Lothíriel, Valirë, Veantur, Lóminîth und Valion mit der Súlrohír von Tol Thelyn (http://modding-union.com/index.php/topic,33964.msg452269.html#msg452269)
Der Wind stand günstig und mit vollen Segeln rauschte das schlanke gondorische Schiff über die Wellen der Bucht von Belfalas, einem direkten nordwestlichen Kurs folgend. Die Küste Nah-Harads war vor einiger Zeit außer Sicht geraten und die Sonne stand bereits tief über den Weiten Belegaers im Westen als Valion nachdenklich am Heck der Súlrohír stand. Die Weiße Insel lag hinter ihm, und sein Abenteuer in Umbar war vorbei. Als er in Begleitung seiner Schwester vor wenigen Wochen von Dol Amroth aus aufgebrochen war hatte er sich nie träumen lassen dass er in der Stadt der Korsaren auf so viele freundliche Gesichter treffen würde und dass er Teil eines größeren Ganzen werden würde. Er fühlte sich, als sei die Reise nach Süden eine Art Traum gewesen, aus der er nun langsam erwachte, je näher er der Heimat kam.
Eine feingliedrige Hand legte sich um seine Brust und erinnerte ihn, dass er keineswegs träumte. Lóminîth schob sich unter seinem Arm hindurch sodass ihre Schulter an Valions Oberkörper ruhte und folgte seinem Blick in die Ferne.
"All das fühlt sich noch nicht richtig wahr an," flüsterte sie leise. "Ein neuer Abschnitt meines Lebens beginnt. Ich habe schon einige Reisen gemacht, und Umbar schon zuvor verlassen... doch immer in Begleitung meiner Schwester."
"Und jetzt brichst du sozusagen ins Ungewisse auf," folgerte Valion verständnisvoll.
"Ja," hauchte sie und ergriff die Hand, die er um ihre Hüfte gelegt hatte. "Ehrlich gesagt habe ich Angst davor."
Das war etwas, das Valion nicht erwartet hatte. Er studierte ihren Gesichtsausdruck und erkannte eine untypische Verletzlichkeit darin. Er wusste nicht, wie er damit umzugehen hatte.
"Du wirst dich sicherlich schon bald einleben," sagte er etwas ratlos.
"Sobald Hasael aus Umbar verschwunden ist kehre ich heim und helfe meiner Schwester beim Wiederaufbau," erwiderte Lóminîth und stellte damit klar, wo sie ihre Heimat weiterhin sah. Ihr dunkles Haar bauschte sich im Fahrtwind auf als das Schiff beschleunigte. Der Wind nahm zu und schob es unermüdlich auf sein Ziel zu.
Stunden später saß Valion aufrecht im Bett seiner kleinen Kabine und hielt Edrahils Brief in der Hand. Die kleine Glaslampe, die neben dem Bett stand und etwas Licht spendete, schien seine schlafende Verlobte nicht zu stören. Valion drehte den Brief nachdenklich zwischen seinen Fingern hin und her. Nicht vor deiner Ankunft in Dol Amroth öffnen, hatte Edrahil ihm eingeschärft. Im Zwist mit sich selbst stieg er so leise wie möglich aus dem Bett, warf sich einen leichten Umhang über und ging an Deck. Einer Eingebung folgend kletterte er die Leiter zum höchsten Mast des Schiffes hinauf, wo er seine Schwester vorfand - wie er es erwartet hatte.
"Kannst du auch nicht schlafen?" fragte Valirë mit einem seltsamen Gesichtsausdruck.
"Nein," bestätigte er. "Es ist wie damals in der Nacht unseres verbotenen Aufbruchs aus Dol Amroth, als wir zum Ethir fuhren."
"Ich erinnere mich," sagte sie. "Wir saßen oben auf dem Ausguck und sahen den Sturm von Weitem kommen."
Valion nickte. Das kleine Krähennest bot gerade genug Platz für sie beide. Er zog den Brief hervor und hielt ihn ins Licht der kleinen Lampe, deren Licht zu flackern begonnen hatte.
"Was hast du da? Ist der von Edrahil?" wunderte sich Valirë und nahm den Umschlag aus seiner Hand. Eher er sie aufhalten konnte hatte sie ihn bereits geöffnet, und begann, das dort Geschriebene vorzulesen:
Edrahil von Linhir an Valion und Valirë vom Ethir
Wenn ihr dies lest, seid ihr vermutlich noch auf See und nicht in Dol Amroth – es würde mich jedenfalls nicht wundern. Als ihr nach Umbar kamt, war ich wenig begeistert darüber, wen Fürst Imrahil geschickt hatte, um seine Tochter zu retten, denn ich kannte euch und euren Umgang mit Anweisungen anderer (der Ort, an dem ihr diesen Brief lest, ist der beste Beweis dafür). Aber auch wenn ihr noch viel darüber zu lernen habt, was die Begriff heimlich und unauffällig bedeuten, habt ihr eure Aufgabe gemeistert, und wart mir eine große Hilfe. Ohne euch hätte ich niemals mit Minûlîth zusammengearbeitet, und, ich will ehrlich sein, ich weiß nicht, ob ich alleine erreicht hätte, was wir gemeinsam erreicht haben. Dafür möchte ich euch danken.
