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Autor Thema: Auf den Straßen von Umbar  (Gelesen 22752 mal)

Fine

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Der Bibliothekar
« Antwort #15 am: 13. Okt 2016, 15:35 »
Valion und Valirë aus Edrahils Versteck


Valirë legte eine Hand über die Augen um sie vor der tiefstehenden Sonne abzuschirmen.
"Es wird nicht mehr lange dauern bis zur Dämmerung," sagte sie.
"Dann sollten wir uns auf schnellstem Weg zum Fürstenpalast begeben," entschied Valion. "Wenn es stimmt was der Schreiber über diesen Wahab gesagt hat sollte er in der Taverne unterhalb des Palastes zu finden sein, wenn die Dunkelheit anbricht."
Seine Schwester nickte. "Gehen wir", sagte sie kurzangebunden. Sie verhielt sich untypisch für ihr normales Auftreten, was Valion verwunderte. Offenbar hatten Edrahils Worte einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Da sie von Bayyin eine Wegbeschreibung zu ihrem Ziel erhalten hatten mussten sie sich dieses Mal nicht auf die Hilfe der Straßenkinder verlassen. Obwohl der Abend immer näher rückte war das Gedränge auf den großen Straßen nach wie vor groß. Valion kam es sogar so vor, als wären die Menschen sogar noch mehr geworden als weniger. Doch sie wussten wohin sie gehen mussten, denn Bayyins Angaben waren sehr präzise gewesen.
Sie kamen auch an dem überfüllten Marktplatz vorbei, auf dem Valion Mustqîm verloren hatte. Er hielt die Augen nach dem Mann offen, konnte jedoch keine Spur von ihm entdecken.
Natürlich, dachte er. Dieser Bandit ist gerissen. Er würde sich nicht einfach offen zeigen. Das hat er mit Edrahil gemeinsam.
Die Zwillinge verließen den Markt in östlicher Richtung und bogen auf eine weitere breite Straße ein, an deren Ende nun der Fürstenpalast in Sicht kam. Je näher sie kamen, desto mehr Stadtwachen begegneten ihnen. Viele warfen den beiden misstrauische Blicke zu, doch offenbar hatte keiner Lust oder Zeit, sich mit Valion und Valirë anzulegen.

Wie Bayyin gesagt hatte, fanden sie direkt unterhalb der Mauern des Palastes eine Taverne, die einen deutlich gehobeneren Eindruck machte als die, in der sie Edrahil zum ersten Mal getroffen hatten. Vor dem Eingang stand ein griesgrämiger Rausschmeißer, der einen einzigen Blick auf die Zwillinge warf und sich augenblicklich bedrohlich vor ihnen aufbaute.
"Keine Waffen," knurrte er. "Wenn ihr 'rein wollt, kommt unbewaffnet wieder."
"Immer mit der Ruhe, mein Freund," sagte Valion beschwichtigend. "Wir werden dir keine Probleme bereiten." Er löste seinen Gürtel, an dem seine Schwerter hingen, und trat auf den Mann zu, um sie ihm zu reichen. Als der Rausschmeißer die Hand danach ausstreckte machte Valion einen schnellen Schritt nach vorne und verpasste dem Korsaren einen gut gezielten Schlag gegen die Schläfe. Ehe er mit lautem Getöse zu Boden fallen konnte fing Valion den Bewusstlosen ab und legte ihn vorsichtig mit dem Rücken gegen die Mauer gelehnt ab, sodass er wie schlafend aussah. Er blickte sich rasch um, doch der Menschenstrom hatte seine Aktion vor unfreundlichen Blicken bewahrt. Zumindest rief niemand nach der Wache oder brach in Panik aus. Diesmal waren sie unauffällig geblieben.

Sie traten ein und warfen einen Blick in den Schankraum der Taverne. Drinnen lag eine dunstige Schicht aus seltsam riechendem Rauch, die von den vielzähligen Wasserpfeifen auf den Tischen und Sitzgelegenheiten aufstieg. Zwar war es dadurch schwerer, Gesichter und Personen zu erkennen, doch das kam den Zwillingen nicht ungelegen.
"Dort hinten," wisperte Valirë und lenkte Valions Blick auf eine Nische in der hinteren Ecke des Schankraums. Ein Mann saß dort, sein Gesicht von einer Kerze beleuchtet. Soweit Valion es erkennen konnte passte er auf Bayyins Beschreibung. Sie näherten sich vorsichtig, doch Valirë hielt ihren Bruder zurück.
"Lass mich vorgehen," raunte sie ihm zu. "Schleich dich von der Seite an."
Sie ließ sich auf den Stuhl gegenüber ihres Ziels fallen und räkelte sich, während Valion einen Bogen um einen benachbarten Tisch schlug und sich der Ecke vorsichtig aus einem Winkel näherte, aus dem der Mann ihn nicht sehen würde (so hoffte er).
"Was soll das? Ich habe keine Begleitung bestellt," sagte Wahhab halb erstaunt, halb verärgert.
"Bibliothekar Wahhab, richtig?" sagte sie und beugte sich zu ihm hinüber, doch dieser machte eine abwehrende Geste und schob Valirës Hand beiseite.
"Der bin ich, aber ich sagte bereits, ich brauche keine Gesellschaft," meinte er in abweisendem Ton.
Valirë betrachtete den Tintenfleck, den seine Berührung auf ihrem Arm hinterlassen hatte. "Ich habe vielleicht ein anderes Angebot für Euch," sagte sie dann. "Ihr solltet es Euch anhören."
"Ich habe kein Interesse an Angeboten dieser Art," antwortete Wahab und machte Anstalten, aufzustehen.
"Oooh, aber ich bestehe darauf," säuselte Valirë - und in diesem Moment legte Valion dem Bibliothekar die Klinge seines kürzeren Schwertes an den Hals.
Wahab erstarrte. "Was wollt Ihr von mir?" stieß er hervor. Valion sah, wie der übergewichtige Mann zu schwitzen begann.
Ein Feigling also, dachte er. Hervorragend..
"Wir brauchen Zugang zur fürstlichen Bibliothek," flüsterte er Wahab ins Ohr. "Und Ihr werdet ihn uns beschaffen."
Wahab sträubte sich. "Ich kann nicht... wenn der Fürst davon erfährt..."
"Das wird er nicht, wenn Ihr den Mund haltet," gab Valion zurück. "Ihr werdet mit niemandem auch nur ein Wort darüber verlieren, dann wird Euch nichts geschehen. Wie gelangt Ihr in den Palast? Habt Ihr einen Schlüssel?"
"N-nein, ich... die Palastwachen kennen mich, sie lassen mich am Eingangstor passieren..." stammelte der Bibliothekar.
"Gibt es einen geheimeren Zugang?" fragte Valirë.
Wahab antwortete nicht. Valion presste die Klinge enger an seinen Hals und ein Blutstropfen lief darüber. "Er wird nicht reden," raunte er seiner Schwester zu. "Finden wir jemanden, der mitteilsamer ist. Dieser hier hat keinen Nutzen mehr für uns..."
"Wartet, wartet!" keuchte der Bibliothekar. "E-es gibt noch einen Eingang... verborgen hinter einer falschen Wand am Fuße des Turmes, in dem sich die Bibliothek befindet. M-man braucht einen Schlüssel..."
"Also doch ein Schlüssel. Habt Ihr ihn bei euch?" verlangte Valion zu wissen.
"In meiner Tasche," antwortete Wahab. "Aber... wenn dort Eindringlinge bemerkt werden wird man wissen, dass ich ihnen geholfen habe!"
"Man wird keine Eindringlinge bemerken," versichterte Valirë lächelnd. "Nicht, wenn Ihr den Mund haltet und schön brav seid. Falls nicht... werden wir davon erfahren, und Eure Strafe wird schlimmer als alles sein, was euch der Fürst je antun könnte."
"I-ich werde nichts verraten!" brachte Wahab hervor.
"Gut. Wenn alles reibungslos abläuft, werdet Ihr vielleicht sogar eine Belohnung erhalten. Ihr hört von uns," sagte Valion und nahm die Klinge von Wahabs Hals.

Gemeinsam mit seiner Schwester verließ er die Taverne wieder und machte sich auf den Rückweg zu Edrahils Versteck. Wahabs Schlüssel hatte er sich mit einem kurzen Band um den Hals gehängt. Valirë war erneut ungewöhnlich still während sie die immer noch vollen Straßen durchquerten.
"Was ist denn mit dir los?" wollte Valion schließlich wissen.
Valirë warf ihm einen seltsamen Blick zu. "Edrahil ist ganz anders, als wir ihn in Erinnerung hatten, nicht wahr?" sagte sie leise.
"Nein, eigentlich ist er ziemlich genau so wie früher," widersprach Valion. "Gerissen, heimlichtuerisch und stets über alles Wichtige im Bilde."
"Ich meine..." Valirë seufzte leise. "Irgendetwas an ihm hat sich verändert, oder zumindest meine Wahrnehmung davon. Ich sollte ihm eine schallende Ohrfeige dafür verpassen und wütend auf ihn sein, dass er mich quasi dazu einsetzt, mein Aussehen für seine Zwecke zu verwenden, aber ich bin's nicht." Sie machte eine Pause und blickte zu Boden.
"Denkst du... er wird stolz darauf sein, was ich heute erreicht habe?"
"Was wir erreicht haben," korrigierte Valion, der aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Die Stimme seine Schwester hatte einen Klang angenommen, den er noch nie bei ihr gehört hatte. Sie wird doch wohl nicht etwa...
Er warf einen alarmierten Blick in Valirës Gesicht und fand seinen Verdacht bestätigt.
"Schlag' dir das aus dem Kopf," sagte er. "Du wirst dir damit nichts als Ärger einhandeln...."

Sie bogen in die Straße ein, die zu Edrahils Versteck führte. Valion war gespannt darauf, was der Spion zu ihren Ergebnissen sagen würde. Er griff nach dem Schlüssel...
...doch dieser war verschwunden. Valion hielt mitten in der Bewegung inne.
"Gondorischer Hund!" zischte eine allzu wohlbekannte Stimme. "Suchst du vielleicht das hier?" Am Eingang einer Seitengasse stand Mustqîm, den Schlüssel Wahabs höhnisch erhoben. "Komm und hol' ihn dir!" rief der Bandit und sprintete los.
Die Zwillinge fluchten und nahmen die Verfolgung auf...
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Die zweite Jagd
« Antwort #16 am: 16. Okt 2016, 17:16 »
Bereits zum zweiten Mal an diesem Tag tauchte Valion in das Gewirr der kleinen Gassen und versteckten Passagen Umbars ein. Bereits zum zweiten Mal verfolgte er den selben Dieb. Und bereits zum zweiten Mal gelang es ihm nicht, nah genug an Mustqîm heranzukommen um ihn zu erwischen. Der Unterschied zur vorherigen Jagd war jedoch der, dass diesmal seine Schwester bei ihm war. Und dieser Unterschied erwies sich als entscheidend.

"Bleib' an ihm dran, kleiner Bruder!" rief Valirë ihm zu und bog ohne weitere Vorwarnung in eine enge Seitengasse ab. Doch Valion blieb keine Zeit um sich darüber zu wundern. Er biss die Zähne zusammen und beschleunigte seinen Lauf um endlich zu Mustqîm aufzuschließen. Doch auch der Bandit schien schneller zu werden. Sie bogen dicht hintereinander in einen Gang ein, der in eine Unterführung einer der großen Straßen Umbars mündete. Der Verfolgte und sein Verfolgter tauchten ins Dunkel des Tunnels ein und ihre Schritte hallten laut im Dunkeln wider. Gegen das Licht am anderen Ende sah Valion von Mustqîm nur eine schwarze Silhouette vor sich. Der Bandit erreichte den Ausgang, preschte hindurch - und stolperte über Valirës ausgestrecktes Bein, das sie ihm gestellt hatte. Mustqîm strauchelte und schlug der Länge nach hin. Als Valion herankam hatte seine Schwester dem Banditen bereits den Schlüssel entrissen und hielt ihm die Spitze ihres Schwertes an den Nacken.
"Woher wusstest du, wohin er laufen würde?" wunderte sich Valion.
Seine Schwester zeigte die Gasse entlang, die vom Tunnelausgang geradeaus in östlicher Richtung verlief. Als Valion ihrem Fingerzeig folgte, sah er in der Ferne die Türme des Palast des Fürsten vor sich.
"Ich nahm an, dass er dorthin will und dem Bibliothekar zurückgeben will, was wir ihm abgenommen haben. Hab' ich recht, Abschaum?" sagte sie in Richtung des Banditen.
"Zurückgeben?" echote dieser. "Nein, nein. Ihr missversteht meine Absichten. Ich hätte ihm den Schlüssel nur im Austausch gegen eine ordentliche Bezahlung überlassen."
"Nun, dieses Geschäft ist hiermit geplatzt," gab Valirë lächelnd zurück.

Valion packte Mustqîm am Kragen und zog ihn hoch, ihn gegen die Wand pressend. Valirës Schwertspitze wanderte dabei an die Kehle des Banditen.
"Für wen arbeitest du?" verlangte Valion zu wissen. "'Raus mit der Sprache, Südländer!"
Dieser spuckte aus. "Ich arbeite nur für das hier," sagte er und deutete auf seinen Gürtel, an dem ein mit Münzen gefüllter Beutel hing. "Wer sich die exzellenten Dienste von Mustqîm dem Verschlagenen leisten will muss tief in die Tasche greifen!"
"Also bist du nicht nur ein Bandit, sondern ein käuflicher Bandit," folgerte Valion. "In Gondor hängt man deinesgleichen am Galgen auf. Doch hier scheint dies ja ein angesehener Beruf zu sein."
"Ein guter Dieb ist stets angesehen, bei seinen Freunden als auch bei seinen Feinden," prahlte Mustqîm.
Valirë musterte den Mann zweifelnd. "Schätze bei dir handelt es sich dann wohl eher um ein mittelmäßiges Exemplar..."
Mustqîm zog verärgert die Brauen zusammen, doch dann änderte sich sein Gesichtsausdruck und er sagte: "Tja, was soll ich sagen. War nett, mit euch beiden zu plaudern. Doch ich denke, ich sollte jetzt gehen."
"Was soll das heißen?" fragte Valion, doch da begann der Bandit laut zu rufen: "Wache! Wache! Ich werde ausgeraubt!"

