Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Rohan
Die Wold
Vexor:
Immer wieder legte sie Scheite um Scheite behutsam nach, damit das Lagerfeuer nicht erlöschen würde.
Die letzten Tage hatte es immer mal wieder kurze Frühlingsgewitter gegeben und das Holz war feucht, so hatte Celebithiel ein besonderes wachsames Auge auf das Feuer, welches ihr Wärme spendete und sie vor wilden Tieren schützte.
Sie saß allein an den knisternden Flammen und beobachtete, wie die Flammenhälse sich das frische Holz entlang züngelten, bevor sie sich es ganz einverleibten.
Die Decke aus Wolle hatte sie sich fest umgeschlungen und die Knie angezogen. Ihr rot-blondes Haar hatte sie zu einem festen Knoten gebunden und nach hinten gesteckt. Es schien als ob das Haar das intensive Rot in sich aufnehmen würde, denn im faden Schein des Feuers wirkte ihr Haar als wäre es die glühende Lava des Schicksalsbergs selbst.
Keine Nachricht von Faendir, ob ihm und der Nachtigall etwas zugestoßen ist? Ich denke nicht, er wird noch nicht in Lorien angekommen sein. Die üblichen Wege zu den Grenzen des Waldlandreiches sind in den Tagen des Krieges versperrt, und die Umwege schlecht zu begehen.
Sie versank erneut in das Schauspiel, welches sich vor ihr offenbarte. Die Jagd der Flammen und des Holzes faszinierte sie und immer wenn die Funken in die Luft schossen riss sie die Augen weit auf.
Die rubinroten Funken im pechschwarzen Nachthimmel sehen aus wie die erzürnten Sterne Vardas.
Celebithiel legte sich auf den Rücken und begann die Sterne zu beobachten. Das Himmelszelt, welches über ihr lag, versuchte sie in sich aufzunehmen, aber jedes Mal wenn sie ihren Kopf bewegte sah sie neue Formationen von strahlenden silbernen Punkten und ihr Auge konnte sich nicht satt sehen an der geballten Schönheit des Firmaments.
Zufrieden mit sich und begeistert von der Eleganz und Vollkommenheit der Eindrücke, die sie heute Abend erblickt hatte, begann sie zu summen. Zunächst eine Melodie aus einfachen Tönen und Musikstücken, welche sie kannte. Doch mit der Zeit variierte sie die Strophen und komponierte selbst.
Einmal wissen, dieses bleibt für immer,
ist nicht Rausch der schon die Nacht verklagt,
ist nicht Farbenschmelz, noch Kerzenschimmer,
von dem Grau des Morgen längst verjagt,
Einmal fassen, tief im Blute fühlen,
dies ist mein und es ist nur für Dich,
nicht die Stirne mehr am Strome kühlen,
dran ein Nebel schwer vorüber strich,
Einmal fassen, tief im Blute fühlen,
dies ist mein und es ist nur für Dich,
klagt ein Vogel ach auch mein Gefieder,
näßt der Regen flieg es durch die Welt,
der goldene Schimmer des Abendrots verglüht,
eröffnet sich die schwarze Nacht und silbern Schein des Firmaments,
beide verbunden durch der Sterne Schein und Mondes Leuchten,
suche ich weder nach Aufgaben, noch nach Antworten,
lebe durch den Leib des Seins und den Duft der Blumen,
jene für immer hier im Angesicht der silberkrönten Maid,
klagt der Vogel nimmermehr, sondern singt auf der Weide Krone,
lebt in Zweisamkeit und fliegt durch die Welt.
Plötzlich wurde es dunkel und Celebithiel erschrak. Das knistern des Feuers war verschwunden und die erzürnten Sterne Vardas ebenfalls. Die glühende Lava wich aus Celebithiels Haar und zurück blieb sie, sie allein.
Sie wandte ihr Gesicht zur Feuerstelle und richtete sich auf. Vereinzelt sah sie die heiße Glut, umrandet von grauer Asche. Celebithiels Lungen füllten sich mit kalter Nachtluft, sie blies und die Glut loderte auf.
