Amrûn von den VerteidigungsanlagenIn der Hand des Elben Orônels offenbarte sich ein Ring und die Bruchstücke eines Edelsteins, die darin lagen, wie Schätze einer vergangen Zeit.
Die Machart, die demjenigen der um Celebithiels Hals hing ähnelte, war unverkennbar. Auch wenn ein Schmied Eregions wohl die vergleichsweise plumpen Verzierungen und vor allem die Runen in der Schwarzen Sprache als unverkennbar bezeichnen würde, war es etwas ganz anderes, dass Celebithiel verwunderte.
„Dann…gillt Euch die Ehre den Nazgûl zu Fall gebracht zu haben? Es ist Euer Verdienst, dass der Schatten und somit die Belagerung gewichen sind!“
Celebithiel richtete sich schlagartig auf und verneigte sich vor dem verdutzten Elben, der den Ring des schwarzen Landes noch immer in seiner Hand hielt.
„ Somit danke ich euch Oronêl aus Lorínand!“
Oronêl wusste offenbar nicht, wie er reagieren sollte und die unbehagliche Stille, die sich auf Celebithiels Geste hin ausbreitete, wich der Euphorie eines hereinstürmenden Imrahils.
„ Ah meine werten Elbenfreunde, euch scheint es besser zu gehen. Ein wunderbarer Zeitpunkt, denn es findet eine Feier statt, um den Sieg zu feiern und die Toten zu ehren, die fielen um die Schwanenstadt zu verteidigen!
Ich bitte Euch Celebithiel, diejenige die die Schlacht eröffnet hat, soll auch auf der Siegesfeier sprechen, denn es war euer maßgeblicher Erfolg, dass wir noch immer in Freiheit leben können!“
Imrahils meergrauen Augen strahlten sie an und so nickte Celebithiel, obwohl ihr die Aufgabe nicht behagte.
„Wir müssen unsere Unterhaltung wohl auf später verschieben“, lächelte Celebithiel müde, nachdem Imrahil das Zimmer verlassen hatte.
Oronêl lächelte aufmunternd, bevor auch Celebithiel das Zimmer verließ, um ihre Wohnung aufzusuchen.
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Sie tauchte ihren zierlichen Zeigefinger in das Wasser mit den Zitronenblüten und stupste sie immer wieder an, während ihre ozeanblauen Augen der gelblichen Blüte folgten.
Du schaffst das Celebithiel…so wie Galadriel es nach der Belagerung Lóriens geschafft hat…Celebithiel hatte ihre rotblonden Haare auf der linken Seite geflochten und sich elegant um den Hals gelegt. Die linke Seite zierte eine perlweiße Haarspange, die einen Schmetterling darstellte.
Das schneeweiße Kleid hatte Ärmel, die ihr bis zum Ellbogen reichten, deren Saum aber fast zu ihren Knien langte.
Obwohl es pompös gefertigt war, mit Filigranen Stickereien an Brust, Ärmeln und Taille, so hatte es eine ergreifende Schlichtheit an sich.
Zu guter Letzt legte sie sich einen cremefarbenen Schal um, da jener Morgen im April kühl, aber dennoch sonnig war.
Die Straßen Dol Amroths waren leergefegt. Keine Menschenseele begegnete Celebithiels Weg hinab zu den Toren, wo sie vor einigen Tagen den Nazgûl begegnet war.
Verdutzt stellte sie fest, wie emsig und rührig die Frauen und Männer der Stadt gewesen waren, denn bis auf einige Stellen, wo Katapultgeschosse oder Flammen die Stadt angegriffen hatten, waren keine Überreste der Schlacht mehr zu sehen.
Selbst das Blut der Gegner und eigenen Soldaten hatte man in penibler Manier von den grauen Pflastersteinen geschrubbt.
Auf halben Weg, als die Elbe gerade den Platz der tausend Schwanenfedern überquerte, stellten sich ihr zwei Männer in den Weg. Beide in ebenfalls edles Gewand gehüllt, die Haare gewaschen und gepflegt; die spitzen Ohren unverkennbar.
