Oronêl setzte als zweiter einen Fuß auf den staubigen Boden der Schmiede, nach Mathan und dicht gefolgt von Finelleth. Durch den geöffneten Eingang über ihnen fiel ein wenig Tageslicht herein, doch es reichte bei weitem nicht aus um das gesamte Gebäude zu erhellen. Inzwischen hatten sich die Augen der Elben gut an das schwache Licht gewöhnt, doch Kerry, Adrienne und die beiden Dunländer sahen weniger gut und sahen sich orientierungslos um. Die Fackel, die Mathan trug, warf ihren flackernden Schein über die Gruppe und darüberhinaus, und erhellte die seit Jahrtausenden verlassene Umgebung.
Rechts von ihnen, an der westlichen Wand, erhob sich ein gewaltiger Schmiedeofen von dem aus sich entlang der südlichen und nördlichen Wand zwei lange Arbeitstische hinzogen. Parallel zu den Tischen verliefen schmale, mit Wasser gefüllte Becken, die vermutlich früher zum Abkühlen des heißen Metalls gedient hatten. Im Licht der Fackel sah das Wasser beinahe schwarz aus. Direkt vor ihnen, im südlichen Teil des mittleren Raumes erhoben sich lange Regalreihen voller Schriften und Bücher - die jedoch die Schlacht und die lange Zeit seitdem nicht gut überstanden zu haben schienen. Gemessen an den Lücken in den Regalen musste auch gut die Hälfte der Schriftstücke fehlen.
Im nördlichen Teil des Raumes, den Bücherregalen gegenüber, standen viele kleinere Regale und Schränke, die, von dem was Oronêl erkennen konnte, wohl Werkzeuge und Formen zum Schmieden beinhaltet hatten. Auch dort herrschte große Unordnung, und viele Werkzeuge lagen zerbrochen und beschädigt auf dem staubigen Boden.
Oronêl hatte im Eingangsbereich der Schmiede ebenfalls eine Fackel ergriffen, und entzündete sie nun an Mathans Fackel. Währenddessen deutete dieser mit einer ausholenden Bewegung auf den westlichen Teil der Schmiede.
"Dies war die große Schmiede von Eregion, in der die meisten von Celebrimbors Schülern und Helfern arbeiteten", erklärte er.
"Ziemlich beeindruckend, was sie aus den Anfängen gemacht haben...", sagte Oronêl leise. "Schade, dass es nicht lange Bestand hatte." Mathan warf ihm einen verwunderten Blick zu. "Du warst schon einmal hier?"
Oronêl nickte langsam. "Nun ja, nicht
hier", sagte er dennoch. "Aber ich war in Eregion, kurz nach seiner Gründung. Wir hatten in Lórinand davon gehört, dass sich Elben auf der anderen Seite des Gebirges angesiedelt hatten, und Amdír wollte sie besuchen. Wir haben sogar kurz mit Celebrimbor selbst gesprochen, doch, wenn ich ehrlich sein soll, wir haben uns nicht sonderlich gut verstanden. Wir kamen den Noldor hier wahrscheinlich ungeschliffen und ungebildet vor, und sie erschienen uns hochfahrend und arrogant."
"Ich hoffe, dieser Eindruck hat sich durch neuere Erfahrungen nicht bestätigt", meinte Celebithiel mit einem Augenzwinkern, und Oronêl lächelte. "Nein, keineswegs."
Er ließ einen Blick durch die große Schmiede schweifen. "Ich nehme nicht an, dass das unser Ziel ist?" Mathan schüttelte den Kopf, und deutete zur anderen Seite, nach Osten.
"Nein, die Ringschmiede ist dort... hinter dieser Wand." Er zögerte, und wirkte ein wenig unsicher. "Das ist... merkwürdig. Diese Wand gab es früher nicht."
"Wenn man einen Ort sehr lange nicht gesehen hat, verändert er sich in der Erinnerung. Vielleicht hast du nur vergessen, dass die Ringschmiede von einer Mauer abgetrennt wurde?", vermutete Oronêl, doch eigentlich wusste er, dass es so nicht sein konnte. Die Ringschmiede war für Mathan ein Ort wie Cerin Amroth für ihn selbst: Ganz gleich, wie lange sie nicht dort gewesen waren, die Erinnerung würde niemals verblassen und Veränderungen würden ihnen immer auffallen - und seien sie noch so klein.
Wie erwartet schüttelte Mathan auch den Kopf. "Nein. Ich kenne die Schmiede wie mich selbst, und an so etwas würde ich mich erinnern."
"Wie auch immer diese Mauer dorthin gekommen ist", sagte Oronêl, und spürte, wie ihm unwillkürlich ein leichter Schauer den Rücken hinunterlief. Irgendetwas hier war nicht so, wie es sein sollte, die Atmosphäre war drückend und der Ring in seiner Tasche schien von Augenblick zu Augenblick schwerer zu wiegen. "Wir müssen hindurch und in die Ringschmiede."
Er und Mathan begannen die Wand von Norden und Süden im Schein ihrer Fackeln nach Schwachstellen oder einer Tür abzusuchen, während die anderen unterhalb der Treppe warteten. Es wurde wenig und leise gesprochen, denn hier im unteren Teil der Schmiede hatte man das Gefühl, in einem Grab zu stehen. Schließlich glitten Oronêls Finger über eine schmale Vertiefung im kalten Stein, und er stockte. Kaum sichtbar zog sich eine Spalte durch die Mauer, von oben nach unten. In der Mitte des Spaltes, ungefähr auf Brusthöhe, war ein einzelner, großer Saphir eingelassen. Oronêl strich mit den Fingerspitzen darüber, und sagte: "Mathan. Ich glaube, ich habe etwas gefunden."
