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Autor Thema: Esgaroth auf dem Langen See  (Gelesen 7308 mal)

Farodin

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Esgaroth auf dem Langen See
« am: 7. Okt 2008, 22:32 »
Alvias vom Düsterwald, Hauptstraße


Alvias sah die Umrisse von Esgaroth schon von Weitem über dem im Licht der untergehenden Sonne glänzenden See.
Er beeilte sich, um noch vor Sonnenuntergang dort zu sein.
Die Stadt näherte sich und wurde immer größer.
Dass Menschen so etwas bauen können hätte ich nicht gedacht. Mitten im See... und dann noch so groß.
Er kam zum breiten Steg, der das Ufer mit der Stadt verband und ging hinüber.
Für eine Stadt dieser Größe waren für Alvias viel zu wenig Menschen auf den Beinen.
Er ging in das nächste Gasthaus und erkundigte sich nach den Leuten.
"Die meisten sind schon in Thal. Die Leute wollen lieber sicher in überfüllten Häusern sitzen, als ihr Haus und ihre Stadt zu verteidigen.", erklärte ihm der dicke Wirt.
"Feiglinge!", fügte er leise, aber dennoch deutlich vernehmbar hinzu.
Alvias fragte:"Kann ich ein Zimmer für eine Nacht bekommen?"
"Natürlich, ist ja genug frei. Essen könnt ihr auch bekommen, wenn ihr wollt, Herr Elb. Zum selben, günstigen Preis."

Das Zimmer war sehr rustikal eingerichtet, nicht zu vergleichen mit seinem Zimmer in den Heilhäusern, aber für eine Nacht würde es reichen. Er legte seine Taschen und den Bogen auf das Bett, behielt sein Schwert jedoch bei sich.
Dann ging er hinunter in die Gaststube und der Wirt brachte ihm Essen.
"Was ist das?" fragte er den Wirt.
"Was das ist? Reh mit Kräutern" war die ruppige Antwort.
Alvias aß in Ruhe auf und verließ dann das Gasthaus.
Er schlenderte durch die Straßen und sah sich um. Ihm gefiel diese Stadt mitten im See und als er den westlichen Rand der Stege erreichte, wo ein Geländer vor dem freien Fall in das Wasser schützte, sah er den Sonnenuntergang. Es sah aus, als würde das Wasser von unten erleuchtet und dann, als die Sonne ganz verschwand, war es dunkle Nacht. Nur die Fackeln und Laternen an den Häusern spendeten noch Licht.

Er ging jedoch noch nicht in das Gasthaus zurück, sondern ging zum Steg, der vom Festland auf in die Stadt führte.
So eine schmale Brücke werden sie eine Zeit lang halten, aber mehr auch nicht, bei dieser Masse an Gegnern. Traurig. Diese Stadt ist schöner, als jede andere von Menschenhand erbaute Stadt, so.... ruhig.
Ich kann hier aber zu meinem größten Bedauern nicht bleiben, ich muss zum Erebor.


Am nächsten Morgen erwachte Alvias , als die Sonne ihre ersten Strahlen über den Langen See schickte. Als er am Fenster stand und auf den glitzernden See schaute, überfiel in Beklommenheit.
Diese Stadt wird untergehen; vernichtet von den Heerscharen der Menschen des Ostens.
Die Ostlinge werden einfach alles vernichten, ihnen ist Schönheit unwichtig.

Wehmütig wand er sich ab und packte seine Sachen, legte die Rüstung an und ging schließlich zum Frühstück herunter.
Nach dem Essen bezahlte er den mürrischen Wirt und verließ das Gasthaus. Die Straßen waren leer, niemand war auf den Beinen. Die vollkommene Stille wurde nur vom sanften Rauschen des Windes, dem leisen Plätschern des Wasser und Alvias' dumpfen Schritten auf dem Holz der Stege gestört.
Als er gerade die Brücke zum Festland betrat, hörte er plötzlich immer lauter werdendes Hufgeklapper eines Pferdes. Alvias sah sich um und er erblickte ein Pony, das im Galopp aus Norden immer näher kam.
Schließlich war das Pony vor dem Steg stehen geblieben und ein Zwerg stieg ab.
"Hey, könnte ihr mir sagen, ob hier in Esgaroth ein Elb namens Alvias abgestiegen ist?"
"Derselbe steht vor euch, Herr Zwerg!", rief Alvias dem Neuankömmling zu.
"Das ist gut, ich habe, hier, eine Nachricht für euch, von Dwilmo."
Der Zwerg kam zu Alvias gelaufen und gab ihm die Schriftrolle.

Alvias,
komm so schnell du kannst zum Erebor, die Verteidigungsarbeiten gehen nicht schnell genug voran, wir brauchen alle helfenden Hände.
Ich kann dabei nicht viel helfen, ich schmiede den ganzen Tag Waffen und Rüstungen und ich bin nicht mehr jüngste.
Wir brauchen jede helfende Hand und ein Elb wie du macht die Arbeit zweier Zwerge in der selben Zeit.
Unsere Späher berichten, dass die Ostlinge schon
Dwilmo


"Danke", murmelte Alvias zu dem Zwerg. "Warte bitte einen Augenblick, ich komme gleich zurück."
Alvias dreht sich um und lief schneller als zuvor wieder in die Stadt hinein.
Waren hier nicht Stallungen gewesen?
Endlich fand Alvias die Ställe und hämmerte gegen die Tür.
Von innen kamen ein paar derbe Flüche und die Tür wurde geöffnet.
"Wer seit ihr und was wollt ihr?", fragte der Mann, der in der Tür, nur mit einem Nachthemd bekleidet stand.
"Das schnellste Pferd das ihr besitzt, ich zahle jeden Preis."

Wenig später ritt Alvias zum Festland und wollte mit dem Zwerg zusammen reiten, aber der Zwerg verneinte und berichtete ihm, dass er in die Reiche aller freien Völker reisen und Nachrichten überbringen müsste.

So ritt Alvias allein los, immer schneller.
Und wehe dem, der sich ihm in den Weg stellte.


Alvias weiter nach Thal
« Letzte Änderung: 17. Feb 2016, 10:10 von Fine »

Tauriel?

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Re: Esgaroth auf dem Langen See
« Antwort #1 am: 16. Sep 2017, 00:26 »
Thranduil, Saruman, Glorfindel, Oronêl, Eryniel, Helluin, Celebithiel, Mírwen, Finelleth und Kerry von den Ostgrenzen des Düsterwalds


Nachdem Eryniel noch eine Weile auf dem Felsen gesessen hatte, war sie ins Lager zurückgekehrt und sich auf die Suche nach ihrem Zelt gemacht. Wie sie erfuhr, war sie einem Zelt der Grenzwächter zugeteilt worden. Nach einer kurzen Wegbeschreibung eines Mitgliedes der Wache, stellte sie zufrieden fest, dass sich ihre Unterkunft weit weg von den Zelten der Orks befand, genau am anderen Ende des Heerlagers. Es dauerte nicht lange bis sie vor ihrem Ziel stand.
Drinnen angekommen erwartete sie bereits Paladir. “Ihr seid ziemlich langsam gewesen. Ich habe natürlich von eurer kleinen Begegnung mit den Menschen erfahren. Fironel und du hättet dennoch schneller sein können. Wir sind schon seid einiger Zeit hier und haben bei dem Aufbau des Lagers geholfen, als Sarumans Truppen eintrafen.“
“Pflicht ist Pflicht.“, antwortete Eryniel knapp. Sie setzte sich auf eine am Boden liegende Decke, wo man auch ihre Waffen und leichte Rüstung hingelegt hatte.
“Mach es dir nicht zu gemütlich. Vor etwa 5 Minuten war ein Bote da und hat einen baldigen Aufbruch angekündigt und uns aufgefordert Vorbereitungen zu treffen.“
“Ich hatte gehofft, wir hätten noch ein wenig Zeit bevor es beginnt.“ Eryniel atmete tief durch. “Sei's drum.“

