Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Der Düsterwald

Ostgrenze des Waldes

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Eandril:
Thranduil, Glorfindel, Oronêl, Finelleth, Celebithiel, Mírwen, Helluin und Kerry mit dem Heer der Waldelben von Thranduils Hallen

Die Bäume des Waldlandreichs warfen in der tiefstehenden Abendsonne lange Schatten auf die Ebene des Celduin hinunter, beinahe bis hinunter zu den östlichen Ufern des langen Sees. So weit nach Osten war Oronêl nie zuvor gelangt, und die endlose Weite der grasbewachsenen Ebenen und Hügel, die sich östlich des Celduin erstreckte, überraschte ihn. Am südlichen Himmel ging bereits schwach der rötliche Stern Carnil auf, und weiter westlich verschwand Alcarinque hinter tiefliegenden Wolken.
"Ein passendes Zeichen", sagte Oronêl leise vor sich hin. "Wenn man bedenkt, zu welchem Zweck wir hier sind..."
"Aber zeigt er unseren Sieg an, oder nur die kommende Schlacht?", fragte Mírwen, die sich bereits vor einiger Zeit zu ihm ans Ende des Heerzuges hatte zurückfallen lassen. "Das kann ich nicht beantworten", erwiderte Oronêl, und blickte nach Westen, doch die Wolken hatten sich bereits wieder vor Alcarinque geschoben. Vor ihnen hatte der Zug der Elben und Dúnedain auf der schmalen Ebene zwischen Wald und See angehalten, und Oronêl blieb im Schatten der letzten Bäume stehen. "Und ich weiß nicht, ob ich mir wünschen soll, dass wir siegen - eine Niederlage für Sauron bedeutet in diesem Fall einen Sieg für Saruman."
"Und ganz gleich wer von beiden am Ende über Mittelerde herrscht, es wird keine Freiheit und keine Schönheit mehr geben." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, und nicht zum ersten Mal an diesem Tag fragte Oronêl sich, was Mírwen wohl dazu bewogen haben mochte, an der Seite des Zauberers, der für den Tod ihres Vaters verantwortlich war, in die Schlacht zu ziehen - auch wenn er die Antwort eigentlich bereits kannte.
Hinter ihnen knackte ein Zweig, und Glorfindel und Celebithiel traten Seite an Seite aus dem Wald hervor. "Ich wäre mir nicht so sicher, dass Saruman eine ebenso schlechte Alternative ist wie Sauron", sagte Glorfindel, und seine Miene war ernst und entschlossen. "Ich kenne ihn bereits sehr lange, länger vielleicht als jeder andere in Mittelerde, mit Ausnahme der übrigen Istari. Und auch wenn er immer stolz war und die Macht liebte, war er doch nicht immer so wie jetzt. Und wenn er sich einmal zum Schlechteren gewandelt hat, vielleicht kann es auch erneut geschehen, und dieses Mal zum besseren."
"Auch Sauron war einst nicht so wie jetzt, heißt es", wandte Celebithiel ein. "Und doch ist er für immer verloren - wieso sollte es bei Saruman anders sein?"
"Sauron wurde von Morgoth selbst verführt, meine Liebste", widersprach Glorfindel. "Lasst euch von eurem Zorn und allem Hass, so berechtigt sie angesichts von Sarumans Taten auch sein mögen, nicht blenden: Saruman folgt nicht dem dunklen Herrn auf seinem Pfad hinab in die Leere, sondern ist von Stolz und Macht verführt worden. Ihr habt gut daran getan, seine Macht in Eriador und Arnor zu brechen, denn je weniger Macht er besitzt, desto leichter wird es werden ihn von seinem Irrweg abzubringen."
"Ich weiß nicht, ob es mir möglich sein wird, ihn je wieder als etwas Gutes zu betrachten", gestand Mírwen freimütig ein, und ohne recht zu wissen was er tat, legte Oronêl einen Arm um ihre Schultern. Sie errötete ein wenig, unternahm allerdings nichts um sich von seinem Arm zu befreien. "Das weiß ich auch nicht", sagte er ruhig. "Und es wird nicht leicht werden, nach dem was er in Lórien, in Eriador, in Arnor und in Rohan getan hat. Aber Glorfindel hat mit einem Recht: Der wahre Feind, der einzige, der wirklich zählt, ist der in Mordor. Er will nicht beherrschen - jedenfalls nicht die Elben - sondern vernichten. Also müssen wir..." Das Bild Rúmils stand ihm vor Augen, wie er in Lórien gefallen war. Er dachte an Amrûn, und an Forath, an Cúruon und Faronwe, und alle die in Fornost gefallen waren, und für einen Augenblick wollten die Worte ihm die Kehle zuschnüren. Doch dann dachte er an Amdírs lachendes Gesicht im Augenblick seines Todes und all die anderen Freunde, die er in der Schlacht auf der Dagorlad und in den Jahren des Krieges davor verloren hatte, und er fuhr fort: "Also müssen wir alles tun um ihn zu besiegen - selbst wenn es bedeutet, einen Pakt mit Saruman zu schließen. Für einige Zeit."
"Für einige Zeit", wiederholte Mírwen leise. "Bis die Schlacht um den Einsamen Berg geschlagen ist. Und dann gehen wir fort."
Oronêl betrachte ihr Gesicht von der Seite, und nickte dann langsam. "Dann gehen wir fort, und führen den Kampf anderswo fort. In Rohan, oder bei meinen Verwandten in Dol Amroth. Sie können jedes Schwert gebrauchen." Er blickte Celebithiel und Glorfindel an. "Was werdet ihr tun, wenn die Schlacht geschlagen ist?"
Für einen Augenblick huschte ein müder Ausdruck über Glorfindels Gesicht. "Ich weiß es noch nicht", gab er zu. "Es gibt viele Orte, an denen Schwerter gebraucht werden, doch jetzt ist mein Platz hier."

