Als die Sonne im Westen hinter der Festung versank, erhob Oronêl sich von dem flachen Felsen, von dem aus er die Umgebung im Auge behalten hatte. Faelivrin sprach noch immer leise in einer ihm unbekannten Sprache, von der er nur wenige Wörter verstand, mit dem Neuankömmling, Anastorias. Offensichtlich hatten sie sich rasch über die Lage ausgetauscht, und wandten sich nun Oronêl zu.
"Nun... lasst uns aufbrechen." Anastorias warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. "Aufmunternde Reden sind nicht eure Sache, oder?"
Oronêl schüttelte den Kopf. "Ich glaube nicht, dass ich irgendjemanden hier zu unserem Vorhaben aufrütteln muss."
"Ganz gewiss nicht!", erwiderte der junge Elb. "Wir werden nicht zulassen, dass das neueste Mitglied des Hauses Manarîn auch nur einen Augenblick länger in Feindeshand bleibt als nötig!" Mathan warf Oronêl einen vielsagenden Blick zu, der still in sich hinein lächelte. Der junge Krieger erinnerte ihn an sich selbst vor vielen tausend Jahren, als er selbst jung gewesen war und sich für jede Herausforderung der Welt bereit gefühlt hatte.
Sie erkletterten die Ausläufer der nördlichen Gebirgskette an einem steilen aber gut begehbaren Hang, der gerade außerhalb der Sichtweite der Festung lag. Die Pferde der Waldläufer hatten sie weiter unten zurückgelassen, gut versteckt zwischen mehreren Felsen an einigen niedrigen, verkrüppelten Felsen angebunden. Eigentlich hatte Mathan auch Adrienne dort zurücklassen wollen, doch das Mädchen hatte ihn überzeugt, dass es dort mit dem heranmarschierenden Orkheer nur unwesentlich ungefährlicher sein würde. Dennoch hatte Mathan erst nachgegeben, als sie gedroht hatte ihnen andernfalls heimlich nachzugehen.
Ungefähr auf halber Höhe des Bergkammes bogen sie entlang des Hanges nach Westen ab, und folgten ihm bis zu der Klippe an der die Berge von Angmar endeten. Dort schlichen sie vorsichtig und ungesehen von den Wachen auf der Mauer unter ihnen bis zu dem niedrigen Hang ein Stück weiter im Norden. Am unteren Ende des Hanges erhob sich die westliche Mauer des großen Hauptgebäudes der Festung, doch in erreichbarer Höhe befand sich ein Fenster - unbewacht. "Jede Wette, dass hier nur heute keine Wache steht", flüsterte Finelleth als sie sich an der Mauer versammelt hatten. Oronêl ging unterhalb des Fensters leicht in die Hocke, sprang und packte am höchsten Punkt seines Sprunges den steinernen Fenstersims. Er zog sich hoch, und landete lautlos im Inneren, einem kahlen, steinernen Gang, der lediglich noch vom schwachen Tageslicht draußen erhellt wurde. Er warf einen Blick nach Links und Rechts nachdem seine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, und rief dann leise nach unten: "Der Weg ist frei, ihr könnt hochkommen." Einer nach dem anderen kamen seine Gefährten durch das Fenster geklettert, als letzter Mathan der Adrienne nach oben geholfen hatte.
"Drin wären wir. Wie finden wir jetzt meine Tochter?", fragte er, nachdem er sich ebenfalls in beide Richtungen umgeschaut hatte. "Vielleicht sollten wir uns aufteilen", schlug Valandur vor, doch Oronêl schüttelte den Kopf. "Nein, dann finden wir uns womöglich niemals wieder. Niemand von uns kennt sich in dieser Festung aus."
"Also bleiben wir zusammen, suchen einfach drauflos und hoffen, dass wir nicht zu schnell entdeckt werden", fasste Finelleth mit einem Lächeln zusammen. "Allerdings", bestätigte Mathan. "Aber mögen die Valar denjenigen gnädig sein, die uns zuerst entdecken - denn ich werde es nicht sein."
Ihre Hoffnung, möglichst lange unentdeckt zu bleiben, endete bereits an der ersten Kreuzung, an der sich ihr Gang in drei weiter aufteilte. Dort lauerte bereits eine Horde Orks, die über sie herfiel, sobald sie Mathan, der mit Oronêl an der Spitze ging, zu Gesicht bekommen hatten. Oronêl riss Hatholdôr vom Gürtel, bereit einen Schwerthieb abzufangen - der niemals kam. Stattdessen stürmte einer der Orks geradewegs an ihm vorbei, und im nächsten Moment zertrümmerte Anastorias' Krähenschnabel ihm mit einer schnellen Bewegung den Schädel. Der junge Elb riss seinem Opfer die Spitze der Waffe aus dem Kopf, was den Schädel noch etwas weiter seine Form verlieren ließ. "Der scheint kein allzu großes Interesse an euch gehabt zu haben", sagte er zu Oronêl, während Mathan die beiden letzten Orks mit raschen Schwerthieben zu Boden schickte.