Die Zwillinge fuhren herum. Am östlichen Ende der Gasse war eine Gruppe von Stadtwächtern aufgetaucht, die sich offenbar gerade auf einem Streifzug befanden. Mustqîm musste sie gesehen und seine Chance erkannt haben. Die Wachen kamen bereits herangestürmt.
"Ich empfehle mich, ihr gondorischen Hunde," zischte Mustqîm und schubste die überraschte Valirë heftig beiseite als die Zwillinge aufgrund der Wachen einen Augenblick unachtsam waren. Blitzschnell verschwand er in einem Hauseingang.
"Los, los, los!" rief Valion seiner Schwester zu und sie begannen zu rennen. Keiner der beiden hatte Lust, Bekanntschaft mit den Stadtwachen und dem Kerker Umbars zu machen.

Zwar waren sie etwas schneller als die Stadtwächter, doch diese waren in der Überzahl und schnitten Valion und Valirë wieder und wieder den Weg ab. Außerdem kannten sich die Wachen in der Stadt aus, wohingegen sich die Zwillinge ihren Fluchtweg willkürlich suchten. Sie wussten nicht, in welchem Stadtteil sie sich befanden. Während sie durch eine weitere enge Gasse hetzten blickten sie sich immer wieder nach markanten Gebäuden um, doch sie konnten weder Hafen noch Palast ausmachen und erkannten auch sonst keine Wegpunkte ihrer vorherigen Reisen durch Umbar wieder. Was ihnen allerdings auffiel war, dass sie allmählich in eine Gegend kamen, in der die Häuser älter und prachtvoller wurden. Offenbar kamen sie ins Adelsviertel der Korsarenstadt. Sie bogen um eine scharfe Ecke und kamen auf eine Straße, auf der weniger Menschen als auf den Hauptstraßen unterwegs waren. Kurz bevor die sie verfolgenden Stadtwachen ebenfalls um die Ecke bogen ging zu ihrer Linken eine Tür auf und eine Hand winkte sie zu einem kleinen Verschlag herüber.
"Hier hinein, schnell!" rief eine ihnen unbekannte Stimme. Ohne zu zögern folgten sie der Anweisungen und rannten über die Schwelle. Hinter ihnen schlug die Tür zu und es wurde dunkel.

Valion keuchte vor Anstrengung, doch er versuchte, seinen Atem zu beruhigen und so leise wie möglich zu sein. Draußen hörten sie die Wachen verwirrte Rufe ausstoßen. Ihre Beute schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Schließlich begannen die Stadtwächter, gegen die Türen der Häuser zu pochen und Einlass zu verlangen. Auch die Tür durch die die Zwillinge gekommen waren war darunter, doch als von drinnen keine Reaktion kam und sie sahen, dass die Tür fest verriegelt und im Verschlag kein Licht war zogen die Wache nach einigen Minuten ab und Stille senkte sich über die Straße und den Verschlag herab.

Ein Licht flammte ohne Vorwarnung auf als jemand eine Öllampe entzündete. Sie erhellte das Gesicht einer Frau mit dunklen Haaren und Augen, aber hellerer Haut als bei den meisten Menschen, die die Zwillinge in Umbar bisher gesehen hatten.
"Es sollte jetzt sicher sein," sagte die Frau und musterte sie mit einem Blick, der zu gleichen Teilen aus Neugierde und Berechnung bestand.
"Ihr müsst die beiden Gondorer sein, von denen ich kürzlich gehört habe," sagte sie. "Geschwister, wie ich sehe. Wie lauten eure Namen?"
Valion erwiderte den Blick mit Misstrauen. "Erst nennt Ihr uns Euren Namen," sagte er. "Weshalb habt Ihr uns geholfen? Wo sind wir hier?"
"Eines nach dem Anderen," erwiderte sie. "Ihr befindet euch im Adelsviertel Umbars, genauer gesagt auf meinem Grundstück. Mein Name ist Minûlîth, von Haus Minluzîr."
"Valion und Valirë vom Ethir, aus Gondor, wie Ihr ja bereits erkannt habt," sagte Valirë.
Minûlîth nickte bedächtig. "Nun, ich heiße euch beide willkommen. Doch ich schlage vor, wir sprechen an einem etwas gemütlicheren Ort weiter als in diesem engen Verschlag, den meine Diener als Abstellkammer verwenden. Die Luft sollte jetzt rein sein."

Sie stand auf und öffnete vorsichtig die Tür, spähte hinaus und winkte den Zwillingen aufmunternd zu. Valion und Valirë folgten Minûlith zurück auf die Straße und zur Tür des großen Anwesens, auf dessen Gelände der kleine Verschlag, in dem Minûlîth sie versteckt hatte, stand. Sie schloss das große Eingangsportal auf und führte sie ins Innere.


Valion, Valirë und Minûlîth zu Minûlîths Anwesen
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Eandril

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Der Bote
« Antwort #17 am: 16. Okt 2016, 22:00 »
Edrahil aus seinem Versteck...

Auf seinem Weg zu dem Boten begegnete Edrahil zwei Straßenkindern, die versuchten ihm Informationen zu verkaufen. Beides war nicht der Rede wert, trotzdem erhielten beide ihre Belohnung und Edrahil schärfte ihnen überdies ein, die Augen nach einem Mann namen Mustqîm offen zu halten, und ihm alles was sie über den Banditen erfuhren, sofort zu erzählen.

Schließlich erreichte er einen unscheinbaren Laden, der sich an die östliche Stadtmauer schmiegte und Ketten aus Glasperlen und Falschgold verkaufte - oder zu verkaufen schien, denn wie Edrahil von Bayyin wusste, war das hauptsächliche Geschäft des Inhabers ein vollkommen anderes. Er betrat den kleinen Laden, der trotz der späten Stunde noch geöffnet und erleuchtet war, und sagte zu dem gelangweilt wirkenden jungen Mann hinter dem Tresen: "Ich hätte gern einen Diamanten." Dabei handelte es sich um die Parole, die der Schreiber ihm zuvor verraten hatte, und sein Gegenüber lebte sichtlich auf. "Natürlich, mein Freund. Er kostet nur zehn Silber."
Edrahil entspannte sich innerlich, als er den zweiten Teil der Parole erkannte. Der Mann kam hinter seinem Tresen hervor und zog einen Vorhang, hinter dem sich ein schmaler Gang verbarg, zur Seite. "Bitte hier entlang." Edrahil humpelte durch den Raum und durch die Öffnung in den Gang, und hinter ihm wurde der Vorhang sofort wieder zugezogen. Er folgte dem Gang, an dessen hölzernen Wänden eine einzige Fackel hing, um eine Ecke und sah am Ende eine Tür unter der Licht hervor drang. Nachdem er leicht angeklopft hatte, ertönte eine Stimme: "Wer ist da?"
Edrahil wusste, wenn er jetzt die falsche Antwort gab, würde er den Gang nie wieder verlassen - zumindest nicht lebend. "Wollen sie zufällig Schuhe kaufen?", fragte er, und hinter der Tür hörte er wie ein Stuhl zurückgeschoben wurde. Dann zwei, drei Schritte, die Tür öffnete sich und vor Edrahil stand ein kleiner, dunkelhäutiger Mann, der deutlich jünger war als erwartet.
"Seid ihr der Bote?", fragte er, und sein Gegenüber deutete eine kleine Verbeugung an.  "In Person. Bitte, kommt doch herein. Stoßt euch nicht den Kopf an, ihr Leute aus Gondor seit alle solche Riesen."
Edrahil nickte nur stumm, und ließ sich in dem Sessel gegenüber des Schreibtischs, auf dem sich riesige Papierberge auftürmten, nieder. Er hatte wohl verstanden, warum der Bote seine Herkunft erwähnt hatte: Der Mann zeigte sein Wissen, und drohte damit gleichzeitig.
"Also." Der Bote setzte sich Edrahil gegenüber, stützte die Ellbogen auf den Tisch und blickte ihn über die gefalteten Hände hinweg an. "Was verschafft mir die Ehre?"

Edrahil zog die Briefe aus seinem Gewand, und warf sie vor dem Boten auf den Tisch. "Einige Briefe, die möglichst schnell ihren Empfänger erreichen sollen." Der Mann nahm den kleinen Stapel mit einer gemächlichen Bewegung, und las mit unbewegter Miene die darauf geschriebenen Namen der Empfänger. "Der Schmuggler Izem... Teijo... Farnaka... As'ar... tz tz, eine illustre Gesellschaft." Im Gesicht des Boten rührte sich kein Muskel, als er fortfuhr: "Nun, das wird nicht billig."
Edrahil nickte mit ebenso unbewegter Miene, und warf einen Beutel auf den Tisch der beim Aufprall vielsagend klimperte. Nach einem kurzen Blick hinein sagte der Bote: "Wie es aussieht, werden wir uns einig. Spätestens Morgen werden die Briefe ihre Ziele gefunden haben."
"Ich verlasse mich auf euren guten Ruf", gab Edrahil zurück. Er wollte gerade aufstehen, als er beschloss ein Risiko einzugehen. Der Bote, dessen eigentlicher Name zumindest Bayyin unbekannt gewesen war, sorgte zwar hauptsächlich nur dafür, dass prekäre Botschaften diskret in die richtigen Hände gelangten, doch soweit Edrahil wusste, betätigte er sich auch als Verkäufer von Informationen und spürte, gegen entsprechendes Entgelt natürlich, sogar gesuchte Personen auf. "Eines noch...", sagte er zögerlich. "Habt ihr schon einmal von einem Mann namens Mustqîm gehört?"
Der Bote tat, als müsste er nachdenken. Dann sagte er: "Nein, tut mir Leid, da kann ich euch nicht helfen."
"Könnte ich eure Hilfsbereitschaft irgendwie anregen?", fragte Edrahil nach, und ein flüchtiges Lächeln huschte über das Gesicht seines Gegenübers. "In dieser Angelegenheit kann ich euch tatsächlich nicht helfen, weil ich selbst nichts weiß." Das Eingeständnis schien den Boten zu ärgern, doch Edrahil glaubte ihm nicht vollständig.  Er legte einen weiteren Geldbeutel vor sich auf den Schreibtisch, ließ aber die Hand darauf liegen. Der Bote seufzte.

"Na gut, wenn ihr es wirklich wissen wollt... Ich weiß nichts gesichertes über diesen Mann, obwohl ich tatsächlich schon von ihm gehört habe. Die einen behaupten, er wäre ein Flüchtling aus Gondor der sich den Namen Mustqîm nur zur Tarnung zugelegt hätte. Die anderen, dass er ein ehemaliges Straßenkind ist, das mit der Flotte nach Norden gesegelt ist und nun zurückgekehrt ist. Und wieder andere sagen, er wäre ein Attentäter den Suladan geschickt hat um unseren Fürsten zu töten."
Edrahil schob ihm widerwillig den Geldbeutel zu, und der Bote zuckte mit den Achseln. "Tut mir leid um euer Geld, ihr wisst so gut wie ich, dass das vermutlich alles Unsinn ist."
"Man kann eben nicht immer Glück haben", erwiderte Edrahil mit einem falschen Lächeln. "Habt ihr vielleicht auch von einem Kontakt zwischen diesem Mustqîm und Teijo gehört?"
Das Gesicht seines Gegenübers wurde abweisend. "Zu dieser Sache kann und werde ich euch nichts sagen. Ihr könnt euren Geldbeutel stecken lassen, denn das fällt unter das Briefgeheimnis, dass ich meinen Kunden zusichere." Edrahil stand auf und rückte seinen Mantel zurück. "Es war ja nur eine Frage", sagte er gleichmütig. "Ich freue mich jedenfalls, dass ihr meinen Besuch hier ebenso diskret behandeln werdet."

Er verließ das Hinterzimmer ebenso wie er gekommen war, und warf dem jungen Mann im Vorraum eine Münze zu, die dieser geschickt auffing. Dann trat Edrahil wieder hinaus auf die nächtlichen Straßen von Umbar, und machte sich auf den Heimweg.

Edrahil in sein Versteck...
« Letzte Änderung: 22. Jan 2020, 16:07 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

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Der Fürst von Umbar
« Antwort #18 am: 23. Okt 2016, 12:39 »
Edrahil, Valion und Valirë aus Edrahils Versteck


Die Zwillinge folgten Edrahil auf dessen Weg zum Hafen. Obwohl es Vormittag war, war nun etwas weniger auf den Straßen los. Valion fragte sich, ob heute vielleicht ein besonderer Tag war, an dem weniger gearbeitet wurde als sonst, doch ehe er Edrahil danach fragen konnte blieb dieser ohne Vorwarnung stehen, blickte sich wachsam um und setzte dann hastig die Kapuze seines Umhangs auf. Edrahil schien plötzlich erstaunlich großes Interesse an den Waren eines Obsthändlers zu haben und musterte dessen Stand eindringlich.
Valion warf seiner Schwester einen verwunderten Blick zu, doch diese deutete hinter ihn und machte ein alarmiertes Gesicht. Er dreht sich um und sah eine große Gruppe Menschen die Straße entlang auf sich zugehen. Inmitten von schwer gesrüsteten Palastwachen ging ein eindeutig haradisch aussehender Mann mit dichtem Bart, der jedoch die prunkvollen Gewänder eines Adeligen von Umbar trug.
"Macht Platz für den Fürsten von Umbar und Herrn der Quahtan!" rief der vorderste der Gardisten, offenbar ihr Anführer. Die Zwillinge eilten zu Edrahil hinüber und versuchten, ihn vor den Blicken des Fürsten abzuschirmen. So viel hatten sie verstanden: Edrahil wollte nicht erkannt werden. Und wie immer würde er gute Gründe dafür haben.

