Zarifa aus den
umliegenden Bergen von Gorak„Ich will ganz offen zu dir sein: Ich halte dich für sehr talentiert, Zarifa.“ Sie hatten soeben das Anwesen Radomirs erreicht. „Du hast es geschafft meinen Vertreter zu töten, ohne erwischt zu werden. Das verdient Bewunderung und ich fände es schade, dein Talent zu verschwenden. Von daher wirst du nun erneut Zeugin meiner Großzügigkeit. Ich werde deine Worte von vorhin einfach vergessen und dir eine weitere Chance geben. Ich will dich in meinen Diensten.“
Zarifa antwortete nicht. Sie stand in der Eingangshalle umgeben von Wachen und durfte sich nun diese Worte von dem Mann anhören, der vor weniger als einer Stunde Tekins Tod befohlen hatte. Sie traute ihren Ohren nicht. Glaubte Radomir wirklich, dass sie das einfach vergessen? Dass ihr eine Anstellung bei ihm mehr Wert war, als das Leben ihrer ersten großen Liebe?
Radomir schien zu ahnen, was in der jungen Frau vorging.
„Es fällt dir schwer, Tekin zu vergessen, nicht wahr? Aber ich hatte nunmal keine andere Wahl. Hätte ich ihn am Leben gelassen, hätte das ein falsches Signal gesendet. Und jetzt ist es ohnehin vorbei. Du musst jetzt an dich selber denken, wenn du Tekins Schicksal nicht teilen willst.“
Lieber sterbe ich, als irgendeinen Handel mit dir einzugehen, hätte Zarifa fast gesagt, doch sie entschied sich, vorläufig noch abzuwarten. Möglicherweise ergab sich ja noch eine bessere Gelegenheit. Auch wenn Zarifa allmählich Frieden mit dem Gedanken schloss, dass es aus ihrer derzeitigen Situation keinen Ausweg gab. Radomir war im Gegensatz zu Kazimir extrem gut organisiert und fähig. Er hatte es innerhalb eines Tages geschafft sie zu finden – etwas was Kazimir in über einer Woche nicht geschafft hatte. Und er würde sie nicht wieder entkommen lassen. Sollte sie also vielleicht doch eine Weile mitspielen? So tun, als hätte sie alles vergessen? Zum Schein auf Radomirs Seite stehen, um im entscheidenden Moment zuschlagen zu können? Das Bild von Tekins abgetrenntem Kopf, der ihr von Radomir ins Gesicht gepresst wurde, erschien vor ihrem geistigen Auge. Angewidert blickte sie zu Radomir auf, sagte jedoch weiterhin nichts.
Nein, eine Zusammenarbeit kam nicht infrage. Nicht einmal zum Schein. Ihre Abscheu für diesen Mann war nicht in Worte zu fassen. Dies war der Mann, der hinter all ihrem Unglück steckte. Der Mann, der sie als Sklavin aus Umbar gekauft hatte. Der Mann, der Kazimir befohlen hatte nach Umbar zu fahren und damit letztlich auch Ziads Tod herbeigeführt hatte. Der Mann, der seine Sklaven wie Dreck behandeln ließ. Und der Mann, der Tekin hatte töten lassen und sie anschließend mit dem abgetrennten Kopf von Tekin verhöhnt hatte. Kazimir war nur ein Handlanger gewesen. Grausam und schrecklich, doch letztlich nur ein Handlanger. An den Vorgängen in diesem Anwesen hatte Kazimirs Tod rein gar nichts geändert. Es war Radomir, der sterben musste.
Zarifa wurde wütend und traurig zugleich. Sie wollte Radomir töten, wie sie auch Kazimir getötet hatte. Doch sie hatte keine Möglichkeit dazu. Sie befand sich in Gefangenschaft. Und mit Tekin war auch ihr einziger Verbündeter in der Stadt gestorben. Sie war also komplett auf sich allein gestellt. Denn wer sonst wäre dumm genug, einen Anschlag auf Fürst Radomir in dessen eigenem Anwesen zu versuchen?