"Laedor spielt ein Spiel mit uns", stellte Oronêl fest, und wischte ein Klümpchen grauer Masser von seinem Bein. "Er kann niemals erwartet haben, dass dieser kleine Trupp uns aufhält." Tatsächlich hatten nur Mathan, Anastorias und Finelleth gekämpft, und dabei keinen Kratzer abbekommen. "Er will uns müde machen", meinte Finelleth, und stieß ihr Schwert wieder in die Scheide, und Mathan lächelte. "Das kann er lange versuchen. Bis meine Tochter aus seinen Händen befreit ist, werde ich auch nach hundert Orks nicht müde sein."
"Er will uns nicht nur ermüden", erklärte Oronêl. "Diese Orks hatten es nicht auf mich abgesehen, sondern auf euch. Er wird möglichst viele von euch kampfunfähig machen wollen, bis wir auf ihn treffen, denn ich bin es, gegen den er kämpfen will. Vielleicht sollte ich am Schluss gehen, denn ansonsten könnten sie versuchen uns von hinten zu dezimieren." Mathan nickte zustimmend, und Oronêl blieb an der Wand stehen, bis der Rest der Gruppe an ihm vorbei war.
Wenig später erreichten sie eine Treppe, die zu ihrer rechten in die tieferen Teile der Burg führte. In der Zwischenzeit waren sie auf zwei weitere Trupps Orks gestoßen, die jeweils größer als der vorhergehende waren, und für die Oronêl nicht zu existieren schien. Inzwischen hatten einige von ihnen frische Wunden davongetragen, doch nichts ernstes und sie alle waren noch kampffähig. Während sie der Treppe nach unten folgten, fragte Oronêl sich, ob Laedor vielleicht die Größe der Gefahr unterschätzt hatte - oder ob er ein anderes, komplizierteres Spiel spielte. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Finelleth, die zu ihm zurückgefallen war, ihn ansprach: "Ich weiß was du vorhast."
Oronêl zuckte mit den Schultern. "Was habe ich vor?"
"Tu nicht, als wüsstest du nicht wovon ich spreche", meinte sie ernst, und drückte ihm unauffällig einen länglichen, runden Gegenstand in die Hand. Oronêl betrachtete ihn im Gehen: Es war eine kleine, elbische Flöte. "Spiel einen Ton darauf, wenn es soweit ist", erklärte Finelleth. "Und wir werden dich finden." Damit beschleunigte sie ihren Schritt wieder, und ließ ihn mit seinen Gedanken allein.
Immer tiefer drangen sie in die labyrinthischen Gänge Carn Dûms ein. Diese Festung konnte ein Heer aufnehmen, dass groß genug war den gesamten Norden zu überrennen, und selbst die Armee die Fornost angegriffen hatte, musste hier verloren gewirkt haben. Während sie durch die dunklen Gänge irrten, ohne ein Zeichen von Kerry, hinterließen sie immer mehr tote Orks, die inzwischen hinter nahezu jeder Ecke zu lauern schienen. Und gerade, als Oronêls Hoffnung allmählich zu schwinden begann, hörte er etwas aus dem Gang zu seiner Linken, ein leises Flüstern, ein Name: "Oronêl..." Er blieb auf der Kreuzung stehen, doch niemand seiner Gefährten schien es gehört zu haben, und sie eilten weiter in die Dunkelheit davon. "Sie ist hier...", schien es aus dem Gang zu flüstern, und für einen Moment verharrte Oronêl, unschlüssig ob er seine Gefährten aufhalten oder dem Ruf folgen sollte. "Dann soll es so sein...", sagte er leise, und schloss die Hand um die kleine Flöte, die Finelleth ihm gegeben hatte.
Leise folgte er dem linken Gang, und spürte sein Herz schneller schlagen, als er hinter einer Biegung ein flackerndes Licht sah.
Er schlich vorsichtig heran, spähte um die Ecke und trat schließlich in den von mehreren Fackeln erleuchteten, breiteren Gang hinaus. Einige Meter entfernt stand Laedor neben einer geöffneten, hohen Tür, und neben ihm - Kerry. Das Mädchen sah mitgenommen, aber unverletzt aus und aus ihren blauen Augen sprach der Schrecken, den sie während ihrer Gefangenschaft gesehen haben musste - doch weniger als Oronêl erwartet hatte. Da er nicht an Laedors Güte glaubte, musste Kerry stärker sein, als sie es auf den ersten Blick vermuten ließ.
"Oronêl!", rief Laedor, und ein höhnisches Grinsen verzerrte sein Gesicht. "Wie schön, dass du gekommen bist."
"Ich bin hier, Laedor", sage Oronêl, und griff Hatholdôr fester. "Und ich bin allein, wie du es wolltest. Also lass sie gehen."
"Was bedeutet sie dir schon?", fragte Laedor, und verstärkte seinen Griff um Kerrys Oberarm so sehr, dass das Mädchen vor Schmerz aufkeuchte. "Dieses kleine Rotkehlchen, dass seit Lórien mit dir herumschleppst. Sie ist doch nur ein Mensch."