Als der Fürst und seine Leibwächter vorbeizogen warf der Anführer der Palastwache Valion einen misstrauischen Blick zu, und streifte ebenfalls kurz Valirës Gesicht. Doch der Mann blieb nicht stehen sondern begnügte sich damit, den Zwillingen wortlos zu verstehen zu geben, dass sie ihm besser nicht in den Weg geraten sollten. Angespannt sahen sie zu, wie die Prozession die Straße hinuntermarschierte und um eine Ecke bog.
"Das war Hasael," sagte Valirë unnötigerweise.
"Und mein guter Freund Aquan, der Anführer der Palastgarde," stieß Edrahil zwischen den Zähnen hervor.
"Wisst ihr, wo sie hingehen?" fragte eine neue Stimme, auf der Höhe von Valions Unterarm. Er trat überrascht einen Schritt zurück, genau wie Edrahil und Valirë.
"Túor! Was machst du denn hier?" platzte Valirë mit einer Mischung aus Überraschung und Verärgerung heraus.
Túor machte eine verschwörerische Geste. "Psssst, Valirë! Dieser Name ist geheim. Wenn ich das Haus verlasse, heiße ich Minluzîr, nach dem Vorfahren meiner Mutter."
"Und wo ist deine Mutter?" fragte Valirë streng.
"Hier," sagte Edrahil trocken und zog die Plane beiseite, die den Obststand den er als Deckung verwendet hatte überspannte. Dahinter kam eine schlanke Frauengestalt zum Vorschein, die sie offensichtlich belauscht hatte. Edrahil nickte zufrieden. Offensichtlich hatte er sein Gespür für Gefahren und Geheimnisse nicht verloren.
"Herrin Minûlîth, nehme ich an?" sagte er und deutete eine spöttische Verbeugung an.
Die Frau lächelte. "Sehr gut, Meister Edrahil, Ihr enttäuscht meine Erwartungen wahrlich nicht. Ich bin Minûlîth, Tochter Azgarzîrs. Erfreut, Euch endlich kennenzulernen."
"Die Freude ist ganz meinerseits," antwortete Edrahil. "Ich hörte, Ihr habt ebenfalls ein Interesse an Hasaels Sturz." Seine Stimme war nun beinahe zu einem Wispern geworden.
Statt einer Antwort nickte Minûlîth nur.
"Was tut Ihr hier?" fragte Valion. "Sagtet Ihr nicht, dass Tú... das Euer Sohn in der Sicherheit Eures Anwesens bleiben sollte?"
"Er muss lernen, auf sich Acht zu geben und die Künste, die sein Vater und das Volk der Insel beherrscht, ebenfalls erlernen," antwortete Minûlîth. "Doch dies ist nicht der rechte Augenblick für Gespräche. Zu viele neugierige Augen und Ohren. Wir werden uns wiedersehen, Edrahil, und das schon bald. Ich wünsche Euch einstweilen viel Erfolg bei eurem... Treffen."
Sie ergriff Túor an der Hand und verschwand mit ihm in einer Seitengasse.

"Also, das war interessant," sagte Valirë.
"Eher beunruhigend," korrigierte Edrahil. "Wir sind zu unvorsichtig gewesen. Hasael oder Aquan hätten mich beinahe erkannt, und eure neue Freundin hat uns auch nicht gerade unauffällig wirken lassen. Wir müssen zusehen, dass wir zum Hafen kommen. Es wäre unseren Zwecken nicht sehr dienlich, wenn ich als Gastgeber zu spät zu meiner eigenen Feier erscheine."
Und so setzten sie ihren Weg durch die Straßen fort. Unterwegs hörten sie aus den Gesprächen der Stadtbewohner allerlei Gerüchte. Eines besagte, dass sich rebellische Stammesführer und Häuptlinge im Norden in einer Wüstenstadt versammelten, um einem verstoßenen Prätendenten die Treue zu schwören .
"Rebellenabschaum," zischte ein Quahtan-Krieger, der sich mit einem Korsaren unterhielt. "Der Sultan wird sich ihrer bald annehmen und sie unter seinem Stiefel zerquetschen."
Außerdem hörten sie davon, dass es im Süden Handelsdispute geben sollte, die dafür sorgen könnten, dass noch weniger Waren den Weg in Umbars Hafen finden würden. Edrahil jedoch hatte es eilig, und so blieb keine Zeit, um groß auf das Gerede der Leute zu achten. Also beschleunigten sie ihre Schritte noch einmal und schlugen den Weg zum Hafen ein.

Sie erreichten die Unterstadt und konnten in der Ferne bereits die Masten der großen Handelsschiffe über die hier etwas niedrigeren Dächer ragen sehen. Edrahil blieb hier noch einmal stehen.
"Wenn das Treffen beginnt, will ich, dass ihr nichts ohne meine ausdrückliche Anweisung tut. Bleibt einfach hinter mir stehen, haltet Eure Waffen griffbereit und seht bedrohlich aus. Im besten Fall müsst ihr sonst nichts tun. Wenn mein Plan aufgeht werden wir bald über einige neue Möglichkeiten, wie wir gegen Hasael vorgehen können, verfügen."
Valion nickte und schaute zu seiner Schwester, die wie bereits vor einigen Tagen den gleichen seltsamen Ausdruck im Gesicht hatte.
"Wir werden dich.. ich meine, wir werden Euch nicht enttäuschen," sagte sie mit einem untypischem Leuchten in den Augen.
Edrahil kniff die Augen zusammen und knurrte: "Das würde ich euch auch schwer raten." Dann setzte er seinen Weg fort, und die Zwillinge folgten ihm.


Edrahil, Valion und Valirë zum Hafen
« Letzte Änderung: 25. Okt 2016, 09:51 von Fine »
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Im Verbrecherviertel
« Antwort #19 am: 29. Okt 2016, 00:22 »
Valion und Valirë vom Hafen Umbars


Erstaunlicherweise gelang es den Zwillingen, Farnaka und seinen Männern ungesehen durch die belebten Straßen Umbars zu folgen ohne dass dieser sie bemerkte. Sie hatten sich in braune Umhänge gehüllt und deren Kapuzen aufgesetzt und immer einen guten Abstand zu Farnaka gehalten, blieben jedoch gerade nah genug an ihm dran, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Bald schon stellten sie fest, dass der Unterweltanführer in Richtung eines der zwielichtigeren Viertel Umbars untewegs war.
"Ich wusste nicht, dass in dieser Stadt voller Abschaum noch ein Viertel geben kann, gegen das der Rest der Stadt geradezu anständig wirkt," kommentierte Valirë als sie an baufälligen Häusern vorbeikamen und die Straßen mehr und mehr von eindeutig zwielichtigen Gestalten bevölkert wurden. Glücklicherweise schien es bisher keiner der Bewohner des Viertels darauf angelegt zu haben, die Zwillinge aufzuhalten oder überfallen zu wollen.

Sie folgten Farnaka und seinen Männern bis zu einem größeren Haus am Rande eines Platzes, der wohl einst in den Tagen, als Gondor die Stadt beherrscht hatte, ein stiller Rückzugsort gewesen war, an dem man dem geschäftigen Treiben Umbars entfliehen konnte. Heute war von dem kleinen Park in der Mitte des Platzes nichts als eine überwucherte Wildnis geblieben, an deren Rändern verschlagen aussehende Männer herumlungerten und einen streitsüchtigen Eindruck machten. Valion kam es vor, als wäre dies ein Ort, an dem sich Schmuggler und Hehler trafen, um fragwürdige Ware auszutauschen. Und war nicht Farnaka selbst ein einflussreicher Schmuggler und Rivale von Izem? Hier waren sie offenbar an der richtigen Adresse.
Das Haus, in dem Farnaka verschwunden war, machte einen gut gesicherten Eindruck. Es lehnte mit der Rückwand an die Stadtmauer Umbars, die östlich davon verlief und besaß einen Hinterausgang, der direkten Zugriff auf den Wehrgang der Mauer bot. Es würde schwierig sein, dort hinauf zu gelangen, falls Farnaka zu fliehen versuchte. Vor dem Haupteingang standen bezahlte Schläger herum, ein halbes Dutzend an der Zahl, und die Zwillinge bezweifelten nicht, dass es im Inneren noch mehr von ihnen geben musste. Sie verstecken sich hinter einem wild wuchernden Baum im Park und berieten sich im Flüsterton.
"Wie lautet dein Plan?" fragte Valion seine Schwester.
"Sieht nach einer harten Nuss aus," flüsterte Valirë zurück. "Denkst du, eine Ablenkung würde funktionieren?"
"Nicht die Art von Ablenkung, die du dir vorstellst," schätzte Valion die Lage ein. "Du kannst vielleicht einen oder zwei von ihnen mit deinem Augenaufschlag ablenken, aber der Rest wird trotzdem wachsam bleiben."
Valirë schob beleidigt die Lippe vor. "Du unterschätzt mich, kleiner Bruder," schmollte sie, wurde aber gleich darauf wieder ernst. "Aber es sieht so aus als ob du diesmal Recht hättest. Es sind einfach zu viele."
"Wie sollen wir also vorgehen?" überlegte Valion. "Siehst du vielleicht ein unbewachtes Fenster oder etwas, das wir als Eingang benutzen können?"
"Nein, nicht einmal.... Moment, das da vorne könnte vielleicht funktionieren." Sie lenkte seine Aufmerksamkeit auf einen kleinen Balkon, der sich im dritten Stock befand. "Wir bräuchten nur ein Seil, und etwas Dunkelheit..."
Valion blickte zum Himmel hinauf, dann auf die Stelle, auf die Valirë gezeigt hatte. "Du bist verrückt," kommentierte er. "Der Plan gefällt mir. Also gut, ziehen wir's durch!"

Die Zeit bis zur Dämmerung verbrachten sie damit, ein Seil aufzutreiben und die Wachen genau im Auge zu behalten. Keiner der Schläger warf je einen Blick auf die oberen Stockwerke, was ihrem Plan sehr zugute kam. Valion beobachtete, wie immer wieder ein neuer Wachmann aus dem Haus kam und einen der draußen stehenden Menschen ersetzte. Es schien kein richtiges System dahinter zu stecken sondern basierte offenbar ausschließlich auf den Launen Farnakas, der seine Leute so einteilte, wie er es gerade für richtig empfand.
Er spürte eine sachte Berührung an der Schulter, und Valirë kniete sich neben ihn, ein langes Tau in den Händen. Er fragte nicht, woher sie es hatte, sondern nickte nur anerkennend. Jetzt konnte die nächste Phase ihres Planes beginnen. Er schnallte seinen Schwertgürtel ab und legte ihn neben die Wurzeln des Baumes, hinter dem sie sich versteckt hatten. Immer darauf bedacht, außer Sicht der Wachposten zu bleiben kletterte er geschickt den Stamm hinauf, das Seil um den Oberkörper gebunden. Es war nun dunkel genug, dass er in der Baumkrone unsichtbar blieb, wenn er keine schnellen Bewegungen machte. Valion befestigte das Seil am oberen Teil des Stammes in der Krone und half Valirë hinauf, die ihm seine Schwerter zurückgab.
"Also gut, versuchen wir es," sagte er und band das Seil wieder los, dann formte er daraus ein Lasso und ließ es locker aus dem Handgelenk im einem kleinen Bogen wirbeln. Zweimal musste er neu ansetzen, da Blätter und Äste im Weg waren, doch beim dritten Versuch gelang es ihm, genug Schwung aufzubauen, sodass er das Lasso in Richtung des hervorstehenden Dachgiebels schleudern konnte, der direkt oberhalb des kleinen Balkons lag und nur wenige Meter vom vorderen Ende des Astes entfernt war, auf dem die Zwillinge standen. Dennoch war es eine weite Distanz, die sie mit einem einfache Sprung niemals überqueren könnten. Also würden sie es auf etwas waghalsigere Art versuchen.
"Bist du bereit?" fragte er in Valirës Richtung. Diese nickte, stellte sich neben ihn und hielt sich mit beiden Armen an ihrem Bruder fest. Er spannte sich an, ergriff das Seil mit beiden Händen, und stieß sich vom Ast ab, der ihn leicht in die Höhe federn ließ. Der Schwung trug ihn mühelos über den Abgrund hinweg, viel leichter als er gedacht hatte - zu weit! Ehe er das Seil loslassen und sich auf dem Balkon abrollen oder auch nur reflexartig reagieren konnte schnellte die Hauswand auf die Zwillinge zu - und mit einem ohrenbetäubenden Krachen durchbrachen sie die dünne hölzerne Tür, die vom Balkon ins Innere des Hauses führte. Der Raum, der dahinter lag, war verlassen, doch noch immer hatten sie genug Schwung, um bis zur Rückwand des Zimmes geschleudert zu werden, wo sie polternd zum Liegen kamen.

Alle Luft wurde Valion aus der Lunge gepresst und er blieb einen Augenblick regungslos liegen. Der Aufprall und ihr Eintritt in Farnakas Haus war so laut gewesen, dass jederzeit eine Reaktion erfolgen musste. Er schüttelte sich, rappelte sich auf und sah nach seiner Schwester, die sich ächzend auf die Beine zog.
"Das hat ja gut funktioniert," stieß sie hervor. An ihrer Stirn war eine Platzwunde, und Valions Rücken fühlte sich an, als stünden die Muskeln in Brand. Abgesehen davon schienen sie jedoch bis auf viele, viele Prellungen, blaue Flecken und Schürfwunden keine allzu ernsten Verletzungen davongetragen zu haben. Sie zogen ihre Waffen und bezogen gegenüber der Tür Stellung, durch die jeden Moment alle im Haus befindlichen Schläger Farnakas gestürmt kommen mussten. Sie warteten, angespannt und in Erwartung eines harten Kampfes. Doch die Minuten vergingen, und nichts regte sich.
"Meinst du, wir sind vielleicht doch unbemerkt geblieben?" fragte Valirë in die Stille hinein.
"Unsinn, das Krachen war so laut, es hätte einen Toten aus seinem ewigen Schlaf erweckt," gab Valion zurück und spitzte die Ohren. "Hörst du das?" wisperte er. Und tatsächlich drangen aus dem unteren Stockwerk nun eindeutig Kampfgeräusche zu ihnen herauf.
"Scheint, als hätten die schon ohne uns angefangen," kommentierte Valirë. "Los komm, sehen wir es uns an!"

