Die Feier war ein großer Erfolg, seine Befürchtungen, dass die Stimmung zu belastet von der Schlacht sei, haben sich erübrigt. Mathan stand an einem Pfeiler gelehnt und schaute den Tanzenden mit einem Schmunzeln zu. Es wurde zu einem freundschaftlichen Grinsen, als er Oronêl auf der Tanzfläche sah, der mit Kerry umherwirbelte. Das Lächeln auf ihrem Gesicht war für ihn wie ein Sonnenaufgang und er wusste, dass es die richtige Entscheidung war. Wie aus dem Nichts erschien Faelivrin neben ihm mit einem Becher in der Hand. Sie erblickte ihre Schwester und auch ihre Mundwinkel hoben sich erneut. "Sie ist bezaubernd, in vielerlei Hinsicht. Ich würde sie gern noch besser kennenlernen", sagte die Elbe leicht verzückt und nippte an dem Becher. "So kenne ich dich gar nicht", antwortete Mathan mit einem Augenzwinkern woraufhin sie leise lachen musste. "Nun, ich habe wahrlich nicht viel mit Menschen zu tun gehabt, aber sie...", ihre Stimme verstummte und ihr Blick sucht den ihres Vaters.
Er ahnte, dass sie etwas Ernstes ansprechen wollte, da sie sonst nie mitten im Satz abbrach. Gemeinsam schlenderten sie etwas mehr in die Ecke des Gartens. Faelivrin überlegte eine ganze Weile lang und schien nach ihrer Mutter zu suchen. Er folgte ihren Blick, Halarîn unterhielt sich mit Adrienne am anderen Ende des Gartens. "Ich möchte es ihr noch nicht sagen, aber wahrscheinlich müssen wir bald zurückkehren." Ihre Stimme war ernst, ihr Gesicht verkniffen und es schien, als ob sie Qualen hatte dies zu sagen. "Nun, es war absehbar. Dein Volk braucht dich nunmal. Es ist so oder so ein Wunder gewesen, dass du zu diesem Zeitpunkt hierhergekommen bist", sagte er sanft und strich ihr über den Rücken, "Wir verstehen das."
Ihre Augenbrauen schnellten überrascht in die Höhe. "Nein, ich meinte das mein-"
"Verzeihung wenn ich so grob und unhöflich Euch dazwischenpresche, aber die Vorbereitungen sind abgeschlossen.", sagte Acharnor mit hochrotem Kopf und verneigte sich dutzende Male. Adrienne, die neben ihm stand boxte ihm gegen die Schulter. "Verzeiht vielmals Hoheit, er kennt sich nicht so gut mit den Höflichkeitsformen aus, besonders bei hochrangigen Persönlichkeiten.", entschuldige sich das Mädchen und funkelten ihren Bruder ärgerlich an.
Auf Faelivrins Stirn erschien eine steile Falte und sie starrte die Geschwister säuerlich an. Es dauerte keine drei Herzschläge und sie suchten eingeschüchtert rasch das Weite. Noch in Hörweite faltete Adrienne ihren kleineren Bruder zusammen, der sich kleinlaut entschuldigte. "Menschen...", seufzte seine Tochter und schüttelte den Kopf, "Ich muss mich noch immer daran gewöhnen, dass sie anders reagieren als Elben. Eigentlich wollte ich sie gar nicht verjagen", gestand sie und lächelte unschuldig.
Mathan lachte herzlich und legte ihr eine Hand auf dem Rücken. "Ja das ist oft nicht einfach, aber du wirst dich daran gewöhnen. Deine Ausstrahlung wirkt auf sie eben noch etwas stärker", erklärte er ihr schmunzelnd, woraufhin sie nur nickte. Gemeinsam gingen sie in den hinteren Teil des Gartens zu den Apfelbäumen. Hier waren nur wenige Gäste, die meist sich leise unterhielten, abgesehen von einem Paar, das in einer der dunkleren Ecken Zärtlichkeiten austauschte. Rasch schlugen die beiden Elben einen anderen Weg ein und lächelten darüber. Als die Musik eine Pause machte, sahen sie Kerry auf sie zukommen. Faelivrin schenkte ihrer Schwester ein warmes Lächeln und begab sich zu Adrienne und Acharnor um mit ihnen zu sprechen, da sie immer wieder zu ihnen blickten.
