Hallo Leute
Mich würde mal interessieren, wie ihr in gewissen Situationen entscheidet.
Versucht euch wirklich in die Situation hineinzuversetzen und denkt auch über die Konsequenzen für euch persönlich nach.
Ihr könnt ja auch mal eure eigenen Erlebnisse hier posten, wenn ihr wollt. Es soll dabei um die Moral gehen. Ihr solltet sie allerdings wirklich erlebt haben und auch schreiben wie ihr entschieden habt.
Ich kam gerade eben nach Hause, zuvor war ich im Kino und hab Thor geschaut.
Auf dem Weg zum Bahnhof kam mir und meinem Kollege ein junger Mann entgegen. Er trug einen Anzug mit Krawatte und entsprechenden Schuhen und hatte einen MP3-Player (man sah die Ohrstöpsel am Kragen rausragen. Er war beinahe aufgedreht, zuerst dachten wir er habe Alkohol oder sogar Drogen konsumiert. Jedenfalls begann er sich mit Namen und Alter (25) vorzustellen und erklärte uns seine Situation. Zu beachten ist, dass der Verdacht von Alkohol/Drogenkonsum verschwand als er zu sprechen begann, er war ziemlich sicher bei klarem Verstand.
Er habe absolut nichts mehr, nur was er gerade bei sich trug. Keine Unterkunft und auch habe er schon lange nichts mehr gegessen. Geschlafen habe er in der Unterführung, darauf zeigte er uns kurz seinen Rücken, wo der Anzug tatsächlich ziemlich schmutzig war. Er habe starke Bauchschmerzen und es sei ihm ziemlich unwohl. Er wollte nur noch nach Hause zu seinen Eltern, die in Zürich wohnen. Er beziehe Sozialhilfe (bei euch Hartz IV) und erhalte das Geld aber erst nächste Woche, sprich in mindestens 6 Tagen, er nannte uns sogar den Betrag, allerdings habe ich den nicht mehr in Erinnerung.
Für den Zug bis nach Zürich brauche er aber ein Ticket, ich bin mir nicht mehr sicher, ob er sagte, es fehlen im noch 56 Franken oder es koste 56 Franken (ich glaube es war ersteres). Er zeigte uns darauf, dass er bereits 30 Franken von anderen Personen erhalten hatte. Er bat uns um Geld, dass er sich das Ticket bald leisten und nach Hause zu seinen Eltern gehen konnte. Er würde uns auch die Adresse der Eltern geben und das Geld zurückzahlen, sobald er die Sozialhilfe erhalten hätte. Er sei sogar schon bei der Polizei gewesen und habe dort um Hilfe gebeten, erhielt aber keine.
Hier möchte ich mal kurz einen Schnitt durch die Geschichte machen. Überlegt euch, was ihr in dieser Situation gemacht hättet, es war nur einer eurer engeren Freunde bei euch und Leute in deinem Umfeld hätten wohl nie davon erfahren, wenn ihr ihnen nicht davon erzählt hättet. Würdet ihr ihm Geld geben? Wenn ja, wie viel? Wenn nein, weshalb nicht?
Im Spoiler erzähle ich, wie es ausgegangen ist und auch meine Überlegungen dazu, schreibt bitte zuerst, was ihr gemach hättet und lest erst dann den Spoiler. Ihr könnt ja danach ein Spoiler mit einem Kommentar zum Ausgang der Geschichte in euren Post editieren.
Wichtig:
1 Euro = 1.2635 Franken (Schweizer Währung)
1 Franken = 0.7719 Euro
Mein Kollege war so freundlich und gab dem jungen Mann 20 Franken. Er bedankte sich und verabschiedete sich von uns. Wir sprachen danach noch kurz darüber ob dies jetzt das richtige war oder nicht. Ich denke einige Leute könnten nichts damit anfangen und anderen wiederum hilft man wirklich. Er war sich selbst nicht wirklich sicher, ob das das richtige war. Immerhin sind wir auch nur Schüler und 20 Franken ist für uns doch ein nennenswerter Betrag. Ich hätte dem Fremden wohl kein Geld gegeben und bin froh, dass er mich nicht zusätzlich danach gefragt hat. Wir leben in einem Staat, der die Leute nicht einfach verhungern lässt und auf der Strasse leben lässt. Das ganze erschien mir ein wenig unglaubwürdig. Ausserdem fand ich seinen Anzug und den MP3-Player doch recht komisch. Immerhin sieht eine Person in einem Anzug und mit einem MP3-Player auch nicht gerade aus, als ob sie Geld für ein Zugticket zurück zu den Eltern bräuchte. Zusätzlich würde ich an seiner Stelle (sofern seine Geschichte wahr ist) versuchen, den MP3-Player zu verkaufen.
