Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Isengart

Am Fuß des Orthancs

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Vexor:
Mit den Worten Galadriels trat Celebithiel intuitiv zurück und stellte sich nahezu Amrûn und den anderen Galadhrim, die beobachteten, wie Radagast, der braue Zauberer, auf seinen Stab gestützt zu Galadriel schritt. Jene wandte sich aber zu Galadriel und ihre gütigen blauen Augen fixierten die junge Elbe.
„ Mein liebes Kind“, sagt sie mit erheiterter Stimme, während sie ihre linke Hand zu ihr ausstreckte, „ wir brauchen hierfür deine Hilfe. Zu Dritt werden wir den Orthanc, seine endgültige Ruhe schenken. Nie mehr wird er Schauplatz des Bösen und des Kriegs werden.“ Celebithiel zögerte und es kam ihr vor als würde Narya um ein vielfaches schwerer werden und ihr fast von der Hand gleiten.
Unsicherheit überkam sie und zum ersten Mal in ihrem Leben empfand sie Scheu vor einer Aufgabe und sie fühlte die Angst dem Erbe Gandalfs nicht gerecht  zu werden.
Das Herz schlug ihr bis zur Brust und das Atmen fiel ihr schwer.
Wozu brauchen sie meine Hilfe? Ich..ich...bin nicht in der Lage ihnen zu helfen. Ich bin schwach und erbärmlich. Gebro..gebrochen wurde ich von einem Scheusal und auch die Macht Naryas kann mit glühender Hitze meine gebrochene Seele wieder zusammenschweißen.
Ihre Augen blickten auf und wie eine Flutwelle durchströmten die tiefblauen Augen Galadriels ihre Seele und sie vernahm ihre Stimme in ihren Geiste.

„ Celebithiel, mein geliebtes Kind. Ich habe damals gesehen, was Gandalf zustoßen würde und ebenfalls habe ich gesehen, dass du seine Aufgabe fortsetzen wirst. Es war der Tag vor deiner Abreise aus dem Goldenen Wald.
Dies war der Grund, warum ich dich auserkoren habe mit Antien Gandalf zu suchen. Dies war der Grund warum Gandalf dir einen neuen gab und dich von deiner alten Seele reinwusch.
Du bist auferstanden aus dem Schatten deines alten Lebens und bist zu einer Frau herangereift der es niemanden an Würde und Reife nachsteht. Als Tyrannenmörderin feiern sie dich, auch wenn sie nicht mal ahnen können, was dir in den schwarzen Zimmern des Orthanc zugestoßen ist.
Auch, wenn du es nicht erzählst, ich weiß es. Ich kann es in deinen Augen lesen. Aber glaube mir eins, du bist nicht gebrochen. Das du hier stehst, frei von Wut und Zorn, deine Freundschaft zu Gandalf, Antien und Amrûn, all dies sind Zeichen dafür, dass du nicht gebrochen werden kannst.
Gandalf wusste nichts von meiner Vision. Er vertraute dir diese Aufgabe an, weil er deinen wahren Charakter erkannt hat und nicht aus einer Laune heraus. Weise endlich den Gedanken zurück, der dich davon abhält Narya zu akzeptieren. Es ist dein Schicksal, so wie es das deine war den Mund zu töten und deine Geschwister zu rächen.
Celebithiel, ich liebe dich, du bist eine edle Maid und trete mit Würde zu mir, um deinen Schreckensort für immer zu versiegeln.“

Erleichterung machte sich breit und eine Woge selten empfunden Glücks machte sich in Celebithiel breit. Der Schatten, der seit dem Tod des Mundes, auf ihr gelegen hatte, war gewichen. Sie erkannte die Worte Galadriels und verstand, was sie ausdrückten. Die Freundschaft und Liebe, die sie in dem letzten Jahr erfahren hatte, waren ein Schild, härter als Mithril, welches niemand zerstören könnte. Der Mund hatte auf dem Schild nicht einmal Kratzer hinterlassen und so schritt sie nach vorn als Celebithiel, die silbergekrönte Elbenmaid und Tyrannenmörderin.
Sie umschloss die Hand Galadriels und mit der anderen nahm sie die Radagasts, der ihr ein Lächeln schenkte. Er und Galadriel legten ihre freien Hände auf die Türflügel des Orthancs.
Fasziniert sahen alle Beteiligten, die sich um Gandalf postiert hatten, das Schauspiel an.
„ Möge dieser Turm versiegelt werden“, durchdrang die Stimme Radagast, welche erstaunlich kräftig und laut erklang, die Reihen der Zuschauer, „ Auf dass er niemals wieder von einer Seele bevölkert werde. Verschlossen soll er werden und alle Erinnerungen an seine ehemaligen Bewohner für sich behalten, auf dass sie sie nicht mehr wiederholen. Versiegelt soll er werden, damit dass Nan Nírnaeth Frieden erfahre und bald wieder in alter Blüte erstrahle. Möge dieser Siegelspruch, beim Willen der Valar, erst gebrochen werden, durch einen dessen Macht stärker ist, als die unsrige“.