Mathan trat stumm neben ihn, und betrachtete den Spalt schweigend von oben nach unten. Dann legte er die Hand auf den Saphir, der unter seinen Fingern kurz aufzuleuchten schien, und das Tor schwang beinahe lautlos nach außen auf.
Mathan öffnete den Mund, schüttelte dann jedoch den Kopf und sagte nichts. "Meinst du, das hat etwas mit deiner Mutter zu tun?", fragte Kerry, die inzwischen mit den anderen zu ihnen getreten war, und Mathan lächelte schwach. "Könnte sein - ich weiß es nicht", erwiderte er. "Aber im Moment sollten wir uns darauf konzentrieren, diese Ringe loszuwerden."
Nacheinander betraten sie die Ringschmiede von Eregion.
In der Ringschmiede war es noch dunkler als im Vorraum oder der großen Schmiede, denn die geheimnisvolle Zwischenmauer sperrte das Sonnenlicht, dass durch den oberen Eingang fiel, komplett aus. An der Nordwand glaubte Oronêl zwei kleinere Schmiedeplätze zu sehen, während der Blick nach Süden durch weitere Bücherregale versperrt wurde. Oronêl fragte sich unwillkürlich, ob dort die fehlenden Schriften aus dem Hauptraum waren - und wer sie dorthin geschafft hatte, und warum.
Der Tür direkt gegenüber lag ein großer, kreisrunder Raum, doch eine Reihe weiterer Schränke versperrte den Blick hinein.
"Dort wurden die Ringe der Macht geschmiedet", sagte Mathan leise, und deutete nach vorne. "In diesem Raum hat es begonnen."
"Und für zwei von ihnen wird der Weg in diesem Raum enden", erwiderte Oronêl entschlossen, und ging voran. Zwischen zwei der Schränke war eine Lücke, breit genug dass eine Person hindurchgehen konnte. Als er hindurch trat, fand er sich in einem hohen, runden Raum wieder. Der Boden war, wie alles in diesem Teil der Schmiede, aus Stein, und entlang der drei übrigen Wände zogen sich große, ebenerdige Feuerstellen. An jedem Ende einer Feuerstelle stand ein gewaltiger Blasebalg, die von Hand bedient werden konnten, aber offenbar auch mit irgendeinem mechanischen System hoch über ihren Köpfen verbunden waren. In der Mitte des Raumes stand ein einzelner, steinerner Tisch, der alle Blicke unwillkürlich anzuziehen schien.
Mathan deutete auf die Mechanik über ihren Köpfen und sagte: "Soweit ich weiß, konnten die Blasebälge durch das Wasser des Baches oben angetrieben werden - wie so vieles hier. Doch ich weiß nicht, ob das System noch funktioniert."
"Wir werden sie von Hand betreiben", meinte Oronêl, und zwinkerte Forath und Aéd, die bislang ehrfürchtig geschwiegen hatten, zu. "Wozu haben wir zwei starke Menschen dabei?"
Mathan durchmaß mit schnellen Schritten den Raum, kniete neben der östlichen Feuerstelle nieder und fuhr mit der Hand durch die schwarzen Klümpchen, die darin lagen. "Brennstoff ist immerhin da... Das ist eine spezielle Art Kohle, die in Eregion hergestellt wurde", erklärte er. "Sie brennt lange, und nach einiger Zeit und wenn sie ordentlich angeheizt wird, viel heißer als gewöhnliches Holz oder Kohle. Leider ist das Geheimnis ihrer Herstellung mit dem Untergang verloren gegangen..."
"Wird es ausreichen?", fragte Finelleth, die neben ihn getreten war. Mathan nickte, und stieß seine Fackel mit einer raschen Bewegung in die Kohle. Einen kurzen Augenblick geschah nichts, bevor die Stückchen rund um die Fackel zu glühen begannen. Nach und nach setzte sich das Glühen kreisförmig fort, und nach kurzem Zögern tat Oronêl es Mathan am anderen Ende der Schmiede gleich. Für einen Moment wurde es dunkel in der Schmiede als das Licht beider Fackeln erstickt war, doch nach und nach begann die ganze Feuerstelle zu glühen und erhellte den Raum.
"Feuer hätten wir", sagte Mathan, und in seinen Augen spiegelte sich die Glut. "Wir müssen es nur noch anheizen, bevor wir..." Er verstummte, als von draußen, aus dem Vorraum, ein metallisches Klingen zu hören war.
"War das...", begann Kerry, doch auch sie stockte, als ein Laut durch die Schmiede hallte, der allen nur zu gut bekannt war: Das Quieken eines Orks.
Für einen Moment herrschte Stille, als alle lauschten, und Oronêl glaubte sein eigenes Herz schlagen zu hören. Dann war ein weiteres metallisches Geräusch zu hören, und es war Forath, der als erster handelte. "Da draußen in der Dunkelheit sind wir nicht von Nutzen", sagte er, und warf seine Oberbekleidung ab. "Los, Aéd - wir werden die Blasebälge bedienen." Sein Sohn tat es ihm ohne zögern gleich, und mit nacktem Oberkörper traten sie an die Blasebälge links und rechts des Feuers.