Zuhause habe ich jetzt mal im Internet den Preis für das Ticket recherchiert, vom Hauptbahnhof in Solothurn zum Hauptbahnhof in Zürich sind es in der 2. Klasse und als einfache Fahrt 35 Franken (Quelle (https://www.sbb.ch/mct/wi/shop/b2c/cmsArtikelBestellen.do?sprache=de&von=Solothurn&nach=Z%FCrich&reisedatum=03.05.11&reisezeit=23:00&via=)). Unsere Bahn rechnet ziemlich genau nach Kilometern und somit würde der Preis niemals bis auf 56 geschweige denn 86 Franken wachsen, egal zu welchem Bahnhof in Zürich er wollte. Des Weiteren ist mir beim Schreiben aufgefallen, dass er auch schwarz nach Hause fahren kann. Sollte er entdeckt werden kostet ihn das 80 Franken + Ticketkosten, klar ist auch viel, aber seine Eltern werden eine solche Notlage wohl sicher verstehen und ihm helfen. Er hätte sicher die Gelegenheit gehabt irgendwo nach Hause zu telefonieren und zu fragen, ob sie bereit wären notfalls die Kosten zu übernehmen.
So ich bin jetzt mal gespannt auf eure Antworten, besonders die Begründung ist mir wichtig, ansonsten sagt es ziemlich wenig aus.
Noch was: im Nachhinein fühle ich mich interessanterweise an die moralischen Entscheidungen in KotoR erinnert, sowas macht einfach ein gutes Rollenspiel aus, aber darum geht es ja hier nicht.
MfG
Erzmagier
Edit: Die Orthographie war ja schrecklich, hab jetzt mal ein paar Dinge korrigiert, aber hab wohl kaum alles gesehen, jetzt wo ich noch müder bin. ^^
Man, da fühlt man sich ja echt wie in nem guten Rpg o_O
Also ich glaube, ich hätte ihm Geld gegeben, hast ja gesagt, dass er recht glaubwürdig rüberkam(so wie ich das jetzt verstanden habe), er hat ja auch anscheinend schon Geld von anderen Leuten bekommen, sowas macht für mich eine Entscheidung immer leichter.
Wie viel, weiß ich nicht, kommt drauf an, wie viel ich noch bei mir hätte, vllt 5 oder 10 Euro, das ist echt nicht einfach!
Hätte ihn eventuell zur Bahnhofsmission geschickt, die kümmern sich doch um solche Leute, oder?
Edit: Okay, nach lesen des Spoilers komm ich mir echt blöd vor und an das mit dem mp3-player hab ich auch im Nachhinein noch überlegt, allerdings habe ich Mitleid bei sowas, ohne Musik wäre ich manchmal wirklich nicht überlebensfähig^^
Ich glaube, ich bin zu leichtgläubig o.o"
Da ich für gewöhnlich immer nur so viel Geld mitnehme, wie ich brauche (d.h. ich weiß schon vorher genau, was ich kaufen will), hat sich die Situation praktisch bereits erledigt, theoretisch überlegen kann (und werde) ich aber trotzdem:
Die beschriebene Situation ist ein Beispiel für eine solche, bei der die gängigen Moralsysteme (Utilitarismus, Kant usw...) versagen, weil es an Informationen zur Bewertung fehlt, weder kennt ihr seine tatsächlichen Absichten noch die möglichen Folgen der verschiedenen Handlungsweisen, weswegen man eigl nur auf sein "Bauchgefühl", also eine persönliche moralische Einschätzung, vertrauen kann.
Ich persönlich bin immer ziemlich vorsichtig, was um Geld bittende Leute jeglicher Art angeht, egal was sie für eine Geschichte erzählen - oft ist diese einfach erfunden und so ausgeschmückt, dass sie möglichst viel Mitleid erzeugt.