Nein, niemand würde kommen und sie selbst konnte nichts tun. Denn so verlockend der Gedanke auch war, sie konnte sich auf keinen Handel mit dem Mann einlassen, der so viel Leid in ihr Leben gebracht hatte. Die altbekannten Bilder tauchten erneut vor ihrem geistigen Auge auf. Und so sehr sie auch versuchte, an etwas anderes zu denken, gelang es ihr nicht. Wie könnte sie, selbst wenn es nur zum Schein war, mit dem Mann zusammenarbeiten, der letztlich für all das verantwortlich war? Finger, die sie berührten, obwohl sie es nicht wollte. Ein silberner Dolch. Blutspritzer auf ihrer Kleidung. Ziads Leiche. Der Geschmack von Blut auf ihrer Zunge. Tekins abgetrennter Kopf in ihrem Gesicht.
Es kam nicht einfach nur darauf an, Radomir zu töten. Es ging hier auch um das Prinzip. Wenn sie Radomir um jeden Preis töten wollen würde, würde sie zum Schein mit ihm zusammenarbeiten, um sein Vertrauen zu erlangen. Doch dann wäre sie mitverantwortlich für das Leid der Sklaven in diesem Anwesen und aller anderen, die unter Radomirs Herrschaft litten. Sie müsste Befehle ausführen, die sie nicht ausführen wollte. Sie müsste Radomir anlächeln, obwohl sie ihm am liebsten einen Dolch zwischen die Rippen rammen würde. Und das konnte sie einfach nicht. Nicht nach Allem, was Radomir getan hatte.
Während Zarifa all diese Gedanken durch den Kopf schossen, wurde sie in Richtung des Raums geführt, in dem Kazimir seine letzten Atemzüge getan hatte, und der inzwischen vermutlich wieder von Radomir als Büro genutzt wurde. Der Fürst ergriff nun erneut das Wort:
„Wie du sicherlich bereits festgestellt hast, gibt es unter meinem Eigentum immer wieder Gesindel, das Fehler begeht. Und wie du sicherlich auch schon festgestellt hast, toleriere ich keine Fehler. Fehltritte müssen bestraft werden. Und hier kommt nun deine zweite beziehungsweise schon dritte Chance ins Spiel. Sei gewarnt, denn eine weitere Chance wird es nicht geben. Auch wenn ich ehrlich zu dir war, als ich sagte, dass ich dich für talentiert halte, solltest du nicht glauben, dass ich auch nur eine Sekunde zögern werde, dich fallenzulassen. Denn letztlich bist du nichts wert. Ich biete dir an, deinem Leben einen Wert zu geben, indem du mir dienen darfst. Wenn du das ablehnst, bist du ein nichts und wirst auch so behandelt.“
Was für ein unfassbar arrogantes Arschloch, dachte Zarifa, während Radomir den Schalter für die Geheimtür zur Folterkammer betätigte.
Es geht in die Folterkammer? Was hat Radomir vor? Soll ich etwa gefoltert werden, wenn ich sein Angebot ablehne? Seine letzten Worte klangen jedenfalls nicht so, als wolle er mich töten. Das scheint ihnen allen nicht zu reichen. Doch er hat auch immer noch nicht genau erklärt, was ich jetzt eigentlich für ihn tun soll. Immer noch als Vorkosterin dienen? Oder ist dies ein neues, verbessertes Angebot? Und was geschieht mit mir, wenn ich ablehne?Ein Schauer des Grauens durchfuhr Zarifa, als sie daran zurückdachte, was Kazimir einst mir ihr vorgehabt hatte. Er hatte davon erzählt, als sie zum Schein gefesselt in seinem Büro gewesen war. Zarifa mochte die Worte nicht einmal in ihrem Kopf wiederholen, so schrecklich war die Vorstellung. War es das, worauf es hinauslaufen würde? Der Tod wäre die bessere Alternative.
Sie betraten nun die Folterkammer. Hier drin war es dunkel. Nur sehr wenige Fackeln erleuchteten den Raum. Zarifa sah viele Gerätschaften, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte und deren genauer Zweck sich ihr entzog. Vermutlich ging es aber bei allen Geräten darum, in irgendeiner Form einer anderen Person Schmerzen zuzufügen. Hier spielten sich also vermutlich die meisten Bestrafungen für Sklaven ab. In der Mitte des Raumes war ein gefesselter, junger Mann zu sehen.
„So, da wären wir“, ergriff Radomir nun erneut das Wort. „Hier ist nun deine letzte Chance, Zarifa. Ich mache dir noch einmal das gleiche Angebot, wie vorhin in der Höhle. Ich biete dir an, mich zu beschützen. Du wirst alles in deiner Macht Stehende tun, um einen potentiellen Anschlag auf mich zu verhindern.“
Haben es etwa wirklich Leute auf ihn abgesehen? Oder ist er einfach nur paranoid?, dachte Zarifa.
