Ich hab mir heute auch mal Spectre gegeben und bin positiv überrascht worden. Ich habe mir im Vorfeld viele Kritiken durchgelesen, die von extrem schlecht bis extrem gut schwankten und habe meine Erwartungen vorsichtshalber runtergeschraubt. Was ich dann sehen durfte, war großartig. Schon allein die Eröffnungsszene ist der Wahnsinn! Die Szene wird vollkommen zu Recht von den Kritikern gefeiert. Nur diese eine, lange Kamerafahrt zu Beginn hat mich komplett gefesselt. Generell ist der Film optisch sehr gut gelungen, so auch das Spiel von Licht und Schatten beim Meeting oder das Ende auf der Brücke.
Oft wurde zudem kritisiert, dass der Spannungsbogen im Verlaufe des Films immer mehr absackt. Das sehe ich nicht so, obwohl der Film sehr, sehr lang ist, sind einige Handlungsstränge recht knapp geraten (z.B. Monica Bellucci, C, etc.). Was mir außerdem sehr gut an Spectre und den Craig-Bonds allgemein gefällt ist, dass man es schafft, moderne Problematiken in die Filmhandlungen einzubauen. Bei Casino Royale war es Waffenhandel und Terrorfinanzierung, bei QoS Wasser- und Ölspekulationen, bei Skyfall Hacking/Internetkriminalität und hier die Macht von Informationen/Überwachungsskandale, was mich hier sehr an die Beweggründe von Elliott Carver in Der Morgen stirbt nie erinnert hat. Allgemein lebt dieser Film (wie schon vom Alten Graubart erwähnt) von seinen Hommagen an die anderen Filme.
Zu den Charakteren: Craig spielt Bond wie gewohnt cool und gelassen, gleichzeitig aber auch in manchen Momenten angenehm schwach/hilflos (Zugfight). Dave Bautista alias Mr. Hinx spielt großartig und auf einer Höhe mit einem Beißer, Mr. Grant, Tee Hee oder Oddjob. Nur sein Spruch bei seinem Ende hat meiner Meinung den kompletten Charakter versaut, man hätte ihn lieber stumm lassen sollen ;) Léa Seydoux als Madeline Swann, die ich generell äußerst gerne mag, spielt wie immer großartig, ändert aber recht schnell ihre Meinungen, was hier und da etwas komisch erscheint. Ralph Fiennes als M hat eine größere Rolle als sonst und blüht meiner Meinung nach richtig auf. Hat dem Film sehr gut getan. Ben Wishaw als Q darf auch mal in den "Außeneinsatz" und ist auffällig oft in besonders gagreichen Szenen anzutreffen. Ein kleiner Kritikpunkt hier, dass gerade in den Q-Szenen ein Gag den anderen jagt, während Witze sonst nur ab und an kommen. Ansonsten aber sehr unterhaltsam. Andrew Scott alias C, auf dessen Rolle ich mich sehr gefreut habe, bleibt leider recht blass und hätte noch ein paar Szenen mehr gebraucht. Christoph Waltz/Oberhauser/Blofeld Rolle wurde oft dafür kritisiert, fast gar nicht aufzutreten, ich finde das aber nicht schlimm, da er so eher als "Mann im Hintergrund" agiert, der Blofeld ja auch in den alten Filmen ist. Auch Monica Bellucci hätte noch ein paar Minuten mehr Screentime gutgetan.
Allgemein lässt einen der Film nie wirklich zur Ruhe kommen und wertet mit vielen top choreografierten Actionszenen auf. Auch wird wieder eine Verbindung zu Casino Royale und Quantum of Solace gezogen und nun auch Skyfall in diese Handlung eingereiht, wodurch alle Filme mit Craig nun ein Gesamtpaket bilden.
Einige Kritikpunkte habe ich dennoch. Zuerst einmal habe ich nicht verstanden, warum die Bohrungen bei Bond keinen Effekt hatten, laut Blofeld/Oberhauser hätten die ja seine audiovisuelle Wahrnehmung enorm beeinflussen müssen, was scheinbar nicht passiert ist. Ich kann mir das nur durch die enorme Willensstärke Bonds erklären, der ja bei der 2. Bohrung auch die Uhr sehr fest gedrückt hat, vllt. um sich abzulenken, keine Ahnung. Gleichzeitig gab es aber am Ende auf der Brücke eine Einstellung, in der der Zuschauer Madeline aus Bonds Perspektive auf ihn zukommen sieht und das Bild (inkl. Madeline) einfach komplett verschwommen ist, Madeline aber langsam sichtbar wird. Vllt. hatte die Bohrung doch Erfolg? ;)
Mein zweiter Kritikpunkt ist die krasse Episodenhaftigkeit des Filmes. Das hat mich sehr an den "Aufbau" von QoS erinnert, den ich für den deutlich schlechtesten Craig-Bond halte.
Und als letztes - mit dem Titelsong kann ich nix anfangen, wie dieser Smith seine Stimme in die höchsten Falsettlagen schraubt, passt irgendwie so gar nicht zu einem echten "Bondsong".
Insgesamt ein sehr guter Bond, nicht so gut wie Casino Royale, aber schon noch etwas besser als Skyfall.
+
- Eröffnungssequenz
- moderne Problematiken glaubwürdig eingefangen
- Aufbau der Craig Bonds als zusammengehörige Filmreihe wird fortgeführt
- Blofeld ist wieder da xD
- gleichzeitig sehr ernst und komisch
- Mr. Hinx/Dave Bautista - kommt an einen Grant, Beißer, Oddjob, etc. ran
-
- Bohrungen-Logiklücke
- Episodenfilm
- Monica Bellucci kommt viel zu kurz
- C kommt leider recht flach rüber. Schade.
- Titelsong
Mein Craig-Bond-Rating nach Spectre:
4. Quantum of Solace
3. (weit vor QoS) Skyfall
2. (sehr nah an Skyfall) Spectre
1. Casino Royale