Funken sprangen, weiches Metall kreischte, weiße Glutstrahlen warfen pechschwarze , zitternde Schatten an Wände und Böden, kaltes Wasser wurde zu dampfend heißem Nebel, und schlug sich an den kalten Marmorblöcken in Wassertropfen nieder, klirrend landete das Stück Stahl auf einem Haufen, sprang von seiner weißglühenden Einzigartigkeit zur grauschillernden Normalität um und ward vergessen von den hastigen Händen des Schmieds, der sich schon längst einem anderen Werke zugewandt hatte,
Carracáin legte die nächste Hand auf den Haufen, und füllte seinen Weinbecher nach. Die beschlagene Kristallkaraffe perlte von dem weißen Schmiedenebel, der sich stets bildete, wenn man glühendes Eisen mit der Gewalt kalten Wassers dazu brachte, sich des Schmiedes Willen zu fügen und abzukühlen. Unbewusst wischte sich der Schmied deshalb seine Metallhandschuhe an der stahlverstärkten Lederhose ab, die er trug, nur um dann resigniert zu bemerken, dass er das zweitonnige Rüstungsmonster immer noch auf seinen Schultern trug.
Der rote Wein ergoss sich kalt und klar in seine Kehle und floss wohltuend seinen Rachen herunter. Davon gestärkt strich der Elb sich seine schwarzen Haare aus dem Auge und betrachtete die Hände, die er bereits geschaffen hatte.
Ja, Hände.
Aufgrund seiner genauen Kenntnis von Armstümpfen, wusste er, dass die Finger von Seilen oder Fäden im Körper bewegt wurden. Wie bei einem Spielmann zog man an diesen Drähten, die den Arm entlang liefen, und die Finger wurden bewegt. Mit seinen Metallhänden hatte er nun nicht nur einen Trost, sondern sogar einen Ersatz für verlorene Hände geschaffen, denn eben diese Seile führte er mit Metalldrähten innerhalb seiner Nachbildungen fort, sodass man mit seinen Kopien tatsächlich greifen konnte – Wenn der Arm nicht zu stark beschädigt war! Natürlich war es äußerst unwahrscheinlich, dass man mit seiner verlorenen Hand jemals wieder mehr als „zupacken“ konnte, aber wenigstens das war einem dann vergönnt!
Sein Berg aus stählernen Gliedmaßen war bei weitem größer als der von seinen Mitschmieden. Dwarkarnur war bei seiner zehnten Hand, seine Gesellen hatten meist noch nicht einmal mehr als fünf Hände geschaffen. Es war unglaublich schwierig, die Metalldrähte so in extra gebohrte Fassungen einzulassen, dass sie sowohl mit den Steuerseilen des Körpers verbunden, als auch für die Bewegung der Finger genutzt werden konnten.
Bisher hatte er erst dreimal die Gelegenheit dazu gehabt, diese Hände anzusetzen... Vielleicht wäre es jetzt eine ganz gute Gelegenheit, noch einmal ein paar Handkopien zu verteilen, und damit das Leben der Menschen im Lazarett neu erblühen zu lassen, ihnen eine neue Zukunft zu geben.
Mit einem Sack, in den er die bisher gefertigten Hände schaufelte, stiefelte Carracáin also los in Richtung Lazarett, doch nicht, ohne den zwanzig Mitstreitern, die sich vergeblich an den komplizierten Nachbildungen abmühten, ein paar, seiner Meinung nach verdammt nützliche Tipps gegeben zu haben.
In den Gängen, die mal finster und eng, mal groß, weit und prächtig waren, herrschte hektische Betriebsamkeit, denn das Flüchtlingslager war gerade im Abbau begriffen, wenn es zu einer Schlacht kommen würde, dann müssten sämtliche Flüchtlinge innerhalb des Erebors einquartiert werden. Nicht, dass es nicht genug Platz gäbe, das hier war ein verdammter Berg, aber die Freiräume zu erreichen stellte die meisten Menschen, mit all ihrem Hab und Gut (was beileibe nicht viel war), ihren Verletzungen und Verkrüppelungen und mit ihrem Unwohlsein, sich in einem Berg zu befinden, vor eine große Aufgabe. Dementsprechend orientierungslos irrten die Großfamilien in den Gängen des Erebors umher, ganz so, wie Carracáin, als er zum ersten Mal den Schmiedeberg betreten hatte.
