Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Rhovanion

Ebene von Celebrant

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Fine:
Der Zauberer betrat das Zelt, gefolgt von einem seiner Dúnedain-Wächter. Zwei weitere postierten sich außerhalb neben dem Eingang. Cyneric sah, wie die rohirrischen Gardisten ihnen Platz machten, sie jedoch mit misstrauischen Blicken bedachten. Ich traue denen ebenfalls nicht. Wer weiß, welche Befehle ihnen Saruman gegeben hat. Außerdem sind sie allesamt Verräter. Wir müssen wachsam bleiben und größtmöglichste Vorsicht walten lassen.
Noch immer war er gespaltener Meinung über das Bündnis der Freien Völker mit Saruman. Einerseits war er froh, dass sich der Zauberer entschlossen hatte, von weiteren Angriffen auf Rohan oder die Elben abzusehen und seine Armeen stattdessen gegen Sauron zu richten. Gemeinsam konnten sie womöglich tatsächlich erreichen, dass dem Feind im Norden ein schwerer Schlag versetzt werden und dessen Stärke in Rhovanion deutlich geschwächt werden würde.
Andererseits war es schwer, Saruman zu vertrauen, der schon so viel Leid, Tod und Zerstörung verursacht hatte. Die Rohirrim und Elben Lóriens hatten beide unter seinen Angriffen auf ihre Heimat zu leiden gehabt, und viele waren gestorben. Außerdem fürchte ich was passiert, wenn Saruman Erfolg hat. Wird er Sauron als Dunkler Herrscher ersetzen? Werden sich seine Orks dann wieder gegen uns wenden? Damit wäre niemandem geholfen. Er seufzte leise. Früher war es einfacher. Man wusste, wer der Feind war, und konnte sich auf ihn vorbereiten.

Saruman war zu den Heerführern getreten und hatte sich über den Bericht von Thranduils Kundschaftern genauestens in Kenntnis setzen lassen. Er schien davon nicht sonderlich beunruhigt zu sein. Auf seinen Stab gestützt blickte er zuversichtlich in die Runde und sagte: "Die Überquerung der Untiefen bereitet euch Sorgen, doch ich denke ich habe eine ideale Lösung für dieses Problem." Er machte eine kurze Pause und schien eine Reaktion abzuwarten.
"Und wie also lautet Euer Rat, Saruman der Weise"? brach schließlich Erkenbrand das Schweigen.
Saruman schien den spöttischen Unterton nicht zu bemerken, oder ließ sich nicht davon stören. "Lange haben meine Diener in meinem Reich Kriegsvorbereitungen getroffen und haben die unterschiedlichsten Belagerungsmaschinen erbaut, die nun bereit zum Einsatz sind. Ich werde euch drei - nein, sagen wir vier der großen Katapulte zur Hilfe aussenden. Sie können die Befestigungen unserer Feinde auf dem Ostufer und an den Untiefen unter Beschuss nehmen und seine Streitmacht zwingen, unter den Bäumen des Düsterwalds Schutz zu suchen."
"Und wir können nahezu ungehindert vorrücken. Ein guter Plan," fügte Thranduil gelassen hinzu.
Glorfindel bedachte den Zauberer mit einem abschätzenden Blick. "Wie stets sind Maschinen deine Antwort auf Probleme," sagte er zu Saruman.
"Maschinen sind zuverlässig. Sie funktionieren. Sie machen keine Fehler." erwiderte der Zauberer. "Ich biete euch meine Hilfe an. Wenn ihr sie nicht wollt, müsst ihr wohl euren eigenen Weg über die Untiefen finden. Ich fürchte, ihr werdet feststellen, dass dies ohne hohe Verluste nicht zu schaffen ist."
"Selbstverständlich nehmen wir die Hilfe an," warf Thranduil ein. "Es wäre Torheit, es nicht zu tun."
"Nun gut. Lasse die Katapulte liefern, Saruman," antwortete Glorfindel, dessen Gesichtsausdruck weiterhin missbilligend blieb. "Ich hoffe, sie werden deinen Versprechungen gerecht."
"Habt ein wenig Vertrauen in meine Baumeister. Ihr werdet sehen, was sie unter meiner Anleitung alles vollbracht haben. Schon bald werden wir den Großen Strom überquert und mit der Belagerung Dol Guldurs begonnen haben. Ich war dabei, als die Festung zum ersten Mal eingenommen und Sauron in den Osten vertrieben wurde. Dieses Mal wird niemand entkommen."

Saruman fuhr nun eine Weile fort, den Heerführern von den unterschiedlichsten Belagerungsmaschinen zu berichten, die seine Diener erbaut hatten, und wie er plante, sie gegen die Festung des Feindes im Düsterwald einzusetzen. Schließlich kamen sie auf den bevorstehenden Angriff auf das Ostufer zu sprechen.
"Der Angriff muss zeitgleich mit der Überquerung des Flusses im Norden geschehen," sagte Saruman. "Meine Streitmacht wird Landungsboote verwenden, die gegen Pfeilbeschuss gesichert sind. Der frühe Abend eignet sich am Besten für den Angriff, da die untergehende Sonne unsere Feinde am Ostufer blenden wird."
"Außer, wenn eine Wolke im Weg ist," warf Elfhelm ein.
"Beschuss durch meine Katapulte wird das Signal zum Vorrücken sein. Einem koordinierten Angriff an zwei Fronten werden die feindlichen Truppen nicht widerstehen können. Ich werde einen geflügelten Boten senden, damit ihr wisst, wann ihr euch zum Angriff bereit halten sollt. Vögel sind in dieser Hinsicht zuvelässige Überbringer von Botschaften. Lasst zunächst die Katapulte, die ich euch senden werde die Befestigungen und Stellungen des Feindes unter Beschuss nehmen, und rückt dann so bald es geht über den Fluss vor."
"Wie weit schlagt Ihr vor, dass wir nach der Überquerung vorrücken sollen?" fragte Erkenbrand.
"Bis zum Waldrand. Dort könnt ihr euch sammeln und auf die Belagerung vorbereiten," antwortete Saruman.
"Dann erwarten wir dich dort zur Beratschlagung für die Erstürmung der Festung des Feindes," sagte Glorfindel, der die Arme verschränkt hatte. "Vorausgesetzt, deine Streitmacht scheitert nicht bei der Überfahrt über den Großen Strom."
"Oh, das wird sie nicht. Sie sind bei Weitem zu zahlreich. Doch lasst uns nun zur Aufstellung der Heere kommen. Zunächst: Wie viele Reiter habt ihr dabei?"

