Faendir aus der West-EmnetBevor Faendir die Hauptstadt Rohans betreten konnte, musste er sich gut tarnen. Er verstaute all seine Sachen unter seinem dichten Mantel. Der Elb entfernte das Blatt Lothlóriens und ersetzte es durch eine einfache Schnur. Er nahm etwas Schlamm vom regennassen Boden und fuhr sich damit mehrere Male durch sein glattes, seidenes Haar. Dadurch wurde es ganz zerrüttet und unordentlich und es verlor seinen prachtvollen Glanz.
Sein Umhang war ohnehin sehr schmutzig geworden, durch den langen Marsch. Er streifte seine Kapuze über den Scheitel und marschierte los, als ihn plötzlich ein vertrauter Ton aus dem Hintergrund aufforderte stehen zu bleiben.
Er drehte sich hastig um und sah in die kohlrabenschwarzen Augen der kleinen Nachtigall.
„Du bist hier?“ sagte er mit erstaunter Miene „Bist du so schnell geflogen um mich noch einzuholen bevor ich die Höhle des Löwen betrete. Hat dich Galadriel geschickt, um mir beizustehen?“
Plötzlich zwitscherte sie laut los, um Faendir zuzustimmen. Sie begann ein wunderschönen Liedes zu singen. Es klang so herrlich , dass es sich mit der leisen Musik der Bäume, Sträucher und Vögel vereinte. Und mitten in dieser umwerfenden Komposition erhaschte der Elb klar und deutlich die Worte der Herrin: „Faendir, Beauftragter Lothloriens und Kundschafter des Düsterwalds, ich schicke dir deine Weggefährtin um auch in Zukunft eine Freundin an deiner Seite zu haben. Wie auch du, erfüllt sie eine Aufgabe in meinem Wunsche. Sie ist das Sprachrohr zwischen dir und Gandalf dem Weißen. Sein Auftreten in Edoras wäre zu gewagt am Beginn dieser Schlacht. Folge seinem Rat, sowie du meinem folgtest. Kümmere dich gut um das Vögelchen, damit ihre Herrin sie wiedersehen wird. Ich wünsche dir alles erdenklich Gute für diese Aufgabe. Bis zu unserem nächsten Treffen in naher Zukunft.“
Die Stimme wurde schwächer und verschwand schließlich. Die Musik wurde von den dunklen Geschehnissen im Land der Rohirrim erdrückt.
Mit der Nachtigall an seiner Seite machte sich Faendir auf zum Stadttor. Es stand zu jener Zeit weit offen, da es niemanden gab, der die Stadt hätte angreifen können.
Die Wachen sind anscheinend nachsichtig geworden. Sie überwachen das Tor nicht mehr...
Er betrat die hölzerne Stadt. Hier schien es wie ausgestorben. Kein Mensch war auf den Straßen zu sehen und kein Gesicht blickte neugierig aus dem Fenster. Es war wie auf einem Friedhof zu nächtlicher Stunde. Auf der Hauptstraße, welche zur Goldenen Halle hinauf führte, waren deutlich die Spuren einer Truppe Orks zu sehen.
Faendir wollte nicht hinauf auf den Hügel, er betrat ein kleines Gasthaus in einer abgeschiedenen Straße.
Drinnen war es sehr düster und ruhig. Die Stimmung war kein bisschen besser als auf den Straßen. Zwei Männer saßen an der Theke und tranken einen großen Krug Bier.
Der Elb setzte sich dazu und schrie dem Kellner: „Einen Krug von deinem besten Bier bitte“.
„Na sieh einer an, da haben wir ja einen ganz feinen Herren in unserer billigen Kneipe. Ich würde euch vorschlagen, das edle Gasthaus auf der Anhöhe zu besuchen. Meduseld nennt es sich“, brüllte der linke heraus. „Heutzutage darf dort schon jeder noch so dreckige Ork hin“, nuschelte er hinterher. Er schwankte etwas auf seinem Sessel umher, anscheinend hatte er schon einige Krüge getrunken, bevor Faendir gekommen war.