Dieser hatte sich mittlerweile schon ein bisschen besser in den Erebor eingelebt, und die ungewohnte dreidimensionale Sicht der Dinge verinnerlicht, sodass er nur wissen musste, welche bekannte Anlage in der Nähe des gesuchten Ziels lag, um dorthin zu finden. Dabei half ihm ein einfacher Grundsatz: „Wenn ich jetzt ein Zwerg wäre, wie hätte ich dann gegraben?“
Außerdem kannte er den Weg vom Lazerett zur Schmiedehalle zur Genüge, hier konnte er sich einfach von seinen Füßen tragen lassen.
Allerdings gestaltete sich Carracáins Anliegen nicht ganz so einfach. Denn obwohl sich Carracáin unter den Heilern mittlerweile den Ruf eine lupenrein arbeitenden Mannes genoss, wurde ihm nicht erneut die Erlaubnis, erteilt, Prothesen anzubringen. Zwei von seinen drei Patienten die er, zugegeben, vor seiner Operation nicht um ihr Einverständnis gebeten hatte, litten unter Schnmerzen, die Metallränder der Hände sorgten für Entzündungen am Stumpf, außerdem kratzten sie mit jeder Bewegung die Haut der Patienten auf. Das machte Carracáin betroffen, schließlich hatte er doch nur helfen wollen!
Nur einer wollte den Elben sehen, der andere von Carracáin behandelte Mann verweigerte sich jeglichem Zuspruch.
Natürlich erklärte er sich dazu bereit, diese Prothese wieder abzumontieren, ein blutiger und für den Patienten außerordentlich unangenehmer Eingriff.
Niedergeschlagen trottete Carracáin über die Ebene 23, wo er doch so euphorisch gewesen war, als er sie betreten hatte. Nun lastete das Gewicht seiner Rüstung umso mehr auf ihm, doch er wollte sich davon eigentlich nicht entmutigen lassen. Solche Rückschläge gab es halt.
Aber ich habe dafür ein Menschenleben riskiert...
Nein, du hast die Sache ja wieder geradegerückt.
Ich habe damit gespielt... Es war nicht meins!
Aber dir wurde es anvertraut! Stell dir vor, wie es wäre, wenn die Wunde nicht brandig geworden wäre!
Wurde sie aber! Verdammt ich wollte nur helfen!
Carracáin, vielleicht bist du nicht der Richtige, um zu helfen...
Was?!
Schau, dir geschieht Leid, und du richtest Leid an. Du wirst es nicht schaffen, aus diesem Zirkel auszubrechen. Du bist zu schwach.
Verdammt, ich richte kein Leid an! Nicht willentlich!
Und doch spielst du die Rolle, die dir anscheinend zugewiesen ist.
Lass mich in Ruhe! Ich werde es schaffen, zu helfen!
Vergiss es, Carracáin. Wir wissen, dass du, ob willentlich oder unwillentlich Leid anrichten wirst. Schau dir deinen Lebensinhalt an, du schmiedest Waffen!
Nicht nur-
Du schneidest lebenden Menschen Körperteile ab!
Ich... ich helfe-
Du trägst diese Rüstung, damit du besser kämpfen kannst!
Lass mich!
Carracáins Gedankengänge waren in Sekundenbruchteilen vonstatten gegangen, doch sie ließen ihn geschockt zurück. Er wollte doch helfen...)
Er nahm sich aber unabhängig davon vor, unbedingt auf denjenigen zu treffen, dessen künstlliche Hand nicht schmerzte.