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Autor Thema: Die Wildnis rings um Imladris  (Gelesen 14927 mal)

Adamin

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Die Wildnis rings um Imladris
« am: 4. Okt 2008, 17:58 »
Antien vom Alten Wald


Viele Monde sind gewachsen und wieder vergangen, seit Antien von seiner Heimat aufgebrochen war. Auf seinem bisherigen Weg durch die westlichen Lande hatte er unsagbar viele neue Dinge und Wesen gesehen. Die Meisten waren ihm freundlich gesinnt, unter anderem einige Hobbits. Mit ihnen konnte er lachen, tanzen und ruhen. Doch er traf auch Menschen deren Verhalten und vor allem Gemütszustand ihm völlig fremd waren. Ihre Mundwinkel schienen einfach lieber in die verkehrte Richtung zu zeigen.

Nun war er allerdings schon fast an seinem ersten Ziel angelangt. Seiner Karte nach zu urteilen, trennte ihn nur noch ein Pass von Bruchtal. Gemütlich spazierte er den gewundenen Pfad hinunter, als er sich plötzlich gewahr wurde, dass die Bäume nicht so im Wind rauschten, wie sie es sonst immer taten. Irgendetwas oder Irgendjemand hockte da in den Baumkronen und beobachtete ihn. Fröhlich grinsend blieb Antien stehen, stemmte seine Arme in die Seite und begrüßte die versteckten Gestalten.
„Heho! Wer pflückt zu dieser späten Stunde noch Kirschen am Wegesrand?“

Einen kurzen Moment wurde alles still, dann erklang helles Lachen zwischen den Ästen. Drei Elben lösten sich aus den Schatten und sprangen auf den Weg. Ihr Anführer nickte Antien zu. „In den Schatten dieser Tage haben wir das Kirschenpflücken ganz vergessen. Wärt ihr in glücklicheren Zeiten nach Bruchtal gekommen Bruder, so hätten wir euch mit Laternen und Gesang begrüßt. Verzeiht, dass unser Gemüt durch die Wacht getrübt wurde. Mein Name ist Gildor Inglorion. Was führt euch nach Imladris?“

Nachdem Antien sich vorgestellt hatte und seine Absichten erklärte, drückte er Gildor seine Karte in die Hand.
„Nun, Gandalf müsste sich momentan bei unseren Verwandten in den goldenen Wäldern aufhalten und eine Schlacht geschlagen haben.“, sprach der blonde Elb nachdenklich und fuhr mit dem Finger über die Karte, „Ihr müsstet von hier aus einen Pass über die Nebelberge erklimmen und dann nach Süden in Richtung Loth -“
Gildor stockte und hob eine Augenbraue.
„Der goldene Wald ist hier etwas größer eingezeichnet, als er es dieser Tage ist... Vor allem ist er seit sehr langer Zeit nicht mehr mit dem Grünwald verbunden...  Und die Ländereien von Beleriand gibt es auch nicht mehr... Deine Karte ist etwas – veraltet, Eruantien.“
Antien grinste. „Ach, ich werde meinen Weg mit ihr schon finden. Ich danke euch für die Auskunft und wünsche euch noch eine geruhsame Nacht. Auf bald.“
Gildor strich sich nachdenklich über das Kinn. „Wartet noch einen Augenblick. Wir wollten ohnehin einige Heilkundige Elben mit Verpflegung und Arznei auf dem Weg nach Lothlórien schicken. Du könntest mit ihnen über das Gebirge gehen und deine Vorräte noch bei uns auffüllen.“
Die Augen von Antien leuchteten bei diesem Angebot hell auf. Zwar war er nie wirklich alleine auf seinem bisherigen Weg gewesen, aber mit einer kleinen Gruppe zusammen würde sich die restliche Reise sicherlich sehr angenehm werden. „Ich danke euch für dieses Angebot und nehme es gerne an.“, Antien verbeugte sich vor den Elben. „Hoffentlich kennen meine neuen Reisegefährten einige schöne Lieder.“


Antien nach Lothlórien
« Letzte Änderung: 2. Jan 2018, 14:35 von Fine »

Vexor

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Re: Die Wildnis rings um Imladris
« Antwort #1 am: 22. Mär 2010, 20:02 »
Elea und Brianna aus Elronds Haus


Die kühlen Sonnenstrahlen streichelten sanft Briannas Haut, als sie im kalten Moos erwachte. Wie die feingliedrigen Hände eines Sterbenden tastete sich die Sonne durch das Geäst und die Pflanzen des nördlichen Waldbodens.
Selbst hier, mehrere Meilen von Bruchtal entfernt, war der Schnee nur mäßig eingekehrt und bedeckte kaum den Waldboden, welcher immer noch von den unterschiedlichsten Arten von Flora bedeckt war.
Sie hatte sich die Decke fest um sich geschlungen und war am gestrigen Abend, erschöpft vor Müdigkeit neben Elea eingeschlafen. Auch ihr Lagerfeuer war bereits niedergebrannt und die schwarze Asche der Holzscheite lag inmitten des steinernen Kreis.
Brianna streckte sich und gähnte dabei herzhaft, als sie bemerkte, dass Elea bereits aufgestanden war und an einem Baum lehnend eine Karte studierte.
" Guten Morgen Elea. Habt ihr gut geschlafen?", fragte Brianna freundlich und stand auf und fegte mit einer Handbewegung die winzigen Äste und Nadeln, die sich die Nacht über auf ihrem Kleid angesammelten hatten, herunter.
Verdutzt zögerte Elea einen Moment, als würde sie Brianna nicht erkennen, aber antwortete dann freundlich : " Ah Brianna ihr seid bereits aufgestanden. Meine Nacht war erstaunlich geruhsam, auch wenn meine Träume mich hin fort geführt haben. In die südlichen Gefilde Gondors, hin zu meinen Gatten."
Sie seufzte kurz, bevor sie wieder lächelnd fort fuhr: " Und ihr? Wie war eure Nacht?"
" Ach ich hatte in den letzten Monaten schon schlimmere, glaube ich", gestand Brianna mit einem Lachen, während sie ihre Decken zusammenlegte. " Wir können Elrond dankbar sein, dass er uns diese warmen Wolldecken mitgegeben hat, denn die Nächte werden von Tag zu Tag immer kälter!".
"Ja, das ist wahr. Ich habe übrigens schon unsere Route für heute festgelegt. Wir können dankbar sein, dass Rohan von den widerwärtigen Klauen Saurons befreit wurde, denn sonst bliebe uns nur der Weg über das Nebelgebirge. Einen Weg, den ich nur ungern eingeschlagen hätte."
"Da habt ihr Recht, Elea. Auch wenn sich in den Gebieten um Dunland immer noch der Abschaum des Dunklen Herrschers herumtreiben könnte. Jedoch sind wir mit Schwert und Bogen ausgerüstet und wissen uns zu verteidigen", tönte Brianna mit leicht geschwollener Stimme und beide Frauen verfielen in lauthalses Gelächter.

Nachdem sich Brianna in einem nahe gelegenem Tümpel das Gesicht gewaschen hatte, schulterten sie ihr Gepäck und marschierten gemeinsam weiter, ihren Weg entlang.


Elea und Brianna nach Eregion
« Letzte Änderung: 3. Jan 2018, 13:12 von Fine »


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Eandril

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Rückkehr nach Imladris
« Antwort #2 am: 12. Apr 2017, 13:48 »
Oronêl, Mathan, Celebithiel, Finelleth und Kerry aus Eregion...

Sie waren früh am nächsten Morgen aufgebrochen, als der herbstliche Nebel, der vom Glanduin und dem Sirannon hinaufgekrochen war, die Ruinen von Ost-in-Edhil einhüllte. Mathan und Kerry hatten lange und leise mit Halarîn und Faelivrin gesprochen, bevor sie sich verabschiedet hatten, und gerade Mathan und Halarîn schien der Abschied schwer zu fallen. Oronêl hatte sie verstanden, denn ihm und Calenwen war es nicht anders gegangen, wenn er in den Krieg gezogen war - und auch wenn Mathan vermutlich in keine Schlacht zog, würde seine Reise doch nicht weniger gefährlich sein.
Auch Oronêl hatten sich von ihren zurückbleibenden Gefährten verabschiedet, und dann waren sie aufgebrochen. Oronêl ging mit Mathan, der sich in dieser Gegend am besten auskannte und seine neue Waffe auf dem Rücken trug, an der Spitze, dicht gefolgt von Finelleth und Kerry, die während des Abstechers nach Dunland eine neue Stufe der Vertrautheit erreicht zu haben schienen, und unbeschwert miteinander plauderten. Den Schluss bildete meistens Celebithiel, die ihren verletzten Arm in einer Schlinge trug und oft nachdenklich schwieg.

Die Gruppe folgte in etwa dem Weg, den Oronêl und Orophin wenige Monate zuvor auf ihrer Reise gegangen waren, doch als sie nach fünf Tagen die Stelle erreichten, in der sie damals in das düstere Tal zwischen Haupt- und Seitenkette des Gebirges geraten waren, schwenkten sie rechtzeitig nach Westen um. "Dies war die nördlichste Grenze von Eregion", erklärte Mathan als sie den westlichsten Ausläufer der Berge erreicht hatten. Vor ihnen lag ein hügeliges, spärlich bewaldetes Land, dass sich auf den ersten Blick nicht groß von Eregion unterschied. "Bis zur Grenze von Imladris war dies fast immer ein Niemandsland, Wildnis."
"Niemandsland klingt doch gut", meinte Kerry fröhlich. "Wo niemand ist, sind auch keine Feinde."
"Darauf würde ich leider nicht wetten", warf Finelleth ein. "Immerhin bildet Saruman sich ein, dieses Land stünde ihm zu, wie ganz Eriador."
Oronêl schüttelte den Kopf. "Ich glaube nicht, dass wir hier auf Orks treffen werden - dennoch sollten wir nicht unvorsichtig werden." Er dachte an die Heerscharen von Orks, die er und Orophin in dem Tal zwischen den Bergen hatten lagern sehen. Doch diese Orks liebten die Dunkelheit, und sie würden nicht in das offene Land herauskommen, wenn ihr Herr es ihnen nicht befahl. Und im Augenblick würde Saruman genug damit zu tun haben, das Gebirge selbst in seiner Hand zu behalten.
Sie stießen bald auf den schmalen Pfad, das Überbleibsel der alten Straße, nicht unweit der Stelle, an der Oronêl und Orophin ihn damals nach ihrer Überquerung der Bergkette gefunden hatten. Auf dem Pfad kamen sie ein wenig schneller voran, wenn auch nicht so schnell wie damals. Damals waren sie nur zu zweit und in Eile gewesen, heute waren sie fünf. Und auch wenn Kerry sich als ausdauernde Wanderin herausgestellt hatte und sich selten beklagte, konnte sie sich mit Ausdauer und Geschwindigkeit der Elben nicht messen. Doch es störte Oronêl nicht, dass sie etwas langsamer vorankamen als es ihm alleine möglich gewesen wäre. Sie hatten keinen dringlichen Auftrag, wurden nicht verfolgt, und er genoss es durch die Wildnis zu wandern, umgeben von Freunden.

Am frühen Abend des fünften Tages nachdem sie die Nordgrenze Eregions überschritten haben, erreichten sie den Südrand des Tals von Imladris. Die Sonne ging im Westen allmählich unter, und im Schatten des Tals leuchteten die Lichter von Elronds Haus. Einen Augenblick verharrte die Gruppe am Rand des Tals und blickte hinab.
"Es ist so... friedlich. Idyllisch", sagte Kerry leise und offensichtlich beeindruckt. Oronêl lächelte, ließ den Blick über die Lichter, die Gärten und die vielen kleinen Wasserfälle schweifen, und sagte: "Man nennt es nicht ohne Grund das letzte heimelige Haus östlich der See. Hier ist jeder willkommen, der in Frieden kommt, und bis hierhin sind die Schatten noch nicht vorgedrungen. Eine letzte Zuflucht, wenn man so will."
"Es ist seltsam, es zu sehen...", sagte Celebithiel wie zu sich selbst, und verfiel wieder in Schweigen. Oronêl konnte sich unschwer vorstellen, welche Bedeutung dieser Anblick für sie haben musste, immerhin war sie in Bruchtal aufgewachsen und seit Beginn des Ringkrieges nicht mehr dort gewesen.
Auch Mathan schien ein wenig in Erinnerungen versunken zu sein. "Es ist lange her, dass ich zuletzt hier war. Ich frage mich, ob mein Onkel und mein Vetter noch immer hier leben."
"Cinad und Vinard?", fragte Celebithiel. "Als ich Imladris verlassen habe, waren sie noch dort. Ich bin sicher sie werden sich freuen, dich zu sehen."
Oronêl lächelte belustigt, und meinte mit leichtem Spott: "Du scheinst überall in Mittelerde Verwandte zu haben, Mathan. Ich könnte dich beinahe darum beneiden." Der Spott war jedoch nur aufgesetzt, denn wenn Oronêl ehrlich zu sich selbst war, beneidete er Mathan tatsächlich ein wenig darum. Mathan hatte eine große und starke Familie, die in diesen Zeiten zusammenhielt, und was war von Oronêls eigener Familie übrig? Viel war es nicht, was vom Haus Lenwe geblieben war.
Auch Mathan musste lächeln, als er erwiderte: "Nun, bei manchen Verwandten ist es besser, wenn man sie nicht allzu häufig sieht..." Es war deutlich, dass er auf seine ein wenig anstrengenden Schwestern anspielte, doch es war leichthin gesagt und offensichtlich nicht wirklich ernst gemeint.
Schließlich rissen sie sich vom Anblick Bruchtals los, und folgten dem Verlauf des Tals nach Nordwesten, wo sie zur Brücke über den Bruinen kommen würden.