Sie fuhren fort, sich über die Zusammensetzung der Streitmächte der Freien Völker sowie derer von Saruman auszutauschen. Der Zauberer betonte, dass Elfhelm so viele Reiter wie nur möglich mitbringen sollte, da sich diese noch als nützlich erweisen könnten, so unwahrscheinlich dies zunächst auch sein möge. "Wir müssen auf alles vorbereitet sein. Der Feind hält möglicherweise eine Überraschung für uns bereit."
Außerdem beschlossen sie, die von Saruman bereitgestellten Katapulte nach der Überquerung des Flusses bei Glorfindels Streitmacht zu belassen. "Meine Belagerungsmeister werden sie rechtzeitig für den Transport vorbereiten und sich um ihre Instandhaltung kümmern."
"Sofern sie keine Orks sind," merkte Glorfindel an.
"Ich befehlige mehr als nur Orks," erklärte Saruman. "Ich werde euch selbstverständlich menschliche Belagerungsmeister senden. Sie sind weitaus zuverlässigere Diener."
Glorfindel nickte zufrieden. "Dann sind wir uns einig. Sobald deine Katapulte hier eintreffen, können wir den Angriff auf das Ostufer beginnen."
Ich hoffe, die Maschinen des Zauberers halten, was er verspricht, dachte Cyneric. Es gefällt mir nach wie vor nicht, dass wir ihn unterstützen müssen. Er warf einen kurzen Blick zu Thranduil hinüber. Würde ich Saruman ebenfalls so bereitwillig unterstützen wenn er mir in Aussicht stellte, meine Heimat zurückzugewinnen? Wenn er mir anböte, alles, was ich verloren habe, wiederzuerlangen? Er wusste es nicht. Und er hoffte, dass sie nicht mehr allzu lange auf die Hilfe des Zauberes angewiesen sein würden.

Fine:
Elea aus Aldburg


Cyneric blendete die fortdauernden Gespräche der Heerführer aus. Das Wichtigste hatten sie besprochen, nun würde es nur noch um Details gehen. Und schon bald werden wir den Übergang über den Fluss wagen, dachte er. Er hoffte, alles würde reibungslos ablaufen und das Heer würde bald aufbrechen können. Je früher, desto besser.

Draußen vor dem Zelt erregte etwas am Rande seines Sichtfelds seine Aufmerksamkeit. Wachsam trat er nach draußen und sah eine ihm bekannte weibliche Gestalt auf das Zelt zutreten. Er erkannte sie als Elea, die Frau die vor einiger Zeit eine Audienz bei dem Heermeister Faramir gesucht hatte. Er hielt sich bereit, ihr den Zutritt zum Zelt zu verwehren, doch sie wandte sich nach links und kam vorsichtig auf den dort postierten Waldläufer zu. Ihr Gesicht zeigte eine Mischung aus Erleichterug und Sorge, doch vor allem Verständnislosigkeit konnte Cyneric darin entdecken.
"Helluin," sagte sie leise, "du bist hier!"
Der Waldläufer - Helluin - blickte sie mit einem undeutbaren Ausdruck in den tiefblauen Augen an.
"Mutter. Du hättest nicht herkommen sollen," sagte er kühl. "Bitte geh' wieder. Das hier ist kein Ort für dich."
Sie schüttelte den Kopf, offenbar getroffen von dieser Aussage.
"Nein. Ich werde nicht gehen, Helluin. Nicht, bevor du mir nicht erklärt hast, was geschehen ist, und wieso du diesem...Zauberer folgst."
"Du würdest es nicht verstehen," gab Helluin zurück.
"Ich kann es wenigstens versuchen," antwortete Elea fest. "Sag' mir die Wahrheit! Was soll das Ganze? Was ist mit den Dúnedain geschehen? Ich habe Schreckliches über ihre Rolle beim Fall von Lórien gehört!"
"Wir tun nur, was dem Wohle unseres Volkes und dem Ruhm Arnors dient," sagte Helluin, der seine Hand zur Faust geballt hatte. "Saruman wird uns helfen, den Glanz des nördlichen Reiches wieder erstrahlen zu lassen, seine Ruinen wieder zu prächtigen Städten zu machen und sein Volk aus der Armut in der es lebt zu neuem Reichtum zu führen."
"Glaubst du das wirklich?" wollte Elea wissen. "Ich... ich habe gehört, dass Saruman die Familien derer, die sich ihm entgegenstellten als Geiseln genommen hat. Ist es wahr? Folgst du ihm aus Angst davor, was er ihnen antun könnte?"
"Das ist eine Lüge," zischte Helluin. "Saruman hat nichts als unser Wohl im Sinne!"
"Und sein Angriff auf Lórien? Das war eine Tat des puren Bösen!"
"Die Elben mussten lernen, über welche Macht er nun verfügt. Er ist der einzige, der Sauron aufhalten kann. Durch seinen Sieg in Lórien hat er das bewiesen!" erklärte Helluin grimmig.
Schockiert wich Elea einige Schritte zurück. "Das.. kannst du doch nicht wirklich glauben! Bitte, Helluin, komm' mit mir, und wir verlassen diesen Ort. Lass' uns nach Hause zurückkehren, wo wir sicher sein werden!"
"Sicher? Du glaubst, auf dieser Welt gäbe es noch Orte, die wirklich sicher sind?" antwortete Helluin wütend. "Nein - wir müssen uns unsere eigene Sicherheit schaffen, und nur Saruman kann uns dabei helfen!"