Oronêl machte unauffällig einen Schritt nach vorne, und sagte mühsam beherrscht: "Du hast das falsche Mädchen entführt. Du wolltest Irwyne, doch du hast Ténawen Morilië Nénharma genommen, die Tochter Mathans und Halarîns. Also lass sie gehen, denn selbst wenn du mich tötest werden sie nie aufhören, dich zu jagen, und sie werden dich finden und töten."
Beim Klang von Kerrys elbischen Namen verzog Laedor verächtlich das Gesicht. "Sprich diese Namen nicht aus, Freund Oronêl", sagte er. "Sie passen nicht zu diesem kleinen Rotkehlchen, denn sie ist kein Elb, sondern ein Mensch."
"Doch du bist ebenfalls kein Elb", erwiderte Oronêl, während er einen weiteren Schritt näher kam. "Nicht länger. Du bist ein Ork, eine Kreatur der Dunkelheit."
Laedors Gesicht verzerrte sich zu einer wütenden Fratze. "Ich bin ein Elb, wie sie sein sollten, erhaben über alle anderen Wesen", zischte er. "Ich habe die Welt gesehen, wie sie ist, und wie sie sein wird. Ich habe die Wahrheit
erkannt! Und du wirst erleben, wie deine Welt in den Flammen der neuen stirbt - und heute beginnt es."
Mit einer raschen Bewegung stieß er Kerry durch die offene Tür, und rief hinein: "Lasst die Trolle los." Und mit einem hässlichen Grinsen zu Oronêl fügte er hinzu: "Fresst, was übrig bleibt."
Als Laedor die Tür zuschlagen wollte, handelte Oronêl gedankenschnell. Er machte einen gewaltigen Satz nach vorne, von der Verzweiflung getrieben, doch er würde es nicht schaffen. Während er sprang, zog er Finelleths Flöte aus der Tasche, warf sie in Richtung der Tür und rief: "Spiel, Kerry!" Die Flöte fiel klappernd neben Kerry auf den Steinboden, in dem einen Herzschlag, bevor die Tür ins Schloss fiel.
"Glaubst du, das wird das kleine Rotkehlchen retten?", fragte Laedor höhnisch, und ließ sein gebogenes Schwert aus der Scheide fahren. "Lass uns tanzen, Freund Oronêl." Und er griff an.
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Kerry griff instinktiv nach dem Gegenstand, den Oronêl ihr zugeworfen hatte. Einer der Trolle ließ ein furchterregendes Brüllen hören und sie fuhr herum, mit vor Angst geweiteten Augen. Dann fiel ihr wieder ein, was Oronêl gerufen hatte, und sie setzte die Flöte an den Mund. Ein einzelner Ton drang heraus, gerade, als ein kurzer Moment der Stille eingetreten war. Er verhallte in dem Raum, in dem Kerry sich befand. Dann stürzten sich die Trolle auf sie.
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Mathan und Halarîn kämpften sich an der Spitze der Gefährten durch eine weitere, kleine Horde Orks. Hinter ihnen stand Adrienne, die ihnen den Rücken freihielt und für ihre eigene Sicherheit lieber verzichtete ganz vorne zu laufen. Mathan blickte kurz vor dem Zusammenprall mit den Orks zurück und sah Finelleth zusammen mit Faelivrin als Schlusslicht. Die Menschen hatten sie in die Mitte genommen, wo sie vereinzelte Gegner aus den Rücken der Anderen heraushielten.
Mit Brüllen und Kreischen stürzte die kleine Meute sich auf Mathan und Halarîn. Letztere wollte auch gerade losstürmen, als Anastorias sie an dem Arm festhielt. Ihr Gatte metzelte sich inzwischen durch ihre Feinde und durchtrennte Gliedmaßen, schnitt Köpfe ab und sprenkelte die Wände mit Blut. Er schien sich wieder im Zorn zu sein, doch ihr Urenkel hielt sie weiter fest.
"Bitte, das übernehme ich. Gönne dir etwas Ruhe und beschütze die Kleine.", er nickte zu Adrienne, die beleidigt die Wangen aufbließ. Einen kurzen Augenblick lang sah sie ihrem Urenkel in die blauen Augen, er gab ihr ein hinreißendes Lächeln und stapfte einfach los. "He! Urgroßvater, du kämpfst jetzt nicht alleine!", rief Anastorias laut und zog somit die Aufmerksamket von vier Orks auf sich, "Kommt nur her, ich verarbeite euch zu Brei!", sagte er schon fast fröhlich und Halarîn musste ihn wohl für einen Zwerg halten.
Der junge Elb überspielte seinen Eckel mit Humor und war schon gespannt darauf seinen ersten Feinden in Mittelerde seinen Hammer spüren zu lassen. Anastorias lockerte seine Muskeln und rollte die Schultern durch, während die Orks auf ihn zugestürmt kamen. "Ihr wollt spielen? Das kann ich auch!", rief er mit einem überheblichen Grisnen, womit er die Höflinge nachahmte.