Sie riss die Türe auf, die das Zimmer mit dem Rest des Hauses verband, gerade als draußen eine vertraute Gestalt vorbeihuschte. Es war Farnaka, der offensichtlich auf der Flucht vor irgend etwas war.
"Hinterher!" rief Valion und die Zwillinge nahmen die Verfolgung auf. Sie eilten eine gewundene Treppe hinauf und kamen in einen großen Raum, der direkt unter dem Dach des Hauses zu liegen schien, denn die Wände liefen über ihnen im rechten Winkel zusammen. Sechs grobschlächtige Männer hatten hier Stellung bezogen, und Farnaka eilte an ihnen vorbei, auf die Tür auf der Rückseite zu.
"Da geht es wahrscheinlich nach draußen, auf die Mauer!" schlussfolgerte Valirë. "Er entkommt!"
Doch als Farnaka an der Tür riss, regte sich nichts. Sie war verschlossen, was dem Schmuggler einen derben Fluch entlockte. "Tötet sie! Macht sie fertig!" rief er außer sich vor Zorn seinen Männern zu, die ihre Waffen zogen und auf die Zwillinge losgingen. Ehe diese jedoch dazu kamen, ihre Schwerter einzusetzen huschte eine schwarze Gestalt zwischen ihnen vorbei und begann einen tödlichen Tanz mit den Schlägern. Valion hatte noch nie gesehen, wie sich jemand so bewegte. So schnell waren die Bewegungen dass die Gestalt im Halblicht des nur von einer schwachen Lampe an der Decke erhellten Raumes eher wie ein hin- und her springender Schatten wirkte. Hiebe schienen daran abzugleiten. Sechsmal blitzten die beiden langen Klingen der Gestalt auf, und sechsmal fiel ein Schläger tot zu Boden. Die Gestalt blieb stehen und Valion konnte nun erkennen, dass es sich um eine Frau handeln musste, die in eng anliegende schwarze Kleidung und einen ebenso dunklen Umhang gekleidet war. Eine Kapuze bedeckte den Kopf und ein Halstuch, das bis über die Nase hinauf gezogen war, die untere Hälfte des Gesichts. Dazwischen leuchteten zwei braune Augen hervor, die die Zwillinge einen kurzen Augenblick musterten, sich dann jedoch Farnaka zuwanden, der verzweifelt versuchte, die Türe hinter sich zu öffnen. Der Schmuggler machte den Mund auf, doch eher er um sein Leben betteln konnte zog die linke Klinge der Frau eine rote Linie über seine Kehle und er brach tot zusammen.

"Beeindruckend," sagte Valion, und die Gestalt drehte sich wieder um. "Macht es dir etwas aus, wenn wir Farnakas Kopf mitnehmen? Wir haben den Auftrag, ihn bei einem Bekannten abzuliefern."
"Ihr könnt ihn haben," sagte die Frau und zog ihren Mundschutz weg, was ein schmales Gesicht mit kleiner Nase und spitzem Kinn enthüllte. "Ihr seid die Zwillinge aus Gondor von denen es so viele Gerüchte in der Stadt gibt," stellte sie fest. Es war keine Frage.
"Die sind wir," bestätigte Valirë. "Da du weißt wer wir sind wäre es nur höflich, uns auch deinen zu verraten. Immerhin haben wir für die Ablenkung gesorgt, die es dir ermöglichte, in Farnakas Haus einzudringen."
Die Frau legte den Kopf schief, schien jedoch zuzustimmen. "Ja, dafür habt ihr meinen Dank. Ohne eure waghalsige Aktion wären die Wachposten nicht für den kurzen Moment abgelenkt gewesen, der mir gereicht hat um sie zu überwältigen. Man nennt mich Ta-er as-Safar," sagte sie und reichte Valirë die Hand. Sie schlug die Kapuze zurück, was ihre schulterlangen braunen Haare enthüllte. "Wir sollten nicht hierbleiben. Zwar glaube ich nicht, dass irgendjemand entkommen ist, aber..."
Die Tür, durch die Farnaka hatte fliehen wollen, schlug überraschend auf, und eine Stimme unterbrach sie: "Also, wen haben wir denn hier? Zwei gondorische Hunde und eine Auftragsmörderin? Seht Ihr, Kommandant, wie ich es euch gesagt hatte: Hier wurde soeben ein schändlicher Mord verübt!"
Es war Mustqîm, der nun gefolgt von einer großen Gruppe Stadtwächtern den Raum betrat. "Der arme Farnaka," sagte Mustqîm und stupste die Leiche mit dem Fuß an. "Wie gut, dass es nun Gerechtigkeit für seinen Tod geben wird!"
Ta-er und die Zwillinge wichen mit gezogenen Schwertern langsam in Richtung der Treppe zurück während immer mehr Wachen in den Raum strömten...
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RPG:

Eandril

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« Antwort #20 am: 30. Okt 2016, 00:21 »
Edrahil aus seinem Versteck...

~~Edrahil~~

Auch wenn Edrahil nicht genau wusste, wo Farnakas Versteck lag, hatte er keine Schwierigkeiten es zu finden... er musste schließlich einfach nur den Stadtwächtern folgen. Es war handelte sich um eine relativ große Gruppe, die in dem sehr zwielichtigen Viertel zweifellos für Aufsehen sorgte. Edrahil folgte den Wächtern in sicherem Abstand, bis sie einen verwahrlosten Platz erreichten an dem mehrere abweisend wirkende Häuser mit verschlossenen Fensterläden standen. Offensichtlich hatten sie ihr Ziel erreicht, denn die Gruppe hielt zielstrebig auf eines der Häuser zu, und einer der Wächter trat schwungvoll die Tür ein. Edrahil lehnte sich ein Stück entfernt an eine Hauswand, und hörte zu seinem Entsetzen Kampfgeräusche und Schreie aus einem der oberen Stockwerke dringen, während unten noch die Stadtwache das Haus betrat.
"Tja, sieht aus als würde es Farnaka endgültig an den Kragen gehen", sagte neben ihm Teijos Stimme.
"Ich dachte nicht, dass ihr persönlich kommt", erwiderte Edrahil, ohne seine Überraschung zu zeigen. Der Ostling, der ein leicht gebogenes Schwert auf dem Rücken und ein Kettenhemd trug, lächelte ein gefährliches Lächeln. "Ihr habt gesagt, ich sollte mein besten Männer schicken. Und dazu gehöre auch ich selbst."
Edrahil nickte, ohne das Lächeln zu erwidern. Teijo tat vermutlich nichts, was ihn selbst in Gefahr bringen konnte, ohne einen Hintergedanken.
"Glaubt ihr, eure Leute sind dort drin?"
"Oh ja", erwiderte Edrahil, während er das Haus fixierte. Inzwischen waren die Kampfgeräusche verstummt, und eine merkwürdige Stille hatte sich über den Platz gelegt.
"Sie mögen ja gut sein, aber gegen so viele Stadtwachen kommen sie nicht an. Und außerdem..." Teijo deutete nach oben, wo sich die Stadtmauer direkt an das Haus anschloss. Dort marschierte ein weiterer Trupp Wächter, die von einem Mann der eindeutig nicht der Stadtwache angehörte, angeführt wurde.
"Wie es aussieht, nimmt euer spezieller Freund Mustqîm auch an der Feier teil", meinte  Teijo. "Das ist er nämlich." Edrahil stieß einen kurzen Fluch aus, und sagte dann: "Teilt eure Männer auf. Die Hälfte geht mit euch durch das Haus, die anderen mit mir auf die Mauer." Teijo zog eine Augenbraue in die Höhe. "Mit euch? Ihr seht nicht so aus, als wärt ihr im Kampf besonders nützlich."
"Deshalb wollte ich ja eure besten Männer", erwiderte Edrahil ohne eine Miene zu verziehen. "Abgesehen davon kann ich auf mich aufpassen." Teijo zuckte nur mit den Schultern, gab seinen Männern Befehle und sagte dann während er bereits auf Farnakas Versteck zuging: "Ist ja eure Beerdigung."
"Es darf keiner der Wächter überleben", rief Edrahil, der seiner Gruppe in Richtung des nächsten Maueraufgangs folgte ihm nach. "Ansonsten weiß Hasael noch heute Nacht, dass wir zusammenarbeiten." Teijo zog sein Schwert, und seine weißen Zähne blitzten als er breit grinste.
"Darauf, mein lieber Edrahil, könnt ihr euch verlassen."

~~Valion~~

Die Zwillinge hatten ihre Schwerter gezogen und hielten sich bereit. Ta-er huschte zur Treppe, doch gleich darauf schüttelte sie den Kopf.
"Im Untergeschoss sind noch mehr von ihnen. Der Weg ist versperrt," sagte sie.
"Ihr dachtet doch nicht etwa, ich würde euch so einfach davonkommen lassen wie letztes Mal," meinte Mustqîm genüsslich. "Nein, nein, meine nordländischen Freunde. Ihr geht nirgendwo hin." Hinter ihm schloss der letzten Stadtwächter die Tür und verriegelte sie wieder.
"Du vergisst eines, Mustqîm," gab Valion zurück. "Nicht wir sind hier drin mit dir eingesperrt - du bist hier drin mit uns eingesperrt."
"Ich halte sie an der Treppe auf! Kümmert ihr euch um die hier im Raum!" rief Ta-er und schleuderte ein Wurfmesser die Stufen hinab, was ein lautes Poltern nach sich zog.
"Tanzen wir," raunte Valirë und machte einen Ausfallschritt nach vorne als die Gardisten auf sie zustürmten. Zwei von ihnen liefen ins Leere, und die Elbenklinge schnitt wie Butter durch die Panzerung, die sie am Rücken trugen und die offenbar keine allzu gute Qualität aufwies. Valion wirbelte um seine eigene Achse, parierte dabei mehrere Hiebe gegen seinen Oberkörper und kam mit einem Tritt aus der Drehung zum Stehen, der einen Gardisten gegen zwei seiner Kollegen krachen ließ. Gewandt tauchte er unter einem weiteren Schlag hinweg, schnitt den beiden zu Boden gefallenen Gardisten die Kehlen durch, und stand nun Mustqîm und dem Kommandanten der Wachen gegenüber, die an der Tür durch die sie gekommen waren Posten bezogen hatten.
"Komm, lass uns herausfinden, wer die bessere Klinge führt, Korsarenabschaum!" rief er herausfordernd und führte einen Hieb geben Mustqîm. Dieser jedoch drehte sich weg und zog seinen Säbel, mit dem er Valions zweites Schwert abblockte. Ein heftiger Zweikampf entbrannte, in den sich der Kommandant der Stadtwache nur selten einzumischen wagte. Valion musste zähneknirschend zugeben, dass der Bandit gut war. Immer wieder ließ Mustqîm seine Schläge ihr Ziel verfehlen indem er sich auf unerwartete Art und Weise aus ihrer Bahn bewegte. Er schien für diese Art von Kampf geboren zu sein: Ohne Regeln, auf engem Raum, und mit vollem Körpereinsatz. Er verpasste Valion mit der freien Hand einen Fausthieb, der den Gondorer rückwärts gegen einen Stadtwächter taumeln ließ. Schnell fing er sich wieder und stach den Mann nieder, mit dem er zusammengeprallt war. Ein schneller Blick zeigte ihm, dass sich Valirë ihre Feinde mit weit ausholenden Schlägen vom Leibe hielt und bereits drei Gardisten gefällt hatte.
Die scheinen hier wirklich keine besonders gute Ausbildung zu erhalten, dachte er während er einem der Stadtwächter seine Klinge durch die ungeschützte Stelle zwischen Brustpanzer und Helm rammte.
Sie hatten sich deutlich besser geschlagen als er sich erhofft hatte. Nur noch fünf Gardisten waren übrig und scharten sich um ihren Kommandanten, die Waffen in Richtung der Zwillinge erhoben.
"Ihr verliert doch nicht etwa schon die Lust am Kampf, meine Herren?" spottete Valion.
Doch ehe Mustqîm oder der Kommandant antworten konnten, wurde hinter ihnen die Türe brutal eingetreten.

~~Edrahil~~

Einer von Teijos Männern versetzte der verschlossenen Tür einen harten Tritt auf Höhe des Schlosses, der das Holz splittern und die Tür aufschwingen ließ. Edrahil und seine Begleiter blickte in die verdutzten Gesichter der Zwillinge und ihrer Gegner, und Edrahil deute eine spöttische Verbeugung an.
"Guten Abend meine Herren - und Dame." Er verkniff es sich, Valirë zuzuzwinkern, und fuhr stattdessen fort: "Ich muss eure Unterhaltung leider unterbrechen." Er blickte auf die am Boden liegende Leiche Farnakas, und sagte an Valion gewandt: "Nun, wenigstens den Teil meines Auftrags hast du ausgeführt."
Valion stockte kurz, und erwiderte dann langsam: "Das war nicht..." Bevor er zu Ende sprechen konnte, stolperte eine Frau mit zwei langen Klingen rückwärts in den Raum, verfolgt von weiteren Stadtwachen, die ihrerseits von Teijo und seinen Männern zurückgedrängt wurden. So ergab sich eine merkwürdige Situation: Valion, Valirë und die Unbekannte waren von Stadtwachen umzingelt, die ihrerseits von Edrahil, Teijo und ihren Männern eingeschlossen waren.
"Edrahil von Linhir?", fragte der einzige Mann unter den Stadtwachen, der nicht ihre Rüstung trug, und Edrahil seufzte. "Es scheinen mehr Leute meinen Namen zu kennen als mir lieb ist. Aber glücklicherweise kenne ich den euren ebenfalls. Mustqîm, nehme ich an?" Bevor der Mann auch nur nicken konnte, sprach Edrahil weiter.
"Nun, ihr seid ein glücklicher Mann, Mustqîm. Ihr seid der einzige eurer Partei, der diesen Ort lebendig verlassen wird."
Er nickte Teijo auf der anderen Seite des Raumes zu, und trat dann rasch einen Schritt zur Seite um die fünf Kämpfer hinter sich durch die Tür zu lassen.

