Baden, Bauen und ein BoteSchnell floss das Wasser um Merian. Es war sogleich klar wie kühl und eine Wohltat darin zu baden. Doch weit hinein ging Merian nicht, denn er hatte das Schwimmen nie erlernt.
Nachdem Hilgorn und Elphir das Zelt mit Qúsay und seinem Begleiter betreten hatten, wollte Merian sich zunächst nahe dem Zelt hinsetzen um dem Gespräch nach Möglichkeit zuzuhören, jedoch verbat Turin es Merian. „Komm“, sagte Turin stattdessen, „wir gehen im Fluss schwimmen. Sie werden vielleicht ganze Stunden in dem Zelt verbringen und ich kann ein Bad jetzt gut vertragen.“
Mehrmals tauchte Merian seinen Kopf in den Gilrain, wusch sein Gesicht und seine Haare und danach seinen ganzen Körper. Als seine Hand über die Einstichstelle fuhr, die er dem Kerkermeister in Linhir zu verdanken hatte, wanderten seine Gedanken in die von Haradrim besetzte Stadt.
Er dachte an Abdaberie und seinen geheimnisvollen Diener Eandril.
Ob er wirklich dafür sorgen konnte, dass Angbor und seine Begleiter in Sicherheit sind? Und wieder einmal überlegte Merian, was er von Eandrils letzten Worten halten sollte, bevor sie sich in Linhir an der Mauer trennten.
Merian dachte darüber nach, was als nächstes passieren würde:
Dol Amroths Heer lagerte noch immer versteckt vor Linhir, doch irgendwann würde ein Aufeinandertreffen der Haradrim und der Krieger Gondors nicht mehr zu verhindern sein und Sauron siegt, ganz gleich, wie die Schlacht endet, denn seine Feinde, die Menschen, bekriegen sich.
Qúsay! Qúsay, sein Vorschlag sich zu verbünden ist richtig, wie auch wichtig.Merian fiel es schwer, sich einzugestehen, dass Qúsay auch nur mit irgendetwas recht hatte, doch in dieser Hinsicht musste er ihm einfach zustimmen. Wenn Qúsay wirklich in der Position ist, in der er behauptet zu sein, kann er die Haradrim womöglich überzeugen die Banner Mordors niederzuwerfen und sich Gondor im Kampf gegen Sauron anzuschließen.
Doch was ist, wenn dies nur wieder eine hinterhältige Falle Saurons ist, wonach die Haradrim ein Angebot machen sich zu verbünden und sich in einem Augenblick, indem sich alle in einiger Sicherheit fühlen, die Waffen ziehen und die ahnungslosen Soldaten Gondors überwältigen? Wenn Qúsay uns wirklich eine Falle stellt, dann sind womöglich, grade in diesem Augenblick, die Heerführer Gondors in großer Gefahr.Mit einmal sah Merian auf und hinüber zum Zelt, indem sich Elphir und Hilgorn befanden. Doch alles war ruhig. Merian hörte keine Rufe, keinen Lärm eines Kampfes, nur die Geräusche des Wassers und den Wind, der durch die Bäume zog.
Sie verhandeln wohl noch immer ruhig und in Frieden. Und mit einmal erschien es Merian albern, dass Qúsay so dumm sein würde und sich für Sauron in Gefahr begibt. Noch immer hielt Merian Qúsay für einen tückischen Haradrim, doch war ihm bewusst, dass dies in Zeiten wie diesen ein Vorteil sein konnte.
Ob von Qúsay beabsichtigt oder nicht, dankt ihm bin ich aus Linhir entkommen und habe somit die Möglichkeit bekommen, mein schwieriges Ziel, meine Männer aus Linhir zu befreien, weiter verfolgen zu können. Merian fasste sich, blickte noch einmal die Strömung hinunter und wandte sich dann zum Ufer. Nachdem er seine gewaschenen Kleider wieder angelegt und etwas gegessen hatte, setzte er sich wieder an den Gilrain. Aus den zahlreichen kleinen Steinen, die er am Ufer fand, begann Merian die Straßenzüge und die alte Stadtmauer von Linhir als Miniatur zu bauen.
Als Turin nach einiger Zeit zu Merian trat, war dieser überrascht, sowie begeistert von Merians geschickten Händen und seinem Blick, mit dem er immer den richtigen Stein fand um sein Bauwerk zu erweitern. Zusammen hoben die Beiden Rillen für den Gilrain und den Serni aus und ließen über eine Zufuhr vom Gilrain Wasser durch die winzige Steinstadt fließen. Zum krönenden Abschluss errichtete Merian die Brücke, die von Linhir über den Fluss nach Lebennin führte.
„Du darfst nicht vergessen, dass ich gelernter Steinmetz bin“, sagte Merian als Antwort auf Turins lobenden Blick.