Er zog seinen Schild über den Arm und spielte mit seinem Krähenschnabel, warf ihn auf und ab, während Mathan vor ihm einem Ork den Bauch aufschlitzte und in die offene Wunde nachstach. Und schon waren seine eigenen Gegner heran, der Schnellste von ihnen konnte nicht schnell genug ausweichen. Er schwang den Hammerkopf mit den spitzen Diamanten gegen den schrumpeligen Kopf. "Nummer eins!" Es gab ein platzendes Geräusch, zuckend und blutsprudelnd fiel der kopflose Körper zu Boden. Das Gehirn des Gegners landete an der Wand. Er und machte mit dem Schwung des Hammers eine Drehung und duckte sich dabei unter einem Schlag hinweg. Mit zusätzlichem Schwung führte er den Hammerkopf beim aufstehen beidhändig gegen den vorgebeugten Ork, der gerade zustechen wollte. "Nummer Zwei", sagte er und spürte wie die Waffe in den orkischen Brustkorb hämmerte, die Rüstung zerfetzte und dessen Knochen pulverisierte. Durch die Kraft des Aufschlags wurde der Körper nach hinten geschleudert und schlitterte den anderen Orks in die Füße, sie stolperten beide. Er nutzte die Gelegenheit und holte weit zur Seite aus und schlug mit dem Sporn mittig gegen den Rumpf des einen Orks. Es schmatzte widerlich als die Waffe in den Körper eindrang. "Drei und vier.", sagte er übermütig und machte eine Drehung mit dem aufgespießten Ork und traf den letzten seiner Gegner mit der Leiche, die dabei vom Sporn rutschte. Er warf einen kurzen Blick zu Mathan, der mittlerweile Unterstützung von dem Waldläufer Namens Valandur hatte, der keuchend im Gang stand, beide umgeben von Toten. Er schulterte den blutverschmierten Hammer und trat an sie heran, im Gehen ahnte er schon, dass Mathan nicht zufrieden war.
"Du hast dir Zeit gelassen", stellte er säuerlich fest und schleuderte das Blut von den Klingen, "Immerhin kannst du gut kämpfen. Vielleicht nur ein bisschen schneller nächstes Mal."
Anastorias lächelte und entschuldigte sich, da er zu übermütig geworden war. Er musterte die Anderen, die ihm immer wieder Blicke zuwarfen. Seine Großmutter wirkte ganz und gar königlich wütend, er wollte schon mit ihr sprechen, als ihm Etwas auffiel.
"War da nicht noch ein Waldelb? Oro...keine Ahnung?", fragte er in die Runde, die gerade ihr weiteres vorgehen besprachen, "Eben war er doch noch da."
"Stimmt, Oronêl fehlt", bestätigte Finelleth, die mit ihm die Nachhut gebildet hatte, "Falls er aber in schwierigkeiten kommen sollte, habe ich im eine Pfeife für den Notfa-..." Ihre Augen weiteten sich als genau in diesem Moment ein heller, durchdringender Flötenton erklang. "Sie fluchte leise.
"Los, schnell!", rief Mathan laut und sofort rannten alle in die Richtung, aus der die Flöte zu hören war, dabei überholte er alle anderen, "Wir kommen alle hier raus, mit Kerry!, sagte er entschlossen und Anastorias nickte grimmig. Er nahm den Krähenschnabel am Kopf und spurtete hinter ihnen her.
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Oronêl parierte Laedors mächtigen Hieb mit Hatholdôr. Sein Gegner starrte ihm in die Augen und zischte: "Gut. Du hasst mich. Ebenso sehr, wie ich dich hasse." Oronêl antwortete mit einem Hieb, der gegen Laedors Kopf gezielt war, doch dieser parierte mühelos und drängte ihn mit raschen Hieben den Gang entlang. Oronêl glaubte, über dem Geräusch ihres Kampfes einen einzelnen Flötenton gehört zu haben, doch vielleicht war es nur eine trügerische Hoffnung gewesen. Er spürte, dass er den Kampf verlieren würde, während Laedor ihn eine Treppe hinauftrieb, immer weiter fort von Kerry. Sein Gegner war noch immer stärker und schneller als er, und doch... dieses Mal war etwas anders. Oronêl hatte die Möglichkeit seines Todes angenommen, und spürte einen seltsamen Frieden. Er war ruhiger als bei ihren letzten Kämpfen, ganz im Gegensatz zu Laedor, den sein Triumph zu berauschen schien. Calenwens Medaillon auf seiner Brust fühlte sich warm an, als Oronêl einen Schwerthieb Laedors mit einem kräftigen Schlag konterte und seinen Feind mit einem Tritt gegen das Knie aus dem Gleichgewicht brachte. Doch so leicht ließ Laedor sich nicht besiegen. Er stolperte zurück, und riss mit der freien Hand einen Stein aus der brüchigen Wand. Ein Riss zog sich durch die Wand bis nach oben an die Decke - und endete direkt über Oronêl.