~~Valion~~

Die Stadtwachen, die sich nun ihrerseits mit einer Überzahl an Gegnern konfrontiert sahen, warfen Edrahil und Teijo flehende Blicke zu, doch als sie sahen, dass sich an der Aussage des Herrn der Spione nichts ändern würde verhärteten sich die Gesichtsausdrücke der Männer und sie machten sich bereit für ihr letztes Gefecht. Es war schneller vorbei, als Valion erwartet hatte. Er selbst musste nichts tun als zwei wilde, verzweifelte Hiebe zu parieren. Den Rest übernahm die geheimnisvolle Ta-er as-Safar, die mit wirbelnden Klingen Feind um Feind niederstreckte und überall gleichzeitig zu sein schien. Doch auch Valirë sorgte noch einmal dafür, dass allen Anwesenden eindrücklich klar wurde, dass mit ihr nicht zu spaßen war, als sie zwei Köpfe rollen ließ und sich danach unbeeindruckt das auf ihr Gesicht gespritzte Blut abwischte.
"Edrahil!" rief sie und ein Lächeln breitete sich auf ihrem hübschen Gesicht aus. "Wie immer gerade rechtzeitig!"
Valion verdrehte die Augen. Offenbar hatte es sich seine Schwester tatsächlich in den Kopf gesetzt, den Herrn der Spione beeindrucken zu wollen. Er hoffte inständig, dass der Grund dafür nicht das war, was er vermutete.
Eine Hand tippte ihm auf die Schulter. Es war Ta-er. "Habt Dank, Valion. Wir werden uns wiedersehen, wenn die Zeit reif ist. Bis dann hoffe ich, Ihr gebt auf Euch und Eure Schwester Acht."
"Ihr ebenso, Ta-er as-Safar," erwiderte er. Die Frau drehte sich um und huschte zwischen zwei von Teijos Männern hindurch und verschwand die Treppe hinab.
Valion wandte sich Mustqîm zu, den Edrahil inzwischen entwaffnet hatte. "Ich schätze, das hast du dir etwas anderst vorgestellt, Bandit," spottete er.
"Gondorischer Hunde," gab dieser an Edrahil und Valion gewand und wütend zurück. "Ihr werdet schon sehen, was du davon hast. Genießt euren kleinen Triupmh. Er wird nicht anhalten."
"Wir werden sehen," antwortete Valion. "Wir werden sehen..."

Edrahil, Valion, Valirë und Mustqîm zum Hafen...
« Letzte Änderung: 22. Jan 2020, 16:09 von Fine »

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Eandril

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Der Abend des Festes
« Antwort #21 am: 16. Nov 2016, 21:04 »
Edrahil und die Zwillinge vom Hafen...

Der Abend des Festes war klar und mild, und die Feierlaune der Bewohner Umbars auf den Straßen war deutlich zu spüren. Doch über allem glaubte Edrahil eine gewisse Unruhe und Zorn zu spüren, der sich, wie er hoffte, mit Hilfe seiner Verbündeten auf Hasael richten würde.
Als er gefolgt von Bayyin und den Zwillingen den kleinen Platz im Norden der Stadt, nahe des Fürstenpalastes betrat, waren am östlichen Himmel bereits die ersten Sterne zu sehen, obwohl die Sonne im Westen noch nicht völlig versunken war. In dieser Gegend lagen größere Häuser und Anwesen, die Adligen oder reichen Händlern gehörten, und auf den Straßen war deutlich weniger festliche Betriebsamkeit zu spüren als in den anderen Vierteln, die sie auf ihrem Weg durchquert hatten. Auch wenn Edrahil ein wenig mehr Betrieb als Deckung lieber gewesen wäre, hatte es doch den Vorteil, dass er Minûlîth und ihre Schwester sofort erspähen konnte. Beide trugen prachtvolle Kleider in einem samtigen, dunklen Blau, und erinnerten Edrahil an die festlich gekleideten Damen bei Festen am Hofe Dol Amroths. Auch wenn er solche Anlässe nie wirklich genossen hatte, fühlte er sich beim Anblick der Schwestern dennoch angenehm in seine Heimat zurückversetzt. Es war in diesem Moment, dass ihm bewusst wurde wie sehr er Umbar, mit seinen staubigen, überfüllten Straßen eigentlich satt hatte.
"Edrahil", grüßte Minûlîth ihn mit einem knappen Nicken. Auch wenn sie und Edrahil bislang gut zusammengearbeitet hatten, stand die Tatsache dass Edrahil ihr nicht offen vertrauen wollte, noch immer zwischen ihnen. Doch Edrahil konnte nicht anders, denn er hatte sich sein Misstrauen gegenüber nahezu jedem über die Jahre angewöhnt und würde es nicht ausgerechnet in einer fremden, feindlichen Stadt aufgeben.
"Wie schön, dass ihr es einrichten konntet", erwiderte er, und Lóminîth meinte: "Um nichts in der Welt würde ich ein solches Ereignis verpassen wollen... und meinen Verlobten habt ihr ja auch mitgebracht." Sie zwinkerte Valion zu, der zu Edrahils Überraschung leicht errötete. Bei dem Ruf, den der Erbe des Ethirs sich in Gondor erarbeitet hatte, hätte Edrahil erwartet dass Valion sich weniger leicht von einem hübschen Gesicht aus der Fassung bringen lassen würde. Doch offenbar hatte Lóminîth Valion mehr beeindruckt, als der Junge sich selbst oder gar Edrahil gegenüber zugeben wollte. Edrahil hoffte nur, dass Lóminîth tatsächlich auf ihrer Seite stand, und nicht versuchen würde, Valion für ihre Zwecke zu benutzen.

"Nun gut", sagte er. "Ich hoffe, alle wissen, was sie zu tun haben?" Zufrieden bemerkte er das Nicken und die gemurmelte Zustimmung ringsum. Er ließ den Blick ein letztes Mal durch die Runde schweifen, über Minûlîth und ihre Schwester zu Valion und Valirë, die seinen Blick entschlossen erwiderten, und schließlich zu Bayyin, der sich in seiner Haut kein bisschen wohlzufühlen schien. Eigentlich war Edrahil dagegen gewesen, den Schreiber ausgerechnet an diesem Abend in die Palastbibliothek einzuschleusen - schließlich wäre nach Hasaels Sturz noch Zeit genug, den Reisebericht zu finden. Doch Bayyin hatte ihn überzeugt, dass dieses Ziel zu wichtig war, um es vom Erfolg ihres heutigen Planes abhängig zu machen, und so war Bayyin nun ebenfalls an Bord.
"Also gut. Dann lasst uns an die Arbeit gehen. Mögen die Valar mit uns allen sein." Eigentlich war Edrahil kein besonders gläubiger Mensch, und machte sich keine großen Gedanken darüber ob die Valar nun mit ihm waren oder nicht. Doch am heutigen Abend konnten sie jeden Beistand, ob nun göttlich oder nicht, sicherlich gebrauchen.

Edrahil, Valion, Valirë, Minûlîth, Lóminîth und Bayyin zum Palast des Fürsten...
« Letzte Änderung: 22. Jan 2020, 16:10 von Fine »

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Eandril

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Der Sturz des Fürsten
« Antwort #22 am: 20. Nov 2016, 17:19 »
Edrahil, Bayyin, Valirë und Lothíriel aus dem Palast des Fürsten

Draußen auf den Straßen war das von Edrahil erwartete Chaos ausgebrochen, und an mehreren Orten stieg Rauch in den Himmel auf.
"Was geht hier vor sich?", fragte Lothíriel, die direkt hinter ihm auf die Straße hinausgetreten war. "Eure Befreiung war nur ein Teil unseres Plans", erklärte Edrahil, während Valirë als letzte den Palast verließ und die Tür hinter sich verschloss. "Was ihr hier vor euch seht, ist Hasaels Sturz."
"Zumindest hoffentlich", mischte sich eine Edrahil wohlbekannte Stimme in das Gespräch ein. Auf der anderen Seite der Straße stand Teijo, lässig an eine Hauswand gegenüber der Palastmauer gelehnt, mit einigen seiner Männer. "Was treibt ihr hier eigentlich, Edrahil? Sieht nicht danach aus, als würde das zu eurem Plan gehören, Hasael das Lebenslicht auszupusten."
Edrahil fixierte den Ostling aufmerksam, seufzte dann und sagte: "Ihr wusstet Bescheid, nicht wahr?" Teijo grinste breit, und ließ seine perfekten weißen Zähne sehen. "Ich wusste, dass Hasael die Prinzessin von Dol Amroth gefangen hielt, und konnte mir denken, dass ihr versuchen würdet sie zu befreien - was euch anscheinend gelungen ist. Meinen Glückwunsch." Er wandte sich Lothíriel zu, und deutete eine Verbeugung an. "Es ist mir eine Ehre, euch kennen zu lernen. Ich bin Teijo, ein ehrenhafter Händler und Geschäftsmann."
"Womit er sagen will, dass er Diebe, Mörder und Schläger an jeden vermietet, der ihn ausreichend bezahlt", knurrte Edrahil. "Was hat dieser Auftritt hier zu bedeuten?" Dass Teijo über Lothíriel Bescheid gewusst hatte, sich aber entschlossen hatte dieses Wissen nicht zu teilen, war beunruhigend. Edrahil fragte sich, ob der Ostling Verrat geplant hatte, vielleicht sogar für Suladân arbeitete.
Teijo warf seinen Dolch in die Luft, fing in locker wieder auf und erwiderte: "Nichts bedeutendes. Ich wollte lediglich einmal der wunderschönen Prinzessin von Dol Amroth begegnen, und euch mitteilen dass in der Stadt bislang alles nach Plan läuft."
Seine Worte waren beruhigend, dennoch gefiel Edrahil die Tatsache nicht, dass er so wichtige Informationen einfach verschwiegen hatte - vor allem, da ein Mann wie Teijo wissen musste, dass Edrahil dadurch auf gar keinen Fall mehr vertrauen würde.
"Hasaels Männer laufen wie die Hasen", fuhr Teijo fort. "Bis auf die, die eingesehen haben, dass ihr Fürst in dieser Stadt keine Zukunft mehr hat, und sich uns angeschlossen haben. Und da ich gerade sonst nichts zu tun hatte dachte ich, dass ich dafür sorge dass ihr sicher an euer Ziel kommt."
"Das ist... äußerst fürsorglich von euch", sagte Edrahil langsam, und Teijo breitete grinsend die Arme aus. "Was soll ich sagen, ich kann einfach nicht anders."
Bevor er jedoch weitersprechen konnte, stieß Valirë einen warnenden Ruf aus. Aus Richtung des Palasttores näherte sich eine Gruppe bewaffneter Männer, die einen engen Kreis bildeten. Sofort pfiff Teijo auf zwei Fingern, und weitere seiner Leute traten aus den Seitengassen hervor, auch hinter der sich nähernden Gruppe.

Von Teijos Leuten eingeschlossen blieben die Soldaten stehen, und Edrahil erkannte den Mann sofort, denn sie in die Mitte geschlossen hatten.
"Edrahil?", keuchte Hasael, Fürst von Umbar und Scheich der Quathan erschrocken auf, und Edrahil lächelte grimmig. "Hasael. Und meinen guten Freund Mustqîm habt ihr auch dabei, wie schön. Ich fürchte, eure Herrschaft über Umbar endet in diesem Moment."
Hasael wirkte gehetzt, sein Blick wanderte von rechts nach links, doch es gab keinen Fluchtweg für ihn.
"Hört mal, Edrahil... wir können uns doch bestimmt über alles einigen. Wie viel zahlt euch euer Fürst? Ich zahle mehr." Zur Antwort schnaubte Edrahil verächtlich.
"Ich arbeite nicht für Bezahlung." Hasael leckte sich nervös die Lippen, und wechselte einen Blick mit Mustqîm, der ihm, wie Edrahil auffiel, verdächtig ähnlich sah.
"Es wird mir eine Freude sein, euch persönlich an euren Neffen Qúsay - der mit euch sicherlich einiges zu bereden hat - auszuliefern", fuhr Edrahil genüsslich fort. Er wusste, dass es gefährlich war einen Triumph auszukosten bevor er gesichert war, doch in diesem Fall konnte er nicht anders. Wie sollte Hasael ihm jetzt noch entkommen?
"Fragt ihn nach Valion", sagte Valirë leise, was Edrahil wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Wenn Hasael hier war musste das bedeuten, dass Valion gescheitert war - obwohl Edrahil aus der Tatsache, dass Hasael eindeutig vor jemandem floh anstatt sich vor dem von Teijo angezettelten Aufstand in seinem Palast zu verschanzen schloss, dass Valion zumindest vermutlich noch am Leben war.