Elea ließ die Schultern sinken, und Cyneric konnte sehen, dass ihre Augen voller Tränen waren. Gerade hatte er sich dazu durchgerungen, etwas zu sagen, als Saruman aus dem Zelt hinter ihm trat. Offenbar ist die Besprechung der Heerführer jetzt zuende, dachte Cyneric.
Der Zauberer erfasste die Lage mit einem Blick und trat auf Elea zu, nachdem er Helluin bedeutet hatte, stehen zu bleiben. Cyneric konnte sehen, wie die Dúnadan ihren Blick zornerfüllt auf Saruman richtete. Dann begann er, zu sprechen.
"Erelieva von den Dúnedain. Welch eine Überraschung, Euch hier zu sehen. Wie Ihr sehen könnt, geht es Eurem Sohn gut - er dient mir als Rechte Hand, und hat sich als außerordentlich tapfer erwiesen."
"Lass' ihn in Ruhe!" schrie sie, doch mit weniger Entschlossenheit als zuvor.
"Ich werde nichts tun, was er nicht aus freien Stücken gewählt hat. Er dient mir, weil er erkannt hat, dass es das Richtige ist. Wollt Ihr denn nicht, dass er glücklich ist? Wollt Ihr ihm seine Entscheidungen nehmen?"
"Er weiß nicht, was er da tut," protestiere Elea.
"Oh, Ihr unterschätzt ihn. Jetzt beruhigt Euch, meine Liebe. Ihr seht aus, als könntet Ihr die Erholung des Schlafes gebrauchen."
Mit diesen Worten schritt er an ihr vorbei, und die Waldläufer und Helluin folgten ihm. Elea blieb noch einige Momente unschlüssig stehen, und ging dann ebenfalls ihrer Wege.

Cyneric verbrachte die folgende Stunde auf seinem Posten vor Erkenbrands Zelt, bis seine Schicht schließlich zu Ende ging. Nachdenklich machte er sich auf den Rückweg zur Unterkunft seiner éored. Was würde ich tun, wenn mein Kind auf Abwege geraten würde? Doch als er an seine Tochter dachte, spürte er erneut den stechenden Schmerz des Verlusts seiner Familie und schob die Gedanken mit aller Macht von sich. Um sich abzulenken malte er sich den Angriff auf die Furten aus, der in den kommenden Tagen erfolgen würde. Schon sehr bald wird der Weg nach Dol Guldur frei sein. Und dann versetzen wir Sauron einen schweren Schlag, von dem er sich nicht so schnell erholen wird, sagte er sich, auch wenn er es mehr hoffte als wirklich daran zu glauben.

Er stellte fest, dass ihn seine Füße durch einen Umweg in die Nähe von Irwynes Zelt gebracht hatten. Weshalb - das konnte er nicht sagen. Doch er beschloss, zu überprüfen ob das Mädchen sicher schlief, da er schon einmal in der Nähe war, und ging den von vielen Füßen ausgetretenen Weg im Zentrum des Lagers entlang.
Gerade als er Irwynes kleines Zelt, das sie sich mit einer der Köchinnen teilte, erreicht hatte, ließ ihn ein Schrei erstarren.
Seine Instinkte übernahmen die Kontrolle und er schlug eilig das Tuch am Eingang zur Seite. Die Köchin war nicht da, doch Irwyne lag halb aufrecht mit weit aufgerissenen Augen und heftigem Atem auf ihrer Schlafstätte, die Decke halb über ihren Körper geworfen.
"Amrothos!" stieß sie furchterfüllt hervor. Dann erkannte sie Cyneric, und er sah wie die Anspannung von ihr abzufallen begann. Er setzte sich neben sie und deckte sie sanft zu.
"Hast du schlecht geträumt?" fragte er leise, nachdem sich das Mädchen einigermaßen beruhigt hatte.
"Ja..." antwortete sie schließlich. "Amrothos... er war in Gefahr, doch ich konnte ihn nur kurz sehen. Es war.. er sah schrecklich aus!" schluchzte sie.
Cyneric schloss sanft die Arme um sie und hielt sie, während sie ihr Gesicht an seiner Brust vergrub. Wie oft hatte er Déorwyn so gehalten, wenn sie Alpträume gehabt hatte, und wie bei seiner Tochter schien die Umarmung auch bei Irwyne zu funktionieren.
"Oronêl wird ihn retten," sagte sie schließlich.
"Das wird er ganz sicher," stimmte Cyneric zu, obwohl er nicht ganz verstand, wovon sie sprach. "Das wird er," wiederholte er leise und begann, eine alte rohirrische Melodie zu summen, die er früher oft auf seiner Laute gespielt hatte. Schließlich, ohne dass er es beabsichtigt hatte, kamen ihm die Worte wieder in den Sinn und leise sang er:

"Hwær cwóm helm? Hwær cwóm byrne,
Hwær cwóm feax flówende,
Hwær cwóm hand on hearpestrenge,
Hwær cwóm scir fýr scinende,
Hwær cwóm lencten and hærfest,
Hwær cwóm héah corn weaxende?"
Als Irwyne schließlich eingeschlafen war und regelmäßig atmete legte er sie wieder auf ihr provisorisches Bett und deckte sie zu. Anschließend machte er sich, noch nachdenklicher als zuvor, auf den Weg zu seiner Unterkunft, um ebenfalls die Ruhe des Schlafes zu suchen.

