Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Umbar
Edrahils Versteck
Eandril:
Edrahil musste über Valion schmunzeln. Vielleicht konnte der Junge doch zu etwas nütze sein, wenn er nur etwas mehr von dieser, zwar übertriebenen aber doch ehrlich gemeinten, Ernsthaftigkeit an den Tag legen würde.
Und obwohl er sich über ihren Übereifer was die Befreiung Ethirs anging, ärgerte, stimmte die Ehrlichkeit der Zwillinge ihn ein wenig milder. Auch wenn sie nicht allzu vorrauschauend dachten, meistens meinten sie es gut - meistens.
Das Verlöbnis Lóthiriels mit diesem Qúsay war eine nicht allzu willkommene Überraschung gewesen, aber er musste unwillig eingestehen, dass es vermutlich die beste Methode war, das Bündnis mit Hasaels Neffen zu festigen. Doch der Bericht der Zwillinge warf noch mehr Fragen auf.
"Langsam", sagte er. "Wir können nicht einfach in den Fürstenpalast stürmen und die Prinzessin befreien. Eigentlich können wir nicht einmal sicher sein, dass sie überhaupt dort gefangen gehalten wird, also müssen wir zunächst Informationen sammeln. Ich weiß, dass Planung und Geduld nicht unbedingt eure Stärke sind", diese Spitze konnte er sich nicht verkneifen, "aber in dieser Angelegenheit ist beides von höchster Wichtigkeit."
Als er den Ausdruck auf Valions Gesicht sah, hob Edrahil die Hand um einer Erwiderung des Jungen zuvor zu kommen.
"Zuerst habe ich noch ein paar Fragen. Da wäre erstens, welches seiner Kinder Imrahil verlobt hat... und mit wem." Natürlich war ihm klar, dass es sich eigentlich nur um Erchirion handeln konnte. Elphir war bereits verheiratet, Lóthiriel verlobt und Amrothos irgendwo im Norden, also blieb nur sein Zweitgeborener. Und Valirë hätte es vermutlich nicht erwähnt, wenn nicht sie selbst mit ihm verlobt worden wäre. Seine Frage war an sich also überflüssig gewesen, doch er hasste Andeutungen. Wenn man ihm etwas berichtete, dann erwartete er eindeutige Informationen.
"Und zweitens bin ich in der Lage zu rechnen, und ihr habt länger von Dol Amroth nach Umbar gebraucht als zu erwarten wäre. Also seid ihr auf dem Weg entweder in Schwierigkeiten geraten oder habt einen Umweg gemacht."
Fine:
Valirë blickte zu Boden. "Ich bin es," sagte sie leise. "Imrahil hat mich mit Erchirion verlobt."
Edrahil nickte und Valion erkannte, dass er sich genau das bereits gedacht hatte.
"Ihr habt die Verlobung verpasst," merkte er an. "Nicht, dass sie der Rede wert gewesen war. Doch sie war Teil von Imrahils Urteil. Und Erchirion ist wirklich nicht die schlechteste Wahl..."
Dies entlockte seiner Schwester tatsächlich wieder ein kleines Lächeln. Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sagte: "Unser Schiff ist die Súlrohír, die uns der Tirn Aear Amros freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat." Ihr Tonfall nahm wieder ihren typischen zweideutigen Klang an, was ihr einen Schubs von ihrem Bruder einbrachte.
"Südlich von Lontirost gerieten wir in eine Flaute," fuhr Valion fort, "und die südliche Mündungsströmung des Anduins trieb uns weg von Tolfalas und dem Festland. Drei Tage trieben wir auf dem Meer umher bis endlich ein glücklicher Westwind auffrischte und wir Kurs auf Umbar setzen konnten. Doch offenbar waren wir schon weit nach Süden gekommen, weshalb wir nach einer vorsichtigen Fahr gen Osten nicht auf das Kap von Umbar, sondern auf die Insel Tol Thelyn trafen. Diese Insel... tauchte in den Seekarten nicht auf, sondern war nur noch auf einem ganz alten Dokument eingezeichnet und anscheinend in Gondor in Vergessenheit geraten. Auf ihr steht ein hoher Turm von númenorischer Bauart, der jedoch erst kürzlich in Flammen gestanden haben muss. Wir gingen an Land und fanden nichts als Verwüstung vor."
Die Zwillinge schwiegen einen Augenblick. Vor seinem Inneren Auge sah Valion erneut die Zerstörung auf Tol Thelyn vor sich, und Thorongils düsteres Gesicht tauchte vor ihm auf.
"In der Nähe des Turmes trafen wir auf einen Mann namens Thorongil," sagte Valirë.
"Sein richtiger Name war Beorn, Hadors Sohn vom Turm," warf Valion ein, doch seine Schwester brachte ihn mit einem Wink zum Schweigen.