Einige Zeit herrschte Schweigen, bis Oronêl sagte: "Nun, wie es aussieht werden wir einige Zeit hier rasten, bis Saruman und sein... Heer sich uns anschließen. Ich werde die Gelegenheit nutzen um nach unseren übrigen Gefährten zu sehen - ich hoffe, dass Kerry unter den Dúnedain nicht in Schwierigkeiten geraten ist." Er verabschiedete sich von den drei Noldor, und ging langsam durch das hohe Gras, das hier die Bäume des Waldlandreiches ablöste, in östlicher Richtung davon. Obwohl die Sonne beinahe ganz hinter dem Wald verschwunden war und sich die Dämmerung rasch herabsenkte, waren keine Feuer entzündet worden, und die Elben standen und saßen in kleinen Gruppen, unterhielten sich, und warteten auf die Ankunft ihrer ungeliebten Verbündeten, die lieber bei Dunkelheit als bei Tageslicht marschierten.
Oronêl fand die Dúnedain ohne größere Probleme, denn in ihren grauen Mänteln und Rüstungen fielen sie unter den Waldelben deutlich auf. Ein Mann, dessen bärtiges Gesicht ihm vage bekannt vorkam, vertrat ihm den Weg und fragte unfreundlich: "Was willst du hier, Elb?" Oronêl unterdrückte ein Seufzen, und dachte an die Zeiten, da die Dúnedain von Arnor als Elbenfreunde bekannt gewesen waren - und dann dachte er an diejenigen der Dúnedain, die unter Belens Führung in Arnor zurückgeblieben waren, und die diesem Ruf noch immer gerecht wurden. Er bemühte sich um einen möglichst gleichmütigen Tonfall, als er antwortete: "Eine Freundin von mir befindet sich bei euch - jung, blond, aus Rohan. Vielleicht hast du von ihr gehört?"
Der Dúnadan verzog das Gesicht. "Natürlich. Helluins kleiner Liebling... man sieht es ihm nicht so leicht an, aber er hat einen echten Narren an der Kleinen gefressen. Na schön, meinetwegen, geh und sprich mit ihr."
Oronêl fand Kerry auf einem niedrigen, moosbewachsenen Felsen sitzen, ihren Mantel fest um sich gezogen. Einige Schritte von ihr entfernt stand ein großgewachsener, schwarzhaariger Dúnadan, der scheinbar nachdenklich in die Dämmerung hinausblickte. Als Oronêl neben sie trat, fuhr Kerry zusammen und sagte: "Warum müsst ihr Elben euch immer so anschleichen? Irgendwann werde ich mich zu Tode erschrecken." "Ich freue mich auch, dich zu sehen", erwiderte Oronêl mit einem Augenzwinkern. "Und ich habe mich nicht mit Absicht angeschlichen - schließlich würden Mathan und Halarîn mir nie verzeihen, wenn ich dich zu Tode erschrecke." Oder wenn du anders zu Schaden kommst, fügte er in Gedanken hinzu, und wünschte sich für einen Augenblick, sie hätten Kerry in der relativen Sicherheit von Thranduils Hallen zurückgelassen. Doch sie war erwachsen, konnte ihre eigenen Entscheidungen treffen - ganz abgesehen davon, dass Oronêl nicht ihr Vater war, mit denen sie wahrlich reichlich gesegnet war - und hatte bereits ganz andere Dinge in Fornost, Angmar und Eregion überstanden.
"Dann mach das nächste Mal ein bisschen Lärm", meinte Kerry leichthin, doch Oronêl erkannte, dass ihr nicht ganz so fröhlich zumute war, wie sie tat. Wirklich entspannt war im Augenblick vermutlich niemand im ganzen Heerlager. "Und es wäre wirklich schön, wenn wir ein Feuer anzünden könnten", fuhr sie fort. "Dieser Wind ist nämlich wirklich ziemlich frisch." Sie hatte recht, denn außerhalb des geschützten Waldes blies ein kühler Wind von Osten heran und die Nacht versprach kalt zu werden. Bevor Oronêl etwas erwidern konnte, wandte sich der dunkelhaarige Mann Kerry zu, und sagte: "Kein Feuer. Je später Saurons Truppen in Esgaroth uns bemerken, desto besser." Der langsam aufgehende Mond warf ein fahles Licht auf sein Gesicht, und Oronêl erkannte Helluin, den er bislang nur von Ferne gesehen hatte. Der Anführer von Sarumans Dúnedain war viel jünger als er angenommen hatte, er musste ungefähr im gleichen Alter wie Kerry sein. Und als Helluin Kerry anblickte, glaubte Oronêl einen Ausdruck in seinen Augen zu sehen, für den er dem Dúnadan einen Moment lang am liebsten sämtliche Zähne ausgeschlagen hätte. Er atmete tief durch, und fragte sich, ob Kerry diesen Ausdruck ebenfalls bereits bemerkt hatte, oder ob Helluin ihn besser verbarg, wenn sie hinsah. Hoffentlich hatte er keinen Fehler gemacht, als er Kerry zu den Dúnedain geschickt hatte...
"Glaubt ihr, dass wir Esgaroth noch heute angreifen werden?", fragte er an Helluin gewandt, und bemühte sich wie zuvor um einen möglichst neutralen Tonfall. "Wenn der Rest des Heeres innerhalb der nächsten Stunde eintrifft, ja", erwiderte der Mann abweisend. "Die Orks kämpfen nicht gerne im Tageslicht." Er unterdrückte seine Verachtung für Sarumans andere Diener nur unzureichend, und Oronêl fragte sich unwillkürlich, was Helluin für ein Mensch war. Er schien die Orks noch immer zu hassen und zu verachten, und dennoch kämpfte er treu an seiner Seite - sogar in Lothlórien. Was trieb Helluin dazu, so zu handeln wie er handelte?
Von Südwesten her trug die Nacht leise einen misstönenden Hornklang heran, und Oronêl atmete tief durch. "In diesem Fall scheinen wir heute noch unsere Schlacht zu bekommen, denn diesen Ton kenne ich zu Genüge." Er legte Kerry die Hand auf die Schulter und drückte sie kurz. "Achte gut auf dich, Kerry." Doch es war nicht sie, sondern Helluin, dem er dabei fest in die Augen blickte.
"Das tue ich doch immer", erwiderte Kerry, und rang sich in der Dunkelheit ein Lächeln ab. "Und nun geh schon, sonst wird Finelleth ohne dich an ihrer Seite kämpfen müssen - und das würde ihr gar nicht gefallen."
Oronêl erwiderte das Lächeln. "Ganz sicher nicht. Also dann, wir sehen uns in Esgaroth - lebendig, hoffe ich."

Tauriel?:
“Naja, aber so sind sie eben. Und nun sind wir also bei den Elben. Verzeihen sie, wenn ich so offen bin, aber sie sind mir doch ein eigenartiges Völkchen hier drüben im Düsterwald.“ Seine Stimme schallte von den grauen, mit Moosen bewachsenen, Felsen wieder. “DÜSTERWALD! Also, wenn sie mich fragen hat er diesen Namen zurecht. Hier kann ja niemand, der gescheit ist leben wollen. Ständig im Schatten dieser gruseligen, schrumpligen Bäume. Verrückt wird man hier. Aber nichts für ungut, Frau Elbe.“ Emrig klopfte ihr auf die Schulter. Er hatte nun mehr als eine Stunde vor sich hin gefaselt und Eryniel hatte die meiste Zeit einfach weggehört. Sie zuckte nun leicht zusammen als der Mann sie berührte. Emrig schien das nicht aufgefallen zu sein.
Eggard und Nawyn waren ruhig gewesen. Nur manchmal hatte die Kleine der Alten eine Frage zu Dingen gestellt, die sie sah. Mal ging es um eine Blume ein anderes Mal hatte sie einen Vogel entdecken können, der im Geäst der Sträucher und Bäume sang.
Die beiden Jungen, Fawrell und Theren, hatten versucht zu flüstern, doch Eryniel hatte beide deutlich verstehen können. Ihre Aufmerksamkeit schien ihr zu gelten.
Eryniel richtete den Blick gen Westen, wo die Sonne den Himmel in tiefes Rot tauchte und die Bergspitzen des Nebelgebirges in der ferne, wie blutige Messerspitzen aufleuchteten. “Die Sonne wird bald untergehen.“, sagte sie zu Fironel, der hinter der Gemeinschaft herging. “Die ersten Sterne sind bereits zu sehen.“
Langsam liefen sie den ausgetretenen Pfad auf der Westseite des Flusses entlang, der nun weniger wild, leise plätschernd an ihnen vorbei in Richtung des langen Sees floss. Sie wichen nun Richtung Südosten ab und das Dickicht lichtete sich nun und die großen laubbehangenden Bäume wichen nun immer mehr grasbewachsenen Hügeln oder flachen Ebenen. Dicke Nebelfetzen kamen aus nordöstlicher Richtung, die der Wind vom See hertrug, und welche sich nun über, das sich im zarten Wind wiegende Gras, wie ein Leichentuch betteten. Mit ihm kroch eine bittere Kälte, welche die Wanderer erzittern ließ.
 “Brrr, da fühlt man sich ja beinah wieder wie zu Hause. Nich, Eggard?“ Emrig lachte.
Eggard hatte Nawyn immer noch an der Hand. “Da hast du recht. Ach ja...“ Sie seufzte und beugte sich zu dem Mädchen runter, um ihr das Tuch um die Schulter zu legen.
Sie kamen noch einmal an einer Reihe vereinzelten Bäumen vorbei, als Eryniel etwas am östlichen Waldrand erspähen konnte. Jenseits der Waldgrenze konnte sie einige Wachposten sehen, die das Lager des Heeres markierten. “Ich denke wir haben es geschafft.“