Fine:
Der Morgen kam, und mit ihm ein kalter Wind aus dem Norden, der rauschend über die Ebene strich. Langsam erwachte das Kriegslager zum Leben. Cyneric stand auf und verließ das Zelt, seinen grünen Umhang hinter sich im Wind flatternd. Eine angenehme Abwechslung zur heißen Sommersonne der letzten Tage, dachte er während der sich auf den Weg zu Irwynes Schlafplatz machte.

Sie war bereits wach und saß vor ihrem Zelt, die Haare zu einem breiten Zopf geflochten. Ihre Augen waren leicht gerötet, aber ihr Gesicht zeigte keine Regung. Sie ist ein tapferes Mädchen. Trotz allem, was sie durchgemacht hat.
Er setzte sich neben sie. Eine Zeit lang sprach keiner der beiden, bis Irwyne schließlich sagte: "Danke, dass du gestern bei mir warst, Cyneric. Auch wenn es nur ein Traum war kam es mir seltsam echt vor was ich gesehen habe."
"Erzähl mir von Amrothos," sagte er. "Wer ist er?"
"Er kam mit Oronêl und Amrûn nach Dunharg, über die Pfade der Toten, und begleitete uns nach Lothlórien," antwortete sie. "Er hat gesagt, er sei einer der Söhne des Fürsten von Dol Amroth. Amrothos war sehr freundlich zu mir, fast wie ein großer Bruder. Wir hatten viel Spaß zusammen. Aber eines Tages war er einfach verschwunden, und niemand wollte mir erzählen, wohin er gegangen ist. Oronêl ist nach Westen gegangen, um ihn zu finden - mehr weiß ich nicht."
"Was hast du in deinem Traum gesehen?" fragte Cyneric.
"Nicht viel. Es war dunkel. Zuerst hörte ich nur zwei leise Stimmen, die sich unterhielten. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten. Dann wurde es etwas heller, und ich konnte eine Gestalt erkennen, die auf dem Boden kniete. Es war Amrothos - aber er sah furchtbar aus... ich kann es kaum beschreiben. Er war in großer Gefahr, das spürte ich deutlich. Aber fliehen konnte er von dort nicht."
Sie brach ab und schaute in die Ferne, einen wehmütigen Ausdruck in den Augen.
"Wenn Oronêl nach ihm sucht, wird er Amrothos bald gerettet haben," sagte Cyneric schließlich.
Irwyne blickte ihn an und blieb einen Moment still. Dann nickte sie leicht und sagte: "Du hast Recht. Oronêl findet immer eine Lösung."

Am späten Vormittag kamen zwei berittene Kundschafter ins Lager geprescht und brachten die Nachricht, dass von Norden eine große Gruppe Menschen mit schwer beladenen Wägen eingetroffen sei. Es handelte sich um die von Saruman versprochenen Belagerungsmeister. Glorfindel nahm sie in Empfang und gab dann den Befehl zum Aufbruch. Nach einem eilig eingenommenen Mittagessen rückten die meisten elbischen und menschlichen Soldaten in östlicher Richtung aus. Der Rest blieb zur Bewachung des Lagers vor Ort. Cyneric ging mit Erkenbrands Männern, die zu Fuß gingen und schwere Rüstung und Schilde trugen. Sie würden als Erste die Untiefen des Großen Stromes überqueren und den Weg für den Rest des vereinigten Heeres der Menschen und Elben freimachen.

Am Westufer des Anduin angekommen begannen Sarumans Belagerungsmeister sofort, ihre Maschinen zu errichten. Cyneric blickte mit Unbehagen ans Ostufer hinüber, wo die feindlichen Wachen sie längst entdeckt hatten. Er sah die grob errichteten Befestigungen aus Holz, die den Weg durch den Fluss versperrten und die Wachtürme, die das andere Ufer säumten. Am anderen Ufer gab es nur wenige Bewegungen. Cyneric konnte einige Orks sehen, die sich an den Palisaden bewegten, doch die meisten schienen hinter den Holzwällen in Deckung gegangen zu sein. Jetzt werden wir sehen, ob Sarumans Maschinen wirklich so nützlich sind, wie er behauptet.
Er hätte sich keine Sorgen machen müssen. Der oberste Belagerungsmeister gab kurz darauf den Befehl zum Feuern, als die Aufbauten der Maschinen abgeschlossen waren. Zweierlei Belagerungsgeräte hatten die Menschen in Diensten des Zauberers mitgebracht. Eines verschoss große pfeilförmige Bolzen, die über zwei Meter lang waren, während das andere mit mehreren größeren Steinen beladen werden konnte, die gleichzeitig verschossen werden konnten. Die Belagerungsmeister sagten, eigentlich würde die Ladeschale des Katapults mit viel größeren, einzelnen Felsen beladen, diese wären jedoch für sie zu schwer. So füllten sie die Schale mit Steinen, die sie gerade noch anheben konnten. Beim Abfeuern des Katapults ergab sich eine streuende Wirkung, die die hölzernen Bauten der Orks wie Papier zerriss. Auch die Bolzen der Ballisten erwiesen sich als tödlich, denn mit ihnen konnte genauer gezielt werden als mit dem Katapult.

