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Autor Thema: Die Hochebene von Gorgoroth  (Gelesen 3026 mal)

Eandril

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Die Hochebene von Gorgoroth
« am: 30. Jun 2019, 22:56 »
Narissa, Aerien, Karnuzîr und Gimli aus Nurn

Je näher sie der Hochebene von Gorgoroth kamen, desto öfter hatten sie Ork-Patroullien ausweichen und sich hinter schwarzen Felsen und in verkrüppelten, dornigen Gebüschen verstecken müssen. Den Pass nach Gorgoroth, der eher eine viele Meilen breite Lücke zwischen zwei Gebirgskämmen war, überquerten sie im Schutz der Dunkelheit nach des östlichen Gebirges. Dies war der gerade Weg nach Barad-Dûr, doch die gut bewachte Straße verlief weiter westlich, in der Mitte des Passes.
"Es ist Zeit", sagte Gimli am Morgen des zweiten Tages seit ihrer Überquerung des Passes. Je näher ihre kleine Gruppe dem dunklen Turm kam, desto mehr wimmelte das Land von Ork-Lagern - und immer hatte Narissa das unbestimmte Gefühl, beobachtet zu werden. "Genieß' es nicht zu sehr", warnte Narissa Karnuzîr, als dieser ihr mit einer lockeren Schlaufe die Hände auf dem Rücken zusammen band.
Karnuzîr ging nicht darauf ein, sondern zog ihr mit einer groben Bewegung die Kapuze über den Kopf, um ihre auffällig hellen Haare zu verbergen. Probeweise bewegte Narissa die Hände ein wenig. Die Fesseln ließen ihr ein wenig Spiel und saßen locker genug, um sich mit einer raschen Bewegung lösen zu lassen.
Von Narissas Händen aus führte Karnuzîr das Seil zu Aerien, der er auf die gleiche Weise die Hände fesselte. Narissa blickte ihr ins Gesicht, und verzog das Gesicht zu einer aufmunternden Grimasse. Vermutlich würden sie alle Vier dabei draufgehen, doch Narissa hatte nicht vor, Aerien ihre Sorgen spüren zu lassen. Sie hatte allerdings den Verdacht, dass Aerien das Gleiche tat...
Nach Aerien war Gimli als letzter an der Reihe. Der Zwerg brummte ungehalten, als Karnuzîr ihm die Hände zusammenband, und sagte: "Wenn du auch nur auf den Gedanken kommst, uns zu verraten... dann breche ich dir dein Genick wie einen Zweig."
"Wenn ich vorhabe euch zu verraten, wird keiner von euch dazu die Gelegenheit bekommen, denn dann werdet ihr tot sein." Trotz Karnuzîrs Worten glitzerten Schweißtropfen auf seiner Stirn, und die freie Hand bewegte sich nervös auf dem Schwertgriff. Narissas Dolche und Gimlis Kurzschwert hatten sich einigermaßen gut unter ihren Mänteln verbergen lassen, doch Aeriens Waffe war zu lang dazu, und so hatte sie sie mit großen Widerwillen Karnuzîr überlassen. Außerdem wäre ein unbewaffneter Karnuzîr sicherlich auffälliger gewesen als ein bewaffneter - auch wenn er Narissa so wehrlos wie möglich am liebsten war, trotz seiner Worte auf dem Weg durch Nurn. Damit Aerien während dieser Zeit nicht vollkommen unbewaffnet war, hatte Narissa ihr Ciryatans Dolch überlassen - schließlich hatte sie keine drei Hände um drei Dolche gleichzeitig zu führen.
Karnuzîr ruckte einmal probeweise am Seil, und als keine der Fesseln sich von selbst löste, nickte er zufrieden. "Wenn dieser kleine Trick auffliegt, wird euch nichts mehr retten können", warnte er, und seine Augen zuckten nervös von einem 'Gefangenen' zum nächsten.
"Das weiß jeder von uns", gab Aerien zurück. "Und niemand besser als ich, Vetter. Ich habe genug Zeit in Barad-Dûr verbracht um zu wissen, wie dort mit Gefangenen umgegangen wir - und mit Verrätern."
Karnuzîr erbleichte, und wandte sich ruckartig ab. "Vielleicht sollten wir nicht zu oft erwähnen, was ihm droht, wenn wir erwischt werden", flüsterte Narissa Aeriens Rücken zu, während sie dem sanften Zug des Seils folgte, und sich in Bewegung setzte. "Ich weiß", erwiderte Aerien ebenso leise, und senkte den kapuzenbedeckten Kopf. "Ich weiß", wiederholte sie noch ein wenig leiser, und Narissa hätte sie am liebsten umarmt. Doch es war nicht möglich, und so biss sie sich auf die Lippe und marschierte stumm weiter.