Oronêl, Mathan, Kerry, Finelleth und Celebithiel nach Bruchtal
« Letzte Änderung: 6. Feb 2021, 17:35 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Fine

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Die Grenze zur Wildnis
« Antwort #3 am: 30. Apr 2017, 22:09 »
Oronêl, Mathan, Ardóneth, Celebithiel, Finelleth, Mírwen und Kerry aus Elronds Haus


Finelleth ging voran, da sie den Weg zum Hohen Pass erst vor wenigen Monaten gegangen war, und da sie von Oronêl inoffiziell zur Anführerin der kleinen Reisegruppe gemacht worden war. Kerry ging neben der Waldelbin her und betrachtete das Gesicht ihrer Freundin, in dem sie eine Mischung aus Vorfreude, Anspannung und Sorge las. Finelleth schlug ein schnelles Tempo an, doch niemand beklagte sich. Sie alle hatten nur wenig Lust darauf, ihre Zeit im Gebirge zu verschwenden. Es sollte eine schnelle Überquerung werden. Doch zunächst mussten sie den Pass auch erreichen. Kerry wusste, dass die Entfernung zwischen Imladris und dem Aufstieg zum Pass, den die Elben Cirith Forn en Andrath, den Pass des hohen Aufstiegs nannten, oft unterschätzt wurde. Seitdem sie das verborgene Tal, in dem Elronds Volk wohnte, verlassen hatten, waren sie einem gut ausgetretenen Pfad in Richtung Nordosten gefolgt, der die Fortsetzung der Großen Oststraße darstellte. Es ging stetig leicht bergauf, da sie mit jedem Schritt weiter in die flachen Ausläufer der mächtigen Nebelberge vorrückten. Schon bald würden sich die Gipfel bis über ihre Köpfe erheben und hoch in den klaren Herbsthimmel ragen.

Die Landschaft hatte sich seit Bruchtal nur wenig verändert. Noch immer war es grünes Hochland, das von vielen großen Felsen durchsetzt war. Kiefern und dunkle Tannen standen vereinzelt oder in kleinen Gruppen auf den flachen Hängen, und große und kleine Büsche füllten die Lücken in der Landschaft. Je weiter sie nach Osten kamen, desto besser wurde der Blick zurück, denn da der Weg dem sie folgten langsam, aber stetig anstieg, konnten sie mit jedem Höhenmeter mehr über die Länder Eriadors hinausblicken. Kerry wurde dabei zum ersten Mal vollständig klar, dass sie kurz davor stand, die Grenzen des Reiches zu verlassen, das sie nun beinahe vier Jahre bewohnt hatte. Sie würde Eriador hinter sich lassen, und nach Rhovanion gehen, das in Rohan auch als Wilderland bekannt war. Die Grenze zur Wildnis hatte die Gruppe längst passiert. Jeder Schritt würde sie nun den Gefahren der Einöde und des Gebirges näher bringen.
"Du bist in Gedanken schon dort, nicht wahr?" fragte Kerry leise.
Finelleth blinzelte und brauchte einen Moment um sich zu fassen. Ganz offensichtlich war sie tiefen inneren Gedanken nachgehangen und durch Kerrys Frage daraus aufgeschreckt worden. "Du meinst..." setzte sie schließlich an und blickte Kerry einen langen Augenblick in die Augen, während sie weitergingen. "Im Waldlandreich. Zuhause. Ja, du hast Recht. Ich habe ständig daran gedacht, wie es wohl sein wird. Habe mir alle möglichen Szenarien ausgemalt. Wir wissen noch immer nicht, was mit meinem Vater und den Elben des Grünwalds geschah, nachdem sie Dol Guldur als Teil von Sarumans Heer verlassen haben. Ich habe sie dort im Stich gelassen, Kerry. Aber ich konnte es einfach nicht mehr mitansehen."
"Nein, du hast keinen Fehler gemacht," versuchte Kerry Finelleth zu beruhigen. "Du hast Irwyne nach Bruchtal in Sicherheit gebracht. Wärst du nicht dort gewesen, hättest du niemals Oronêl getroffen und hättest ihn nicht bei seiner Mission unterstützen können."
"Mhm," machte Finelleth nachdenklich. "Vermutlich hast du Recht. Aber dennoch frage ich mich ständig, was wohl geschehen ist. Glaubst du, Sarumans Angriff hatte Erfolg? Werden wir auf ein intaktes Reich stoßen, das von meinem Vater regiert wird, so wie es einst war? Oder werden wir nichts als Zerstörung vorfinden? Oder vielleicht etwas gänzlich unterwartetes?"
"Das werden wir sehen wenn wir dort sind," meinte Oronêl, der zu ihnen aufgeschlossen hatte. "Es macht keinen Sinn, jetzt Gedanken daran zu verschwenden, was sein könnte. Wenn wir den Saum des Düsterwalds erreicht haben, können wir darüber beraten, wie wir vorgehen. Aber bis dorthin sollten wir uns auf den Weg konzentrieren."
Er hatte nicht streng oder harsch gesprochen, aber Kerry kamen Oronêls Worte vor wie die eines älteren Bruders, der seiner deutlich jüngeren Schwester eine Lektion erteilt. Und noch etwas Anderes fiel ihr auf: Mírwen, die sich ihrer Gruppe in Imladris angeschlossen hatte, verfolgte Oronêl mit ihren Blicken und schien jedem seiner Worte besonders aufmerksam zu lauschen. Kerry zupfte nachdenklich an einer Haarsträhne, die ihr zwischen Stirn und Ohr herunterfiel. Da steckt doch mehr dahinter, dachte sie. Aber was?
Finelleth seufzte tief. "Am liebsten wäre ich jetzt schon dort," sagte sie. "Die Anspannung wird mit jedem Schritt unerträglicher."
"Nun, vielleicht bringt dich ein Eimer voll Eiswasser auf andere Gedanken," überlegte Oronêl mit einem verschmitzten Lächeln. "Ich habe vorhin einen Bach in der Nähe plätschern hören."
"Wage es ja nicht," erwiderte Finelleth und drohte ihm mit dem Finger. Doch auch sie konnte ihr Lächeln nicht lange verbergen. Sie stand Oronêl gegenüber und ihr Finger ruhte auf seiner Brust. "Du wirst schon sehen, meine Rache kommt eines Tages - genau dann, wenn du sie am wenigsten erwartest."
Oronêl strich ihr freundschaftlich durchs Haar. "Ich werde warten," sagte er.
Mírwen hatte sich ihnen genähert und trat seitlich zwischen die Beiden, sodass Finelleth unwilkürlich einen Schritt rückwärts machte. "I-ich denke wir sollten weitergehen!" sagte die rothaarige Elbin, deren Armbrust beim Laufen immer wieder sachte gegen ihren Rücken schlug.
Finelleth blickte sie einen Augenblick mit einer Mischung aus Verärgerung und Verwunderung an, doch dann fasste sie sich wieder. "Du hast recht, schätze ich. Es ist bereits Nachmittag, und wir haben noch einen weiten Weg vor uns."
"Dann auf," sagte Oronêl. "Geh' voran, große Anführerin Faerwen."
Die Angesprochene streckte ihm kurzerhand die Zunge heraus und setzte sich wieder an die Spitze der Gruppe.

Kerry hatte die Szene mit großem Interesse verfolgt, konnte sich jedoch noch keinen Reim darauf machen. Irgendetwas schien da zwischen Finelleth und Mírwen passiert zu sein... doch was? Sie beschloss, sich Hilfe zu suchen, und ließ sich zurückfallen, bis sie neben Celebithiel und ein Stück hinter Adrdóneth herging. Hinter ihnen bildete Mathan das Schlusslicht der Gruppe.
"Sag' mal," begann Kerry. "Hast du vielleicht eine Ahnung, was da gerade passiert ist?"
Celebithiel betrachtete sie einen Moment und sagte dann: "Ich habe nicht alles gesehen, tut mir Leid... ich habe an Glorfindel gedacht."
Rasch fasste Kerry die Geschehnisse zusammen. Celebithiel zog die Augenbrauen hoch und meinte: "Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, Finelleth ist... nein, das ist zu abwegig. Er ist wie ein Bruder für sie. Und du bist dir sicher, dass Mírwen ihn seit unserem Aufbruch kaum aus den Augen gelassen hat?"
"Es ist mir erst vorhin so richtig aufgefallen," antwortete Kerry. "Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen."
"Dann sollten wir die Lage weiter beobachten, eher wir vorschnelle Schlüsse ziehen. Vielleicht wollte Mírwen wirklich nur einen Streit verhindern oder sie möchte noch schneller als Finelleth oder ich ins Waldlandreich kommen."
"Vielleicht," sagte Kerry.

Als sie bei Sonnenuntergang ihr Nachtlager aufschlugen, hatten sie den Aufstieg zum Hohen Pass erreicht. Der ausgetretene Weg, dem sie seit Bruchtal gefolgt waren, ging hier in einen steinigen Pfad über, der sich ins Gebirge hinaufschlängelte. Kerry musste den Kopf in den Nacken legen, um bis zu den höchsten Gipfel hinaufblicken zu können. Ihr war aufgefallen, dass Mathan auf der Reise hierher äußerst schweigsam gewesen war und beinahe immer am Ende der Gruppe gegangen war. Selbst Ardóneth hatte sich mit dem Rest der Gruppe unterhalten und sie besser kennengelernt. Kerry beschloss, den Grund für das Verhalten ihres Vaters herauszufinden und blickte sich nach ihm um. Sie entdeckte Mathan schließlich einige Meter vom Nachtlager entfernt, in dem Ardóneth gerade ein kleines Feuer in Gang brachte. Mathan stand auf einer Anhöhe und blickte stumm nach Norden. Vorsichtig trat Kerry neben ihn und fragte: "Was ist los, Ontáro?"
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Curanthor

