittenen wie unberittenen Krieger werden vor der Stadt Stellung beziehen, während unsere Bogenschützen die Mauern bemannen. Von dort können sie den Feind von einer geschützten Position aus angreifen. Den Berichten unserer Späher zufolge besteht die gesamte gegnerische Reiterei aus den in den letzten Tagen beobachteten Toquz. Ferner führt die feindliche Armee nur Maultiere und Pferde als Lasttiere mit sich. Ich habe daher beschlossen, dass wir unsere Reiter, statt auf Pferden auf Kamelen kämpfen zu lassen. Unsere Kamelreiter werden den Auftrag haben die feindlichen Reiter zu verjagen und den Feind dann von hinten in die Mangel zu nehmen. Während dessen sollten unsere Fußtruppen versuchen den Feind zu flankieren, sodass wir ihn bei Rückkehr der Kamelreiter eingekreist haben. Ich selbst werde das Zentrum befehligen. Marwan und Harith, ihr werdet Überbefehl über den linken Flügel haben. Músab, ihr und Wa’aran Haywat werdet den rechten Flügel befehligen. Abdallat euch unterstehen die Kamelreiter zu unserer Linken und euch, Sa'amun, die Kamelreiter zu unserer Rechten. Den übrigen Fürsten steht es frei als Feldwebel ihre Krieger innerhalb der Flügel zu befehligen oder sich den Reitern als Krieger anzuschließen. Gebt dies an die Eurigen weiter. In einer Stunde werden wir vor der Stadt Stellung beziehen!“
Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: kolibri8 am 28. Apr 2017, 20:21
Eine Stunde war vergangen. Das vereinte Heer hatte sich auf der Hauptstraße versammelt und stand in Marschordnung bereit das Südtor zu durchschreiten. Insgesamt achttausendfünfhundert Männer waren bewaffnet und warteten auf den Marschbefehl. Qúsay ritt auf Rih an die Spitze des Heeres und bedeutete, nachdem er sich einen Überblick verschafft hatte, den Torwachen das Tor zu öffnen. Auf ein weiteres Zeichen von Qúsay setzte sich der Zug in Bewegung und marschierte durch das Tor, während Bogenschützen und Schleuderer auf der Mauer Stellung bezogen.

Titel: Re: Aín Sefra - In der Stadt
Beitrag von: Melkor. am 16. Jun 2017, 21:51
Schritt um Schritt marschierten die Soldaten des Malikat-Heeres aus der Stadt. Músab war mit seinem gesamten Gefolge weit vorne gelaufen und beriet sich mit Wa'aran Haywat über die Truppenaufteilung. Die Marschgeräusche der sich noch formierenden Soldaten waren fast lauter als die Stimmen beider. Nachdem ihre Befehle weitergegeben worden waren, formierten sich die Reihen der linken Flanke. Hinter Tamal stand nun die Leibgarde Músabs, die auf ebenfalls auf ihren Befehl wartete.
"Die gesamte Leibgarde soll auf den Mauern Stellung beziehen," sagte Músab und zeigte mit seiner Hand die genaue Position.
"Die Speerkämpfer schützen nun unsere Flanken. Sollte die feindliche Kavallerie versuchen, einen entscheidenden Schlag gegen uns auszuüben, können wir sie bei den Flanken schlagen." sagte Wa'aran.

Das Gespräch wurde von den Hufschlägen eines galoppierendem Pferdes gestört. Reflexartig spannte die Leibgarde bereits ihre Bögen. Tamal hob seine Hand und signalisierte ihnen damit, abzuwarten. Er blickte zu seinem Vater, dem die Anspannung förmlich ins Gesicht geschrieben war. Zu seiner Erleichterung erkannte Músab anhand der Rüstung den kermischen Boten.
Wenige Augenblicke später hatte der Bote Músab erreicht. "Eure Hoheit, ich bringe eine dringende Botschaft von General Aspelta," sagte er und überreichte Músab einen Umschlag.  Dieser las rasch die Zeilen, die auf dem Blatt geschrieben waren, und gab bereits nach den ersten Sätzen seinen Untergebenen ein Zeichen, die Pferde bereit zu machen, während er bis zum Ende weiterlas. "Wir brechen sofort auf, Kerma ist in großer Gefahr," erklärte Músab, während er den Brief einsteckte.
Wenige Augenblicke später waren die Pferde gesattelt. Músab hatte in der Zwischenzeit zwei der Feldherren zu den neuen Anführern der Flanke ernannt. 
Als die Leibgarden beider Könige bereit war ritten sie im schnellen Galopp zur Harad-Straße.