Nach einem kurzen Gespräch mit einen der Wachen, durfte die Gemeinschaft passieren. Die Elben des Waldlandreiches und die Dúnedain hatten bereits begonnen ihre Zelte aufzuschlagen. Stangen wurden in den Boden geschlagen und Planen über die Unterkünfte geworfen. Am Rand der weiß-gelben und grauen Zelte waren noch andere aufgestellt. Von dort schwelten dünne Rauchschwaden in die Luft. Orks. Sie hackten auf Stämmen ein oder waren damit beschäftigt dreckige Lumpen-Vorhänge an ihren schiefen Bauten zu hängen. Andere waren wohl jagen gewesen, denn sie häuteten Rehe und benutzen deren Felle für ihre Zelte. Ihre ächzenden Stimmen schnitten wie kalter Stahl durch die Abendluft.
Eryniels Miene versteinerte sich zu einem nichtssagendem Ausdruck. Sachlich sprach sie zu ihren Begleitern: “Folgt mir.“
Gemeinsam mit ihnen, durchstreiften sie das Lager, wo reger Betrieb herrschte. Sie schlängelten sich an den Soldaten, auf dem plattgetretenen Feldlager, vorbei. Ihr Ziel war ein größeres Zelt auf einer kleinen Anhöhe mit einer knorrigen alten Eiche ohne Blättern, welche sich genau zwischen dem Lager der Orks und dem des übrigen Heers befand. Es war Rund mit einem spitzen Dach und zwei Äste hoben den Eingang hervor. Es war mit kunstvollen Ranken bestickt worden und hob sich unverkennbar von den übrigen ab. Das dort oben musste Thranduils Zelt sein.
Sie gingen hintereinander hinauf und blieben vor dem Eingang stehen, wo ihnen zwei Elben die Plane beiseite zogen. Das Licht flutete aus dem Spalt und Eryniel trat vor, die anderen hinter sich zurücklassen.

Sie sah sich in dem hell beleuchteten Zelt um. In der Mitte stand ein runder Tisch, über dem ein Kronleuchter hing. Ein großer Stuhl war aufgestellt worden, zwei weitere zur rechten und linken. An der Wand war ein Gestell, das die Rüstung des Königs trug. Von Thranduil war jedoch nichts zu sehen. An seiner statt saß ein großer in Weiß gekleideter Greis in einem der drei Stühle. Sein langer weiß-, grau- melierter Bart und ebenso langes weißes Haar verbargen das zerfurchte Gesicht, mit der schmalen Hakennase. Die dunklen buschige Augenbrauen hoben sich. Geringschätzend betrachtete das schwarze Augenpaar den Eindringling und wand sich dann wieder ab, um eine Schriftrolle in den hageren Händen zu betrachten. Dürre Finger mit langen Nägeln glitten über das Pergament.
Ehe Eryniel groß etwas hätte sagen können, stellten sich ihr zwei Dúnedain in den Weg und kreuzten ihre Speere. “Na, wo wollen wir denn hin? Ihr habt hier keinen Zutritt.“
Eryniels Stimme kam nur halb so autoritär klingen heraus, wie sie es gewollt hatte:“Ich komme, um mit Herrn Thranduil zu sprechen. Es geht um eine Gruppe von Flüchtlingen aus Thal, welche wir beim Auskundschaften des Weges gefunden haben. Ich sollte sie, im Auftrag Limhirs, zum König bringen, um zu klären, wie wir ihnen helfen können.“
“Der..“, er stockte kurz.“König ist nicht da wie du sehen kannst. Scher dich besser fort! Du solltest Meister Saruman nicht mit deinem Anliegen behelligen!“ Unsanft stieß er die Elbe wieder zurück zum Ausgang. Vor dem Zelt blieb sie stehen.
Die andere Wache trat zu ihr. “Verzeiht doch wir haben unsere Anweisungen. Wenn ihr wirklich Hilfe braucht solltet ihr zu Forgam gehen. Er ist im Zeltlager der Dúnedain. Gleich dort hinten..“ Er zeigte auf eine Ansammlung grauer Zelte dicht neben einem Felsen. “Das ganz rechts außen. Nun solltet ihr aber besser gehen.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich der Mann und ließ hinter sich die Plane zufallen.
Emrig starrte sie mit großen Augen an. “Und was nun? Haben sie euch etwas gesagt? Freundlich hat der eben nicht ausgesehen, wenn sie auf meine Meinung etwas geben.“
Der letzte Strahl der Sonne viel in Eryniels Gesicht, bevor er auch schon verschwand. “Wir sollen dort hinunter. Wenn ihr mir also folgen würdet.“ Eryniel machte sich in die vorgegebene Richtung auf und war nicht bereit, weiteres mit dem Mann zu bereden.

“Grgh! Was ist das denn? Zum Anbeißen das Menschen-Würmlein. Besser als dieser Fraß! Sha!“ Die gekrümmte Gestalt eines Orks schlurfte hinter einem Zelt hervor. Er zischte das kleine Mädchen an, dass aufschrie.
“Halte dich von ihnen fern Úan!“ Eryniel stellte sich vor Nawyn.
Der Ork blieb stehen gurgelnd stehen. “Wollte dem Happen doch nichts tun. Der Meister würde mich strafen.“ In einer Folge von Schimpfwörtern humpelte die graue Gestalt in die Finsternis.
Etwas zupfte an Eryniels Ärmel. “Danke.“, sagte das kleine Mädchen mit ihrer hellen Stimme und rieb sich die Augen.
“Dafür nicht, Kleine.“ Eryniel legte ihr die Hand auf und ging weiter.