„Und weil ich dich für wirklich talentiert halte, habe ich hier noch ein kleines Extra für dich. Erkennst du unseren jungen Gast hier?“
Zarifa betrachtete den gefesselten Mann in der Mitte des Raumes nun genauer. Was sollte das alles? Er hatte kurze blonde Locken und ein markantes Kinn. Zarifa erschrak. Sie erkannte ihn tatsächlich wieder. Doch die Erinnerung an ihn steigerte ihre Stimmung nicht im Geringsten. Im Gegenteil. Sie konnte es noch genau vor sich sehen. Es war an ihrem dritten Tag in Gorak gewesen, als eben dieser junge Mann, der schon länger als sie hier gewesen war, mit ihrem alten Laken, welches Zarifa früher als Kleid getragen hatte, in den großen, kahlen Raum im Keller gekommen war. Er hatte ihr einen frechen Blick zugeworfen und anschließend ausgiebig an dem Kleid geschnuppert, bevor er Zarifa eine Kusshand zugeworfen und sich das Kleid in seine Hose gesteckt hatte. Die junge Haradan erinnerte sich noch gut daran, wie gerne sie ihm damals eine reingehauen hätte. Und jetzt hockte eben dieser Mann hier gefesselt in der Mitte der Folterkammer. Was hatte das alles zu bedeuten?
„Ah, dein Blick sagt alles. Du kennst ihn, richtig? Er hat dich verhöhnt, als du an deinem emotionalen Tiefpunkt warst, nicht wahr? Und du würdest nichts lieber tun, als ihm für sein gemeines Verhalten Schmerzen zuzufügen, richtig?“
Zarifa war von sich selbst angeekelt, weil Radomir genau ihre Gedanken aussprach. Er schien sie zu verstehen und das machte sie wütend. Sie wollte nicht von ihm verstanden werden. Sie wollte ihn töten. Doch immer noch sagte die junge Frau kein Wort. Ein kleiner Teil von ihr wollte sogar hören, was Radomir als Nächstes zu sagen hatte, auch wenn der restliche Teil ihres Bewusstseins sie selbst dafür verachtete.
„Nun, es trifft sich, dass dieser junge Mann namens Rami sich in letzter Zeit gar nicht gut geschlagen hat und es jemanden braucht, der ihn wieder auf Linie bringt. Ich schätze mal, so etwa zehn Peitschenhiebe dürften ausreichen. Na, wie klingt das?“
Zarifa nahm wahr, wie eine der Wachen, eine lange Peitsche hervorholte. Unwillkürlich dachte Zarifa an einen kalten kahlen Raum, mit einer verschlossenen Tür, die den einzigen Ausweg darstelle. Sie verwarf den Gedanken und fragte sich, ob Radomir dachte, was sie dachte, was er dachte.
„Ich drücke dir diese Peitsche in die Hand, als Zeichen meines Vertrauens. Du wirst Rami bestrafen. Ich weiß, wie sehr du es willst. Im Gegenzug, wirst du mich beschützen. Und wenn ich nach einer Woche noch lebe und meine Feinde tot sind, stelle ich dich als Angestellte in diesem Anwesen ein. Dies ist das großzügigste Angebot, das ich jemals einer rebellischen Sklavin gemacht habe. Ich bin mir sicher, du wirst mich nicht enttäuschen.“
Es war also wahr. Radomir wollte Zarifas Abscheu gegenüber Rami ausnutzen, um sie gefügig zu machen. Er wollte damit von den noch viel abscheulicheren Taten seiner selbst ablenken. Genau dieses System nutzte er, um seine Sklaven gefügig zu machen. Misstrauen untereinander säen, damit es nicht zum kollektiven Aufstand kommt. Die Aussicht auf ein besseres Leben bieten, wenn man sich lange genug fügte. Das war seine Art und Zarifa hasste, wie gut es funktionierte.
„Los, zieht Rami das Oberteil aus und stellt ihn mit dem Kopf zur Wand“, befahl Radomir und seine Wachen gehorchten sofort. Doch Zarifa würde nicht zulassen, dass Radomirs System auch bei ihr funktionierte. Sie würde sich nicht an ihn verkaufen. Sie würde nicht alles verraten, wofür sie stand, nur um ein einfacheres Leben zu führen. Sie würde nicht zuschlagen. Oder?
