Mallos vom Ordensversteck der schwarzen RoseMit ruhigem Schritt setzte er seinen Weg fort, bis er schließlich zu einer kleinen Kneipe vor dem ein kleines Bild mit einem Fass hing auf dem in wettergegerbten Buchstaben gerade noch lesbar „Der humpelnde Säufer“ stand.
Vorsichtig öffnete er unter lautem Knarren die Tür.
Alles klingt wie früher… ein schönes Gefühl, dass sich auch in so vielen Jahrzehnten nichts ändert.Er zwängte sich in den engen Gang und folgte ihm, bis er schließlich in die Gaststube kam. Es war die typische Zeit für ein paar Bier – man hatte seine Arbeit beendet und entweder war man schon zu Hause gewesen und kam jetzt oder man kam sofort nach der Arbeit und versuchte mit seinen Freunden die Probleme mit Alkohol zu lösen.
Obwohl diese Kneipe nicht sehr gepflegt aussah, war sie keineswegs ein Ort für die Untersten der Unterschicht, größtenteils kamen hier Arbeiter von Feldern oder auch Angestellte in der Stadt, die sich einfach Mal betrinken wollten.
„Werter Herr“, begrüßte er den Wirt. „Wie ich sehe habt ihr heute Abend viel Besuch. Würdet ihr erlauben, dass ich versuchen werde die Gunst der Gäste mit ein paar Geschichten zu erringen?“
„So? Ein Barde wollt ihr sein?“, antwortete er knurrend.
„Richtig mein Herr. Ich habe in den letzten Tagen ein neues Werk geschrieben, das von einem alten König dieses Landes handelt. Es wäre lang genug, um dir für einen langen Teil des Abends die Gäste zu sichern. Was habt ihr zu verlieren? Bezahlt werde ich von den Gästen, falls ihnen meine Geschichte gefällt. Falls es dir nicht gefällt kannst du mich jederzeit wieder rauswerfen.“
„Nun gut…“, stimmte er mit kehliger Stimme zu. „Ihr könnt probieren die Leute zu unterhalten. Doch seid gewarnt – der Letzte deiner Zunft hat diesen Ort mit einigen blauen Flecken verlassen. Und ich glaube auch, dass seine Knochen nicht mehr ganz an den richtigen Stellen waren.“
Bei den letzten Worten grinste der Wirt Mallos breit genug an, dass er die Lücken in seinen Zahnreihen erkennen konnte.
„Habt Dank für die Warnung, ich werde sie beherzigen. Doch gebt mir bitte vorerst ein Bier. Ich bezahle es auch sofort.“
Er verbeugte sich kurz vor dem Wirt, nahm das Bier und stellte sich dann an eine Seite des Raumes, wo ihn jeder gut sehen und hören konnte.
„Verehrte Herrschaften. Lang war wahrscheinlich euer Tag und ihr wollt nichts anderes tun, als heut Abend sich nicht lumpen zu lassen und zu sagen: Hoch den Humpen! Jaja, ich weiß… Durst wird erst durch Bier so richtig schön, auch in meinen jungen Jahren habe ich das schon erlebt.
So ein Bier ist schon was Feines… Doch gibt es eine Möglichkeit das Bier noch mehr genießen zu können… indem man sich eine Geschichte anhört, sogar eine wahre Geschichte!
Nichts sagen da hinten, ich weiß was gleich kommt: Die Vorurteile gegenüber uns Barden sind mir bekannt. Keiner von uns trinkt viel vor seinen Auftritten, deshalb vertraut uns keiner.
Trau keinem, der nicht trinkt! heißt es immer… Darum habe ich mir von unserem werten Wirt das hier geholt.“
Er hob seinen Humpen empor, sodass ihn jeder sehen konnte, führte ihn danach an die Lippen und trank ihn rasch, ohne abzusetzen, aus. Es bitzelte leicht, doch er hatte noch nie Probleme mit Alkohol gehabt, was wohl an seiner elbischen Abstammung lag.
„Nachdem das geklärt ist würde ich gerne anfangen, falls ich einen von euch langweile, so soll er mir entweder noch ein Bier kaufen oder mich verprügeln. Wenn das mehrfach passiert, dürfte beides morgen früh denselben Effekt haben: Ich wache mit Kopfschmerzen und einem schrecklichen Gefühl in irgendeinem Straßengraben auf.
