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Autor Thema: Der Gundabadberg  (Gelesen 5705 mal)

--Cirdan--

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Der Gundabadberg
« am: 2. Nov 2016, 12:02 »
Aus Pallandos Sicht:

Pallando aus Angmar.

Mithrandir war zweimal ungesehen in die Festung Dol Guldur eingedrungen, die in der Geschichte der Welt mehrfach erobert, zerstört, zurückerobert und wiederaufgebaut wurde, überlegte der Zauberer.
Pallando stand vor dem Gundabadberg, dessen Festung unterirdisch lag und ein unbemerktes Eindringen nahezu unmöglich machte, es sei denn er fände einen unbewachten Tunneleingang. Rote Banner wehten im kalten Nordwind. Pallando fror seit Tagen. Er hatte nicht die Ruhe lange nach geheimen Eingängen zu suchen, zudem war es eh wahrscheinlich, dass er sich in der Festung offenbaren musste.

In größter Eile war der blaue Istar die letzten Tage durch das Gebirge von Angmar nach Gundabad gewandert, nachdem er erkannt hatte, dass Sarumans Kriegsheer aus Carn Dûm in Richtung des ehemaligen Arnors marschierte um nach Pallandos Vermutungen die Menschen, Elben und Halblinge anzugreifen.

Innerlich zweifelnd welche Folgen seine Taten haben würden, äußerlich versucht ruhig, schritt Pallando auf den großen Westeingang des Berges zu. Das Tor und die Verteidigungsanlagen waren zwergischer Bauart, nicht aber die Waffen der Wachen. Ein knappes dutzend Orks stand vor dem Eingangstor Saurons nördlichster Festung. Mit Speer und Axt, Pfeil und Bogen wurde Pallando bedroht, der unbeirrt mit nichts als seinem Stab in der Hand auf die Wächter zuging.

„Hörst du mich nicht singen, ich zwitschere Lobeshymnen auf die Wachen in denen sogar Orks oben stehen“, sprach der Zauberer, „komm wir gehen, gehen zusammen den Gang runter, denn das Wrack ist ein Ort an dem dein Boss schlummert. Lass die Waffen lieber liegen, lieber neue Waffen anstatt Waffen lange tragen.“

Pallando trat ein und ließ sich von drei der unbewaffneten Orks den Weg durch die Gänge zeigen. Ein schwaches Leuchten ging von Pallandos Zauberstab aus, das ihm und den Orks ein Licht in der Dunkelheit war.
„Einst war Bolg euer Herrscher“, murmelte Pallando zu den Orks, vorübergehend bin ich es, aber wer führt euch eigentlich? Ein Scharlatan, ein begünstigter Saurons, oder wieder einer aus der Linie Azogs?“
„Nein!“, donnerte es, „ein König bin ich. Schon einst nördlichster König gewesen von neun. Nie der Oberste, aber mit Abstand der Kälteste.“ Pallandos Licht erlosch und er stand in völliger Finsternis der zischenden Stimme ausgeliefert. „Mit meinem Fürsten kam ich, erbaute ein Reich aus Eis und Schnee. Angmar nannten wir es und stürzten Rhudaur, Cardolan und Arthedain. Anders als Andere verlor ich nie den Willen wieder das Reich zu errichten und mein Herr gab mich frei, sodass ich meinem Auftrag mit aller Macht umsetzen kann.“

„Dein Herr gab dich frei?“, fragte Pallando höchst interessiert und vergaß vorübergehend, warum er eigentlich hergekommen war, „ich hörte davon, du Schatten längst vergangener und vergessender Tage – Nazgûl. Befreit wurdest du tatsächlich, als dein Herr, dessen Name Sauron ist, dir deinen Ring zurückgab. Ist es nicht so? Von der Leine gelassen, mit Ring mächtiger denn je, doch wenn man drüber nachdenkt noch immer ein Sklave der Befehle befolgt solange Sauron den Einen Ring besitzt.“
„Schweigt Zauberer!“, und der Nazgûl ließ sein furchteinflößendes Kreischen von sich, „ihr wisst nichts über mich und meine acht Gleichgesinnten. Über dich, vom Weg abgekommenen Zaubermeister, weiß ich umso besser Bescheid. Den Tod suchst du und gefunden hast du mich, der dir geben kann was du verdienst.“

