Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Lothlorien
Caras Galadhon
Sturmkronne:
Borin erschlug Ork um Ork und versuchte gleichzeitig den Überblick über den Kampf zu behalten. Die Orks waren glücklicherweise nicht klug genug, um weiter die Stadt über den Wall zu erklettern. Stattdessen quetschten sie sich alle durch die Lücke im Wall. Borin wusste, dass dies ihnen kurzzeitig einen Vorteil geben würde. Als der nächste Ork auf ihn zu rannte, schlug Borin ihm den Arm ab und bekam dafür einen Faustschlag in sein ungepanzertes Gesicht. Borin sah Sterne und taumelte zurück. Der Ork setzte jedoch nicht nach sondern schrie seinen Schmerz raus. Borin zog eine kleine Wurfaxt und warf sie dem Ork in den Hals.
Verdammt, wenn das so weiter geht werde ich sehr bald nicht mehr unter den Lebenden weilen. Also jetzt schnell weg hier… Wo ist Oronel?
Borin sah sich um, doch er war nicht mehr zu sehen. Er zögerte nicht eine Sekunde, sondern rannte sofort in Richtung Wall, wo er ihn zu letzt gesehen hatte. Als er am Wall ankam, sah er nur noch wenige Orks und Verteidiger. Stattdessen roch er Rauch und Tot. Die Plünderung der Stadt hatte also nun begonnen. Als er schließlich Oronel fand, war dieser bereits von zwei Elben gerettet worden. Borin wollte daraufhin die Stadt ebenfalls verlassen, als er einen Schrei hörte, der eindeutig von einem Zwerg stammte. Unweit von ihm war ein Zwerg, der gegen eine ganze Horde Orks ankämpfen musste. Er hatte soeben ein Schwert hieb gegen sein Bein bekommen, der die Rüstung durchdrungen hatte. Mit erhobener Axt stürmte Borin auf ihn zu, um ihm zur Hilfe zur eilen und schlug dem ersten angreifenden Ork die Hand ab. Der Zwerg, der sich schon länger gewehrt hatte, fiel kraftlos zu Boden. Vor ihm war eine ganze Horde Orks und hinter ihm die Lücke im Wall, wo alles Mögliche sein könnte.
Tja, nun stecke ich richtig in der…
Er bekam keine Chance weiterzudenken, denn die Orks drangen auf ihn ein. Borin schwang seine Axt weitläufig um sich, und erwischte drei Orks mit einem Hieb. Nach zwei weitern solchen Hieben, der mehreren Orks das Leben kostete, wichen die Orks zurück. Sie schienen lieber die Stadt plündern zu wollen als hier sinnlos zu sterben. Borin nahm den bewusstlosen Zwerg auf seine Schulter.
Ich hab zwei Möglichkeiten. Entweder ich renne in die Stadt und den Orks in die Arme oder ich renne aus der Stadt, umkreise sie und schließe mich im Süden den Fliehenden an.
Er drehte sich um und verlies die Stadt und rannte entlang des Walles zu den Fliehenden. Während er lief, sah er den Zwerg auf seinen Schultern genauer an. Da die Beinwunde nicht all zu schlimm aussah, konnte er sich den Zwerg genauer ansehen. Er war wie ein Soldat der Königlichen Garde gekleidet. Außerdem glaubte Borin, den Zwerg auch schon im Kampf gegen die Dunedain gesehen zu haben. Was machte dieser Zwerg am Tor, während der König nicht in der Nähe war? Und warum hatte er sich nicht zurückgezogen? Diese Fragen musste er dem Zwerg beim Erwachen dringend stellen.
Mit diesen Gedanken näherte sich Borin dem Südost Tor.
Jedoch sollte er in den Wäldern Loriens II erst wieder auftauchen
--Cirdan--:
Eddy vom Nimrodel.
Dieser Ort hieß einst Caras Galadhon, wurde Eddy gesagt. Eine große Explosion soll hier stattgefunden haben um Platz zu schaffen und genauso sah es aus. Der Boden war schwarz und noch immer teilweise von Asche bedeckt. Überall standen neu errichtete Werkstätten, Sägewerke und Unterkünfte für Arbeiter. Im Zentrum der hölzernen Gebäude wurde ein kleiner Turm errichtet, auf dessen Spitze eine schwarze Flagge mit dem Symbol einer weißen Hand leicht im Wind flatterte.
Für den heutigen Abend hatte Eddy sich vorgenommen den Turm zu erklommen und sich beim letzten Licht des Tages einen Überblick über dieses fremde Land zu verschafft. Nach dem kurzen und keinesfalls schmackhaften Abendessen kletterte Eddy den unbesetzten Turm hinauf. Die Sonne war kurz davor im Westen hinter dem Nebelgebirge zu versinken. Auch wenn der Sonnenuntergang wunderschön anzusehen war und auch seine Heimat in dieser Richtung lag, wandte sich Eddy bald ab, denn unter den großen Bergen lag noch immer das düstere Reich der Orks.