Trotz ihrer Tarnung vermied Karnuzîr soweit es ging die überall auf der Ebene verstreuten Lager und wich unauffällig den meisten Patroullien aus. Doch je weiter nach Norden sie gelangten, desto schwieriger und schließlich unmöglich wurde es.
Plötzlich verlangsamte Karnuzîr seinen Schritt und blieb stehen. Von vorne erklang die grobe, unverkennbare Stimme eines Orks. "Halt! Wer seid ihr, und wer sind diese traurigen Gestalten?" Vorsichtig spähte Narissa unter der Kapuze hervor an Aerien und Gimli vorbei nach vorne. Dort hatte sich eine Gruppe finster dreinblickender, schwer bewaffneter Orks versammelnt, die Karnuzîr den Weg versperrte. Der Anführer war einen Kopf kleiner als Aeriens Vetter, allerdings mindestens doppelt so breit, und führte einen gefährlich aussehenden Speer mit hässlich gezackter Spitze mit sich.
"Gefangene für den dunklen Turm", gab Karnuzîr zurück, und erleichtert stellte Narissa fest, dass in seiner Stimme genau die richtige Mischung aus Autorität und Verachtung mitschwang - und kein Zeichen von Unsicherheit. Der Ork wich unwillkürlich einen halben Schritt zurück. "Aha. Und ihr seid?"
"Karnuzîr, Aglazôrs Sohn." Sie hatten sich darauf geeinigt, dass es keinen Zweck hatte, sich einen falschen Namen für Karnuzîr auszudenken. Die meisten Orks kannten vermutlich nur die Namen der wichtigsten schwarzen Númenorer und würden viel mehr von seinem Aussehen und Auftreten überzeugt werden, und die höheren Diener Saurons, denen sie begegnen könnten, würden einen falschen Namen sofort durchschauen. "Und jetzt geht aus dem Weg, wenn ihr nicht den Zorn des Auges auf euch lenken wollt."
Bei diesen Worten veränderte sich die ganze Haltung des Ork-Anführers. Seine Schultern sanken herab, und er richtete den Blick zu Boden. "Natürlich, Herr." Er wandte sich zu den übrigen Orks um, und brüllte: "Geht aus dem Weg, ihr Maden! Der Herr ist mit wichtigen Gefangenen auf dem Weg zum Turm!"
Während sie zwischen den Orks hindurch gingen, richtete Narissa den Blick fest auf den Boden. In Mordor hatte sie zum ersten Mal Orks zu Gesicht bekommen, und die Bosheit und Brutalität, die diese hässlichen Wesen verströmten, erschreckte sie. Mit menschlichen Feinden konnte sie umgehen, denn zu einem gewissen Grad konnte sie sie verstehen. Doch in den kalten Augen der Orks war kein bisschen Menschlichkeit zu sehen, nur Grausamkeit und Hass.