"Gleichmäßig, und immer abwechselnd", wies Mathan sie rasch an, während die anderen Elben bereits ihre Waffen ergriffen und in Richtung der Treppe eilten. "Und hört erst auf, wenn es weiß glüht." Auch Adrienne hatte ihr Schwert gezogen, blieb aber neben dem runden Tisch stehen, während Oronêl und Mathan als letzte die Ringschmiede verließen.
Am oberen Ende der Treppe waren im Licht der Sonne, das durch den Eingang hereinfiel, mehrere Gestalten zu sehen. Einige Orks, aber auch bärtige Menschen, Dunländer, und ein Mann, der statt einem menschlichen rechten Arm, einen aus dunkel glänzendem Eisen hatte.
"Angbaug", erklärte Oronêl rasch. "Sarumans Botschafter bei den Dunländern. Ich habe keine Ahnung wie sie uns gefunden haben, doch sie dürfen die Ringe nicht bekommen."
"Werden sie nicht", erwiderte Mathan, und befühlte die Schneide seiner Silmacil mit dem Daumen. "Du, Finelleth und Celebithiel werdet das untere Ende der Treppe verteidigen", schlug Oronêl vor. Sie mussten schnell handeln, denn ihre Feinde begannen bereits, die Treppe hinunter zu eilen. "Und wir beide", er nickte Halarîn zu, "werden sie von hier unten beschießen."
Alle anderen nickten zur Antwort entschlossen, und als die Verteidiger am Fuß der Treppe Aufstellung genommen hatten, hatten Oronêl und Halarîn bereits ihre ersten Pfeile abgeschossen. Zwei Orks fielen, einer stürzte über das niedrige Geländer und fiel quiekend in die Tiefe, während der andere auf dem Treppenabsatz zusammenbrach und von seinen Gefährten aus dem Weg geräumt werden musste. Oronêl stellte erfreut fest, dass der Bogen seiner Mutter alles hielt, was er versprach, die Sehne ließ sich schnell und ohne großen Kraftaufwand spannen und die Pfeile flogen gerade und schnell.
Schon bald bemerkte Angbaug die Gefahr, die von den Bogenschützen auf dem Boden ausging, und brüllte Befehle. Sofort sammelten sich einige Ork-Bogenschützen auf der oberen Galerie, die das Feuer erwiderten. Ein Pfeil schlug funkensprühend zwischen Oronêl und Halarîn auf dem Steinboden auf, und dann erreichten die ersten von Sarumans Dienern den Fuß der Treppe - wo Mathan, Finelleth und Celebithiel sie mit blitzenden Schwertern in Empfang nahmen.
Ein Orkpfeil verfehlte Oronêls Kopf nur knapp, und im nächsten Augenblick brach der Schütze mit einem Pfeil im Hals zusammen. "Habe ich dir eigentlich je gesagt, wie froh ich darüber bin, dich nach Lórien im Anduin gesehen zu haben?", fragte Oronêl Halarîn, ohne das Schießen zu unterbrechen. "Das warst du?", fragte sie zurück, und ließ nur sehr kurz den Bogen vor Überraschung sinken, bevor sie einen weiteren gezielten Schuss abgab. "Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wer... Dann sollte ich vielleicht..."
"Dank mir nicht", unterbrach Oronêl sie. "Du und Mathan, ihr habt mir mit allem was ihr getan habt schon viel mehr gedankt als Worte es vermögen." Er griff hinter sich um einen weiteren Pfeil aus dem Köcher zu ziehen, doch seine Hand ging ins Leere. Im selben Augenblick hörte er ein Schreien neben sich, ließ den nun nutzlosen Bogen fallen und duckte sich vor dem Schlag des anstürmenden Orks instinktiv weg. Mit der rechten Hand riss er den Dolch vom Gürtel, und rammte ihn seinem Angreifer direkt unter dem Arm zwischen die Rippen. Der Ork fiel mit einem Stöhnen, doch Oronêl sah, wie weitere seinesgleichen die großen Säulen, die das obere Stockwerk trugen, hinunterkletterten. Offenbar war dieser nur mutiger als der Rest gewesen, und nun taten sie es ihm gleich.
"Oh, verflucht", stieß er hervor. "Mathan!" An der Treppe hatte sich die Lage ebenfalls verschlechtert. Zwar blockierten die Leichen der gefallenen Angreifer die übrigen, doch sie zwangen die drei Verteidiger auch, ein wenig zurück zu weichen. Dadurch wurden die Lücken zwischen ihnen gefährlich groß, und die Angreifer konnten ein wenig an Boden gewinnen.
Auf Oronêls Ruf hin sah Mathan zu ihm hinüber, folgte dann mit den Augen Oronêls ausgestreckter Hand zu den Orks, die die Säulen herunterkletterten. Er streckte einen anstürmenden Dunländer zu Boden, sagte dann rasch etwas zu Finelleth und Celebithiel, und wie ein Mann zogen sich die drei Verteidiger zu Oronêl und Halarîn an die Tür zur Ringschmiede zurück.