Pallandos Stab begann wieder an Licht zu spenden, Bezwinger der Dunkelheit, und langsam trat der Zauberer auf die noch immer im Dunkeln liegende Stimme zu: „Ich bin nicht gekommen um den Tod zu finden, sondern Nachricht zu bringen. Und glaubt mir, ich wäre nicht hier, wenn es nicht unbedingt nötig wäre. Also hört mich an: Der Traum vom wiedergewonnen Reich Angmar ist näher denn je. Die Festung Carn Dûm nahezu verlassen. Wenn sie jetzt angegriffen wird, fällt sie innerhalb weniger Stunden. Das gesamte Heer ist ausmarschiert nach Süden. Es greift die Städte der Menschen oder Elben an und bedenkt nicht die Macht des Ringgeistes in Gundabad. Zweifellos ist Sarumans Zeitpunkt gut gewählt für einen Angriff auf Eriador, denn Gundabads Streitmacht ist hin und her gerissen entweder den Düsterwald anzugreifen, da Saruman Dol Guldur besetzte, oder aber doch Carn Dûm.“

Die Stimme aus der Dunkelheit antwortete nicht und langsam wich die Bedrücktheit, die Pallando seit dem Auftreten des Nazgûl verspürt hatte. Es irritierte den blauen Zauberer, dass der schwarze Schatten einfach verschwand und Pallando überlegte, ob er weiter in den Berg vordringen sollte. Schritt für Schritt setzte der Istar langsam und vorsichtig, denn der Boden war uneben und abschüssig. Grade als sich der Gang öffnete in eine größere Halle, flogen dunkle Schatten auf Pallando zu. Er stolperte rückwärts und kniete sich hin, seinen Stab vor sich als Schutz. Es waren duzende Fledermäuse, die an dem Zauberer eng vorbei flogen und den Gang nach draußen nutzten.
„Sie erkunden, ob wahr ist, was du sprichst“, hörte Pallando in der unterirdischen Halle die Stimme des Nazgûl. „Und wenn es stimmt?“, fragte der Zauberer nach.
„Und wenn es stimmt“, wiederholte der Ringgeist mit zischender Stimme, „dann wirst du Qualen erleiden wie kein Zauberer vor dir. Selbst wenn es stimmt, was du sagst und wir Carn Dûm einnehmen können, gibt es für dich keine Gnade. Es gibt Verließe unter den tiefsten Hallen dieses Berges wo du warten wirst auf das Ende der Welt.“

Mehrere große Uruks traten aus der Dunkelheit und umstellten den Istar. „Lege die Waffen nieder“, forderte der Nazgûl und Pallando legte Schwert und Stab zu Boden. Forellen gibt es hier wohl nicht, bedauerte Pallando. „Folgt den Wachen!“, befahl der Herr von Gundabad, „und sprecht eure letzten Worte, Herr Zauberer.“
Pallando überlegte kurz, dann sprach er laut und deutlich: „Wir beide sind Feinde Sarumans.“
Pallando wurde durch den Gundabadberg geführt und stieg hunderte von Zwergen erbaute Treppenstufen hinab, bis man ihn schließlich hinter Gittern einschloss.