Músab, Alára, Tamal, Gatisen und Wa'aran Haywat nach Tindouf (http://modding-union.com/index.php/topic,34647.msg457231.html#msg457231)


Titel: Die Schlacht um Ain Séfra
Beitrag von: Fine am 16. Jun 2017, 23:04
Aus der Sicht Beregonds

Man hatte ihm einen Platz in der Nähe der Kommandanten zugewiesen. Beregond wusste, weshalb Qúsay ihn an der bevorstehenden Schlacht teilnehmen ließ. Wenn der neu gekrönte Malik diese entscheidende erste Schlacht gewann, bewies er Stärke und Treue gegenüber Gondor. Und es würde Beregond sein, der seinen Bericht als Augenzeuge zu Imrahil bringen würde und somit Qúsays Ruhm mehren würde.
Ungewöhnlicherweise war der Himmel über der Stadt von dichten, langgezogenen Wolken bedeckt, was die Hitze Nah-Harads etwas minderte. Beregond war froh darum, denn er trug seine gondorische Rüstung samt Schild und Schwert, was ihn bei den gewöhnlichen Temperaturen in Ain Séfra selbst ohne die Anstrengungen einer Schlacht bereits zum Schwitzen gebracht hätte.
Zu beiden Seiten des Malikatsheeres, das direkt außerhalb der starken Mauern am Südtor der Stadt Aufstellung bezogen hatte, reihten sich die von den Kommandaten Abdallat und Sa'amun befehligten Kamelreiter ein. Beregond konnte sich nicht recht vorstellen, wie diese plump wirkenden Tiere auf das Chaos der Schlacht reagieren würden, doch er vertraute darauf, dass Qúsay wusste, was er tat. Wenn es stimmte, dass die Kamele die Pferde des Sultanatsheeres in Panik versetzen würden, würde sich dies als unschätzbarer Vorteil erweisen.
"Keine Sorge, Gondorer," sagte Dírar neben Beregond, als hätte er ihm seine Gedanken am Gesicht abgelesen. "Der Malik weiß was er tut."
Beregond wurde nicht recht schlau aus dem Vertrauten Qúsays. Er sprach und verhielt sich wie einer der Haradrim, doch Gesichtszüge und Hautfarbe waren die eines Edlen von Gondor. Ich sollte ihn im Auge behalten, dachte er, ehe ihn die erschrockenden Aufschreie einiger Krieger aus den Gedanken rissen.
Am Horizont im Süden tauchte das feindliche Heer auf. Unruhe brach in den Reihen des Malikats aus, doch den Befehlshabern gelang es rasch, die Ordnung wiederherzustellen. Zu Beregonds Rechter richtete sich Qúsay im Sattel seines Rosses auf und rief mit lauter Stimme: "Jene, die dort kommen, sind die Diener des Dunklen Herrschers, die sich das nehmen wollen, für das wir uns entschieden haben, zu kämpfen: Unsere Freiheit! Darum sage ich: Kämpft, meine Freunde! Kämpft für eure Heimat und eure Familien! Lasst nicht zu, dass der Herr von Mordor uns erneut für seine Eroberungszüge missbraucht. Ich sage, wir halten sie auf und beenden es, hier und heute! Heute setzen wir ein Zeichen gegen die Unterdrückung und Sklaverei, die Harad so viele Jahrhunderte erdulden musste! Heute stehen wir vereint, Brüder in Geist und Blut - vereint gegen das Joch Saurons und Sûladans, unter dem wir uns nie mehr beugen werden. Zieht eure Waffen, und haltet euch bereit! Wir werden siegen, denn wir kämpfen für eine gerechte Sache. Wir werden siegen - weil wir frei sind!"
Jubel brach aus, und die Männer schlugen ihre Waffen lautstark gegen ihre Schilde. Er weiß, wie man eine Armee motiviert, dachte Beregond anerkennend.
Näher und näher kam das Heer Sûladans, unbeeindruckt von Qúsays Ansprache. Die scharlachroten Banner von Qafsah, verziert mit der schwarzen Schlange, wehten in der leichten Brise, die über die Ebene außerhalb der Stadt strich. Die Armee, bestehend aus Kriegern Qafsahs und der Toquz hielt außerhalb der Reichweite der Bogenschützen an, und nahm Aufstellung an. Beregond sah, wie sich ihre Kavallerie an den Flanken aufreihte, während die Krieger, die zu Fuß kämpften, in der Mitte einen starke Schlachtreihe bildeten, hinter der sich Fernkämpfer platzierten.
Und dann begann es. Hörner ertönten und das Sultanatsheer setzte sich erneut in Bewegung. Mit erhobenen Schilden näherten sich die vordersten Reihen im Zentrum, während die Reiter an beiden Flanken beschleunigten und zum Sturmlauf ansetzten. Doch das Heer Qúsays und Marwans, unterstützt durch Krieger aus Kerma und den übrigen Reichen, die dem Malikat die Treue geschworen hatten, hielten ihre Stellung, wie es ihnen befohlen worden war. Einzig die Kamelreiter eilten vorwärts, um die Toquz-Reiter abzufangen. Beregond sah, wie heftige Gefechte an beiden Seiten ausbrachen. Doch dann wurde seine Aufmerksamkeit nach vorne gelenkt, als ein Pfeilhagel von den Mauern Ain Séfras herab schwirrte und die vorderen Reihen des Qafsah-Heeres in Unordnung brachte. Eine einzige Salve konnten die Bogenschützen Qúsays abfeuern, ehe die Krieger im Nahkampf aufeinander trafen.
Trotz einiger Verluste durch Pfeile war es den Sultanatskriegern gelungen, auf den letzten Metern in den Laufschritt zu verfallen und mit viel Druck gegen die vordersten Reihen des Malikatsheeres anzurennen. Dabei wurde dessen Verteidigungslinie an mehreren Stellen durchbrochen. Doch immer wenn das geschah, ließen sich die Krieger rasch ein Stück zurückfallen, um wieder eine lückenlose Schlachtreihe zu bilden. Dadurch wurde das Zentrum von Qúsays Heer langsam in Richtung des Südtores von Ain Séfra eingedrückt. Immer weniger Platz bot sich den Soldaten und schon bald standen sie mit dem Rücken zur Wand.
Entlastung kam durch Jubelgeschrei von den Flanken. Wie Qúsay vorhergesehen hatte, hatten die Kamelreiter die Kavallerie Sûladans in die Flucht geschlagen, und griffen das Sultanatsheer nun im Rücken an. Und auch die Fußsoldaten Qúsays vollführten nun ihren Teil des Manövers. Indem sich die vorderste Schlachtreihe nach innen verbogen hatte, war ein Halbkreis entstanden, in den die Sultanatskrieger nur zu eifrig vorgedrungen waren - das Tor der Stadt in greifbarer Nähe. Doch nun sahen sie sich an allen Flanken den Gegenangriffen der Malikatskrieger ausgesetzt.
Trotz aller taktischer Manöver war es eine blutige Schlacht. Qúsay selbst griff ins Geschehen ein und verteilte tödliche Hiebe vom Rücken seines Rosses aus. Auch Beregond musste sich hin und wieder der Angriffe einiger Krieger erwehren, die bis zu ihm durchdrangen. Drei Männer hatte seine Klinge bereits getötet. Doch je länger die Schlacht dauerte, desto mehr geriet das Heer Sûladans in Unordnung. Von allein Seiten wurden sie bedrängt, und die Bogenschützen auf den Mauern hatten freies Schussfeld auf ihr Zentrum.