Mit diesen Worten löste Celebithiel den Halbkreis mit Galadriel und Radagast und umarmte die Herrscherin des Goldenen Waldes und flüsterte ihr einDanke ins Ohr, bevor sie sich wieder von ihr löste und zu Amrûn schritt, der bei Nerblog stand. Ebenfalls Radagast gesellte sich zu Gandalf und nun Stand die Herrin des Goldenen Waldes allein auf den pechschwarzen Stufen des Orthancs, die ihr weißes Gewand und ihre goldenen Haare kontrastierten.
„ Hört Rohirrim und all die anderen die geholfen haben jenen Ort und viele andere Städte und Burgen in Rohan zu befreien. Auch gehört der Segen der Valar und der Schutz der Elben Loriens, Lindons, Düsterwalds und Imladris sei euch gewiss bis die Gefahr, die im Osten lauert endgültig zu Ende ist.
Nun verlangt es mich aber Eowyn und Faramir, aus Gondor, zu sehen!“, sagte sie mit bedrückter Stimme und aus der Reihe der Rohirrim lösten sich Eowyn und Faramir, die vor Galadriel auf die Knie gehen.

„ Es ziemt sich nicht für das Königspaar von Rohan sich vor der Herrin des Goldenen Waldes zu verneigen. Steht bitte auf! Nun leider habe ich keine frohe Botschaft für euch und mein Herz betrübt es sehr euch dies mittzuteilen. Ein Bote aus Aldburg entsandte mir Nachricht von eurem Gefolgsmann Erkenbrand.
Im Zuge der Aufstände in Lorien lies der verfluchte Herrscher des dunklen Landes euren Bruder, Eomer, den rechtmäßigen Herrscher Rohans exekutieren und entsandte den Kopf nach Aldburg. Seid euch gewiss, dass ihr mein tiefstes Beileid habt.
Lasst uns alle eine Schweigeminute für den ehemaligen König Rohans einlegen!“.
Als Galadriel geendet hatten, senkten alle den Kopf und für eine Minute herrschte Totenstille im Nan Nírnaeth. Nicht einmal ein Vögelzwitschern war zu vernehmen und die Ruhe wurde nun wieder von den Worten Galadriels durchschnitten.
„ Obwohl der Tod eures geliebten Bruders noch so frisch ist, braucht Rohan in dieser Stunde in einen Herrscher, damit es geeint bleibt, um der Faust Saurons zu trotzen. Wollt ihr Eowyn, zusammen mit euren Gemahl, Faramir die Herrschaft über Rohan antreten und dem Reich eine Königin sein, die gütig und gerecht regiert“, fragte Galadriel Eowyn.
Einen Moment verharrte sie in Stille und niemand wagte etwas zu sagen. Plötzlich antwortete sie mit belegter Stimme und Celebithiel merkte, wie sehr sie gegen die Tränen kämpfte.
„ Bei aller Ehre das kann ich nicht!“ Ein ungläubiges Raunen ging durch die Mengen der Rohirrim, aber Galadriel bot der Menge stillte, um zu lauschen was Eowyn hinzuzusetzen hatte.
„ Ich kann es nicht, beziehungsweise noch nicht. Ich werde mit der Armee weiterkämpfen bis Sauron vernichtet worden ist. Zuvor kann ich nicht die Königin sein, die ich sein muss, um Rohan wieder aufzubauen. Bis ich auf den Thron zurückkehre wird Erkenbrand als Stellvertreter die Regierungsgeschäfte übernehmen. Ebenso verkünde ich hiermit, dass nach dem Fall Edoras, Aldburg die neue Hauptstadt unseres Reiches wird.
Jeder Mann und jede Frau, die in der Lage ist mit meinem Gemahl und mir nach Aldburg zu reisen, kann sich unserem Heereszug anschließen. Jedem dem die Aussicht auf weitern Krieg an den Grenzen Gondor und darüber hinaus scheut, dem sei gesagt, dass er freigestellt sei, ob er mitkämpfen wolle oder nicht. Unser Volk hat in den letzten Monaten zu viel Krieg erlebt und deswegen werde ich niemanden zwingen sich mir anzuschließen [...]“.
Eowyn sprach noch lange zu den Rohirrim und während sie sprach erkannte Celebithiel, dass Eowyn ebenfalls eine schwere Bürde zu tragen hatte für die sie offensichtlich noch nicht gewappnet war. Jedoch nahm auch sie diese Aufgabe an und während sie sprach wuchs sie über sich hinaus.