“Warte! Ich mach das.“ Eryniel griff nach den beiden Lederriemen an Paladirs Handgelenk und schnürte die Armschiene fest.
“Danke.“
“Weißt du..“, nachdenklich hielt sie einen Moment inne - verwarf ihren Gedanken jedoch wieder. “Was wird unser Ziel heute Nacht sein?“
“Esgaroth natürlich. Waldläufer haben wichtige Informationen gebracht. Es hieß, die Stadt sei nur von wenigen Ostlingen – bösen Menschen aus dem Gefolge des dunklen Herrschers - verteidigt. Der perfekte Zeitpunkt um anzugreifen!“
Eryniel legte sich ihr Kettenhemd an und schnallte geschwind den Gürtel, mit Dolchen und Schwert, um. Den Bogen hing sie sich, samt Köcher, auf den Rücken. “Dann lass uns besser losgehen, ehe sie ohne uns losziehen.“
Nachdem auch Paladir sich ausgerüstet hatte verließen beide das Zelt. Draußen war das ganze Heer auf den Beinen. Hastig verteilte man die Waffen unter den Soldaten, bestückte seine Köcher oder Biss ein letztes Mal genüsslich in seine Mahlzeit. Gemeinsam mit den anderen aus der Silvan-Wache machten sie sich auf den Weg aus dem Heerlager hinaus. Hinter ihnen sah man Stangen emporragen, an denen die Banner der einzelnen Standarten wehten. Auf einer großen freien Ebene sammelte sich das Herr vor einem kleinen Podium, welches man gerade erst errichtet hatte. Jede Abteilung der Elben hatte sich ordentlich formiert. Auch die Orks drängten auf das Feld. Sie schubsten einander und man hörte wie sie sich Flüche zuzischten. Eryniel hatte vergessen, wie viele es gewesen waren. Mit ihnen tauchten auch die Dúnedain auf – an ihrer spitze Helluin, ihr Stammesführer. Eryniel hatte ihn erst ein paarmal gesehen, doch er war ihr unsympathisch gewesen, was nicht zuletzt daher rührte, dass er einer der wichtigsten Anhänger Sarumans war.
Es wurde still. Ein Dúnadan trat auf das Podest. Ihm folgten Thranduil, Finelleth, Glorfindel und Saruman. Auf einen Wink begann sich das Heer, in Bewegung zu setzten.
Über ihnen war der Nachthimmel nun von dichten Wolken bedeckt. In der Dunkelheit marschierten sie an die Ufer des langen Sees. Keine Lichter waren entfacht worden. Das Wasser schlug kleine Wellen gegen den Kiesstrand. Hier war der Nebel dichter als zuvor, was ihnen nur entgegen kam, denn so würden sie vermutlich erst entdeckt werden, wenn es zu spät war. Sie überquerten den Fluss im Süden, wandten sich wieder nach Norden und gelangten so an die Brücke, welche in die Seestadt führte. Laternen brachen den Nebel auf und erleuchteten die Holzplanken und Pfosten der Brücke. In der Ferne konnte man vereinzelte Dächer der Stadt sehen, die sich dunkel vom Nachthimmel abhoben.
Bogenschützen der Elben und Waldläufer der Dúnedain sammelten sich an der Brücke. Eryniel folgte ihnen. Ihr Trupp war einem ihr unbekannten Dúnadan unterstellt. Sie erfuhr, dass ihre Aufgabe sein sollte, unbemerkt auf die Dächer Esgaroths zu gelangen, ehe ein Stoßtrupp ihnen in die Stadt folgen würde. Sie hingen ihre Bogensehnen ein und liefen leise auf die dunklen Umrisse zu.

Sie erschossen lautlos vier Wachen am Eingang und huschten sogleich in die Schatten der großen Holzbauten. Eryniel duckte sich hinter einem Karren, der mit Netzen voller Fisch beladen war. Die engen Gassen boten viele Möglichkeiten sich unbemerkt fortzubewegen. Die Vorbauten der Häuser überdachten die Wege an den Rändern. Ihr Gewicht wurde durch senkrechte Pfeiler getragen. In den Lücken darunter waren Stände aufgebaut und verschiedene Güter gelagert. Eryniel war nie hier gewesen. Sie hegte keinen Groll gegen die Menschen, sie war lediglich vorsichtig mit Dingen, die sie nicht kannte und hatte deswegen nie das Verlangen gehabt hier her zu kommen. Es war gewiss kein Ort, an dem sie hätte leben wollen, doch die Fremdartigkeit weckte nun Neugier in ihr. Gern wäre sie, jetzt wo sie hier war, durch die Gassen geschlendert – wären die Umstände andere gewesen.
Ihre Ohren vernahmen das Knarren von Holzdielen. Sie hielt die Luft und platzierte sich zwischen Karren und Hauswand. Ein in Schwarzrot gekleideter Mann kam aus einer Nebengasse hervor. Ein golden gezackter Helm und ein Schleier vor dem Mund verdeckte sein Gesicht. Nur ein schwarzer Schlitz war zu erkennen, wo seine Augen saßen. Mit erhobenem Speer spähte er in die dunkle Gasse. Als er nichts entdecken konnte, bog er in einen Weg links von im ein und verschwand. Eryniel atmete erleichtert auf. Gegenüber von ihr hatten zwei Waldläufer hinter einem Stapel Kisten gehockt – rasch kamen sie nun zu ihr hinübergelaufen. Einige Straßen weiter, brachen sie die Tür zu einem Gebäude auf. Sie hatten niemanden darin finden können und machten sich nun daran die Treppen ins obere Geschoss zu erklimmen. Nur trübes Mondlicht drang durch die Holzfenster, welches die ansonsten stockfinsteren Korridore des Hauses erhellte. In einer kleinen Kammer fanden sie schließlich eine Dachklappe durch die sie, mithilfe einer Leiter, auf eines der Spitzdächer gelangten. Hier oben fegte der kalte Wind über die Stadt hinweg und man hörte das Pfeifen und Knarren, der sich biegenden Gemäuer. Eryniels Haar peitschte hinter ihr, wie eine auflodernde Flamme. Die beiden Männer bezogen an anderen Stellen ihre Posten und blickten über die Dachkanten in die darunter liegenden Wege. Eryniel bemerkte erst jetzt, wie groß die Seestadt wirklich war. Überall standen dicht gedrängt die Holzdächer in unterschiedlichster Bauweise und Höhe. Manche von ihnen waren bereits etwas Windschief und drohten in die unter ihnen liegenden Kanäle zu stürzen, in denen Eisschollen treiben. Hier scheint der Winter bereits Einzug zu halten. Nur vereinzelt stiegen dünne Rauchschwaden von den Schornsteinen auf.
Am Rand der Stadt flackerte eine Fackel, auf einem Balkon auf. Es tanzte von links nach rechts. Immer noch war alles totenstill, abgesehen von dem Wind. Dann passierte endlich etwas. Der besagte Stoßtrupp kam über den Steg in Richtung Stadt gestürmt. Soweit Eryniel erkennen konnte, stellte er sich am Eingang Esgaroths auf. Ein Strom von Kriegern flutete aus dem Nebel und ergoss sich sogleich in die Stadt. Nun, erwachte aus Esgaroth zum Leben: Vereinzelt hasteten Ostlinge aus den Türen, in die Gassen, eine Glocke wurde geläutet.

Ihre Hand griff über ihre Schulter nach einem der rot-gefiederten Pfeile in ihrem Köcher. Sie setzte ihn an den Bogen, spannte und ehe er sie bemerkte, ragte eine Schaft aus seinem Hals. Von allen Dächern waren die Bogenschützen nun damit beschäftigt auf die in den Gassen umherirrenden Feinde zu beschießen. Eryniel legte den nächsten Pfeil an den Bogen und ließ ihn geschmeidig durch ihre Finger gleiten. Unten auf dem Weg konnte sie sehen wie eine Gruppe Orks mit dem Zeichen der weißen Hand, einen Ostling an die Glieder packte und gewaltsam an ihnen zerrte. Ihr war beim Zusehen übel geworden. Sie wendete den Blick ab. Schreie und Klirren war zu vernehmen, doch rasch wurde es immer weniger. Man hörte das Brechen von Holz, als die Krieger die Türen von Häusern zerschmetterten, in denen sich noch Feinde verbarrikadiert hatten. Bald waren es nur noch vereinzelte kleine Scharmützel, ehe sie vollends verstummten.