In entgegengesetzte Richtung nach Osten konnte Eddy nicht besonders weit sehen, denn dort standen noch immer viele der großen Bäume, die einst das ganze Land bewachsen haben mussten. Auch nach Norden über die Dächer seiner Werkstätten konnte er nicht allzu weit schauen, aber immerhin konnte Eddy den großen Hügel erkennen, auf dem die Orks in den letzten Tagen verstärkt begannen hatten die Bäume zu fällen. In die südliche Richtung schaute Ed am längsten, denn er konnte die neue Straße hinunter zu dem Fluss und den Werften gucken. Selbst zu dieser späten Stunde noch, sah er ein Boot den Celebrant langsam hinauffahren.
Bevor das letzte Licht endgültig von dem Nebelgebirge blockiert wurde, stieg der Breeländer den Turm wieder hinab und eilte zu seiner Unterkunft in einer der neuen Hütten. Sein Begleiter Fred, der seit dem Aufbruch aus Bree nie weit von seiner Seite gerückt war, erwartete ihn bereits: „Wo warst du wieder? Willst du doch noch einen Eintrag und eine Strafe bekommen?“ Eddy sagte dazu nichts und Fred erwartete es wohl auch nicht, denn er sprach weiter: „Ich habe heute mit einem der Anführer gesprochen. Sie wollen einige Katapulte zu ihren Verbündeten auf irgendwelche Ebenen südlich von hier schicken. Eine kleine Gruppe, die sich mit den Katapulten auskennt, soll die Maschinen begleiten. Ich dachte mir, wir könnten uns freiwillig melden, um diesen schrecklichen Ort schnellstmöglich wieder verlassen zu können.“
„Und was sollen wir dort?“, fragte Ed, worauf Fred keine Antwort hatte. Noch einige Zeit überlegten sie still in ihren Betten, ob sie dort besser aufgehoben wären als hier.
Am nächsten Morgen waren sie die Ersten auf den Beinen und gingen sogleich zu ihrem Kommandanten. Es war ein alter, kleiner Mann mit weißem Bart und jeder Menge verrückter Ideen. Er war keinesfalls unfreundlich, aber doch streng und trieb sie alle zur Arbeit an, denn er hatte Angst vor seinen eigenen Vorgesetzten. Lucianus hieß der Mann, der Eddy und Fred nun erklärte, dass egal ob sie nach Süden gehen oder hier bleiben, letzten Endes mit in den Krieg ziehen müssten um die Katapulte zu bedienen.
„Ihr werdet in Sicherheit sein“, versuchte Lucianus die beiden jungen Männer zu beruhigen, die zu erklären versuchten, dass sie nach ihren damaligen Absprachen in Bree niemals mit in eine Belagerung ziehen sollten. „Die Katapulte werden am besten geschützt sein von Allem. Euch wird nichts passieren“, sprach der Alte. Eddy und Fred fluchten, widersprachen und überlegten nicht zum ersten Mal, ob sie nicht einfach fliehen sollten.
„Geht wieder an die Arbeit, Jungs. Wir alle müssen tun, was uns befohlen wird, um den Feind bezwingen zu können“, beendete Lucianus das Gespräch.
Eddy und Fred arbeiten den ganzen Vormittag gemeinsam und erbauten aus dem neu gelieferten Holz das Grundgerüst für ein weiteres Katapult. Ed war der Konstrukteur des Ganzen, während Fred helfende Arbeiten ausführte, wie das Holz zurecht zu sägen oder Seile zusammen zu knüpften.
„Du Ed“, rief Fred zu seinem Freund herüber, „hast du bei dir noch Seile?“ Eddy verneinte und bot sofort an Neue zu besorgen, denn er musste sich dringend einmal die Beine vertreten.
Eddy lief hinüber zur Werkstatt von Lucianus, der grade dabei war ein weitaus größeres Katapult fertigzustellen, als alle bisherigen. Nach einer kurzen Erklärung übergab der Kommandant Ed einige neue Seile. „Das ist Hithlain“, sprach er liebevoll, „die Elben haben es für uns gemacht. Es ist perfekt geeignet für den Bau der Maschinen.“ Für die Seile hatte Ed nur einen kurzen Blick, als er sie entgegen nahm. Seine Aufmerksamkeit galt dem neuen Katapult, welches augenscheinlich weitaus größere Steine schleudern konnte. Staunend begutachtete Eddy es und nach Kurzem erkannte er einen erheblichen Nachteil: „Wer soll dieses Monstrum nachladen? Die Steine kann doch niemand heben.“
„Ach Junge“, stöhnte Lucianus, „ich bin nicht sicher, ob du die Antwort wissen willst.“ Nachdem Ed ihn aber weiter gespannt anguckte, führte der Alte Eddy nach draußen und hinter einen der großen Schuppen. In einer Mulde lag eine riesige, zum Fürchten aussehende Kreatur. Das Tier hatte zottiges, schwarzes Fell und kräftige Gliedmaßen. Wie riesig es war, konnte Eddy nicht sagen, da es zusammengerollt und schnarchend da lag.