Die Ankündigung Galadriels, dass sie schon heute Abend wieder nach Lorien zurückkehren würden, um Gandalf dorthin über zuführen traf Celebithiel unerwartet und sah machte sie sich auf ihre Sachen zu packen, da sie , Antien und Amrûn entschieden hatten Gandalf nach Lorien zu begleiten.


Galadriel, Celebithiel, Amrûn, Antien und Nerblog zu den Zelten außerhalb der Mauer

Fine:
Kerry, Gwŷra und Rilmir aus den Tunneln von Isengard


Verdrossen starrte Kerry in den mit dichten Wolken verhangenen Winterhimmel über dem Tal des Zauberers. Die Lage war nicht gut. Sie waren seit ihrer Flucht aus den Verliesen unterhalb des Ringes von Isengard der Befreiung Aéds kein Stück näher gekommen, obwohl inzwischen ein halber Tag verstrichen war. Ursprünglich hatten Rilmir und Kerry gehofft, irgendwo an der Oberfläche Reittiere aufzutreiben, um die Verfolgung Yvens aufzunehmen, der Aéd verschleppt hatte. Doch sie fanden in der kreisrunden Festung keinerlei Pferde - die Stallungen standen allesamt leer.
Kerry war frustriert. Ihnen lief die Zeit davon. Zwar wussten sie, wohin die verräterischen Dunländer Aéd brachten, doch bis zum Zusammenfluss des Isens mit dem von Westen kommenden Fluss Adorn war der Weg noch weit. Rilmir hatte sich an eine alte Karte erinnert, die offenbar einst von Ardóneth angefertigt worden war und in Bruchtal verwahrt wurde. Darauf war zu sehen, dass der Fluss Adorn im Weißen Gebirge auf der Rückseite der Gipfel nahe der Festung Helms Klamm entsprang und in nordwestlicher Richtung dem Isen entgegen nach Dunland floss. Doch der Ort des Zusammenflusses mit dem Isen lag viel weiter westlich, im äußersten Zipfel des wilden Landes. Ohne Pferde würden sie Yven niemals einholen können. Zu Fuß würde es sich als außerordentlich schwierig herausstellen, sich durch die unwegsamen Grenzgebiete Dunlands zu schlagen, wo die Schergen des Messerstammes umherstreiften. Und da Kerry nun wusste, welch grausames Schicksal Aéd erwartete, machte sich ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit in ihr breit.

Sie nahmen in der Nähe des Orthanc-Turmes ein karges Abendessen zu sich, das aus dem Wenigen bestand, das die drei Menschen bei ihrer Suche in Isengard hatten auftreiben können. Obwohl sie glaubten, dass nahezu alle Dunländer das Tal verlassen hatten, wagten sie dennoch nicht, ein Feuer zu entzünden. Missmutig kaute Kerry auf einem Stück trockenem Brot herum und wünschte sich weit weg von diesem trostlosen Ort. Gwŷra saß mit geschlossenen Augen in etwas Entfernung auf einem großen Felsen, der von den teilweise zerstörten Mauern der Festung herausgebrochen war und murmelte unverständliche Worte in einer fremden Sprache, während Rilmir die Schneide Hathôldors mit einem kleinen Wetzstein schärfte, den er irgendwo in einer Pfütze gefunden hatte. Die Sonne stand bereits tief und begann bereits, langsam hinter den westlichen Ausläufern des Methedras versinken.
"Lass' dich nicht unterkriegen, Kerry," sagte der Waldläufer nach einiger Zeit. "Gib die Hoffnung nicht auf."
"Wieso?" wollte Kerry wissen. "Während wir hier herumsitzen, schwebt Aéd mit jeder vergangenen Minute in größerer Gefahr!"
"Es ist wichtig, selbst jetzt, wo es scheint dass sich alles gegen uns gewandt hat, die Ruhe zu bewahren," erwiderte Rilmir. "Wir alle sind erschöpft von der Befreiungsaktion und der mühseligen Suche in den Ruinen. Heute noch aufzubrechen und blindlings ins Ungewisse zu marschieren wird Aéd nicht helfen. Du wirst sehen: Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus."
Kerry stieß einen frustrierten Seufzer aus. "Ich hasse es, nichts tun zu können," presste sie hervor.
"Doch, du kannst etwas tun, nämlich deinen Körper wieder zu Kräften kommen zu lassen, und deinen Geist zu beruhigen," sagte der Dúnadan sanft.
"Meinem Körper wird es bald wieder gut gehen, aber wie soll ich meine Gedanken zur Ruhe bringen, wenn ich weiß, dass Aéd jeden Augenblick von diesen Wilden aufgeschlitzt werden könnte?" fragte Kerry aufgebracht.
Rilmir legte den Wetzstein beiseite und lehnte Oronêls Axt an den Felsen, auf dem Gwŷra kauerte. Der Waldläufer ließ sich Kerry gegenüber nieder und zauberte eine kleine Holzpfeife hervor. Und noch während er sich in aller Ruhe die Pfeife mit etwas gefundenem Kraut stopfte, begann Rilmir, eine Geschichte zu erzählen.