Zum Zeichen meines Dankes findet ihr im inneren dieses Briefes einen weiteren versiegelten Umschlag, der an meinen Stellvertreter Amrodin in Dol Amroth gerichtet ist – er wird wissen, was zu tun ist. Sollte eure Neugierde euch überwältigen und ihr auch diesen öffnen, bevor ihr ihn Amrodin übergebt, so ist alles was darin steht nichtig. Und verlasst euch darauf, dass Amrodin es erkennen wird, wenn das Siegel gebrochen und erneut verschlossen wurde. Achtet gut auf die Prinzessin, möget ihr diesen Krieg überstehen und mögen wir uns eines Tages in den Hallen des Ethir wiedersehen.
Edrahil.
"Da ist noch mehr drin," rief Valirë geradezu aufgeregt nachdem sie geendet hatte. Im Inneren des Umschlages waren nicht nur einer, sondern sogar drei weitere Briefe zu finden, von denen jeweils einer an Valion, an Valirë, und an Amrodin adressiert waren. Wortlos reichte Valion den an seine Schwester adressierten Brief an sie weiter und öffnete seinen eigenen Umschlag.
Valion – falls du Lóminîth liebst, wünsche ich euch alles Glück der Welt, und möge diese Geschichte gut enden. Falls nicht, bitte ich dich vorsichtig zu sein. Vielleicht ist es nur das übersteigerte Misstrauen eines alten Mannes, der sein Amt bereits zu lange ausführt, doch ich habe ein merkwürdiges Gefühl was sie angeht. Ich verlange nicht von dir, dass du sie Tag und Nacht misstrauisch beobachtest, doch sei aufmerksam und vor allem: Verfalle ihr nicht blind. Minûlîth liebt ihre Schwester, doch selbst sie ist nicht blind dafür, dass Lóminîth empfänglich für die Lehren der Schwarzen Númenorer war und vielleicht noch immer ist. Ich wünsche mir, dass ich mich irre und ihr glücklich werdet.
– Edrahil.
Valion strich sich nachdenklich über das Kinn. Was Edrahil ihm schrieb, ergab Sinn, auch wenn es ihm bisher nicht recht bewusst gewesen war. Doch selbst Valion war aufgefallen, dass Lóminîth durchaus Unterschiede den Einstellungen und Überzeugungen ihrer älteren Schwester besaß. Er beschloss, sich Edrahils Worte zu Herzen zu nehmen und vorsichtig zu bleiben.
Er warf einen Blick zu Valirë hinüber, die ungewöhnlich still geworden war. Ein schneller Blick auf das Blatt das seine Schwester in der Hand hielt zeigte ihm, dass Edrahil ihr sehr viel mehr geschrieben hatte als es bei Valion selbst der Fall gewesen war. Valirë hatte die andere Hand vor den Mund geschlagen und las weiter, hektisch und schwer atmend. Valion strich seiner Schwester beruhigend über den Rücken, konnte jedoch nicht verhindern, dass ihr Tränen über die Wangen zu laufen begannen. Sie blieb stumm und ließ bis auf ihren Atem kein Geräusch von sich hören, doch Valion spürte, dass der Inhalt des Briefes sie tief getroffen hatte.
"Ich dachte nicht, dass..." sagte sie und ließ den Satz unvollendet.
"Ist schon gut," sagte Valion, dem es bei seiner Schwester deutlich leichter fiel, Trost zu spenden als zuvor bei seiner Verlobten. Er wusste genau, was er sagen musste. "Du weißt doch, wie Edrahil ist."
"Ja, weiß ich," schniefte sie und ihre Tränen versiegten. "Er ist ein herzloser alter Mann."
"Das ist er," bestätigte Valion, doch sie wussten beide, dass dem keineswegs so war.
"Wenn wir wieder in Dol Amroth sind, schicken wir ihm eine besonders dreiste Antwort, hörst du?" forderte Valirë, die nun schon wieder fast sie selbst war.
"Auf jeden Fall," stimmte Valion zu. "Aber Amrodins Brief werden wir nicht anrühren. Edrahil soll sich wenigstens ein Mal damit irren, was uns betrifft."
"Denkst du, er geht davon aus, dass wir den dritten Brief öffnen?" fragte Valirë.
"Ich glaube, er hofft, dass wir es nicht tun, ist aber realistisch genug es zu erwarten," antwortete er.
"Dann lass uns seine Hoffnungen erfüllen. Dieses eine Mal."
"Dieses eine Mal. Einverstanden."
Der günstige Wind hielt an, und bereits am frühen Morgen des dritten Tages auf See kam der Leuchtturm von Lontírost in Sicht. Als sie näher kamen sahen sie, dass von seiner Spitze das blausilbere Banner von Dol Amroth, der weiße Baum Gondors und das grüne Blatt von Haus Galvor im Wind flatterten. Veantur entschied, diesmal nicht in den Hafen einzulaufen sondern direkt nach Dol Amroth weiterzufahren, solange der Wind so gut stand. Und als die Sonne kurz davor war, ihren höchsten Stand zu erreichen, kamen sie nach einer langen Reise und vielen Abenteuern in und um Umbar endlich wieder zurück nach Dol Amroth.
Lothíriel, Valirë, Veantur, Lóminîth und Valion mit der Súlrohír nach Dol Amroth (http://modding-union.com/index.php/topic,6044.msg452396.html#msg452396)