"Psssssssssst! Hey, du!", wisperte die Stimme erneut. Nerblog sah nur verschwommene Bilder der Fackelhalterungen an den Wänden seiner Kammer und zog sich seine dünne, fusselige Decke über den Kopf. Er war vollkommen übernächtigt; hatte viel zu lang an den Karten gearbeitet. Ständig sprachen irgendwelche flüsternden Kerle zu ihm und versuchten, ihn aus seinem Dämmerzustand zu holen.
Doch der Ostling war viel zu benebelt, um sie auch nur mehr als zwei oder drei Gedanken zu würdigen. Vielleicht blockte aber auch ein Teil seines Unterbewusstseins instinktiv die Vorstellung ab, dass jemand -oder etwas- sich bei ihm hier im Zimmer oder gar in seiner Hängematte befand.
Womöglich war es aber auch der Grund, warum Nerblog partut nicht einschlafen konnte. Er rieb sich kurz die Augen, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können und richtete sich auf.
Es war sehr finster um ihn herum; er hatte alle Kerzen gelöscht, nachdem er die Arbeit spät in der Nacht abgebrochen hatte, nur ein schmaler Schimmer flackernden Lichtes fiel durch den rundlichen Höhleneingang herein und gab den Blick auf den Rand seines Schreibtisches, einer Truhe, frei. Gähnend schlug Nerblog die Beine aus seinem provisorischen Bett und setzte seine nackten Füße, auf den kalten, staubigen Boden unter ihm.
Schläfrig tappte er zum Einflussbereich des Lichtschimmer hinüber und folgte ihm dann gemächlich in Richtung der Truhe. Er musste Licht machen. Unbeholfen tastete er auf der Suche nach iner Kerze über den Tisch, bis ihn urplötzlich ein schreckliche Erkenntnis aus all seinen Träumen riss. Mit einem Mal war er vollkommen wach.
Jede der eingerollten Pergamentrollen auf der glatten Oberfläche der Truhe war verschwunden!
Nerblog stieß ein entsetztes Keuchen aus; endlich erwischte seine linke Hand das Wachs. Nun blieb lediglich die Frage, wie er sie anzünden sollte... Der Ostling stöhnte gequält, warf die Kerze beiseite und drehte sich einmal schnell um die eigene Achse. Vielleicht war der Dieb noch in der Nähe.
Seine Höhle war zumindest bis auf ihn leer, hoffte er zumindest. Er benötigte dringend eine Waffe. Eilig schlüpfte er in seine abgewetzten Lederlatschen und lief hinaus auf den Gang, der sich an dieser Stelle in zwei Richtungen erstreckte: nach links hinab zu den größeren Minenschächten und zum Unteren Lagerraum, nach rechts zum Hauptschacht und den Quartieren. Nerblog entschloss sich für den rechten Weg und setzte sich in Bewegung. die Gänge waren zumeist hell erleuchtet, eine Maßnahme, die die "Bosse" der neuen Minenkolonie gleich am ersten Tag ergriffen hatten und Nerblog war ihnen sehr dankbar dafür.
Als er da also den schmalen Gang entlanghastete, stellte er sich das erste Mal die Frage, wer die Pläne hätte stehlen können. Ein Ork? Ein aufmüpfiger Dunländer? All das ergab keinerlei Sinn. Sollte er vielleicht zunächst diesen Arafaron aufsuchen? Um diese Zeit schlief er sich in seiner Koje in den Baracken.
Der Ostling wusste es nicht. Das würde er wohl spontan entscheiden, doch zunächst konnte er nur darauf hoffen, auf dem Gang Hinweise aus den Dieb zu finden- und er wurde nicht enttäuscht...
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