„Celebithiel silbergekrönte Elbenmaid“, ertönte die heroische Stimme Amrûns, der Oronêl, welcher neben ihn stand, um einige Zentimeter übertrumpfte.
Der andere Elb verneigte sich nur vor der Elbe aus Imladris, die wie wandelndes Licht schien, als sie auf den Platz trat und die Sonne sie erhellte.
„Amrûn Sonnenkind und Oronêl Waldsohn!“, erwiderte die Elbe lächelnd, „Werdet ihr mich begleiten?“.
„ Es gäbe keine größere Ehre“, antworte Oronêl und so schritten die drei Elben gemeinsam die Stufen hinab. Hinab zu dem Tore, wo sich die Spuren des Kampfes immer mehr verhärteten.
Zwar waren die offensichtlichen Zeichen – alle Leichen und alles Blut und die größten Trümmer – weggeräumt worden, doch hingen die Gedanken in den Gassen. Hielten sich fest wie morgendlicher Nebel in den Herbsttagen. Gedanken von Trauer, Tot, Verzweiflung, Hoffnung und Euphorie.
Celebithiel hielt einen Moment inne, schloss die Augen und atmete tief durch.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Amrûn besorgt.
Celebithiel nickte den Kopf, obwohl sie selbst nicht wusste, ob es stimmte und so ergriff sie, wie um sich selbst zu vergewissern, die Hand Amrûns und gemeinsam setzten sie den Weg fort.
Durchquerten das zertrümmerte Feld und traten hinauf auf die – vom Frühjahr in bunte Kleider gedeckten – Felder. Tausende Krokusse schillerten in hunderten Farbschattierungen, doch alles was Celebithiel sah war schneeweiße Blindheit.
Hunderte weiße Flecken waren auf den Feld verteilt und betteten sich in den Farbteppich, wie Überreste des Schnees im März.
Es dauerte einige Momente bis Celebithiel begriff, dass es die Gefallenen waren, die man hier draußen aufgebahrt und mit weißen Leichentüchern bedeckte hatte.
Sie schluckte fest, bevor sie gemeinsam eine Gasse durch die Gefallenen nahm hinzu der Menschenmasse, die um ein Podest standen auf dem Imrahil mit einigen Würdenträgern der Stadt, darunter auch Limris, bereits warteten.
Als die Menge, die herannahenden Elben erkannte, brach tosender Beifall aus und man klatsche. Celebithiel merkte, wie Amrûns Wangen sich ein wenig rötlich färbten und wusste, dass die ganze Aufmerksamkeit ihren Freund unangenehm war.
Sie selbst verdrängte die Menschen, die weißen Tücher. Verdrängte als dies aus ihren Geist, um für das gewappnet zu sein, was sie zusagen hatte.
Die drei nahmen neben Imrahil und Limris Platz und Celebithiel war froh, dass es zunächst Imrahil war der das Wort ergriff.
„ Meine tapferen Bürger und Bürgerinnen,
seht euch das Wetter dieses frühen Apriltages an. Die Sonne scheint mit all der Kraft, die sie aufbringen kann und dennoch friert es uns.
Genauso geht es mir und ich denke jeden anderen von uns. Der Sieg über die Truppen Mordors ist diese wärmende Sonne. Ein Licht, dass die Dunkelheit vertreibt, aber dennoch friert es uns; denn wir haben in der Schlacht Freunde, Familie und Nachbarn verloren. Verloren unsere Eltern, unsere Söhne, unseren Geliebten.
Und
dennoch leben wir. Und dennoch ist diese Stadt immer noch frei vor dem schändlichen Einfluss Saurons.
Wir alle schrien auf als vor fast zwei Wochen die Kunde uns erreichte, dass Minas Tirith frei sei; dass sich unsere Brüder und Schwestern gegen das Regime Saurons auflehnten. Es war wie die wärmende Sonne, die wir hier vernehmen. Wie ein Tag voll Licht und Gelächter, aber vor wenigen Tagen erfuhren wir, dass dieselben Truppen, die die Schwanenstadt angriffen, Minas Tirith zurückeroberten….und wieder friert es mich.