Sie hielten vor dem grauen Zelt an. Auch hier stand eine Wache der Dúnedain.
“Halt! Was wollt ihr von Forgam?“
“Man schickte uns zu ihm und alles weitere würde ich ihm gerne persönlich sagen.“
Der Mann machte große Augen, gab ihnen jedoch ohne weiter nachzuhaken den Weg frei. Gemeinsam mit Emrig, Eggard, Fawrell, Theren und Nawyn trat Eryniel in das Zelt. Es war schlicht ausgestattet. Lediglich eine Liege mit Fellen und ein provisorischer Tisch waren darin. Davor beugte sich ein in Grau gerüsteter man mit kurz geschorenem grauen Haar. Sein Gesicht war vom rechten Mundwinkel, bis hin zum Ohr von einer langen Narbe durchzogen. Er sah nicht sonderlich alt aus, doch sah man ihm an, dass Zeit und Wetter ihn gegerbt hatten und er viel durchgemacht hatte.
Der Dúnadan hob den Blick. “Keine Ruhe gönnt man mir!“ Er hob auf den Tisch. “Na los, was ist es diesmal? Raus mit der Sprache.“
Eryniel blieb ruhig. “Man hat mich zu euch geschickt, weil man mir sagte, ihr würdet euch um diese Angelegenheit kümmern. Es geht um Flüchtlinge die wir bei unserer Streife aufgelesen haben..“
Forgam unterbrach sie:“Na und? Lasst sie weiterziehen! Was sollte uns das kümmern.“ Er winkte ab.
“Bitte hört zu: Sie sind den ganzen weg aus Thal gekommen, um Hilfe zu finden.“
Forgam wurde hellhörig:“Hm. Thal sagt ihr? Nun, das ändert die Sache doch ein wenig..“ Er überlegte kurz. “Wie viele sind es denn?“
“Die fünf die ihr vor euch seht.“
“Ihr solltet nach Rohan weiterziehen. Dort wärt ihr besser aufgehoben. Ein oder zwei Männer kann ich wohl entbehren, wenn es sein muss.“
Emrig trat vor.“Mit Verlaub, mein werter Herr. Wir sind ziemlich müde und würden gerne eine Weile rast machen und außerdem haben..“
“Ja ja ja, verschont mich. Man gibt euch ein Zelt am Rand des Dúnedain-Lagers. Zufrieden? Und jetzt lasst mich. Geht! Geht!.“ Sogleich ließ er einen seiner Männer kommen und sie geleiteten sie zu einem leeren Zelt auf der Ostseite des Lagers.
“Habt Dank, Fräulein Elb.“ Emrig machte eine kurze Verbeugung.
“Nur gut, dass ihr nun Hilfe erhaltet. Doch ihr versteht sicher, wenn ich euch nun verlasse.“
Eggard nahm ihre Hand. “Vielen Dank.“ auch die beiden Burschen bedankten sich, dann nickte Eryniel und verlas die Gruppe. Vom weiten hörte sie Emrig über das Essen reden.

Eryniel setzte sich auf einen Moosigen Fels. Von hier aus konnte sie auf das in Nacht getauchte Lager blicken mit den zahllosen Kriegern, die von einem Zelt zum anderen wanderten. Da knackte etwas und sie hörte Schritte, die auf sie zu kamen.

Fine:
Der Marsch von Thranduils Hallen zum Heerlager am Ostrand des Waldes war kurz, aber für Kerry recht unangenehm gewesen. Die Dúnedain, mit denen sie reiste, waren schweigsam und in sich verschlossen; sie redeten selbst miteinander nur über das Nötigste. Sogar Daerod, der nun eigentlich keinen Grund mehr dazu hatte, bedrückt zu sein, hatte kaum auf Kerrys Versuche reagiert, ein Gespräch zu beginnen. Sie schob es darauf, dass er sich auf die Schlacht vorbereitete, die ihnen bevorstand.
Überraschenderweise war es Helluin, der sich schließlich eine Unterhaltung mit Kerry eingelassen hatte. Er hatte sich neben sie zurückfallen lassen und sein Pferd neben dem ihren gehen lassen, und hatte ihr von seinen Erwartungen für den Kriegsverlauf erzählt. Innerlich konnte Kerry darüber nur den Kopf schütteln, denn es waren arrogante und sich selbst überschätzende Worte, die Helluin von sich gab, doch sie gab sich alle Mühe, sich ihren Unmut nicht anmerken zu lassen. Sie nickte, stellte hin und wieder Zwischenfragen und zeigte sogar einmal ein kleines Lächeln. Es war wichtig, Helluins Vertrauen zu gewinnen, damit er Kerry das verriet, was er über ihren Vater wusste. Und vielleicht würde sie über ihn ja noch an weitere Geheimnisse gelangen, die Oronêl und Finelleth gebrauchen konnten.

Kurz nach ihrer Ankunft in Sarumans großem Heerlager hatte Oronêl bei Kerry vorbeigeschaut und ihr mit seinem plötzlichen Auftauchen einen gehörigen Schreck eingejagt. Und obwohl sie das Ganze mit einem Spruch abtat, war ihr innerlich nicht allzu wohl zumute. Sie wollte nicht in einen Krieg ziehen - das hatte sie nie gewollt. Und doch war sie jetzt hier, inmitten von Kriegern, die sich für die bald kommende Schlacht rüsteten. Sie bat Oronêl, auf sich und Finelleth acht zu geben, ehe er ging, um seine eigenen Vorbereitungen zu treffen.
"Du hast merkwürdige Freunde, Kerry," sagte Helluin leise, nachdem Oronêl in den Schatten der Nacht verschwunden war.
Sie warf ihm einen tödlichen Blick zu, doch er schaute nicht einmal in ihre Richtung, sondern zu dem Meer aus Fackeln, das sich am südwestlichen Rand des Heerlagers versammelt hatte. Raue Schreie und schwere Schritte drangen von dort zu ihnen herauf. Sarumans Orks und Uruk-hai waren eingetroffen, und das mit großem Getöse. Helluin erhob sich rasch und ging, ohne sich zu verabschieden. Kerry vermutete, dass er sich mit den übrigen Heerführern in Sarumans Zelt traf.
Sie blieb mehrere Minuten am selben Fleck sitzen, ehe es ihr endgültig zu kalt wurde, und sie sich auf die Suche nach einem Lagerfeuer machte. Unterwegs erfuhr sie von den Dúnedain, dass Menschen aus Thal ins Lager gekommen waren. Offenbar handelte es sich dabei um eine kleine Gruppe Flüchtlinge. Man hatte sie einigermaßen freundlich aufgenommen und ihnen sogar ein freies Zelt gegeben. Kerry ahnte allerdings, dass dahinter nicht die Güte Sarumans steckte. Vielmehr ging es dem Zauberer ihrer Meinung nach darum, sich bei den Menschen von Thal gut zu stellen, denn sie waren seine neusten Verbündeten. Helluin hatte Kerry erzählt, dass Bard, der König von Thal, während der Schlacht um Dol Guldur aus den Kerkern befreit worden und von Saruman selbst von einer tödlichen Verletzung geheilt worden war. Seitdem bestand das Bündnis zwischen Thal und der Weißen Hand, und Saruman schien diese Allianz im Augenblick nicht gefährden zu wollen.