Er stieß einen Fluch aus, und warf sich zur Seite als ein Teil der Decke und Wand einstürzte, und Sternenlicht hereinließ. Von draußen waren Schreie und Kampfgeräusche zu hören, doch Oronêl hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Ein größerer Mauerbrocken stürzte von oben herab, traf seinen linken Arm, der hörbar knackte, und quetschte seine linke Hand ein. Ein scharfer Schmerz schoss durch den Arm, und Oronêl wusste instinktiv, dass er gebrochen war.
Mit zusammengebissenen Zähnen schob er den Stein von seiner Hand, doch bevor er sich wieder aufrichten konnte war Laedor über ihm. Sein Gegner hatte sein Schwert verloren und blutete aus einer Platzwunde auf der Stirn, doch in seinen Augen glühte noch immer der gleiche entschlossene Hass wie zuvor.
"Du wirst sterben", zischte er, und führte mit seinem Dolch einen Stoß auf Oronêls Gesicht, den dieser gerade noch mit dem Griff seiner Axt, die er rechtzeitig wieder ergriffen hatte, abwehren konnte. Er rammte Laedor sein Knie gegen die Brust und befreite sich damit ein wenig, doch sein Feind griff augenblicklich wieder an. Inmitten der Staubwolke, die der Einsturz aufgewirbelt hatte, rangen sie miteinander, wobei Oronêls Vorteil den er durch Hatholdôr nun besaß durch seinen nutzlosen linken Arm wieder ausgeglichen wurde. Erneut waren sie einander ebenbürtig, und keinem gelang es, einen Vorteil zu erlangen.
Schließlich kamen sie zu einem Loch in der Mauer, das von einer Wand aus Eiszapfen verschlossen wurde, und in die Halle herunter führte, in die Laedor Kerry gestoßen hatte.
"Willst du sehen, was die Trolle mit dem kleinen Vögelchen gemacht haben?", keuchte Laedor. "Ich zeige es dir." Er deutete mit dem Dolch auf das Mauerloch, durch das schwache Kampfgeräusche drangen - oder, wie ein junges Mädchen von riesigen Trollen getötet wurde.
"Du hättest sie nicht entführen sollen", gab Oronêl angestrengt zurück, und spürte, wie Wut und Verzweiflung die Kontrolle übernahmen. "Du hättest mich besiegen können - doch nicht jetzt." Mit mehr Kraft als er von sich selbst erwartet hätte, die Schmerzen ignorierend, stürzte er sich auf Laedor, und gemeinsam durchbrachen sie das Eis und stürzten in die Tiefe.
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Im Laufschritt eilten sie der Flöte entgegen und machten einige Orks nieder, die verwirrt über den Ton stehen geblieben war. Mathan lief an einem vorbei und erstach ihn von hinten durchs Herz, kurz warf er einen Blick zurück und stellte fest, dass alle dabei waren. Seine Familie und Kampfgefährten, sie machten alle verbissene Gesichter. Sein Blick hing kurz an Anastorias, der überraschend gut mit dem Krähenschnabel umging.
Eine größere Halle öffnete sich zum Gang hin und verdächtiger Lärm ertönte. Orks und vermutlich Schlimmeres, Größeres. Er steuerte den Raum an und wartete einen Moment, bis die Anderen aufgeholt hatten. Mathan gab zwei rasche Handzeichen, woraufhin Finelleth und Anastorias rechts und links von ihm postierten. Die beiden Waldläufer gingen zu Halarîn, während die Avari ihre Königin beschützten. Jeder blickte sich nochmal an und holte Luft, dann gab Mathan das Zeichen zum Angriff.
Die drei Elben stürmten in den Raum und landeten vor einer Horde Orks, die sich in einem großen, hohen Raum versammelten hatten. In der Mitte befanden sich zwei Trolle und... sein Herz machte einen Hüpfer und er musste an sich halten um nicht laut zu rufen. Die blonden Haare waren unverkennbar. Sogleich stürmte er los, der erste Gegner hatte nichts mitbekommen und sank mit durchschnittener Kehle zu Boden. Anastorias hämmerte dem nächsten Ork seinen Hammerkopf in den Rücken, woraufhin sich ein Tumult ausbreitete, der sich bis nach vorn zog. Ein Troll brüllte wütend auf und schleuderte einen Ork zur Seite, der zu nahe gekommen war. Das Ungetüm hob erneut die Hand um Kerry zu packen. Ein schwarz gefiederter Pfeil traf den Troll in die Hand, die er überrascht von dem unerwartete Schmerz zurückzog. Eine Bewegung ging durch die Orks, die nun ihre Gruppe bemerkt hatten. "Kommt nur!", schrie Mathan und gab sich gab den Kampfrausch hin.