"Wir können uns hier draußen nicht halten", stieß Finelleth hervor, und Oronêl nickte. Zum Glück schienen die Angreifer von ihrem plötzlichen Rückzug zu überrascht zu sein um ihn wirklich zu nutzen, und sammelten sich nur am Fuß der Treppe und der Säulen. "Zurück in die Schmiede", sagte Celebithiel. "Wenn die Ringe zerstört sind, können sie sie nicht bekommen - das ist das einzig entscheidende."
Alle stimmten zu, und sie traten nacheinander durch die Tür zurück in die Ringschmiede. Jetzt gerieten auch die Angreifer in Bewegung, denn wie von Zauberhand begann die Tür langsam hinter den Elben zu zu schwingen. Für einen Moment glaubte Oronêl, sie würde sich ganz schließen, doch kurz vorher warfen sich zwei Orks verzweifelt quiekend zwischen die Türflügel und blockierten sie mit ihren Körpern.
"Einen Halbkreis hinter der Tür bilden", rief Mathan, und Oronêl, Celebithiel und Finelleth folgten seinem Kommando. Halarîn blieb ein wenig im Hintergrund. Sie hatte nur noch wenige Pfeile, doch sie konnte die übrigen Verteidiger noch immer unterstützen. Langsam wurde sie blockierte Tür wieder aufgezogen, und die Welle der Orks traf auf die dünne Linie der Verteidiger. Links von Oronêl streckte Celebithiel Ork um Ork mit raschen Schwerthieben nieder, während rechts von ihm Mathan mit seinen Silmacil Tod und Schrecken verbreitete. Auch unter Hatholdôrs Klinge starben viele, und ganz rechts hielt Finelleth die Angreifer in Schach, doch es kamen mehr und immer mehr. Anscheinend hatte Angbaug alle verbliebenen Dunländer unter seinem Kommandos und viele Orks aus Moria für dieses Wagnis zusammengezogen.
Schließlich stellte Oronêl fest, dass er inzwischen bereits drei Schritte zurückgewichen war, ebenso wie die anderen drei Verteidiger. "Wir müssen weiter zurück", schrie er über den Kampflärm zu Mathan. Sein Freund hatte ihr schleichendes Zurückweichen offenbar ebenfalls bemerkt, denn er nickte, während seine Klinge den Schädel eines Orks vom Kinn an nach oben spaltete. "Wenn die Schmiede heiß genug ist, können wir es schaffen!", rief er zurück.
Zu viert wichen sie langsam zurück, und der Halbkreis, den sie bildeten, hatte sich umgekehrt. Waren zuvor Celebithiel und Finelleth noch auf beiden Seiten von Mathan und Oronêl aus leicht nach vorne versetzt gewesen, bildeten nun diese beiden den vordersten Teil ihrer Formation, und die beiden Kriegerinnen waren ein wenig nach hinten zurückgefallen um ihre Flanken zu decken. Schließlich erreichten sie die Regalwand, die die eigentliche Ringschmiede vom Rest des Raumes abtrennte. Einer nach dem anderen zogen sie sich durch die schmale Lücke zurück, zuerst Halarîn, gefolgt von Finelleth, Oronêl, Mathan, und zuletzt Celebithiel, die noch zwei übereifrige Verfolger mit ihrem Schwert niedergestreckt hatte. Der letzte starb durch einen von Halarîns letzten Pfeilen, den sie haarscharf an Celebithiel vorbei durch die Lücke direkt in die Kehle eines großen Dunländers verschossen hatte.
Drinnen warf die hellorange Glut der Schmiede ein gleichmäßiges Licht durch den Raum. Aéd und Forath pumpten noch immer, abwechselnd und gleichmäßig, obwohl ihnen der Schweiß in Bächen über die nackten Oberkörper lief. Vor ihnen standen Adrienne und Kerry, beide blass aber entschlossen, Adrienne mit ihrem Schwert und Kerry mit einem Dolch in der Hand. Oronêl hätte gern mit ihnen gesprochen, sie beruhigt, doch dazu war keine Zeit. Sie würden es so durchstehen müssen.
"Wir können die Lücke zu zweit verteidigen", meinte Finelleth. "Immer abwechselnd zuschlagen, und hin und wieder mit den anderen abwechseln."
"Irgendwann werden sie auf die Idee kommen, die Schränke umzustürzen", gab Halarîn zu bedenken, doch Oronêl sagte: "Wir haben keine andere Wahl. Hoffen wir, dass sie dazu lange genug brauchen, dass das Feuer heiß genug werden kann."
Als erstes bewachten Finelleth und Oronêl die Lücke, während Mathan einen Blick auf das Feuer warf. Sie schlugen jeden Versuch von Sarumans Dienern, die Lücke zu durchbrechen, mit raschen, blutigen Hieben zurück. "Wie steht es mit dem Feuer?", rief Oronêl irgendwann über die Schulter, und Mathan antwortete: "Beinahe so weit." Doch im nächsten Moment rief er: "Achtung!"
Eines der Regale erzitterte, dann noch eines, und dann stürzte eines nach dem anderen um, wirbelte Staub auf, und Papier und Werkzeuge flogen wild durch die Gegend. Oronêl wich zurück, und zog Finelleth gerade noch außer Reichweite eines umstürzenden Schrankes. Die Elben versammelten sich um den Schmiedetisch, auf dem vor vielen tausend Jahren die Ringe entstanden waren, die sie nun vernichten wollten, und über die umgestürzte Barrikade trat Angbaug.