Eryniel sprang von einem Dachgiebel zum nächsten Dachvorsprung. Man hörte die Dachschindeln nicht, als sie leichtfüßig darauf landete. Sie bewegte sich zum Rand der Stadt. Wieder guckte sie sich um und suchte nach verbliebenen Anhängern des Feindes, doch nirgends war einer zu sehen. Auf dem Wehrgang einer Palisade konnte sie jedoch eine schillernde Gestalt erkennen, die reglos auf das Geschehen herabblickte. Es war Oronêl mit einer Waffe an der Hüfte, die das wieder auftauchende Mondlicht einfing. Er hatte weder seine Klinge gezogen, noch sonstige äußere Anzeichen bei der Schlacht mitgekämpft zu haben. Eryniel wand sich ab und sprang auf eine Brücke zwischen den Balkonen zweier Häuser.
Sie streifte durch die Straßen, in denen nun das Heer umher ging. Wenige führten, wie es schien, Bürger der Seestadt mit sich. Sie waren noch immer verängstigt und manche schrien auf angesichts der Orks, die an ihren Wohnungen vorbei stampften – nicht wenige von ihnen mit Blut besudelt. Wenn es ging, hielten sie sich an die Dúnedain. Viele waren nun mit Aufräumen oder dem Säubern ihrer Ausrüstung beschäftigt. An Mann, an dem Eryniel vorbeikam, zog gerade sein Messer aus dem Bauch eines Leichnams und versuchte das Blut abzuschütteln, das auch aus der Wunde strömte und nun in das Wasser unter den Holzdielen tropfte.
Beim näheren betrachten der einzelnen Gebäude fand Eryniel viele beschädigt oder zum Teil sogar zerstört vor, was sie der Besatzung des Feindes zuschrieb. Nun würde sie erst einmal nach einem Schlafplatz Ausschau halten müssen.
Wie es berichtetet wurde, waren nur wenige Besatzer in Esgaroth geblieben und wie erwartet war es, ein eher unspektakulärer Sieg gewesen. Die Garnison war überrascht worden und deutlich in der Unterzahl gewesen und somit war ihre Niederlage unumgänglich gewesen. Sie hatten verzweifelt Widerstand geleistet der jedoch durch die schiere Masse des Heeres erstickt wurde. Nun hieß es erst mal abwarten, bis die Morgensonne über den Holzdächern aufgehen würde und abwarten was der kommende Tag bringt.
« Letzte Änderung: 22. Sep 2017, 16:23 von Tauriel? »
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Tauriel?

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Re: Esgaroth auf dem Langen See
« Antwort #2 am: 22. Sep 2017, 17:29 »
Rosafarbene Wolkenfetzen kündigten den neuen Tag an. Langsam stieg die Sonne im Osten auf und befreite Seestadt von den Schatten der vergangenen Nacht. Das Licht spiegelte sich im eiskalten, klaren Wasser unter ihr. Entspannt ließ sie ihre Füße vom Steg baumeln. Eryniel war bereits früh wieder auf den Beinen gewesen und hatte sich noch etwas umgesehen. Dabei war sie dann hier an den Docks hängen geblieben. An nichts anderes, als an den heran brechenden Tag, hatte sie denken wollen und sich an den Rand eines Piers gesetzt und – vor sich hin summend – das Aufgehen der Sonne beobachtet.
Niemand war hier gewesen um sie zu stören. Sie und nur wenige andere waren in Esgaroth geblieben. Der Großteil – darunter auch die Orks – war ans Ostufer des langen Sees zurückgekehrt und hatte dort vor der Stadt seine Zelte aufgeschlagen, ehe der Tag angebrochen wart. Besonders die Diener Sarumans waren darauf bedacht gewesen, so schnell wie möglich ihre Zelte zu errichten und den verhassten Sonnenstrahlen zu entgehen.
Vorsichtig lehnte sie sich vorne über, hielt sich zu beiden Seiten mit den Armen an den Kanten fest und betrachtete ihr Spiegelbild im Wasser. Die beiden Augen, die sie von dort aus ansahen waren schön wie immer und doch gefielen sie ihr nicht. Schwermut lag in ihnen. Wo war die Freude von einst hin? Man hätte sie nicht so lang in die Dunkelheit blicken lassen sollen, vielleicht wären sie dann andere. Mehr Freude hätte ihnen in den letzten Monaten gutgetan. Ihr Gegenüber formte die Lippen zu einem sanften Lächeln. Ein Anfang. Sie mochte es nicht ständig Trübsal zu blasen, tat sie es doch bereits zu oft – um einiges öfter als sie es zuvor hatte tun müssen. Wieder erwischte sie sich dabei und schlug die Hände auf die Wangen. Na, jetzt nicht! Sie beugte sich hinunter zum Wasser und befeuchtete ihr Gesicht. Sie stand auf und griff nach ihrem Bogen neben sich.

“Und da seit ihr euch ganz sicher?“
“Ja, der Befehl kam vom Zauberer selbst. Wir werden heute Nacht weiter ziehen. Man sagte mir, man wollte keine weitere Zeit verschwenden, doch erst zum Abend wird man aufbruchsbereit sein. Ihr solltet eure Zeit besser für eine Pause nutzen, um nicht erschöpft losziehen zu müssen.“
“Ich verstehe. Ich danke euch.“ Eryniel machte, kehrt.
“Aber, wenn ihr doch noch etwas erledigen wollt,..“, der Mann rief ihr zu. “So könntet ihr euch bei König Bard melden!“
Eryniel drehte sich noch einmal zu dem rundlichen Hauptmann und nickte.
Die Straße, auf der sie sich befand, führte geradewegs zu einem der höheren Gebäude der Stadt. Sein spitzes Dach ragte über denen der Umliegenden hinaus. Es bestand aus einem überdachten Vorbau mit Geländer, einem breit-rechteckigen Hauptgebäude und einem darauf thronendem Turm, mit dem besagten vierkantigen Spitzdach. Eryniel trat über eine der Holzbrücken, welche sie auf das Marktwasser führte – einem freiliegenden Bereich inmitten von Esgaroth, in dem Bote über das Haupttor einfahren konnten. Sie lief am Rand des Marktwassers entlang, bis sie sich auf einem kleinen Platz vor dem Haus befand. Das Gebäude vor ihr war das Ratshaus, indem sich Bard befinden musste. Sie trat die, zur Tür hin schmaler werdenden, Stufen hinauf und schlug mit dem Türklopfer gegen die Flügel. Dahinter hörte Eyrinel lauter werdende Schritte die auf sie zustürmten. Mit einem Quietschen schwang die Tür auf. Ein Bursche mit hellbraunen, gekräuseltem Haar kam zum Vorschein.
“Theren?“ Eryniel war überrascht den Jungen hier zu sehen.
“Sehr wohl, der bin ich. Und du bist die Elbin die mich und meine Begleiter gefunden hat. Oh, verzeiht; Zu wem möchtet ihr?“ Theren schien sich wieder darauf besonnen zu haben, was er eigentlich sagen sollte.
“Mich würde interessieren was du hier zu suchen hast. Solltest du nicht mit Emrig und den anderen unterwegs nach Rohan sein?“
“Ich habe einen anderen Entschluss gefasst. Fawrell und ich sind beide hier. Emrig, Eggard und Nawyn sind vermutlich schon unterwegs nach Rohan, da hast du recht.“
Eryniel wollte gerade zu einer erneuten Frage ansetzten, als Theren sie prompt unterbrach: “Warum spielt gerade keine Rolle. Also, nun sag schon, zu wem du willst.“
Eryniel beließ es dabei. “Ich möchte mit König Bard sprechen.“
Theren trat zur Seite. “Wenn ihr mir folgen würdet.“ Er ging voran und Eryniel folgte ihm, durch die Eingangshalle in ein kleines Arbeitszimmer in der unteren Etage.
“Mein Herr, diese Frau verlangt danach, mit euch zu sprechen.“
“Danke, mein Junge.“ Der Mann erhob sich und Theren schloss die Tür hinter sich, als er den Raum wieder verließ. König Bard hatte langes schwarzes Haar, welches in dicken Strähnen hinter seinen Ohren auf die Schulter viel und einen akkurat gestutzten Bart. Vermutlich war er gerade erst hier eingetroffen, denn er trug immer noch ein Kettenhemd und einen wallenden Umhang der mit zwei Spangen an den Schultern befestigt war.
“Nun,..“, er machte eine kurze Pause. “Was ist euer Anliegen?“
“Mein Herr, man sagte mir, ich könnte mich bei euch nützlich machen.“
“Sehr gut! So ist's recht. Ich hatte nach Soldaten gefragt, um die verbleibenden Einwohner Esgaroths zusammenzurufen. Sie sollen sich in der Stadthalle versammeln. Es gibt etwas, dass ich ihnen begreiflich machen sollte. Ich habe bereits ein paar meiner Leute losgeschickt, doch würde es schneller gehen, wenn mehr unterwegs sind. Ich warte bereits seit geraumer Zeit.“
“Ich werde mich sofort auf den Weg machen, aran Bard.“ sie senkte den Kopf.
“Und bitte beeilt euch, wenn möglich.“, sagte Bard sanft.
“Natürlich.“