Auf seinen Ruf hin bahnte sich ein Troll den Weg durch die Menge, er kam nur langsam voran und schien verwirrt durch den ganzen Tumult. Faelivrin und Halarîn schossen Pfeil um Pfeil und hinterten somit den zweiten Troll Kerry zu nahe zu kommen. Kurz lobte er sich die Zugkraft der elbischen Bögen und parierte mit gekreuzten Klingen einen schweren Hib gegen seinen Kopf. Er trat dem Ork die Beine Weg und im Fall zematschte der schwere Kopf des Krähenschnabels den Ork. Anastorias ließ neben ihm seine schwere Waffe kreisen und brach dutzende Knie. Dabei lachte er wieder übermütig und entlockte Mathan ein Stirnrunzeln. Er spießte zwei Orks gleichzeitig auf und sprang zurück um mehreren Hieben zu entgehen.
Faelivrin hatte einen Köcher bereits leergeschossen und war froh, noch ihren Zweiten zu haben. Erneut ließ sie einen Pfeil von der Sehne, der den zweiten Troll dort traf, wo das Ohr sein solte. Sie zischte unzufrieden, als der Pfeil ein paar Fingerbreit daneben ging und am dicken Schädel eine Schramme hinterließ. Wenigstens war das Biest zu abgelenkt um auf die arme Kerry einzudreschen.
Lange würde das aber auch nicht mehr gutgehen. Kaum hatte sie das gedacht, wichen einige Orks zurück und der erste Troll stand nun Mathan gegenüber. Zwei Elbenschwerter gegen eine große Keule mit einem riesigen Steinsporn. Der Troll holte aus und verfehlte ihren Vater um einen Meter, dieser rammte beide Klingen gegen die Sehnen an den Füßen. Er traf nicht richtig und musste einen Hechtsprung zur Seite machen, als der Troll wütend nach ihm schlug. Bis zusammengebissenen Zähnen schoss sie wieder auf den zweiten Troll, der sich nun nach dem Pfeilhagel umsah. Ihr Pfeil traf ihm ins Auge und er brüllte vor Schmerz auf. Der Troll taumelte zurück und stieß hart mit dem Schädel gegen einen Metallstrebe. Es rumpelte es und kleinere Brocken fielen von der Decke.
Anastorias eilte seinem Urgroßvater zu Hilfe und sprang den Troll von hinten an, der gebogene Sporn bohrte sich tief in den Rücken des Fleischbergs und blieb stecken. Fluchend hielt er sich an dem Stiel fest, während der Troll versuchte ihn abzuschütteln. Mathan nutzte die Gelegenheit undzerschnitt mit einem kräftigen beidhändigen Hieb die Sehnen am rechten Fuß, der sofort einknickte. Dafür konnte er jedoch der flachen Hand des Trolls nicht mehr ausweichen und kassierte eine harten Schlag, der ihn durch die Luft segeln ließ. Er prallte gegen ein paar Orks, die sich ängstlich zurückgezogen hatten und nun aus der Halle liefen. Benommen schüttelte er den Kopf und tastete nach seinen Schwertern, konnte jedoch nur eine Klinge finden. Er fluchte und sah zum hockenden Troll, der jetzt wie wild versuchte Anastorias abschütteln, dessen Krähenschnabel sich nicht lockerte. Er fasste einen bescheuerten Plan und blickte sich um; Faelivrins Leibwachen wehrten tapfer dutzende Orks mit ihren Schildern ab, einzig Súlien und Valandur hatten Probleme Halarîn zu beschützen, die nun selbst im Nahkampf war. Verwirrt suchte er Finelleth, fand sie aber nicht. Grimmig packte er sein Schwert und erhob sich, während der Troll seine Keule fallen ließ und nach dem jungen Elb griff. Ein Wurfmesser hielt ihn davon ab, scheinbar hatte sie nur darauf gewartet. Mathan schlug einem Ork die Faust ins Gesicht und dem Anderen den Schwertknauf gegen den Hals. Röchelnd ging er zu Boden. Er rannte den nächsten Gegner davon und legte einen kurzen, aber sehr heftigen Sprint hin. Kurz kamen ihm Zweifel, die er sofort verdrängte und er hielt auf den großen Trollrücken zu und sprang. Seine Stiefel berührten den Troll kaum, da hatte er sich schon wieder abgestoßen und wurde durch den zappelnden Troll nach vorn katapultiert. Dieser versuchte mit einem Schnauben ihn noch zu packen, doch war zu langsam. Der Elb segelte durch die Luft und legte eine weitere Strecke hin als gedacht. Mit einem harten Schlag prallte er gegen die Wand über dem benommenen Troll und brachte damit einen Teil der Decke zum Einsturz. Die stählerne Querstreben fiel zusammen mit ihm herab und zerschmetterten dutzende Orks und begrub den benommenen Troll unter sich. Mathan bekam mehrere harte Stöße ab, etwas Scharfes schnitt ihm über die Unterarme, die er schützend vor dem Kopf hielt. Ein heftiger Stoß in den Magen raubte ihm den Atem. Dann war es vorbei, er lag in einer Staubwolke und mit kleinen Trümmern bedeckt. Der Troll schnaubte und stemmte sich gegen das Gewicht der Strebe, die er langsam hochstemmte. Das Ungetüm warf ihn einem hasserfüllten Blick und war scheinbar mächtig sauer auf ihn. Der Elb rollte sich stöhnend zur Seite und erhob sich schwanken, die Klinge glücklicherweise noch immer in der Hand.
