Sorry für mehrere aufeinander folgende Posts, aber ich hätte gerne, dass jedes meiner Kapitel nen eigenen Beitrag kriegt:
Also: Ring frei für Kapitel 1 meiner Fortsetzung von: "Der Herr der Ringe":
Der Eine vergeht
Sein geflügelter Schatten wurde schon unruhig, während er über dem Heer des Westens kreiste. Seit Tagen hatten er und seine sieben verbliebenen Gefährten die Menschen verfolgt, und nun war der Angriff nahe.
Saurons Mund ritt schon wieder zurück zum Schwarzen Tor. Das hieß, dass die Menschen das Angebot des dunklen Gebieters abgelehnt hatten. Es war auch besser so, denn mit Brandschatzungen und blutigen Verfolgungsjagden waren die unzähligen Orks von Mordor gut bei Laune zu halten.
Das Schwarze Tor öffnete sich langsam. Er sah schon, wie sich die Truppen Mordors gleich einer schwarzen Lawine auf das Heer der Menschen zu- bewegten, welches vom neuen König Gondors noch in Formation gebracht wurde. Welch eine Dummheit! Während Kriegszeiten einen neuen König zu wählen war für ihn purer Leichtsinn. Er war sowieso noch eifersüchtig, weil der Hexenkönig den Ork Gothmog und nicht ihn, den zweithöchsten nach ihm, zu seiner Rechten Hand gewählt hatte.
Dieser Gothmog war nichts anderes als ein Feigling gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Gothmog war während des Ritts der Rohirrim ums Leben gekommen, kurz nachdem der Hexenkönig von diesem Weib erschlagen wurde. Ihm wäre das bestimmt nicht passiert. Nicht ihm, Khamûl, dem zweithöchsten der Nazgûl, dem wahren König der Ostlinge. Er wollte es Sauron beweisen, dass er das Zeug dazu hatte, der Heerführer Mordors zu werden. Beginnen würde er mit der Rächung des Hexenkönigs.
Endlich wurde ein Horn zum Angriff geblasen. Khamûl ließ seinen geflügelten Schatten im Sturzflug herabstoßen, direkt auf eine Gruppe Rohirrim zu. Die Klauen seines Reittiers bohrten sich in einen Rohirrim und rissen diesen von den Beinen. Khamûl lauschte dem verzweifelten Todeskampf des Menschen, sein ersterbendes Stöhnen erweckte in ihm ein Gefühl, triumphiert zu haben. Der geflügelte Schatten ließ den schwer verwundeten Krieger wieder fallen, und Khamûl suchte mit Argusaugen weiter nach dem Weib, welches den Hexenkönig erschlagen hatte.
Er ließ sein fliegendes Reittier knapp über die Köpfe der Rohirrim sausen, welche sich alle vor der Bestie duckten. Dieses Weib würde ihm auffallen, denn den Mut der Verzweiflung, mit dem er es schon einmal kämpfen sehen konnte, würde er nicht übersehen.
Endlich fiel ihm ein Rohirrim auf, der nicht vor seinem geflügelten Schatten zurückwich. In den Augen des Menschen brannte der Mut der Verzweiflung. „Das muss sie sein!“, schoss es Khamûl durch den Kopf. Sofort lenkte er sein Reittier in die Richtung des Weibes. Je näher er ihr kam, umso deutlicher sah er ihre Gesichtszüge. Kein Bart, keine Furcht, nur Verzweiflung spiegelte sich in ihrem Gesicht. Khamûls geflügelter Schatten flog jetzt nur noch knapp über dem Boden. Alle Rohirrim sprangen der schwarzen Bestie aus dem Weg, nur nicht das Weib. Das war sie, da war Khamûl sich sicher. Er würde von Sauron fürstlich belohnt werden, wenn dieser erfahren würde, dass er, Khamûl, der zweithöchste der Nazgûl, den Mord am Hexenkönig gerächt hatte.
Er ließ seine Bestie direkt vor der Kriegerin landen und zügelte sie, damit sie ja nicht nach dem Weib schnappen konnte. Khamûl wollte sie mit seinen eigenen Händen töten. „Nimm deinen Helm ab, Weib, damit ich sehen kann, wie das Licht in deinen Augen verlischt!“, forderte Khamûl das Weib auf, doch sie antwortete: „Ich bin kein Weib!“ Sie riss sich den Helm vom Kopf und Khamûl sah, dass sie in Wirklichkeit ein Mann war, ein Jüngling von zirka 17 Wintern. „Ich habe während diesem Krieg meine ganze Familie verloren!“, rief der Jüngling Khamûl entgegen: „Du machst mir keine Angst!“
Khamûl bewunderte den Mut des jungen Rohirrim. Er spielte mit dem Gedanken, den Jungen zu verfluchen, als er plötzlich die Kontrolle über seinen Körper verlor. Ohne es zu wollen ließ er die Zügel des geflügelten Schattens locker, dessen Kopf sofort hervorstieß. Die Bestie packte den Rohirrim mit ihren Kiefern und erhob sich wieder in die Lüfte.
Endlich hatte Khamûl wieder die Kontrolle über seinen Körper. Er wollte doch nach dem Weib suchen und nicht die Zeit mit dem töten armseliger Rohirrim vertändeln! „Dieser Mord hat doch gar keine Zeit vertändelt.“, hörte Khamûl die Stimme Saurons in seinem Kopf. Die Tatsache, dass sein Gebieter jederzeit seinen Körper kontrollieren konnte, wollte Khamûl nie so ganz hinnehmen. Was ist denn ein König, wenn er nicht die Kontrolle über sein eigenes Handeln hat? – Nur eine Marionette, dass war Khamûls Meinung.