Nach kurzer Zeit loderte das Feuer erneut neben ihr und ihre Ohren vernahmen das vertraute Knistern des Holzes und ihre Augen sahen die Flammenhälse sich erneut an den kleinen Ästen hinauf schlängeln, um sie in sich aufzunehmen.
Jedoch war etwas anders, denn auch ihre Nase vernahm etwas; den Geruch eines Mannes.
Sie ließ sich zurückfallen und spürte den Körper eines anderen, sie lehnte nun an seiner Brust.
Celebithiel schloss die Augen und schnupperte an dem bernsteinfarbenen Haar, welches ihre Schulter streifte. Es hatte den Geruch des Alten Waldes immer noch nicht abgelegt, und als sie den Geruch in sich einsog, um ihn nie wieder loszulassen, fielen ihr die vielen Geschichten seiner Jugend und Kindheit ein, die ihr Antien erzählt hatte. Innerlich spielten sie vor sich ab und sie begann zu lächeln.
„ Ein wunderschönes Lied Celebithiel. Trägt es denn auch einen Namen?“
Sie wollte ihre Augen nicht öffnen und die Bilder, die sie so amüsierten, nicht verlieren, aber als sie seine Frage hörte zwang sie sich dazu. Celebithiel blickte hinauf und ihre ozeanblauen Augen trafen seine dunkel grünen Augen. Ihr Blick verlor sich in dem seinem und lange ließ sie ihn auf ihre Antwort warten.
„ Nein, es besitzt keinen Namen, es entstammte meiner Phantasie“.
Antien musste lächeln, “ Dann ist es die Ballade der silbernen Maid; deine Ballade!“
Celebithiel wand sich aus ihrer Position und setzte sich ihm nun gegenüber.
„ Mein lieber Antien, die letzten Monate waren hart und mühsam für mich. Ich habe einen weiten Weg gemacht, emotional, aber auch physisch gesehen und die ganze Zeit über warst du mein Wegbegleiter, Freund und mein Vorbild.
Ich erinnere mich noch genau an den Tag als wir uns zum ersten Male trafen. Es war in Lorien in den Gemächern der Herren des Lichts. Tief saßen die Trauer und die Wehmut in meinem Herzen und hausten dort, wie einst der dunkle Schatten im Düsterwald. Sie benebelten meine Sinne und erstickten jedes Glücksgefühl und jede Freude im Keim. Doch als ich dich zum ersten Mal sah, sah ich Licht am Ende des Tunnels. Ein Sonnenstrahl durchdrang die düsteren Netze, und als ich in das Licht sah, erblickte ich dein strahlendes Lächeln.
Ich habe dir nie gedankt, aber du hast mir durch so vieles geholfen. Nur deinem Frohmut und deiner Freundschaft verdanke ich es, dass ich jetzt so, wie ich bin, durchs Leben gehen kann, ohne Angst, ohne Verbitterung. Danke!“
Als Antien etwas erwidern wollte, legte sie behutsam ihre Finger auf seine weichen Lippen. „ Ruhig, du musst darauf nicht antworten“. Und mit diesem Worten schloss sie die Augen und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
---„ Wiedersehen Faramir und Eowyn wir werden uns bald siegreich in Edoras wiedersehen“, hörte Celebithiel Gandalfs Stimme.
„ Mithrandir das werden wir, siegreich und unbeschadet. Wir wünschen euch viel Glück bei eurer Reise“, ertönte die Stimme der weißen Dame, Eowyn.
Antien und Celebithiel saßen bereits gesattelt auf ihren beiden Pferden. Die weiße Stute Celebithiels türmte sich schon unruhig auf, sie spürte die wachsende Ungeduld ihrer Reiterin.
An Gepäck hatte sie nicht viel mitgenommen, nur ihr Schwert und ihre Rüstung führte sie mit sich, da Gandalf ihr mitgeteilt hatte, dass sie nicht mehr die Möglichkeit haben werde, die beiden Dinge aus dem Lager abzuholen. Jedoch hatte er ihr nicht mitgeteilt, wohin sie nun aufbrechen würden.