Nicht zum letzten Mal hoffte Pallando, dass seine Worte ihre Wirkung nicht verfehlt hatten und der Nazgûl den Befehl zum Angriff auf Carn Dûm geben würde.
« Letzte Änderung: 9. Jan 2019, 15:44 von Fine »

Fine

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  • Ich hab da ein ganz mieses Gefühl bei der Sache...
In den Tiefen des Gebirges
« Antwort #1 am: 16. Mai 2017, 23:03 »
Aus der Sicht Pallandos:

Stunden, Tage und Wochen verschwammen hier unten an den Wurzeln des Gebirges und in der immerwährenden Dunkelheit verlor die Zeit jegliche Bedeutung. Dennoch blieb Pallando nicht untätig. Er streckte seine Sinne so weit aus, wie er konnte, und sandte geheime Botschaften in Erde, Luft und Gestein, die nur Wesen, die älter als die Welt selbst waren, vernehmen konnten. Er, der einst als einer der Jäger Oromës über die weiten, wilden Ebenen Ardas gestreift war und viel gesehen und gehört hatte, erinnerte sich nach einiger Zeit daran, dass es selbst in einer solche hoffnungslosen Situation, in der er sich befand, immer die Möglichkeit auf einen Ausweg bestand. Er hatte seinen Teil dazu beigetragen, den Angriff Sarumans auf Fornost zu vereiteln, wie er bald schon aus den Gesprächen seiner Bewacher erfuhr. Ebenso war der Überfall, den der Nazgûl auf Carn Dûm befohlen hatte, gescheitert und seitdem gab es ständige Gefechte im Grenzgebiet zwischen den beiden orkischen Reichen. Auch im Süden von Gundabad hörten die Kämpfe kaum mehr auf, denn vor allem der Hohe Pass war ein umstrittenes Gebiet, der immer wieder von Orks aus Moria angegriffen wurde.
Die Weiße Hand und das Rote Auge zerfleischen sich gegenseitig, dachte Pallando mit einiger Genugtuung. Zumindest dafür hatte er mit seinem mutigen Gang nach Gundabad gesorgt. Dennoch gab es Augenblicke, in denen er mit dieser Entscheidung haderte. Dann fragte er sich, ob er nicht gerade jetzt anderswo gebraucht wurde und ob sein Wissen und seine Macht in diesem lichtlosen Verlies nicht verschwendet waren. Doch an eine Flucht war momentan nicht zu denken. Der Ringgeist hatte Gundabad stark befestigen lassen, und überall wimmelte es von Orks. Pallando hatte seinen Stab verloren, und war unbewaffnet. Seine Kräfte würden gewiss ausreichen, um sich aus seiner Zelle zu befreien, doch gegen die gesamte Garnison der dunklen Festung konnte er nicht bestehen.