"Er erzählte uns, dass Suladan die Insel, die einst ein Außenposten der Dúnedain Harads gewesen war, angegriffen und zerstört hatte," fuhr sie fort. "Doch er sagte auch, dass zwei Schiffe am Hafen gefehlt hätten als er dort gewesen war. Vielleicht haben also einige dieser Dúnedain überlebt. Er blieb auf der Insel zurück, entschlossen, die Reste seines Volkes zu sammeln."
Erneut trat eine kurze Pause ein, doch Valion sah, wie Edrahil ihn aufmerksam anblickte, den Rest des Berichts abwartend.
"Nun, wie dem auch sei..." setzte Valion den Bericht fort. "Nachdem wir unsere Wasservorräte aufgefrischt hatten setzte uns der Kapitän am Leuchtturm am Eingang der Bucht von Umbar ab, und wir fuhren mit einem Fischerboot den Rest der Strecke bis zum Hafen, wo wir für etwas Ablenkung sorgten. Und nun sind wir hier..."
Eandril:
Bei der Erwähnung von Tol Thelyn zuckte Edrahil innerlich zusammen, zeigte nach außen allerdings keine Regung.
"Diese Insel klingt interessant", sagte er langsam, nachdem die Zwillinge ihren Bericht beendet hatten. Die Verbindung zu Narissa war ihm klar, auch wenn das Mädchen behauptet hatte, dass niemand außer ihr und Bayyin Suladans Angriff überlebt hätte. Hatte sie gelogen weil sie ihm nicht getraut hatte, oder wusste sie nichts von den anderen Überlebenden. Edrahil stützte die Arme auf den Tisch, legte die Fingerspitzen zusammen und beschloss, sein Wissen über die Insel für den Moment nicht offen zu legen.
"Vielleicht könnten diese Dúnedain uns eines Tages noch nützlich sein. Es ist gut dass ihr euch doch noch entschließen konntet, mir davon erzählen", meinte er mit sanftem Spott. "Aber für den Moment sollte unsere Aufmerksamkeit anderen Dingen gelten. Bayyin, den ihr vorhin gesehen habt, hat einige Zeit als Fälscher gearbeitet, und einige Kontakte zur Unterwelt von Umbar."
Edrahil warf Valion über die zusammengelegten Fingerspitzen einen scharfen Blick zu. "Ich werde diese Kontakte nutzen und einige der führenden Köpfe der Unterwelt dazu bringen, mit mir zusammenzuarbeiten. Ihr werdet mir dabei helfen."
Es war eine Feststellung, keine Frage. Er war der Herr der Spione von Dol Amroth, und diese beiden waren von Imrahil geschickt worden um ihn zu unterstützen, also hatten sie seinen Befehlen Folge zu leisten.
"Das reden werde ich übernehmen - mal abgesehen davon, dass ihr euch vermutlich gar nicht mit ihnen verständigen könntet, benötigt man dazu auch ein wenig mehr Verstand als ihr vorweisen könnt. Allerdings könnt ihr mit euren Waffen und dem ganzen Drumherum recht einschüchternd aussehen, also stellt euch hinter mich, verschränkt die Arme und macht ein finsteres Gesicht - das sollte ihr hinkriegen."
Edrahil war gespannt, wie weit er gehen konnte, bevor den Zwilligen der Geduldsfaden riss. Selbstverständlich hatte er nicht vor, die beiden nur zu nutzen um irgendwelche Verbrecher einzuschüchtern, denn auch wenn er nicht allzu viel von ihren Fähigkeiten was das Denken anging, hielt, wäre das doch eine Verschwendung von Potential gewesen.
Fine:
Valion musste sich eingestehen, dass Edrahil Recht hatte. Wie der Herr der Spione gesagt hatte konnten sie wohl kaum ohne einen Plan in den Fürstenpalast stürzen und alles kurz und klein schlagen bis man ihnen Lothíriel herausrückte. Doch die Idee, als besserer Leibwächter zu gebraucht zu werden gefiel ihm nicht sonderlich.
"Ich hoffe, Ihr wisst was Ihr tut," sagte er und unterdrückte seine Verärgerung. "Dies ist eine Stadt voller Abschaum und voller Feinde Gondors. Hier Verbündete zu finden, wird nicht leicht werden..."
Valirë zog eine Augenbraue nach oben. "Vielleicht sollte ich Bayyin... näher zu seinen Kontakten befragen..."
Edrahils Blick brachte sie jedoch dazu, diesen Gedanken ganz schnell beiseite zu schieben.
"Seid Ihr sicher, dass wir ihm trauen können? Immerhin verdient er sich seinen Lebensunterhalt mit Betrügereien, wie Ihr selbst sagt," warf Valion ein.