"Wir sind nicht die Ersten, die sich in einer solchen ungemütlichen Lage befinden. Einst, als das böse Reich von Angmar noch keine hundert Jahre lang zerstört war, lebten unter den verstreuten Dúnedain des Nordens zwei Brüder. Ihre Namen waren Iârion, der ältere Bruder, und Amarthiúl, der jüngere Bruder. Sie entstammten einer alten Familie, die einst aus Rhûdaur geflohen war, als jenes Land dem Schatten des Hexenkönigs anheim fiel. Iârion war ein Gelehrter, der darüber hinaus großes Geschick im Umgang mit dem Schwert besaß, während Amarthiúl ein begabter Spurenleser und Bogenschütze war. Die beiden Brüder waren unzertrennlich und durchstreiften lange Jahre die Wildnis des Nordreiches. Sie bekämpften den Schatten, wo auch immer er ihnen begegnete und taten viel Gutes für das Volk der Dúnedain."
Rilmir machte eine Pause und nahm einen tiefen Zug aus der Pfeife, die er sich mittlerweile angesteckt hatte. Ein großer Rauchring stieg in die kühle Abendluft, als der Waldläufer ausatmete. Während er weitersprach, schwand das letzte Tageslicht mit jeder Minute, die verstrich.
"Eines Tages hörten Iârion und Amarthiúl von einem neuen Übel, das in den Ruinen von Rhûdaur umging. Gerüchte sprachen von schattenhaften Gestalten, die Reisende des Nachts überfielen und von Banden von Orks, die aus den Bergen im Osten herabgekommen waren. Die Brüder brachen von ihrem Lager am Abendrotsee auf, um den Gerüchten auf den Grund zu gehen und kamen so nach Rhûdaur in das Gebiet der Trollhöhen. Sie fanden Spuren der Orks, die nach Norden zum Berg Gram führten und beschlossen, ihnen zu folgen. Doch in der Nähe der alten Bergfestung, die seit dem Fall Angmars verlassen gewesen war, gerieten Iârion und Amarthiúl in einen Hinterhalt und wurden von den Orks, die sie jagten, gefangen genommen. In den Verliesen des Gramberges wurden sie voneinander getrennt und mussten Folter und Leid erdulden, bis Amarthíul durch einen glücklichen Zufall die Flucht gelang. Er schlich sich durch die finsteren Gänge des Verlieses auf der Suche nach seinem Bruder, doch als er Iârion endlich gefunden hatte, war es zu spät: Amarthiúl konnte aus einem Versteck nur machtlos zusehen, wie die Orks Iârion an eine düstere, verhüllte Gestalt übergaben, dessen Schergen den gefangenen Waldläufer vom Gramberg fort nach Norden brachten. Dabei schnappte der jüngere Bruder den Namen der Gestalt auf: Daechanar, die Schattenhand. Schwer verletzt und von Feinden verfolgt entkam Amarthiúl aus der Orkfestung und stand nun vor einer schweren Entscheidung: Sollte er die erkaltende Spur der Schattenhand verfolgen, oder würde er damit nur seinen eigenen Tod riskieren?"
"Was hat er gewählt?" fragte Kerry atemlos, während Rilmir einen weiteren Zug aus seiner Pfeife nahm. Die Geschichte hatte Kerry längst in ihren Bann gezogen und sie von Aéds Schicksal abgelenkt.
Der Dúnadan ließ einen weiteren Ring aus Rauch aufsteigen und fuhr fort. "Schweren Herzens wandte Amarthiúl sich nach Südosten und schleppte sich bis nach Bruchtal, wo die Elben seine Wunden heilten und er bald wieder zu Kräften kam. Er hatte erkannt, dass er in seinem Zustand nach der Flucht aus dem Gramberg kaum eine Chance gehabt hätte, Iârions Häscher einzuholen oder gar zu überwältigen. Von Elrond erfuhr er darüber hinaus, dass der Name Daechanar in Imladris nicht unbekannt war. Einer der Adligen des Reiches von Rhûdaur hatte einst diesen Namen getragen, ehe er seine Heimat im Namen des Hexenkönigs verraten hatte und zu einem der mächtigsten Diener Angmars geworden war. Zu Amarthiúls Schrecken eröffnete Elrond ihm weiter, dass jener Daechanar kein Geringerer als Iârions und Amarthiúls eigener Vorfahr war, dessen Familie sich von ihm abgewandt und nach Arthedain geflohen war."
Kerry gab ein überraschtes Geräusch von sich, wagte aber nicht, die Geschichte mit einer Frage zu unterbrechen.
"Amarthiúl wusste nun, dass es kein Zufall gewesen war, dass die Orks ihn und seinen Bruder in der Gefangenschaft nicht getötet hatten. Daechanar musste Iârion aus einem finsteren Zweck vom Gramberg nach Norden gebracht haben, wo die Lande noch immer von den Schatten des gefallenen Hexenreiches gezeichnet waren. Als seine Wunden verheilt waren, brach der junge Waldläufer mit einigen tapferen Gefährten nach Angmar auf, um Daechanar aufzuhalten und Iârion zu retten. Die Reise war beschwerlich und von allerlei Gefahren gezeichnet, doch im Herzen des alten Reiches des Hexenkönigs fanden sie schließlich die Spuren der Schattenhand."
Rilmir schwieg und widmetete sich wieder seiner Pfeife. Kerry fiel auf, dass Gwŷra inzwischen längst aufgehört hatte, fremdartige Worte zu murmeln und der Geschichte des Waldläufers aufmerksam gelauscht hatte. Als der Dúnadan keine Anstalten machte, weiterzusprechen, hielt Kerry es nicht länger aus und sagte: "Und wie ging es weiter? Haben sie den gefangenen Bruder retten können?"
"Das haben sie," antwortete Rilmir ruhig. "Doch was damals dort in Angmar geschah ist nichts, was man erzählen sollte, wenn die Sonne nicht scheint. Ein großes Übel wurde damals abgewendet und das Hexenreich blieb hernach bis heute verlassen. Ich habe die Geschichte erzählt, weil ich denke, dass wir es wie Amarthiúl halten sollten, und die Hoffnung auf eine Rettung nicht aufgeben dürfen, selbst wenn wir diesen Häuptling Yven erst morgen und nur zu Fuß verfolgen können."