Nach beinahe einer Stunde lagen die Befestigungen in Trümmern. Thranduil hatte seine Bogenschützen auf alles, was sich am Ostufer bewegte feuern lassen und hob nun die Hand, um den vorderen Reihen der Soldaten das Zeichen zum Vorrücken zu geben. Langsam und vorsichtig überqueren die schwer gerüsteten Krieger nun den Fluss. Der Große Strom war an dieser Stelle nur wenige Handbreit tief, wies aber dennoch eine starke Strömung auf. Als sie den Fluss zur Hälfte durchquert hatten, sahen sie die Leiche eines Orks, die von der Strömung aus dem Norden herangetragen wurde. Ein schwarzgefiederter Pfeil ragte dem Gefallenen aus dem Rücken. Anscheinend sind Sarumans Krieger im Norden nicht untätig geblieben.
Cyneric war froh, als sie schließlich das Ostufer erreichten. Er hatte mit einer Schlacht gerechnet und erleichtert darüber, dass sie die Furt nun so einfach einnehmen konnten. In der Mitte der Untiefen begannen die Soldaten nun, die Hindernisse und Barrieren der Orks zu entfernen, damit später die Reiter und Wägen des Versorgungszuges den Fluss problemlos überqueren konnten.

In nordöstlicher Richtung vor ihnen zeichnete sich in einiger Entfernung die dunkle Linie des Waldrands des Düsterwaldes ab. Und weiter dahinter erhob sich die in Schatten gehüllte Festung des Feindes. Mit Unbehagen blickten die Krieger hinüber.
Am Westufer wurden nun eilends Nachrichten an das Lager auf der Ebene von Celebrant gesandt. Das Lager sollte abgebrochen und die Furt von allen überquert werden. Es dauerte bis zum frühen Abend bis alle am Ufer eingetroffen waren, und die Überquerung würde noch länger brauchen. Cyneric stellte sich darauf ein, an diesem Tag nicht mehr viel weiter zu marschieren.

Die Sonne war bereits untergegangen, als der Angriff erfolgte. Eine starke Truppe Orks war von Norden am östlichen Ufer des Flusses entlang geeilt und fiel dem Heer während der Überquerung in die Flanke. Eilig ließ Erkenbrand seine Einheit nach links schwenken, um dem Angriff zu begegnen. Mit erhobenen Schilden stürmten die Rohirrim nach vorne. Cyneric legte seine ganze Stärke in den Stoß und warf seinen Gegner zu Boden. Ein schneller Streich mit dem Schwert ließ den Ork verstummen. Dem nächsten hieb er einen Arm ab, nachdem er dessen Schlag ausgewichen war. Die Hiebe des dritten parierte er, bis der Ork von einem anderen Soldaten von hinten erstochen wurde.
Der erste Ansturm der Feinde hatte das Heer überrascht und in leichte Unordnung gebracht, doch der harte Widerstand ließ die Orks schon bald die Kampfeslust verlieren. Viele von ihnen lagen erschlagen am Boden, und sie wandten sich zur Flucht nach Norden. Weit kamen die meisten nicht, denn die Elben sandten ihnen gut gezielte Pfeile hinterher. Im Heer gab es glücklicherweise nur sehr wenige Gefallene, aber viele waren verwundet worden. Glorfindel führte sie noch eine knappe Stunde weiter vom Fluss weg, bis sie schließlich hielten und sich für die Nacht einrichteten.


Glorfindel, Erkenbrand, Elfhelm, Thranduil, Helluin, Antien, Cyneric, Irwyne, Elea, die Elbenkundschafter und Fred mit dem großen Heer zum Saum des Düsterwalds

--Cirdan--:
Eddy und Elea aus dem Lage am Rande des Düsterwaldes nahe Dol Guldur

Niemand hatte gesagt, dass eine Flucht einfach sein würde. Panisch hatte sich Eddy regelmäßig im Sattel seines Pferdes umgedreht und nach möglichen Verfolgern Ausschau gehalten. Elea führte sie, denn sie kannte diese Lande. Sie ritten den ganzen Nachmittag, sprachen wenig und rasteten nicht.
Am Abend kamen sie an den Anduin. Beide steigen ab und führten ihr Pferde bei den Untiefen nördlich der Emyn Muil durch das Wasser hinüber auf die Ebene des Celebrant. Grade als Eddy das westliche Ufer betrat und sich ein wenig mehr in Sicherheit fühlte, sah er auf der anderen Flussseite Männer auf Pferden reiten. Erschreckt schaute Eddy zu seiner Begleiterin herüber, die die Verfolger ebenfalls erkannt hatte: „Es sind Sarumans Männer. Beeilt euch!“ Mit diesen Worten packte Elea ihr Pferd fester am Zügel und führte das Tier schnellen Schrittes den Abhang zum Fluss hinauf, dicht gefolgt von Eddy.

Der Breeländer sah es schon kommen, wollte noch warnend rufen, aber es war zu spät. Die Frau rutschte auf dem matschigen Abhang aus und fiel mit dem Knie auf einen Felsstein. Elea schrie kurz auf, unterdrückte dann aber weitere Schmerzensschreie. Ed sah zum Fluss hinunter. Die verfolgenden Dunedain hatten sie längst erblickt und waren bereits dabei den Anduin zu durchqueren. Er packte Elea mit seinen Armen und wollte sie auf ihr Pferd heben, aber die Frau war schwerer als er vermutet hatte und wandte sich vor Schmerzen. „Lasst mich. Ich kann nicht weiter“, keuchte sie. „Natürlich kannst Du“, ermutigte Eddy, „das ist doch nur eine kleine Wunde am Knie. Das wird ganz schnell wieder!“ Elea ließ ein kurzes Lachen von sich und befahl Eddy sie zurück zu lassen: „Geht, ihr habt es verdient zurück nach Hause zu kommen Breeländer. Dies ist keine Gegend für  euch. Reitet nach Rohan. Dort wird man euch helfen und von da aus könnt ihr der Straße nach Bree folgen.“

Mit Blick auf die näherkommenden Dunedain nahm Eddy Abschied, schwang sich auf sein Pferd und ritt davon. Ed durchquerte größere Ebenen und kleinere Wälder. Er wusste nicht wohin er ritt und hatte keine Ahnung in welche Richtung Rohan lag. Durch mehrere Richtungswechsel versuchte Eddy seine Verfolger abzuschütteln. Bald wurde es dunkel und der Breeländer irrte umso verlorener umher.