Ein Lagerfeuer fand Kerry zwar nicht, doch immerhin gab Daerod ihr eine Decke, die sie um ihren Oberkörper wickelte und die die Kälte für den Augenblick abhielt. Sie beschloss, sich damit auf den Rückweg zu ihrem Zelt zu machen, als sie plötzlich feststellte, dass sie sich den Rückweg zum Posten der Dúnedain nicht gemerkt hatte. Sie hatte sich hoffnungslos im Heerlager verlaufen. Als Kerry sich suchend nach Anhaltspunken umblickte, entdeckte sie einen großen, bemoosten Felsen, der am Rand des Waldes ruhte und mehrere Meter in die Höhe ragte. Er sah erkletterbar aus und würde sicherlich einen guten Ausblick über das Lager bieten. Also bahnte sie sich ihren Weg dorthin, während Äste und Unterholz bei jedem Schritt knackte. Am Felsen angekommen kletterte sie vorsichtig hinauf, und erschrak oben angekommen zum zweiten Mal an diesem Abend, denn dort saß bereits jemand. Eine schlanke, in grün gehüllte Gestalt, die den Blick fest auf das Lager der Weißen Hand gerichtet hielt.
"Oh," machte Kerry. "Ihr seid das. Eryniel, nicht wahr? Ich wollte Euch nicht stören." Vorsichtig setzte sie sich ein Stück abseits der Elbin auf den Felsen.
"Ihr stört nicht," antwortete Eryniel, ohne sich zu bewegen.
Kerry rutschte unbehaglich ein Stückchen hin und her. Sie wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Also zog sie die Decke etwas enger um ihre Schultern und wartete einige Minuten, ehe sie vorsichtig sagte: "Beobachtet Ihr von hier oben die Vorbereitungen auf die Schlacht, die uns wohl schon bald bevorsteht?"
"Ich denke nach," entgegnete die Elbin nach einem kurzen Moment des Schweigens. Doch jetzt wandte sie Kerry zumindest den Kopf zu.
Ermutigt durch die Geste beugte sich Kerry ein wenig vor. "Mich macht dieser Anblick auch nachdenklich," sagte sie leise. "Ich frage mich, ob alle meine Freunde die Nacht überstehen werden. Sie alle werden, so wie es aussieht, noch heute kämpfen. Ihr auch?"
Ein leises Seufzen erklang, ehe Eryniel antwortete. "Ja, das werde ich wohl." Ihr Blick wendete sich von Kerrys Gesicht ab und ging nach oben, zu den Sternen, die in aller Pracht am Himmel zu sehen waren. "Sie erreicht die Finsternis nicht."
"Da habt Ihr recht," antwortete Kerry und folgte dem Blick der Elbin. Rilmir hatte ihr vor vielen Monaten einige Sternbilder gezeigt, doch inzwischen hatte sie fast alle wieder vergessen. Kerry stellte fest, dass sie den Waldläufer vermisste. Die Dúnedain, mit denen sie nun reiste, waren gänzlich anders als die Menschen des Sternenbundes, auch wenn sie einst zum selben Volk gehört hatten. Als Kerry mit dem Sternenbund gereist war, waren unterwegs Geschichten erzählt worden und Lieder gesungen worden. Doch die Waldläufer Helluins waren schweigsam und grüblerisch, was Kerrys Unbehaglichkeit nur noch schlimmer machte. "Obwohl sie inmitten der Dunkelheit stehen, erstrahlen die Sterne darin und verlöschen nicht," fügte sie hinzu.
Eryniel lächelte freundlich und wiederholte mit Nachdruck: "Inmitten der Dunkelheit."
Und als Kerry das Lächeln sah, spürte sie, dass sie der Waldelbin vertrauen konnte. Zumindest war das das Gefühl, das sich in ihrem Herzen ausbreitete. "Du liebst die Sterne, nicht wahr?" fragte sie, als wären sie schon lange befreundet. "Ich habe gehört, dass viele Elben das Licht der Sterne höher schätzen als Sonne oder Mond."
"Ihr nicht?" Eryniel lachte leise. "Wisst Ihr, da sitze ich hier und betrachte die Sterne, obwohl ich mich auf näher liegende Dinge konzentrieren sollte."
"Wovon sprichst du?" fragte Kerry interessiert.
Eryniel zeigte in Richtung des Lagers, dann zum See hinüber, auf dem sich in der Ferne die Sterne spiegelten, und auf den dahinter liegenden Berg. "Das alles hier. Ich glaube nicht, dass unser Licht so rein wie das der Sterne bleiben können würde. Ich sehne mich nicht nach dem was auf uns zu kommt."
Kerry nickte langsam. "Ich auch nicht, schätze ich..." Der Rest ihrer Worte ging in einem Gähnen unter. Sie stellte fest, dass sie müde geworden war, und warf Eryniel einen entschuldigenden Blick zu. "Ich sollte mich auf den Weg zu meinem Zelt machen. Es war nett, mit dir zu plaudern, Sternenfreundin Eryniel."   
Eryniel nickte freundlich zum Abschied, lächelte, und wisperte dann leise etwas in ihrer Sprache vor sich hin, das für Kerrys Ohren wie ein melancholisches Gedicht klang.

Es dauerte noch eine halbe Stunde, bis Kerry ihr Zelt fand. Sie musste es sich mit einer Waldläuferin aus Helluins Gefolge teilen, die jedoch bereits mit den meisten anderen Dúnedain abgezogen war. Der Großteil des Heerlagers war in Aufruhr, denn wie Kerry später erfuhr, hatte Saruman einen raschen Angriff auf die Seestadt befohlen, die laut den Kundschaftern der Waldläufer nur von einer kleinen Garnison von Ostlingen verteidigt wurde. Hörner erschallten, während Kerry versuchte, es sich in dem kleinen Zelt gemütlich zu machen. Ihr fielen die Augen zu und trotz des Lärms war sie schon bald eingeschlafen, so müde war sie. Und so verschlief Kerry das Gefecht in Esgaroth.


Thranduil, Saruman, Glorfindel, Oronêl, Eryniel, Helluin, Celebithiel, Mírwen, Finelleth und Kerry nach Esgaroth

Fine:
Oronêl, Thranduil, Glorfindel, Celebithiel, Bard, Saruman, Finelleth, Eryniel, Helluin, Mírwen und Kerry vom Erebor


Das Heer Sarumans hatte sich zwar hastig, aber dennoch geordnet zurückgezogen und war in direkter Linie durch die nur spärlich bewachsene Ebene marschiert, die zwischen dem Einsamen Berg und dem Rand des Düsterwalds lag. Am Saum des Waldes stand noch immer das große Heerlager, in dem sich die Orks mehrere Wochen auf den Angriff auf Thal vorbereitet hatten, und dorthin waren sie nun zurückgekehrt. Und so war es für Thranduils Elbenstreitmacht ein Leichtes, ihnen zu folgen.
Sie hatten es tatsächlich geschafft, dank des Orthancfeuers der Falle zu entgehen, in die sie im Verlauf der Schlacht zu Füßen des Erebors geraten waren. Ein Großteil der Bewohner Thals war gemeinsam mit ihrem König, Bard, entkommen und bildete nun das Schlusslicht des Heeres. Voran gingen Thranduil, Finelleth und die Waldelbengarde, angeführt von Eryniel. Kerry hingegen war die meiste Zeit in der Nähe von Celebithiel geblieben, und auch Oronêl und Mírwen waren nicht weit gewesen. Doch von den Dúnedain Helluins hatte jede Spur gefehlt, als die Elben den Rabenberg überquert hatten. Gemeinsam mit dem Ork-Heer der Weißen Hand waren die Waldläufer bereits abgezogen - oder waren abkommandiert worden.