Karnuzîr schien die Begegnung mit den Orks nicht weniger mitgenommen zu haben, denn als er sie einige Zeit später, sie hatten vielleicht eine weitere Meile zurückgelegt, eine Rast einlegen ließ, zuckten seine Finger noch immer nervös. "Soweit so gut", brummte Gimli, den Blick nach Norden gerichtet, wo hinter den dunklen, mit Asche getränkten Wolken ein hoher, schwarzer Schatten zum Himmel aufragte. "Bleiben nur noch ungefähr eintausend weitere Dinge, die schiefgehen könnten." Narissas Blick wurde ebenso wie der des Zwerges unweigerlich von dem schwarzen Gebilde angezogen. "Er ist so... riesig", flüsterte sie. "Das größte Gebäude in Mittelerde", sagte Aerien, den Blick ebenfalls nach Norden gerichtet. "Erbaut durch Blut und finstere Zauber, ein weit sichtbares Zeichen für seine Macht. Früher... früher hat es mir nicht besonders viel ausgemacht, dort zu sein. Doch jetzt wünschte ich, ich müsste niemals dorthin zurückkehren."
Wiedereinmal wusste Narissa nicht, was sie sagen sollte. Sie hätte Aerien gerne Trost gespendet, doch es gab keinen. Stattdessen wandte sie den Blick nach Westen, wo in der Ferne ein schwaches Glühen zu sehen war. Der Schicksalsberg, dachte sie, und ließ den Blick über die vernarbte, mit Asche und Ruß bedeckte Landschaft schweifen. In dieser Gegend hatte sich vor tausenden von Jahren schon einmal das Schicksal der Welt entschieden. Das, was sie vor hatten, war nichts gegen das, was ihre Vorfahren hier erlebt hatten, und dennoch... im Augenblick wäre sie lieber alleine einer gewaltigen Armee entgegengetreten, als sich gefesselt in das innerste Heiligtum des Feindes zu begeben.
"Irgendetwas ist seltsam", durchbrach Aerien das Schweigen. Ihr Blick war noch immer auf die Silhouette von Barad-Dûr gerichtet. "Ich konnte seine Anwesenheit in Barad-Dûr immer spüren. Doch jetzt... ist es anders."
"Nun, wenn der Hausherr nicht da ist, kann das nur gut für uns sein", knurrte Gimli. "In diesem Fall sollten wir nicht zu lange zögern, nicht, dass er vor uns zurückkommt. Also, lasst uns weiterziehen." Der Zwerg lachte rau auf. "Direkt in die Höhle des Bären. Dieser Vergleich würde ihm sicher nicht gefallen, hah!"

Narissa, Aerien und Gimli in den Dunklen Turm
« Letzte Änderung: 20. Jan 2020, 13:27 von Fine »

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

Eandril

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Re: Die Hochebene von Gorgoroth
« Antwort #1 am: 1. Okt 2019, 12:47 »
Narissa, Aerien, Gimli und Aragorn aus Barad-Dûr