Im kam grade der Gedanke, ob es wirklich so gut gewesen war zu fliehen, als er in einiger Entfernung im Wald ein Licht erkannte. Es schien ein Feuer zu sein. Nähere dich niemals in der Wildnis einem Feuer, erinnerte sich Ed, es könnte sich dabei um drei Trolle um ein Lagerfeuer handeln, die nur darauf warten dich zu verspeisen. Aber er hatte wenig Alternativen und möglicherweise waren es Menschen aus Rohan, die ihm helfen konnten. Eddy stieg von seinem Pferd, band es an einen Baum und schlich danach vorsichtig auf das Feuer zu.
Es waren keine Trolle sondern nur ein kleines Kerlchen erkannte Ed. Der Fremde saß am Feuer und fuhr sich mit seiner Hand immer wieder durch den langen zotteligen Bart. Ein Zwerg musste es sein, schloss der Breeländer, der schon einige Zwerge in Archet getroffen hat, die Handel betrieben oder auf der Durchreise waren.
Mit einmal stand der Zwerg auf und hatte sogleich ein Schwert in der Hand. „Wer ist da?!“, rief er und Eddy zögerte nicht lange und trat aus dem Dickicht. „Bitte, ich will euch nichts tun. Ich habe mich verirrt und brauche Hilfe.“

Eru:
Aivaris Start:

Ein großer Mensch mit dunklem Haar und einem ernsten Gesichtsausdruck trat in den Lichtsaum des Lagerfeuers, das Aivari hier zwischen Bäumen und Sträuchern in einem kleinen Waldstück entzündet hatte.
Ich wusste ich würde es bereuen ein Feuer zu machen..., dachte der Zwerg bei sich, doch die Kälte und der Wunsch nach einer warmen Mahlzeit hatten ihn dazu gezwungen.
Nach Wochen in den Tiefen Khazad-dûms war ihm ein warmes Plätzchen zwischen den Baumwipfeln unter freiem Sternenhimmel wie ein persönliches Geschenk Aules vorgekommen. Warum hätte er es ablehnen sollen?

Der Mann wirkte auf den ersten Blick verzweifelt und war ebenso zerzaust, wie es Aivari nach einer gefühlten Ewigkeit in der Dunkelheit Morias war. Er hatte sich am Spiegelsee immerhin ein wenig waschen und pflegen können, sodass er nun zumindest nicht mit einem haarigen Waldtroll verwechselt werden würde.
Beim Anblick des Mannes, steckte Aivari die mattschwarze Klinge seines Schwertes Azanul wieder in seine Schwertscheide am Gürtel und er setzte sich zurück auf den kleinen Baumstamm, den er an die Lagerstelle an das Feuer gerollt hatte. Seinen Fund von vor ein paar Tagen, eine alte zwergische Insignie, die er gerade begutachtet hatte, bevor er auf das Rascheln im Dickicht aufmerksam geworden war, ließ er schnell in einem seiner Beutel am Gürtel verschwinden.

»Ihr solltet euch bei Nacht nicht so anschleichen, mein Freund. Es streifen auch finsterere Gestalten durch diese Lande, die euch nicht so wohlwollend gesinnt sind wie ein Zwerg auf der Durchreise.«
Unter dem dichten weißen Bart, der bis auf die Brust reichte, formte sich ein sanftes Lächeln, als er den Menschen spaßeshalber ein wenig tadelte. Es war gefühlte Monate her seit der Zwerg das letzte Mal mit einem intelligenten, freundlich gesinnten Wesen gesprochen hatte. Wochenlang waren seine einzigen Begegnungen weglagernde Orks, Ratten und anderes Getier in den Hallen und Schächten Khazad-dûms gewesen. Sein einziger Gesprächspartner waren die eigenen Gedanken, der einzige einigermaßen wohlwollende Anblick sein Spiegelbild in einer Wasserpfütze in den Minen von Zwergenbinge gewesen.
»Verirrt habt ihr euch also. Nun, der Wege sind viele, doch das Ziel ist eins. So sagt man doch, nicht?«

Während er sprach griff der Zwerg in seinen liebsten Beutel am Gürtel, nämlich den, der bis zum Rand mit feinstem Pfeifenkraut gefüllt war. Ein wenig davon rieb er zwischen Zeigefinger und Daumen noch etwas weicher und ließ es danach in die Öffnung seiner Pfeife rieseln. Dann entzündete er sie über dem Feuer und passte dabei auf, dass ihm sein Bart nicht zu nah an die Flammen kam. Diese Vorsicht hatte er vor etlichen Jahren nicht walten lassen und die Erfahrung noch Wochen später den Geruch von verbranntem Haar in der Nase zu haben, wollte er sich dieses Mal ersparen.

»Nun setzt euch endlich und sagt mir euren Namen, Herr Störenfried.«, meinte Aivari schließlich, nachdem der Mensch einige Momente lang, von der unerwarteten Begegnung überrascht, wie angewurzelt fest stand.