Erneut durchstreifte Eryniel Seestadt und klopfte dabei an allen Türen der Häuser, an denen sie vorbeikam, von denen jedoch die wenigsten bewohnt waren. Wenn sie jemanden antraf – manch einer hatte bis gerade eben noch friedlich geschlafen – forderte sie ihn auf, die Stadthalle aufzusuchen. Während sie so umherstreifte, begegneten ihr immer wieder die Männer des Königs, welche eine Hand voll Seestädter mit sich führten. Sie hatte lediglich elf Bewohner finden können, welche sie nun zur Stadthalle brachte, die sich nah bei der Brücke befand, die in die Stadt führte.
Das Gebäude war rechteckig und besaß drei Etagen, von den aus man auf ein Rednerpult an der Ostwand gucken konnte. Die Menge an Bürgern, die sich hier versammelt hatte war recht überschaubar. Nicht viele waren hier geblieben und die es waren, waren nicht in der besten Verfassung. Sie sahen hager und geschunden aus. Bei manchen entdeckte Eryniel Blutergüsse oder aufgeschürfte Handgelenke. Einmal mehr stieg Ekel in ihr auf.
Eine Stimme schallte durch die Halle: “Bewohner von Seestadt.“ Das leise Getuschel verstummte und alle wandten sich dem Redner zu, der sich auf dem Podium platziert hatte. “Viel habt ihr erleiden müssen unter den Schergen des Dunklen Herrschers. Elend und Pein habt ihr ertragen müssen, doch nun seit ihr wieder freie Bürger Esgaroths. Unser Heer schlug den Feind vergangene Nacht nieder. Einige mögen angesichts unseres Bündnisses verwundert gewesen sein oder gar Angst verspürt haben, als unsere Krieger an ihren Häusern vorbeikamen, doch ich Bard, König von Thal, Nachfahre des Girion, versichere euch; Ihr seid frei und niemand will euch erneut eurer Heimat berauben und niemand soll es je wieder.“
Die Versammlung jubelte ihm zu. Viele der Gesichter schienen sichtlich erleichtert darüber, sich nicht erneut mit weiteren Besatzern herumschlagen zu müssen. “Ihr habt eure Stadt wieder. Nun gilt es auch Thal zu befreien! Wir befinden uns wahrlich in dunklen Zeiten, doch werden wir uns nicht stillschweigend fügen. Das Heer wird kommende Nacht weiterziehen um Thal und den Einsamen Berg zurückzugewinnen. Man wird euch nicht schutzlos zurücklassen, das verspreche ich euch. Auf dass uns bessere Zeiten erwarten.“, andächtig ließ er seine Worte verklingen und schaute bedeutend in die Menge an begeisterten Zuhörern. Eryniel hatte ebenso gebannt zugehört und sich gegen einen Pfeiler gelehnt. Eine schöne Rede. Gewiss wird er sie lediglich beruhigen wollen. Verständlich, wenn man daran denkt, was sie gestern mitansehen mussten. Welcher Freund marschiert schon mit einer Horde Orks in ihre Stadt. Die Leute johlten ihrem Retter zu und klatschten begeistert, Bard trat jedoch durch eine Tür und verschwand wieder.

Eine Kolonne aus Wagen und Soldaten kam in Sicht, als Eryniel am Ufer des Langen Sees entlang schlenderte. Es waren diejenigen, die vergangene Nacht nicht mitgekommen waren. Vorne weg trabten ein paar Pferde, auf denen Palastwachen Thranduils saßen die ihren König flankierten - hinter ihm seine Tochter. Glorfindel ritt neben Saruman der mit Helluin und seinen Dúnedain kam. Nach einer Menge von Elben und Menschen, die allerlei Gepäck bei sich trugen, tauchte eine Frau unter den Eintreffenden auf. Es handelte sich um Kerry, die sich gerade mit einem Dúnadan angeregt unterhielt. Eryniel lief wieder Richtung Stadt, um Bard über das Eintreffen der restlichen Streitkräfte in Kenntnis zu setzten.
Wieder öffnete Theren ihr die Tür. “Ihr seid wieder zurück.“ Er begrüßte sie und ließ sie eintreten. Noch bevor Eryniel in das Arbeitszimmer des Königs Bard gelangte hörte sie etwas poltern. Schnell legte sie Hand an ihre Dolche, welche sie hinten am Gürtel befestigt hatte. Mit einer blitzschnellen Bewegung zog sie beide aus ihren Schnallen und ließ sie in den Händen kreisen. Das Geräusch schien von einer der Treppen gekommen zu sein. Eine Rolle Pergament kullerte eine der Stufen hinunter. Knistern von Papier und das dumpfe Geräusch eines sich schließenden, schweren Buches war zu hören. Eryniel steckte ihre Dolche wieder ein. Fawrell kam mit vollgeladenen Armen die Treppe hinunter. Umständlich angelte er mit einem Arm nach der Schriftrolle. Eryniel kam ihm zuvor und legte sie behutsam auf den Stapel den Fawrell trug. Erst jetzt bemerkte der Junge Eryniel und drohte gleich wieder die Balance zu verlieren. Er konnte sich gerade eben noch wieder fangen. “Ihr! Ähm.. Danke. Ich hatte nicht erwartet euch hier zu sehen. Ich muss das hier zu Herrn Bard bringen. Verzeiht.“ Er drängte sich an ihr vorbei.
Eryniel interessierte, was die beiden Jungen hier verloren hatten. Bei Gelegenheit würde sie beide zu Rede stellen, doch jetzt musste sie zunächst mit Bard sprechen.
« Letzte Änderung: 22. Sep 2017, 18:15 von Tauriel? »
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Die Stadt auf dem See
« Antwort #3 am: 22. Sep 2017, 23:26 »
"Wie konnten sie diese Stadt nur erbauen? Sie steht inmitten des... des großen Sees!"
Kerry hatte, seitdem sie aus Rohan geflohen war, schon viel gesehen. Sie war durch die weiten Ebenen Enedwaiths gekommen und hatte die Eiswüste des Nordens überlebt. Sie war in der Elbenstadt Mithlond gewesen und hatte im verborgenen Tal von Imladris übernachtet. Sie hatte die alten Festungen Arnors gesehen und das Auenland bereist. Und sie hatte den Düsterwald durchquert und den Hohen Pass erstiegen. Und trotzdem kam sie nun aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie konnte einfach nicht verstehen, wie die Menschen, die hier lebten, es geschafft hatten, ihre Stadt mitten auf dem Langen See zu errichten.
Helluin, der neben Kerry ritt und an diesem Morgen ein wenig aufzutauen schien, sagte: "Die Stadt steht auf großen, hölzernen Pfählen, die bis zum Grund des Sees reichen. Da steckt nun wirklich kein Hexenwerk dahinter, Kerry." Ein schwaches Lächeln zog über das Gesicht des Waldläufers.
Kerry zwang sich, es zu erwidern. Sie musste bei solchen Unterhaltungen mit Helluin immer wieder an Oronêls Worte denken, der ihr eingeschärft hatte, sich mit den Dúnedain in Sarumans Diensten gutzustellen. Bei einigen fiel ihr das leicht, wie zum Beispiel bei Daerod. Doch Helluin war aus freien Stücken hier und nicht durch Saruman gezwungen worden. Er war mitverantwortlich für den Untergang von Oronêls Heimat Lothlórien. Und das würde Kerry ihm niemals verzeihen. Also brachte sie ein Lächeln zustande, das nicht von Herzen kam. "So ist das also," sagte sie und wandte den Blick wieder der Stadt zu, die vor ihnen aufragte.
Direkt vor ihnen überquerte Thranduils Kolonne jetzt die lange Brücke, die zum Herzen Esgaroths führte. Kerry sah Finelleths sandblondes Haar aufblitzen, direkt hinter ihrem Vater reitend. Dann betraten auch die Pferde der Dúnedain die Brücke. Kerry war sehr froh, dass Rilmir ihr während ihrer zweijährigen Reise mit ihm das Schwimmen beigebracht hatte, als sie schluckend mitansehen musste, wie sie über das Holz tiefer und tiefer auf den See hinaus ritten.
Endlich erreichten sie die Stadt und saßen bei den Stallungen ab, die auf einem der größeren Plätze gelegen waren und in erstaunlich gutem Zustand waren, verglichen mit dem Rest der Stadt. Kerry erfuhr später, dass die Ostlinge, die die Seestadt besetzt gehalten hatten, hier ihre Meldereiter stationiert hatten, um Nachrichten in das ferne Reich von Rhûn zu senden. Glücklicherweise hatten Sarumans Kundschafter einen Tag vor Beginn des Gefechts in Esgaroth dafür gesorgt, dass keine Boten in Richtung der Hauptstadt der Ostlinge aufbrechen konnten. Sofern nicht aus Thal oder vom Erebor aus eine Meldung gemacht wurde, würde in naher Zukunft keine Verstärkung aus Rhûn eintreffen.