Bei ihrer Ankunft im Heerlager befahl der König des Waldlandreiches, die Menschen von Thal innerhalb der Grenzen seines Reiches in Sicherheit zu bringen und stellte dafür eine starke Eskorte aus unverletzten Elben zusammen, die das Orklager links liegen ließen und rasch zwischen den Bäumen des Waldes verschwanden, gefolgt von den dankbaren Seemenschen. König Bard selbst jedoch ging nicht mit ihnen. Er und die restlichen Anführer seines Volkes hatten einige Fragen an Saruman. Genau wie die Waldelben.
Thranduil marschierte durch das Heerlager, auf der Suche nach dem Zauberer. So schnell ging er, dass es schwer war, mit ihm Schritt zu halten. Celebithiel und Kerry wären am liebsten gleich mit den Menschen von Thal weiter ins Waldlandreich gegangen, doch solange Glorfindel und Finelleth nicht gingen, würden sie bleiben. Kerry stellte fest, dass sie sogar ein wenig neugierig darüber war, was nun geschehen würde. Für sie stand es fest, dass Saruman sowohl Menschen als auch Elben verraten hatte.
Sie hatten Thranduil aus den Augen verloren, doch es gab eigentlich nur ein Ziel, das der König der Waldelben haben konnte: Das große schwarze Zelt, das direkt am Waldrand stand. Sarumans Zelt. Dort musste der Zauberer sein. Celebithiel und Kerry beeilten sich, den Rest des Weges durch das von Orks überfüllte Heerlager zurückzulegen, doch als sie dort angekommen waren, wurde ihnen der Zutritt verwehrt. Vier Dúnedain standen dort neben dem Eingang, doch offenbar waren die Waldläufer nun nicht mehr die Einzigen, denen Saruman seine Sicherheit anvertraute, denn sie wurden von zwei Uruks in schwerer Rüstung begleitet.
„Mit denen legen wir uns wohl besser nicht an,“ flüsterte Kerry der Elbin zu.
Celebithiel nickte. „Das müssen wir vielleicht auch gar nicht. Komm mit!“
Sie ging einige Meter um das Zelt herum und blieb dort lauschend stehen. Rasch gesellte sich Kerry zu ihr. Nun waren die Stimmen im Inneren des Zeltes gut zu hören.
„Saruman!“ Das war Thranduils Stimme, im Zorn erhoben. „So also vergilt die Weiße Hand mir meine Treue? Sollten meine Elben das Opfer sein, das deinen Scheusalen den Fluchtweg mit ihrem Blut erkauft?“
Saruman schien durch diese Anschuldigungen ebenso wütend zu werden. „Viel muss im Krieg gewagt werden, wie du nur zu gut weißt. Zogst du dich nicht selbst einst zurück, als sich das Blatt in der Schlacht unter den Bäumen gegen dich wandte? Ließt du nicht auch einige tapfere Verteidiger zurück, die starben, damit dein Volk nach Lothlórien entkommen konnte?“
Glorfindel mischte sich ein. „Darum geht es hier nicht, Saruman. Es geht darum, dass du Thranduil absichtlich nicht von deinem Rückzug gewarnt hast. Wolltest du dich seiner und seines Volkes entledigen und somit nach Lothlórien das zweite Elbenreich mit deinen Orks besetzen und ausbeuten?“
„Du hast nicht einmal versucht, einen Boten zu senden,“ fuhr Thranduil fort. „Welche Ironie, dass einem Menschenkind gelingt, was du nicht einmal für deine niedersten Diener in Betracht zogst.“
„So also habt ihr davon erfahren,“ hörte Kerry Saruman murmeln. Ihr lief es eiskalt den Rücken hinunter bei der Vorstellung, dass der Zauberer gerade an sie dachte und sich höchstwahrscheinlich darüber ärgerte, dass er sie nicht beseitigt hatte, als er auf dem Rabenberg die Gelegenheit dazu gehabt hatte.
„Ich war dir ein treuer Gefolgsmann,“ sagte Thranduil mit tiefer Enttäuschung in der Stimme. „Durch Lórien, Rohan, Dol Guldur und den Düsterwald bis zum Erebor bin ich dir gefolgt. Doch jetzt sehe ich, dass ich dir nicht mehr wert bin, als der Dreck unter den Stiefeln deiner Uruk-hai.“
Eine neue Stimme mischte sich ein. Kerry brauchte einen Augenblick, doch dann erkannte sie Bard, den König von Thal. „Auch wenn ich die Absichten Sarumans nicht recht durchschaue, bin ich mir dennoch sicher, dass dahinter ein guter Wille steckt. Dank seines Feldzuges ist der Großteil meines Volkes nun frei und in Sicherheit. Thal mag erneut verlassen sein, doch dort wird nun niemand mehr unterdrückt. Und mein Volk wird nun in der Gastfreundschaft des Waldlandreiches warten und sich rüsten, bis die Zeit gekommen ist, Esgaroth und Thal zurückzuerobern. Dank der Verluste, die wir dem Feind zugefügt haben, sollte es nicht allzu lange bis dorthin sein.“
„Dank des erfolgreichen Rückzugs habe ich noch immer eine schlagkräftige Armee,“ warf Saruman ein, Bards Argument unterstreichend. „Dein Volk wird frei sein und seine Heimat zurückfordern können, König Bard.“
„Nicht du warst es, der Thal evakuierte,“ sagte Glorfindel. „Es waren die Elben, die seine Bewohner in ihre Mitte nahmen und in Sicherheit brachten, und es sind die Elben, die ihnen nun Obdach gewähren.“
Saruman schien genug von der Diskussion zu haben. „Diese Debatte ist zwecklos. Wir müssen unsere Streitkräfte bündeln und uns für einen möglichen Gegenangriff Khamûls vorbereiten. Während wir hier streiten, könnte bereits Verstärkung aus Rhûn unterwegs sein.“
„Mein Vertrauen hast du verloren, Saruman,“ sagte Thranduil drohend. „Würden deine Orks nicht gerade innerhalb meiner Grenzen lagern, hätte unser Bündnis wohl kaum noch Bestand.“
„Bedenke deine Worte, König des Waldlandreiches,“ gab Saruman zurück. „Bedenke sie gut. Geh nun! Es gibt vieles, worum ich mich kümmern muss.“
Damit war das Gespräch beendet, und die Elben verließen das Zelt. Ehe Kerry und Celebithiel sich ebenfalls davon machten, hörten sie noch, wie Saruman zu jemandem (von dem sie vermuteten, es wäre König Bard) sagte: „Wo ist der Herr der Dúnedain? Ich habe eine wichtige Frage an ihn...“

Sie fanden Finelleth am westlichen Rand des Heerlagers, wo sich der Großteil der am Waldrand verbliebenen Elben nun sammelte. Die Verletzen waren bereits zu Thranduils Hallen aufgebrochen, doch die Elben, die geblieben waren, standen nun im Schatten der Bäume in kleinen Gruppen herum und schienen darauf zu warten, dass ihr König eine Entscheidung traf. Thranduil selbst hatte sich alleine zurückgezogen und war nicht zu sehen.
„Wo ist Oronêl?“ fragte Kerry, als Celebithiel und sie bei Finelleth angekommen waren, die sich müde an einen dicken Baumstamm lehnte. Noch immer trug sie ihre Rüstung und war von der harten Schlacht gezeichnet, auch wenn sie keine schweren Verletzungen davongetragen zu haben schien.
„Er nahm Mírwen mit und verschwand dort hinten zwischen den Bäumen,“ antwortete Finelleth. „Er murmelte etwas davon, dass ihm ein Spaziergang gerade ganz gut tun könnte.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sagte: „Ihr beiden seht aus, als hättet ihr wichtige Neuigkeiten. Also raus damit, was ist jetzt wieder schiefgegangen?“
„Nun, abgesehen davon, dass wir gerade eine große Schlacht verloren haben, würde ich sagen, dass sich die Ereignisse eigentlich in die richtige Richtung entwickeln,“ sagte Celebithiel. „Dein Vater hat sich endlich von Saruman abgewandt und scheint auch nicht mehr unter seinem Bann zu stehen, falls das jemals der Fall war.“ Rasch fasste sie die Unterhaltung des Elbenkönigs mit dem Zauberer zusammen.
Finelleth reagierte darauf nicht ganz so optimistisch. „Wir dürfen nicht vergessen, dass meine Heimat nur dank Sarumans Hilfe wieder frei ist. Sich jetzt von ihm abzuwenden, ist...“
„...doch genau der Grund, weshalb wir von Eregion aus hierher gekommen sind,“ fiel ihr Kerry ins Wort.
„Grundsätzlich hast du Recht, aber ich fürchte, dass der Zeitpunkt sehr ungünstig gewählt ist. Unsere Feinde stehen im Osten, nicht einmal einen Tagesmarsch entfernt, und wenn Saruman sich gegen uns wendet, haben wir einen weiteren Feind, der nicht nur im Süden in Dol Guldur steht, sondern auch mit dem Großteil seiner Streitmacht beinahe direkt im Herzen des Waldlandreiches postiert ist. Wir können jetzt nicht gegen Saruman kämpfen - die Schlacht würde kurz und blutig werden und die Leben aller Elben des Waldlandreiches fordern. Wir müssen ihn dazu bringen, friedlich abzuziehen.“
„Und wie stellst du dir das vor?“ fragte Celebithiel.
Finelleth machte ein unschlüssiges Gesicht. „Ich hatte gehofft, dass Saruman nach der Einnahme des Erebors weiter nach Osten zieht, in Richtung Rhûn. Dann wären seine Orks weit fort gewesen. Doch jetzt sind sie hier, viel zu nahe...“
„Was auch immer geschieht - ich für meinen Teil bin froh, dass der König erkannt hat, dass Saruman ihn nur benutzt hat.“ Eryniel war zu ihnen getreten, ihren Bogen in der Hand. „Die Elben des Waldlandreiches werden weiter für ihre Heimat kämpfen - egal gegen wen.“