Aber bei all diesen Gedanken müssen wir unseren elbischen Freunden danken, die uns in den Tagen höchster Not beistanden und erretteten!“
Eigentlich sagte er schon alles…eigentlich ist das wichtigste gesagt…Dennoch stand Celebithiel wie in Trance auf und nahm den Platz Imrahils ein. Die Menge, die gerade noch über Imrahils Worte gemurmelt hatte, verstummte schlagartig und alle fixierten die rotblonde Elben auf dem Podest.
Verdränge die Gesichter…verdränge die weißen Tücher…hier bist nur du auf einen Feld voller Krokusse an einem wunderschönen Frühlingstag„Wir alle haben an den überraschendsten Stellen Narben. Sie sind so etwas wie geheime Straßenkarten unserer persönlichen Geschichte. Ein Diagramm alter Verletzungen.
Die meisten Wunden heilen und es bleibt nichts weiter als eine Narbe zurück – manche jedoch heilen nicht.
Manche Verletzungen tragen wir ständig mit uns herum auch wenn sie schon lange her sind – halten die Schmerzen an. Vielleicht haben uns unsere alten Wunden etwas zu erzählen. Sie erinnern uns daran wie wir damals waren und was wir überstanden haben. Sie lehren uns was wir in der Zukunft vermeiden sollen.
Zumindest hätten wir das gern. Aber leider ist das nicht so, oder? Es gibt Dinge die müssen wir einfach immer wieder durchmachen.
Ich sitze hier allein mit Klarheit erfüllt, die meinen Geist verschleiert.
Allein in dem Wind und dem Regen und ich bin auf meine Knie gesunken, während das Wasser zu meiner Brust kriecht.So wird es vielen von euch gehen. Ihr fühlt euch verloren und einsam, aber so ist es nicht, denn noch immer lebt etwas in euch: die Hoffnung. Jene war es, die euch gegen die Truppen Mordors ziehen ließ und jene gab euch die Kraft zu gewinnen.
Aber pflanzt eure Hoffnung mit guten Samen!
Verbergt euch selbst nicht unter stachligen Diesteln und Unkraut.
Versteckt euch nicht hinter euer Trauer, der sich wie ein grauer Nebelschleier für immer um euch legen kann.
Auch ich will an der Hoffnung festhalten...
Flehen wir in der stille der Nacht, in der der Verlust uns übermannt nicht alle den Tode an? Flehen wir ihn nicht an, dass hinter dem Körper, in den er seine dunklen Krallen geschlagen hat, mehr als Fleisch und Knochen ist? Dass in diesen etwas, was einst unser Vater, unser Bruder oder unser Sohn war, eine Seele innewohnte?
Lasst den Tod die Toten begraben, sie folgen ihn seit Jahrtausenden in Scharen.
Aber legt selbst den Spaten aus eurer Hand und füllt lieber die Löcher, die der Tod und der Verlust in euren Herzen hinterlassen haben.
Füllt sie mit Lebensfreude, mit neuen Erinnerungen, denn die leblosen Körper, die auf diesen Felde liegen, sind nicht mehr diejenigen, die sie einst waren. In dem Moment, indem der Stahl des Feindes ihren Körper durchbohrte; in diesen Moment, indem der Tod die Seele von der fleischlichen Hülle löste, um sie zu begleiten zu dem Totentanz, in diesen Moment erlischt diese Person.
Sie lebt in unserer Erinnerung weiter und dies ist die größte Ehre, die wir als Überlebende den Toten bieten können.
So heil den siegreichen Toten und auf, um diese Stadt wieder aufzubauen, um sie weiterhin als Symbol für Freiheit und als Bollwerk gegen Sauron sehen zu können. In Erinnerung an diejenigen, die in diesen Krieg fielen, um uns Hoffnung auf eine bessere Zukunft bieten zu können!“
Celebithiel, Oronêl und Amrûn auf die Felder vor den Stadtmauern