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Re: Pfade nach Imladris
« Antwort #4 am: 7. Mai 2017, 23:37 »
Nachdenklich ging Mathan am Ende der Gruppe und beobachtete abwechselnd seine Reisegefährten. Ihm war klar, dass er sie nicht die ganze Zeit begleiten konnte, aber er konnte auch sie nicht mitnehmen. Seine Hand lag auf seinem Umhang aus Gondolin, in dessen Innentasche er das Stück Pergament trug, das Elrond ihm überlassen hatte. Kurz vor seiner Abreise war er dem Rat seines Onkels gefolgt und zu dem Herrn Bruchtals gegangen, der noch ein paar zusätzliche Informationen über die Expedition in den Norden ausgegraben hatte. Als sie schließlich ein Lager aufschlugen und Ardóneth ein Feuer entzündete, setzte sich Mathan etwas von der Gruppe an und blickte dabei in den Himmel. Seine Gedanken schweiften weit ab und waren bei seiner Familie, seiner Mutter, an die er sich kaum erinnert, seinem Vater, der stets etwas schräg wirkte und seine Frau, die er ebenfalls vermisste. Ihm ging erneut das Gespräch mit Cinad durch den Kopf, als er plötzlich Schritte vernahm. Durch die lange Reise mit ihr, kannte er ihre Art sich zu bewegen und vernahm sogleich ihre Stimme: " "Was ist los, Ontáro?"
Mathan blickte noch einmal nach Norden, wo die Expedition einst entlang gereist ist, ehe er sich umwandte. Er bemerkte den besorgten Blick seiner Tochter und legte ihr sanft eine Hand auf dem Kopf. "Gar nichts...", erwiderte er und hielt ihren fragenden Blick stand, "Nur habe ich eine Dinge erfahren, die mich ziemlich beschäftigen."
Kerry wollte schon nachfragen, doch er nahm seine Hand von ihrem Kopf und legte sie ihr auf die Schulter. Mit der anderen Hand zog er das Medaillon unter seiner Kleidung hervor und hielt es in den flackernden Schein der Flammen. "Meine Mutter", sagte er leise und öffnete das Schmuckstück. Ein glattes Stück Eis mit einem eigentümlichen Schimmer war darin zu sehen, "Es ist von ihr, das weißt du. Nun habe ich noch mehr über sie erfahren." Die Augen seiner Tochter blitzten aufgeregt.
"Aber das ist doch gut", erwiderte Kerry freudig und legte neugierig den Kopf schief, "Was ist es denn?"
"Nun, ob es gut ist weiß ich nicht. Mein Vater war nicht ganz ehrlich zu mir..."
Seine Antwort ließ die Freude aus Kerrys Gesicht verschwinden, ein trauriger Ausdruck lag nun in ihren Zügen. "Aber ich dachte, Elben lügen nie!", rief sie sichtlich schockiert und nahm Mathans freie Hand, "Warst du deswegen so schweigsam die ganze Zeit, Ontáro?"
Mathan atmete tief durch und nickte, was Kerry nur bestürzt seinen Handrücken streicheln ließ. Sie schwiegen für einen Weile und er war froh, dass sie nicht weiter bohrte. Eigentlich besprach er so Etwas gerne mit Halarîn, aber Kerry gehört auch zu seiner Familie und sie hatte ein Recht darauf, zu erfahren wie die Dinge stehen.
"Meine Mutter - deine Großmutter - verschwand  vor einer langen Zeit, ich weiß gar nicht mehr genau wann...", er schüttelte jedoch den Kopf und korrigierte sich: "Ich weiß es ganz genau, denn seitdem habe ich immer an sie gedacht. Mehr als dreitausend Jahre ist es nun her, als ich ihre sanfte Stimme gehört habe."
Kerry machte große Augen und ließ beinahe seine Hand los, sichtlich erschüttert und unfähig ihre Gefühle in Worte zu fassen. Mathan lächelte gequält, denn er wusste, dass seine jüngste Tochter sehr emotional sein konnte. Er beugte sich zu ihr hinab und gab ihr einen sanften Kuss auf die Wange, ehe er sich wieder aufrichtete und nach Norden blickte. Der Wind war ruhig und kaum eine Brise ging, nur das Knistern des Feuers war zu hören. Die Gespräche ihrer Gefährten war nur ein Murmeln im Hintergrund, während Vater und Tochter schweigsam auf der Anhöhe standen. Ganz weit in der Ferne vernahmen seine Elbenohren einen Kautz, vereinzelt eine Nachtigall und einen einsamen Wolf. Es dauerte eine Weile, bis Kerry sich wieder gefangen hatte und wieder begann seinen Handrücken zu streicheln, was ihm ein Lächeln entlockte.
"Deswegen gehst du nach Norden... um sie zu suchen?", fragte sie schließlich leise und blickte nun ebenfalls auf die Gipfel der Nebelberge, so als ob sie in den kalten Norden blicken könnte. "Ich kann mir gar nicht vorstellen wie es ist, eine so lange Zeit...", murmelte sie leise und Mathan drückte sanft ihre Hand, als Zeichen, dass er es wertschätzte, dass sie da war.
Nach einer Weile sagte er nachdenklich: "Ich habe schon oft nach ihr gesucht, monatelang viele Länder von Mittelerde bereist, doch nie gab es ein Zeichen. Kaum eine Spur erwies sich als wertvoll. Und nun, wenn das Übel nach dieser Welt greift und ich dich treffe, dann geschieht Etwas."
Kerry nickte und drückte seine Hand etwas fester, ehe sie antwortete: "Ich bin mir sicher, dass du sie finden wirst. Die Dinge geschehen nicht umsonst, selbst die Schlechten." Ihre Stimme klang ermutigend, auch als er in ihre Augen blickte, schien sie auch irgendwie sich selbst zu ermutigen.
"Vielleicht hast du Recht, meine Kleine", sagte er stirnrunzelnd und drehte das Medaillon in der freien Hand, "Vielleicht fühlt es sich deswegen auch anders an. Die Kälte spricht zu mir, zumindest glaube ich es, denn es ist ein Gefühl, wie ein Zerren nach Norden."
"Ich mag es nicht wenn es zu kalt ist. Dann friere ich ständig." Kam die prompte Antwort, woraufhin Mathan skeptisch eine Braue hob und sie sich rasch verbesserte: "Äh... ich meinte... was hat es mit dem Zerren nach Norden auf sich?
"Ich denke, die Winde des Nordens weisen mir den Weg... oder irgendetwas. Es ist wie damals, als mich nichts an einem Ort gehalten hat, ein Fernweh", antwortete Mathan nachdenklich und versuchte sich auf die ganze Sache einen Reim zu machen, doch er konnte es nicht. Als er zu Kerry blickte, bemerkte er, dass sie ebenfalls nicht verstand was er meinte und lachte leise. Es war befreiend und sie lächelte ebenfalls.
"Sei einfach nur vorsichtig und komm wieder zurück, Ontáro.", bat Kerry ihn leise und er nickte sogleich.
"Das werde ich, Ténawen", antwortete er fest und zog sie in eine sanfte Umarmung, "Immerhin möchte ich nicht die Geburt deines kleinen Geschwisterchens verpassen."
Sofort breitete sich ein glückliches Lächeln auf dem Gesicht von Kerry aus, als sie sich lösten. "Vielleicht kannst du ihm oder ihr dann einen Namen geben, wenn es soweit ist."
Das Lächeln auf ihrem Gesicht wurde noch eine Spur breiter und ihre Augen funkelten, ganz anders als zuvor. Eifrig nickte Kerry und Mathan begann, ausgelöst durch die gute Laune leise von seiner Mutter zu erzählen. Wie sie ihn damals immer an die Hand genommen hatte und sie gemeinsam durch die Felder gestreift sind. Meist wirkte seine Mutter distanziert, doch hatte sie eine unbeschreibliche Herzlichkeit, die er kaum in Worte fassen konnte. Doch scheinbar war es ausreichend, denn Kerry war äußerst interessiert. "Erzähl mir bitte mehr über Großmutter", bat sie schließlich und gemeinsam setzten sie sich auf einen umgestürzten Baumstamm.
"Nun, meine Mutter hat sich oft in die Sonne gesetzt und ich bin vor ihren Füßen umhergelaufen. Natürlich war ich damals sehr klein gewesen und sie hatte nicht viel Erfahrung, da ich ihr erstes Kind war. Sie gab sich aber viel Mühe und konnte ein herzerweichendes Lächeln aufsetzen, mit dem jeder Ärger über sie verflog. So konnte ich ihr nie böse sein. Als ich ein wenig älter wurde, bemerkte ich, dass sie auch sehr respekteinflößend sein konnte. Sie war...ist eine stolze Frau und verfügt über einen großen Wissensschatz. Ich weiß zwar nicht genau was ihre Talente waren, doch genoss sie höchstes Ansehen, selbst von den Mächtigen unseres Volkes. Ich bin mir sicher, du hättest ihr gefallen", bei den letzten Worten musste er erneut leise lachen, "Sie mochte eigensinnige Charakterzüge und war selbst sehr unabhängig. Ich bin mir sicher, falls ich sie jemals finden würde, könnte sie die sehr viel beibringen, womöglich noch mehr als ich."
Bei einem Seitenblick bemerkte er, dass Kerry plötzlich sehr nachdenklich schien. Beruhigend legte er ihr eine Hand auf den Rücken und sagte eindringlich: "Sorge dich nicht, sie ist keine schlechte Frau und noch habe ich sie nicht gefunden ,aber du solltest dich bald schlafen legen", er nickte zum Mond, der hoch am Himmel stand, "Es ist spät und für den Pass brauchst du alle Kraft. Sorge dich nicht um Dinge, die noch in ferner Zukunft liegen."

Mathan, Oronêl, Finelleth, Ardóneth, Celebithiel, Mírwen und Kerry zum Hohen Pass
« Letzte Änderung: 8. Mai 2017, 00:29 von Fine »

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Eine anstrengende Täuschung
« Antwort #5 am: 2. Jan 2018, 16:20 »
Córiel und Vaicenya aus Imladris


Córiel hatte erwartet, dass Vaicenya ostwärts, in Richtung der Berge ziehen würde, doch die Dunkelelbin hatte überraschenderweise zunächst eine südwestliche Richtung eingeschlagen, nachdem sie das verborgene Tal Elronds verlassen hatten. Die Hochmoore, die Imladris umgaben, durchquerten sie im Laufschritt, und kamen so nach nur kurzer Zeit zu den Bruinenfurten, wo ein Córiel unbekannter Elb bereits auf sie wartete. Er führte drei Pferde mit sich.
Ohne auf Córiels Fragen einzugehen schwang sich Vaicenya in den Sattel und bedeutete der Hochelbin, es ihr gleichzutun. Der Elb, der sie erwartet hatte, sattelte auf das dritte Ross auf, doch er schloss sich ihnen nicht an. Stattdessen verschwand er in westlicher Richtung entlang der Großen Oststraße.
Córiel, die sich Vaicenyas Reiseziel inzwischen zusammengereimt hatte, verstand nun, weshalb sich die Dunkelelbin nicht dem Nebelgebirge zugewandt hatte, nachdem sie von Bruchtal aufgebrochen waren. Auf den flacheren Gebieten auf der Westseite des Gebirges würden sie auf dem Rücken der Pferde viel schneller voran kommen, zumindest bis sie einen der südlicheren Pässe erreichten. Südlich des Hohen Passes gab es noch zwei Stellen, an denen das Nebelgebirge überquert werden konnte: An der Schwertelquelle und noch weiter südlich am Pass des Caradhras. Córiel vermutete, dass der Rothornpass Vaicenyas Ziel war. Doch nun, da der Winter in Mittelerde nicht mehr fern war, konnten sie sich nicht sicher sein, ob der Pass überhaupt überquerbar sein würde. Caradhras hatte einen schlechten Ruf unter Reisenden und war für seine plötzlich auftauchenden Schneestürme berüchtigt.

Während sie im hohen Tempo nach Süden über das leere, stille Land preschten, sprachen sie kein Wort miteinander. Córiel hatte von sich aus kein Bedürfnis, mit Vaicenya zu sprechen, doch auch die Dunkelelbin wirkte eher nachdenklich und verschwiegen in jenen Tagen. Irgend etwas schien sie zur Eile anzutreiben und ließ sie ernst und verschlossen werden.
Sie waren sparsam mit dem von Elrond bereitgestellten Proviant und kamen trotz der vielen Hügel, die ihren Weg kreuzten, gut voran. Und in den drei Tagen, die sie in aller Stille weiter und weiter nach Süden ritten, begegnete ihnen nichts und niemand. Es war, als hätte die Welt den Atem angehalten und schien mit großer Spannung auf das zu warten, was am Ende von Córiels Reise stand. Córiel machte dieser Umstand sehr zu schaffen. Noch immer schmerzten ihre Narben und halb verheilten Wunden bei jeder Bewegung, doch sie biss die Zähne zusammen und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Mehr als die körperlichen Beschwerden machte ihr das Schweigen und die Monotonie zu schaffen. Sie wollte Vaicenya nicht die Genugtuung geben, durch das Beginnen eines Gesprächs Unterhaltungsbereitschaf t zu zeigen oder gar durchblicken zu lassen, dass Córiel sich an die Gegenwart der Dunkelelbin gewöhnt hatte (was natürlich auch gar nicht der Fall war). Und dennoch spürte sie, wie die Gesamtsituation auf ihren Nerven lastete und sie nur schlecht und wenig schlafen ließ.