Zarifa blickte auf die Peitsche, die Radomir ihr nun in die Hand drückte. Die Worte „süße Diebin“ kamen ihr in den Sinn. Warum, konnte sie zunächst auch nicht so genau sagen.
Wie war es eigentlich, wenn man Geld verdiente, indem man einer Arbeit nach ging? Wenn man nicht täglich darauf angewiesen war, andere Leute zu bestehlen, um zu überleben? Zarifa blickte Rami an, wie er nun mit nacktem Rücken zu ihr stand. Er hatte keinerlei Narben auf dem Rücken, im Gegensatz zu ihr. Er musste bis vor kurzem ein braver kleiner Sklave gewesen sein, dem immer nur auf den eigenen Vorteil bedacht gewesen war. Was hatte er nun getan, um hier zu landen? Es waren gerade Leute wie er, die dafür sorgten, dass Radomirs System der Unterdrückung so gut funktionierte. Weil Leute wie er selber alles tun würden, um sich selbst ein besseres Leben zu ermöglichen, konnte es niemals zu einer Rebellion der eigentlichen Mehrheit kommen. Leute wie er, versuchten in einem ungerechten System, egoistisch das Beste für sich selbst zu erreichen, anstatt gemeinsam und solidarisch mit den Anderen für eine Abschaffung des ungerechten Systems zu kämpfen.
War Rami nicht im Grunde genauso wie Radomir selbst? Egoistisch, machthungrig und skrupellos? Das hatte er doch bereits bewiesen. Ihm fehlte einfach nur die Macht, für grausamere Taten. Und ihr stand er nun vor ihr und sie hatte die Macht, ihm Schmerzen zu bereiten. Doch was sollte das bringen? Letztlich kannte Zarifa ihn doch auch gar nicht.
„Na los, Zarifa. Tu es! Ich weiß doch, wie sehr du es willst. Nur keine Skrupel.“
Vielleicht konnte es doch nicht schaden, das Spiel für eine Weile mitzuspielen? Wenn es wirklich konkrete Anschlagspläne gegen Radomir gab, konnte sie dann nicht zum Schein für ihn arbeiten und insgeheim dafür sorgen, dass der Anschlag gelänge? Erneut blickte Zarifa auf die Peitsche. Ein Schlüssel, der sich im Schloss dreht, kam ihr in den Sinn.
Hatte Rami nicht im Grunde genau das hier verdient? Wen kümmerte es schon, von wem der Befehl kam? Gerechtigkeit war Gerechtigkeit. Sie musste einfach nur ausholen und zuschlagen. Rami bekam was er verdiente und sie selbst würde die Chance erhöhen, dass ein potentieller Anschlag auf Radomir gelingen würde. Was war daran falsch?
Eine sich quietschend öffnende Tür, tauchte vor Zarifas geistigem Auge auf.
Aber hatte Rami das hier wirklich verdient? Konnte sie einem seit Monaten und vielleicht sogar Jahren eingesperrten Mann wirklich vorwerfen, dass er seinem Leben ein wenig mehr Freude verpassen wollte?
Aber diese Freude kam auf meine Kosten, sagte Zarifa innerlich zu sich selbst.
Aber wenn ich jetzt zuschlage, verbessere ich mein Leben auf seine Kosten. Will ich wirklich so tief sinken? Bin ich nicht besser als das? Rami ist ein Sklave, genau wie ich. Wir müssen zusammenarbeiten, antwortete der andere Teil ihres Bewusstseins.
Rami drehte den Kopf nun leicht zu ihr hin. Sie blickte ihm in seine blauen Augen. Und sofort schossen ihr wieder die Bilder in den Kopf. Wie sie selber erschöpft von der Arbeit, um Ziad trauernd und dabei zu versuchen, die Misshandlung durch Yasin zu vergessen, in dem Aufenthaltsraum der Sklaven stand. Und wie dann diese blauen Augen einen gierigen Blick zu ihr hinüberwarfen. Wie dieses schmierige Arschloch ihr altes Kleid in der Hand hielt und daran schnupperte. Es sich letztlich sogar in die Hose steckte und sie anschließend noch mit einer Kusshand verhöhnte. Hass stieg in ihr auf. Rami verdiente das hier. Er war nichts weiter als ein widerliches, auf den eigenen Vorteil bedachtes, triebgesteuertes Arschloch.