Noch bevor Turin etwas antworten konnte, wurde es unruhig im Lager. Flüsternde Stimmen erreichten die Beiden und die Männer, die wachestanden, griffen zu den Waffen. „Ein Reiter! Er nähert sich schnell. Zuerst dachten wir, er reitet westlich an uns vorbei, doch dann ist er umgeschwenkt und kommt nun direkt auf uns zu“, zischte einer der Männer aufgeregt und sprach dann weiter zu Turin gewandt, „sollen wir Elphir informieren?“
„Warte noch. Lasst uns sie nicht stören, wenn es nicht unbedingt sein muss. Trägt der Reiter keine Banner oder andere Erkennungsmerkmale?“, antwortete Turin rasch. Doch bevor der Mann hatte antworten konnten, tauchte der Reiter in ihrem Blickfeld auf und Turin konnte sich selbst ein Bild von dem Ankömmling machen.
Der Reiter stammte eindeutig aus Harad, wie Turin an seinen Kleidern und seinem Aussehen schließen konnte und auch Merian erkannte den Mann als Einen aus Qúsays Volk, dem er wahrscheinlich sogar schon einmal in Marwans Residenz begegnet war.
Schnell, wie elegant, sprang der Mann aus dem Sattel als sein Pferd zum Stehen gekommen war und trat vor Merian und Turin: „Mein Name ist Azerwal. Ich überbringe eine Nachricht von Marwan, einem treuen Freund von Qúsay, der wie ich hoffe hier zu finden ist. Ich bin in Eile geritten und habe wichtige Kunde, die auch für euch hohen Wert besitzen wird.“ „Ohne weiteres kann und werde ich euch nicht durchlassen“, sprach Turin ernst, „Qúsay befindet sich der Verhandlung mit unseren Heerführern, die sicher nicht zu stören ist.“
Von dem Lärm im Lager informiert, traten Elphir und Hilgorn und dahinter Qúsay und Dirar aus dem Zelt, bevor die Situation in einen Streit ausarten konnte.
„Mein Herr“, sprach Azerwal zu Qúsay und verneigte sich kurz, „ich habe wichtige Kunde. Es muss sofort gehandelt werden.“
„Ihr kennt diesen Mann?“, fragte Elphir, der sich etwas übergangen fühlte.
„Sicherlich und ich traue ihm“, antwortete Qúsay und sprach danach zu Azerwal gewandt weiter: „Was gibt es wichtiges? Ich denke, du kannst hier offen vor allen sprechen, denn wir wollen in Zukunft ein Bündnis bilden und sollten keine Geheimnisse voreinander haben.“
In gespannter Erwartung lauschte Merian den gesprochenen Worten, ebenso wie all die Männer, die umher standen und den Melder beobachteten.
Dieser räusperte sich und begann zu berichten: „Es ist dringlicher als ihr es euch vorstellen könnt. Das Heerlager der Gondorer ist von einem Spähtrupp entdeckt wurden. Die Nachricht erreichte Abdul-Aziz, der sofort alle Krieger auf den Marktplatz rief. Qúsay, sie planen auszurücken und die unwissenden Gondorer zu überraschen. Marwan…“ Elphir unterbrach den Mann: „Ich kann nicht glauben, dass das war ist?! Wir haben Wachen aufgestellt und hätten es zu mindestens mitbekommen, wenn unser Lager entdeckt worden wäre!“
Merian schwankte. Ihm wurde kurz schwarz vor Augen und er stellte sich vor, dass die Haradrim die unvorbereiteten Männer Dol Amroths im Lager überfallen würden und siegen.
Alle Pläne wären zunichte, alle Hoffnungen und Dol Amroths Verteidigung wäre dahin. Tote über Tote und keine Chance jemals wieder nach Linhir zu kommen.Azerwal sprach weiter: „Marwan versucht menschenmögliches. Er ist zum Marktplatz aufgebrochen, als ich mein Pferd sattelte. Er wird versuchen Abdul-Aziz und die anderen Häuptlinge zu überzeugen, dass sie mit dem Angriff noch warten sollen. Lange wird er sie aber nicht hinhalten können. Wir hätten Glück, wenn sie erst heute Nacht, in völliger Dunkelheit den Angriff starten. Entscheidend ist nun“, und jetzt sprach er direkt zu Elphir, „dass ihr schnell in euer Lager kommt und eure Krieger warnt und sie auf den Angriff vorbereitet.“
„Das hat mit Sicherheit höchste Eile“, ergriff nun erstmalig Hilgorn das Wort, „doch haben wir hier noch ein Bündnis zu besiegeln. Wie es mir scheint, ist dies nun nötiger denn je.“
„So ist es“, stimmte Qúsay zu, wandte sich dann aber nochmal zu Azerwal, „ist das alles, was du weißt? Hat Marwan nichts weiter gesagt?“ „Doch, mein Herr, er lässt ausrichten, dass er versuchen wird, die Krieger durch die Schlucht am südlichen Ende des Hügels vor Linhir zu schicken. Dort sollen die Gondorer sich postieren.“
Elphir horchte auf: „Die Schlucht kennen wir. Was soll dort passieren?“ „Nun, wenn eure Truppen den nordwestlichen Ausgang der Schlucht versperren, können wir den Feind einschließen und vielleicht sogar zur Aufgabe bewegen. Mein Freund Marwan übernimmt traditionell die Nachhut. Somit können wir den anderen Ausgang der Schlucht leicht verschließen. Wenn ihr eure Bogenschützen an den Hängen postiert, wird es für Abdul-Aziz und seine Männer kein entkommen geben. Sie werden sich ergeben oder untergehen.“, erklärte Qúsay rasch, „Anders wird es Marwan nicht vorhaben.“
Hilgorn atmete lauter auf, als er gewollt hatte: „Das ist ja alles schön und gut, doch noch haben wir kein Bündnis“. Bei diesen Worten sah er Elphir und Qúsay ernst an.