Der Zauberer erwachte aus einem unruhigen Schlaf. Sein Zeitgefühl sagte ihm, dass es draußen, unter dem blauen Himmel, ungefähr Mittag sein musste. Doch in dieses Verließ drang bis auf den roten, flackernden Schein der Fackeln kein Lichtstrahl.
Pallando kam auf die Beine und konzentrierte sich, um wie üblich eine verborgene Botschaft in der Sprache der Maiar auszusenden. Da stellte er fest, dass sich etwas verändert hatte. Irgendetwas liegt in der Luft, dachte er. Er spitzte die Ohren und streckte alle seine Sinne aus, um herauszufinden, was vor sich ging. Vor dem Gitter, das ihn einsperrte, waren die krummen Gestalten von drei Orks zu erkennen, die gelangweilt Wache standen. Sie hatten nichts mitbekommen. Pallando hingegen spürte nun immer deutlicher eine Veränderung, die sich vor allem durch eines zeigte: Es wurde kälter. Doch war es keine beißende, schneidende Kälte, sondern sie hatte etwas vertrautes an sich, das ihn an die Zeit vor dem Aufgang von Sonne und Mond erinnerte...
Ein kühler Lufthauch rauschte durch den Gang, in dem Pallandos Zelle lag, und die Fackeln verlöschten alle gleichzeitig. Die Kälte war intensiver geworden. Die Ork-Wachen zogen ihre Waffen und riefen einander Worte in ihrer Sprache zu, die nach Verwirrung und Verärgerung klangen. Und dann sprang mit einem Mal ein blitzendes, bläuliches Licht zwischen ihnen aus der Dunkelheit hervor. Eine lange, schlanke Klinge, die dreimal auf- und niederfuhr. Alle drei Orks brachen tot zusammen und das Licht verschwand wieder.
Pallando stand an dem stählernen Gitter, das ihn von der Freiheit trennte und als er die Hand daran legte, spürte er, wie das Metall kälter und kälter wurde. Und da endlich wusste er, wer zu seiner Rettung gekommen war, denn dies hatte er schon einmal gesehen - vor so langer Zeit, dass er sich kaum noch daran erinnerte. Er stieß mit der flachen Hand gegen das Gitter, und es zerbrach wie Glas, wie der Zauberer es erwartet hatte.
"Du erinnerst dich also," sagte eine Stimme; streng und hart wie der Winter, aber gleichzeitig voller Wiedersehensfreude und sogar ein klein wenig Belustigung.
"Ringelendis, Wächterin des Nordens," antwortete Pallando. "Welch eine Ehre, von dir befreit zu werden. Ich wusste nicht, ob jemand kommen würde."
"Ich habe deine Nachricht empfangen, alter Freund. Und jetzt bin ich hier. Ungesehen und unbemerkt, zumindest bis jetzt."
Erleichterung überkam Pallando. "Du hast es tatsächlich geschafft, dich bislang zurückzuhalten?" fragte er und ließ etwas Verwunderung anklingen. Seine alte Freundin war seit der altvorderen Zeit nicht gerade als subtil bekannt gewesen.
"Wir lernen alle hin und wieder etwas dazu, mein Lieber," gab Ringelendis zurück und Pallando konnte ihre weißen Zähne aufblitzen sehen als sie lächelte. "Und außerdem lag deine Befreiung gerade auf dem Weg. Weißt du, ich habe meinen Erstgeborenen getroffen, bei Cirith Forn en Andrath. Von dort liegt der Berg des Erwachens geradezu auf dem Heimweg."
"Dies ist Gundabad," korrigierte Pallando, doch Ringelendis schüttelte sanft den Kopf.
"Ein zwergischer Name für den Ort, an dem einst der erste ihrer sieben Väter erwachte. Doch jetzt ist es ein schmutziges Madenloch geworden."
"Das ist schon seit vielen Jahrhunderten so," merkte Pallando an. "Im gesamten Dritten Zeitalter haben hier keine Naugrim mehr gelebt."

Ringelendis schien genug von diesem Thema zu haben, denn sie stützte die Hände in die Hüften und atmete scharf aus, wodurch Pallando ein eiskalter Windhauch durch Bart und Haare fuhr. "Wie dem auch sei. Wir sollten hier nicht verweilen. Wie ich sehe, haben dir deine Gastgeber deinen Stab abgenommen. Hast du eine Ahnung, wo sie ihn verwahren könnten?"
"Leider nicht," gab Pallando zu. "Ich schätze, der Thronsaal auf der obersten Ebene wäre in dieser Hinsicht womöglich einen Besuch wert, aber dort werden viele Orks unterwegs sein."
"Orks fürchte ich nicht," stellte Ringelendis ungerührt klar. "Sie sind nicht mehr als Insekten. Zertretbare Insekten."
"Ich fürchte, wir werden dort mehr als nur Orks vorfinden, alte Freundin. Diese düstere Festung wird von einem der Neun regiert - Uláire Morféa, falls dir das etwas sagt."
"Ein Ring-geist, Kreatur des Schattens?" wiederholte Ringelendis. "Ich habe davon gehört. Die schattenhaften Hüllen sterblicher Menschen können sich mit uns nicht messen."
"Vergiss nicht, dass sie ihre Macht vom Dunklen Herrscher selbst beziehen, dessen Kraft mit jedem Tag wächst," wandte Pallando ein. "Und selbst du kämst nicht gegen seine immense Stärke an."
Ringelendis gab ein verärgertes Geräusch von sich, nickte dann jedoch. "Also gut. Deine Umsicht hat sich früher auch immer wieder bezahlt gemacht. Ich werde den Schatten nicht unterschätzen."
"Gut," sagte Pallando nickend. "Dann lass uns gehen."