Auf der Straße nach Westen waren ihnen auf den ersten paar Meilen weder Orks noch sonstige Diener Saurons begegnet, was Narissa verwunderte, doch sie beschloss, nicht weiter darüber nachzugrübeln. Erst an den unteren Berghängen des Orodruin erspähte sie durch eine Wolke aufgewirbelter Asche vor ihnen.
"Wir bekommen Gesellschaft", stellte sie knapp fest. Gimli befühlte mit grimmiger Miene seinen Schwertgriff. "Sollen sie kommen. Ich würde sie zu gerne meiner Klinge vorstellen." Aragorn hingegen schüttelte mühsam den Kopf. "Wir sollten uns nicht auf einen Kampf einlassen, mein Freund. Ich bin mit Sicherheit nicht in der Lage zu kämpfen, und ihr anderen vermutlich ebenfalls nicht mehr wirklich."
Tatsächlich fühlten sich Narissas Beine wie Blei an und sie hatte nicht das Gefühl, noch die Kraft aufbringen zu können um nur einen ihrer Dolche zu heben. Dennoch sagte sie: "Welche andere Wahl haben wir denn?" Sie beschrieb einen Halbkreis über das öde Land um sie herum. "Ich sehe nicht, wo wir uns verstecken könnten."
"Aber ich", begann Aerien zögerlich. "Es gibt einen Weg den Berg hinauf, der nur ein kurzes Stück weiter westlich von dieser Straße abzweigt - wenn ich mich recht erinnere. Orks... Orks gehen nicht dorthin."
"Das ist der Weg zur Ringschmiede", warf Aragorn ein. "Und wir sollten auch nicht dorthin gehen. Spürt ihr nicht die Kraft, die diesen Berg beherrscht?"
Jetzt, wo Aragorn es sagte, wurde Narissa das schwache Summen in ihren Ohren bewusst, und der Druck auf ihrem Kopf. Sie hatte es bislang der Erschöpfung zugeschrieben, doch vielleicht hatte Aragorn recht. "Und wohin sollten wir sonst gehen?", fragte sie. Im Süden war das Land kahl und flach, ohne gute Möglichkeiten zum Verstecken, von Westen nahten die Orks, und im Osten ragte drohend der Barad-Dûr auf.
"Es bleibt nur der Berg", stimmte Aragorn nach kurzem Zögern zu. "Es gefällt mir nicht, doch es scheint unsere einzige Wahl zu sein. Wir gehen so weit, bis wir ein Versteck gefunden haben, und keinen Schritt weiter den Berg hinauf." Er blickte Aerien an, deren Hand offenbar unbewusst nervös über Andúrils Griff strich. "Also führe uns, Aerien."
Aerien zögerte keinen Augenblick, und wandte sich nach Nordwesten, schräg den hier noch sanft ansteigenden Berghang hinauf. Narissa wusste, dass Aerien hoffte, auf diesem Weg möglichst bald auf die Straße zur Ringschmiede zu stoßen, ohne weiter auf der großen Straße am Fuß des Berges bleiben zu müssen.

Aeriens Plan hatte Erfolg gehabt. Schon nach kurzer Zeit waren sie auf die schmale, gepflasterte Straße gestoßen, die sich um den Berg herum wand, immer leicht bergauf. Ihr waren sie noch etwa drei Meilen weit gefolgt, ohne auf Feinde zu stoßen, bis die Spitze des Berges im Osten hinter ihnen lag, und sie nach Westen den Berg hinunter auf die Ebene von Gorgoroth und das Schattengebirge blickten. Inzwischen war das Licht schwächer geworden, auch wenn die tief über Gorgoroth hängenden Wolken den Blick auf die Sonne versperrten. Glücklicherweise stieß Gimli ein wenig unterhalb der Straße auf einen halb überhängenden Felsen, der ein gutes Versteck bieten würde.