"Niemand bedroht meine Familie", sagte er kalt und rammte dem Troll sein Schwert in die Kehle, zog es heraus und stach von unten durch das Maul in das Gehirn. Sofort fiel die Strebe nieder und zertrümmerte mit einem lautem Knacken den Brustkorbs des toten Trolls.
Anastorias war zu sehr von dem Sprung Mathans gefesselt gewesen und wurde nach dem Fall der Metallstrebe samt seinem Krähenschnabel davongeschleudert. Der Troll brüllte wütend und wollte auf Faelivrin losgehen und humpelte geschwächt auf sie zu. Ihre drei Gardisten umkreisten den Troll und stachen mit ihren Speeren und dem Zweihänder auf ihn ein. Er schlug wütend zur Seite und erwischte einen der Avari, der gegen die Wand geschleudert wurde und benommen liegen blieb. Anastorias eilte dem Elb zu Hilfe, da einige verbliebende Orks ihn niederstechen wollten. Er sprang nach vorn und warf dabei seinen schweren Krähenschnabel. Mit einem Knirschen fand die schwere Waffe sein Ziel und blieb in dem, was von dem Kopf übrig war liegen. Er rannte hinterher und wehrte einen Schwerthieb eines Orks mit seinen eisernen Armschützern ab. Als Antwort rammte er dem kleinen, grünen Viech seinen Armschild in das Gesicht und zertrümmerte sämtliche häßlichen Züge. Der nächste Ork stach nach seinen Beinen und zerschnitt ihm die Lederhose. Ein überraschender Hieb von hinten schleuderte ihn nach vorn. Valandur taumelte an ihm vorbei, Blut prangte an seiner Stirn. Sie blickten sich kurz an, ehe der Waldläufer dem Ork, der zuvor Anastorias angegriffen hatten den Kopf abschlug. "Alles in Ordnung?", fragte er den Menschen, der sich den Kopf hielt und abwinkte. "Geht schon." sagte dieser und kehrte zurück zum Troll, der noch immer um sich schlug. Er blutete aus dutzenden Wunden und war durch den hohen Blutverlust deutlich geschwächt, trotzdem verzieh solch ein Gegner er keine Unachtsamkeit.
Anastorias kniete sich neben den Gardisten und half ihm auf die Beine. "Danke, mein Herr", sagte Asea benommen und hielt sich den Arm vor die Brust.
"Nicht der Rede wert. Alles noch dran?", fragte er. Sie schüttelte den Kopf und hielt sich den Arm, der offensichtlich gebrochen war. "Vorsicht!", schrie sie und ließ sich zu Boden fallen, wohin sie ihn mitzog. Kurz darauf krachte die schwere Keule über ihren Kopfen in die Wand und blieb dort mit dem Sporn stecken. Steine und Schutt regnete auf sie herab, er blinzelte und erblickte die wenigen Orks, die etwas unschlüssig umherliefen. Finelleth tauchte aus dem Staub auf und kümmerte sich wortlos um die Verletzte, die Waldelbe nickte ihm zu. Entschlossen packte Anastorias seinen Krähenschnabel und bemerkte einige Schnitten an Armen und Beinen. Blut lief ihm ins Auge, doch er ignorierte es. Nun war er richtig sauer, denn niemand verletzt eine Frau, denn sie sind zum beschützen da. Der Troll befand sich nun auf allen Vieren und verhinderte mit beinahe lächerlichen Bewegungen, dass man ihm zu nah kam. Dabei bemerkte der Elb, dass in der anderen Ferse die Waffen von Finelleth steckten. Gerade wischte der Troll wieder über den Boden und zwang die beiden Gardisten und Faelivrin zurück zu weichen. Lautlos schlich sich der Elb von hinten an den Troll heran, mit einem beiläufigen Rückhandhieb zerschmetterte er das Gesicht eines angreifenden Orks. "Keine Zeit zu spielen"; murmelte er und hielt den Krähenschnabel so über seinem Kopf, dass er an seinen Rücken stieß. Stumm rannte er los, zwischen den Beinen des Trolls hindurch und holte mit aller Kraft weit aus. Er traf etwas Ledriges, das kurz nachgab aber dann vor seiner Kraft kapitulierte. Der Troll brüllte laut auf und rollte sich zur Seite auf den Rücken, wobei er Anastorias von sich schleuderte. Der Krähenschnabel steckte zu Hälfte im Kopf des Ungetüms und er bewegte sich noch immer, doch wurde dabei immer langsamer. Vereinelt griffen die Orks immer wieder an, jedoch nicht mehr so entschlossen wir zuvor. Plötzlich klirrte Etwas weit über ihren Köpfen und alle blickten nach oben.