"Gebt mir diesen Ring", sagte er leise und doch vernehmlich, und sein eiserner Arm glänzte im Schein der Schmiede dunkel. "Meinen Herrn Saruman verlangt danach, und wenn er ihn bekommt, wird er euch das Leben schenken. Was ist er schon... ein kleiner Ring, gegen euer aller Leben?"
Niemand rührte sich, und Oronêl packte Hatholdôrs Griff fester. In diesem Moment war er stolz auf seine Freunde, jeden einzelnen von ihnen, denn niemand schien auch nur einen Herzschlag lang über Angbaugs Angebot nachzudenken. Jeder von ihnen war bereit zu Sterben, um diese Ringe zu vernichten.
Als keine Antwort kam, zuckte Angbaug nur mit den Schultern und sagte: "Nun, ich muss zugeben, dass es so auch viel mehr Spaß macht."
Im gleichen Moment geschahen zwei weitere Dinge: Von hinten rief Forath: "Bereit!", und Angbaug befahl seinen Truppen den Angriff.
Oronêl versuchte, ebenso wie Finelleth, zur Schmiede zu gelangen, doch es war hoffnungslos. Die Orks schwärmten nach allen Seiten durch die Ringschmiede aus, griffen erbarmungslos an und schnitten ihnen den Weg zum Feuer ab. Aus den Augenwinkeln sah Oronêl, wie Forath und Aéd ebenfalls zu den Waffen greifen mussten, um sich zu verteidigen. Auch Halarîn hatte ihren Bogen durch ihr Schwert ersetzt und kämpfte nun gemeinsam mit Mathan und Adrienne und verteidige Kerry. Die Klinge schimmerte blau, und gab einen merkwürdigen Kontrast zu dem hellrötlichen Licht der Schmiede.
Das Schmiedefeuer verbreitete allmählich Hitze im ganzen Raum, vermutlich da die Abluftanlagen ebenso wie die Blasebalgmechanik nicht funktionierten, und Oronêl spürte Schweiß von seinen Schläfen tropfen, obwohl sie gemessen an anderen Schlachten noch nicht allzu lange gekämpft hatten. Er schlug einem Ork den Kopf von den Schultern und sah sich plötzlich Angbaug gegenüber, der herausfordernd ein großes, hässlich gezacktes Schwert hob. Bevor Oronêl jedoch den Kampf annehmen konnte, sprang Forath, das mit Orkblut beschmierte Schwert in der Hand, zwischen sie und rief: "Überlass' den mir, und erfülle deine Aufgabe!" Oronêl zögerte einen kurzen Moment, doch Forath stürzte sich mit einem Kampfschrei auf Sarumans Diener und drängte ihn einige Schritte zurück. Oronêl wandte sich zur Schmiede an, die noch immer weißglühte und offenbar heiß genug war, einen Ring zu schmelzen, und schlug zwei Orks, die ihm den Weg versperrten, nieder.
Doch gerade als er vor der Glut stand, gellte ein wortloser Schrei, voller Entsetzen, Wut und Trauer durch den Raum. Es war Aéd, der geschrien hatte, und als Oronêl seinem Blick folgte erkannte er, warum. Forath hatte seinen Kampf gegen Angbaug verloren. Sarumans Diener hatte ihm sein hässliches Schwert mitten durch den bloßen Oberkörper gerammt, und zog es jetzt mit einem Ruck, der Foraths Blut über den Boden sprühen ließ, wieder hervor. Der Häuptling der Dunländer presste die Hände auf die schreckliche Wunde, taumelte und brach mit dem Rücken am Schmiedetisch auf dem Boden zusammen.
Angbaug wandte sich wieder Oronêl zu, und kam mit langsamen Schritten auf ihn zu, während Aéd hinter ihm mit verzweifelter Wut gegen einen der wenigen Uruks kämpfte. "Die Verräter werden bestraft", sagte Angbaug leise und doch über den Kampflärm hörbar. "Und Saruman bekommt, was ihm zusteht. Gib ihn mir, Elb."
Oronêl warf einen raschen Blick durch den Raum, doch alle seine Gefährten kämpften ein gutes Stück entfernt gegen die Orks, und konnten ihm nicht helfen. Nur Aéd, der seinen Gegner schließlich zu Boden geschickt hatte, war in der Nähe, doch Oronêl glaubte nicht... sein Blick traf den des jungen Dunländers, und einen Moment lang verstanden sie einander ohne Worte. Angbaug streckte die linke, menschliche Hand aus, als Oronêl die Axt senkte und langsam den Ring aus der Tasche zog.
Sarumans Botschafter verzog das Gesicht zu einer Maske des Grinsens, die sich in Überraschung verwandelte, als Oronêl ihm den Ring tatsächlich entgegen warf. Doch der Wurf war etwas zu kurz, Angbaug musste sich vorbeugen, und in diesem Moment schlug Aéd, der unbemerkt herangekommen war, zu. Er führte einen mächtigen, beidhändigen Hieb, dem man kein bisschen seine vorherigen Anstrengungen anmerkte und der nur von Wut und Rache angetrieben wurde, und schlug Angbaugs Hand, die sich gerade um den Ring schloss, direkt über dem Handgelenk ab.