Eine Stunde später war die Schlacht entschieden. Was vom Sultanatsheer noch übrig war, ergriff in einem letzten verzweifelten Durchbruchsversuch nach Süden die Flucht. Mehr als die Hälfte ihrer Krieger lagen tot oder verwundet vor dem Mauern Ain Séfras, oder hatten sich Qúsays Kriegern ergeben. Qúsay selbst, der unverletzt geblieben war, berief rasch seine Heerführer zu sich und bedeutete auch Beregond mit einer Handbewegung, sich der Unterredung anzuschließen.
"Der Sieg ist unser, Malik," sagte Marwan, der Herr der Lahmiden.
"Ja, wir haben gesiegt. Aber nur in dieser Schlacht. Der Krieg ist noch lange nicht vorbei," wandte ein anderer Anführer ein.
"Und dennoch ist uns dieser Erfolg nicht mehr zu nehmen," sagte Qúsay, der froh darüber zu sein schien, dass sein Plan aufgegangen war. "Wir müssen nun rasch handeln und unseren Vorteil nutzen. Marwan, mein Freund, du wirst die Hälfte unserer Krieger sammeln und nach Osten führen, um mit den Toquz aufzuräumen und das Stammesgebiet der Banû Ghassan zu sichern. Alle anderen werden sich mir anschließen und nach Westen gehen."
"So sei es. Mögen wir uns wohbehalten vor den Toren Qafsahs wiedersehen," sagte Marwan.
"So möge es sein," antwortete Qúsay, und Marwan eilte davon.
"Ein großartiger Sieg, Herr," gratulierte Beregond, und Qúsay nickte zufrieden.
"Wenn du deinen Truchsessen eines Tages wiedersiehst, berichte ihm, was hier geschehen ist, und richte ihm meine besten Grüße aus, Beregond von Gondor."
"Wohin werdet Ihr nun gehen, Malik?"
"Ich werde mich um den Mann kümmern, der mir einst großes Unrecht zugefügt hat, und der für den Tod meines Vaters verantwortlich ist."
"Ihr meint..."
"Ich werde nicht ruhen, bis Hasaels Kopf auf meiner Lanze aufgespießt ist. Ich gehe nach Umbar und hole ihn mir."


Qúsay, Dírar und Beregond mit der Hälfte des Malikats-Heeres in Richtung Umbar (http://modding-union.com/index.php/topic,35528.msg470641.html#msg470641)