Kerry schwieg. Rilmirs Geschichte hatte ihr zu Denken gegeben. Sie hatte die trostlose Wildnis Angmars gesehen und konnte sich gut vorstellen, wie es dort zu Amarthíuls Zeiten ausgesehen haben mochte. Und obwohl sie einen gewissen Trost in Rilmirs Worten gefunden hatte, konnte sie die Sorge um Aéd dennoch nicht ganz ruhen lassen.
Gwŷra blickte den Waldläufer wie gebannt an und schien gerade etwas sagen zu wollen, als ihr Kopf urplötzlich herum ruckte und das Mädchen sich auf dem Felsen, auf dem es hockte, zusammenkauerte. Sie starrte angestrengt in die Dunkelheit hinein, bis sie kurz darauf wisperte: "Es nähert sich jemand, der böse Absichten hegt."
Rilmir verbarg sich rasch in den Schatten des aufrechten Felsbrockens und winkte Kerry zu sich hinüber. Vorsichtig spähten sie in die Richtung, in die Gwŷra gedeutet hatte. Trotz der Dämmerung war der Turm von Orthanc noch immer als schwarzer, gewaltiger Pfeiler inmitten der Festung gut zu sehen. Und noch während Kerry hinsah, hörte sie das Geräusch mehrerer Schritte ganz in der Nähe. Das flackernde Licht von Fackeln in kurzer Entfernung war zu sehen, die sich von Süden her dem Orthancturm näherten.
"Das sind keine Dunländer," wisperte Rilmir in Kerrys Ohr. Als sie einen weiteren Blick aus der Deckung heraus riskierte, sah sie, dass der Waldläufer recht hatte. Zwischen ihrem Versteck und der Treppe, die zum Turmeingang hinauf führte, stand eine Gruppe von Orks, die das gut erkennbare Zeichen der Weißen Hand Sarumans trugen. Angeführt wurden sie von einem hochgewachsenen Menschen in einem grauen Umhang. Als der Mann seinen Blick zum Turm wandte, konnte Kerry sein Gesicht im Licht der Fackeln erkennen.
"Mistkerl," murmelte sie, als sie sich an Forgam erinnerte, der einst Helluins rechte Hand gewesen war. Der grauhaarige Waldläufer zog eine Schriftrolle hervor und entrollte sie, um den Inhalt zu studieren.
"Dies sollte ausreichen, um den Schutzzauber zu brechen, mit dem die Tür versiegelt wurde," drang Forgams grimmige Stimme zu ihnen herüber. Er schien nicht auf eine Antwort seiner Orks zu warten sondern marschierte los, geradewegs auf den Turm zu.
"Schutzzauber?" wiederholte Kerry so leise sie konnte.
"Ich habe in Bruchtal davon gehört," antwortete Rilmir, dem die Besorgnis ins Gesicht geschrieben stand. "Als das Heer Rohans Isengard von Saurons Mund befreite, versiegelten die Herren des Goldenen Waldes den Turm, denn viel Übel war noch immer darin. Wenn die Diener Sarumans nun hier sind, um dieses Siegel zu brechen..."
"Wir müssen sie aufhalten," stellte Gwŷra entschlossen klar. "Ich spüre das Böse, das von diesem Turm ausgeht. Beim Blutmond. Niemand sollte ihn betreten dürfen."