"Vater...", begrüßte Kerry ihn und Mathan nahm sie direkt in die Arme. "Ténawen, du siehst hinreißend aus, "erwiderte er, löste sich von ihr und musterte sie. "Woher hast du das Kleid? Es steht dir wundervoll." Kerry schien etwas zu erröten, doch dann strahlte sie wieder. "Irwyne hat es mir geschenkt. Es ist von..." Sie verstummte, da sie wusste, dass es offensichtlich war. "Von Elben gefertigt, ja.", beendete Mathan ihren Satz und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Er nahm sie an der Hand und gemeinsam schlenderten sie durch den Garten. Es erinnerte ihn, wie er vor langer Zeit mit Faelivrin durch die Wälder im Osten von Mittelerde gegangen ist. Kerry schien seinen Gedanken erraten zu haben. "Es erinnert dich an deine Tochter hm?", fragte sie interessiert und musterte aufmerksam sein Gesicht. Er lächelte und strich ihr sanft durchs Haar. "Ja, aber nun habe ich eine weitere Tochter. Gemeinsam sammeln wir Erfahrung und Erinnerungen, an denen wir uns immer erinnern werden.", sagte er und sah das Glitzern in ihren Augen. "Ja...", antwortete sie verträumt und blickte sich um, "Es ist so wundervoll was ihr hier geschaffen habt. Mir fehlen immernoch die Worte, aber ich kann euch nicht genug danken für das, was ihr nur für mich hier geschaffen habt. Es ist bereits das wundervollste Geschenk, das ihr mir bereiten konntet", sagte Kerry ergriffen und drückte seine Hand ganz fest. Einen kurzen Moment trübte sich ihre Stimmung und Mathan ahnte, worum es ging. "Ténawen, lasse deinen Geist nicht vergiften. Elben sind nicht perfekt und selbst wenn du vor uns gehst, wir werden uns am Ende der Zeit wiedersehen. Du wirst immer meine Tochter sein, vergiss das nie", sprach er und nahm sie erneut in den Arm. Sie erwiderte die Umarmung still und klammerte sich an ihn. Er strich ihr beruhigend über den Kopf und gab ihr erneut einen Kuss auf die Stirn. In ihren Augen glitzerten Tränen, die Mathan aber sanft fortwischte. "Hör mal, "sagte er und hockte sich ihr gegenüber, "Ich werde dich beschützen, selbst wenn ich dafür durch ganz Mittelerde reisen muss. Das ist ein Versprechen," er hob ihre Hand mit dem Ring, "das schwöre ich, bei diesem Ring an deinem Finger. Es ist mir eine Ehre und Freude zu gleich, dich um mich herum zu haben", sagte er und schloss seine Tochter in die Arme. "Danke ich...", doch er legte ihr einen Finger auf dem Mund. "Schhh, da gibt es nichts zu danken. Du kannst mit mir über alles sprechen oder alle Fragen stellen die du willst, immer."
Kerry legte ihm wortlos die Arme um den Hals und so blieben sie einige lange Augenblicke lang. "Erzähl mir von deiner Heimat", bat sie und löste sich von ihm. Er erhob sich und atemte tief ein, "Nur wenn du willst natürlich", setzte sie schnell nach.
Sein Blick verlor sich etwas in dem Nachthimmel, als er daran dachte, was damals alles passiert war. Kerry hielt die Luft an und fürchtete, dass sie etwas Falsches gefragt hatte, doch Mathan blickte kurz darauf wieder in ihre Augen. "Eregion, dort wurde ich geboren. Mein Vater war Schmied und meine Mutter eine Jägerin.", er hob seine Hand mit dem Mithrilring am Finger, "Ein Geschenk meines Vaters, genau wie die beiden Schwerter. Die Stadt steht heute nicht mehr, nicht einmal die Grundmauern sind geblieben." Sein Blick verlor sich wieder in der Ferne und Kerry fragte sanft: "Wann war denn das?" Dabei nahm sie seine Hand und schaute zu ihm auf, wie ein kleines Mädchen. Er lächelte ihr gequält zu und fuhr fort: "Vor mehr als tausend Jahren, damals war ich noch gar nicht so lange Hauptmann und führte meine erste Einheit in die Schlacht. Der Konflikt zog sich über Jahre hinweg, bis Saurons Armee Ost-in-Edhil zerstörte, aber da war ich nicht in Eregion. Ich kam zu spät." Ein harter Zug erschien auf seinem Gesicht, den Kerry bisher nicht kannte, sie streichelte etwas unbeholfen seinen Handrücken und wartete, bis er fortfuhr.
"Die Stadt brannte, der Tod hatte eine reiche Ernte eingefahren und ich ahnte, dass mein Vater dort in diesem Inferno war", seine Stimme war bitter und Kerry hielt sich eine Hand vor dem Mund. "Nachdem alles ausgebrannt war fand ich ihn...", Er verstummte und streckte den Rücke durch.
"Er hätte nicht gewollt, dass du so lange um ihn trauerst", sagte Kerry nach einer langen Zeit des Schweigens, "Er würde sicher wollen, dass du ihn in guter Erinnerung bewahrst."