Er kam nicht dazu, Valirës Bitte auszuführen, denn im selben Moment sprang eine Gestalt in einem hellroten Kleid aus einem der Fenster des Palastes, und Edrahil erkannte trotz der Dunkelheit sofort die geheimnisvolle Ta-er, die er bereits in Farnakas Haus gesehen hatte. Im nächsten Augenblick wurde der Grund für ihren plötzlichen dramatischen Auftritt offenbar, denn aus dem zerbrochenen Fenster folgten ihr weitere schwarzgekleidete Gestalten, und Ta-er, die katzengleich auf der Straße gelandet war, hob ihre Schwerter.
Die allgemeine Verwirrung nutzten Hasaels Soldaten dazu, aus der Umkreisung durch ihre Feinde auszubrechen, und griffen geschlossen Teijo und seine Männer an, während Ta-ers Verfolger, die immer mehr wurden, sich auf beide Parteien gleichzeitig stürzten.
Valirë zog ihr Schwert Gilrist zum wiederholten Mal an diesem Abend und warf sich in den Kampf, während Edrahil Lothíriel packte und unsanft in einen Hauseingang zog. Bayyin tauchte hinter einem mit Wasser gefüllten Fass ab, wobei er seine Schriftrolle wie einen unbezahlbaren Schatz umklammerte.
Von seiner geschützten Position aus beobachtete Edrahil den Kampf und versuchte zu verstehen, was vor sich ging. Ta-ers Verfolger schienen beiden Seiten feindlich gegenüber zu stehen, denn sie griffen sowohl Hasaels Soldaten als auch Teijo und seine Männer an. Valirë hatte sich zu dem Ostling gesellt und kämpfte Rücken an Rücken mit diesem gegen die unbekannten Angreifer.
Der Kampf war nur kurz, denn Teijos Männer waren bei weitem in der Überzahl, doch als Edrahil aus seinem Versteck wieder hinaus auf die Straße trat, stellte er fest dass die Auswirkungen keineswegs gering gewesen waren: Hasael und Mustqîm fehlten, und unter den Leichen der fürstlichen Soldaten konnte er die festliche Kleidung der beiden nicht entdecken.
Er stieß einen kurzen Fluch aus, und sagte: "Wer immer das war, er wird dafür büßen." Er ließ seinen Blick über den Kampfplatz schweifen, der mit Leichen übersät war. Hasaels Leibwachen waren sämtlich gefallen, ebenso wie die unbekannten Angreifer und viele von Teijos Leuten. Auch Ta-er in ihrem roten Kleid lag regungslos am Boden, die Augen geschlossen und auf ihrem Kleid breitete sich ein dunkler Fleck aus. Teijo schien vollkommen unverletzt zu sein, während Valirë einen langen aber ungefährlich aussehenden Schnitt am linken Arm davongetragen hatte.
"Hasael?", fragte sie, während sie sich den verletzten Arm hielt, und Edrahil schüttelte düster den Kopf. "Nein. Wie es aussieht haben er und Mustqîm das Durcheinander genutzt um zu entkommen."
"Ich werde meine Leute benachrichtigen, nach ihm Ausschau zu halten", warf Teijo ein. "Aber ich fürchte es ist zu spät und er wird entkommen."
"Tut es trotzdem", erwiderte Edrahil müde. Zwar hatten sie Erfolg gehabt und Hasael als Fürsten von Umbar gestürzt, doch solange er lebte und in Freiheit war, stellte er eine Gefahr für sie dar. "Wir sollten hier verschwinden, wer weiß wer noch auftaucht und ein Wort in dieser Angelegenheit mitreden will."
"Was ist mit Ta-er?", fragte Valirë, die neben der Frau in die Hocke gegangen war und ihr zwei Finger an den Hals gelegt hatte. "Ihr Herz schlägt noch."
Edrahil zuckte mit den Schultern. "Lass sie liegen. Was kümmert sie uns, diese Katastrophe war schließlich ihre Schuld."
"Aber... sie hat Valion und mir in Farnakas Haus geholfen! Und sie hat auch jetzt auf unserer Seite gekämpft", protestierte Valirë, und Edrahil schloss kurz die Augen.
"Meinetwegen, nimm sie mit. Auf deine Verantwortung, Valirë." Er wandte sich um und blickte in die Runde. "Sonst noch jemand?"
"Ja, ich", ließ Teijo vernehmen, und zog einen der schwarzgekleideten Angreifer auf die Füße. "Der hier ist ebenfalls nicht tot, sondern nur bewusstlos. Und ich könnte mir vorstellen, dass er ein paar interessante Dinge zu erzählen hat."
Edrahil erkannte den Bewusstlosen sofort: Es war Azeem, einer von Salemes Assassinen, mit dem er selbst vor einiger Zeit zusammengearbeitet hatte. Er erinnerte sich an Salemes Drohungen an dem Tag, als Mustqîm entkommen war, und verspürte plötzliche eine kalte Wut auf seine ehemalige Verbündete. "Nehmt ihn ebenfalls mit", sagte er knapp. "Aber fesselt ihn vorher."

Sie erreichten den vereinbarten Treffpunkt nur wenig später, und mit Erleichterung stellte Edrahil fest, dass Valion, Minûlîth und Lóminîth bereits dort waren und auf sie warteten. "Lothíriel, wie schön dich zu sehen", begann Valion im Plauderton, doch als er die Gruppe genauer betrachtete, verschwand das Lächeln auf seinem Gesicht wie weggewischt. "Was ist denn mit euch passiert?"
"Wir hatten einen kleinen Zusammenstoß mit Hasaels Männern und einem Trupp Assassinen", erklärte Edrahil, hob aber die Hand als Valion den Mund öffnete, um etwas zu erwidern. "Aber das hat Zeit. Bis die Lage in der Stadt sich beruhigt hat, sollten wir uns einen sicheren Ort suchen."
"Mein Haus ist euer Haus", warf Minûlîth ein. Edrahil blickte ihr einen Moment nachdenklich in die Augen, und sie erwiderte den Blick standhaft. Dann nickte er, und sagte: "Also gut. Lasst uns hier verschwinden."

Edrahil, Valion und die ganze Gruppe in Minûlîths Anwesen
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Flucht ins Chaos
« Antwort #23 am: 9. Jan 2017, 13:36 »
Edrahil, Minûlîth, Lothíriel, Bayyin, Valirë, Lóminîth, Arannis, Túor und Valion aus Minûlîths Anwesen


Nur wenige Minuten später fand sich die kleine Gruppe auf der Straße vor Minûlîths Anwesen zusammen. Es war keine Zeit geblieben um Teijo oder anderer ihrer Verbündeten zu benachrichtigen da Hasaels Soldaten bereits in die Stadt eingedrungen waren und ein noch größeres Chaos verursachten, als es Umbar am Tag des Fests der Seewinde und des Sturzes seines Fürsten erlebt hatte. Valirës Beobachtungen und hastigem Bericht nach kam das Heer aus dem Osten. Dort lag das Stammesgebiet der Quahtan, Hasaels Stamm, und dahinter lag Qafsah, die große Stadt und Festung Sûladans. Edrahil hatte die Vermutung geäußert, dass Hasael in den zehn Tagen seit seiner Flucht aus Umbar mit großer Hast ein schlagkräftiges Heer zusammengezogen hatte.
"Umbar ist zu wichtig für Sûladans Krieg, um es zu ignorieren," erklärte Edrahil während die Gruppe durch die Straßen der Stadt eilte. Sie bewegten sich grob in nördliche Richtung, denn sowohl Hafen als auch das östliche Haupttor Umbars mussten inzwischen vor Feinden wimmeln. "Sûladan und Hasael können es sich nicht leisten, diese strategisch wichtige Festung kampflos aufzugeben. Damit verlören sie den wichtigsten Hafen an der Westküste Harads."
"Immerhin wird diese Truppenbewegung vielleicht Streitkräfte abziehen, die sich ansonsten Qúsays Heer in den Weg gestellt hätten," befand Minûlîth, die den Schnitt an ihrem Kopf inzwischen verbunden hatte. "Hasaels Sturz wird vielleicht doch kein fruchtloses Unterfangen bleiben,"
"Erst einmal müssen wir Herrin Lothíriel und die anderen sicher aus der Stadt schaffen," knurrte Edrahil und schubste grob einen Mann beseite, der der Gruppe im Weg stand. Das allgemeine Chaos in Umbar hatte zum Ausbruch mehrerer Feuer geführt und überall waren kleinere Kämpfe zwischen Hasaels Soldaten, der Stadtwache und Banditen, Schlägern und anderen Kriminellen ausgebrochen. Offenbar stand zwar der Großteil der Gardisten wirklich auf der Seite des zurückgekehrten Fürsten, doch Valion sah auch einige von ihnen Seite an Seite mit Männern kämpfen, die zu Teijos Untergrundorganisation gehörten. Er vermutete, dass dabei vor allem die Bezahlung dahintersteckte.

Auf einem der kleineren Marktplätze gerieten sie zum ersten Mal in ein Gefecht, dem sie sich nicht entziehen konnten. Hasaels Soldaten hatten hier gerade die Überhand über ihre Feinde gewonnen, als Edrahils Gruppe den Platz betrat. Offenbar hatte Hasael den Kommandanten seiner Streitmacht Beschreibungen Edrahils und seiner Verbündeten gegeben, denn als die Soldaten sie sahen, riefen sie: "Dort sind sie!" und verwickelten die Gruppe in einen heftigen Kampf. Valion und Valirë zogen ihrer Schwerter und versuchten, Lothíriel, Arannis, Bayyin, Túor und Lóminîth vor den Angreifern zu schützen. Minûlîth und Edrahil schlossen sich dem Gefecht an, welches schließlich durch das Eintreffen einer kleinen Gruppe von Männern in den schweren Rüstungen der Palastgarde entschieden wurde. Mit ihren kunstvoll gefertigten Hellebarden drängten die Palastwächter die Haradrim-Krieger Hasaels für einen kurzen Augenblick zurück und verschafften Edrahils Gruppe die Gelegenheit, den Marktplatz zu überqueren.
"Geht weiter, Ratsherrin!" riefen sie Minûlîth zu. "Wir halten diese Hunde auf!"
"Den Winden sei Dank dass es noch treue Menschen wie diese gibt," stieß die Adelige dankbar hervor. "Kommt weiter! Wir dürfen jetzt nicht stehen bleiben."

Túor, die Augen vor Aufregung und Furcht weit aufgerissen, rannte neben seiner Mutter her, so schnell ihn seine Beine trugen. Valion hoffte, dass der Junge der Situation unbeschadet entgehen würde, denn er hatte ihn trotz seiner schier endlosen Fragen über die Insel lieb gewonnen. Während er mit seinem rechten Schwert einen Haradrim-Krieger erstach, der sich ihnen in den Weg gestellt hatte, dachte Valion daran, wie die Lage nur so gründlich hatte schiefgehen können. Noch an diesem Vormittag hatte er sich bereits in vollster Sicherheit gewähnt und von seiner triumphalen Rückkehr nach Dol Amroth und zum Ethir geträumt. Wieso nur haben wir Hasael nicht verfolgt? Wir hätten niemals zulassen dürfen, dass er dem Fest der Seewinde entkommt. All dies hätte verhindert werden können! Er zog die Klinge aus dem Körper des Toten und stieß die Leiche in den Straßengraben während die Gruppe weiterrannte. Für den Bruchteil einer Sekunde blieb Valion stehen und sammelte sich. Keine Zeit für Zweifel, rief er sich selbst zur Vernunft. Erst einmal müssen wir es aus der Stadt hinaus schaffen.

Als die nördliche Stadtmauer gerade in Sicht kam erklang hinter ihnen ein Schrei. Es war Arannis, die auf den letzten Metern etwas zurückgefallen war. Die Tochter von Hasaels Vorgänger war in ihrer Eile gestürzt und wollte sich gerade wieder aufrappeln als überraschend eine große Gruppe der Soldaten ihres ungeliebten Ehemannes aus einer Seitengasse kamen und sie umringten.
"Arannis!" rief Minûlîth erschrocken. "Wir müssen ihr helfen!"
"Nein!" rief ihr ihre Freundin zu. "Geht und rettet euch! Es bleibt keine Zeit!"
"Sie hat Recht," sagte Edrahil und bedeutete der Gruppe, weiter in Bewegung zu bleiben. "Wir können jetzt nichts für sie tun."
"Geht!" rief Arannis wieder. Valion stellte fest, dass die Frau nicht wirklich danach aussah, als wäre sie verzweifelt... sondern eher so, als hätte sie einen Plan. Er rannte weiter.

Edrahil kam als Erster an der Mauer an und führte die Gruppe so schnell es ihm sein Bein erlaubte noch ein Stück an dem hoch aufragenden Bauwerk in westlicher Richtung entlang, bis er zu einem unscheinbar aussehenden Holzverschlag kam, der an die Mauer gebaut worden war.
"Das müsste die Stelle sein, die Izem mir beschrieben hat," sagte er zufrieden und zog einen Schlüssel hervor, mit dem er die Tür des Schuppens eilig aufschloss. Dahinter kam ein Tunneleingang hervor. Edrahil legte Valion die rechte Hand auf die Schultr und schärfte ihm ein: "Ihr nehmt den Tunnel und wenn ihr ihn hinter euch lasst, folgt ihr der Bucht weiter nach Nordwesten, bis die Landzunge so dünn wird, dass ihr die nördliche Küste sehen könnt. Dann haltet ihr Ausschau nach Kapitän Veantur - er muss in den nächsten Stunden mit seinem Schiff dort vorbeikommen. Bring Lothíriel in Sicherheit! Hast du das verstanden?" fragte er eindringlich.
Valion nickte, doch Verwirrung bemächtigte sich seiner Gedanken. "Geht Ihr denn nicht mit uns?" fragte er den Herrn der Spione.
"Minûlîth und ich haben noch etwas in der Stadt zu tun. Wir haben etwas Wichtiges vergessen und müssen uns jetzt darum kümmern."
Die Adelige, die gerade ihre übrigen Begleiter durch den Tunneleingang winkte, nickte zustimmend. "Wir kommen nach, sobald es geht. Jetzt eilt euch!"

Gefolgt von seiner Schwester betrat Valion den Tunnel und ließ Umbar hinter sich.