Am vierten Tag ihrer gemeinsamen Reise mit Vaicenya geschah endlich etwas, das die Eintönigkeit durchbrach. Während sie gerade eine Rast an einem kleinen Bach einlegten, der sich seinen Weg zwischen den grasbewachsenen Hügeln hindurch suchte, ertönte ein ferner Schrei aus den Lüften. Córiel horchte auf, denn sie wusste, wo sie dieses Geräusch vor wenigen Wochen bereits gehört hatte: Auf der Jagd durchs Nebelgebirge, kurz bevor sie die alte Zwergenfestung erreicht hatten, in der Vaicenya die Orks Saurons und Sarumans gegeneinander ausgespielt hatte. Sie hob den Kopf und suchte den Himmel ab. Und tatsächlich wurde sie fündig: Hoch über ihnen zeichnete sich gegen das helle Blau des Himmels eine majestätische geflügelte Gestalt ab: Einer der Großen Adler des Nebelgebirges näherte sich ihnen. Der gewaltige Vogel setzte zum Sturzflug in ihre Richtung an. Kurz vor seinem Aufprall auf dem Boden breitete er die Flügel aus, bremste in der Luft ab und glitt anmutig zu Boden. Er war so groß, dass er selbst die Schulterhöhe der beiden Pferde überragte, als sie ihre Rösser vorsichtig vor ihn lenkten.
Ehe Córiel etwas sagen konnte, nahm Vaicenya bereits das Wort. “Sei gegrüßt, Róvallír. Du kommst gerade rechtzeitig. Das habe ich schon immer an dir geschätzt.”
Der Adler neigte leicht das Haupt und sprach: “Der Wind unter meinen Flügeln war mir gewogen, Edle. Auch Ihr scheint mir stets genau dort zu sein, wo Ihr zu sein plant. Meinen Gruß, Herrin.”
“Meine Pläne gehen selten fehl, wie du wissen solltest.” erwiderte Vaicenya mit einem verschlagenen Lächeln. “Kommen wir zum Geschäft. Da ich großzügig bin, werde ich anfangen. In zwei Wochen wird es einen erneuten Versuch seitens der Weißen Hand geben, den Hohen Pass erneut zu besetzen, und diesmal werden sie es in größerer Zahl versuchen als zuvor. Sie werden versuchen, bis zur Orkstadt vorzudringen und dort einen vorgeschobenen Stützpunkt zu errichten, als Sprungbrett für weitere Vorstöße nach Norden. Sobald dieses strategische Ziel gesichert ist, planen sie, die in der Nähe ansässigen Orkstämme endgültig zu unterjochen und sich ihrer Krieger zu bedienen, um einerseits eine starke Verteidigungslinie gegen Angriffe aus Gundabad zu errichten und um andererseits eine Streitmacht zusammenzuziehen, die stark genug ist, um die umliegenden Länder zu bedrohen.”
“Das heißt, für den Augenblick sind Imladris und das Tal des Anduins noch sicher,” schlussfolgerte der Adler. “Sofern sie sich weiter in ihren Krieg gegen ihre Artgenossen verrennen und ihr Vorstoß über den Hohen Pass hinaus ins Stocken gerät.”
“Was dein Meister mit diesen Informationen anstellt ist mir gleich,” meinte Vaicenya. “Ja, deine Schlussfolgerungen sind korrekt. Aber dieser Krieg von Hand und Auge ist ein einziges Chaos und es ist unmöglich, genau vorherzusagen, wie er weiter verlaufen wird.”
“Darüber zu urteilen steht mir nicht zu. Hört also nun, was ich Euch zu berichten habe, Edle. Seitdem ich Euch die Nachricht vom Eintreffen Eurer Verfolger in den westlichen Hängen überbrachte, haben mich die Winde der Welt über große Strecken getragen und viel habe ich gesehen. Im Westen regt sich Unzufriedenheit unter jenen, die von Sarumans Joch befreit wurden, doch die Gefahr ist noch lange nicht gebannt. Angmar mag viel von seiner Stärke in der Schlacht um Carn Dûm eingebüßt haben, doch mit der Zeit wird es sich wieder erheben. Und noch immer stehen große Teile Eriadors unter der Kontrolle der Weißen Hand.”
“Nun, ich habe in diesem Gebiet etwas in Bewegung gesetzt, das vielleicht zu etwas Abwechslung führen wird,” warf Vaicenya ein. Ihr selbstgefälliger Gesichtsausdruck löste bei Córiel ein Gefühl großer Besorgnis aus. Was hast du nun wieder geplant?
“Dem mag so sein, Edle. Ihr habt, was auch immer Ihr dort vorhabt, gut vor scharfen Augen verborgen, vermutlich unter dem Schutz dichter Bäume. Doch dies ist für mich im Augenblick nicht von Belang. Östlich des Nebelgebirges ist Bewegung in den Feldzug Sarumans gekommen. Seine Heere stehen nun vor Thal und die Schlacht muss inzwischen im vollen Gange sein. Doch aus dem Süden regt sich Widerstand, und es mag sein, dass sich Dol Guldur schon bald erneut unter Belagerung befinden wird. Diesmal von Streitkräften des Roten Auges, die vom Schattenland ausgesandt wurden.”
Vaicenya dachte einige Augenblicke über diese Neuigkeiten nach. “Es ist beinahe zu gut, um wahr zu sein. In Ost und West zerfleischen sich Saurons und Sarumans Orks gegenseitig, während die Narren der Freien Völker geradezu untätig abwarten, wer aus diesem Krieg als Sieger hervorgehen wird. Sehen sie denn nicht, dass derjenige, der triumphiert, viel stärker sein wird als alles, was sie aufbieten könnten, selbst wenn sie ihre endlosen Streitigkeiten beilegen würden?” Sie schüttelte den Kopf und blickte Córiel an. “Nein, natürlich nicht. Es fehlt ihnen allen an Weitsicht. Und genau deswegen müssen wir auf dieser Fahrt Erfolg haben, meine Liebe. Um uns Weitsicht zu verschaffen, die sogar über das hinaus geht, was der gute Róvallír aus den Lüften erspähen kann.”
Jetzt plant sie offenbar, sich zur Anführerin der Freien Völker aufzuschwingen, dachte Córiel verblüfft. Vaicenyas Handeln war ihr jeden Tag aufs Neue ein Rätsel. Ständig schien es neue Gründe für das zu geben, was die Dunkelelbin tat, und mit jeder Antwort, die Córiel fand, tauchten doppelt so viele neue Fragen auf. Es war unendlich frustrierend für sie.
“Triff mich in sieben Tagen an den Ufern des Spiegelsees, mein geflügelter Freund,” fuhr Vaicenya fort. “Bis dahin werde ich weitere wertvolle Informationen gesammelt haben, die du an deinen Herrn weiterleiten kannst. Möge er damit tun, wie es ihm beliebt. Es schert mich nicht.”
“Was verlangt Ihr dieses Mal im Austausch dafür, Edle?” fragte Róvallír.
Vaicenya musterte den Adler von oben bis unten. “Du wirst all deine Geschwindigkeit brauchen, um jenen Ort rechtzeitig zu erreichen, und dann anschließend pünktlich am Treffpunkt zu sein. Jenseits des Carnen-Flusses, in der Nähe seines Unterlaufes, liegt ein dichter, dunkler Wald. Und inmitten der Bäume fließt ein Fluss, auf dem sich nachts das Sternenlicht spiegelt. Finde diesen Fluss, und folge ihm bis zu seinem Ursprung! Und dann kehre zurück und berichte mir, was du dort gefunden hast.”
“Wie Ihr wünscht, Edle. Fahrt nun wohl, bis euch eure Flügel wieder sicher zu euren Horsten zurückgebracht haben.”
“Möge der Wind unter deinen Schwingen niemals fehl gehen,” erwiderte Vaicenya. Der Adler stieß einen Schrei aus und sprang in die Lüfte. Seine Flügel verursachten so viel Wind, dass Córiels Haare wie wild durcheinander gewirbelt wurden. Schneller und schneller stieg Róvallír in den Himmel auf und verschwand in nordöstlicher Richtung. Als Córiel seiner Gestalt mit ihrem Blick folgte, stellte sie fest, dass er auf die höchsten Gipfel der Bergkette zuzusteuern schien.

Vaicenyas Laune hatte sich seit Róvallírs Aufbruch schlagartig gebessert. SIe begann, geradezu vergnügt vor sich hin zu summen und ließ ihr Pferd in einem gemächlicheren Tempo voran gehen.
“Was hatte das zu bedeuten?” wollte Córiel einige Zeit später wissen, als sie es nicht mehr aushielt.
“Oh, mach dir darüber keine Gedanken, meine Liebe.” meinte Vaicenya und winkte ab. “Der gute Róvallír und ich haben eine kleine Abmachung, mehr nicht.”
“Und wieso hast du es mit einem Mal nicht mehr eilig?”
“Ich wollte rechtzeitig am Treffpunkt sein, das muss dir doch auch klar sein. Adler sind ungeduldige Wesen. Wären wir nicht hier gewesen, wäre Róvallír wieder verschwunden. Doch jetzt ist die Zeit der Eile erst einmal vorbei. Unser Weg liegt klar und deutlich vor uns.”
“Du hast dich also entschieden, über welchen Pass du das Gebirge überqueren möchtest?”
“Wieso über einen schwierigen Pass gehen, und riskieren, sich dabei den Hals zu brechen? O nein, meine Liebe, dieser Gefahr würde ich dich niemals aussetzen. Jetzt, wo ich dich hier bei mir habe schon gar nicht. Es gibt andere Wege auf die andere Seite... sichere Wege. Dort, wo wir hingehen, brauchen wir keine Pässe.”
Córiels Gedanken überschlugen sich. Ihr fiel nur ein einziger Weg ein, der auf die andere Seite des Gebirges führte. “Du willst doch nicht etwa durch die Minen der Zwerge gehen?” fragte sie zweifelnd.
“Keine Angst, Melvendë. Es gibt in Moria schon lange keine Zwerge mehr. Wir sind dort vor ihnen sicher.”
Córiel blinzelte mehrmals. “Du scherzt.”
“Du solltest mich gut genug kennen, um zu wissen, dass ich in einer solchen Lage keine Scherze mache. Wir gehen unter dem Gebirge hindurch, und weder Zwerg noch Ork wird uns aufhalten. Hab Vertrauen, meine Liebe. Du wirst sehen, wir werden keinerlei Probleme haben.”
Weil die Orks der Weißen Hand in Moria ihr Hauptquartier haben und du noch immer Befehlsgewalt über sie ausübst, dachte Córiel. Ihr war gar nicht wohl bei dem Gedanken, die von Orks verpesteten Tunnel der Zwerge zu betreten. Doch sie kam zu dem Schluss, dass sie keine Wahl haben würde. Sie rief sich ins Gedächtnis, weshalb sie hier war und welche Aufgabe Elrond ihr insgeheim gegeben hatte. Sie musste Vaicenyas Vertrauen gewinnen und sie entweder eines Tages unschädlich machen oder dazu bringen, ihre selbstgefälligen Ziele aufzugeben und sich den Freien Völkern anzuschließen. Im Augenblick sah Córiel keinen Weg, Letzteres zu erreichen. Es würde im Vergleich deutlich einfacher sein, Vaicenya in einem Moment der Unachtsamkeit kurzerhand umzubringen. Und dafür würde sie die Dunkelelbin glauben lassen müssen, dass von Córiel keine Gefahr für sie ausging.
Also ließ sie zu, dass Vaicenya am selben Abend ihre Hände ergriff und sie zusammenführte, dass sie unangenehm nahe kam und Córiel Worte in der Sprache der Tatyar ins Ohr wisperte, die sie nicht verstand. Sie ließ die Berührungen zu und vergrub ihre wahren Absichten weit in den Tiefen ihres Herzens. Sie übte sich in Geduld, auch wenn es ihr so unendlich schwer fiel. Sie ertrug es, weil es ihre Pflicht in diesem Krieg war.
“Nur wir beide, unterwegs in den wilden Weiten eines vom Krieg geplagten Landes,” hauchte Vaicenya. Das Sternenlicht ließ ihre Augen wie Seen voller leuchtender Punkte erscheinen. Sie hatten die Grenze Eregions erreicht und würden schon bald vor den Toren Moria stehen. “So wie es lange vor dem Aufgang von Sonne und Mond war, als Nächte wie diese ewig währten. Erinnerst du dich?”
“Nein,” gab Córiel zurück. “Aber es klingt... wunderschön. Auf eine gewisse Art.”
“Du wirst dich erinnern, meine Liebe. Das verspreche ich dir. Halte nur noch ein paar Tage durch. Dann wird alles anders werden.”
Noch ein paar Tage durchhalten, dachte Córiel. Das schaffe ich. Ich halte noch ein bisschen länger durch, und lasse dich denken, du hättest mich auf deine Seite gezogen. Und dann beende ich all das hier. Sobald du denkst, du hättest dein Ziel erreicht, werde ich es zerstören.