Der Elb blickte sie lange an und nickte schließlich. Er entschloss sich ihr noch weiter zu öffnen und nahm ihre beide Hände in seine. "Meine Familie ist meine Heimat. Ich habe meinen Vater verloren, aber nicht meine Mutter.", gestand er und Kerry riss überrascht die Augen auf. Ein sanftes Lächeln erhellten seine Züge wieder, woraufhin sie ebenfalls Lächeln musste. "Sie ist irgendwo dort draußen, ich spüre es. Ich weiß es", er drückte ihre Hände ganz fest, "Ich werde sie finden und nach Hause bringen. Dann bauen wir in Eregion ein Heim in dem wir alle leben können. Es wird wieder aufleben, das spüre ich", sagte er entschlossen und bemerkte gar nicht, wie Oronêl der Nähe stand und scheinbar auf einen günstigen Moment wartete. Kerry nickte zu dem Elb, der weiter hinten stand und lenkte Mathans Aufmerksamkeit auf ihn. Mathan nickte ihm zu und der Waldelb gesellte sich zu ihnen. "Ich bin froh, dass ihr mir an diesem Tag eine Rolle zugedacht habt", sagte Oronêl zur Begrüßung. "Und ich habe das Gefühl, euch noch nicht längst nicht genug gratuliert zu haben - euch allen drei." Er zwinkerte Kerry zu, und lächelte.
"Es erfreut mein Herz, dass du hier bist, Schwertbruder", sagte Mathan zu ihm und grinste flüchtig.
"Und meines ebenfalls", erwiderte Oronêl, und ergriff den dargebotenen Unterarm zum Kriegergruß. "Ihr habt über Eregion gesprochen?"
Mathan blickte kurz zu Kerry und nickte. "Wenn die Zeit gekommen ist, wird es wieder aus der Asche auferstehen.", erklärte er und nickte, "Trotz aller Zweifel. Ich spüre, dass sich Etwas tut."
"Das höre ich gerne", sagte Oronêl. "Allerdings kann meine Aufgabe nicht darauf warten." "Was für eine Aufgabe?", fragte Kerry. "Und heißt das, du wirst auch nach Eregion gehen?"
"Ja, ich werde euch dorthin begleiten, denn ich brauche Mathans Hilfe", antwortete Oronêl. "Was diese Aufgabe angeht... es wäre mir lieber, nicht darüber zu sprechen. Zumindest nicht ausgerechnet an diesem Abend."
Die Elben wechselten einen Blick, mit dem sie stumm beschlossen für heute das Thema ruhen zu lassen. Kerry verstand und nickte, Mathan packte sie spontan an den Schultern und schob sie zur Tanzfläche. "Da wieder Musik gespielt wird, darf ich ja es nicht verpassen mit meiner Tochter das Tanzbein zu schwingen", sagte er augenzwinkernd zu Oronêl und ging mit einer grinsenden Kerry in die Platzmitte. Dort erblickte er auch Faelivrin, die mit geschlossenen Augen für sich selbst tanzte. Suchend blickte er sich nach Halarîn um und sah sie mit Adrienne, die mit einen angeheiterten Acharnor schwer beschäftigt war. "Was tanzt Faelivrin da?", fragte Kerry leise und starrte auf ihre Schwester, die sehr kompliziert aussehende Figuren beschrieb. Das Besondere war, dass sie jede Bewegung sehr langsam aber mit dem Takt der Musik ausführte. Mathan legte eine Hand an die Hüfte Kerrys und die Andere an die Schulter. Es war eine Weile her, dass er getanzt hatte, aber nach den ersten drei Schritten ging es flüssig voran und sie wirbelten nun auf dem Marmor umher. Dabei strahlte Kerry immer wieder, aber nicht ohne neugierige Blicke zu ihrer Schwester zu werfen. Erst nach einigen Takten der Musik fiel ihm ein, dass er noch nicht eine Antworte auf ihre Frage gegeben hatte. "Das ist eine Art meditativer Tanz, er hilft sich auf den eigenen Körper zu konzentrieren. Es braucht viel Kraft und Kondition, sowie Körperbeherrschung", erklärte er in Kurzform und führte Kerry näher an Faelivrin heran, wo sie mit dem Tanz stoppten.
Interessiert beobachtete sie jede Bewegung von ihrer großen Schwester, die gerade auf einem Bein stand und beide Arme weit voneinander streckte. "Es sind eigentlich Kampfübungen aber sehr stark verlangsamt, dabei wirken sie wie ein Tanz, " fügte Halarîn hinzu, die neben ihnen aufgetaucht war. "Amil, wie alt ist Nésa eigentlich?", fragte Kerry leise an ihre Mutter gewand und erntete ein Grinsen.