Angbaug brüllte auf, und Aéd wirbelte, von der Wucht seines Schlages getragen herum und rammte ihm das Schwert zwischen die Rippen - unter dem erhobenen, ausgestreckten Arm, wo die Rüstung verwundbar war. Die Klinge drang tief ein, und selbst wenn Aéd das Herz verfehlt hatte wusste Oronêl, dass Angbaug dem Tod geweiht war. Selbst falls das Herz unverletzt geblieben war, hatte das Schwert die Hauptschlagader durchtrennt, und Angbaug würde innerhalb der nächsten Minute verbluten.
"Die Verräter werden bestraft", sagte Aéd ruhig, während Oronêl sich nach Angbaugs abgeschlagener Hand bückte und Angbaug in die Knie brach. Mit einer raschen Drehung holte der Häuptlingssohn Schwung, und trennte Angbaug mit einem einzigen Hieb den Kopf von den Schultern. Der Körper von Sarumans Botschafter fiel lautlos auf die Seite, und Oronêl öffnete die Finger der abgeschlagenen Hand und nahm den Ring wieder an sich. "Und Saruman bekommt, was ihm zusteht", sagte er nachdenklich. Dann warf er den Ring ins Feuer.
Einen Moment lang geschah nichts, als wollte der Ring nicht schmelzen. Doch dann begann er zu glühen, weich zu werden, und schließlich zerfloss er zu flüssigem Gold, zwischen den Kohlen hindurch, und war fort. Ein schwaches Beben erschütterte den Raum, und ein kalter, dünner Schrei, voller Furcht und Entsetzen war zu hören. Die Orks hörten auf zu kämpfen und pressten die Hände gegen die Köpfe, als ob der Schrei ihnen Schmerzen bereiten würde. Auch Finelleth war auf die Knie gesunken, und Oronêl spürte, wie er selbst die Zähne zusammenbiss. Der Schrei wurde immer höher und höher, und gerade als Oronêl glaubte es nicht mehr auszuhalten, brach er ab.
Der Ring war fort, Schweigen senkte sich über die Schmiede - doch die Kälte, die Oronêl mit dem Schrei verspürt hatte, ließ nicht nach. Im Gegenteil, sie wurde trotz der Hitze des Feuers hinter ihm immer größer, und die Dunkelheit in der Schmiede draußen schien mit einem Mal undurchdringlich zu werden. Dann löste sich eine einzelne, große Gestalt aus der Dunkelheit, die einen schwarzen Mantel mit einer schwarzen Kapuze trug und ein langes, kalt schimmerndes Schwert in der Hand hielt. Der Neuankömmling schien die Dunkelheit selbst zu sein, und Oronêl wusste, was er vor sich hatte.
"Orks", zischte die Gestalt, und Aéd, Kerry und Adrienne ließen ihre Waffen fallen und pressten die flachen Hände auf die Ohren, um vor dieser Stimme zu fliehen. Auch Oronêl presste die Zähne zusammen, und die noch immer kniende Finelleth hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen und wiegte sich mit geschlossenen Augen vor und zurück. "Ich bin der Hexenkönig von Angmar, Saurons größter Diener", stieß die Gestalt weiter hervor. "Und ihr... seid meine Diener. Bringt mir mein Eigentum. Sofort!"
Der Hexenkönig schien Macht über die Orks zu besitzen. Eben noch hatten sie verängstigt auf dem Boden gekauert, und zuvor waren sie Sarumans, nicht Saurons Diener gewesen, doch jetzt griffen sie auf den Befehl des Hexenkönigs zu den Waffen und griffen die Elben erneut an.
"Faerwen!", schrie Oronêl, und Finelleth schlug die Augen auf, packte ihr fallengelassenes Schwert und war einen Herzschlag später auf den Beinen. Im selben Moment stand der Hexenkönig vor ihr, und führte einen mächtigen Schlag, den sie nur mit Mühe parieren konnte. Oronêl wollte zu ihr, ihr helfen, und aus den Augenwinkeln sah er, dass auch Mathan es versuchte, doch beide wurden von den Orks zurückgehalten, die ihnen ohne Rücksicht auf die eigenen Verluste den Weg versperrten. Der Hexenkönig drängte Finelleth, die sich nach Kräften wehrte, gegen die Wand der Schmiede, und es war nur eine Frage der Zeit, wie lange sie ihm noch widerstehen konnte. Oronêl schickte verzweifelt Ork um Ork zu Boden, doch werde er noch Mathan schafften es. Es war Aéd, der seinen Mut wiedergefunden hatte, der es als erstes zum Hexenkönig schaffte. Er führte einen Streich von hinten gegen die Beine des Hexenkönigs - oder die Stelle, wo bei einem Menschen die Beine unter dem Umhang gewesen wären. Doch sein Schlag ging durch den Mantel und den Hexenkönig wie durch Luft. Er verlor das Gleichgewicht, und der Hexenkönig versetzte ihm mit der gepanzerten Faust einen mächtigen Schlag gegen die Magengrube, der Aéd rückwärts schleuderte. Der junge Dunländer prallte gegen den steinernen Tisch und glitt an ihm neben seinem Vater bewusstlos zu Boden.
Der nächste Schlag des Hexenkönigs prellte Finelleth ihr Schwert aus der Hand, und mit dem Schwertknauf versetzte er ihr einen Hieb, der die Elbin gegen die Wand der Schmiede schleuderte, an der sie ebenfalls ohne Bewusstsein liegen blieb. Aus ihrer schlaffen Hand fiel etwas goldenes, hüpfte über den steinernen Boden, und blieb zwei Schritte von der Glut der Schmiede entfernt liegen. Oronêl streckte seinen letzten Gegner nieder, und trat zwischen den Hexenkönig und die Schmiede.