Er ließ seinen Schatten wieder höher steigen und versuchte, das Weib vom Himmel herab ausfindig zu machen, während sein geflügelter Schatten den Rohirrim im Flug verspeiste. Plötzlich hörte er eine mächtige Stimme rufen: „Die Adler kommen!“
Es war tatsächlich so, Gwaihir, der Fürst der Adler, war mit seinem Gefolge gekommen. Ein Adler war einem geflügelten Schatten ein würdiger Gegner, Orks und Trolle dagegen hatten keine Chance gegen sie. Khamûl sah eine Niederlage kommen, also lenkte er seine Bestie direkt auf die Adler zu. Er wollte Gwaihir, den Fürsten der Adler, töten. Wenn Gwaihir erst einmal tot war, würde die anderen Adler der Mut verlassen, dann wären sie leichte Beute.
Fünf der sieben anderen Nazgûl folgten Khamûls Beispiel und hielten ebenfalls auf die Adler zu.
Khamûl duckte sich tiefer in den Sattel, um seinem Reittier weniger Luftwiderstand zu bieten. Gwaihir, der Fürst der Adler und Khamûls geflügelter Schatten flogen direkt aufeinander zu. Beide Kontrahenten hielten ihre Klauen bereit, um sie dem anderen in den Leib zu rammen. Die Wucht mit der die beiden geflügelten Wesen aufeinander prallten war so groß, dass Khamûl fast aus seinem Sattel fiel. Gwaihir und die geflügelte Bestie hatten sich ihre Klauen gegenseitig abgefangen, der Schatten versuchte nun, Gwaihir in den Hals zu beißen, welcher mit Schnabelhieben immer wieder die gefährlichen Kiefer der Bestie von seinem Hals fernhielt.
Plötzlich verlor Khamûl wieder die Kontrolle über seinen Körper. Ungewollt riss er seine Bestie aus dem Kampf mit Gwaihir und spornte sie an, so schnell wie möglich zum Schicksalsberg zu fliegen. Als er wieder die Kontrolle über seinen Körper hatte, hallte ihm ein Befehl Saurons durch den Kopf. Sauron hatte angsterfüllt geklungen, so angsterfüllt hatte Khamûl seinen Gebieter noch nie erlebt. Es musste wohl um den Einen Ring gehen, denn nur dann würde Sauron so ängstlich sein.
Während des Eilfluges zum Schicksalsberg spürte Khamûl immer stärker die Anwesenheit des Einen Rings. Jemand versuchte wohl, ihn zu zerstören! Das musste Khamûl unbedingt verhindern! Er spornte seinen Schatten zu Höchstleistungen an, er durfte nicht zu spät kommen!
Nach einem kurzen Flug mit extremster Geschwindigkeit ließ Khamûl seine Bestie schon im Sturzflug in den Schlot des Schicksalsberges stürzen. Jede Sekunde zählte! Khamûl sah eine bleiche Kreatur von dem Felsensteg zum Herzen des Schicksalsberges stürzen – und sie hatte den Einen Ring in ihren Händen! Er duckte sich tief in den Sattel, Schnell kam seine Bestie der fallenden Kreatur näher. Die Bestie streckte ihre Klauen aus, um die Kreatur mit dem Einen Ring zu packen. Die Klauen stießen nach vor und verfehlten die Kreatur nur um Haaresbreite. Dann klatschte sie auf die Lava auf und verbrannte sofort in ihr, der Eine Ring ging unter und begann schon, sich aufzulösen. Khamûl konnte den Sturzflug seiner Bestie nicht mehr abfangen, und so stürzte sie mit voller Geschwindigkeit in die Lava des Schicksalsberges.
Der geflügelte Schatten verbrannte sofort in der Lava, ebenso wie Khamûls Kleidung. Auch seine Rüstung und – sein Ring der Macht! Er zerschmolz wie Butter vor seinen Augen! Khamûl fühlte schon, wie er schwächer wurde und seine Lebensgeister begannen, ihn zu verlassen. Der Eine Ring war seine letzte Chance!
Da war er schon, direkt vor ihm und doch so fern. Der eine Ring hatte sich schon nahezu zur Hälfte aufgelöst, und Khamûl sah direkt, wie die Macht des Ringes sich langsam auflöste. Unter Aufwendung aller seiner Kräfte streckte Khamûl sich dem Einen Ring entgegen.
Nicht einmal mehr die Hälfte von ihm war noch da!
Khamûl berührte den vergehenden Ring, und wurde plötzlich von einer Macht durchzogen, die Khamûls Lebensgeister wieder auffrischten. Der Eine Ring hatte, als letzter Versuch weiter zu bestehen, seine restliche Macht auf Khamûl übergehen lassen. Noch während sich Khamûl darüber wunderte, verging der Eine Ring vollkommen, und der ganze Schicksalsberg wurde von einem mächtigen Beben erschüttert. Khamûl hörte Sauron in seinem Kopf. Er tobte vor Wut, weil der Eine Ring vergangen war, und vor Angst vor seinem eigenen Tod.
Plötzlich verstummte Saurons Wutgeschrei, und Khamûl wurde in einem Feuerball aus dem Schicksalsberg geschleudert. Khamûl sah Massen von Kreaturen aus Mordor, die ins Gebirge flohen, und auch die Banner der Siegreichen Menschen: Der silberne Baum auf blauem Hintergrund von Gondor und das goldene Ross auf grünem Feld von Rohan.
Da alles kam ihm so seltsam und unwirklich vor. War Sauron wirklich besiegt? Hatten die Menschen tatsächlich triumphiert?