Gemeinsam eilten sie durch die wenig beleuchteten Gänge unter der Ork-Festung, die sich tausendfach durch die Wurzeln des Gebirges wanden und verzweigten. Mehr als einmal liefen sie in eine Sackgasse und mussten umkehren, und entgingen mehrere Male nur knapp einer Entdeckung. Ringelendis hatte ihr Schwert an ihrer Hüfte befestigt und trug nun einen großen, zweihändigen Kriegshammer in beiden Händen, während Pallando noch immer unbewaffnet war. Die beiden Maiar wählten ihren Weg nach Gefühl und ließen sich von ihren Instinkten leiten. Und so kamen sie mit der Zeit tatsächlich immer weiter nach oben, bis Pallando eine Stelle wiedererkannte.
"Hier geht es zum Thronsaal," stellte er fest.
"Und da vorne befindet sich wohl eine Art Waffenkammer," meinte Ringelendis, die den Gang hinab spähte.
"Durchsuchen wir sie," schlug Pallando vor. Rasch überquerten sie den breiten Gang, in den die Treppe gemündet hatte der sie auf diese hohe Ebene gefolgt waren. Noch immer war es verdächtig still. Pallandos Flucht was seiner Zelle war offenbar noch nicht bemerkt worden. Doch als sie den Hauptgang überquert und in die Waffenkammer eintraten, die beinahe direkt gegenüber lag, fanden sie sich Auge in Auge mit einer aufmerksamen Ork-Wachmannschaft, die sofort ihre Waffen zogen. Die Zeit für Heimlichkeit war damit endgültig vorbei.
Ringelendis schwang den Kriegshammer in einem weiten Bogen und holte damit drei Orks von den Füßen. Mit raschen Bewegungen machte sie kurzen Prozess mit dem Rest der Wachmannschaft, doch nicht ehe einer der Orks in ein kleines Horn gestoßen hatte, das er bei sich trug. Ein misstönender Klang hallte durch den Berg, und wurde schon wenige Augenblicke danach aus der Ferne beantwortet.
"Sie kommen," stellte Pallando nüchtern fest.
"Such deinen Stab - ich halte sie solange auf," rief Ringelendis und stellte sich an die Schwelle zur Waffenkammer.
Pallando folgte der Aufforderung seiner alten Freundin und sah sie hektisch in der großen Kammer um. Dort befanden sich allerlei krude Ork-Waffen: Speere, Schwerter, Schilde, Bögen und Armbrüste, und einige von Zwergen erbeutete Rüstungsteile und Waffen. Und tatsächlich lehnte in einer der Ecken Pallandos Stab: verschmiert mit einer dunklen Flüssigkeit, die nach Orkblut aussah, aber ansonsten war er intakt. Rasch ergriff Pallando das Artefakt und ließ den Kristall an der Spitze hell aufleuchten. Sein Schwert war nirgends zu sehen, und so nahm er sich eine kurze Klinge nach Zwergenart, die ihm gut gefiel.
Während seiner Suche waren in seinem Rücken die Kampfgeräusche lauter und lauter geworden und als der Zauberer sich umdrehte, stellte er fest, dass Ringelendis nicht untätig geblieben war während er sich bewaffnet hatte. Die Maia des Eises war umringt von Orks, die jedoch aufgrund der Reichweite ihres Kriegshammers kaum an sie herankamen und einer nach dem anderen rasch gefällt wurden. Doch Pallando sah, wie sich am Ende des Ganges, in den Ringelendis hinaus getreten war, Bogenschützen sammelten. Rasch eilte er ebenfalls aus der Waffenkammer und stellte sich Rücken an Rücken mit seiner Verbündeten. Er konzentrierte sich und sammelte Energie in der Spitze seines Stabes. Als die Pfeile heranflogen, wischte er sie mit einer einzigen Bewegung beiseite.
"Weiter zum Thronsaal!" rief Pallando Ringelendis zu, die die Luft merklich abgekühlt hatte und noch immer Tod und Verderben unter ihren Feinden säte. "Dahinter liegt der östliche Ausgang des Berges!"
Anstatt zu antworten schwang seine Freundin ihre große Waffe und zerschmetterte mehrere Orks, deren Leiber gegen eine Wand geschleudert wurden. Durch den Schwung durchbrach der schwere Hammerkopf mit einem Poltern das brüchige Mauerwerk. Ringelendis schien das nicht zu stören, denn sie zog die Waffe zurück und ließ sie auf einem kräftigen Ork niederfahren, der mit einem splitternden Schmatzen zerquetscht wurde.