"Du wirst dieses Ding nicht bekommen", sagte er. Der Hexenkönig lachte, und es war das schrecklichste Geräusch, dass Oronêl jemals vernommen hatte. Doch dann spürte er Celebithiel neben sich, und sie sagte fest: "Du wirst ihn nicht bekommen."
Der Hexenkönig lachte erneut, und sagte dann: "Sehr gut... gib ihn mir, Mädchen."
Oronêl warf einen raschen Blick über die Schulter, und sah dort zu seinem Entsetzen Kerry stehen. Wie oder warum sie dorthin gekommen war, wusste er nicht. Doch sie stand dort, den Blick fest auf den Ring vor ihr auf den Boden geheftet.
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Ténawen, wisperte eine verlockende Stimme in Kerrys Hinterkopf. Während des Kampfes war sie untergetaucht, hatte sich in einem Winkel der Schmiede versteckt und abgewartet, voller Sorge darüber, was geschehen würde. Doch dann sah sie erst Aéd fallen, und dann Finelleth. Da hielt es sie nicht mehr in ihrem Versteck. Kerry lief los und duckte sich unter dem Schlag eines Orks hinweg. Überrascht von ihrer eigenen Wildheit zog ihr kleines Schwert eine blutige Spur über das Gesicht des Monsters und Kerry hastete weiter.
Weiter, weiter! Da lag Finelleth, scheinbar unverletzt, doch ein Ork stand über ihr und hob seine Waffe, eine hässliche, stachelbesetzte Keule. Mit einem Aufschrei warf sich Kerry vorwärts. Ihr Schwert prallte von der Panzerung am Arm des Orks ab, doch sein Schlag ging daneben. Ehe einer der beiden reagieren konnte, sauste ein Pfeil Halarîns an Kerry vorbei und traf den Ork mitten in die Kehle. Gurgelnd brach er zusammen.
Ein heller Ton ließ Kerry herumfahren. Finelleth hatte etwas fallen gelassen.
Der Ring, schoss es Kerry durch den Kopf. Sie machte unbewusst einen Schritt darauf zu und bekam kaum mit, wie Oronêl zwischen den furchterregenden Anführer der Orks und die Schmiede trat.
Da liegt er, ganz nah am Feuer, dachte Kerry als sie näher kam. Alle Gedanken an Aéd oder Finelleth waren vergessen. Jetzt war sie ganz nah. Ihre Hand näherte sich dem Ring als sie vorsichtig den Arm danach ausstreckte und in die Knie ging.
Ténawen, wisperte die Stimme. Und vor Kerrys innerem Auge tauchten verschwommene Bilder auf: Eregion stand in voller Blüte und wurde von einem neuen Volk bewohnt. Über die Wiesen Rohans galoppierten weiße Rösser. Und die Mauern Fornosts erstrahlten im neuen Glanz. Kerry ahnte, dass sie all diese Dinge wahr werden könnte, wenn sie den Ring nahm. Den Ring der Macht. Ihre Finger streiften das Gold. Sie war kurz davor, so kurz davor, ihn aufzuheben und auf den Finger zu stecken.... doch dann schreckte sie zurück. Es gab einen Preis, wurde ihr klar. Ihre Familie. Sie würde sie verlieren, wenn sie den Ring nahm. In einem Moment völliger Klarheit erkannte Kerry die Wahl, die vor ihr lag.
Und wie so oft handelte sie impulsiv. Sie ließ sich rückwärts fallen - und trat den Ring mit aller Kraft von sich. Einem goldenen Blitz gleich verschwand er in der Hitze des Schmiedefeuers.
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Drei, vier rasche Hiebe hatte der Herr der Nazgûl ausgeteilt, und Oronêl hatte schnell erkannt, dass er viel schneller als er und Celebithiel war. Es musste die Nähe seines Ringes sein, die den Hexenkönig so antrieb und beflügelte. Einen Schlag konnte er mit Hatholdôr parieren, doch die Wucht des Hiebes ließ seinen ganzen Arm ertauben, und der nächste schlug ihm die Waffe aus der Hand und ließ ihn zur Seite taumeln und zu Boden stürzen. Celebithiel, die von innen heraus zu leuchten schien, hielt einen Herzschlag länger durch als er, doch dann traf der Hexenkönig sie am Schwertarm. Sie ließ die Waffe fallen, und presste die Hand auf die Wunde - zwischen ihren Fingern quoll Blut hervor. Der Hexenkönig schrie, zuerst entsetzt, und dann triumphierend, und als Oronêl mühsam den Blick in Richtung der Schmiede hob, erkannte er den Grund dafür. Kerry hatte den Ring mit einem tritt ins Feuer befördert, doch die Glut war nicht länger heiß genug und die Kohle glühte nur noch in einem hellen Orange und nicht länger weiß. Der Hexenkönig machte einen Schritt nach vorne, an Celebithiel vorbei, doch im selben Moment sirrte etwas durch die Luft und sein schwarzer Umhang fing Feuer. Am anderen des Schmiedefeuers stand Halarîn, die dort ihren letzten Pfeil in Brand gesetzt und auf den Nazgûl abgeschossen hatte, und hinter ihr Mathan, der mit ganzer Kraft den Blasebalg auf und ab bewegte. Einen Augenblick stand der Hexenkönig stumm und wie erstarrt da, während sich das Feuer langsam über ihn ausbreitete und die Glut um den Ring mit jedem Stoß des Blasebalgs immer heller wurde, bis die Kohle schließlich wieder weiß glühte. Da stieß der Hexenkönig einen entsetzlichen Schrei aus, voller Verzweiflung, Wut und Entsetzen wie der zuvor, als der andere Ring geschmolzen war, und sein Ring glühte im Feuer auf, wurde weich, und zerschmolz. Der noch intakte Edelstein zerbrach, und verschwand zwischen den Kohlen.