Córiel und Vaicenya nach Moria
« Letzte Änderung: 20. Jan 2018, 15:59 von Fine »
RPG:

Eandril

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Re: Die Wildnis rings um Imladris
« Antwort #6 am: 28. Jan 2020, 12:29 »
Oronêl und Kerry aus Eregion

Nach Norden schlug Oronêl so gut es ging den gleichen Weg ein, den sie bereits bei ihrer letzten Reise von Eregion nach Bruchtal genommen hatten, und hielt sie immer ein Stück westlich der drohenden Flanke des Nebelgebirges. Er und Kerry kamen allerdings um einiges schneller als bei dieser Reise voran, da sie beritten waren und die Schneestürme abgeflaut waren. Das ganze Land war von einer dünnen Schneeschicht bedeckt, die allerdings immer kräftiger wurde, je weiter sie nach Norden gelangten.
Auf dem Weg stellte Oronêl fest, dass die Neubesiedlung Eregions im Süden des Landes mit Abstand am weitesten voran geschritten war, während weiter im Norden noch kaum Spuren von Elben zu finden waren - und die wenigen, die sich in dieser Gegend aufhielten, hielten sich verborgen, und Kerry bemerkte sie nicht.
Früh am Morgen des dritten Tages, seitdem sie in Ost-in-Edhil abgewiesen worden waren, erreichten sie die Ausläufer der Nebelberge, die die nördliche Grenze Eregions bildeten. Nicht weit von der Stelle, an der sie beim letzten Mal halt gemacht hatten, hielt Kerry an, und blickte über die Schulter zurück. Auch Oronêl bedeutete seinem Pferd, stehenzubleiben, und wartete schweigend ab.
"Was ist, wenn sie verlieren?", fragte Kerry schließlich, ohne den Blick von den verschneiten Hügeln Eregions abzuwenden. "Was ist, wenn es meine letzte Chance war? Wenn ich die Grenze überschreite, und..."
Oronêl lenkte sein Pferd neben das ihre, und erwiderte: "Wir wissen nie, wann wir die letzte Gelegenheit haben, etwas zu tun, oder mit jemandem zu sprechen. Wir wissen nie, wann das letzte Mal ist. Aber... ich spüre, dass wir sie wiedersehen - Mathan, Halarîn, und all die anderen. Ich weiß nicht, ob es in Eregion sein wird oder anderswo, aber es wird geschehen." Er sagte das nicht nur, um Kerry zu beruhigen, sondern es war die Wahrheit. Als er die nördliche Grenze von Eregion überschritten hatte, hatte ihn eine Vorahnung überkommen, dass sie zurückkehren würden, und zwar rechtzeitig.
"Du bist also unter die Hellseher gegangen?", fragte Kerry. "Kannst du mir vielleicht meine Zukunft vorhersagen? Es gibt da ein paar Dinge, die ich gerne vorher wüsste..."
"So funktioniert es nicht. Es ist eher...", setzte Oronêl zu erklären an, brach aber ab, als er Kerrys Grinsen sah. "Du ziehst mich auf, oder?"
Kerry nickte, weiterhin grinsend. "Allerdings."
Oronêl schüttelte den Kopf, und seufzte. "Sei froh, dass ich keinen Eimer mit kaltem Wasser zur Hand habe."
Kerry erschauderte bei diesen Worten ein wenig, und erwiderte: "Rede gar nicht erst davon. Hier ist es beinahe so kalt wie in der Eiswüste." Ihr Grinsen schwand und sie wurde wieder ernst, als sie weiter sprach: "Ich wünschte, die anderen von damals wären jetzt bei uns. Meine Eltern, Finelleth... Adrienne... Valandur und Súlien..."
"Es ist normal, seine Freunde zu vermissen", sagte Oronêl. "Mir geht es nicht anders."
Kerry blickte noch einen Augenblick gedankenverloren nach Süden, bevor sie sich einen sichtlichen Ruck gab, und ihr Pferd nach Norden wendete. "Dann sollten wir lieber weiterreiten. Vielleicht treffen wir in Bruchtal ja jemanden."

Von Eregions Nordgrenze aus kamen sie weiter rasch voran, denn das gute Wetter hielt sich und inzwischen kannte Oronêl die Pfade durch dieses Land gut genug, um sich nicht zu verirren. Als sie am Abend des zweiten Tages bei Sonnenuntergang anhielten um zu rasten, bemerkte Oronêl allerdings Spuren im Schnee, nur wenig von ihrem Lagerplatz entfernt.
"Wer immer hier entlang gekommen ist, es ist nicht lange her", stellte er fest.
Kerry, die sich gegen den schneidend kalten Nordwind die Kapuze über den Kopf gezogen hatte, kniff angestrengt die Augen zusammen, und sagte schließlich: "Ich sehe überhaupt nichts in dieser Dunkelheit. Wovon redest du?"
"Fußspuren", erklärte Oronêl knapp. "Schwach, aber trotzdem nicht mehr als zwei Stunden alt." Sie befanden sich in einem dünn bewaldeten Landstrich, in einer geschützten Senke, wo nur wenig Schnee lag - sonst wären die Spuren vermutlich deutlicher zu sehen gewesen.
"Ich glaube nicht, dass es Orks sind, sie hätten deutlichere Spuren hinterlassen", fuhr Oronêl fort. "Aber wir sollten trotzdem vorsichtig sein. Bleib du hier und schlag das Lager auf - aber entzünde kein Feuer. Ich werde mich ein wenig umsehen."
Kerry nickte ohne Widerspruch, und nahm nahm die Zügel von Oronêls Pferd, die er ihr entgegen hielt.
Oronêl folgte der Spur langsam, darauf achtend, sie nicht zu verlieren. Er glaubte, drei Paar Schuhe zu erkennen, die allerdings immer in die Fußstapfen des Vorangehenden getreten waren. Die Spur verlief ziemlich genau in nördlicher Richtung einen Abhang hinauf, und bevor Oronêl diesen zur Hälfte erstiegen hatte, roch er Rauch in der Luft und hörte leise Stimmen miteinander sprechen. Er musste allerdings noch zwei weitere Hügel überqueren, bevor er in einer Senke den Schein eines kleinen Feuers sehen konnte, und die drei Gestalten, die sich um das Feuer herum auf den Boden kauerten. Lautlos schlich er näher, gab die Heimlichkeit allerdings in dem Augenblick, in dem er zwei der Stimmen erkannte, auf.
Er trat hinter einem Baum hervor, und sagte laut: "Ihr solltet in diesen Landen ein wenig vorsichtiger sein, Freunde."
Sofort sprangen alle drei Gestalten auf und griffen nach ihren Waffen - bis Oronêl den Lichtschein des Feuers erreicht hatte. Der schwarzhaarige Waldläufer stieß sein halb gezogenes Schwert mit einem Ruck zurück in die Scheide, und lachte.
"Sich von einem Elben beschleichen zu lassen, ist keine Schande."
"Und hätte uns ein Ork beschlichen, wäre die Schande vermutlich unser geringstes Problem gewesen", fügte seine hellhaarige Gefährtin trocken hinzu, und legte ihr Schwert ebenfalls beiseite. "Wir dachten, du wärst im Osten, Oronêl. Und nun stolperst du hier geradezu in unser Lager."
Oronêl erwiderte das Lächeln. Kaum zwei Tage war es her, dass Kerry sich danach gesehnt hatte, Gefährten aus der Eiswüste wiederzusehen, und hier waren zwei von ihnen.
"Súlien von Ringechad und Valandur", stellte er fest. "Euch hier zu treffen, hatte ich nicht erwartet. Ich wähnte euch weiter im Norden."
"Man kann nicht ewig sicher in Ringechad herumsitzen, während im Süden Krieg geführt wird", gab Súlien zurück, und Valandur ergänzte: "Also sind wir nach Fornost zurückgekehrt, und Belen gab uns und Mablung hier den Auftrag, die Länder südlich von Imladris auszukundschaften."
Die Blicke der Waldläufer richteten sich erwartungsvoll auf Oronêl, doch für Erzählungen würde später Zeit sein.
"Ich habe Kerry mit unseren Pferden etwa eine Meile südlich zurückgelassen, wo wir auf eure Spur gestoßen sind. Für Erklärungen ist Zeit, wenn wir alle um euer Feuer sitzen."

Kerry war tatsächlich freudig überrascht, als Oronêl ihr berichtete, wen er getroffen hatte. Während sie ihre Pferde durch den verschneiten Wald nach Norden führten, sagte sie: "Valandur und Súlien... es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, dass wir uns in Ringechad von ihnen getrennt haben, obwohl es noch gar keine so lange Zeit her ist. Vermutlich, weil in der Zwischenzeit so viel geschehen ist."
Oronêl nickte langsam. "Im Verhältnis zum Rest meines Lebens ist die Zeit, seit ich nach Dol Amroth gekommen bin, nicht mehr als ein Wimpernschlag. Und dennoch kommt es auch mir vor wie eine lange Zeit. Viel ist geschehen, und viel hat sich verändert - und wird es noch."
Als sie das kleine Lager der Waldläufer erreicht hatten, begrüßten alle drei Dúnedain Kerry freudig, denn zu Oronêls Überraschung kannten auch Mablung und Kerry einander.
"Wir sind uns in Fornost begegnet", erklärte Kerry, als sie alle fünf um das kleine Feuer herumsaßen. "Vor dem Angriff. Danach müssen wir uns aus den Augen verloren haben."
"Nun, wie ich hörte, war dein plötzlicher Aufbruch aus Fornost nicht freiwillig", erwiderte Mablung lächelnd. "Aber am Ende hat sich doch alles zum Guten gewendet."
"Bis jetzt", wandte Valandur düster ein. "Saruman heckt irgendeine Teufelei aus, das ist klar. Im ganzen Norden ist keine Spur von seinen Dienern zu finden."
Oronêl wechselte einen Blick mit Kerry, und sagte dann: "Er plant einen Angriff auf die Elben in Eregion, nach allem was wir wissen."
Alle drei Augenpaare richteten sich auf ihn, bis Súlien schließlich das Schweigen brach: "Dann scheint klar zu sein, wohin seine Diener verschwunden sind. Belen muss davon erfahren."
"Könnt ihr nicht helfen?", fragte Kerry. "Die Elben sind auch eure Freunde, und es wäre doch besser für euch, wenn sie siegen. Außerdem haben Mathan und Halarîn in Fornost mit euch gekämpft."
Die Waldläufer wechselten Blicke, bevor Valandur langsam sagte: "Das muss Belen entscheiden. Angesichts dieser Nachrichten ist es denke ich verzeihlich, wenn wir uns bei Sonnenaufgang auf den Weg zurück nach Fornost machen."
"Wir werden versuchen, Belen zu überzeugen, Hilfe nach Eregion zu schicken - wenn es noch rechtzeitig ist", ergänzte Mablung. "Und ich erinnere mich daran, wie die Elben in Fornost gekämpft haben. Wenn Belen entscheidet, keine Hilfe zu senden, werde ich allein gehen."
Kerry strahlte, und wandte sich an Valandur und Súlien. "Was ist eigentlich mit euch? Seid ihr..."
Bevor sie überhaupt ausgesprochen hatte, ächzte Valandur leise, und Súlien verdrehte die Augen. "Fang nicht damit an, Kerry. Mein Vater hat uns genug zugesetzt."
"Ihr Vater hat in Ringechad gefallen an mir gefunden, und meinte, es wäre Zeit dass seine Tochter einen Mann findet", erklärte Valandur. "Und es war hoffnungslos ihm zur erklären, dass wir zwar Freunde sind, aber nicht auf diese Weise."
"Das war auch ein Grund, warum wir Ringechad recht bald nach euch wieder verlassen hatten", ergänzte Súlien, und rollte dramatisch mit den Augen. "Mein Vater kann so... anstrengend sein."
Kerry öffnete den Mund, um eine weitere Frage zu stellen, doch Oronêl kam ihr zuvor. "Ich denke, es wäre gerecht, abwechselnd zu erzählen. Wie viel wisst ihr, seit wir und in Ringechad trennten?", fragte er an die Waldläufer gewandt.
"Oh, einiges", antwortete Valandur. "Wir bekamen Nachrichten aus Bruchtal über eure Abenteuer in Dunland und in Eregion, doch unser letzter Stand war, dass ihr über das Gebirge nach Osten gegangen wart."
Also erzählte Oronêl, mit Kerrys Unterstützung, von ihrer Reise nach Osten bis zum Erebor und zurück, doch als er zu den Ereignissen am Rand des Düsterwaldes kam, versagte ihm die Stimme, und Kerry übernahm es, den Rest der Geschichte zu erzählen. Als sie von Mírwens Tod berichtete, senkte Valandur den Kopf und blickte auf das langsam herunterbrennende Feuer.
"Zuerst ihr Vater bei Fornost, dann sie. Ich mochte Mírwen - sie war so erfrischend anders als ihr übrigen Elben."
"Als sie starb erschien es mir, als hätte sie unsere Gemeinschaft, wie wir von Imladris aufgebrochen sind, endgültig aufgelöst", sagte Oronêl leise, und Valandur schüttelte den Kopf. "Nicht so lange ich noch stehe", erwiderte er. "In alle Winde verstreut mögen sie sein, doch ihr wart die ersten, an deren Seite ich gegen das Dunkel gekämpft habe, seit Sarumans Worte mich verführt hatten. Und das werde ich nie vergessen." Er hob die Hand, und im verlöschenden Schein des Feuers erkannte Oronêl, dass Valandur noch immer den silbernen Ring mit dem einzelnen Stern trug, den er von Arwen bekommen hatte.
Von diesem Punkt an übernahm Oronêl wieder die Führung der Erzählung, und berichtete davon, wie sie nach Süden gereist waren und er bis nach Dol Amroth gekommen war. An Nachrichten aus Gondor schien Mablung, der, wie sich herausstellte, aus diesem Land stammte, besonderes Interesse zu haben. Als Oronêl seinen Bericht schließlich beendet hatte, war das Feuer zur Glut zusammengefallen, und Valandur gähnte herzhaft.
"Nun, es scheint als hättet ihr noch einiges mehr erlebt als wir, und auch einiges mehr geleistet. Aber für den Augenblick sehne ich mich nur danach, ein wenig zu schlafen, bevor wir uns auf den Rückweg machen."
"Ich werde die erste Wache übernehmen", bot Oronêl sich an, und Kerry warf ihm einen schwer zu deutenden Blick zu.
"Und ich die zweite", sagte sie. "Wage es nicht, mich nicht zu wecken. Selbst Elben müssen irgendwann schlafen."
« Letzte Änderung: 6. Feb 2021, 17:46 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Fine