Er dachte einen Augenblick nach. Unser oberstes Ziel muss es sein, Lothíriel zu finden. Doch wir wisse nicht, ob sie überhaupt in der Stadt ist. Selbst Edrahil weiß es nicht. Also müssen wir mehr darüber herausfinden. Wenn diese Unterwelt-Kontakte sich als vertrauenswürdig erweisen, könnten wir sie dazu nutzen, in dieser Stadt einiges an Schaden zu verursachen und somit Gondor und Dol Amroth einen Vorteil im Krieg zu verschaffen.
"Also gut, Edrahil. Wir stehen fürs Erste in Euren Diensten," verkündete er. Ein Blick auf seine Schwester zeigte ihm, dass sie zwar etwas unwilliger als er selbst war, aber seiner Meinung zustimmte.
"Wen werdet Ihr als Erstes aufsuchen?" fragte er. "Wir werden sicher stellen, dass niemand es wagt, die Hand gegen Euch zu erheben - das ist ein Versprechen."
Eandril:
Edrahil bemühte sich seine Überraschung zu verbergen, denn er hatte mit allem gerechnet - trotzige Widerworte, Zornausbrüche - aber nicht das, was er bekommen hatte. Bei Valions letzten Worten lächelte er zufrieden, und sagte: "Es stimmt, was man sagt - Glas von hoher Güte klingt, wenn man dagegen schlägt."
Auf den Gesichtern der Zwillinge malte sich Verwirrung, also erklärte er: "Ich habe euch auf die Probe gestellt. Ich habe euch beleidigt, ich habe euch kleingemacht, und ich habe euch Befehle gegeben. Und anstatt zu aufzubegehren, seid ihr ja beinahe unterwürfig."
Diese Taktik hatte er früher oft angewandt, um mögliche neue Rekruten auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen. Wer nicht in der Lage war, ihm trotzdem zu bedingslos zu gehorchen, fand niemals den Weg in die Reihen seiner Spione. Und trotz des schlechten ersten Eindrucks den die Zwillinge heute bei ihm hinterlassen hatten, hatte zumindest Valion diese erste Prüfung bestanden.
"Ich werde euch also nicht lediglich als bessere Leibwächter einsetzen", stellte er nun richtig. "Das wäre Verschwendung, denn es gibt für euch noch deutlich mehr sinnvolle Einsatzmöglichkeiten, und ich bin niemand der seine Möglichkeiten nicht voll ausschöpft."
Er faltete die Hände auf dem Tisch, und blickte Valion direkt in die Augen. "Aber ich warne euch, missachtet einen meiner Befehle, oder leistet euch vermeidbare Fehler, und ich suche mir jemand besseren."
Fehler konnten immer passieren, auch er hatte Fehler gemacht - und in letzter Zeit sowohl Saleme als auch Hasael unterschätzt. Aber ein Verhalten der beiden wie vorhin in der Taverne fiel in die Kategorie der vermeidbaren Fehler, und was diese anging war seine Geduld begrenzt.
"Was Bayyin angeht: Ja, ich vertraue diesem Schreiber tatsächlich, seit ich seine ganze Geschichte kenne. Das hat auch nichts damit zu tun, dass wir beide unseren Lebensunterhalt mit Betrügereien verdienen", meinte er ironisch. "Aber er hat allen Grund Suladan und Mordor zu hassen, und keinen mich zu verraten solange wir einander helfen können. Möglicherweise wird es in Zukunft zu euren Aufgaben gehören ihn zu unterstützen, während er nach etwas sehr wichtigem sucht." Der Blick, den er Valirë dabei zu warf ließ keinen Zweifel daran, dass er genau verstanden hatte, wie genau sie Bayyin nach seinen Kontakten befragen wollte.
"Nun ja, vielleicht eher zu Valions Aufgaben." Valion war zwar nach allem was er wusste kein Stück besser als seine Schwester, doch bei ihm bestand immerhin nicht die Gefahr, dass er versuchen würde den Schreiber zu verführen - womit Valirë wie er Bayyin einschätzte möglicherweise sogar Erfolg hätte.
Edrahil zog den Brief, den er vorhin angefangen auf dem Tisch liegen gelassen hatte, zu sich heran. "Ich selbst werde übrigens keinen dieser Schmuggler und Bandenanführer aufsuchen, sondern per Brief mit ihnen Kontakt aufnehmen. Dieser hier", er deutete auf den Brief vor sich, "ist zum Beispiel an einen Schmuggler namens Izem, dessen Spezialität der Schmuggel von Waffen in und aus der Stadt ist, um die Steuern die auf Waffenhändler erhoben werden, zu umgehen. Irgendwann, wenn ich mir sicher genug bin dass er mir helfen wird, werde ich ihn und einige andere an einem geeigneten Ort versammeln, und dazu bringen mit mir zusammen gegen Hasael vorzugehen."
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