"Nun, Herr Elphir, versprecht ihr mir die Hand eurer Schwester und beschließen wir unseren Bund oder werden wir beide weiterhin einander bekriegen zum Nutzen unseres gemeinsamen Feindes?" fragte Qúsay und bot Elphir seine Hand an.
Merian spürte die Angespanntheit, die nun Elphir, aber auch alle anderen Männer Gondors ergriff. Sie wussten, wie viel Ephir an seiner kleiner Schwester lag.
Merian sah seinen abschätzenden Blick, seine Überlegungen, ob er eine Wahl hatte. Dann ergriff Elphir die Hand von Qúsay und blickte in sein Auge: "Ich verspreche euch die Hand meiner Schwester Lóthiriel." Qúsay nickte als Zeichen des Verstehens und wollte den Handgriff wieder lösen, doch Elphir ließ nicht los und fügte noch hinzu: "Ich will hoffen, dass ihr mit allen euren Vermutungen über die Absichten eures Freundes Marwan recht behaltet und wir in der Schlucht den ersten gemeinsamen Sieg erringen."
Daraufhin traten die beiden Männer, die womöglich grade das wichtigste Bündnis seit langen besiegelt haben, voneinander zurück und schauten in die Reihen der Männer, die freudig ihre Waffen in die Lüfte hielten oder sich verbeugten.
Hilgorn überreichte Elphir und Qúsay den schriftlichen Vertrag, der die Absprachen beinhaltete. Beide unterzeichneten wortlos.
Merian überlegte, dass Elphir und Qúsay überglücklich über dieses Bündnis sein mussten, es aber gegenüber dem Anderen nicht zeigen wollten. Und auch Merian selbst schaffte neue Hoffnung, als er die beiden Anführer Seite an Seite sah. Jeglicher Zorn über Qúsay war verflogen, denn nun war klar, dass Qúsay ihn mit voller Absicht hatte entkommen lassen hat um dieses Treffen zu verabreden.
Am liebsten hätte Merian seinen tiefen Dank gegenüber Qúsay ausgesprochen, doch es schien im unpassend, da die Heerführer nun bereits die letzten Schritte besprachen.
Nicht lange hielten sie sich damit auf und schon nach kurzer Zeit kam es zum Abschied.
"Wir sehen uns bei der Schlucht", rief Hilgorn zu Qúsay, Dirar und Azerwal, als diese auf ihren Pferde aufsaßen.
"Das werden wir", rief Qúsay zurück und die Drei ritten davon.
Elphir ließ seinen Kopf nach hinten kippen und schaute in den Himmel. Nach einigen Momenten sprach er zu Hilgorn: "Ich will nur hoffen, dass ist es wert." Hilgorn antwortete nicht, sondern führte Elphir eines der Pferde vor und sprach dann zu Merian, Turin und den anderen Männern: "Hätten wir gewusst, dass es so eilig werden würde, zum Heerlager zurückzukehren, wären wir her geritten. Nun werden Elphir und ich mit den beiden Packpferden vorausreiten und unsere Männer im Heerlager warnen. Ihr kommt so eilig nach, wie es euch möglich ist."
Daraufhin warf Hilgorn noch einen ernsten Blick zu Hilgorn und auch die beiden Anführer Gondors ritten davon.
"Packt die Sachen", kam es nun von Turin, "die Zelte lasst hier. Wir haben keine Zeit sie zusammenzupacken und müssen auch durch die Wälder schnell, ohne viel Gepäck, vorankommen.
Qúsay, Dirar und Azerwal nach Linhir
Elphir und Hilgorn ins Heerlager und von da aus weiter zur Schlucht
Merian, Turin und die begleitenden Männer auf den Weg zum Heerlager