Lothíriel, Valirë, Bayyin, Túor, Lóminîth und Valion zum Kap Umbar
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Eandril

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Re: Auf den Straßen von Umbar
« Antwort #24 am: 9. Jan 2017, 20:23 »
Sobald Bayyin als letzter den Tunnel betreten hatte, schloss Edrahil die Tür hinter ihm und drehte den Schlüssel im Schloss herum, denn er wollte verhindern, dass Valion oder Valirë es sich anders überlegten, und doch in die Stadt zurückkehrten.
"Wir haben etwas wichtiges vergessen...", meinte Minûlîth mit spöttisch hochgezogener Augenbraue. "Etwas besseres ist euch nicht eingefallen." Von der Verzweiflung, die sie noch Momente zuvor ausgestrahlt hatte, war nichts mehr zu spüren - offenbar hatte Minûlîth sich mit dem Gang der Ereignisse abgefunden. "Nein", gab Edrahil zu, und zog die Adlige am Arm mit sich. Trotz seiner anfänglichen Ablehnung ihr gegenüber war Edrahil inzwischen froh darüber, sie an seiner Seite zu wissen.
"Habt ihr einen Plan?", fragte Minûlîth nach, während sie durch eine menschenleere Seitengasse eilten, und Edrahil schüttelte den Kopf. "Nein - das heißt, nicht wirklich."
"Also eine Idee?" Bevor er antworten konnte, zog Minûlîth ihn in einen Hauseingang. Für einen Moment verharrten sie regungslos, während auf der Straße ein Trupp Soldaten mit Schlangenemblemen vorbei eilte, genau in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
"Gut, dass wir den Tunnel wieder verschlossen haben", meinte Edrahil, während sie weitergingen. Im Gehen rieb er sich den schmerzenden Oberschenkel, und sprach weiter: "Alleine werden wir Hasael nicht nocheinmal auf die gleiche Art vertreiben können. Dieses Mal werden wir Hilfe von außen brauchen."
"Qúsay?" Minûlîth wich einem edel gekleideten Mann aus, der immer wieder nervöse Blicke über die Schulter warf. "Keine schlechte Idee, aber wir müssen auch irgendwie Kontakt herstellen können."
"Das ist der nächste Schritt", erwiderte Edrahil. In seinem Kopf begann sich allmählich ein Plan zu formen, was sehr zu seiner Beruhigung beitrug. Als er und Minûlîth zurückgeblieben waren, hatte er noch überhaupt keine Vorstellung davon gehabt, was er in Umbar tun würde. Doch inzwischen begann er klarer zu sehen.

Sie erreichten den Treffpunkt, den Edrahil mit Teijo ausgemacht hatte ohne Zwischenfälle. Inzwischen wimmelte allerdings die ganze Stadt von Hasaels Soldaten, und die Kämpfe zwischen ihnen und den wenigen ratstreuen Truppen schienen allmählich abzuebben. Von mehreren Stellen stieg Rauch zum Himmel auf.
Teijo erwartete sie bereits in dem kleinen verlassenen Innenhof, und sagte zur Begrüßung: "Nun sitzen wir mächtig in der Scheiße, nicht wahr?"
"Ich hätte es anders formuliert, aber ja", erwiderte Edrahil, und ergriff die ausgestreckte Hand des Ostlings. Während der letzten Tage hatte er mit Teijo diesen Treffpunkt verabredet für denn Fall das etwas schiefging - und dieser Fall war nun deutlich früher als erwartet eingetreten.
"Also, haben wir einen Plan?" Zum zweiten Mal verneinte Edrahil: "Nein, noch nicht. Könnt ihr Boten aus der Stadt schicken?"
Teijo hob die Schultern. "Vermutlich, allerdings erst, wenn sich die Lage in der Stadt etwas beruhigt hat. Im Augenblick ist noch zu viel auf den Straßen los."
Edrahil wollte etwas erwidern, stockte aber als er Minûlîth starr nach Norden blicken sah, die Hände vor den Mund geschlagen. Er folgte ihrem Blick und sah Rauch ganz in der Nähe aufsteigen.
"Das ist mein..." "Anwesen", beendete Edrahil den Satz für sie, denn dieser Treffpunkt lag ganz in dessen Nähe. "Es tut mir..." Er wurde unterbrochen, als Minûlîth ohne Vorwarnung los rannte, in Richtung der Rauchsäule. Edrahil ächzte, und folgte ihr so schnell sein lahmes Bein es erlaubte.

Edrahil und Minûlîth in Minûlîths Anwesen...
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Rohirrim

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Re: Auf den Straßen von Umbar
« Antwort #25 am: 7. Mai 2017, 23:14 »
Zarifa und Ziad von den Straßen von Umbar

„Hast du es schon gehört? Im Palast des Fürsten soll es zu Kämpfen gekommen sein. Hasael und seine Anhänger sind auf der Flucht“, erklärte Ziad, während er das Zelt betrat.
„Was? Du verarschst mich doch?“, erwiderte Zarifa.
„Nein, ich bin ganz sicher. Heute war doch das große Fest im Palast und dabei haben anscheinend einige Verschwörer zugeschlagen.“
„Aber... Was? Wie? Und wieso haben wir nichts davon mitbekommen?“
„Naja, wer sich gegen den Fürsten verschwört, wird das ganze doch wohl kaum auf der Straße herumerzählen oder? Ich kann dir nicht genau sagen, was passiert ist, aber die ganze Stadt ist auf den Beinen. Komm steh auf, wir müssen da raus und sehen was los ist. Vielleicht können wir ja sogar helfen.“
Ziad half Zarifa auf die Beine und gemeinsam verließen sie das Zelt.

Wie jeden Tag in den letzten Wochen hatten Zarifa und Ziad den Tag damit verbracht sich auf den Straßen umzuhören und irgendeinen Ansatz zu finden, wie man den Adel dieser Stadt stürzen konnte. Doch sie waren kaum einen Schritt weiter als an jenem Tag, an dem Zarifa ihren alten Freund und Mentor aus dem Haus eines Kaufmanns gerettet und mit ihm gemeinsam den Beschluss gefasst hatte, einen Aufstand anzuzetteln. Sie hatten versucht Verbündete zu finden, Vertraute von Hasael ausfindig zu machen und Schwachstellen im Palast zu finden. Doch keine ihrer Aktionen schien sie großartig voranzubringen. Es gab ein paar einfache Leute, die mit ihrer Sache grundsätzlich sympathisiert hatten, aber niemand schien bereit sich ihnen wahrhaftig anzuschließen. Es gab einige Kaufmänner und Adelige, die Hasael unterstützten, doch diese waren alle unantastbar. Gestützt durch die undurchdringlichen Strukturen der Politik. Und es gab sogar eine Hand voll Möglichkeiten in den Palast zu kommen, doch für zwei Obdachlose waren diese ungefähr so realisierbar, wie für einen Hobbit der Versuch den einen Ring in den Schicksalsberg zu werfen. Zarifa hatte bereits den Glauben an ihren Plan verloren und sie hatte gespürt, dass es Ziad ähnlich ergangen war. Die Strukturen der Stadt waren einfach zu festgefahren, zu groß, zu organisiert, um wirklich etwas verändern zu können. Sie hatten zwar von dem Fest heute gehört, doch als Obdachlose hatten sie natürlich keine Möglichkeit, an eine Einladung zu kommen.
Doch anscheinend hatten andere diese Möglichkeit genutzt. Es war schon den ganzen Abend etwas lauter als üblich in der Stadt gewesen und Ziad hatte sich ansehen wollen, was vor sich ging. Er hatte den Eindruck gehabt, der Lärm hätte eine andere Ursache als einfach nur Betrunkene, die vom Fest zurückkamen. Und anscheinend hatte er Recht gehabt. Zarifa konnte es immer noch nicht fassen.

Hasael ist auf der Flucht? Gestürzt? Und wir haben nichts davon mitbekommen? Wochenlang haben wir an Türen gelauscht, mit Leuten geredet, den Markt beobachtet und sind keinen Schritt weiter gekommen.Und jetzt sind wir überflüssig geworden?

Neben ihrer Euphorie verspürte Zarifa auch eine leichte Enttäuschung darüber, dass sie nichts bewirkte hatte. Möglicherweise war dies das Ziel, aber was ist das Ziel ohne den mühevollen Weg wirklich wert? Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie sich vorgenommen, etwas zu bewegen. Etwas für andere zu tun. Nicht einfach nur an sich selber zu denken. Und nun stellte sich heraus, dass all das umsonst gewesen war. Andere, vermutlich deutlich mächtigere Leute hatten es vor ihr geschafft. Je mehr die junge Südländerin über die Situation nachdachte, desto bestärkter wurde sie in dem Wunsch, Hasael persönlich die Kehle durchzuschneiden. Und was wenn die Verschwörer gar nicht besser waren als Hasael? Vielleicht waren es ja einfach nur verfeindete Adelige, die sich genauso wenig um die einfachen Leute scherten. Vielleicht waren sie genauso machthungrig und geldgeil wie der Fürst und die Verschwörung diente nur dem Ziel, die eigene Macht zu vergrößern. Doch das würde sie nicht zulassen. Möglicherweise ergab sich ja jetzt eine Gelegenheit, die Dinge selber in die Hand zu nehmen.

„Wo gehen wir hin?“, fragte Zarifa. „Zum Palast?“
„Falls wir dort hinkommen, ja. Aber sie dich mal um. Die ganze Stadt geht auf die Barrikaden“, antwortete Ziad und deutete auf den aufsteigenden Rauch in der Ferne.

Erst jetzt realisierte Zarifa, wie laut es eigentlich war. Ziad hatte recht. In der Stadt herrschte Chaos. Scheiben wurden eingeschmissen, Feuer wurden entfacht und Leute rannten schreiend durch die Straßen. Ohne genau zu wissen warum, überkam Zarifa plötzlich eine Woge der Begeisterung. Irgendetwas fühlte sich richtig an.
„Du hast Recht. Beim Palast können wir momentan vermutlich ohnehin nicht viel ausrichten. Lass uns stattdessen ins Kaufmannsviertel gehen. Wenn wir jetzt im Chaos zuschlagen, sind diese reichen Bastarde uns hilflos ausgeliefert. Die Wachen werden alle in Palastnähe sein. Niemand ist dort um sie zu schützen. Wir wissen nicht, wer die Verschwörer sind und ob sie besser sind als Hasael, aber wir wissen, dass diese Dreckssäcke im Kaufmannsviertel die Triebkraft der Unterdrückung sind. Dort können wir etwas bewirken“, meinte Zarifa und erstmals seit dem Abend, an dem sie Ziad gerettet hatte, verspürte die junge Südländerin wieder dieses lodernde Feuer in sich. Den unumstößlichen Wunsch die Oberschicht der Stadt bezahlen zu lassen. In der Ferne flog ein Schmetterling von dem aufsteigenden Rauch weg.
« Letzte Änderung: 10. Mai 2017, 23:45 von Rohirrim »
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Re: Auf den Straßen von Umbar
« Antwort #26 am: 12. Mai 2017, 00:46 »
Im Kaufmannsviertel herrschte Chaos. Scheiben waren zerbrochen, Läden ausgeplündert und von überallher ertönten Schreie. Einiges davon ging auf das Konto einer jungen Südländerin, die gerade einen Stein durch ein Fenster eines besonders reichen Kaufmanns geworfen hatte und sich anschließend daran machte dessen Besitz auszuplündern. An ihrer Seite war ein älterer Mann, der ihr hinterher eilte und dabei brüllte: „Diese Stadt gehört euch nicht mehr. Diese Stadt gehört uns!“ Diesem Ausruf folgte begeisterter Jubel einiger Umstehender. Es wirkte, als wäre das gesamte Kaufmannsviertel von armen Leuten übernommen worden, die die Gelegenheit der Vertreibung von Hasael nutzten, um sich aus ihrem Elend zu befreien.

Die Überlegung von Zarifa war aufgegangen. Im Kaufmannsviertel befanden sich keinerlei Wachen. Die mussten alle beim Palast sein. So war es für sie und Ziad ein Leichtes gewesen, Scheiben einzuschmeißen und Diebstähle zu begehen. Niemand konnte sie aufhalten. Die Kaufleute flohen, während andere arme Leute angetrieben von den Parolen der Randalierer sich dem Aufstand anschlossen. Die reichen Leute flohen aus ihren Häusern, während es um sie herum klirrte und knallte. Zarifa war voll in ihrem Element. Jahre der Armut, des Frustes und des Hasses auf die Oberschicht entluden sich, während sie schreiend einen Stein hinter einem Kaufmann hinterherwarf und ihn an der Schulter traf. Nichts anderes hatten diese ausbeutenden Bastarde verdient. Diese Schweine, die in ihrem Reichtum schwelgten, während vor ihren Augen Leute verhungerten. Jetzt bekamen sie den Zorn jener zu spüren, die sie so lange ignoriert oder sogar gedemütigt hatten. Die junge Haradan verspürte förmlich ein Feuer der Euphorie, während sie kurz innehielt und dabei zusah, wie Kaufleute aus ihrer Wohnung gezerrt wurden und Leute, die vermutlich seit Tagen nichts gegessen hatte sich an den Speisekammern bedienten. Alles war so, wie es sein sollte.

So glücklich war Zarifa in ihrem Leben noch nicht gewesen. Sie suchte Ziads Blick, doch der blickte nur stumm geradeaus und rannte plötzlich wie von der Tarantel gestochen los. Die verwirrte Zarifa rannte ihm hinterher und sah dabei zu, wie ihr Freund einen weiteren Kaufmann umstieß, der gerade aus seinem Haus gekommen war. Zarifa erkannte das Haus. Es war das Haus, aus dem sie vor einigen Wochen Ziad befreit hatte. Und sie begriff, was Ziad so plötzlich aus der Fassung gebracht hatte. Er hatte den Mann wiedergesehen, der ihn über 15 Jahre lang gefangen gehalten hatte. Seit dem Abend der Befreiung hatte Ziad den Mann nicht mehr erwähnt und Zarifa hatte sich gehütet, das Thema anzusprechen. Sie wusste, dass Ziad mit den Erfahrungen zu kämpfen hatte und wollte ihm das Thema nicht aufzwingen. Vermutlich hatte er versucht es zu verdrängen. Und jetzt hatte er ihn wieder gesehen. Schutzlos und verängstigt, wie er aus seinem Haus gekommen war, umgeben von Aufständischen. Zarifa sah aus einiger Entfernung dabei zu, wie sie Ziads Zorn nun entlud. Immer weiter trat er auf den um Gnade winselnden Mann ein. Die junge Haradan ging näher ran. Etwas an diesem Anblick ließ das Feuer in ihr ein wenig abflachen, wie ein Windstoß mitten durch ihr Herz. Ziad war komplett außer sich und trat immer weiter auf den am Boden liegenden Mann ein, dessen Gesicht inzwischen komplett blutverschmiert war.