Stolz galoppierten die drei Gefährten aus dem Lager in der Westfold. An der Spitze der weiße Reiter mit seinem edlen Ross Schattenfell, gefolgt von Antien, dem Wanderer aus dem Alten Wald. Als letztes ritt Celebithiel, die silbergekrönte Tochter des Mondes. Ihr rauchblaues Kleid flatterte im Wind und die silbernen Stickereien glühten bedrohlich im blutroten Morgenrot.
Nach einiger Zeit drehte sich Celebithiel um und blickte zurück. Das Lager erschien ihr nun klein und irreal, aber sie kam nicht darum den Felsen einen Abschiedsgruß zu hinterlassen.
.Celebithiel, Antien und Gandalf nach Firnharg im Weißen Gebirge
Fine:
Cyneric und Zarifa von der Ebene von Celebrant
Wider Erwarten hatte Cyneric die Brücke über den Limklar unbewacht vorgefunden. Das beunruhigte ihn und lenkte ihn für einen Augenblick von der Sorge um Zarifa ab.
Rohans Grenzen sind ungeschützt, dachte er. Das kann nichts Gutes bedeuten. Ich frage mich, was in meiner Abwesenheit nur geschehen ist...
Vor ihm breiteten sich die trostlosen Wiesen der Wold aus. Der Schnee, der auf der Ebene von Celebrant niedergegangen war, hatte das nördlichste Teilgebiet Rohans noch nicht erreicht. Das bräunliche Gras, das hier vorherrschte, liess das Land noch verlassener wirken, als es in Wahrheit war. Der kalte Wind, der über die Wold fegte, sorgte dafür, dass Mensch und Pferd froren und sich nur durch Bewegung warm genug halten konnten. Cyneric hatte seinen dicken Umhang abgelegt und ihn um Zarifa gewickelt, deren Zustand sich kaum verändert hatte. Obwohl inzwischen zwei lange Stunden seit dem Vorfall vergangen waren, war die junge Südländerin noch immer nicht ansprechbar. Hin und wieder gab sie undeutliche Worte in einer Sprache von sich, die Cyneric nicht verstand. Seine Besorgnis verminderte sich dadurch nicht.
Sie ritten in großer Eile weiter. Im Osten bahnte sich als fernes, blaues Band am Horizont der Anduin seinen geschlängelten Weg nach Süden. Rechter Hand, im Westen, war ein undeutlicher, dunkler Streifen jenseits der grasbedeckten Landschaft der Wold zu erkennen. Dort ragte der Wald von Fangorn auf, von dem Cyneric sich stets fern gehalten hatte. Er hatte nicht vor, seine Meinung darüber heute zu ändern.
Bald schon kamen sie in die südlicheren Gebiete der Wold. Hier begann das Gelände, sanft in Richtung des großen Flusses Entwasser abzufallen. Bis zur Ost-Emnet war es nun nicht mehr weit. Vor ihnen ragte ein flacher Hügel aus dem Grasland auf, der mit kleineren Felsen übersät war. Cyneric lenkte sein Ross darauf zu, in der Absicht, von der Kuppe des Hügels einen Blick auf die umliegenden Lande zu werfen. Bislang hatte er nur ein einziges Dorf gesichtet, das sich als verlassen heraus gestellt hatte. Die Hoffnung, einen Heiler für Zarifa zu finden, war bislang unerfüllt geblieben.
Oben angekommen musste Cyneric feststellen, dass er nicht der Einzige war, der den Hügel als Aussichtspunkt zu benutzen. Von der gegenüberliegenden Seite kam ihnen am höchsten Punkt ein Reiter entgegen. Cynerics Hand wanderte wie automatisch zum Griff seines Schwertes, das an seinem Sattel hing, doch als der Reiter näher kam, entspannte der Gardist sich wieder. Es war ein alter Mann, gehüllt in einen schmutzigen, grauen Reisemantel, dessen Haar und Bart von der Last der Jahre bereits weiß geworden waren.