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Unter Sternen in der Wildnis
« Antwort #7 am: 30. Jan 2020, 16:55 »
Oronêl hielt Wort. Pünktlich zum Ende seiner Wachschicht weckte er Kerry, indem er sie sanft an der Schulter rüttelte, bis sie verschlafen die Augen öffnete.
"Jetzt hast du noch die Gelegenheit, deine Meinung zu ändern," raunte der Waldelb ihr zu. "Willst du nicht vielleicht doch weiterschlafen?"
"Keine Chance," murmelte sie und setzte sich auf. Es war dunkel, denn das kleine Feuer glühte nur noch schwach. Vereinzelne Schneeflocken rieselten aus dem sternenübersäten Himmel über ihnen. Kerry wickelte sich in ihren Umhang und hockte sich neben das Häufchen Glut im Zentrum der Mulde, in der die Waldläufer ihr Nachtlager errichtet hatten. Súlien, Valandur und Mablung schliefen tief und fest - Valandur schnarchte sogar ein wenig.
Oronêl machte allerdings keinerlei Anstalten, sich seinen Gefährten im Schlaf anzuschließen. Er stand am Rande der Mulde und schien auf das Säuseln des Windes zu lauschen.
Kerry betrachtete ihn mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend. "Hörst du etwa wieder Wolfsstimmen im Wind?" fragte sie leise, um die Schlafenden nicht zu wecken.
Der Waldelb hatte scharfe Ohren und drehte sich zu ihr um. "Ich glaube nicht, dass Feinde in der Nähe sind, Kerry," beruhigte er sie. "Und falls doch, haben wir hier drei erfahrene Dúnedain, mit deren Hilfe wir sicherlich keinerlei Probleme auf dem Weg nach Imladris haben werden."
Kerry erhob sich und kam zu Oronêl herüber. Zaghaft nahm sie seine Hand, was er mit einem verwunderten Blick quittierte, sich aber nicht dagegen wehrte.
"Oronêl?"
"Was gibt es, Kerry?"
Sie blickte zu Boden. Dann fasste sie sich ein Herz und sagte: "Geht es dir... gut?"
Oronêl musterte sie prüfend. Er gab keine Antwort - was auf gewisse Art und Weise Antwort genug für Kerry war. Sie drückte seine Hand, die sich um ihre Finger geschlossen hatte. Auch wenn Oronêls Gesichtsausdruck bis jetzt keine Gefühlsregung erkennen ließ, verriet ihn das leichte, kaum spürbare Zittern im Handgelenk.
Behutsam sagte Kerry: "Dir ist erst nachdem wir Eregion verlassen haben klar geworden, was dir die Rückkehr nach Bruchtal wirklich bedeutet, oder?"
Oronêl blieb weiterhin stumm, und Kerry fuhr fort: "Du hast bei deinem Vorschlag, diesen merkwürdigen Stein den ich fand, zu Meister Elrond zu bringen ganz vergessen, was für Erinnerungen dieser Ort für dich birgt, und erst als du Súlien und Valandur getroffen hast, sind diese Dinge langsam wieder an die Oberfläche gekommen? Dass du... sie dort zum ersten Mal trafst, und sie später, bei deinem zweiten Besuch in Imladris, die Entscheidung fällte, die letzten Endes zu ihrem..."
"Genug, Kerry." Oronêl hatte leise gesprochen, aber mit bebender Stimme. Ein tiefes Seufzen folgte.
Kerry wusste, dass sie jetzt all ihre Empathie aufbringen musste, um die Situation behutsam auflösen zu können. Sie sagte kein Wort mehr und drückte Oronêls Hand, um ihm so deutlich zu machen, dass sie für ihn da sein würde. So standen sie Hand in Hand unter den Sternen inmitten der Wildnis zwischen Eregion und Imladris, während die Glut des kleinen Lagerfeuers hinter ihnen langsam erstarb.
Schließlich brach Oronêl das lange Schweigen und ließ Kerrys Hand los. "Ich denke... ich sollte wohl tatsächlich etwas Schlaf finden," meinte er. "Und du ebenfalls, Kerry. Deine Schicht ist bald schon vorbei."
Kerry nickte. "Ich werde Mablung wecken, sobald es Zeit ist."
Oronêl sah ihr in die Augen. Dann senkte er den Kopf kaum merklich. Danke, formten seine Lippen lautlos. Schließlich wandte er sich ab und ließ sich unter einem nahen Baum nieder.
Noch ungefähr eine Viertelstunde verstrich, bis Kerry beschloss, dass es Zeit für den Schichtwechsel war. Sie unterdrückte ein Gähnen und stolperte zu Mablungs schlafender Gestalt hinüber. Kaum hatte sie die Hand nach der Schulter des Waldläufers ausgestreckt, da regte er sich bereits. "Ist es Zeit?" murmelte er und richtete sich auf.
"Ist es," wisperte Kerry. Dann legte sie sich ebenfalls hin und schloss die Augen.

Am folgenden Tag brachen Oronêl und Kerry gemeinsam mit den drei Waldläufern auf. Súlien hatte entschieden, dass Valandur, Mablung und sie selbst ohnehin den Fluss Bruinen überqueren mussten, um nach Fornost zu gelangen, und das wäre an den Furten der Lautwasser nahe Bruchtals am einfachsten. So kam es, dass beide Reisegruppen ein gutes Stück Weg gemeinsam zurücklegten. Da die Waldläufer zu Fuß unterwegs waren, ließen Oronêl und Kerry ihre Pferde im Schritt gehen und boten Valandur und den beiden anderen an, Teile ihres Gepäcks auf die Rücken der Tiere zu laden, was die Dúnedain dankend akzeptierten. Kerry betrachtete ein wenig verträumt die Umgebung, die hauptsächlich aus Bäumen, Felsen und kleinen Wiesen bestand und fragte sich, wie es wohl ihren Freunden erging, die quer über Mittelerde verteilt waren. Da war Irwyne, die mit Amrothos gewiss längst nach Gondor zurückgekehrt war. Da war Kerrys Vater, der vermutlich auf dem Weg nach Rhûn war, um die geheimnisvolle Frau namens Milva zu retten. Da war Aéd, der in Dunland auf Kerrys Rückkehr warten würde. Und da war Helluin, der... Augenblick, Helluin? Wieso denn schon wieder Helluin? dachte Kerry und konnte nur den Kopf über sich selbst schütteln. Sie ertappte sich immer wieder dabei, wie sich fragte, wie es dem Dúnadan mit den dunklen Haaren und eisblauen Augen im selbstgewählten Exil im fremden Osten wohl ergangen war, und ob er noch am Leben war... und Kerry stellte fest, dass sie hoffte, dass es ihm gut ging.
Als sie Valandur und Súlien betrachtete, die miteinander scherzten, fiel ihr ein weiterer Waldläufer ein, den sie vor Kurzem getroffen hatte. "Rilmir," murmelte sie und stellte verwundert fest, dass sie eigentlich erwartet hatte, ihren alten Bekannten in Aéds Dorf in Dunland wiederzusehen. Doch als sie mit Oronêl dort gewesen war, hatte von Rilmir jegliche Spur gefehlt.
Mablung lenkte seinen Schritte neben Kerrys Pferd. "Du hast gerade Rilmirs Namen gesagt, nicht wahr?"
Kerry nickte. "Habt ihr ihn gesehen?"
"Vor wenigen Tagen. Er war sehr in Eile und wollte so schnell wie möglich zurück nach Imladris, um nach seiner jungen Schwester zu sehen. Er sagte, in Dunland habe es offenbar einen Angriff auf den Wolfskönig gegeben, doch..."
"Ja, wir waren dabei," meinte Kerry. "Oronêl hat gestern davon erzählt, schon vergessen?"
Mablung schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. "Aber natürlich! Ich hätte längst darauf kommen müssen, dass Rilmirs und eure Geschichten zusammenpassen. Deshalb also hatte er es so eilig."
"Ging es ihm gut?"
"Er wirkte gesund," meinte Mablung. "Vielleicht begegnet ihr ihm und seiner Schwester ja bald."
Kerry zog die Augenbrauen hoch. "Ja, womöglich schon..."
Valandur sagte etwas, das nur Súlien hören konnte, und die beiden brachen in Gelächter aus. Dabei sahen sie zu Mablung und Kerry hinüber, ehe sie sich rasch wieder umdrehten.
"Die beiden waren doch früher nicht so... anstrengend," meinte Kerry leise, was Mablung mit einem teils wissendem, teils leidendem Blick bestätigte.

Bei Nachteinbruch kamen sie zu den Furten des Bruinen, die verlassen im sanften Mondlicht vor ihnen auftauchten. Hier verabschiedeten Kerry und Oronêl sich von den Dúnedain, die entlang der Oststraße in Richtung der Wetterspitze weiterziehen würden.
"Passt auf euch auf!" sagte Kerry.
"Das werden wir. Vielleicht sehen wir uns bald wieder, wenn Belen uns gestattet, Eregion im Kampf beizustehen. Die Bedrohung durch Saruman geht uns immerhin alle an," sagte Súlien und schlug die Fäuste gegeneinander.
"Wir wollen es hoffen," meinte Valandur düster.
"Mögen Euch die richtigen Worte gegeben werden, um ihn zu überzeugen," sagte Oronêl.
Sie wendeten ihre Pferde, nachdem die Waldläufer ihr Gepäck abgeladen hatten, und nahmen einen kaum erkennbaren Pfad ins Hochmoor hinein, dem sie nur dank Oronêls geschärftem Blick folgen konnten. Es war - zumindest für Kerry - der anstrengendste Teil ihrer Reise von Eregion nach Imladris, denn sie war entsetzlich müde und fror. Endlich tauchten vor ihnen auf der anderen Seite der sich plötzlich auftuenden, gewaltigen Schlucht die fernen, freundlich warmen Lichter von Elronds Haus auf...


Oronêl und Kerry in Elronds Haus
« Letzte Änderung: 6. Apr 2020, 14:24 von Fine »
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Thorondor the Eagle

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Die Gemeinschaft zieht südwärts II
« Antwort #8 am: 30. Nov 2020, 18:11 »
Oronêl, Kerry, Arwen, Pippin, Finjas und Elea von Elronds Haus

Obwohl es wirklich lange her war, dass Elea alleine auf einem Pferd geritten war, war sie sehr dankbar für diese Gabe von Herrn Elrond. Die Reise war ihnen dadurch sehr erleichtert worden, vor allem, da Elea in voller Ausrüstung reiste. Das Gelände rings um Bruchtal war zwar, wie Oronêl erwähnte, sehr unwegsam, aber trotzdem kamen sie schneller voran als zu Fuß.