Eine halbe Stunde verging. Inzwischen war es Abend geworden, und die Sonne hing bereits tief im Westen über den dichten Baumkronen am Waldrand. Sie hatten ein Feuer entfacht und etwas Wegzehrung zu sich genommen, doch dabei kaum ein Wort gesprochen. Die Stimmung war gedrückt, denn niemand wusste so recht, was nun geschehen würde. Kerry hing ihren eigenen Gedanken nach, während sie auf einem trockenen Stück Brot herumkaute.
Was, wenn uns die Ostlinge hier überfallen? Ich hoffe, sie sind genauso angeschlagen wie das Heer der Weißen Hand und lecken im Erebor ihre Wunden. Ich will nicht schon wieder eine Schlacht erleben. Sollte es einen zweiten Vorstoß Sarumans in Richtung Erebor geben, werde ich dieses Mal ganz bestimmt im Waldlandreich bleiben. Ich wünschte, Saruman würde die Elben einfach in Frieden lassen. Aber das wird er nicht. Er wird niemals aufhören. Jemand sollte ihn aufhalten. Jemand wie...
Laute, aufgeregte Stimmen rissen Kerry aus ihrem inneren Monolog. Eine große Gruppe Orks war in das Lager der Elben gekommen und forderte lautstark, den König zu sehen. Kerry kam vorsichtig etwas näher heran, bis sie Thranduil entdeckte, der zwischen den Bäumen aufgetaucht war. Sowohl Elben als auch Orks sammelten sich auf einem kleinen, freien Platz direkt am Waldrand, wo keine Zelte standen.
„Was wollt ihr? Bringt ihr eine Nachricht von eurem Herrn?“ verlangte der Elbenkönig zu wissen.
Einer der Anführer der Orks - ein in schwarze Rüstung gehüllter Häuptling von Moria, der größer und muskulöser als die gewöhnlichen Orks war, drängte sich vor. „Die Schlacht am Erebor war eine Falle!“ zischte er. „Sie wussten, dass wir kommen, und haben uns ins Tal gelockt, damit sie uns in den Rücken fallen können. Und ich will verdammt sein, wenn es nicht ihr hinterlistigen Elblinge wart, die sie vor unserem Angriff gewarnt haben!“
Das war eine gewaltige Anschuldigung, auf die die Elben empört reagierten. „Wir haben nichts dergleichen getan, Ork,“ erwiderte Thranduil. „Wir selbst entgingen der Falle nur unter Verlusten.“
„Nichts als Lügen!“ mischte sich ein großer Uruk ein. „Die Weisheit unseres Meisters ließ unseren Rückzug gelingen, und beinahe hättet ihr dabei für euren Verrat bezahlt. Wir fordern Vergeltung!“
„Ihr habt kein Recht darauf,“ sagte Finelleth, die neben ihren Vater getreten war. „Schert euch davon!“
„Ah! Da haben wir die Hauptverdächtige!“ riefen die Orks. „Kra‘suk sagt, die Probleme haben begonnen, seitdem sie hier ist.“
Kra‘suk - der Häuptling von Moria - baute sich vor Finelleth auf. „Du hast seit deiner Ankunft nichts als Lügen in das Ohr deines Vaters geflüstert. War darunter auch ein Plan zur Vernichtung der Orks? Eine nette kleine Falle am Fuße des Einsamen Berges? Versuche nicht, es abzustreiten. Es ist offensichtlich.“
„Ihren Kopf als Vergeltung für den Verrat der Elben!“ johlten die Orks.
Das sorgte dafür, dass auch viele Elben ihre Stimme erhoben. Nur schwer gelang es Thranduil, noch einmal für Ruhe zu sorgen.
„Dir muss klar sein, dass diese Anschuldigungen haltlos sind,“ sagte der Elbenkönig mit deutlich hörbarem unterdrückten Zorn in der Stimme. „Es war Saruman, der uns zum Erebor führte, und Saruman, der entschied, Elben und Menschen im Stich zu lassen.“
„Mir ist nur eines klar,“ zischte Kra‘suk. „Das Bündnis mit euch war ein Fehler. Doch ich werde mich dem Willen meines Meisters beugen. Also werden wir das Bündnis bewahren, doch zu einem Preis. Gebt uns das verräterische Elbenweib, und dazu die Anführerin eurer Waldgarde.“ Er zeigte genau auf Eryniel. „Ja, wir wissen genau, wer in den hübschen Hallen des Waldlandreiches mit verlogener Zunge spricht. Diese beiden - und als Ausgleich für den Verrat der Waldläufer, die sich einem direkten Befehl des Meisters widersetzt haben, nehmen wir dazu noch das Liebchen ihres Anführers!“
Kerry konnte es kaum glauben, als sich die Klaue des Orks auf sie richtete. Für einen Augenblick bekam sie keine Luft. Schon kam ein Ork auf sie zu und packte sie am Arm, zerrte sie auf die freie Fläche inmitten der Orks und Elben, wo Thranduil, Finelleth und Kra‘suk standen.
„Sie sterben, und wir gehen friedlich auseinander,“ knurrte der Ork-Anführer.
„Das werde ich niemals zulassen,“ erwiderte Thranduil unnachgiebig. Er hatte sich schützend vor seine Tochter gestellt, kaum einen Schritt von den Orks entfernt.
„Dann müssen wir sie wohl selbst töten,“ erwiderte Kra‘suk.
Schwerter wurden auf beiden Seiten gezogen und Geschrei wurden laut. Rings um Kerry herum brach absolutes Chaos aus.