„Bitte... nein... hab Gnade“, röchelte der Kaufmann, doch Ziad ignorierte ihn. Der Mann hörte auf zu sprechen. Eine Blutlache ergoss sich über den Boden. Ein lautes Knacken war zu hören. Zarifa blickte zu dem Haus des Kaufmanns und sah einen Jungen aus dem Fenster schauen. Er war kaum älter als 6 Jahre alt. Eine Träne kullerte über seine Wange.

„ZIAD!“, schrie Zarifa und zog ihren Freund von dem Kaufmann weg. „WAS? WAS WILLST DU?“, schrie er zurück. Er war wahnsinnig. Seine Augen waren geweitet, sein Gesicht zerfurcht und Sabber lief aus seinem Mund. „Es ist genug. Er ist tot.“
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Re: Auf den Straßen von Umbar
« Antwort #27 am: 18. Mai 2017, 16:17 »
„Es tut mir leid, okay? Als ich diesen Mann wiedergesehen hatte, konnte ich nicht mehr klar denken. Ich verspürte nur noch Hass. Blinden Hass. Diese Person hatte mich 16 Jahre lang gefangen gehalten und mich dabei hungern lassen und misshandelt. Wie hättest du da wohl reagiert? Ich habe versucht diese Zeit zu vergessen, aber als ich dieses Gesicht plötzlich wiedersah, kam alles wieder hoch. All die Schmerzen, all die Verzweiflung und all die Hoffnung, jemand möge mich von meinem Leid erlösen.“
Ziad hatte Tränen in den Augen. Die Situation im Kaufmannsviertel hatte sich inzwischen etwas beruhigt und Zarifa sah ihren Freund mit einem unergründlichen Blick an.

„Schon gut, ich kann dich verstehen. Ich konnte das ganze nur nicht länger mit ansehen. Es war der Anblick dieses Jungen, der mich fertig gemacht hat. Ich konnte nicht einfach nur tatenlos rumstehen,“ antwortete Zarifa, jedoch ohne die Wut in ihrer Stimme verbergen zu können. Die letzten 15 Minuten hatten die junge Haradan sehr aufgewühlt. Auf der einen Seite hatte der Kaufmann zweifelsohne seine gerechte Strafe erhalten. Er war ein schrecklicher Mann gewesen und seine Verbrechen gegenüber Ziad waren unentschuldbar. Und dennoch hatten Ziads Handlungen zur Folge gehabt, dass ein unschuldiger Junge seinen Vater verloren hatte. Sie selbst war ohne Vater aufgewachsen und nur dank Ziad, der sie gewissermaßen adoptiert hatte, war sie heute überhaupt am Leben. Wie würde es dem Jungen nun ohne Vater ergehen? Hatte er noch eine Mutter? Oder war er jetzt ein Waise, komplett auf sich allein gestellt? Taten sie überhaupt das Richtige oder sorgten sie mit ihrem rebellischen Verhalten letztlich nur für noch mehr Leid in der Welt?

„Natürlich hast du recht. Hätte ich gewusst, dass sein Sohn zusieht, hätte ich den Kaufmann auch niemals zu Tode prügeln können. Aber das ändert nichts daran, dass er seine gerechte Strafe erhalten hat. Es ist nicht meine Schuld, dass das Kind einen so scheußlichen Vater hatte“, sagte Ziad mit fast schon flehender Stimme. Er schien auch nicht fassen zu können, was er getan hatte.
„Der Junge kann aber auch nichts für seinen Vater“, gab Zarifa trocken zurück. Sie wusste selber nicht, warum sie so aufgewühlt war. Auf rationaler Ebene konnte sie Ziad absolut verstehen und sie wollte ihn auch eigentlich aufmuntern. Ihm Zuspruch geben. Ihm sagen, dass sie sich genauso verhalten hätte. Doch das Bild des weinenden Jungen vor ihrem geistigen Auge hielt sie davon ab.

Es begann zu regnen.
„Komm!“, sagte Zarifa tonlos. „Lass uns in einem verlassenen Haus Unterschlupf suchen.“
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Re: Auf den Straßen von Umbar
« Antwort #28 am: 19. Mai 2017, 22:56 »
„Willst du auch ein bisschen Wein?“, fragte Ziad. „Der ehemalige Besitzer dieses Hauses hat einen ganzen Vorrat in seinem Keller.“ „Nein danke. Ich trinke keinen Alkohol“, gab Zarifa zurück. Die beiden Haradrim hatten sich in ein leerstehendes Haus im Kaufmannsviertel von Umbar zurückgezogen. „Ach komm schon. Du bist 19 Jahre alt und wir haben allen Grund zum Feiern. Hasael ist geflohen und wir haben das Kaufmannsviertel übernommen. Darauf sollten wir anstoßen“, meinte Ziad,während er die Flasche entkorkte.
„Nein, ich will nicht!“
„Warum denn nicht?“
„Ich habe schon zu viele Schnapsleichen auf den Straßen verenden sehen, um nicht zu wissen, was Alkohol anrichten kann. Ich rühre dieses Zeug nicht an“, erklärte Zarifa.
„Okay, wenn du meinst. Ich für meinen Teil brauche das jetzt.“ Und so schenkte Ziad nur für sich etwas ein und begann zu trinken.

Es waren inzwischen ca. 5 Stunden vergangen, seitdem Ziad zu Zarifa ins Zelt gestürmt kam und ihr von den Unruhen am Palast erzählt hatte. Die Lage im Kaufmannsviertel hatte sich ein wenig beruhigt. Viele Kaufmänner waren geflohen und ihre Häuser waren besetzt worden. Zarifa dachte immer noch ein wenig betrübt über den Jungen, der nun seinen Vater verloren hatte nach.

Die ganze Zeit über habe ich die Reichen dieser Stadt nur als das Böse gesehen. Als Sklavenhalter, als Ausbeuter, als verwöhnte und grausame Dreckssäcke, die es verdient hatten, dass man sie bestahl, verletzte und sogar tötete, wenn sie es verdient hatten. Ich habe nie darüber nachgedacht, dass viele dieser Leute  vermutlich auch gute Familienväter sind. Sie verdienen Geld, um ihren Frauen und Kindern ein schönes Haus und etwas zu Essen bieten zu können. Damit ihre Kinder nicht wie ich selber auf der Straße aufwachsen müssen. Einen solchen Familienvater zu bestehlen bedeutete, immer auch seine Familie zu bestehlen. Ihn zu töten bedeute, ihn für immer seiner Familie zu entreißen. Und dennoch, was hätte Ziad denn tun sollen? 16 Jahre der Folter einfach vergessen, nur weil der Mann einen Sohn hatte? Nein, der Mann hatte es verdient zu sterben. Ein wirklich guter Familienvater würde sich allen Menschen gegenüber gutherzig verhalten, anstatt seiner Familie gegenüber eine Maske aufzusetzen, um dann in seinem Keller sein wahres Gesicht zu zeigen. Ist doch klar, dass dann irgendwann was zurückkommt. In einer Welt, die sich nicht in Arme und Reiche gliedert, muss auch kein Familienvater damit rechnen bestohlen zu werden. In einer Welt, in der es keine Sklavenhaltung gibt, muss auch kein Familienvater damit rechnen, bei einem Sklavenaufstand ums Leben zu kommen. Und in einer Welt, in der Menschen einander nichts Grausames antun, muss auch kein Familienvater damit rechnen, aus Rache getötet zu werden. Aber bis es so weit ist, kann ich nicht jeden Schaden verhindern. Der Junge tut mir immer noch Leid, aber wenn es sein soll, wird er schon durchkommen.   

„Bist du etwa immer noch sauer auf mich? Oder warum sagst du nichts?“, wollte Ziad wissen.
„Nein, ich war nie wirklich sauer auf dich. Ich war einfach nur aufgewühlt. Ich schätze, es hat mich einfach umgehauen, als ich plötzlich gesehen habe, dass es Leute gibt, die um den Tod dieses grausamen Menschen trauern. Aber keine Sorge, ich hab mich beruhigt“, antwortete Zarifa.
„Alles klar, das kann ich verstehen. Also, was machen wir jetzt?“, fragte Ziad sichtlich erleichtert über Zarifas entspannten Tonfall.
„Genieß du deinen Wein. Ich gehe zurück zu unserem Zelt und hole unser Zeug rüber. Vielleicht erfahre ich dabei ja auch etwas neues“, sagte Zarifa und stand auf. „Und dann schlafe ich erstmal gründlich aus.“
„Alles klar, aber sei vorsichtig“, mahnte Ziad.
„Ich bin immer vorsichtig. Hast du mir ja schließlich beigebracht“, sagte Zarifa lächelnd und verließ das Zimmer.
« Letzte Änderung: 19. Mai 2017, 23:00 von Rohirrim »
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Re: Auf den Straßen von Umbar
« Antwort #29 am: 25. Mai 2017, 23:28 »
Nachdem sie das Haus verlassen hatte, lief Zarifa zurück durch die Straßen des Kaufmannsviertels in Richtung der ärmeren Stadtviertel, wo ihr Zelt stand. Sie war schon ziemlich müde, doch ihr wäre nicht wohl dabei gewesen, das Zelt in dieser Nacht allein zu lassen. Sie besaß zwar kaum etwas und schon gar nichts Wertvolles, aber alles was sie besaß, hatte einen Nutzen für sie. Ihr Dietrichset, mit dem sie fast jedes Schloss knacken konnte, ihr Hammer, mit dem sie oftmals kleine Dinge zerstörte und ihr kleines Messer, das sie im Zweifelsfall zur Selbstverteidigung nutzen konnte. Das Messer trug sie immer bei sich, doch die anderen beiden Gegenstände befanden sich noch im Zelt zusammen mit ihrer Kleidung, die sie ebenfalls mitnehmen wollte. Und auch das Zelt selber wollte Zarifa gerne mitnehmen. Jetzt wo sie ein Haus besetzt hatte, brauchte sie das zwar nicht mehr unbedingt, aber etwas, das die junge Haradan selber nicht ganz verstand, verband sie mit diesem Zelt. Und außerdem könnte sie es ja eines Tages wieder brauchen.

Die Situation in der Stadt hatte sich beruhigt, wodurch jetzt die Schäden, die durch den Aufstand entstanden waren, deutlich hervorstachen. Wo man auch hinsah waren Scheiben zerbrochen, Wände beschmiert und Türen aus den Angeln gerissen worden. Es roch stark nach Rauch. Zarifa lächelte. So gefiel ihr das Kaufmannsviertel viel besser. Als sie an dem Haus des von Ziad getöteten Kaufmanns vorbeikam schluckte sie kurz, zwang sich dann jedoch an etwas anderes zu denken, was ihr angesichts der Tatsache, dass die Leiche weggeräumt worden war auch einigermaßen leicht fiel. Stattdessen dachte sie über die Zukunft nach. Was würde nun mit Umbar geschehen. Würde es wirklich so werden, wie sie es sich wünschte, oder wird einfach jemand anderes Hasaels Platz einnehmen?

Während die junge Haradan durch die Straße wanderte viel ihr die anscheinend deutlich erhöhte Anzahl an Festen auf. Die Gasthäuser waren alle gut besucht und die Leute, die ihr auf der Straße begegneten, besangen den Sturz des Herrschers der Stadt. Fast alle schienen betrunken zu sein. Während die meisten jedoch glücklich und zufrieden wirkten, waren einige Leute auch sehr aggressiv gestimmt. Sie brüllten sich gegenseitig an und auch eine Schlägerei konnte Zarifa beobachten. Kurz bevor die junge Südländerin dann die Gasse erreichte, in der sich ihr Zelt befand, wurde sie von einer Gruppe älterer Männer bepöbelt.
„Hey Süße, komm doch mal rüber. Wir wollen was mit dir machen“, lallte einer der drei Männer. Zarifa wollte einfach schnell an der Gruppe vorbeigehen, doch die anderen beiden stellten sich ihr in den Weg. „Warum hast du es denn so eilig? Komm her und trink einen mit uns.“
„Nein danke, ich verzichte“, gab Zarifa angewidert zurück. Selbst wenn sie gerade Lust auf etwas zu trinken hätte, verstärkte der Gestank, der aus dem Mund des sprechenden Mannes kam definitiv nicht den Drang dies ausgerechnet hier bei dieser Gruppe zu machen.
„Ach komm schon“, sagte der Mann, der sich direkt vor sie gestellt hatte leicht schwanken.
„Wir haben doch allen Grund zum Feiern. Hasael ist fort und die Wachen sind nicht hier.“
„Und das bedeutet“, sagte der andere vor ihr stehende Mann mit einem lauten Hickser „dass wir machen können was wir wollen. Und wir wollen jetzt, dass du etwas mit uns trinkst.“
„Und wenn du uns diesen Gefallen nicht erwiderst, können wir auch andere Seiten aufziehen“, sagte nun wieder der direkt vor ihr stehende Mann und packte dabei ihren Arm. Zarifa schlug ihn weg und wich einen Schritt zurück.
„Na komm, jetzt hab dich doch nicht...“, begann der Mann, doch als er einen Schritt nach vorne machen wollte, stolperte er über seine eigenen Füße und viel zu Boden. Der andere Mann erschrak, drehte schnell sich zu seinem gefallenen Kameraden und wollte ihm helfen. Allerdings war diese plötzliche Bewegung anscheinend zu viel für seinen betrunkenen Körper, was sich in einer Ladung Erbrochenem direkt auf seinem am Boden liegenden Freund manifestierte.
„Ups, tschuldigung“, hickste der Mann, während sein Freund sich fluchend aufrichtete. Der dritte Mann, der Zarifa zu Beginn angesprochen hatte ignorierte das Geschehene und blickte Zarifa an. Die junge Haradan zog gedankenschnell ihr Messer.
„Bleib zurück“, sagte sie warnend und ging halb wütend, halb belustigt an der Gruppe vorbei, die sich nun gegenseitig Vorwürfe machte.
Und für die Freiheit solcher Leute kämpfe ich, dachte Zarifa kopfschüttelnd, während sie sich ihrem Zelt näherte.
RPG:
Char Zarifa in Rhûn