Forgam und seine Orks hatten den Turm erreicht. Der Wind hatte inzwischen aufgefrischt, sodass Kerry nicht verstehen konnte, was am Fuße des Orthanc gesprochen wurde. Noch während sie sich vorsichtig in Bewegung setzten, um näher heran zu schleichen, flammte vor der Türe ein heller Blitz auf, der mehrere Orks zuckend zu Boden stürzen ließ. Forgam stieß die schweren Türen des Turmes mit einiger Anstregnung auf und verschwand im Inneren, gefolgt von seinen überlebenden Schergen. Der Rest wurde achtlos liegen gelassen.
"Uns bleibt keine Wahl. Wir müssen ihnen ins Innere folgen," sagte Rilmir und begann, die Treppe zum Turm hinauf zu steigen. Mit klopfendem Herzen folgte Kerry dem Waldläufer.


Kerry, Rilmir und Gwŷra ins Innere des Orthanc

Eandril:
Oronêl aus Aldburg

Der Himmel über dem Tal von Isengard war von Wolken verhangen, obwohl auf den Ebenen Rohans die sinkende Sonne schien. Der Schnee knirschte unter den Hufen des Pferdes - ein einsamer Laut in der Stille, die über der verlassenen Festung hing.
"Irgendetwas ist hier nicht wie es sein sollte", murmelte Oronêl. Er glitt vom Rücken des Pferdes, und band das Tier an einem einsam aufragenden, geborstenen Pfahl an. Er hatte von der wiederholten Zerstörung Isengards gehört, doch der Turm Orthanc selbst schien vollkommen unbeschädigt zu sein - und das Zentrum der merkwürdigen Kraft, die über dem Tal lag.
Langsam ging er die breite Straße, die vom Haupttor direkt zur Pforte am Fuß des Turmes führte, entlang. Er hatte die Hand auf dem Knauf seines Schwertes, zog die Waffe allerdings nicht. Dieses Schwert war bereits hier gewesen, kam ihm in den Sinn. Amrûn hatte hier gekämpft, gemeinsam mit Celebithiel, als das Wesen, dass als Saurons Mund bezeichnet wurde, von hier über Rohan geherrscht hatte. Oronêl hoffte, dass das Schwert nicht erneut an diesem Ort gezogen werden musste.

Direkt am Fuße des Orthanc lagen mehrere Orkleichen verstreut auf dem Rücken. Auf Brust und Gesicht hatten sie merkwürdige Brandwunden, doch Oronêl konnte keine Hieb- oder Stichwunden entdecken. Ihrem Zustand zufolge lagen sie noch nicht allzu lange dort, doch das Interessanteste an ihnen war das Zeichen der Weißen Hand, dass auf ihren Rüstungen prangte. Hatte Saruman beschlossen, seine alte Festung wieder in Besitz zu nehmen? Doch wer hatte dann diese Orks getötet? Und noch viel wichtiger, wie?
Die Pforte des Orthanc am oberen Ende der schwarzen Treppe stand noch immer offen. Oronêl zog das Schwert. Er wusste, dass Amrûn und Celebithiel hart gekämpft und viel geopfert hatten, um diesen Ort vom Bösen zu reinigen und für immer zu verschließen. Was immer hier vor sich ging, es war seine Pflicht, es herauszufinden und ihm, wenn möglich, ein Ende zu bereiten.
Langsam stieg er die schwarzen Stufen hinauf und trat in die Dunkelheit im Inneren des Turmes ein.

