Halarîn, Adrienne und Kerry vom Versteck des SternenbundsMathan und Ardóneth aus der Stadt"Hallo," sagte Kerry, ungewöhnlich schüchtern auftretend. Sie blickte Mathan freundlich an, winkte ihm zu und trat dann zu Ardóneth, der den Seilzug beobachtete und zusah, wie Holzbalken in die Höhe getragen wurden.
Sie zögerten einen Augenblick, doch dann ergriff sie die Hand des Waldläufers und zog ihn ein Stück beiseite, weg von Halarîn, Mathan und Adrienne, denen sie ein entschuldigendes Lächeln schenkte. Sie würde später noch einmal mit ihnen reden, doch nun gab es eine wichtige Angelegenheit, die sie klären musste. Bevor sie mit Halarîn und Adrienne die Rüsthalle verlassen hatte, hatte sie sich umgezogen und die Ohrringe angelegt, die Ardóneth ihr vor dem Aufbruch nach Bree geschenkt hatte. Sie hatte ihre Haare so geflochten, dass ihre Ohren gut sichtbar waren.
"Hör zu, Ardan..." sagte sie, während sie weiter an seiner Hand zog und ihn in Richtung der Treppen lenkte, die auf die Mauer oberhalb des Tores führten.
"Ich möchte mich bei dir für mein Verhalten entschuldigen."
Sie kamen oben an und Kerry setzte sich auf eine der Zinnen, mit Blick über den Grünweg der von Fornost nach Süden führte.
"Es ging mir nicht allzu gut und du wolltest nach mir sehen, das ist mir jetzt klar geworden nachdem ich mit Gandalf und mit Halla gesprochen habe. Es tut mir Leid, dass ich dich weggeschickt habe...."
Ardóneth lehnte sich an die Zinne neben Kerry und blickte ihr verwundert ins Gesicht.
"Also, damit habe ich jetzt nicht gerechnet," sagte er. Eine kurze Pause trat ein, dann sprach der Dúnadan weiter: "Es freut mich, dass du die Ohrringe trägst, Kerry. Sie stehen dir sehr gut."
"Wirklich? Findest du?" fragte Kerry und spürte, wie ihre Wangen sich erwärmten. Sie hatte es sich selbst nicht richtig erklären können, warum sie die Ohrringe gerade jetzt angelegt hatte. Dazu würde sie sich noch Gedanken machen müssen...
"Ja, wirklich. Deswegen habe ich sie ja ausgesucht," antwortete Ardóneth. "Ich dachte mir schon, dass sie hübsch an dir aussehen würden. Nicht, dass du sie nötig hättest..."
Kerry wusste nicht recht, wie sie damit umgehen sollte. Auch sie hatte nicht mit solchen Worten gerechnet, auch wenn sie sich geschmeichelt fühlte.
"Also... heißt das, du nimmst die Entschuldigung an? Ich würde es verstehen, falls nicht... Mein Verhalten dir gegenüber war nicht in Ordnung, und es tut mir Leid."
Ardóneth zeigte ihr ein Lächeln. "Kerry, du vergisst, dass ich verheiratet war. Ich glaube, ich weiß, was mit dir los war." Der Waldläufer zwinkerte ihr zu. "Natürlich nehme ich die Entschuldigung an. Wie wäre es, wenn du mir zur
Wiedergutmachung erzählst, was du und Rilmir in Bree gesehen habt?"
Kerry zögerte einen Augenblick.
Ob Halla ihm irgendetwas verraten hat? Doch eigentlich konnte sie sich das nicht vorstellen.
Nein, das würde sie nicht machen."Wir sind... naja, zuerst haben wir die Gruppe von Menschen verfolgt, die nach dem Tod ihres Anführers aus Fornost geflohen sind. Das war dein Werk, oder?"
Ardóneth nickte und bedeutete ihr, mit dem Bericht fortzufahren.