»Ehrm... entschuldigt bitte! Ich bin Eddy Weingarten. Ihr dürft mich gerne Ed nennen.«, erwiderte der Mensch schließlich mit einer unvorhergesehenen Höflichkeit und setzte sich schnurstraks gegenüber von Aivari auf einen kleinen Stein am Feuer.

»Eddy Weingarten! Ein vorzüglicher Name. Habt ihr da wo ihr herkommt etwa Wein angebaut?«
Aivari nahm einen kräftigen Zug aus seiner Pfeife und blies ein paar formschöne Ringe in den aufsteigenden Rauch des Feuers, die sich langsam zu einer Einheit zusammenfügten und in den Sternenhimmel zwischen den Baumwipfeln aufstiegen.
»Nein, nein. Die Weingartens haben eine lange Familientradition im Breeland, besonders in Archet, wo ich lebte. Ich selbst... nun... man könnte mich am ehesten als Baumeister bezeichnen. Gebt mir einen Hammer und ein paar Nägel in die Hand, ein paar Bretter und Metalle und ich kann euch fast alles zusammenbauen.«
»Nun einem Zwerg braucht ihr vom Bauen nichts erzählen. Wir hauen unsere Häuser schließlich einfach in die Berge hinein, schmücken sie ein wenig aus und dann leben wir bestenfalls für den Rest unserer Tage im Kerzenschein nach Diamanten schürfend, haha!«
Als der Breeländer – noch etwas verhalten – lachen musste, erfreute das Aivari um so mehr und er kramte erneut in einem seiner Beutel herum.
»Hier, nehmt meine Ersatzpfeife. Die ist zwar schon etwas älter, hat dafür aber  schon das ein oder andere besondere Kraut aus dem fernen Osten zum Glimmen gebracht.«
Er reichte dem Breeländer die Pfeife herüber, nachdem er sie mit dem selben Pfeifenkraut vollgestopft hatte wie zuvor. Er fragte gar nicht erst, ob Eddy überhaupt rauchte. Für den Zwerg war das gemütliche Pfeiferauchen am Lagerfeuer bereits zur Gewohnheit geworden und nachdem er sich innerhalb von Moria nur selten die Zeit genommen hatte ein wenig Kraut zu rauchen, nahm er einfach an, dass Eddy ebenso begierig darauf war.

Ed nahm die Pfeife dankbar entgegen und zündete sie über dem Feuer an. Als er beim ersten, tiefen Zug bereits das halbe Kraut einatmete und wild loshusten musste, konnte sich Aivari vor Lachen kaum mehr auf seinem Baumstamm halten. Dabei erschrak er selbst ein wenig, denn er hatte sein Lachen seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gehört. Zu dunkel waren seine Tage in letzter Zeit.
»Ihr seid wohl nicht so der Pfeifenkrautraucher, was?«, meinte er schließlich vergnügt zum Breeländer.
Eddy nickte nur verhalten, schien nun aber mit etwas gemäßigteren Zügen Gefallen am Geschmack zu finden.
»Mein Name ist übrigens Aivari. Aivari Stormborinn um genau zu sein und ich stamme aus den Eisenbergen.«
Er seufzte unhörbar beim Gedanken an sein scheinbar unendlich weit in der Vergangenheit liegendes Leben mit seiner Familie und fuhr sogleich fort, mit etwas ernsterer Stimmlage.
Er war selten so offenherzig Fremden gegenüber wie er es gerade gewesen war, doch die Einsamkeit in Moria hatte auch an seiner zurückgezogenen Art ihre Spuren hinterlassen, sodass er die Begegnung genoss.
»Also, ihr sagtet ihr habt euch verirrt. Wohin sollte euch euer Weg denn führen, Ed, wenn nicht an mein nächtliches Lager?«
»Nach Rohan. Wisst ihr in welcher Richtung es liegt?«
Aivari griff sich mehrmals langsam in den Bart und dachte nach. Er war noch nie in Rohan gewesen, trotzdem wusste er nach so vielen Jahren, die er nun schon in Mittelerde verweilte, ziemlich genau wo Rohan lag. Er fragte sich viel mehr, was einen Breeländer überhaupt so weit in den Osten trieb.
»Südwesten.«, erwiderte Aivari schließlich knapp und deutete in die Richtung.
»Geht bis euch der Limklar den Weg versperrt, überquert ihn an einer seiner Furten und schon befindet ihr euch in Rohan, genauer gesagt in der Wold. Dann immer schön nach Süden und ihr werdet euch in Ost-Emnet wiederfinden. Von dort aus könntet ihr nach Westen nach Edo...«
Plötzlich ertönende fremde Stimmen in einiger Entfernung ließen Aivari abrupt verstummen. Einen Moment sahen sich Eddy und er wortlos an, schließlich nahm der Zwerg eine seiner rundlichen Trinkflaschen und erstickte mit dem Wasser das Lagerfeuer, während er Eddy bedeutete ruhig zu sein.
Sein Leichtsinn bei Nacht ein Feuer zu machen, würde sich vielleicht doch noch rächen, obwohl er jede Vorsichtsmaßnahme getroffen hatte, die ihm möglich war. Schließlich war nicht unbedingt zu erwarten, dass man das Feuer außerhalb des Waldstückes überhaupt sah.

Er schüttelte das feine Pfeifenkraut mit gequältem Gesicht aus der Pfeife und trat ein paar Mal darauf, sodass es den moosigen Waldboden nicht noch entzündete. Eddy tat ihm gleich und beide sahen sich in gebückter Haltung um. Jetzt wo das Licht des Feuers erloschen war und nur noch ein wenig kalte Glut nachglimmte, konnten sie ein paar Lichtquellen zwischen den Bäumen erkennen, die sich bewegten.
Ein halbes Dutzend, vielleicht mehr.