Nur wenig später, als die Nacht beinahe hereingebrochen war, hatten sie sich zu viert unter dem Felsen verkrochen. Narissa schmiegte sich dicht an Aerien, denn die Nacht war kälter als der Tag es vermuten ließ, während Aragorn auf dem Rücken lag und zum dunklen Himmel aufblickte. "Ich wünschte, man könnte die Sterne sehen", sagte er leise. "Es ist zu lange her, dass ich Sterne gesehen habe."
"Du wirst bald wieder Sterne sehen können", erwiderte Aerien ein wenig scheu. "Wir werden dafür sorgen."
"Dafür sollten wir uns allerdings für einen Weg entscheiden", warf Narissa ein, auf einen Ellbogen aufgestützt. Eigentlich wollte sie nur noch schlafen, doch sie glaubte nicht, dass sie an diesem Ort ein Auge zu tun würden.
Stein knirschte, als Gimli, der sich ein wenig in der Umgebung umgesehen hatte, zurückkehrte und neben Aragorn auf den Boden fallen ließ. "Die südliche Route würde ich nicht empfehlen", knurrte der Zwerg. "Der Weg bis zu eurem geheimen Pass ist zu weit, ich glaube nicht, dass ihr Menschen das in eurem augenblicklichen Zustand schaffen würdet." Narissa öffnete den Mund um zu protestieren, entschied sich aber doch anders - Gimli hatte recht, ihr graute bei dem Gedanken daran, diesen weiten Weg durch Mordor ein zweites Mal zurückzulegen. Und wer konnte wissen, was sie südlich des Gebirges erwartete? Vielleicht hatte Qúsay den Krieg inzwischen verloren, und sie würden geradewegs in Suladâns Hände laufen.
"Gimli hat recht", stellte Aragorn fest. Seine Stimme klang rau und erschöpft. "Es gibt zwei nähere Wege über das Gebirge: Den Weg durchs Morgultal, oder durch das schwarze Tor nach Norden."
"Das Morgultal ist der Sitz der N..." Aerien unterbrach sich, als würde allein das Aussprechen des Wortes die Nazgûl herbeilocken. An jedem anderen Ort hätte Narissa den Gedanken für lächerlich erklärt, doch nicht hier. "Wir alle wissen, wessen Sitz es ist", sprach Aerien schließlich weiter. "Und der Pass von Cirith Ungol ist bewacht, von Orks und... Schlimmerem. Beide Wege sollten wir nicht gehen. Ebenso das schwarze Tor - es ist der größte und wichtigste Eingang nach Mordor im Westen, und einer der am besten bewachten Orte in Mittelerde."
Narissa kannte den Ausdruck auf Aeriens Gesicht. "Du hast einen anderen Plan", stellte sie fest. "Und er gefällt dir nicht besonders."
Aerien schüttelte den Kopf, und antwortete: "Nein, er gefällt mir nicht. Aber es ist unsere beste Chance. Wir könnten über Durthang gehen, den Sitz... meiner Familie. Ich kenne mich dort aus, also könnten wir einen Weg finden, uns ungesehen vorbei zu schleichen. Es gibt dort Pfade das Gebirge im Westen hinunter - kein Weg auf dem eine Armee gehen kann, doch für uns wirt des reichen."
"Das bringt uns nach Nord-Ithilien", führte Aragorn den Gedanken fort. "Ein Land, dass vermutlich noch immer von Mordor beherrscht wird."
"Ja", bestätigte Aerien seine Vermutung. "Doch wir könnten uns von dort am Anduin nach Norden durchschlagen, bis wir zur Grenze von Rohan kommen, und dort versuchen den Fluss zu überqueren."
Aragorn wechselte einen Blick mit Gimli, als ob sie eine gemeinsame Erinnerung teilten. "Oberhalb des Rauros bildet der Anduin den See Nen Hithoel. Er hat dort nur eine schwache Strömung, und die Gegend ist bewaldet. Es sollte uns möglich sein, dort ein Floß zu bauen und den See zu überqueren - wenn wir es soweit schaffen, denn auf dem Weg entlang des Anduin liegt das Nindalf, ein großes Gebiet aus Mooren und Tümpeln."
Als er den zweifelnden Ausdruck auf Narissas und Aeriens Gesichtern sah, lächelte Aragorn. "Ich glaube, wenn wir es über Durthang hinaus schaffen, werden weder die Sümpfe, noch die Felsen des Emyn Muil, noch der Anduin eine wirkliche Herausforderung für uns darstellen."