Cyneric hielt die Pferde an, als der alte Reiter nur noch wenige Meter entfernt war. "Ich grüße Euch, guter Mann!" sagte er freundlich. "Wohin reitet Ihr dieser Tage?"
"Nach Aldburg!" antwortete der Alte. "Doch sagt, wie kommt es, dass ein Mann wie du sich ein Pferd mit dem Mädchen dort teilt, wenn ich hier doch zwei Rösser sehe, die zur Verfügung stehen?" Er fixierte Zarifa. "Es sieht ganz aus, als ginge es ihr nicht sonderlich gut."
"Eure Augen sind wohl noch so scharf wie zu Eurer Jugend," rief Cyneric. "Ich bin auf der Suche nach einem Heiler, der sich die junge Zarifa einmal ansieht, denn ich weiß nicht, wie ihr zu helfen ist. Kennt Ihr vielleicht ein Dorf hier in der Gegend, zu dem ich sie bringen könnte?"
Der Alte stieg mit erstaunlicher Beweglichkeit von seinem silbergrauen Pferd. "Lasst mich sie einmal ansehen," sagte er. "Leg' sie hier auf den weichen Grasboden, mein Junge." Cyneric tat wie ihm geheißen worden und sah zu, wie sich der Fremde über Zarifa beugte.
"Zarifa heißt sie also? Das ist kein Name aus Rohan, wie es mir scheint. Ihrem Aussehen nach kommt sie eher aus dem Süden... Harondor, oder vielleicht Umbar, wenn ich schätzen müsste." Der Alte schien keine wirkliche Antwort von Cyneric zu erhalten, während er sich die junge Südländerin genau ansah. Nach wenigen Augenblicken legte er ihr seine große Hand auf die Stirn und murmelte etwas, das Cyneric nicht hören konnte. Dann atmete der Alte tief aus und strich mit der Hand über Zarifas Wange.
Ihr Atem beschleunigte sich, dann riss sie die Augen auf. Ehe sie schreien konnte, hatte ihr der Alte Mann schon die Hand auf den Mund gelegt. "Du bist in Sicherheit," sagte er beruhigend. "Dir wird nichts zustoßen. Du hast dich in deinen Gedanken verloren, Mädchen. Hast mit Entscheidungen gehadert, die du nicht mehr ändern kannst. Doch jetzt bist du hier. Im Hier und Jetzt. Frage dich nicht, was du hättest tun können... sondern frage dich, was du als Nächstes tun kannst. Es liegt nicht in unserer Macht, die Vergangenheit zu ändern. Sondern stattdessen liegt es an uns, zu entscheiden, was wir mit der Zukunft anfangen, die noch vor uns liegt."
Cyneric fiel auf, dass sein Mund offen gestanden hatte. Dem Fremden schien es nicht aufgefallen zu sein. Schnell schloss Cyneric seinen Mund und sah zu, wie der Alte Zarifa auf die Beine half. Sie stand zwar noch etwas unsicher auf ihren Füßen und blickte sich scheu um, doch sie schien wieder sie selbst zu sein.
"Also," sagte der alte Mann. "Das wäre geschafft. Ihr habt Glück, dass wir uns begegnet sind. Eigentlich wäre ich direkt nach Aldburg gegangen, doch als ich an die Isenfurten kam, hörte ich, dass mein Freund hier," er klopfte dem Pferd, auf dem er gessessen hatte, auf die Flanke, "in der Wold herumstreifte. Also habe ich einen kleinen Umweg in Kauf genommen, um mich mit ihm zu treffen. Ich habe ihn einige Jahre nicht mehr gesehen."
Cyneric musterte den Hengst, den der Fremde als seinen Freund bezeichnet hatte. Er hatte das Gefühl, das Pferd zu kennen, konnte es jedoch nicht genau sagen. Rasch wandte er sich dem alten Mann zu. "Ich danke Euch, Meister," sagte er und verbeugte sich. "Ihr habt Zarifa gerettet."