Seit dem Tag in der Rüstkammer waren ihr die Worte ihres Anführers nicht aus dem Kopf gegangen. Er schien ihr auf eine Art und Weise die Verbrechen ihres Sohnes nicht vorwerfen zu wollen, aber gänzlich unbelastet war sein und auch ihr Verhalten nicht. Nichts desto trotz hatte sie Respekt vor ihm und der Aufgabe die ihm übertragen wurde. Zweifellos hatte er dies seiner Erfahrung zu verdanken. Elea hörte auch den Hobbit davon reden, dass Bruchtal der Ort sei, an dem Gemeinschaften zueinander fanden und geschmiedet wurden. Und so zweifellos wie Oronêl die Aufgabe eines Anführers angeboren war, so war es Elrond wohl angeboren die Völker zusammen zu führen und zu vereinen.

„Woran denkst du denn Elea?“, begann nun Arwen, die neben ihr aber ein Stück weit nach hinten versetzt, auf ihrem Pferd ritt.
„Nichts bestimmtes“, entgegnete Elea ertappt.
„Was für ein Segen“, scherzte sie.
„Arwen?“
„Ja“
„Dein Vater; er hat dich nur schweren Herzens ziehen lassen. Offensichtlich kann er nicht nachvollziehen warum du nach Süden gehst und um ehrlich zu sein, ich verstehe es auch nicht so recht.“
„Drei Jahre zuvor hätte ich dir dieselbe Frage stellen können und die Antwort wäre dieselbe gewesen: Hoffnung.“
„Aber warum jetzt?“, fragte Elea nochmals.
Arwen dachte einen Moment nach: „Einst offenbarte mir meine Großmutter, dass mich eines Tages die Liebe zu den Menschen führen würde und dass es mir viele Entscheidungen abringen würde. Entscheidungen die mich ins Verderben stürzen oder die mich zu einer fürsorglichen Mutter und liebenden Ehefrau machen könnten. Als Aragorn gefangen genommen wurde, begann ich die Zweifel in mir zu nähren. Ich ließ zu, dass die Düsternis der Welt sich in mein Herz schlich.“
„Was hat sich geändert?“, warf Elea neugierig dazwischen.
„Die letzten Monate!“, antwortete sie „Sieh dich um Elea, sieh dir unsere Begleiter an. Sei es die ungebrochene Geduld die uns daran hindert aufzugeben, der Mut in den unbändigen Herzen der uns dazu bring das Richtige zu tun und zu beschützen wen wir lieben. Wir sind umgeben von Freude, auch wenn wir längst nichts mehr zum Lachen haben oder versuchen gut zu machen, was wir irgendwann verabsäumt haben. All das hilft uns, es beeinflusst uns. Wären wir starr vor Angst vor dem Zorn und der Macht Saurons, hätte er längst gewonnen. Aber diese Kleinigkeiten sind es, die ihm unmöglich machen diese Welt zu unterdrücken. Diese scheinbaren Belanglosigkeiten die unsere Entscheidungen beeinflussen, die kleinen wie auch großen. Sie bestimmen wo wir eines Tages ankommen. Und ich habe mich entschlossen das notwendige zu tun um meine Bestimmung zu erreichen. Ja, heute vertraue ich wieder darauf, wenn mein Herz mir sagt: ‚Es ist Zeit weiter zu gehen… Zeit aufzubrechen‘, vor allem wenn ich weiß, in welch wunderbarer Begleitung ich reisen darf.“
Die Dúnadan nickte zustimmend und lächelte ihr hoffnungsvoll zu: „Es ist schön solche ermutigenden Worte von Dir zu hören.“

Danach reihte sich Arwen direkt hinter Elea, da die Pfade nun wieder enger wurden. Elea hörte nur noch etwas, das klang wie: „Es hat lange gedauert diese zu finden.“ Dann versiegte das Gespräch.

Als sie nach einiger Zeit einen kleinen Bach erreichten, der sich von den steilen Hängen des Nebelgebirges herab schlängelte, beschlossen sie eine Pause zu machen. Die Dúnadan legte augenblicklich den Bogen, Köcher und auch den Schwertgurt ab. Sie war froh über diese Rast, da sie es nicht gewohnt war ständig so viel Gewicht zu tragen. Elea fand einen umgelegten Baumstamm auf dem sie sich niederließ. Sie suchte aus ihrem Reisegepäck ein Stück Wegbrot der Elben. Etwas davon reichte sie Finjas, der sich danach zu Oronêl und Arwen etwas abseits gesellte. Sie blickten nach Süden und besprachen wohl den weiteren Weg. Kerry und Pippin gesellten sich zu ihr.
„Endlich machen wir einmal eine Pause“, sagte Pippin geschlaucht „mein Magen knurrt schon so laut wie Trollgebrüll.“
„Da bin ich sicher, bei deinen Essgewohnheiten“, lachte Kerry und biss von ihrem Brot ab. Pippin hatte seines schon fast verschlungen.
„Zwei Tage werden wir wohl sicher noch mit den Pferden unterwegs sein“, mutmaßte die Dúnadan.
„Mit Oronêl bin ich den Fluss entlang nach Bruchtal geritten, das war es schön eben und es ging recht schnell.“
„Soweit ich mich erinnere, kommt bald eine weitere Ebene die wir schnell durchqueren können, aber um Hulsten herum winden sich die Pfade wieder durch stark bewaldetes Gebiet.“
„Oh ja“, warf Pippin ein „ich erinnere mich an die stacheligen Wälder in dieser Gegend. Das war kein Ort zum Wohlfühlen. Meinem armen Vetter Merry pikste einer dieser Bäume direkt in seinen Allerwertesten. Drei Tage lang beklagte er sich über den Schmerz.“ Das Grinsen war Pippin nicht aus dem Gesicht zu wischen.
„Von dieser Geschichte kenne ich aber auch eine andere Version“, entgegnete Kerry und lachte auch lauter auf.

„Shht“, hörten sie plötzlich von den anderen Mitreisenden. Finjas hatte sich zu ihnen umgedreht und deutete ihnen mit dem Finger vor dem Mund leise zu sein.
„Entschuldigung“, flüsterte die blonde Rohirrim.
„Das macht doch nichts Kerry. Es ist gut in dieser Zeit auch herzhaft Lachen zu können. Vielleicht schaffst du es eines Tages auch noch Finjas ein Lächeln abzuringen“, antwortete Elea „Ich werde mal nachsehen was sie besprechen.“
Sie wischte sich die Brotkrümel von der Rüstung und den Händen und ging zu den drei anderen. Sie stellte sich neben Finjas, der ihr unscheinbar die Hand auf den unteren Rücken legte.
„Und wie geht es weiter?“, fragte sie in die Runde.
„Nun, es ist nur noch ein kleines Stück bis wir die Ebene zwischen Bruchtal und Eregion erreichen. Es ist ein weithin einsehbares Gelände. Wir wissen nur nicht, ob es sinnvoll ist es bei Tag oder bei Nacht zu durchqueren“, antwortete Oronêl mit entsprechend ernster Miene.
„Nachts sind die Augen der Orks wachsam und tagsüber die scharfen Augen der Waldläufer. Beides ist riskant“, fügte Arwen zum Verständnis hinzu.
„Nun, dann sollten wir wohl die Stunden dazwischen nutzen.“
„Genau das, Elea, hat auch Finjas schon vorgeschlagen. Allerdings werden wir die Ebene nicht vor der Abenddämmerung erreichen. Das wird eine kräftezehrende Weiterreise“, schloss wieder der Elb an.
„Nein, das ist keine gute Idee. Das schafft ihr vielleicht, da ihr Elben oder geübte Krieger seid. Aber Kerry, Pippin und ich? Tut ihnen das nicht an.“
Elea hatte ein ungutes Gefühl bei diesen Worten Genau das meinte er wohl damit, dass wir die Gemeinschaft aufhalten und er uns beschützen muss
Oronêl sah Elea an, sie fürchtete die Vorwürfe die er ihr machen könnte, dann aber sah er zu Kerry und Pippin hinüber: „Ist in Ordnung“, sagte er knapp.
„Die Morgendämmerung ist auch die bessere Wahl, da sind die Orks schon geschlaucht von der Nacht und die Waldläufer noch müde vom Schlafen“, rang Elea um Verständnis.
„Das gilt wohl auch im umgekehrten Fall für die Abenddämmerung, nicht wahr?“, entkräftete der Elb ihr Argument.
Mit einem leisen Seufzen beendete sie jede weitere Diskussion.

Etwas abseits von den anderen nahm Finjas schließlich die Hände von Elea und wärmte sie.
„Nun hat er doch Recht behalten“, ärgerte sich die Dúnadan laut über sich selbst.
„Er hat doch gesagt, dass es in Ordnung sei.“
„Ja, aber innerlich denkt er sicher, dass ich ihm ein Klotz am Bein bin.“
„Nein, ganz sicher nicht. Er hat auch Kerry und Pippin in seine Entscheidung mit einbezogen“, antwortete Finjas.
„Ja, vermutlich“, gab Elea klein bei. Das schlechte Gewissen plagte sie aber trotzdem noch weiter.
Finjas zog sie zu sich, seine Hand umfasste sanft ihr Kinn und führte ihren Mund zu seinem. Er küsste sie mehrmals ehe er sie in seine Arme schloss.

Schon kurz danach wurden sie zu den Pferden zurückgerufen, da sie weiterreiten mussten.
1. Char Elea ist in Bree  -  2. Char Caelîf ist in Palisor