Faelivrin machte einen schnellen Schritt nach vorn und landete dicht an Kerrys Ohr. "Ich bin genau 2988 Jahre alt, Ténawen", flüsterte sie ihr zu und zog sich genauso schnell wieder zurück.
"D..das ist aber sehr alt!", rief Kerry schockiert und erntete ein Lachen von ihren Eltern. Halarîn strich ihr über den Kopf und reichte ihr einen Becher, den das Mädchen zögernd annahm. Mit fragendem Blick betrachtete sie die Flüssigkeit und roch daran.
"Etwas, dass Eure Schwester aus Manarîn mitgebracht hat.", informierte Aesa sie, die plötzlich hinter ihnen stand.
"Manarîn?", fragte Kerry interessiert nach und hielt erneut die Nase an den Becher. Es roch süßlich und ...hölzern?
"Das Elbenreich aus verschiedenen Stämmen, die Eure Schwester, unsere Herrin, geeint hat. Ein Großteil machen aber die Hwenti aus.", fasste Aesa zusammen, die sehr respektvoll und mit sehr starken Akzent sprach, "Es ist aus einer Pflanze gewonnen, die nur dort wächst. Und zwar auf den Ebenen von Anathón, deswegen nennen wir es auch schlicht "Anathón" was nur ein Eigennamen ist. Eresion ist berühmt für dieses Getränk."
Kerry fasste sich ein Herz und beschloss das fremde Getränk zu probieren. Unter den interessierten Blicken der Elben hob sie den Becher an die Lippen und nippte daran.
Süße, war das Erste, was ihr in den Sinn kam, dann eine Note Kirsche. Dann war es vorbei. Sie runzelte die Stirn, was zu einem Grinsen der umstehenden führte.
"Merkwürdig... aber lecker", befand sie und erntete ein erleichtertes Lächeln von Aesa.
Sie nippte erneut, bis Halarîn ihr sanft den Becher wieder abnahm. Sogleich spürte sie, wie die Wärme ihr ins Gesicht stieg. Faelivrin blickte kurz schuldbewusst zu Boden und murmelte, dass sie vergessen hatte zu fragen, ob sie überhaupt Alkohol vertrug. Kerry winkte ab und kicherte. "Schon in Ordnung, nur wenn es noch mehr ist...", sie grinste und schüttelte sogleich den Kopf um sich nicht zu blamieren. Inzwischen verstummte die Musik und die Spieler machten eine Pause.
"Keine Sorge, wir passen schon auf", sagte Mathan und leerte den Becher, an dem sie zuvor genippt hatte, "Heute denke ich, kann man sich etwas entspannen. Schließlich habe ich hier noch Apfelwein gefunden." Er warf Halarîn einen Blick zu, die sofort errötete. "Oh nein...", rief sie und hob abwehrend die Hände, "Bring mich nicht in Versuchung, du weiß was passiert." Sie verstummte und nach ein paar Augenblicken mussten sie lachen, sehr zur Verwirrung der Anderen. Mathan weigerte sich irgendwas zu erklären, woraufhin Kerry etwas beleidigt wirkte, aber rasch wieder grinste. "Du verträgst also auch wenig, Amil?", fragte sie und kicherte, "Dann liegt das wohl in der Familie." Die Farbe in Halarîns Gesicht wurde noch eine Spur röter, ehe sie nur stumm nickte. Faelivrin, die schon etwas mehr getrunken hatte, räusperte sich und begann eine sehr harmonische Melodie zu summen. Halarîn lächelte, da sie die Melodie sofort erkannte, selbst Mathan erinnerte sich daran. Die Gespräche ringsherum verstummten und sie lauschten der Melodie. Sie war lang gezogen und getragen, hatte aber eine Tonhöhe, die enorm Anstrengend sein musste. Nach einer Strophe stieg Halarîn ein und sang einen klaren Ton, der mit dem Summen ihrer Tochter wunderbar harmonierte. Nach ein paar Strophen sangen die beiden Elbenfrauen ein wundervolles Duett eines der Lieder, die Mathan und Halarîn für Faelivrin gesungen hatten, als sie sich immer schlecht fühlte:
Nin nos na- i ambar, o nin lór
Nin lór na- an oiale bronadui
Nin lór naedo hi ambar
Im cen cín naeg
Im eless cín naeg
Es blieb eine Weile lang still, bis vereinzelt applaudiert wurde. Mathan und Halarîn lächelten sich an, wärend Faelivrin bewegt wirkte. Sie seufzte und trank etwas Wasser. "Wundervoll", sagte sie und erklärte Kerry, dass es ein Lied über Träume, die Welt und heilenden Schmerz war. Mathan bemerkte zufrieden, dass Faelivrin ihre Schwester mit offenen Armen aufnahm und ihr Misstrauen komplett beiseite ließ.