Oronêl aus der Stadt...Oronêl ging nicht zurück zu seinem eigenen Zelt, sondern machte sich auf den Weg zu Galadriel. Vor ihrem Zelt standen zwei Elben aus Lórien Wache, die ihn sofort zu erkennen schienen.
"Oronêl!", sagte er rechte der beiden. "Die Herrin Galadriel erwartet dich bereits." Oronêl wunderte sich kein bisschen darüber, denn inzwischen wusste er, dass man Galadriel selten überraschen konnte. Nur Sarumans Ankunft beim Rat schien sie vollkommen unvermutet getroffen zu haben.
Oronêl nickte, und betrat das Zelt. Im Inneren herrschte ein silbriges Licht, dass von den Lampen herrührte, die an den Zeltpfosten aufgehängt worden waren. Auf dem Tisch in der Mitte des Raumes war eine Karte von Mittelerde ausgebreitet, und um ihn herum standen mehrere Elben: Galadriel, Celeborn, Celebithiel und Orophin. Oronêl trat neben Celebithiel, die ihm zur Begrüßung sanft die Hand auf die Schulter legte. Orophin nickte ihm von der anderen Seite des Tisches zu, und Galadriel sagte: "Willkommen, Oronêl. Wir haben uns gerade beraten wie wir uns verhalten wollen, jetzt da Saruman der Verräter unsere Verbündeten auf seine Seite gezogen hat."
"Bevor er hier eintraf waren wir bereit, jeden unserer Elben, die dazu bereit wären, den Kampf gegen Sauron fortsetzen zu lassen, an der Seite unserer Verwandten aus Imladris und Lindon.", ergänzte Celeborn.
"Jeden eurer Elben?", fragte Oronêl nach. "Und was ist mit euch?"
Galadriel lächelte traurig, und antwortete: "Wir ziehen uns in jedem Fall für eine Weile aus diesem Krieg zurück. Lothlórien fallen zu sehen, hat... Spuren hinterlassen, und jeder geht damit auf seine Weise um." Und ihr Gemahl fuhr fort: "Wir werden uns für einige Zeit nach Lindon zurückziehen, gemeinsam mit allen anderen Elben, die nicht mehr weiterkämpfen wollen."
Das war nicht die Antwort, die Oronêl sich erhofft hatte, und Galadriel schien das bemerkt zu haben. "Ich sehe die Enttäuschung in deinen Augen, Oronêl. Aber wir werden weder Mittelerde verlassen noch den Kampf für immer aufgeben. Dieser Krieg ist weit davon entfernt, beendet zu werden, und noch vor seinem Ende werden wir wieder an der Seite unserer Verbündeten stehen."
Jetzt wandte sich Celebithiel ihm zu. "Auch ich werde nach Lindon gehen, für eine Weile. Ich würde gerne hier bleiben aber... ich kann nicht."
"Ich verstehe.", sagte Oronêl. "Ich hatte gehofft, du..." "Ich weiß.", unterbrach Celebithiel ihn. "Aber ich kann jetzt nicht einfach weitermachen. Es tut mir Leid."
Oronêl nickte, sagte aber nichts. So ergriff Celeborn wieder das Wort. "Es muss noch entschieden werden, was jene tun sollen die weiterkämpfen wollen. Sollen sie an der Seite Sarumans gegen Sauron kämpfen? Sollen sie gegen Saruman kämpfen, und somit gegen die eigenen Verwandten und Freunde? Oder sollen wir allen Elben Lothlóriens verbieten zu kämpfen?"
Orophin schüttelte den Kopf und sagte: "Nichts davon sagt mir besonders zu. Ich will weiterkämpfen, aber... Ich werde niemals mit jenen kämpfen, die sich Saruman angeschlossen haben, und ich kann auch nicht meinem Herzen folgen und Krieg gegen Saruman führen. So sehr es auch schmerzt, aber unsere Verbündeten haben sich für ihn entschieden, also müsste ich auch gegen sie kämpfen."
"Es gibt noch eine dritte Möglichkeit.", warf Galadriel mit einem leichten Lächeln ein. "Oronêl hat bereits Gebrauch davon gemacht."
"Das ist wahr.", erwiderte er und fragte nicht, wie sie bereits davon erfahren hatte. "Ich habe bereits jene unter den Erben Lenwes, die weiterkämpfen wollen, Erchirion, dem Prinzen von Dol Amroth, unterstellt. Sie werden ihm über das Weiße Gebirge nach Süden folgen und dort für Dol Amroth und Gondor kämpfen - gegen Sauron, aber nicht an der Seite Sarumans."
"Das ist... eine gute Idee.", meinte Orophin. "Ich werde nach Gondor gehen, und meine verbliebenen Grenzwächter werden mir folgen."
Auch Celeborn schien mit dieser Möglichkeit zufrieden zu sein. "Dann soll es so sein. Alle Elben Lóriens, die weiter gegen Mordor kämpfen wollen, sollen nach Süden gehen und sich Dol Amroth anschließen. In den Adern des Fürsten fließt elbisches Blut, also wird er sie willkommen heißen."
"Nicht nur elbisches Blut, sondern Oronêls Blut.", sagte Galadriel. "Aber du wirst sie nicht begleiten, nicht wahr?"
