Als sie den Innenhof Dol Guldurs erreichten staunten Glorfindel, Erkenbrand und der Rest der Überlebenden nicht schlecht als sie sich umblickten. Von den Mauern hingen Banner der Weißen Hand, und überall hatten schwer gerüstete Uruks Stellung bezogen. Saruman selbst war in der Mitte des Hofes ins Gespräch mit Thranduil vertieft, dessen Bogenschützen sich bis auf eine kleine Garde für ihren König bereits ins Heerlager zurückgezogen hatten, gemeinsam mit den Rohirrim, Zwergen und Elbenkrieger aus Imladris.
"Ob Thranduil sie wohl auf Sarumans Anordnung hin dazu gedrängt hat, die Festung den Orks der Weißen Hand zu überlassen?" überlegte Erkenbrand. "Sie würden ihre Stellung nicht ohne guten Grund aufgeben."
"Wir werden es herausfinden," erklärte Glorfindel. "Vielleicht war Sarumans Stimme hier am Werk," fügte er hinzu und marschierte auf den Zauberer und den König des Waldlandreiches zu.
Cyneric hatte sich mit einem anderen Gardisten abgewechselt, den reglosen Bard den Turm hinab zu tragen und hatte den See-Mensch für tot gehalten, das Schicksal Elfhelms teilend. Umso mehr überraschte es ihn, als sich dieser plötzlich regte und schwache Laute von sich gab.
"Wir brauchen einen Heiler!" rief Cyneric und blickte sich um.
Ob Antien in der Nähe ist? fragte er sich und versuchte, einen der Elben auf sich aufmerksam zu machen. Doch es war Saruman persönlich, der am schnellsten reagierte. Mit ungeahnter Geschwindigkeit eilte der Zauberer herbei, einen besorgten Blick im Gesicht.
"Es ist also wahr was die Gerüchte besagten," kommentierte er als er neben Cyneric trat, seinen Stab in der Hand. "Bard II., der König von Thal, wurde hier in Dol Guldur gefangen gehalten. Noch steckt Leben in ihm! Ich werde versuchen, ihn vor dem Tod zu bewahren."
Glorfindel und Erkenbrand kamen ebenfalls heran, gefolgt von Thranduil. Saruman berührte mit der Spitze seines Stabes die Brust des schwer verwundeten Mannes und sprach leise, aber deutliche Worte in einer Sprache, die Cyneric nicht verstand. Alle ringsum schienen den Atem anzuhalten, gebannt von der Zauberkraft Sarumans. Einen langen Moment verharrte der Zauberer in dieser Position, dann hob er die Hand und legte sie Bard auf die Stirn. Als er sie kurz darauf wieder wegnahm, ging ein Zittern durch Bards Körper, und der Mann schlug die Augen auf.
"Ich bin Saruman," erklärte der Zauberer als Bards Blick ihn fixierte. "Du schuldest mir dein Leben. Aus der Gefangenschaft Mordors bist du befreit und du wirst dich vollständig erholen."
"Danke," war alles was Bard als Antwort hervorbrachte.
"Deinen Dank benötige ich nicht, aber vielleicht werden deine Dienste von Nutzen sein. Wir werden darüber sprechen, wenn es dir besser geht. Schlafe nun," gab Saruman zurück, mit einem Tonfall der Cyneric vorkam, als sorge sich der Zauberer wie ein gütiger Freund um den See-Mensch, und verlange nichts als einen kleinen Gefallen im Gegenzug. Gerecht und sanftmütig erschien Saruman jenen, die im Bann seiner Stimme standen. Einzig die Elben schienen weniger von seinen Worten beeinflusst zu sein.
"Die Schlacht um Dol Guldur ist gewonnen," sagte Glorfindel. "Wie kommt es, dass ich Krieger hier in der Festung zurückließ, um unseren Rückweg freizuhalten als wir den Turm stürmten, doch diese nun alle verschwunden sind?"
"Ihre Dienste wurden hier nicht weiter benötigt," erklärte Saruman. "Sie haben tapfer gekämpft und können sich nun ausruhen. Meine Diener werden diesen Ort des Bösen reinigen und instand setzen."
"So soll also Dol Guldur ein Stützpunkt der Weißen Hand werden, wie es auch der Goldene Wald ist?" wollte Erkenbrand wissen.
"Ich habe die Mittel, um diese Festung zu einem Bollwerk gegen Sauron zu machen," gab Saruman zurück. "Sage mir nicht, dass die Rohirrim und Elben hier länger als nötig verweilen wollten, denn ich weiß, dass dem nicht so ist. Ihr wollt zurückkehren nach Rohan, nun, da wir uns diesen wichtigen Sieg erkämpft haben."
"Unsere Aufmerksamkeit muss sich nun nach Norden wenden," warf Thranduil ein. "Wir werden das Waldlandreich zurückerobern, wie es versprochen wurde."
"Das werden wir," sagte Saruman. "Sobald Dol Guldur gesichert wurde und gegen Angriffe aus Süd und Ost bestehen kann. Ich habe das Versprechen nicht vergessen, Thranduil. Du wirst dein Königreich zurückerhalten. Doch wie ist es euch an der Turmspitze ergangen?" fragte er.
"Elfhelm ist gefallen", sagte Erkenbrand traurig. "Zwar wurde der Ringgeist geschlagen, doch der zweite Kommandant entkam."
"Er wird Khamûl Bericht erstatten," fügte Glorfindel hinzu. "Ich fürchte, unser Krieg ist noch lange nicht vorbei."
"Kriege fordern immer Opfer," antwortete Saruman. "Wichtig sind die Ergebnisse. Wir haben den Sieg errungen und Sauron gezeigt, dass er Grund zur Furcht haben sollte. Möge er in seinem Dunklen Turm erzittern!"
Glorfindel schien nicht zufrieden damit zu sein, dass Saruman sich Dol Guldur zu eigen machte, war jedoch vom Kampf gegen den Ringgeist zu erschöpft um die Diskussion weiterzuführen.
"Wir alle brauchen nun Ruhe", sagte er. "Morgen sollten wir entscheiden, wie wir weiter vorgehen."
"Ich habe Wachen aufgestellt, die aufmerksam nach weiteren Feinden Ausschau halten", sagte Thranduil. "Es wird keine Überraschungsangriffe mehr geben ohne dass wir vorher davon erfahren."
Cyneric folgte den Heerführern durch die Bresche hinaus zurück zum Heerlager der Freien Völker. Er war froh, die Schlacht ohne größere Verletzungen überstanden zu haben und hoffte, dass Irwyne im Heerlager wenig oder nichts von der Schlacht mitbekommen hatte. Er konnte sich vorstellen, dass die Heiler nun viel zu tun haben würden.
Glorfindel, Erkenbrand, Thranduil, Bard und Cyneric mit den Überlebenden zum Heerlager der Freien Völker