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Oronêl und Laedor landeten hart auf dem Steinboden, doch Oronêls Fall wurde durch Laedor ein wenig gebremst. Sofort setzte er Laedor, dem ein dünner Blutfaden aus dem Mundwinkel lief, die Klinge seiner Axt an die Kehle und sah sich in der Halle um. Ein dünner Staubschleier lag in der Luft, und überall lagen tote Orks verstreut - und auch zwei mächtige Trolle. Einige wenige Orks standen noch, wurden jedoch rasch von den Elben zusammengetrieben und getötet. Nur wenige Meter entfernt sah er Kerry, die äußerst mitgenommen wirkte, aber lebte, und Erleichterung durchströmte ihn.
"Oronêl", hörte er Laedor schwach sagen. "Ich sehe die Sterne." Durch einen Riss in der Decke schien ein wenig schwaches Sternenlicht hinein. Oronêl sagte nichts, und nahm auf die Klinge nicht von Laedors Kehle. "Oronêl...", sagte dieser wieder. "Kannst du mir verzeihen?" Einen Herzschlag lang sah Oronêl seinem ehemaligen Schüler in die Augen, dann antwortete er: "Nein." Er fuhr herum, und trennte mit einem einzigen Hieb Laedors Hand, die sich gerade in seinem Rücken wieder um den Griff seines Dolches geschlossen hatte, am Gelenk ab. Laedor keuchte vor Entsetzen und Schmerz auf, und Hatholdôrs Klinge sprühte Funken, als sie auf den Steinboden traf. Oronêl blickte auf, und sah Mathan auf sich zukommen, die von Orkblut schwarz gefärbten Schwerter in den Händen. "Und hier ist noch jemand, der das nicht kann...", sagte er, und richtete sich mühsam auf, wobei ein Schmerz wie Feuer durch seinen gebrochenen Arm schoss. "Er gehört dir, Schwertbruder. Lass ihn leiden, aber nicht zu lange - irgendetwas geht hier vor, und wir sollten schnellstmöglich wieder verschwinden."
"Nur zu gerne", erwiderte Mathan mit Feuer in den Augen. Während Oronêl langsam auf Kerry zuging, hörte er hinter sich Laedor einen ersten Schmerzensschrei ausstoßen.
Oronêl kniete vor dem Mädchen, das neben Halarîn auf dem Boden an ein Trümmerteil gelehnt saß, nieder, und nahm ihre rechte Hand ihn seine. "Es tut mir Leid, was du erdulden musstest", sagte er leise. "Ich hoffe, du kannst mir verzeihen."
Kerry schüttelte nur den Kopf, zunächst sprachlos. "Ihr seid gekommen", hauchte sie dann. "Ihr seid wirklich alle gekommen. Ich habe es gewusst."
"Wir würden unsere Tochter niemals im Stich lassen", sagte Halarîn liebevoll, und strich Kerry über die blonden, zerzausten Haare.
"Und ich niemals eine Freundin", ergänzte Oronêl leise, und Kerry lächelte. Dann schlug sie entsetzt eine Hand vor den Mund. "Oh, Oronêl - dein Arm."
"Er ist gebrochen, ich weiß", erwiderte Oronêl ächzend. "Aber das wird heilen." "Und deine Finger", wisperte Kerry, und ihre Augen weiteten sich. "Sie sind..."
Zum ersten Mal seit dem Einsturz betrachtete Oronêl seine linke Hand genauer, und der Anblick verursachte ihm leichten Schwindel. Der Ring- und kleine Finger waren von dem Stein offenbar voll getroffen und zerquetscht worden. Beide waren flach gedrückt und hingen nur noch schwach an der Hand.
"Oh", machte Oronêl nur, und atmete tief ein. "Nun, da ist wohl nicht mehr viel zu retten." Es war ein merkwürdiges Gefühl, in so vielen Schlachten gekämpft zu haben und nie ein Körperteil verloren zu haben - um jetzt nach so vielen Jahren, zwei Finger zu verlieren. "Ich kann es machen", sagte Finelleth, die neben ihm in die Hocke gegangen war, und Oronêl nickte mit zusammengebissenen Zähnen. "Was machen?", fragte Kerry verwirrt, doch dann schien sie zu begreifen. "Nein. Es muss einen anderen Weg geben!"
Trotz der Schmerzen, die jetzt auch in seinen zerstörten Fingern pulsierten, musste Oronêl lächeln. Menschen waren erstaunlich, und Kerry in diesem Moment ganz besonders. Sie saß hier, inmitten einer feindlichen Festung nach Tagen der Gefangenschaft, und machte sich mehr Sorgen um ihn als er selbst. "Es gibt keinen", sagte er schlicht, legte die Hand flach auf den Boden, und sagte zu Finelleth: "Bitte nimm die richtigen."
"Für wen hältst du mich?", fragte sie, ihr Dolch fuhr herab. Ohne es verhindern zu können stieß Oronêl einen kleinen Schmerzenslaut aus, und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, vermied er es seine auf dem Boden liegenden Finger anzusehen, und sagte mit gepresster Stimme: "Sobald... sobald wir unsere Wunden verbunden haben, sollten wir fliehen. Es gibt noch viel mehr Orks hier, fürchte ich - und mehr werden kommen."
Mathan-Parts von Curanthor, natürlich ^^