Es dauerte nicht lange, bis Aragorn eingeschlafen war, worum Narissa ihn beneidete. Spitze Steine stachen sie in den Rücken, doch sie hätte vermutlich selbst in dem weichsten Federbett aller Zeiten nicht einschlafen können - zu sehr fürchtete sie die Träume, die der Schlaf bringen mochte. Als sie nach links blickte, verrieten ihr Aeriens offene Augen, dass es ihrer Freundin kaum anders ging als ihr selbst.
"Ich hätte nicht gedacht, dass wir es so weit schaffen", gestand sie leise, und spürte, wie sich Aeriens Hand auf ihre legte. "Das hast du aber gut verborgen. Und ich... ich fürchte mich vor Durthang", erwiderte Aerien, und ihre Stimme wurde immer leiser. "Varazîr zu begegnen war schlimm genug, doch was ist, wenn ich dort... wenn ich dort meiner Mutter begegne? Oder meinem Vater? Trotz allem sind sie... sie sind meine Familie, 'Rissa. Verstehst du?" Narissa verstand es nicht. Sie fürchtete sich nicht davor, Suladân gegenüber zu treten - im Gegenteil, sie sehnte es geradezu herbei, damit sie ihren Dolch in sein schwarzes Herz stoßen konnte. Doch sie sagte nichts davon, und drückte nur Aeriens Hand. "Wir können einen anderen Weg suchen."
"Es gibt keinen anderen Weg", erwiderte Aerien, und die Verzweiflung in ihrer Stimme drohte Narissa die Luft abzuschnüren. "Ich weiß, dass wir diesen Weg wählen müssen, doch irgendwie... habe ich ein schreckliches Gefühl dabei. Als würde dort etwas Furchtbares auf mich lauern."
Narissa schob einen Arm unter Aeriens Schulter hindurch, und zog sie dicht an sich. "Ich werde nicht zulassen, dass dir dort etwas geschieht." Aerien lächelte traurig. "Wer sagt denn, dass ich um mich selbst Angst habe?"
Darauf wusste Narissa nichts zu sagen. Stattdessen zog sie Aerien noch näher an sich, mit der Absicht, sie nie wieder loszulassen.