»Ihr hattet nicht zufällig ein paar Verfolger, Herr Weingarten.«, meinte er flüsternd mit vorwurfsvollem Unterton zu dem Breeländer, dessen raues Gesicht im Halbdunkel recht blass geworden war.
»Ich bin ein Deserteur.«, platzte es aus ihm heraus, etwas lauter als Aivari für gut empfand, weshalb er ihm einen hastigen Blick zuwarf und mit seiner Hand bedeutete leiser zu sprechen, bevor er sich auf das Gesagte einlassen konnte.
»Ich wurde als Baumeister in die Reihen von Sarumans Armee rekrutiert, aber er hat uns hintergangen... zumindest glaube ich das. Ich weiß nicht wem ich noch trauen kann, deshalb bin ich auf der Flucht.«
»Saruman?!«, platzte es nun im Gegenzug aus Aivari heraus, sodass nun Eddy einen angespannten Gesichtsausdruck auflegte und ihm mit einer Handbewegung bekundete leiser zu sein.
»Das letzte Mal als ich von Saruman gehört habe, war er mit einer tausende Köpfe starken Armee auf dem Weg nach Lóthlorien, um die freien Völker von dort zu vertreiben.«
»Was? Wo wart ihr denn die letzten Monate, wenn ich fragen darf?«
In Eddys Stimme klang eine ordentliche Portion Überraschung mit. Er drehte sich mit verblüffter Gestik zu dem neben ihm kauernden Zwerg um, während sie weiter geduckt hinter kleinen Steinen und einem größeren Baumstamm die Umgebung im Auge behielten.
»Das ist eine lange Geschichte, die ich mir für eine andere Gelegenheit aufspare. Lasst uns einfach warten und hoffen, dass sie uns nicht entde...«

»Halt!«, ertönte plötzlich eine tiefe Stimme, die so nah war, dass Eddy und Aivari beide aufschreckten.
»Hier brennt Glut! Hierher, hierher!«, ging es weiter und ein in einen grauen Umhang gehüllter Mensch ohne Fackel, jedoch mit einem Langschwert bewaffnet, trat aus dem Dickicht heraus ins Halbdunkel. Dabei erkannte er nun auch den Zwerg und den Breeländer im Schatten lauernd.
»Wer seid ihr?«, wollte der Graue nun wissen und hielt sein Langschwert dabei auf die beiden gerichtet.
Bevor einer von ihnen antworten konnte, rückte bereits Verstärkung an, mindestens ein halbes Dutzend bewaffneter Bogenschützen, die ihre Pfeile auf Aivari und Eddy richteten.
Auch die in der Entfernung erspähten Fackelträger stießen binnen Sekunden zur erloschenen Feuerstelle.
»Das ist er!«, rief ein anderer und deutete im Schein der Fackeln auf den Breeländer.
»Fesselt ihn und werft ihm einen Sack über den Kopf.«, meinte ein Dritter, der wohl ihr Anführer war. »Er wird noch lernen, was es heißt Saruman zu hintergehen.«
»Was ist mit dem Zwerg?«, erwiderte einer der Bogenschützen, der seinen Pfeil auf Aivari gerichtet hatte.
»Habt ihr diesem Verbrecher Unterschlupf gewährt?«, fragte der vermeintliche Anführer wieder.
Aivari schaute einen Augenblick zu Eddy, der ihn durch seine blauen Augen entmutigt ansah. Mehrere Gedanken schossen dem Zwerg durch den Kopf. Sein Ziel war es zwar seinen Vater zu finden und die zwergische Insignie war ein vielversprechendes Teilstück dieser Suche, doch er konnte den Breeländer unmöglich im Stich lassen, auch wenn er ihn noch nicht lange kannte. Eddy war ihm gegenüber ehrlich gewesen und seine Verzweiflung war nicht vorgetäuscht. Nun gebot es allein schon Aivaris Pflicht als Mann von Ehre ihm zu helfen. Wer wusste schon, was diese Menschen mit ihm machen würden? Warum überhaupt waren sie ihm so feindlich gesinnt und hatten ihn offenbar lange verfolgt? Nur weil er, ein einzelner Mann desertiert war? Und was hatte es mit Saruman auf sich, der nun anscheinend Breeländer und Menschen des Nordens unter seinem Banner vereint hatte. Die beste Möglichkeit Eddy zu helfen, die Aivari in der Kürze der Zeit einfiel, war sich zu ergeben und dann gemeinsam einen Plan zu schmieden.

»Ja das habe ich. Und ich würde es wieder tun.«, sprach er schließlich nach einer fast schon zu lange andauernden Stille und legte dabei größtmöglichen Trotz in seine Stimme.

»Schafft ihn ebenfalls weg! Soll Saruman über ihr Schicksal entscheiden.«, befahl der Anführer der Menschen mit angestrengter Stimme und drehte sich dabei schon wieder auf der Stelle um und verschwand im Dickicht. Er schien es eilig zu haben.
Die anderen sammelten die herumliegen Habseligkeiten ein, entwaffneten und fesselten Aivari und Eddy, die sich nur widerwillig unterwarfen, und packten sie getrennt hinter zwei Reiter auf ihre Pferde.
Das Letzte, das Aivari sah, war das dankbare Gesicht von Ed, der eine Mundbewegung machte, die der Zwerg nur als »Es tut mir leid« deuten konnte. Er nickte dem Menschen wissend zu, bevor ihnen Leinensäcke über die Köpfe gezogen wurden...

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