Höchstwahrscheinlich hätte ich ihn (in der Reihenfolge) an eine öffentliche Telefonzelle, von der er mit seinen 30 Fr seine Eltern anrufen kann, die Bahnhofsmission oder irgendeine andere charitative Organisation verwiesen - das Telefon, um seine Eltern um Geld (Überweisung?) und/oder Abholen zu bitten und die Mission (o.Ä.), damit er bis dahin nen Ort zum Schlafen und Essen hat.
Wenn man sinnvolle Alternativen aufzeigt, die keine Spende enthalten, kann man an der Reaktion der Person meist recht gut erkennen, wie es wirklich aussieht - wenn seine Geschichte wahr ist, hat er diese Option vielleicht ganz einfach vergessen und freut sich über den Hinweis (dann kann man ihn als Ortsansässiger ja durchaus noch zu ner nahen Telefonzelle führen, um ihm zu helfen) oder kann erklären, warum das keine Option ist - für gewöhnlich ist das irgendwas ihm Peinliches, was man ihm ansehen dürfte - in diesem Falle kann man ruhig überlegen, ihm doch was zu geben.
Wenn seine Geschichte NICHT wahr ist, wird eine zuvor zurechtgelegte Geschichte quasi wie aus der Pistole geschossen folgen (wenn auch mit einem gerüttelten Maß an Schauspielerei, etwas Menschenkenntnis hilft hier enorm) oder er versucht, das Gespräch zu einem schnellen Ende zu führen, weil er merkt, dass bei euch nichts zu holen ist, meist geht er dann auf eure Vorschläge ein, dankt euch, sagt aber, dass es "wirklich nicht nötig ist, dass ihr ihn noch ein Stück begleitet", er habe auf dem Weg möglicherweise bereits ein Telefon gesehen.
An dieser spezifischen Situation komisch finde ich allerdings, dass er angibt, bereits bei der Polizei um Hilfe gebeten hat, aber nichts zu einem möglichen Telefonat mit den Eltern - denn das wäre auch bei der Polizei (wenn sie ihn ernst nehmen, und die haben meist ne ziemlich gute Menschenkenntnis vom Beruf her) der erste Schritt gewesen, insofern hätte sich mein Misstrauen eher noch gesteigert. Ebenso, dass er relativ teure Dinge (Anzug, Mp3-Player) dabei hatte, die er evtl hätte ins Pgandhaus geben (zumindest den Mp3-Player, Kleidung sollte er besser behalten) und nachher wieder auslösen können, wenn er bei seinen Eltern war.
Je nach Gesprächsverlauf hätte ich aber danach wohl versucht, mich mit einem mehr oder weniger starken schlechten Gefühl zu verdrücken, jenachdem hätt ich ihm vllt noch n bissl Geld für was zu Essen in die Hand gedrückt.
Evtl hätte ich ihm auch einfach zum Schwarzfahren angehalten, in einer Notlage kann man das da etwas weiter sehen... die Bahn hat deutlich weniger Probs, auf diese 56 Fr zu verzichten als ein Schüler.
Das alles war jetzt allerdings mit einiger Überlegung geschrieben, wie ich im Realfall gehandelt hätte (also ohne sonderlich viel Zeit zu überlegen), ist nicht ganz so leicht... wahrscheinlich ähnlich, ich hätte auf jeden Fall ein Gespräch angefangen und währenddessen überlegt.
\\Mir wäre es wahrscheinlich ziemlich genauso ergangen wie dir auch, die gesunde Portion Skepsis^^
Aber auf jeden Fall hätte ich, wie du mit deinem Freund auch, da nachher noch ne Weile drüber geredet, um mich entweder noch schlechter (weil er moralisch überlegen war und Recht hatte) oder bestätigt zu fühlen - deine Recherche ist ja die Fortsetzung davon und führt ja eher zu zweiterem.
Auf jeden Fall aber eine seltsame Geschichte - eigl hätte dem Kerl selber auffallen sollen, dass sein Auftreten vllt doch etwas unpassend dafür ist.
Von daher bin ich mir nicht ganz so sicher, ob er tatsächlich komplett clean war - bei manchen Leuten bemerkt man das gar nicht.
(Oder er war ein "versnobtes Luxuskind", das unbedingt erste Klasse nach hause fahren wollte, was so teuer ist, und wollte auf keinen Fall von sich aus was abgeben :D)
Auf jeden Fall hat mich diese Situatio nochmal darin bekräftigt, bei sowas lieber doppelt kritisch zu sein und genau aufzupassen...