Der Hexenkönig stand, und der Schrei dauerte an - einen Herzschlag, zwei, drei. Kerry lag vor der Schmiede auf dem Rücken, die Hände gegen die Ohren gepresst, und eine einzelne Träne lief aus ihrem rechten Auge. Und schließlich, mit einem Mal, endete der Schrei. Die brennenden Gewänder des Hexenkönigs sackten zusammen, als hätte die Macht, die sie aufrecht gehalten, sie verlassen, und das fahl schimmernde Schwert fiel klirrend zu Boden. Der Hexenkönig war nicht mehr, und dieses Mal würde er nicht mehr wiederkehren. Auch die Orks waren sämtlich tot oder geflohen.
Nach einem Moment der Stille rappelte Kerry sich auf, und ging langsam und mit steifen Schritten auf Mathan und Halarîn zu. Dann fiel sie Halarîn in die Arme, die ihr nur stumm über das Haar strich, ohne ein Wort zu sagen.
Oronêl zog sich trotz der Schmerzen in seinem Rücken über den blutigen, staubigen Boden zu Finelleth hin, sie noch immer zusammengesackt an der Wand lehnte, offenbar ohne Bewusstsein. Er zog sie sanft in seine Arme und rief sie leise an: "Faerwen! Faerwen!" Er strich ihr mit zwei Fingern über die feuchte Wange, von Tränen und Schweiß, und küsste sie leicht auf die Stirn. "Wach auf, Faerwen. Dein Feind ist dahingegangen, und er wird nicht wiederkehren. Deine Aufgabe ist erfüllt."
Finelleths Augenlieder flatterten, sie tat einen tiefen Atemzug, und blickte Oronêl ins Gesicht. "Vater, bist du..." Sie schloss die Augen, atmete tief durch und schien zu begreifen, wo sie war. "Nein, Oronêl. Haben wir gesiegt?"
"Das haben wir", bestätigte Oronêl, und spürte, wie ihn bei diesen Worten eine endlose Erleichterung durchströmte. "Für heute haben wir gesiegt - dank Kerry, und Mathan und Halarîn, und Celebithiel, Adrienne und Aéd und... Forath." Bei Foraths Namen zögerte er kurz, und spürte, wie ihn Müdigkeit überkam.
"Forath ist... verwundet worden", sagte er langsam. "Ich sollte zu ihm gehen." Finelleth nickte langsam, doch er konnte ihr die Schmerzen ansehen. "Ich komme einen Moment alleine zurecht. Geh nur."
Mühsam stand er auf, und ging langsam in die Mitte des Raumes zu dem steinernen Tisch hinüber, wo, Forath noch immer lag. Aéd kniete neben ihm, und hielt die Hände seines Vaters in seinen. Als Oronêl sich auf die andere Seite kniete, öffnete Forath kurz die Augen, und sah ihn an. Doch Oronêl konnte die schreckliche Wunde in seiner Brust sehen, und auch, dass Forath bereits Blut aus den Mundwinkeln geflossen war.
"Brigit hatte... das vorhergesehen", sagte Forath langsam und leise. "Aber sie... hat mich trotzdem... gehen lassen, denn... es musste sein. Und welcher... meiner Vorfahren kann sich... schon rühmen, zu... solchem Zweck... gestorben zu sein, he?" Er lachte kurz und erstickt, und das Lachen ging am Ende in einen Schmerzenslaut über. "Es tut... mir leid um sie... und die Kinder... aber... ich bereue... nichts." Mit bereits trüben Augen blickte er seinen Sohn an, und seine Mundwinkel verzogen sich noch einmal zu einem Lächeln.
"Auf Wiedersehen... mein Sohn. Jetzt... musst du... sie führen. Vereinige... sie... Vereinige... sie." Dann atmete Forath noch einmal rasselnd ein, und schloss die Augen. Und der Häuptling der Dunländer war tot.
Aéd schloss die Augen, und als er sie wieder öffnete, waren sie zwar voller Trauer, aber auch Entschlossenheit. "Ich werde ihn nach Hause bringen müssen, und dann..." Er schluckte, und Oronêl legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Und dann werde ich seinen letzten Wunsch erfüllen. Um jeden Preis."
Gerade als er ausgesprochen hatte, war aus dem Südteil des Vorraumes, der von Schränken und Regalen blockiert war, ein Geräusch zu hören. "Noch mehr Orks?", fragte Aéd, doch Oronêl schüttelte langsam den Kopf. Sein Blick fand Mathan, der sich aus der Umarmung mit Kerry gelöst hatte und langsam aufgestanden war.
"Das glaube ich nicht. Das... ist etwas anderes."