„Nimm es ihm nicht übel“, sagte der rechte „Vor kurzem ist einer seiner besten Freunde verstorben, seitdem ist er fast täglich hier.“
Faendir beschloss nichts zu sagen, obwohl er glaubt, dass ihm der Tod seines Freundes nicht das Recht gab so über Fremde zu reden.
„Verbiete mir nicht den Mund! So vieles wird uns hier verboten, aber reden... reden darf ich was ich will und so oft ich es will!“ sagte er wieder mit lauter, lallender Stimme.
„Und trinken darfst du anscheinend auch“, antwortete Faendir frech.
„Halt dich da raus! Meine Sorgen sind nicht die deinen, feiner Herr“, sagte er in missgönnerischem Tonfall.
„Was ist hier eigentlich los in dieser kalten, einsamen Stunde?“, fragte Faendir in die Leere.
„Wo lebt ihr nur, dass ihr dies nicht wisst?“, sagte der rechte und starrte den Elben entsetzt an „Der Dunkle Herrscher hat unser Land genommen. Tag täglich ermordet er unsere Freunde, Frauen und Kinder.“
„Und ihr lasst es euch einfach gefallen?“
„Was können ein Mann und ein Trunkenbold schon tun gegen eine solche zerstörerische Macht?“
„Kämpfen!“
„Kämpfen?! Womit denn, mit einem spärlichen Haufen gegen eine solche Übermacht und ohne Waffen? Wie sollen wir so bitte kämpfen. Wer seit ihr überhaupt, dass ihr euch so über unser Dasein beschweren könnt?“, sagte der Rohirrim.
„Ich bin ein Freund eurer Könige“, antwortete Faendir um sich nicht zu enttarnen.
„Könige? Von welchem König sprecht ihr? Die Linie von Theoden ist erloschen und die Königslinie aus Aldburg wurde kaltblütig ermordet. Es gibt niemanden der die Halle Meduselds rechtmäßig betreten hat“, sagte er in aufbrausendem Tonfall.
„Ich habe sie gesehen, die weiße Lady von Edoras und sie lebt!“
„Éowyn? Sie ist niemals aus Minas Tirith zurück gekehrt. Wahrscheinlich seit ihr ein Diener Saurons und habt sie in den Kerkern des dunklen Turms sterben lassen“ wütete er und schnappte sich ein Messer von der Theke. Er ging drohend auf Faendir zu.
„Mach ihn fertig“, dröhnte die Stimme des Trunkenbolds von der Theke herüber.
„Nein, wartet. Ja, ich habe Éowyn gesehen,... aber nicht in den Fängen des Feindes, sondern in Freiheit, bei vielen Soldaten eures Volkes. Sie werden früher oder später kommen um Edoras zurückzufordern“, überzeugte ihn Faendir.
„Warum sollte ich einem Fremden trauen. Die Menschen aus Gondor sind dunkel geworden, jeder versucht sich einen guten Namen bei Sauron zu schaffen und verrät dafür seine eigenen Leute. Nichts als Macht wollen die Gondorianer egal zu welchem Preis.“
Faendir wusste was er zu tun hatte um die Menschen zu überzeugen. Er packte seine Flöte unter dem Mantel hervor.
„Was hast du vor?“ sagte der Mensch, noch immer mit dem Messer in der Hand drohend.
„Hör auf die Musik und du wirst wissen, das ich recht habe.“
Er begann das bezaubernde Lied von Lúthien Tinuviel zu spielen. Es hallte durch den ganzen Raum. Für einen Moment schien die warme Sonne durch die Fenster herein. Das Licht durchbrach die ewige Dunkelheit. Die Augen des Menschen füllten sich mit Tränen, denn vor seinen Augen sah er die unglaublich hübsche Éowyn an Faramirs Seite. Sie führten ein Heer aus Rohirrim an. Gemeinsam ritten sie auf ihren edlen Pferden über die grünbewachsenen Hügel der Westfold. Mit ihrem weißen Kleid kam wieder reines Licht in die düstere Stadt. Das Lied endete schön langsam. Die Musik hatte sogar das Herz des Betrunkenen erweichen lassen. Faendir sagte zu ihnen: „Eure Königin wird Rohan heilen.“