Sie kämpften sich weiter den Gang entlang, und Pallando beschränkte sich einstweilen darauf, Pfeile abzuwehren und Ringelendis mit seiner zwergischen Klinge den Rücken zu decken, während sie Ork um Ork mit ihrem Hammer erschlug. Dann traten sie in den Thronsaal ein, der von fahlem Licht aus ungesund leuchtenden Lampen beleuchtet wurde. Und dort saß eine schattenhafte Gestalt auf dem Thron, vor den Pallando vor Wochen getreten war um die Horden Gundabads zum Angriff auf Carn Dûm zu verleiten. Die Orks unterbrachen ihre Angriffe und eine unheilvolle Stille legte sich über die Halle, während Pallando und Ringelendis sich dem Thron näherten: Er vorsichtigen Schrittes, sie unbeeindruckt und voller Tatendrang.
"Gib den Weg frei, oder ich zerschmettere dich wie ich jeden deiner erbärmlichen Diener zerschmettert habe," forderte die Maia.
Eine zischende, finstere Stimme antwortete ihr. "Hier endet euer Weg. Keiner von euch wird diesen Ort lebend verlassen."
"Da liegst du falsch," gab Ringelendis kühl zurück. "Du bist es, der den Tod finden wird - endgültig."
"Solange mein Meister lebt, werde ich fortbestehen, und euch bis in eure Träume verfolgen," drohte der Schatten.
Pallando ließ den Kristall an der Spitze seines Stabes heller aufstrahlen und die Orks wichen zurück. "Das Licht wird immer über die Dunkelheit triumphieren, Diener des Verfluchten."
"Wir werden sehen, Zauberer," zischte der Nazgûl. "Wir werden sehen..."
Eine fahle Klinge sprang hervor und der Schatten huschte vorwärts, direkt auf Pallando zu. Gerade rechtzeitig riss er das zwergische Schwert hoch, und Funken stieben in alle Richtungen als er den Hieb parierte. Mit einem raschen Wort in der Sprache Valinors ließ Pallando seinen Stab auf den Schatten niedergehen und stieß ihn damit mehrere Meter von sich. Der Zauberer konzentrierte sich, während Ringelendis im Hintergrund die Orks von ihm fernhielt. Dabei erklang immer wieder das Geräusch von zerberstendem Eis, doch Pallando konnte keinen Blick auf den Kampf um ihn herum riskieren, denn der Ringgeist erwies sich als stärker, als er gedacht hatte. Der Schatten setzte ihn mit nicht nachlassenden Schwerthieben unter ständigen Druck, die Pallando nur mühsam abwehren konnte. Zu geschwächt war er durch die lange Isolation in den Verließen, während der er nur selten mit Nahrung versorgt worden war. Immer wieder gelang es ihm, den Nazgûl mit Magie zurückzudrängen, doch damit erkaufte er sich immer nur eine kurze Atempause. Die Kräfte des Ringgeists schienen unerschöpflich zu sein, wohingegen Pallando mit jeder Minute schwächer wurde. Als der Schatten ihm schließlich das Schwert aus der Hand schlug, überlebte Pallando nur durch Ringelendis' Eingreifen, denn die Maia sprang zwischen ihn und den Schatten und wehrte den Hieb mit ihrem Hammer ab. Und dann ging sie auf den Ringgeist los, der ihren wütenden Schlägen wieder und wieder auswich. Der Zauberer hob sein Schwert auf und blickte sich vorsichtig um. Viele Orks waren gefallen, doch ebenso viele waren noch am Leben und hielten nun respektvollen Abstand zu den beiden mächtigen Gestalten, die sich in der Nähe des Thrones bekämpften.
Ringelendis hob den Hammer hoch über ihren Kopf und ließ ihn mit einem verheerenden Schlag auf den Nazgûl niedergehen, der es nur um Haaresbreite schaffte, dem Treffer zu entgehen. Doch anstatt auszuweichen glitt der Schatten vorwärts, durchbrach Ringelendis' Deckung und fügte ihr einen tiefen Schnitt am Oberarm zu. Aufschreiend ließ sie den Kriegshammer fallen, und Pallando setzte sich in Bewegung, um seine Freundin vor dem sicheren Tod zu bewahren. Ehe er jedoch auch nur wenige Meter weit gekommen war schoss Ringelendis' unverletzter Arm vor und packte den Ringgeist an der Stelle, wo der Hals sein sollte, und wo die schattenhafte Kapuze endete. Ihre Augen leuchteten tiefblau auf als sie ein einzelnes, machtvolles Wort rief: Asci! Und der gesamte Körper des Schattens schien zu erstarren, überzogen von einer dicken Eisschicht.
Schwer atmend ließ die Maia los und Pallando eilte an ihre Seite. Sie hob den Kriegshammer auf, und zerschmetterte das Eis mit einem einzigen Hieb, der jedoch auch ihre Verletzung am Arm vergrößerte. Doch von ihrem Feind waren nichts als leere, schwarze Roben übrig geblieben, die in Fetzen am Boden verstreut lagen. Pallandos Atem stand in kleinen Wölkchen vor seinem Mund, denn die Temperatur war so rapide gefallen - ebenso wie der feindliche Anführer - dass sämtliche Orks das Weite suchten.