Oronêl - Edrahil - Hilgorn -Narissa - Milva

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Die stummen Wächter
« Antwort #2 am: 4. Okt 2019, 21:32 »
Am folgenden Tag mühten sie sich in einem Tempo um den Hang des Schicksalsberges herum, das Aerien vorkam, als wäre der Orodruin (wie Aragorn ihn nannte) von wahrhaft gigantischem Ausmaße. Und obwohl sie die Entfernungen hier in Mordor gut kannte, hatte sie dennoch das Gefühl, dass sie viel zu langsam vorankamen. Das Gelände war uneben und felsig. Ihre Kräfte kehrten nur sehr zögerlich zurück. So brauchten sie zwei ganze Tage, um den Schicksalsberg endlich hinter sich zu lassen. Immerhin hatte ihnen der Umweg über den Berg offenbar dabei geholfen, etwaigen Verfolgern aus Barad-Dûr für den Moment zu entgehen. Dennoch fand Aerien kaum Frieden in der Ödnis von Gorgoroth. Zwar spürte sie Saurons Blick nicht so, wie sie es aus ihrer Kindheit und Jugend gewohnt gewesen war, aber sie hatte das unverleugbare Gefühl, dass der Herr von Mordor von ihrer Befreiungsaktion wusste und sich ihres Aufenthaltortes gewahr war.
Selbst der Zwerg Gimli schien seit der Flucht aus Barad-Dûr an seine körperlichen Grenzen gekommen zu sein. Alle vier schleppten sie sich mehr schlecht als recht dahin und versuchten so gut es ging, die felsige Landschaft rings um sie herum so zu nutzen, um unfreundlichen Blicken zu umgehen. Die Meilen zogen sich in qualvolle Länge, während das ferne Schattengebirge sich langsam mit jedem Schritt vor ihnen in die Höhe türmte. Sie brauchten zwei weitere Tage, um das unnachgiebige Flachland von Gorgoroth in nordwestlicher Richtung zu durchqueren, bis sie in die Nähe des Bergkammes kamen, der Gorgoroth vom Tal von Udûn trennte. Hier schlugen sie ihr Lager in einer kleinen Schlucht auf, an deren Grund etwas schmutziges Wasser dahinrieselte. Die Straße, die vom Tor der Isenmünde zur Kreuzung nach Durthang und von dort weiter entlang des Morgai nach Minas Morgul führte, war ganz in der Nähe und immer wieder hörten sie von dort die marschierenden Schritte von Orks oder Menschen im Dienste Mordors. Die Vorräte waren knapp geworden und würden nach Aeriens Schätzung nur noch für drei weitere Tage reichen. Wenn sich ihre schwindende Hoffnung auf eine erfolgreiche Flucht nach Ithilien tatsächlich erfüllen würde, würden sie sich dort auf die Suche nach Nachschub machen müssen.
Aragorn lehnte sich mit dem Rücken gegen die Felswand der kleinen Schlucht, an der sich Aerien voller trübsinniger Gedanken zusammengekauert hatte. Narissa war gerade dabei, in langwieriger und mühsamer Arbeit ihre Wasserschläuche zu füllen, während Gimli etwas Schlaf gefunden hatte. Aragorn wirkte zwar körperlich schwach, aber in seinem Blick lag eine Entschlossenheit, die Aerien dazu drängte, nicht aufzugeben. Sie umklammerte das Schwert, das er ihr anvertraut hatte. Schwer lag es über ihren Beinen und funkelte dunkel in dem fahlen Licht, das die düsteren Wolken über Mordor durchdrang und sich seinen Weg hinab in die Schlucht suchte.
"Ich bin während meiner Tage in Gondor oft in Ithilien gewandert," begann er. "Dabei habe ich mich viele Male dem Schattengebirge zugewandt und dort nach Wegen gesucht, auf denen unsere Feinde die Grenzen des südlichen Reiches zu bedrohen trachteten. Doch ein Weg, der von Durthang hinab in die nördlichen Wälder Ithiliens führt, ist mir dabei nie untergekommen." In seinen strengen Augen lag eine unausgesprochene Frage.
"Er existiert wirklich," beteuerte Aerien. "Aber er wurde im Geheimen angelegt und ist nur den Herren von Durthang bekannt. Nur sehr selten wird es Orks oder anderen niederen Dienern des Dunklen Herrschers gestattet, diesen Pfad zu beschreiten. Und selbst wenn ihn ein Kundschafter Gondors entdecken würde, käme er doch nicht an den stummen Wächtern vorbei."
"Die stummen Wächter?" wiederholte Aragorn langsam und bedacht.
"Es sind Statuen, die von einer bösartigen Präsenz befallen sind," erklärte Aerien leise. "Sie lassen niemanden passieren, der nicht im Auftrag Mordors handelt. Ein zweites Paar dieser Wächter bewacht den Zugang zum Turm von Cirith Ungol, doch die beiden Statuen am verborgenen Pfad von Durthang besitzen größere Macht als ihre südlichen Vettern. Sie vermögen es, den Geist jener zu verwunden, die sich ihnen unerlaubt nähern. Wer nicht einen unerschüttetrlichen Willen besitzt, ergreift panisch die Flucht vor den Wächtern und erinnert sich später nicht mehr daran, ihnen überhaupt begegnet zu sein."