Saruman, Thranduil, Glorfindel und Helluin eilten rasch in Richtung des größten Hauses davon, das ganz in der Nähe stand. Dort hielt sich offenbar der König von Thal auf. Kerry blieb etwas verloren auf dem Platz stehen, der an ein großes Areal offenen Wassers grenzte, das sich wie ein kleiner See inmitten der Stadt befand. Ein Schild wies sie darauf hin, dass sie sich hier anscheinend am "Marktwasser" befand. Im Augenblick gab es dort aber nicht allzu viel zu kaufen. An einigen Stellen waren noch Spuren der vergangenen Schlacht zu sehen und Kerry versuchte, nicht hinzusehen wenn sie an einer der Leichen der Ostlinge vorbeikam, während sie ohne ein wirkliches Ziel zu haben am Rand des Marktwassers entlang streifte. Sie fragte sich, wo sich Oronêl gerade herumtrieb. Er hatte, soweit sie wusste, an dem Gefecht teilgenommen, doch bei der Besprechung der Anführer des Heeres schien er nicht eingeladen zu sein. Ob er wohl etwas Zweisamkeit mit Mírwen sucht? fragte sie sich und musste dabei an Aéd denken, der irgendwo im fernen Dunland mit seinen ganz eigenen Problemen zu kämpfen hatte.
"Suchst nach jemandem?" fragte eine Stimme. Kerry drehte sich um und entdeckte einen jungen Mensch, der mit einem Stapel Waffen im Arm auf einer der Brücken stand, die die vielen Kanäle der Stadt überquerten. Er musste einige Jahre jünger als sie selbst sein, schätzte Kerry, und er besaß hellbraunes Haar. Er sprach mit einem leichten Akzent, der Kerry an ihre Heimat erinnerte.
"Nein," antwortete sie. "Ich... glaube nicht."
"Ich kenne dich nicht. Bist du neu in der Stadt?"
Er muss mich für eine Einheimische halten, dachte Kerry. Dabei fiel ihr auf, dass die Menschen, die sie in Esgaroth gesehen hatte, in Rohan alle problemlos als Eorlingas durchgegangen wären. Sie fragte sie, warum das so war, und nahm sich vor, Oronêl oder Finelleth bald danach zu fragen. "Ich komme aus Rohan," sagte sie wahrheitsgemäß.
"Rohan? Wirklich? Ich habe gehört, dass es dort sicher ist. Einige meiner Freunde sind dorthin unterwegs," sagte der Junge, der ins Plaudern geriet und seine Waffenladung abstellte.
Kerry trat neben ihm auf die Brücke. "Im Augenblick ist es dort sicher, aber das war nicht immer so. Ich bin vor einigen Jahren selbst von dort geflohen."
"Und weshalb bist du nun hier?"
Sie hielt inne. Um Saruman das Handwerk zu legen und das Waldlandreich zu befreien, wollte sie sagen, denn das war die Wahrheit. Doch natürlich konnte sie damit nicht einfach herausplatzen. Also schwieg sie einen Moment, und das leise Rauschen der Wellen unter ihr drang an ihr Ohr, während sie nachdachte. Schließlich antwortete sie: "Ich bin auf der Suche nach meinem Vater." Es stimmte, denn seitdem Helluin ihr in Thranduils Hallen angeboten hatte, seine Ressourcen dafür zu nutzen, sich nach Kerrys leiblichem Vater umzuhören, hatte sie immer öfter an Cyneric gedacht und sich gefragt, wie es ihm in Rhûn auf der geheimen Mission, auf der er war, wohl erging. Und hier, in Esgaroth, am Rande des Einflussgebiets des Reiches von Rhûn, war sie ihm wahrscheinlich so nahe wie nie zu vor gekommen. Wenn Helluin sein Versprechen wahr machte, könnte sie ihn vielleicht tatsächlich finden.... nachdem sie Finelleth und Oronêl geholfen hatte, das Waldlandreich zu befreien. Das war die wichtigere Aufgabe, das stand für Kerry fest. Aber dennoch musste sie den Jungen nicht anlügen, als sie ihm nun auf seine Frage antwortete.
"Wie sieht er denn aus?" fragte der Junge und riss Kerry damit aus ihren Gedanken. Sie gab ihm eine rasche Beschreibung, und er versprach ihr, sich nach Cyneric umzuhören.
"Danke, äh..." setzte Kerry an.
"Theren," stellte er sich vor. "Und wie lautet dein Name?"
"Eigentlich heiße ich Déorwyn," sagte sie und es fühlte sich gut an, endlich nicht mehr verbergen zu müssen, wer sie wirklich war, wie sie es in den Jahren in Eriador hatte tun müssen. "Aber alle nennen mich Kerry."
"Kerry," wiederholte Theren mit einem Grinsen. "Das klingt lustig."
"Lustig?"
"Es klingt, als wärst du ein lustiges Fräulein," verbesserte er sich rasch.
"Nun... das bin ich wohl." Sie fingen beide an, zu lachen.

Kerry verbrachte ungefähr eine halbe Stunde mit Theren, ehe dem Jungen einfiel, dass er ja einen Waffenlieferung in die Unterkunft des Königs zu bringen hatte. Hastig verabschiedete er sich von Kerry, versprach erneut, sich nach ihrem Vater umzuhören, und sprintete davon. Kerry blieb alleine am Marktwasser zurück und setzte sich auf die Kante des Piers, damit sie die Beine baumeln lassen konnte. Sie trug ihre gewöhnliche Reisekleidung und war froh, dass dazu eine feste Hose aus Leder gehörte. Der Wind hatte aufgefrischt, und Kerry war sich sicher, dass sie frieren würde, wenn sie ein Kleid tragen würde. Sie löste ihren Zopf und begann, ihn auf elbische Art neu zu flechten, wie es ihr Halarîn in Fornost beigebracht hatte. Es kam ihr unendlich lange her vor, obwohl seitdem nur wenige Monate vergangen waren. Ihre Gedanken begaben sich erneut auf Wanderschaft und sie fragte sich, was wohl gerade bei Halarîn, Faelivrin und Farelyë in Eregion vor sich ging. Sie hoffte, dass es ihnen gut ging. Kerry kam sich in jenem Moment etwas einsam vor, denn all ihre Freunde waren entweder weit weg in fernen Landen oder mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Sie blieb sitzen und beobachtete die Wellen, die sich auf der Wasserobefläche kräuselten, während sie nachdachte und ihre Gedanken ordnete. Viel war geschehen, seitdem sie das letzte Mal so richtig Zeit gehabt hatte, um in sich zu gehen und die Ereignisse zu verarbeiten. Es tat gut, hier, inmitten des Chaos von Kriegen und Armeen, ein wenig Ruhe zu finden.
"Faszinierend, nicht wahr?" sagte Oronêls Stimme neben ihr. Kerry, die auf die Oberfläche des Wassers gestarrt hatte, wo sie ihr Spiegelbild sah, sah nun auch die Spiegelung ihres Elbenfreundes neben sich auftauchen. "Wir sind nun weiter in den Osten Mittelerdes vorgedrungen, als ich es in den Jahrtausenden meines Lebens bislang getan habe, und dennoch fühlt sich alles noch immer vertraut und gleichzeitig fremd an."
Sie blickte auf und sah ihn an. Oronêl ließ seinen Blick nun über den See schweifen. "Wusstest du, dass die Menschen von Thal mit deinem Volk, den Rohirrim verwandt sind?" sagte er, mit einem nachdenklichen Klang in der Stimme.
"Ich hatte es vermutet," antwortete sie. "Die Sprache, die sie hier sprechen, ähnelt meiner Muttersprache sehr. Die Leute hier haben sogar ganz ähnliche Namen wie die Menschen in der Riddermark."
"Ja," sagte Oronêl. "Und ich glaube, wenn wir noch weiter in den Osten reisen würden, würden wir auch dort auf Völker treffen, die uns auf gewisse Weise bekannt vorkommen. Denn zumindest eines haben alle frei lebenden Wesen Ardas gemeinsam. Nämlich einen gemeinsamen Feind."
"Sauron," wisperte Kerry, und Oronêl nickte.
"Ganz genau."
Sie schwiegen einen Augenblick, ehe er weitersprach und das Thema wechselte. "Ich möchte, dass du in den kommenden Kämpfen in Thal auf dich achtest, Kerry. Ich würde es mir nie verzeihen können, wenn dir etwas zustößt."
"Natürlich," antwortete sie. "Ich bleibe bei den Dúnedain. Dort werde ich sicher sein. Helluin sagte, dass sie auf einem Beobachtungsposten Stellung beziehen werden, der abseits vom Schlachtfeld liegt."
"Helluin... er scheint sich ja schon recht gut an dich... gewöhnt zu haben," sagte Oronêl mit einem seltsamen Unterton.
Kerry machte eine gleichgütltige Geste. "Wohl schon. Ich hoffe, er kann mir tatsächlich einen Hinweis auf meinen Vater geben."
"Sei... bitte vorsichtig, Kerry," bat Oronêl. "Helluin steht Saruman sehr nahe, und die Absichten des Zauberers sind mir schleierhaft."
"Ich werde schon auf mich aufpassen, mein überaus besorgter Kamerad," witzelte sie.
"Darauf zählen wir alle," antwortete Oronêl mit einem kleinen Lächeln. "Darauf zählen wir."
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Abschied von Seestadt
« Antwort #4 am: 3. Okt 2017, 14:06 »
Der Rest des Tages verlief, ohne dass Kerry eine sinnvolle Beschäftigung fand. Sie streunte am Rand des Marktwassers herum, bis sie schließlich einer der Dúnedain Helluins fand und ihr mitteilte, dass der Abmarsch des Heeres der Weißen Hand kurz bevorstünde. Sie folgte dem Mann zur hölzernen Brücke, die die Stadt mit dem Festland verband. Es war Abend geworden und die Sonne ragte kaum noch über den Horizont hinauf. Das schwindende Licht beflügelte die Orks der Weißen Hand, und Kerry sah zu, wie die Streitmacht Sarumans sich auf der Ebene in einiger Entfernung von Seestadt formierte und Marschordnung annahm. Dann ertönte ein orkisches Horn, und die vordersten Reihen setzten sich in Bewegung.