Eandril:
"Dieser Ort ist perfekt", sagte Mírwen, und blieb stehen. Oronêl und sie hatten sich noch nicht allzu weit vom Lager entfernt, und vor ihnen lag eine kleine, von dichtem Unterholz umgebene und mit hohem Gras bewachsene Lichtung, in deren Mitte sich eine einzige mächtige Eiche erhob.
"Perfekt wofür?", fragte Oronêl nach, doch Mírwen antwortete ihm nicht. Stattdessen zog sie ihn an der Hand über die Lichtung, bis an den mächtigen Stamm der Eiche, hinter dem sich sicherlich gleich zwei Leute verstecken konnten. "Mírwen, was wird das werden?", fragte er, und sie antwortete indem sie seine Hand losließ, stattdessen die Arme um seinen Hals schlang, und ihn küsste. Der Kuss war anders als alle zuvor, aggressiver, hungriger... nachdem er seine Überraschung überwunden hatte, erwiderte Oronêl den Kuss, eine Hand auf Mírwens Rücken, die andere vergraben in ihrem langen, roten Haar. Dann tauchte Calenwens Gesicht vor seinem inneren Auge auf, und irgendetwas änderte sich. Auch Mírwen schien es zu spüren, denn sie zog sich abrupt zurück und blickte ihn mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an.
"Du denkst an sie, nicht wahr?", fragte sie mit brüchiger Stimme, und Oronêl zögerte. Er hatte selbst nicht recht gewusst, was er dachte und fühlte, doch jetzt traf ihn die Erkenntnis umso heftiger. Wie er auf Mírwens Gefühle reagiert hatte, war eine schöne Lüge gewesen - eine Lüge, um ihr die Enttäuschung zu ersparten, eine Lüge, aus der Schuld heraus, die er über den Tod ihres Vaters empfand, eine Lüge, die bequemer gewesen war als die Wahrheit, die er tief in sich immer gekannt hatte. Calenwen war die Frau die er geliebt hatte, die er trotz allem noch immer liebte wie am ersten Tag, und nach der er sich mehr sehnte als nach allem anderen. Und es war weder ihr noch Mírwen gegenüber gerecht, wenn er sich selbst auch nur noch einen Augenblick länger etwas anderes vorgaukelte.
"Ja", antwortete er sanft. "Es tut mir Leid, Mírwen. Aber ich kann nicht, das sehe ich nun." Mírwen nickte stumm, ohne ihn aus den Augen zu lassen. In ihren Augen zeigten sich keine Tränen, doch Oronêl erkannte genau, wie schwer seine Antwort sie traf. "Es tut mir leid", wiederholte er, ratlos, was er ansonsten tun sollte.

Der unverkennbare Klang von Metall auf Metall brach die Stille, die sich über die Lichtung gelegt hatte. "Das kommt aus der Richtung des Lagers", stellte Mírwen fest. Oronêl war zu dem gleichen Schluss gekommen, und überprüfte instinktiv ihre Bewaffnung. Da sie keine Gefahr befürchtet hatten, war Mírwen nur mit ihrem kurzen Schwert bewaffnet, und er selbst hatte lediglich seinen Dolch bei sich. Mírwen hatte die Hand bereits auf den Schwertgriff gelegt, und fragte: "Was glaubst du, was dort geschieht?"
"Ein weiterer Verrat Sarumans?", vermutete Oronêl grimmig. "Was es auch ist, wir müssen dorthin." Bevor sie jedoch nur einen einzigen Schritt machen konnten, ertönte ganz in der Nähe ein verzweifelter Schrei, und eine Horde bewaffneter Orks erschien am Rand der Lichtung. "Da sind noch mehr von den Verrätern", rief der Anführer, und deutete mit seinem hässlich gezackten Schwert in ihre Richtung. "Bringen wir sie um!"
"Hinter den Baum", stieß Oronêl hastig hervor, denn er hatte bemerkt, dass einige der Orks mit Bögen bewaffnet waren, und ohne Deckung wären er und Mírwen ein leichtes Ziel. Nur einen Herzschlag später standen sie Rücken an Rücken auf der anderen Seite des Baumstammes, und hörten, wie sich einige der Orks über die Lichtung näherten. Der erste tauchte auf Oronêls Seite auf, und ließ sich durch einen raschen Dolchstich auf Bauchhöhe überraschen. Beinahe im gleichen Augenblick ertönte auch von Mírwens Seite ein schmatzendes Geräusch, und als Oronêl einen Blick über die Schulter warf, sah er einen kopflosen Ork zusammensacken.
"Das waren Späher", stellte Mírwen fest, die blutige Klinge in der Hand. "Ich bin gespannt, was sie jetzt tun."
Oronêl warf einen vorsichtigen Blick um den Baumstamm herum. Das schnelle Ende ihrer beiden Kameraden schien den Rest der Orks ein wenig verunsichert zu haben. Sie standen unsicher am Rand der Lichtung, und für den Augenblick schien keiner von ihnen große Lust zu haben, die Lichtung zu überqueren.
"Sie scheinen ein wenig überrascht zu sein", teilte Oronêl seine Beobachtungen mit. "Aber mir bereiten die Bogenschützen Sorgen. Ich weiß nicht, was ansonsten hier geschieht, aber mit ihnen können sie uns hier festnageln und in aller Ruhe umzingeln."
"Dann sollten wir das direkt verhindern", meine Mírwen entschlossen. "Nach vorne können wir nicht, aber wenn wir in die andere Richtung fliehen, haben wir den Baum als Deckung."
"Nicht die ganze Zeit", merkte Oronêl an. "Aber es ist die beste Gelegenheit, die wir haben."
"Also dann." Mírwen schob ihr Schwert wieder in die Scheide, nachdem sie es ein wenig mit Gras vom schwarzen Orkblut gereinigt hatte. "Gehen wir."
Sie hatten vielleicht die halbe Strecke von der Eiche zum Rand der Lichtung zurückgelegt, als Oronêl hinter sich einen überraschten Ruf hörte. Die Orks hatten ihr Vorhaben offenbar bemerkt, und er war nur wenige Schritte weiter gekommen, als einen Meter rechts von ihm ein schwarz gefiederter Pfeil in den Boden einschlug. "Vorsicht, Pfeile!", rief er ohne anzuhalten, und Mírwen erwiderte ein wenig übermütig: "Dazu müssen sie erst einmal Schießen lernen."
Nur wenige Schritte vom schützenden Unterholz entfernt stolperte sie plötzlich, legte die letzten paar Schritte aber noch unsicher zurück und kam dann hinter einem dichten Busch zu liegen. Oronêl ging neben ihr in die Hocke, und sagte scherzhaft: "Ich hätte nicht gedacht, dass dich ein solcher Lauf so..." Er verstummte, und eine kalte Hand schien sich um sein Herz zu legen, als er den schwarzen Pfeil sah, der aus Mírwens linker Seite ragte.
"Sie... haben wohl doch Schießen gelernt", brachte Mírwen mühsam hervor. Ihr Gesicht zeigte bereits eine unheimliche Blässe, und als Oronêl ihre Hände nahm, waren diese eiskalt. Der Pfeil musste etwas lebenswichtiges in der Nähe des Herzens verletzt haben, und voller Verzweiflung stellte Oronêl fest, dass es nichts gab, was er tun konnte.
"Es tut mir leid", sagte er mit belegter Stimme. "Alles was geschehen ist. Du hättest jemanden verdient, der dich wirklich lieben kann."
Mírwen stieß einen Laut aus, der vermutlich ein Lachen sein sollte. "Aber das ist ja meine eigene Schuld. Hätte ich gewollt, hätte ich die Wahrheit viel früher gesehen - aber ich wollte nicht."
Ohne zu wissen, was er sagen sollte, drückte Oronêl sanft ihre Hände. "Ich gehe in Mandos' Hallen", fuhr Mírwen leise und angestrengt fort. "Dort werde ich meinen Vater treffen, und vielleicht werden wir die Hallen irgendwann wieder verlassen, und glücklich im Westen leben. Ich werde Calenwen von dir grüßen, wenn es soweit ist." Noch einmal suchten ihre Augen die seinen, und dann schlossen sie sich.
Oronêl küsste sie auf die Stirn, und sagte leise: "Mögest du im Westen finden, was du verdienst." Dann hob er das Schwert auf, dass sie fallen gelassen hatte, und wog es langsam in der Hand.
"Es wird dich nicht zurückbringen", sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. "Aber ich werde deinen Tod mit deiner eigenen Waffe rächen, wenn ich kann."
Er nahm das Schwert in die rechte und den Dolch in die linke Hand, und trat dann hinter dem Busch hervor auf die Lichtung hinaus.

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