Oronêl in den Orthanc

Eandril:
Oronêl, Kerry, Rilmir und Gwŷra aus dem Orthanc

Draußen hatten sie rasch einen einigermaßen gemütlichen Ort gefunden, in einer halb eingestürzten Mauerecke die früher zu einem Lagerhaus gehört haben mochte, jetzt aber einsam emporragte. Die Mauer schützte sie vor dem schneidenden Wind, der aus dem Nordosten vom Gebirge her wehte und feinen Schnee mit sich brachte, und Rilmir hatte schon bald ein Feuer nach Waldläuferart in Gang gebracht, das Licht und ein wenig Wärme spendete, aber niedrig brannte und so ihre Position nicht auf weite Entfernung hin verraten würde.
"Also?", fragte Kerry, die sich nah am Feuer in eine mäßig saubere Decke, die sie einem der toten Orks abgenommen hatte, eingewickelt hatte und trotzdem geradezu verfroren wirkte. "Bekomme ich jetzt meine Antwort?"
Oronêl stocherte mit einem dünnen Stock im Feuer und wirbelte ein wenig Glut auf. Das heiße Holz zischte, als es auf den kalten Boden traf. "Nun, eigentlich bin ich nur zu der gleichen Erkenntnis gelangt wie du, könnte man sagen: Dass ich mich wie ein Idiot verhalten habe", begann er, und blickte Kerry fest in die Augen. "Die ganze Wahrheit ist ein wenig komplizierter. Nach den Ereignissen im Düsterwald... Nun, ich schäme mich meiner Gefühle nicht. Doch ich habe zugelassen, dass Verzweiflung und Resignation mich überwältigen. Und ich fürchtete mich davor, erneut um jemanden trauern zu müssen, den ich liebe, und deshalb wollte ich davon laufen. Es hat der Hilfe vieler Freunde bedurft, um mich erkennen zu lassen, dass die Flucht mir nicht geholfen hätte. Amrothos hat geholfen, Irwyne und Mithrellas natürlich... jemand, den ich nicht erwartet hatte, hat mir den letzten Schubs gegeben... und natürlich hast du mir geholfen, Déorwyn, Cynerics Tochter, auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage war, die Hilfe zu erkennen und anzunehmen."
Als er verstummte, senkte sich Stille über das kleine Lager. Nur das leise Geräusch des Windes und das sanfte Knistern des Feuers waren zu hören. Rilmir hatte sich mit dem Rücken an die Mauer gelehnt, die langen Beine ausgestreckt, und blickte scheinbar gedankenverloren in die Nacht, während Gwŷra im Schneidersitz da saß und konzentriert ins Feuer blickte. Schließlich räusperte sich Kerry. "Rück näher", forderte sie Oronêl auf. "Die Nacht ist kalt, dann haben wir es wärmer. Und dann erzähl weiter."
Oronêl tat wie geheißen, legte trotz der schmutzigen Decke einen Arm um sie und ließ zu, dass sie den Kopf auf seine Schulter legte. Er war froh, dass sie ihm offenbar weit genug dafür verziehen hatte, und wunderte sich gleichermaßen, dass die Nähe ihm nicht unangenehmer war. Vielleicht war das die Folge davon, dass er so viel Zeit unter Menschen, die so oft die körperliche Nähe suchten, verbrachte.
Leise erzählte er, wie er nach Dol Amroth gekommen war, von seiner Begegnung mit Aratinnuíre, und seinem Entschluss, nach Norden aufzubrechen. Er erzählte, wie er in Aldburg Zarifa und Cyneric begegnet war, und von der Audienz bei Königin Éowyn und Faramir.
"In dieser Nach hatte ich einen Traum... einen besorgniserregenden Traum. Ich wusste schon beim Erwachen nicht mehr klar, was ich gesehen hatte, doch ich hatte gespürt, dass du in Gefahr bist... du und Aéd."

