Aus der Sicht BeregondsMan hatte ihm einen Platz in der Nähe der Kommandanten zugewiesen. Beregond wusste, weshalb Qúsay ihn an der bevorstehenden Schlacht teilnehmen ließ. Wenn der neu gekrönte Malik diese entscheidende erste Schlacht gewann, bewies er Stärke und Treue gegenüber Gondor. Und es würde Beregond sein, der seinen Bericht als Augenzeuge zu Imrahil bringen würde und somit Qúsays Ruhm mehren würde.
Ungewöhnlicherweise war der Himmel über der Stadt von dichten, langgezogenen Wolken bedeckt, was die Hitze Nah-Harads etwas minderte. Beregond war froh darum, denn er trug seine gondorische Rüstung samt Schild und Schwert, was ihn bei den gewöhnlichen Temperaturen in Ain Séfra selbst ohne die Anstrengungen einer Schlacht bereits zum Schwitzen gebracht hätte.
Zu beiden Seiten des Malikatsheeres, das direkt außerhalb der starken Mauern am Südtor der Stadt Aufstellung bezogen hatte, reihten sich die von den Kommandaten Abdallat und Sa'amun befehligten Kamelreiter ein. Beregond konnte sich nicht recht vorstellen, wie diese plump wirkenden Tiere auf das Chaos der Schlacht reagieren würden, doch er vertraute darauf, dass Qúsay wusste, was er tat. Wenn es stimmte, dass die Kamele die Pferde des Sultanatsheeres in Panik versetzen würden, würde sich dies als unschätzbarer Vorteil erweisen.
"Keine Sorge, Gondorer," sagte Dírar neben Beregond, als hätte er ihm seine Gedanken am Gesicht abgelesen. "Der Malik weiß was er tut."
Beregond wurde nicht recht schlau aus dem Vertrauten Qúsays. Er sprach und verhielt sich wie einer der Haradrim, doch Gesichtszüge und Hautfarbe waren die eines Edlen von Gondor.
Ich sollte ihn im Auge behalten, dachte er, ehe ihn die erschrockenden Aufschreie einiger Krieger aus den Gedanken rissen.
Am Horizont im Süden tauchte das feindliche Heer auf. Unruhe brach in den Reihen des Malikats aus, doch den Befehlshabern gelang es rasch, die Ordnung wiederherzustellen. Zu Beregonds Rechter richtete sich Qúsay im Sattel seines Rosses auf und rief mit lauter Stimme: "Jene, die dort kommen, sind die Diener des Dunklen Herrschers, die sich das nehmen wollen, für das wir uns entschieden haben, zu kämpfen: Unsere Freiheit! Darum sage ich: Kämpft, meine Freunde! Kämpft für eure Heimat und eure Familien! Lasst nicht zu, dass der Herr von Mordor uns erneut für seine Eroberungszüge missbraucht. Ich sage, wir halten sie auf und beenden es, hier und heute! Heute setzen wir ein Zeichen gegen die Unterdrückung und Sklaverei, die Harad so viele Jahrhunderte erdulden musste! Heute stehen wir vereint, Brüder in Geist und Blut - vereint gegen das Joch Saurons und Sûladans, unter dem wir uns nie mehr beugen werden. Zieht eure Waffen, und haltet euch bereit! Wir werden siegen, denn wir kämpfen für eine gerechte Sache. Wir werden siegen - weil wir frei sind!"
Jubel brach aus, und die Männer schlugen ihre Waffen lautstark gegen ihre Schilde.
Er weiß, wie man eine Armee motiviert, dachte Beregond anerkennend.
Näher und näher kam das Heer Sûladans, unbeeindruckt von Qúsays Ansprache. Die scharlachroten Banner von Qafsah, verziert mit der schwarzen Schlange, wehten in der leichten Brise, die über die Ebene außerhalb der Stadt strich. Die Armee, bestehend aus Kriegern Qafsahs und der Toquz hielt außerhalb der Reichweite der Bogenschützen an, und nahm Aufstellung an. Beregond sah, wie sich ihre Kavallerie an den Flanken aufreihte, während die Krieger, die zu Fuß kämpften, in der Mitte einen starke Schlachtreihe bildeten, hinter der sich Fernkämpfer platzierten.
Und dann begann es. Hörner ertönten und das Sultanatsheer setzte sich erneut in Bewegung. Mit erhobenen Schilden näherten sich die vordersten Reihen im Zentrum, während die Reiter an beiden Flanken beschleunigten und zum Sturmlauf ansetzten. Doch das Heer Qúsays und Marwans, unterstützt durch Krieger aus Kerma und den übrigen Reichen, die dem Malikat die Treue geschworen hatten, hielten ihre Stellung, wie es ihnen befohlen worden war. Einzig die Kamelreiter eilten vorwärts, um die Toquz-Reiter abzufangen. Beregond sah, wie heftige Gefechte an beiden Seiten ausbrachen. Doch dann wurde seine Aufmerksamkeit nach vorne gelenkt, als ein Pfeilhagel von den Mauern Ain Séfras herab schwirrte und die vorderen Reihen des Qafsah-Heeres in Unordnung brachte. Eine einzige Salve konnten die Bogenschützen Qúsays abfeuern, ehe die Krieger im Nahkampf aufeinander trafen.