"Nichts zu danken," erwiderte sein Gegenüber. "Doch jetzt sollte ich weiterreiten. Ich werde in Aldburg bereits erwartet." Er stieg zurück in auf den Rücken seines Rosses und nickte ihnen ein letztes Mal freundlich zu. "Bis zu unserem nächsten Treffen," sagte er noch, ehe er nach Südosten davon preschte.
"Ein seltsamer alter Kerl," sagte Zarifa trocken, als der Fremde verschwunden war.
"Ein klein wenig Dankbarkeit stünde dir gut, Zarifa," meinte Cyneric. "Was war denn nur los mit dir?"
"Ich... weiß es nicht," antwortete sie und wich seinem Blick aus. "Ich will nicht drüber reden. Lass uns einfach weiterreiten."
Cyneric seufzte leise, dann nickte er. "Weiterreiten. Ja, das sollten wir. Also gut. Wenn wir uns beeilen, erreichen wir vielleicht noch heute die Entfurt. Direkt südlich davon liegt ein Dorf. Mit etwas Glück könnten wir heute in Betten übernachten..."
Cyneric und Zarifa ins Hargtal
Fine:
Cyneric und Ryltha aus Aldburg
Das Wetter hatte umgeschlagen, seitdem Cyneric und Ryltha Aldburg verlassen und sich zur Entwasser aufgemacht hatten. Noch bevor sie den großen Fluss erreicht hatten, war aus dem Schneefall ein matschiger Regen geworden, der sie beide schon bald bis auf die Haut durchnässt hatte. Frierend und tropfend hatten sie den Fluss an einer geeigneten Stelle überquert und in einem der kleinen, verstreuten Dörfer am Ostufer Zuflucht gesucht. Doch auch am folgenden Tag war das Wetter nicht besser geworden. Da Ryltha es eilig zu haben schien, waren sie dem Regen zum Trotz erneut aufgebrochen, auch wenn sie bald beide niesten und schnieften. Vor einer Erkältung waren offenbar nicht einmal die Schattenläufer sicher.
Erst als sie das steppenartige Flachland der Wold erreicht hatten, ließ der Regen etwas nach und verwandelte sich in ein unterkühltes Nieseln. Die Steppe war von den Wassermassen überschwemmt worden und sie mussten langsam und vorsichtig reiten, um die vielen sumpfartigen, teilweise sogar vereisten Pfützen zu umgehen, die sich überall gebildet hatten. Cyneric hatte oft genug von Reitern gehört, deren Pferde in einer solchen tückischen Sumpflandschaft in einer scheinbar niedrigen Pfütze stecken geblieben waren oder sich ein Bein gebrochen hatten.
Rylthas Laune waren diese Verzögerungen nicht gerade zuträglich. Sie wurde ganz entgegen ihrer eigentlichen Art immer schweigsamer und ihr Blick zeugte von reinem Eis, wenn sie sich nach Cyneric umsah oder in die Landschaft hinein spähte. Doch jedes Mal, wenn sie anderen Reitern begegneten oder ein Dorf durchquerten, schlüpfte die Schattenläuferin mühelos in die Rolle der Schildmaid Firalda, deren strahlendes Lächeln jeglichen Verdacht von ihr abperlen ließ. Cyneric schien der Einzige zu sein, der "Firaldas" Herzlichkeit als meisterhafte Täuschung durchschaute.
Während des Rittes fragte er sich oft, was die Schattenläufer nur für ein Leben führen mussten, so voller ständiger Hinterlist und Intrigen. Er hatte vermutlich nur einen Bruchteil des ganzen Ausmaßes miterlebt, doch es hatte mehr als nur ausgereicht, um seine Sorge um Salia immer präsenter und stärker werden zu lassen. Ich hoffe, sie hat gefunden, was auch immer sie in Thal gesucht hat, und ist jetzt weit, weit fort von Gortharia, dachte er.