"Nein.", antwortete Oronêl mit einem Kopfschütteln. "Meine Tochter Mithrellas wird an meiner Stelle gehen. Ich habe..." "Eine andere Aufgabe zu erfüllen.", beendete Galadriel den Satz. Plötzlich wirkte sie noch viel ernster und entschlossener als zuvor. "Und diese Aufgabe könnte die wichtigste sein, die du jemals hattest."
In ihren Augen schimmerte ein silbernes Licht als sie fortfuhr: "Ich habe nach dem Rat in meinen Spiegel geschaut." Celeborn war der einzige, der nicht überrascht schien. "Ich habe die Schale bei der Flucht aus Caras Galadhon mit mir genommen.", erklärte Galadriel. "Außerhalb des goldenen Waldes und mit gewöhnlichem Wasser ist seine Macht begrenzt, aber er ist dennoch von Nutzem, und ich habe vieles gesehen."
Sie machte eine Pause, wie um sich zu sammeln.
"Der Krieg steht noch immer auf Messers Schneide, aber auch wenn Sauron übermächtig erscheint, gibt es noch Grund zur Hoffnung. Dieser Krieg wird nicht von Elben oder Zwergen entschieden werden, nicht einmal von Zauberern. Die Menschen sind es, die die Waage in die eine oder die andere Richtung senken werden. Ich habe Zorn und Kriegsmüdigkeit gesehen, nicht in Gondor, sondern im Süden und im Osten. Die Entscheidung dieser Menschen könnte eines Tages den Ausschlag geben, ob Sauron besiegt werden kann - oder nicht."
"Habt ihr noch mehr gesehen, Herrin?", fragt Orophin beinahe zaghaft.
"Vieles, aber alles unklar und verschwommen - mehr als üblich. Und was davon Zukunft, Gegenwart oder Vergangenheit war, kann ich nicht sagen. Aber eines war klar und deutlich." Sie blickte Oronêl direkt in die Augen. "Ein Ring der Menschen bewegt sich nach Westen."
"Nach Westen?", fragte er verwirrt. Damit hatte er nicht gerechnet. "Ich hätte gedacht, dass der Ring Amrothos nach Osten lenken würde."
"Das dürfte die eigentliche Absicht des Rings gewesen sein, ja.", anwortete Galadriel. "Aber nach Osten richtet sich Sarumans wachsamer Blick... Vielleicht hat der Ring das gespürt und versucht dem Zauberer zu entgehen - Oder Amrothos hat noch mehr Macht über sich selbst. Aber was auch immer der Grund dafür ist: Der Ring befindet sich westlich von uns, wo genau kann ich nicht sagen. Ich habe dunkle Gänge gesehen, und Feuer in der Tiefe... und dann ein Licht und einen dunklen See unter Sternen."
"Moria.", sagte Celeborn. Allein der Klang des Wortes genügte, um Oronêl erschauern zu lassen. "Und das der dunkle See am Ende könnte der See am Westtor gewesen sein. Vielleicht hat Amrothos es geschafft, Moria ungesehen zu durchqueren und ist nach Eregion gekommen.", fuhr der Herr von Lothlórien fort.
"Aber wohin ist er dann?", fragte Oronêl.
"Ich kann ihn nicht klar sehen.", antwortete Galadriel. "Dieser Ring befindet sich noch immer westlich des Gebirges, aber ob in Eregion oder den umliegenden Ländern kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Aber eines ist sicher: Du musst den Isen überqueren und durch die Pforte von Rohan nach Norden gehen. Geh zum Tor von Moria, wenn es sein muss, und nimm dort die Spur wieder auf. Und eile dich, denn wir müssen um jeden Preis verhindern, dass der Ring in Sarumans oder zurück in Saurons Hände gelangt."
"Um das endgültig zu verhindern müsste ich ihn zerstören.", meinte Oronêl. Bei dem Gedanken daran drohte ihn der Mut zu verlassen. Wie sollte er, ein ganz normaler Elb, in der Lage sein einen Ring der Macht, und wenn es nur einer der Neun war, zu zerstören? Wiedereinmal schien die Herrin Lothlóriens seine Gedanken zu lesen. "Ja, der Ring muss zerstört werden. Aber verliere nicht den Mut, denn um einen Ring der Macht zu vernichten brauchst du keine besondere Macht. Wenn du den Ring gefunden hast, musst du nach Eregion gehen, und Celebrimbors Schmiede finden, wo dieser Ring herstammt. Entfache das Feuer von neuem, und es sollte in der Lage sein, den Ring zu vernichten."
"Aber wie soll ich die Ringschmiede finden?", fragte Oronêl. "Ich kenne mich in Eregion nicht aus, und auch sonst niemand hier der mich begleiten würde."
"Nein, niemand hier.", erwiderte Galadriel. "Aber hier in der Stadt, und du hast ihn bereits beim Rat gesehen."
Oronêl war sofort klar, wen sie meinte. Er verstand nicht, wie er Mathan nach dessen kühnen Plänen zum Wiederaufbau Eregions hatte vergessen können - allerdings hatte Sarumans Ankunft alles andere aus seinem Kopf verdrängt.
"Das wäre einen Versuch wert.", sagte er langsam.
Galadriel rief einen der beiden Wächter vor dem Zelt herein und sagte zu ihm: "Sucht nach Mathan Nénmarma. Er ist groß, hat braune Haare und grüne Augen. Bittet ihn, sich zu uns zu gesellen, und sagt ihm, es sei überaus wichtig."