"Hmm," brummte Aragorn verdrossen. "Das erklärt, weshalb der Pfad in Gondor bis jetzt unbekannt geblieben ist."
"Großartig," mischte sich Narissa ein, die anscheinend einen Teil des Gespräches mitangehört hatte. "Und wie sollen wir an diesen Dingern vorbeikommen?"
Aerien schwieg. Sie hatte gehofft, noch nicht so bald über diesen Teil ihres Planes sprechen zu müssen.
"Das würde mich auch interessieren," sagte Gimli, der aufgewacht war und Aerien nun gespannt anblickte.
Sie stieß einen Seufzer aus. "Es... gibt einen Weg, an den Wächtern vorbei zu kommen."
Als sie nach einer halben Minute nicht weitergesprochen hatte, hakte Narissa schließlich nach. "Und der wäre? Nun lass' dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen."
Ehe Aerien fortfahren konnte, durchdrang ein ferner Schrei die Stille Mordors. Aerien, Narissa, Gimli und Aragorn fuhren zusammen - sie alle hatten diesen schrecklichen Laut schon zuvor gehört.
"Nazgûl," wisperte Aragorn. "Sie suchen nach uns. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit..."
Aerien presste die Lippen fest aufeinander und gab sich einen Ruck. "Mein Vater besitzt einen Armreif, der... von einer ähnlichen Macht durchdrungen ist, wie sie die stummen Wächter erfüllt. Wer diesen Reif trägt, vermag die Wächter seinem Willen zu unterwerfen, wenn er denn stark genug ist."
"Das gefällt mir gar nicht," brummte Gimli. "Dieses Ding wird vermutlich gut bewacht sein."
"Mein Vater hält es in seiner Truhe in seinen Gemächern verwahrt," sagte Aerien.
"Du willst doch wohl damit nicht sagen..." murmelte Narissa mit weit aufgerissenen Augen.
Aerien nickte langsam. "Ich muss nach Durthang hinein und den Reif holen. Und ich muss alleine gehen."
"Das halte ich für töricht," sagte Aragorn und legte Aerien die Hand auf die Schulter. "Niemand sollte an einen solchen Ort des Bösen alleine gehen."
"Es geht nicht anders," erwiderte Aerien. Es fiel ihr schwer, ihre Stimme davon abzuhalten, zu zittern. "Ich habe mein ganzes Leben in Durthang verbracht und kenne dort jeden Winkel und jeden geheimen Gang."
"Das heißt aber doch nicht, dass du dich alleine dort hinein wagen musst," widersprach Narissa heftig.
"Ich kenne die Menschen dort. Sollte ich entdeckt werden, kann ich vielleicht das einsetzen, das von meinem Status als Tochter des Herrn von Durthang noch übrig ist. Aber das geht nur, wenn ich alleine bin. Ich kann nicht zulassen, dass auch nur einer von euch um meinetwegen in Gefahr gerät."
Narissa warf Aerien einen eindeutig verletzten Blick zu und schwieg. Gerne hätte Aerien jetzt die richtigen Worte gehabt, um ihre Freundin verstehen zu lassen, warum sie alleine gehen wollte, doch ihr Hals und Mund waren trocken und sie brachte keinen Ton hervor.
"Du musst wissen, was du da tust, Kleine," sagte Gimli zweifelnd. "Wenn du dieses Ding beschaffen kannst, dann tu' es. Aber mir wäre es lieber, wir würden nach einem anderen Weg suchen, diese stummen Wächter zu überwinden. Wie stark können sie schon sein? Denen ist bestimmt noch kein Zwerg begegnet. Ich werde..."
"Es gibt keinen anderen Weg," beharrte Aerien düster. "Ich muss gehen. Ich kann nicht an dieser Festung vorbeigehen, ohne... ohne sie ein letztes Mal betreten zu haben. Um mit all dem... abzuschließen."
Ohne ein Wort wandte Narissa sich ab und marschierte davon. Sie würde es einsehen, darauf vertraute Aerien. Doch ihr jetzt hinterher zu laufen würde nur zu einem offenen Streit führen.
Aragorn legte ihr die Hand unter das Kinn und hob es an, sodass Aerien ihm in die Augen blickte. "Ich vertraue dir, Aerien. Du hast dein Versprechen gehalten und bist zu mir nach Barad-Dûr zurückgekehrt. Ich weiß, dass du glaubst, das Richtige zu tun. Also sei stark. Noch ist unsere Hoffnung nicht erloschen."
Aerien atmete tief durch. Sie wusste, sie würde sich ihrer Vergangenheit stellen müssen, wenn sie nach Durthang kam. Und obwohl sie Angst davor hatte, glaubte sie doch, in ihrem Inneren die Kraft gefunden zu haben, um zu tun, was nötig sein würde.


Narissa, Aerien, Gimli und Aragorn nach Durthang
« Letzte Änderung: 7. Okt 2019, 14:57 von Fine »
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