Beim zweiten Namen spürte er, wie Kerry sich anspannte, und Rilmir hob den Kopf. Schlagartig hatte sich eine Atmosphäre der Anspannung über das Lager gelegt. "Was ist geschehen, Kerry?", fragte er sanft.
"Sie haben ihn entführt!", platzte Kerry heraus. "Dieser Yven, und seine Handlanger. Sie haben uns an den Furten überfallen, hierher verschleppt, und gerade als ich mich befreit hatte und ihn retten wollte, haben sie Aéd weggebracht. Und jetzt sitzen wir hier und tun nichts um ihn zu retten!" Sie klang als würde sie die Tränen mit Mühe zurückhalten, und Oronêl drückte sanft ihre Schulter. "Es ist nicht deine Schuld, dass du entkommen bist und er nicht, Kerry", sagte er. "Es ist beeindruckend genug, dass du dich selbst befreien konntest."
"Und nebenbei noch mir das Leben gerettet hast", ergänzte Rilmir unvermittelt. "Und dafür bedanke ich mich herzlichst, denn ich hänge sehr an meinem Leben." Kerry gab einen Laut von sich, der eine Mischung aus Lachen und Weinen war, und wischte sich ungehalten mit der Faust eine einsame Träne von der Wange. "Gwŷra hat geholfen", murmelte sie unwillig.
"Fürwahr, beim Blutmond", meinte das merkwürdige Mädchen dramatisch, und hob den Blick von den Flammen. "Ohne die Macht, die in meinem Inneren brennt, hätte sie die Finsternis unter diesem Ort niemals lebendig verlassen!"
"Jaaa...", erwiderte Oronêl gedehnt. "Nun, es bleibt uns nur eins zu tun."
"Und das wäre?"
"Aéd retten", stellte Oronêl wie selbstverständlich fest. Kerry hob den Kopf von seiner Schulter und blickte ihm ins Gesicht. "Und wie willst du das anstellen? Morgen früh werden Yven und seine Leute einen ganzen Tag Vorsprung haben. Und wir wissen nicht einmal, wo sie hinwollen!"
"Törichtes Mädchen, hört nicht auf die Weisheit, die Gwŷra besitzt!", mischte sich Gwŷra erneut ein. "Zum Juwel der Kette, um ihm das Herz beim Ritual der Innereren Reinheit herauszuschneiden, bringen sie den Wolf." Sie erhob sich abrupt. "Beim Blutmond. Ich muss spüren, was die Nachtwinde sagen." Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um, und verschwand in der Dunkelheit. Kerry wechselte zunächst einen Blick mit Rilmir, dann mit Oronêl. "Ihr glaubt doch nicht etwa, was sie sagt?", fragte sie leise.
Rilmir zuckte mit den Schultern, und schüttelte sich ein wenig Schnee aus den Haaren. "Sie ist offensichtlich viel länger eingesperrt gewesen als du, also hat sie vielleicht etwas von Yvens Plänen aufgeschnappt." "Und selbst wenn nicht", fügte Oronêl hinzu. "Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sie Recht hat. Yven will Aéd nicht einfach nur töten, sonst hätte er es hier getan, oder schon als er euch gefangen genommen hat. Nein, er will eine Demonstration daraus machen, um an Aéds Stelle die Macht über Dunland zu gewinnen - für Saruman."
"Das klingt logisch", meinte Kerry schließlich. "Und gleichzeitig möchte ich es nicht wahrhaben. Außerdem, weiß einer von euch, wo sich dieser Ort befindet?"
Rilmir schüttelte den Kopf. "Nein", antwortete Oronêl. "Aber jemand unter uns weiß es."

"Dieses Wissen ist gefährlich für euch", antwortete Gwŷra theatralisch auf Oronêls Frage. "Selbst für dich, Môrysbryd, bedeutet dieser Ort nur Gefahr und Tod." Oronêl lächelte. "Ich habe eine Menge Gefahr und Tod überlebt, Gwŷra. Diese Dunländer machen mir keine Angst."
"Mir auch nicht", stimmte Rilmir zu, und lächelte etwas verlegen, als alle Blicke sich auf ihn richteten. "Nun ja, ich brenne nicht gerade auf eine erneute Begegnung mit ihnen, nach meinen letzten Erfahrungen... doch was ist das Leben ohne Risiko?"
Kerry warf einen entschlossenen Blick in die Runde. "Denkt gar nicht daran, mich zurückzulassen. Irgendetwas wird sich finden, das ich tun kann, und ich werde ganz sicher nicht untätig herumsitzen während ihr euer Leben riskiert um meinen..." Sie stockte, und errötete. "Um Aéd zu retten, meinte ich."
Oronêl blickte Gwŷra an, die die Hände in die Luft warf. "Beim blutigen Mond, ihr alle seid törichte Narren! Doch da ihr meinen Namen kennt liegt der Fluch ohnehin auf euch, und vermutlich wird euer Schicksal euch bald ereilen. Ich werde euch an jenen Ort führen, wenn ihr es so wünscht."
"Dann wäre das ja geklärt", meinte Oronêl trocken. Er blickte Kerry ins Gesicht, erleichtert, Trotz in ihren Augen zu sehen, und keine Verzweiflung mehr. "Wir holen ihn zurück, Kerry. In einem Stück. Ich verspreche es dir."
Kerry lächelte unsicher. "Woher nimmst du diese Zuversicht, Oronêl? Nach allem, was geschehen ist?"
"Ganz einfach", erwiderte Oronêl, und war sich der Tatsache, dass Gwŷra aufmerksam lauschte, durchaus bewusst. Rilmir fachte abwesend die erlöschende Glut noch einmal an - er schien die Antwort bereits zu wissen. "Gerade nach allem was geschehen ist, bleibt mir keine andere Wahl", fuhr Oronêl fort. "Ich kann nur hoffen, oder verzweifeln. Und wenn wir verzweifeln, ist diese Welt bereits verloren und Saurons Sieg unabwendbar. Hoffnung... Hoffnung ist in diesen Tagen unsere wirksamste Waffe gegen den Schatten."

Oronêl, Kerry, Rilmir und Gwŷra nach Dunland

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