Bei meiner Geschichte beginnt es auch an genau so einem Tag… Olvir, damals noch Prinz von Rhûn begann den Tag damit, dass er müde die Augen öffnete und sich mit dem königlichsten aller Kater in einem Straßengraben, nicht unweit von hier, wiederfand.
Ja, ihr habt richtig gehört. Ein Prinz, jemand königlichen Geschlechts hat sich unter das gemeine Volk gemischt gehabt und sich mit ihnen betrunken. Es war ein großes Fest gewesen, wie jedes Jahr zur großen Sauronopferung.
Als er nun an diesem verhängnisvollen Tag nach einer durchzechten Nacht langsam zu sich kam, wusste er noch nicht, dass er in nur wenigen Tagen König des großen Rhûns sein würde. Und auch wusste er nicht, dass er seinen Kopf nicht auf einem Kissen ausruhte, sondern auf dem Bauch eines Bauern und die Wärme nicht von einer Decke, sondern von einem Soldaten kam, der dort eingeschlafen war. Zu dritt hatten sie die letzte Nacht durchgefeiert, getrunken gehurt und sich vergnügt.“
So erzählte Mallos weiter, während es draußen immer dunkler wurde und die Ehefrauen zuhause mit dem Essen auf ihre Männer warteten, blieben sie in der Kneipe und hörten ihm zu. Keiner hatte Lust sich diese Geschichte entgehen zu lassen, jeder wollte noch bis zum End bleiben.
„Und das war die Geschichte von Olvir, ehemaliger König von Rhûn.“, beendete Mallos tief in der Nacht seine Geschichte. „Und nun stellt euch vor, was in der damaligen Zeit alles nach einem Abend wie heute hätte passieren können. Am Ende könntet ihr neben unserem König aufwachen! Doch leider erscheint es mir nicht sehr wahrscheinlich, dass jemandem von euch das passieren könnte… die Könige des alten Reiches waren anders. Und ich weiß nicht, ob ich neben unserem derzeitigen Herrscher, einem Nazgul aus Mordor, aufwachen will. Ich galube das Erlebnis wäre nicht sehr berauschend.“
Habt dank, dass ihr mir so lange gelauscht habt, obwohl es spät wurde. Zum Schluss bitte ich euch alle um eine kleine Spende.“
Er zog einen kleinen Sack aus einer Tasche und reichte ihn dem ihm am nächsten Stehenden. Während der Beutel sich langsam füllte begann langsam ein immer lauter werdendes Gemurmel und der Wirt kam langsam zu Mallos. „Ich muss zugeben, dass ich euch unterschätzt habe“, gestand er mit seiner kehligen Stimme. „Wollt ihr morgen Abend wieder kommen?“
„Ich weiß nicht.“, antwortete Mallos. „Es freut mich aber dennoch, dass mein Auftritt euch gefallen hat, irgendwann werden wir uns bestimmt wieder sehen.“
„Gefallen?“, lachte er leise. „Ich bin kein Freund von großen Worten, jedoch haben deine es geschafft die Leute anzusprechen und ich hab so viel an einem Abend verdient, wie schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr. Auch wenn der letzte Kommentar wohl nicht hätte sein müssen. Ich bin kein Mann der Worte, aber das könnt’ man schon als Hetzerei gegen unsere Herrscher ansehen.“
„Jeder sieht das, was er sehen will, werter Herr. Ich habe nur die Wahrheit gesagt – so sehr mich der Sieg über den Westen erfreut und so glorreich die Zukunft Rhûns auch sein mag… Was ich über die damalige Zeit erfahren habe, war trotzdem in meinen Augen schöner, dort waren wir alle gleich, auch wenn die Herrscher noch geherrscht haben. Sie waren trotz allem deutlich näher am Volk.“
Dass es nur dieser eine König war, das verschwieg Mallos lieber. Fast alle anderen Könige waren schon immer so gewesen – arrogant und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht.
Sobald er seinen Beutel, deutlich schwerer als vorher, wieder hatte verabschiedete er sich kurz und huschte anschließend rasch aus der Kneipe und verschmolz mit der Dunkelheit.