"Also, diese Gruppe hat sich in Bree versteckt, was bedeutete, dass wir uns in der Stadt nach ihnen umsehen mussten." Sie hielt einen Augenblick inne, fuhr dann jedoch hastig fort: "Wir fanden heraus, dass diesem schmierigen Statthalter dienten, diesem... Ich habe seinen Namen vergessen, tut mir Leid..." Sie lächelte peinlich berührt. "Der Dúnadan weiß ihn bestimmt noch. Oder Aldoc! Ja, richtig, also Aldoc und seinen Freund, den Thalier, die haben wir dort auch getroffen. Sie sind mit uns nach Fornost gekommen, wollen sich dem Sternenbund anschließen. Aber, zurück zu Bree: der Statthalter hat eine Rede gehalten und die Leute gegen die Dúnedain aufgehetzt. Aldoc glaubt, dass sie sogar am Angriff auf Fornost teilnehmen könnten. Also kamen wir so schnell wie möglich zurück, um davor zu warnen."
Sie machte eine kurze Pause und überlegte, ob sie etwas ausgelassen hatte.
"Ach ja," fiel es ihr ein. "Da war dieser Mann mit dem grünen Umhang. Er sah dir irgendwie ähnlich, Ardan. Er und seine Leibwächter trafen wir auf dem Rückweg nach Fornost. Der müsste sich auch irgendwo in der Stadt herumtreiben. Kennst du ihn vielleicht?"
Ardóneth seufzte leise. "Er ist mein Vater," beantwortete der Waldläufer die Frage. "Wir... haben uns längere Zeit nicht gesehen und auch nicht miteinander gesprochen. Weißt du, vor vielen Jahren wollte er mich gegen meinen Willen mit einer adeligen Frau verheiraten. Als ich mich geweigert habe gingen wir im Streit auseinander. Ich kehrte nach Norden zurück und er blieb in Gondor. Wir haben zwar miteinander gesprochen, aber ich schätze, es wird noch einige Zeit dauern, bis zwischen ihm und mir wieder alles wie früher sein wird..."
"Also mein Vater hat das mit mir zum Glück nicht versucht," sagte Kerry, die sich etwas zu entspannen begann. "Er war ja auch die meiste Zeit in Edoras, doch wenn er nach Hochborn kam oder ich ihn besuchte waren das immer schöne Tage."
Sie tauschten sich eine Weile über ihre Familien und Kindheit aus und erzählten einander Geschichten von früher, aus der Zeit vor dem Krieg. Eine halbe Stunde lang vergaß Kerry alles um sich herum und war frei von Sorgen und anderen Belastungen.
"Wie geht es dir gerade?" fragte Ardóneth sie schließlich. "Ich meine, wie geht es dir
wirklich? Fühlst du dich bereit für das, was kommen wird?"
Kerry schüttelte den Kopf. "Ich werde wohl nie bereit für eine Schlacht sein," sagte sie. "Aber es geht mir gut, besser als in den letzten Tagen. Es hat gutgetan, mit Halla und mit dir zu reden. Und wenn ich mir so ansehe wie fleißig alle dabei sind, die Stadt zu befestigen und für den Kampf zu trainieren, habe ich Hoffnung, dass wir alles was kommen mag überstehen werden."
"Hoffnung zu haben ist gut und wichtig," sagte Ardóneth. "Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich auch Angst. Wir wissen nicht genau, was da auf uns zukommt, nur dass es Orks aus dem Norden sind, dass es viele sind und dass sie Trolle und Warge dabei haben."
"T-Trolle?" stieß Kerry hervor. "Die gibt es also wirklich?"
Ardóneth nickte unbehaglich. "Tja, was dachtest du woher die
Trollhöhen ihren Namen haben? Doch deswegen müssen wir uns umso mehr Mühe bei der Vorbereitung geben. Es ist gut, dass sich Mathan so gut auskennt. Wir haben die Mauern befestigt und die Tore verbarrikadiert. Außerdem bauen wir gerade an einer Balliste, die uns hoffentlich gegen die Trolle gute Dienste erweisen wird. Viel Zeit bleibt zwar nicht mehr, aber ich glaube, dass wir bald so gut vorbereitet sein werden wie es uns in unserer Lage möglich ist. Wir werden diese Stadt und ihre Bewohner vor Sarumans Dienern verteidigen, koste es was es wolle."
Kerry sprang von der Zinne auf den Wehrgang herunter. "Also gut," sagte sie entschlossen. "Dann lass' uns nicht länger herumstehen und reden, sondern mit anpacken. Ich habe heute schon genug Zeit damit verschwendet, mich mit mir selbst zu beschäftigen..."
Ardóneth folgte ihr zurück auf den Hof vor dem Tor, wo sie Mathan, Halarîn und auch Adrienne weiterhin bei der Arbeit vorfanden...