Trotz einiger Verluste durch Pfeile war es den Sultanatskriegern gelungen, auf den letzten Metern in den Laufschritt zu verfallen und mit viel Druck gegen die vordersten Reihen des Malikatsheeres anzurennen. Dabei wurde dessen Verteidigungslinie an mehreren Stellen durchbrochen. Doch immer wenn das geschah, ließen sich die Krieger rasch ein Stück zurückfallen, um wieder eine lückenlose Schlachtreihe zu bilden. Dadurch wurde das Zentrum von Qúsays Heer langsam in Richtung des Südtores von Ain Séfra eingedrückt. Immer weniger Platz bot sich den Soldaten und schon bald standen sie mit dem Rücken zur Wand.
Entlastung kam durch Jubelgeschrei von den Flanken. Wie Qúsay vorhergesehen hatte, hatten die Kamelreiter die Kavallerie Sûladans in die Flucht geschlagen, und griffen das Sultanatsheer nun im Rücken an. Und auch die Fußsoldaten Qúsays vollführten nun ihren Teil des Manövers. Indem sich die vorderste Schlachtreihe nach innen verbogen hatte, war ein Halbkreis entstanden, in den die Sultanatskrieger nur zu eifrig vorgedrungen waren - das Tor der Stadt in greifbarer Nähe. Doch nun sahen sie sich an allen Flanken den Gegenangriffen der Malikatskrieger ausgesetzt.
Trotz aller taktischer Manöver war es eine blutige Schlacht. Qúsay selbst griff ins Geschehen ein und verteilte tödliche Hiebe vom Rücken seines Rosses aus. Auch Beregond musste sich hin und wieder der Angriffe einiger Krieger erwehren, die bis zu ihm durchdrangen. Drei Männer hatte seine Klinge bereits getötet. Doch je länger die Schlacht dauerte, desto mehr geriet das Heer Sûladans in Unordnung. Von allein Seiten wurden sie bedrängt, und die Bogenschützen auf den Mauern hatten freies Schussfeld auf ihr Zentrum.
Eine Stunde später war die Schlacht entschieden. Was vom Sultanatsheer noch übrig war, ergriff in einem letzten verzweifelten Durchbruchsversuch nach Süden die Flucht. Mehr als die Hälfte ihrer Krieger lagen tot oder verwundet vor dem Mauern Ain Séfras, oder hatten sich Qúsays Kriegern ergeben. Qúsay selbst, der unverletzt geblieben war, berief rasch seine Heerführer zu sich und bedeutete auch Beregond mit einer Handbewegung, sich der Unterredung anzuschließen.
"Der Sieg ist unser, Malik," sagte Marwan, der Herr der Lahmiden.
"Ja, wir haben gesiegt. Aber nur in dieser Schlacht. Der Krieg ist noch lange nicht vorbei," wandte ein anderer Anführer ein.
"Und dennoch ist uns dieser Erfolg nicht mehr zu nehmen," sagte Qúsay, der froh darüber zu sein schien, dass sein Plan aufgegangen war. "Wir müssen nun rasch handeln und unseren Vorteil nutzen. Marwan, mein Freund, du wirst die Hälfte unserer Krieger sammeln und nach Osten führen, um mit den Toquz aufzuräumen und das Stammesgebiet der Banû Ghassan zu sichern. Alle anderen werden sich mir anschließen und nach Westen gehen."
"So sei es. Mögen wir uns wohbehalten vor den Toren Qafsahs wiedersehen," sagte Marwan.
"So möge es sein," antwortete Qúsay, und Marwan eilte davon.
"Ein großartiger Sieg, Herr," gratulierte Beregond, und Qúsay nickte zufrieden.
"Wenn du deinen Truchsessen eines Tages wiedersiehst, berichte ihm, was hier geschehen ist, und richte ihm meine besten Grüße aus, Beregond von Gondor."
"Wohin werdet Ihr nun gehen, Malik?"
"Ich werde mich um den Mann kümmern, der mir einst großes Unrecht zugefügt hat, und der für den Tod meines Vaters verantwortlich ist."
"Ihr meint..."
"Ich werde nicht ruhen, bis Hasaels Kopf auf meiner Lanze aufgespießt ist. Ich gehe nach Umbar und hole ihn mir."
Qúsay, Dírar und Beregond mit der Hälfte des Malikats-Heeres in Richtung Umbar