Am Abend des zweiten Tages seit ihrem Aufbruch von Aldburg erreichten sie das Ufer des Anduins. Ein Stückchen weiter südlich den Fluss hinab lagen die Stromschnellen von Sarn Gebir, doch stromaufwärts davon gab es zu beiden Seiten des Flusses einen Streifen mit kiesigem, flachem Ufer. Hier hatten die Grenzreiter der Rohirrim ihr Lager in einem verlassenen Fischerdorf aufgeschlagen und eine improvisierte Fähre errichtet, mit deren Hilfe sie immer wieder Streifzüge in die Braunen Lande auf dem Ostufer unternahmen.
Da die Sonne bereits untergegangen war, beschlossen sie, die Nacht im Lager der Grenzreiter zu verbringen. Schweigend nahmen Cyneric und Ryltha ein einfaches Abendessen zu sich und wärmten sich an einem der Lagerfeuer, die überall in dem Fischerdorf entzündet worden waren, um Regen und Kälte fern zu halten. Knisternd und dampfend vergingen die Regentropfen in den Flammen. Hier und da waren einige der Reiter zu sehen, die ihren Aufgaben im Dorf nachgingen. Die Häuser wirkten, als seien ihre ursprünglichen Bewohner gerade erst verschwunden und verliehen dem Fischerdorf ein wehmütiges Aussehen.
"Wieso hast du es so eilig, zurück nach Rhûn zu kommen?" fragte Cyneric schließlich.
Ryltha blickte langsam auf und sah ihn über das Feuer hinweg an. "Das würdest du nicht verstehen," sagte sie kurz.
"Ich glaube schon," hielt er dagegen. "Du hast vor irgend etwas Angst. Ich sehe es dir an, auch wenn du glaubst, du könntest allen weismachen, deine Fassade sein undurchdringlich. Irgendetwas ist dort im Gange, in Gortharia, oder etwa nicht?"
Ryltha musterte Cyneric einen Augenblick lange. Dann stand sie auf und begann langsam, das Lagerfeuer zu umrunden. "So willst du dieses kleine Spiel also spielen, Cyneric? Ist es das, was du denkst? Dass ich Angst habe? Pah!"
Cyneric beschloss, nicht auf ihre Spielchen einzugehen und hielt seinen Blick geradeaus gerichtet, als Ryltha langsam weiterging. "Ich habe gelernt, auf mein Bauchgefühl zu vertrauen. Es hat mich zurück zu meiner Tochter geführt und mir geholfen, Zarifa zu retten. Und bei dir sagt es mir deutlich, dass du Angst hast und am liebsten weit, weit weglaufen würdest. Aber du kannst nicht."
Ryltha war stehen geblieben, kaum einen halben Schritt von Cyneric entfernt. "Dein Bauchgefühl, sagst du?" höhnte sie. "Bist du sicher dass es nicht eher das Met von gestern Abend ist, das du da sprechen hörst?" Sie lachte leise. "Du hast keine Ahnung, Cyneric, keine verdammte Ahnung worum es hier wirklich geht." Sie atmete aus und ihre Stimme veränderte sich. "Aber das macht nichts. Du musst nicht verstehen, was los ist. Du musst einfach nur tun, worum man dich bittet."
"Warum sollte ich?" fragte Cyneric. In diesem Augenblick legte sich eine schlanke Hand auf seine Schulter.
"Ich erkläre es dir gerne in aller Ruhe," fuhr Ryltha fort. Zu ihrer Hand gesellte sich eine zweite und zehn Finger begannen, über Cynerics Schulter und Rücken zu wandern. Sofort bereute er es, den nassen Umhang und die feuchte Rüstung bereits abgelegt zu haben.
"Was tust du?" wollte er barsch wissen.
"Sieh doch nur, Cyneric," säuselte Ryltha. "Du bist ganz verspannt. Spürst du es? Lass mich dir helfen." Ungefragt begann sie, die Rückenmuskeln sanft zu massieren.