Auch auf der Brücke gab es nun einiges zu sehen, denn aus der Stadt kamen die Anführer des Elbenheeres mit ihren Gefolgsleuten geritten. Thranduil ritt neben seiner Tochter, die Kerry ein vorsichtiges Lächeln schenkte, und hinter ihnen kamen die Edlen des Waldlandreiches und die Dúnedain. Als Helluin Kerry erreichte, hielt er an. Er führte Kerrys Pferd am Zügel mit sich, und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, aufzusitzen. Glücklicherweise waren ihre Habseligkeiten bereits auf dem Rücken des Tieres verstaut gewesen - Kerry hatte sich nach der Ankunft in Esgaroth nicht die Mühe gemacht, sie überhaupt erst abzunehmen. Also schwang sie sich rasch in einer geübten Bewegung in den Sattel und strich dem Pferd zur Begrüßung durch die Mähne. Sie mochte das Tier und verstand sich gut mit ihm.

Die Dúnedain versammelten sich nördlich der Brücke, wo sich auch Saruman selbst aufhielt. Der Zauberer war ebenfalls beritten und begutachtete mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck den Abmarsch seines Ork-Heeres. Südlich von Kerrys Position nahmen nun die Elbenkrieger Thranduils hinter ihrem König ihre Marschformation ein. Kerry sah sich nach ihren elbischen Freunden um, konnte jedoch keinen von ihnen entdecken. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf Saruman. Noch nie war sie dem Zauberer so nahe gewesen wie jetzt, wo er keine zwei Pferdelängen von ihr entfernt war. Kerry spürte, wie ihre Finger nach ihrem kleinen Schwert tasteten, das an ihrer linken Seite hing. Sie hatte es seit dem Aufbruch aus Eregion nicht gezogen, doch jetzt war das Verlangen danach beinahe kaum auszuhalten für Kerry. Wie viele Menschen und Elben waren seinetwegen gestorben oder hatten unsagbares Leid erlitten? Wäre es nicht gerecht, ihn niederzustrecken? Er hat es verdient, dachte sie und packte den Schwertgriff.

Etwas ließ sie innehalten. Kerrys Hand hielt den Griff des kleinen Schwertes fest, doch sie stellte fest, dass sie die Klinge nicht ziehen konnte. Dass es ein Teil von ihr auch gar nicht wollte. Sie schloss die Augen und versuchte, die widerstreitenden Gedanken in ihrem Kopf zur Ruhe zu bringen. Nach einigen Minuten gelang es ihr. Und aus der Schwärze, die vor ihrem inneren Auge herrschte, tauchte ein Gesicht auf. Ein Gesicht, das Kerry seit vielen Monaten nicht gesehen hatte. Gütig und weise erwiderten zwei dunkle Augen ihren Blick unter buschigen Brauen hervor. Kerry wusste nicht, weshalb ihre Vorstellungskraft ihr ein Bild von Gandalf zeigte, doch es brachte sie dazu, den Schwertgriff loszulassen und wieder etwas ruhiger zu werden.
Gandalf hätte nicht gewollt, dass ich das tue, dachte sie. Sie fragte sich, was der alte Zauberer wohl gerade tat - ob er sich noch immer von den Strapazen der Schlacht um Fornost in den friedlichen Hallen Círdans erholte, oder ob er Lindon bereits wieder verlassen hatte, um einer neuen Aufgabe nachzugehen. Kerry wünschte sich, sie könnte wie die Elben in die Ferne blicken und einen flüchtigen Eindruck seines Schicksals erkennen. Doch sie war kein Elb, sondern sie war Kerry, eine junge Frau, die kaum das Erwachsenenalter erreicht hatte, und die in Dinge verstrickt war, die eigentlich viel zu groß für sie waren. Sie seufzte tief und ließ die Schultern hängen. Was mache ich hier eigentlich, dachte sie. Ich sollte gar nicht hier sein. Ein rascher Blick auf das Elbenheer zeigte ihr den Grund, weshalb sie sich damals in Eregion entschlossen hatte, mit Finelleth ins Waldlandreich zu gehen. Dort waren Elben, ein Volk des Lichtes, das nun einem finsteren Herren folgte. Noch führte Saruman Thranduils Volk gegen den größeren Schatten Saurons, doch wer konnte wissen, wie lange es dauern würde, bis der Zauberer den Geist des Königs weit genug vergiftet hatte, dass sich dieser auch gegen die freien Völker wenden würde? Kerry wusste, dass Finelleth - Thranduils Tochter und Erbin - dies niemals zulassen würde. Und Kerry wusste, dass sie ihre Freundin mit allem was sie tun konnte unterstützen würde. Deswegen war sie hier. Und deswegen hatte sie sich den Dúnedain Helluins angeschlossen, um ihr Vertrauen zu gewinnen und vielleicht den Einfluß Sarumans auf die Herzen der Waldläufer eines Tages zu brechen.

Ein elbisches Horn ertönte und riss Kerry aus ihren Gedanken. Die letzten Orks waren nicht mehr als eine große Staubwolke am Horizont und marschierten am Westufer des Langen Sees entlang in Richtung des Einsamen Berges, der sich wie ein stummer Wächter über ihnen erhob. Und nun folgten ihnen jene, die ihre unversöhnlichen Feinde sein sollten: Die Elben des Waldlandreiches, angeführt von ihrem König in seiner silbernen Rüstung. Als die Reihen der Elben an Kerry vorbeizogen, erhaschte sie tatsächlich einen Blick auf Oronêl, der ganz in Finelleths Nähe ging. Und auch Eryniel konnte Kerry sehen, als die Garde der Kundschafter vorbeizog. Die Waldelbin schenkte Kerry ein freundliches Nicken, ehe sie sich wieder dem Berg zuwandte.
Und schließlich setzten sich auch die Dúnedain in Bewegung, die nun am Ende des Heereszuges ritten und als Sarumans Leibwache auftraten. Kerry hielt sich stets an Helluin und warf einen letzten Blick auf die Seestadt, die nun zwar wieder frei war, doch deren Schicksal wahrscheinlich von dem Ausgang der Schlacht in Thal abhängen würde...


Thranduil, Saruman, Finelleth, Oronêl, Eryniel, Paladir, Glorfindel, Mírwen, Celebithiel, Helluin und Kerry mit der vereinten Streitmacht der Weißen Hand in Richtung Thal
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Ein Abschied
« Antwort #5 am: 2. Aug 2018, 10:38 »
Cyneric, Zarifa und Salia aus Dorwinion


Cyneric fror. Ein kühler Wind blies von Norden herab, seitdem sie die Lande des Langen Sees erreicht hatten, und sorgte dafür, dass alle drei ihre Umhänge enger um Schultern und Oberkörper gewickelt hatten. Selbst die Pferde schienen von der Kälte betroffen zu sein und trotteten nur langsam dahin, während sie am westlichen Ufer des Sees der Straße zur Seestadt folgten. Die Stadt lag vor ihnen, vom Festland nur durch eine wackelige Holzbrücke verbunden. Es waren keine Wachen am Eingang postiert, weshalb sie keine Schwierigkeiten hatten, Esgaroth zu betreten.