Fine

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Der Schatten auf der Welt
« Antwort #9 am: 7. Dez 2020, 16:37 »
Sie verbrachten die Nacht im dichten Gehölz der südlichen Wildnis, nahe der Grenze zu den menschenleeren Ebenen zwischen Eregion und Bruchtal. Kerry schlief in dieser Nacht schlecht, denn seit dem Aufbruch aus Imladris war ihr inneres Gefühl der Unruhe zurückgekehrt. In Elronds Haus war es ihr gelungen, die große weite Welt dort draußen für ein paar kostbare Tage zu vergessen und auf gewisse Art und Weise Urlaub zu haben. Doch jetzt, wo sie neben Pippin unter den langen Blättern eines hohen Farngewächses lag, schossen ihr tausende Sorgen durch den Kopf. Sie dachte an die Elben, die in Eregion in Gefahr schwebten. Sie dachte an ihren Vater, der in Rohan geblieben war. Und sie dachte an all ihre Freunde, die sie im letzten Jahr kennengelernt hatte und die nun in alle Himmelsrichtungen verstreut waren. Rilmir und Magrochil, sowie Lónar, der Zwerg. Gandalf, der Zauberer. Die Waldläufer des Sternenbundes, und ganz besonders Haleth. Súlien und Valandur, die im eisigen Norden geblieben waren, bis sie Kerry und Oronêl vor Kurzem in den Trollhöhen begegnet waren. Die kleine Farelyë, die nun auf so geheimnisvolle Weise erwachsen geworden war. Irwyne und Amrothos, die nun in den fernen Häfen Gondors weilten. Aéd und sein Wolfsrudel... Kerry wurde das herz ein wenig leichter, als sie an ihn dachte. Doch dann fiel ihr ein, wie die beiden auseinander gegangen waren, und sie vergrub ihr Gesicht zwischen ihren Händen. Neben ihr regte sich Pippin, doch der Hobbit erwachte nicht.
Kerrys Gedanken zogen weiter, zu den Elben des Waldlandreiches, die von ihrer Königin Finelleth angeführt wurden. Aino fiel ihr ein, der nun vermutlich wieder im Dienste der Ostlinge stehen musste, ebenso wie der kleine Theren aus Seestadt. Als sie gedanklich beim alten Radagast angekommen war, hielt Kerry inne. Ihr wurde mehr und mehr klar, wie weit sie in den vergangenen Jahren gereist war, und wieviel sie erlebt hatte. Die Monate seit der Befreiung des Auenlandes waren so voller Erlebnisse und Ereignisse gewesen, dass Kerry das Gefühl hatte, zwei oder drei Monate in Frieden ohne Abenteuer würden ihr sehr gut tun.
Aber das Böse in der Welt ruht nicht, sagte sie sich. Wie kann ich mir da eine Pause gönnen?
Es liegt nicht in deiner Hand, alles Unrecht das geschieht wieder gut zu machen, Kerry, antwortete ihr eine Gedankenstimme. Es kam ihr so vor, als wäre es die von Gandalf.
Sie rieb sich die Augen. An Schlaf war in ihrem derzeitigen Zustand nicht zu denken, daher stand sie auf und sah sich um. Die Gruppe hatte sich unter dem Schutz von Gestrüpp und niedrigen Bäumen verteilt zum Schlafen gelegt, doch hier und dort blinkte das Mondlicht des Vollmondes durch die Zweige. In seinem matten Schein sah Kerry eine vertraute Silhouette Wache stehen, und ging mit leisen Schritten darauf zu, den Umhang eng um die Schultern geschlungen, denn es war sehr kalt.
"Oronêl?" wisperte sie, und die Gestalt wandte ihr den Kopf zu.
"Kerry. Du solltest schlafen," antwortete der Waldelb sachte. "Wir haben einen langen Ritt vor uns und wir müssen kurz vor Sonnenaufgang aufbrechen."
"Ich weiß, aber... ich kann nicht. Mein Kopf ist voll von Gedanken..."
"Wie? Die Nacht ist zum Schlafen da, nicht zum Denken," sagte Oronêl leise, doch Kerry hätte schwören können, dass er dabei lächelte.
"Sehr witzig, Oronêl. Wenn ich mit dem Denken einfach aufhören könnte, dann würde ich es tun."
Oronêl ließ sich auf einen breiten Felsen nieder und Kerry glaubte, ihn im Zwielicht des Mondscheins die Hand neben sich legen sehen, eine Aufforderung an sie, sich zu ihm zu setzen. Sie nahm das Angebot an. "Dann erzähle mir von diesen Gedanken, die dich wach halten," sagte Oronêl.
"Es ist... schwierig," begann sie leise. "Ich musste an all die Leute denken, die mir in letzter Zeit begegnet sind, und... ich mache mir Sorgen um sie alle. Ich habe das Gefühl, dass... die Schatten in der Welt länger werden, mit jedem Tag, und ich ... möchte etwas dagegen unternehmen, aber... du weißt selbst wohl am besten, dass... seit Fornost eigentlich... uns eigentlich keine Pause gegönnt worden ist. Wir sind von einem Abenteuer ins Nächste geschliddert... und ein Teil von mir wünscht sich einfach nur ein paar Wochen Ruhe und Frieden... ohne Sorgen und Angst. Aber ein anderer Teil, eine Stimme in mir, sagt, dass ich mir diese Pause nicht erlauben kann, weil sonst das Leid in der Welt ungehindert weiter wachsen wird, und..."
Oronêl unterbrach sie sanft, indem er ihr eine Hand auf die Schulter legte. "Es ist nicht an dir, jeden Schatten eigenhändig zurückzudrängen, Kerry," sagte er.
Kerry starrte ihn mit großen Augen an, doch sie antwortete nichts. Dass Oronêl eine ähnliche Meinung wie der imaginäre Gandalf aus ihren Gedanken hatte, war eigentlich gar nicht so überraschend. Also klappte sie den Mund wieder zu, der ihr für einen Augenblick offen gestanden hatte, und wartete ab, dass Oronêl weitersprach.
"Dies ist nicht die erste Dunkelheit, von der Mittelerde bedroht ist," sagte der Waldelb, als Kerry ihm keine Antwort gab. "Ich habe so etwas schon einmal erlebt, vor vielen tausenden von Jahren, als der Dunkle Herrscher sogar noch stärker war, als er es heute ist. Damals waren einzig der Goldene Wald, die Grauen Anfurten sowie die Reiche der Waldelben und der Zwerge von Moria unberührt von Mordors Macht, wie Inseln in einem Meer aus Schatten. Alle Lande zwischen dem Trennenden Meer im Westen und den Weiten Rhûns im Osten fielen unter die Herrschaft Saurons und seines Ringes. Und dennoch ist es den Freien Völkern gelungen, die Finsternis abzuwenden."
"Aber der Dunkle Herrscher hat sich erneut erhoben," sagte Kerry leise.
"Und erneut kann er besiegt werden," antwortete Oronêl. "Er hat noch nicht triumphiert, nicht, solange wir noch Hoffnung im Herzen haben. Diese Hoffnung darfst du niemals aufgeben. Und solange du hoffst, bist du ein Licht, das die Dunkelheit vertreibt. Du tust mehr, als dir selbst klar ist, Kerry. Ich habe es dir im Düsterwald schon einmal gesagt, aber vielleicht hast du es seitdem vergessen. Ich glaube, ohne dein Mitwirken wäre die Befreiung des Waldlandreiches und das Umdenken Helluins nicht möglich gewesen."
Kerry wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte. Seit dem Aufbruch aus Imladris hatte sie es vermieden, an Helluin zu denken, auch wenn die Gegenwart Eleas das natürlich nicht gerade leicht für sie gemacht hatte. Doch nun konnte sie nicht verhindern, dass sich ihre Gedanken vollkommen auf den jungen Dúnadan richteten. Seine dunklen Haare und eisblauen Augen tauchten gut sichtbar in Kerrys Vorstellungskraft auf, und der Blick Helluins nahm sie gefangen.
"Ich... danke dir, für deine Worte, Oronêl, aber..."
"Aber?" Sie konnte sein Schmunzeln schier hören.
"Ich weiß nicht, wie mir das alles dabei helfen soll, zu schlafen."
"Versuche nicht zu denken, dass die ganze Last der Welt auf deinen Schultern lastet," sagte Oronêl. "Es gibt andere Mächte in dieser Welt, die für das Gute eintreten, viele sogar. Gondor ist noch nicht besiegt und leistet tapfer Widerstand. Rohan ist frei, ebenso wie die Elben des Waldlandreiches. Eriador entgleitet mehr und mehr dem Griff der Weißen Hand; selbst in Rhûn und Harad regt sich nun Widerstand gegen Mordor. Du kannst deinen Teil beitragen, indem du ... einfach du selbst bist."
Kerry wusste erneut nicht recht, wie sie antworten sollte. Daher nickte sie schlicht. Und als Oronêl die Hand von ihrer Schulter nahm, kam es ihr tatsächlich so vor, als fühlte sie sich etwas leichter an, wie als ob ein Teil der Sorgen, die sie niederdrücken wollten, von ihr gewichen war.
Mit einem letzten Gedanken an Helluin schlief sie schließlich ein, nachdem sie zurück zu Pippin unter den Farn gekrochen war.

Es war Elea, die Kerry weckte, viel zu früh am Morgen. Es war noch immer stockfinster, denn die Sonne befand sich zwar bereits kurz vor dem Aufgang, doch die hohen Gipfel des Nebelgebirges würden alle Strahlen noch eine ganze Weile zurückhalten.
"Aufwachen, kleine Kerry," sagte Elea in dem sanften, aber gleichzeitig fordernden Ton, den nur eine Mutter perfekt beherrschte. "Es wird Zeit. Oronêl und Finjas drängen auf den Aufbruch."
Kerry gab ein undeutliches, unwilliges Geräusch von sich, doch dann setzte sie sich mit Mühe auf. Pippin war bereits auf den Beinen, ebenso wie der Rest der Gemeinschaft. Der Hobbit führte die Stute Ringilóte herbei, die es sich nicht nehmen ließ, Kerry mit der Schnauze sachte anzustupsen. Spätestens in dem Moment war das Mädchen endgültig wach und brauchte nur wenige Minuten, um sich bereit zu Aufbruch zu machen. Die Gefährten hatten vereinbart, ihr Frühstück erst dann einzunehmen, nachdem sie den Großteil der Ebene überquert hatten.
Finjas ritt voraus, während Oronêl das Schlusslicht bildete. Sie ritten zwischen den letzten Bäumen hervor und kamen just in dem Moment auf das Flachland hinaus, als die ersten Sonnenstrahlen über das Gebirge im Osten kletterten.

Eine halbe Stunde lang kamen sie gut voran, doch dann hob Finjas mit einem Mal den Arm und winkte Oronêl zu sich. Kerry, die ihre Stute noch ein paar Schritte näher an den Waldläufer heran lenkte, hörte ihn sagen. "...habe eine undeutliche Bewegung im Nordwesten gesehen, dort, entlang der flachen Hügelkette. Was sieht dein Elbenauge, Oronêl?"
Oronêl zog die Brauen zusammen. "Nichts Gutes. Es sind Orks, und es sind ihrer viele. Ich weiß nicht, ob sie uns gesehen haben, aber wir sollten es nicht darauf ankommen lassen. Wir schlagen einen Bogen nach Südosten - dort, in ungefähr drei Meilen Entfernung kommt ein Wäldchen, wenn ich mich nicht täusche." Er wandte den Kopf und blickte in die Richtung, dann nickte er. "Los! Wenn das Glück uns gesonnen ist, können wir ihnen ungesehen entgehen!"
Aufgeregt ritt die Gemeinschaft los. Kerry hatte beinahe vergessen, wie sehr sie Orks verabscheute. In Carn Dûm und im Düsterwald hatte sie mehr als genug von ihnen gesehen, und sie hoffte, diesen Kreaturen nie mehr so nahe zu kommen wie damals. Pippin, der diesmal hinter ihr saß und sich nun beim Galopp der Stute an Kerry festhielt, schien ihre Sorge nicht zu teilen. Der Hobbit blieb erstaunlich ruhig, und es gelang ihm, einen Teil dieser Ruhe auf Kerry zu übertragen.

Sie erreichten das Wäldchen, das Oronêl gesehen hatte, ohne Zwischenfälle. Oronêl und Finjas kehrten sofort an den Waldrand zurück, um die Orks im Auge zu behalten, während der Rest der Gemeinschaft die Pferde ins Innere führte und dann das Frühstück zubereitete.
"Elea, darf ich dir eine Frage stellen?"  wollte sie von der dunkelhaarigen Frau wissen.
Elea reichte ihr einen Laib Brot, den Kerry dann sorgfältig in Scheiben schnitt. "Natürlich," antwortete sie leise.
"Was wirst du tun, wenn du Helluin gefunden hast?"
Die Dúnadan zögerte, und Kerry konnte sehen, dass die Frage sie ein wenig aus der Fassung brachte. "Ich... möchte einfach nur, dass er... in Sicherheit ist, und... nicht mehr Saruman folgt," antwortete sie zaghaft, nachdem sie Kerry einen langen Augenblick lang angestarrt hatte.
"Ich bin mir sicher, dass beides der Fall ist," sagte Kerry, ohne dass sie darüber nachdenken musste. "Er hat Oronêl gerettet und sich gegen die Weiße Hand gestellt... ich hab' es mit eigenen Augen gesehen. Und er kann auf sich aufpassen... ich habe ihn kämpfen sehen, ich glaube nicht, dass er so leicht zu besiegen ist. Außerdem ist er ein Waldläufer, oder?"
"Er... ja, das ist er," meinte Elea und nickte langsam.
"Ich werde dir helfen, ihn zu finden," antwortete Kerry und streckte die Hände aus, um nach Eleas Händen zu greifen. "Ich versprech's dir."
Oronêls Worte hallten in ihrem Kopf wider. Du kannst deinen Teil beitragen, indem du du selbst bist. "Ich... ich danke dir, Kerry," sagte Elea und wirkte tatsächlich etwas weniger besorgt. "Ich weiß nicht, wie Helluin reagieren wird, aber... wenn du dabei bist, wenn ich ihn wiedersehe... wird es vielleicht einfacher werden."
Kerry wurde rot, ohne dass sie es verhindern konnte. Ein gewisser Teil von ihr wollte auf einmal gar nicht, dass Helluins Mutter bei ihrem Widersehen mit dem Waldläufer anwesend war, denn... sie dachte den Gedanken nicht zuende, da sie innerlich noch viel zu durcheinander darüber war, was sie wirklich für Helluin empfand - und was Elea bei diesem Thema gutheißen würde. Am liebsten würde sie der Frau alles erzählen, aber sie hatte Angst, Elea damit vor den Kopf zu stoßen, und alles nur noch schlimmer zu machen. Also nickte sie langsam und ließ Elea dann los.
"Gut," sagte die Dúnadan. "Gut. Ich bin froh, dass wir das besprochen haben... aber jetzt sollten wir zusehen, dass das Frühstück fertig wird."
"In der Tat," sagte Oronêl, der gerade heran kam. "Die Orks scheinen uns aus den Augen verloren zu haben, falls sie uns überhaupt bemerkt haben. Aber trotzdem sollten wir rasch weiterreiten. Eregion ist nun nicht mehr fern, aber jenes Land ist groß. Wir müssen uns bis nach Süden durchschlagen, wo die Siedlung der Elben liegen. Je eher wir dort ankommen, desto besser!"


Oronêl, Elea, Finjas, Arwen, Pippin und Kerry nach Eregion
« Letzte Änderung: 6. Feb 2021, 17:47 von Fine »
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