Cyneric wollte sich wehren und ihr widersprechen, doch er stellte fest, dass er es nicht konnte. Ryltha Berührungen fühlten sich zu gut an. Geschickt löste sie Verspannungen und Knoten, die Cyneric schon allzu oft am Einschlafen gehindert hatten. Er musste kämpfen, um die Augen offen zu halten, als er das Gefühl hatte, in warmes, wohliges Wasser einzutauchen.
"Erinnerst du dich an den Tag, an dem die Rache des Meeres ihren Höhepunkt erreicht hatte?" hauchte Ryltha ihm zu. "Weißt du noch, was du damals gesagt hast?"
"Ich..." war alles, was er hervorbrachte.
"Du hast gesagt, es gibt nichts, was dich davon abhalten sollte, neue Freundschaften zu schließen, wenn du deine Tochter gefunden hast," fuhr Ryltha leise fort. Noch immer setzte sie die sanfte Massage fort und ihre Berührungen waren wie wohlige Wellen, die durch Cynerics Rücken drangen.
Ihm fiel auf, dass inzwischen schon länger keiner der anderen Rohirrim mehr in die Nähe ihres Lagerfeuers gekommen war. Rylthas Finger ertasteten nun Cynerics Hals und fuhren geradezu zärtlich über jeden kleinen Wirbel. An seinem Haaransatz angekommen kehrten die Finger langsam um und glitten zurück nach unten. Doch da war noch etwas anderes... eine weitere Berührung, warm und weich, als Ryltha näher an Cyneric heran rückte und ihr Oberkörper seinem Rücken begegnete.
Cyneric kniff fest die Augen zusammen und blinzelte mehrmals, als er sie wieder öffnete. Noch immer hatte er Schwierigkeiten, sich zu bewegen. "Was... soll denn das... werden..." brachte er mühsam hervor.
Die Flammen des Feuers erstarben langsam und die Dunkelheit nahm zu, wie auch die Wärme an Cynerics Rücken. Rylthas Kinn legte sich auf seine linke Schulter und ihre Stimme ertönte kaum hörbar direkt neben seinem Ohr, als sie wisperte: "Das ist meine Art und Weise, Freundschaft zu schließen..."
"W-warte," wehrte er sich schwach. "Das... geht nicht, wir..."
"Schhhhh..." machte sie und ihr Finger legte sich auf Cynerics Lippen. "Lass es... einfach geschehen, Cyneric."
Während Cyneric noch nach Worten rang, schlüpfte Ryltha unter seinem Arm hindurch und saß plötzlich auf seinem Schoß. Sein schwerer Umhang der Königsgarde mit dem bestickten Goldrand lag um ihre nackten Schultern und bedeckte die beiden Menschen, als Rylthas Gesicht sich Cynerics näherte. Sie nahm seine Hände und legte sie um ihre Hüften. Da schloss er die Augen und dachte an gar nichts mehr.
Am Tag darauf deckten sie sich bei den Rohirrim mit frischen Vorräten ein. Cynerics Status als königlicher Gardist sorgte dafür, dass keine Fragen gestellt wurden, als er mit einer echten Schildmaid an seiner Seite eine Überfahrt per Fähre erbat. Sie mussten zweimal fahren, denn das wackelige Floß, das die Grenzreiter erbaut hatten, konnte nur das Gewicht eines einzigen Pferdes gleichzeitig tragen. Als sie beide wohlbehalten am Ostufer angekommen waren, nickte Ryltha ihm zufrieden zu, ehe sie sich in den Sattel schwang. Sie hatten bisher kein Wort darüber verloren, was in der vergangenen Nacht geschehen war und Cyneric war es ganz recht, wenn es dabei blieb.
Der Regen hatte inzwischen gnädigerweise nachgelassen. Als sie die kiesige Böschung überwunden hatten, breitete sich vor ihnen die schier endlose Ödnis der Braunen Lande aus.
Cyneric und Ryltha in die Braunen Lande
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