Cyneric hatte beschlossen, sich dort nach seiner Tochter umzuhören, denn inzwischen wussten sie, was vor kurzer Zeit am Erebor, kaum ein paar Meilen entfernt, geschehen war. Eine große Schlacht war am Fuße des Berges geschlagen worden, doch noch immer befand sich die zwergische Festung in den Händen des schwarzen Reiters, der die Ostlinge bei ihrem Feldzug gegen Thal und den Erebor angeführt hatte. Die Verluste auf beiden Seiten waren hoch gewesen, insbesondere unter den Orks, die sowohl für Saruman als auch für Khamûl gekämpft hatten. Die Stadt Thal war derweil von beinahe allen Bewohnern verlassen worden. Esgaroth hingegen war noch immer bewohnt und befand sich in einem Zustand der Unsicherheit. Ostlinge und See-Menschen schienen beide nicht recht zu wissen, zu wem die Stadt auf dem See nun gehörte. Der König Thals, Bard II., hatte Esgaroth einige Tage vor der gescheiterten Belagerung des Erebors offenbar für befreit erklärt, doch die Menschen dort sagten, der König wäre mit seinem Volk ins Waldlandreich gegangen. Noch war keine Nachricht aus dem Erebor gekommen und noch hatten die Ostlinge die Stadt nicht wieder besetzt. Dennoch waren viele Ostlinge als Händler und Söldner in Esgaroth geblieben, weshalb die Bevölkerung nun, ähnlich wie in Dorwinion, sehr gemischt geworden war.
Cyneric und Salia erfuhren all dies innerhalb eines langen Abends, an dem sie sich in dem einzigen Gasthaus umhörten, das selbst in diesen unsicheren Zeiten geöffnet hatte. Es lag im Zentrum Esgaroths, nahe des großen Marktgewässers, wo Händler ihre Ware auf Booten ankarrten um sie zu verkaufen. Cyneric war froh, in den Monaten, die er als Gardist in Gortharia verbracht hatte, einen anständigen, regelmäßigen Sold erhalten zu haben, ohne wirklich viele Ausgaben gehabt zu haben. Für Unterkunft und Verpflegung hatten die könglichlichen Gardisten im Palast selbst nichts bezahlen müssen, weshalb Cyneric sein Einkommen beiseite gelegt hatte. Nun hatte er mehr als genug, um für ein großes Zimmer zu zahlen, in dem Zarifa schnurstracks zu Bett gegangen war, während Cyneric und Salia Nachforschungen angestellt hatten. Die Reise von Dorwinion nach Esgaroth hatte die junge Südländerin mehr erschöpft, als sie hatte zugeben wollen. Der Ritt war eilig gewesen und man hatte deutlich sehen können, dass Zarifa so etwas nicht gewohnt war.

„Noch eine Runde, bitte,“ sagte Cyneric zu der Bedienung, die in regelmäßigen Abständen an dem Tisch vorbeischaute, an dem er mit Salia und einigen Einheimischen saß. In weiser Voraussicht hatten sie alle Hinweise auf ihre Identität als Mitglieder der Armee Rhûns bereits in Dorwinion abgelegt und hatten sich als einfache Reisende ausgegeben. Salia, die aus der Gegend um Thal kam, hatte die geringsten Probleme, denn sie sprach sogar die Sprache und den Dialekt der See-Menschen, doch auch Cyneric ging ohne große Schwierigkeiten als jemand durch, der entweder direkt aus Thal oder aus Dorwinion stammte. Er erinnerte sich daran, dass Salia ihm in Gortharia einst erzählt hatte, dass sein Volk, die Rohirrim, mit den Menschen von Thal und Dorwinion ebenso verwandt war wie mit den Menschen aus dem Tal des Anduin, die Erkenbrands Heer in der Schlacht um Dol Guldur überraschend zur Hilfe gekommen waren.
Ein voller Krug mit weiß schäumendem Bier wurde vor Cyneric abgesetzt und er nahm einen tiefen Schluck daraus. Gar nicht übel, befand er und beschloss, nun, nach mehreren Stunden der Nachforschung, endlich zum Punkt zu kommen.
„Freunde,“ sagte er in die Runde und die Blicke der Einheimischen am Tisch richteten sich auf ihn. „Ihr seid bereits äußerst hilfreich dabei gewesen, uns die Lage in den Landen rings um den See zu erklären. Wir beide waren, wie ihr ja wisst, schon mehrere Jahre nicht mehr hier und sind euch wirklich dankbar dafür, uns schon so weit geholfen zu haben. Darum sage ich erneut: Trinkt, meine Freunde, und das Bier geht auf mich.“
Zustimmende Rufe und sogar etwas Applaus antworteten ihm, weshalb er sich vorbeugte und fortfuhr: „Es gibt da noch etwas, das ich gerne fragen möchte, wenn mir diese Dreistigkeit gestattet ist.“
„Nur zu, guter Mann, nur zu!“ ermutigte man ihn. „Einem edlen Spender wie dir einen Wunsch abzuschlagen wäre mehr als niederträchtig von uns.“
„Ich bin auf der Suche nach einem jungen Mädchen, genauer gesagt ist sie meine Tochter. Sie hat blondes Haar, grüne Augen und eine muntere Persönlichkeit. Ihr Name lautet Déorwyn. Habt ihr sie vielleicht gesehen?“
Mehrere der See-Menschen begannen, gleichzeitig zu antworten. Die meisten hatten jemanden gesehen, der auf diese Beschreibung passte, doch keine der jungen Frauen, von denen sie sprachen, trug den Namen von Cynerics Tochter. Ihm war natürlich klar gewesen, dass Déorwyns Haar- und Augenfarbe in Thal und Esgaroth keine Seltenheit waren, und dass es womöglich mehr als nur ein Mädchen geben könnte, das ihr ähnelte. Geduldig ließ er sich von einem Esgarother nach dem anderen beschreiben, wo dieser die Frau gesehen hatte, die auf die Beschreibung, die Cyneric gegeben hatte, passte. Jedoch kam am Ende heraus, dass nur eine davon sich im Augenblick noch in Esgaroth aufhielt. Dabei handelte es sich um die Bedienung, die ihnen immer wieder frisches Bier brachte. Sie war jung, blond, und ungefähr in Déorwyns Alter, doch sie war eindeutig nicht Cynerics Tochter.
„Die anderen Mädchen scheinen alle entweder verschwunden zu sein oder sind mit den Flüchtlingen aus Thal ins Waldlandreich gegangen,“ fasste Salia die Ergebnisse ihrer Befragung zusammen.
„Aber im Brunnen sah ich meine Tochter auf dem Rabenberg,“ überlegte Cyneric und fragte sich, ob er das Wagnis eingehen sollte, sich dem Einsamen Berg zu nähern. „Wenn wir nur wüssten, was mit Déorwyn während der Schlacht am Erebor geschehen ist!“
„Ich weiß es,“ sagte jemand. Cyneric blickte von dem leeren Krug auf, in den er gedankenverloren hinab gestarrt hatte. Neben ihm war ein junger Mann aufgetaucht, der die Rüstung eines Ostling-Soldaten trug. Sein Gesicht kam Cyneric vage bekannt vor.
„Und wer bist du?“ fragte er etwas ungehalten. „Was weißt du über meine Tochter?“
„Seid Ihr Cyneric, der Gardist?“ antwortete der Junge mit einer Gegenfrage.
Cyneric wunderte sich. Er hatte sich den See-Menschen am Tisch nicht vorgestellt und bis auf den Namen seiner Tochter keine Namen genannt. „Der bin ich,“ sagte er, leise und vorsichtig. „Woher weißt du das, Junge?“
„Ich heiße Aino... Sohn des Rauno. Ich habe mit Eurer Tochter gesprochen, während der Schlacht am Fuße des Berges dort oben.“
Cyneric packte Aino an den Schultern. „Was weißt du über sie? Sag schon!“
„S-schon gut! Ich werde Euch alles erzählen, nur tut mir nicht weh!“ Aino war bleich geworden. Es war Salia, die die Lage entschärfte. Sie warf der Bedienung eine Goldmünze zu und rief: „Eine letzte Runde für alle!“, was für neuerlichen Jubel sorgte und die Aufmerksamkeit der Leute ablenkte. Dann befreite sie Aino aus Cynerics Griff und zerrte den jungen Ostling davon, in Richtung des Zimmers, für das sie für die Nacht bezahlt hatten.
„Sieht ganz so aus als hätte das Mädel Gefallen an dem Ostlingjungen gefunden,“ nuschelte einer der Esgarother, ehe er seinen frisch gefüllten Krug an die Lippen setzte.
Kopfschüttelnd stand Cyneric auf und folgte Salia die Treppen zu den Gastzimmern hinauf. Dort angekommen schloss er die Tür des Zimmers hinter sich. Zarifa lag in einem der drei Betten und schlief friedlich, weshalb Salia und Aino sich nur im gedämpften Ton unterhielten.
„Wir werden dir schon nichts tun, Kleiner,“ beruhigte Salia den Ostling. „Sag uns erst einmal, woher du Cynerics Tochter kennst, und weshalb du dir sicher bist, dass wir von demselben Mädchen sprechen.“
„Sie bat mich, ihrem Vater auszurichten, dass sie im Waldlandreich ist, wenn ich ihn treffe,“ sagte Aino, dessen Gesicht wieder Farbe bekommen hatte. „Ich habe es ihr versprochen, weil sie mich am Leben gelassen hat.“
„Am Leben gelassen?“ wiederholten Cyneric und Salia gleichzeitig.
„Wir waren Feinde in der großen Schlacht um den Berg. Sie besiegte mich im Kampf, doch dann zeigte sie mir Gnade.“
Cyneric wollte aufspringen und den Jungen dafür büßen lassen, dass er seine Tochter angegriffen hatte, doch er beherrschte sich. Verwunderung hatte von ihm Besitz ergriffen. Seine Tochter sollte eine große Kriegerin sein, die Ostling-Soldaten besiegen konnte? Die Vorstellung war so absurd, dass er seinen Ärger völlig vergaß.
„Erzähl weiter,“ forderte Salia Aino auf. „Und diesmal von Anfang an.“
„Die linke Bergflanke, die auch als Rabenberg bekannt ist, war vom Feind besetzt worden und unsere Einheit erhielt den Befehl, sie zurückzuerobern. Ich gab mein Bestes, aber... ich bin nun mal einfach kein Krieger. Mein Vater mag der große General Rog sein, nur geerbt habe ich davon rein gar nichts. Ich verlor mein Schwert und hatte schon mit dem Leben abgeschlossen, doch dann war da dieses Mädchen... sie sagte, ihr Name sei Kerry, und ich wäre nun ihr Gefangener.“
Bei der Erwähnung Rogs horchte Cyneric auf. Ihm wurde klar, weshalb Aino ihm so bekannt vorkam. Durch einen absonderlichen Zufall war er inmitten von Esgaroth auf den Sohn des Kommandanten der Palastgarde getroffen. Er hätte beinahe gelacht.
„Muss man dir denn jeden Satz einzeln aus der Nase ziehen?“ beschwerte Salia sich. „Wie seid ihr aus der Schlacht entkommen?“
„Ich half Kerry, durch die Reihen der Ostlinge zu ihren elbischen Freunden zu gelangen. Die Elben zogen sich als Letzte zurück, und Kerry ging mit ihnen. Sie bat mich, ihrem Vater von ihr zu erzählen, wenn ich nach Gortharia heimkehrte. Aber bislang habe ich noch nicht den Mut dazu aufgebracht, zu gehen. Ich habe mich hier versteckt und darauf gewartet, dass mir das Schicksal ein Zeichen gibt.“
„Nimm diese Begegnung als Zeichen,“ sagte Cyneric. „Dafür, dass du meiner Tochter geholfen hast, bin ich dir dankbar. Ich werde im Waldlandreich nach ihr suchen. Und du, Aino, solltest in deine Heimat zurückkehren, oder ihr entsagen und dich nach Westen durchschlagen.“
„Ich... werde darüber nachdenken,“ sagte der Junge leise.