Zarifa hob die Peitsche in die Luft, sammelte all ihren Zorn und schlug zu. Der von Rami ausgestoßene Schmerzensschrei durchfuhr Zarifa wie ein elektrischer Schlag. Er halte im gesamten Raum wieder. Und jetzt schossen andere Bilder in Zarifas Kopf. Bilder, von Fingern, die sie berührten, obwohl sie es nicht wollte. Die Erinnerung an Hilfeschreie, die niemand hörte. Und schließlich ein zahnloses Grinsen. Ein zahnloses Grinsen, das zu einem dicken Mann gehörte, der die damals noch sehr junge Zarifa in einem kalten, kahlen Raum mit nur einer verschlossenen Tür als Ausweg aufsuchte. Er baute sich vor dem jungen Mädchen auf, mit einer Peitsche in der rechten Hand.
„NEIN!“, schrie Zarifa. Sie konnte das nicht tun. Rami mochte Vieles sein, doch im Moment war er genau wie sie damals, ein ängstlicher, eingesperrter Mensch, dem schreckliche Qualen drohten und dem niemand zur Hilfe eilen würde. Es gab in diesem Raum nur einen, der diese Schmerzen verdient hatte. Zarifa holte erneut mit der Peitsche aus. Doch diesmal zielt sie auf Fürst Radomir, der in einer Ecke stand und dessen breites Grinsen nun schlagartig zu Eis gefror. „Was zum...?“ Zarifa schlug zu und brachte ihn damit zum Schweigen. Hier ging es nicht um Rami. Hier ging es nicht um Wahrscheinlichkeitsmaxim
ierung. Hier hing es um den Unterschied zwischen richtig und falsch. Um den Unterschied zwischen gut und böse. Den Unterschied zwischen dem einfachen Weg und dem richtigen Weg. Kurz gesagt: Hier ging es ums Prinzip.
Doch das Prinzip war der jungen Frau leider nicht freundlich gesonnen, denn sie wurde sofort von Radomirs Leuten überwältigt. Die Peitsche wurde ihr aus der Hand gerissen und sie wurde grob gegen die Wand gedrückt.
„Herr, seit ihr okay?“
„Argh... ja es geht schon. Es ist bedauerlich, dass dieses Gesindel nie erkennt, wann es eine Möglichkeit ergreifen sollte. Los sperrt sie in den Kerker. Ich habe jetzt keine Zeit dafür. Doch keine Sorge, ihr werdet euren Spaß schon noch bekommen. Wir wissen ja zum Glück, was man mit aufständischen kleinen Mädchen tun kann. Doch heute Nacht brauche ich euch alle. Wir müssen uns vorbereiten. Ich bin mir nicht sicher, wie viel Zeit wir noch haben.“
Zwei Männer packten Zarifa nun fest an den Armen und schleiften sie mit. Sie versuchte sich zu wehren, doch es hatte keinen Zweck. Hatte sie überstürzt gehandelt? Hatte sie sich gerade eine Riesenchance durch die Finger gleiten lassen? Doch wie hätte sie Rami weiter auspeitschen können? Er hatte es nicht verdient, genauso wenig wie sie das verdient hatte, was ihr im Alter von elf Jahren geschehen war. Radomir war der wahre Schurke. Und sie hatte alles in ihrer Macht Stehende getan, um ihm so viele Schmerzen wie möglich zu bereiten. Das war zwar nicht viel, doch es war das Richtige. Und wenn sie dafür mit dem Leben bezahlte, dann war das eben so. Ohne Tekin wusste sie ohnehin nicht, was sie mit ihrem Leben noch großartig anfangen sollte. Doch dann kamen Zarifa wieder die Worte von Radomir in den Sinn. Und ihre schlimmsten Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten. Hätte Radomir sie töten wollen, hätte er das einfach getan. Bei Tekin hatte er auch nicht gezögert. Doch er ließ sie einsperren. Das konnte nichts gutes heißen.
Sie waren nun vor einer kleinen Zelle angekommen, in die Zarifa hineingestoßen wurde. Anschließend wandte sich die kleinere der beiden Wachen an die andere Wache:
„Was meinst du? Für einen kleinen Vorgeschmack dürfte doch noch Zeit sein, oder?“
„Das denke ich auch“, antwortete die andere Wache mit einem gemeinen Grinsen.
Die beiden betraten nun ebenfalls die Zelle und schlossen die Tür hinter sich.