"Lass mich nach deiner Wunde sehen," sagte Pallando, und fuhr, ohne auf eine Antwort zu warten, mit der Hand über den Schnitt, aus dem Blut lief. Mit der letzten Kraft, die ihm geblieben war, stillte der Zauberer die Blutung, und eine dünne Eisschicht legte sich über den Schnitt, wofür Ringelendis selbst verantwortlich war.
"Das verheilt schon bald," meinte sie unbekümmert. "Wir sollten zusehen, dass wir hier verschwinden."
Gemeinsam verließen sie den Thronraum am östlichen Ende. Niemand hielt sie auf, bis sie das große Tor Gundabads passiert hatten und das nördliche Ende des Tals des Anduin vor ihnen lag.
Ringelendis atmete aus, als sie in die Sonne traten und genoss offenbar die frische Luft. Pallando tat es ihr gleich und war froh, endlich von diesem verdorbenen Ort entkommen zu sein.
"Kein Vergleich zu den vergangenen Schlachten der altvorderen Tage," kommentierte seine Freundin. "Ich bin wohl etwas aus der Übung geraten...", fügte sie nachdenklich hinzu und betastete dabei ihre Wunde, die sich unter dem Eis schon fast geschlossen hatte.

Pallando ins Tal des Anduin
« Letzte Änderung: 9. Jan 2019, 16:00 von Fine »
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