„So,“ sagte Salia, nachdem Aino gegangen war und die Türe hinter sich geschlossen hatte. „Da hast du es also. Deine Tochter ist im Waldlandreich.“
„Das wissen wir nicht sicher, aber es ist die beste Spur, die wir haben,“ entgegnete Cyneric.
Salia stand auf und blickte aus dem einzigen Fenster des Zimmers. Der Vollmond schien herein und spiegelte sich auf dem schwarzen Wasser des Sees. „Dies ist der Moment unseres Abschieds, Cyneric,“ sagte sie mit einer Spur von Traurigkeit in der Stimme.
„Du gehst?“ fragte er, doch er kannte die Antwort bereits.
„Ich kann nicht anders,“ entgegnete sie und drehte sich zu ihm um. Ein trauriges Lächeln lag auf ihrem jungen Gesicht. „Ich muss nach Thal gehen, und das Schwert meines Vaters holen, ehe ich nach Gortharia zurückkehre. Ich habe mir geschworen, den König der Ostlinge damit zu töten - als Rache für meine Familie. Daran werde ich mich halten. Ich danke dir für alles, was du getan hast, Cyneric... aber hier trennen sich unsere Wege.“
„Salia...“
„Nein, bitte sag jetzt nichts. Bring mich nicht davon ab. Ich muss das tun, verstehst du?“
„Sei bitte vorsichtig,“ drängte er sie. „Du weißt, wozu Morrandir und Ryltha fähig sind. Sie werden deinen Verrat nicht auf sich sitzen lassen.“
„Ich weiß. Ich werde schon einen Weg finden, mit ihnen fertig zu werden.“ Salia versuchte, zuversichtlich zu klingen, doch ihre Augen verrieten sie. Sie wusste, dass sie vermutlich in ihren eigenen Tod lief, und Cyneric konnte es sehen. Er fühlte sich, als würde er entzwei gerissen. Im Westen wartete seine Tochter auf ihn, deren Spur ins Waldlandreich führt, doch im Osten stand Salias Schicksal auf Messers Schneide, und außerdem...
Ein entschlossenes Gesicht tauchte vor Cynerics innerem Auge auf. Es war Milvas. Ihre Zukunft war ebenso ungewiss wie Salias. Konnte Cyneric sie wirklich einfach so im Stich lassen?
Er verhärtete sein Herz. Es lag nicht an ihm, die Last der Welt auf seinen Schultern zu tragen. Er hatte stets alle retten wollen, doch in jenem Moment, unter dem fahlen Licht des Vollmondes, wurde ihm klar, dass er nur sich selbst retten konnte. Er würde Déorwyns Spuren folgen und seine Tochter finden. Er war nicht verantwortlich für Salias, Zarifas oder Milvas Schicksal. Solange sie mit ihm gingen, konnte er auf sie Acht geben, doch wenn sich ihre Wege trennten...
Cyneric atmete tief durch. „Ich wünsche dir nichts als das Beste, Salia. Lass dich nicht von Rachsucht blenden, hörst du? Wenn du vorsichtig bist und dir einen Plan zurecht legst, wirst du vielleicht einen sicheren Weg finden, um dem König zu töten. Vielleicht wirst du heil aus diesem ganzen Chaos herauskommen. Ich wünsche es dir von ganzem Herzen.“
Er konnte Salia ansehen, dass ihr der Abschied nicht leicht fiel. Deswegen schien sie es kurz machen zu wollen. Sie öffnete das Fenster und stieg hindurch. „Leb wohl, Cyneric,“ wisperte sie noch, dann war sie fort.

Zarifa hatte es tatsächlich geschafft, all das zu verschlafen. Es war eine der wenigen Nächte, in denen sie durchgeschlafen hatte. Offenbar hatte kein Albtraum sie behelligt, denn als sie Cyneric am nächsten Morgen weckte, hatte sie unangenehm gute Laune.
„Na komm schon, alter Mann,“ sagte sie und zog ihm seine Decke weg. „Die Sonne wird heute nicht heller werden. Es wird Zeit, dass wir losgehen und deine Tochter finden.“
Cyneric brummte etwas Unverständliches und warf sein Kissen nach Zarifa, die sich lässig wegduckte und ihn auslachte. Er beschloss, es ihr eines Tages heimzuzahlen und stand auf. Nachdem sie ein ausgedehntes Frühstück zu sich genommen hatten und Cyneric Zarifa von den Ereignissen des letzten Abends erzählt hatte - Salias Abschied nahm die junge Südländerin mit einem Schulterzucken hin - machten sie sich bereit zum Aufbruch aus Esgaroth. Cyneric bezahlte den Gastwirt und begab sich in die Stallungen. Rynescéad wartete dort schon auf ihn, doch Salias Pferd war verschwunden. Er seufzte leise und hoffe, dass sie ihre mörderischen Pläne irgendwie überleben würde.
Kurze Zeit später ritten sie über die Holzbrücke aus Seestadt heraus und schlugen die Straße zum Waldlandreich ein.


Cyneric und Zarifa ins Waldlandreich
« Letzte Änderung: 12. Sep 2018, 13:34 von Fine »
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