„Was in aller Welt ist das?“, stieß Ed aus, nachdem es ihm einige Momente die Worte verschlagen hatte und er ein paar Schritte zurückgewichen war.
„Das kann ich dir auch nicht genau sagen. Einem Troll kommt er wohl am nächsten“, antwortete Lucianus, der auch ein wenig eingeschüchtert wirkte, „er wurde aus Khazad-dûm hergeführt. Er wird mein Katapult beladen, wenn alles klappt.“
Nicht nur Orks und Menschen der übelsten Sorte, nun auch noch Trolle? Wo bin ich hier nur gelandet? Was habe ich hier verloren? Und wer bin ich, dass ich dachte hier etwas Gutes für die Welt zu leisten…hier, wo alles an Übel zusammen kommt.
Lily, meine Liebste; siehst du das? Dafür bin ich fort gegangen. -Um am Ende der Welt in einem Krieg unmenschlicher Kreaturen zu sterben. Ach, wie gerne wäre ich jetzt bei dir. Ich würde alles hinwerfen und wir könnten Tag und Nacht zusammen sein und das Leben leben.
Eddy zum Hafen.
--Cirdan--:
Eddy aus Dol Guldur
Lorien war nicht mehr, wie er es kennengelernt hatte und das sollte schon einiges heißen, denn er kannte es nur als das Reich Sarumans. Noch mehr der großen Bäume und Mallorn waren abgeholzt wurden und immer mehr Schuppen und Werkstätten entstanden im Zentrum.
„Der Krieg bringt Opfer mit sich“, murmelte einer der Begleiter Eddys, „nicht nur die Menschen sterben, auch die Pflanzen und Tiere erleiden Schmerzen.“
Eddy fror leicht, als er am Abend das Boot verließ, mit dem sie den Anduin überquert hatten. Zur Nacht wurden sie in den notdürftigen, hölzernen Unterkünften der Arbeiter untergebracht, in denen Eddy schon zur Vorbereitung der Belagerung auf Dol Guldur genächtigt hatte.
Mit einem keinesfalls schmackhaften Abendmahl saßen sich Eddy, Fred und die anderen Begleiter zusammen und blickten düster zum Nebelgebirge herüber. Morgen würden sie in die Stollen von Moria eindringen und mehrere Tage unter der Erde sein. Dem Breeländer grauste es vor dieser erneuten Durchquerung und der Vorstellungen an die schrecklichen Bilder der Orks, des Feuers, der Geräusche und mitunter der nahezu vollkommenden Dunkelheit.
Eddy nach Moria
Fine:
Córiel und Vaicenya aus den Wäldern Lothlóriens
Die grüne Mauer, die Caras Galadhon einst umgeben und geschützt hatte, bestand nicht mehr. Nach der großen Explosion, die während Sarumans Belagerung der Stadt ein gewaltiges Loch in den nordwestlichen Teil der Mauer gerissen hatte, war der Rest von den Orks Morias rasch niedergerissen worden, um Platz für ihre Werkstätten zu schaffen. Der Boden war entweder schwarz und verrußt oder bestand aus festgetrampelter Erde. Bäume standen nur noch ganz im Zentrum der Stadt, wo einst der Wohnsitz des Herrscherpaares der Galadhrim gewesen war, sowie etwas weiter südöstlich, wo ein umzäunter Garten lag.
Córiel war in all ihren Jahren nur wenige Male in Caras Galadhon gewesen, aber dennoch ging ihr die systematische Zerstörung dieses einst wunderbaren Ortes nahe. Sie wusste, wie es hier vor Sarumans Ankunft ausgesehen hatte und welche Wunder man hier hatte bestaunen können.
Die Straße, der sie entlang des Celebrant bis hierher gefolgt waren, führte bis zu einer Brücke, die Córiel an Moria erinnerte. Ebenso wie die aus Stahl geschmiedete Brücke, die den Abgrund jenseits der Ersten Halle nun überspannte war auch diese Konstruktion, die sie nun rasch überquerten beinahe gänzlich aus Metall gefertigt. Das Zeichen der Weißen Hand prangte an den stählernen Brückenpfeilern auf beiden Seiten.
Jenseits der Brücke lag das ehemalige Tor Caras Galadhons. Aus Holz zusammengezimmerte Wachstuben standen am Fuße des Hügels, auf dem die Stadt erbaut worden war. Als Vaicenya sich zu erkennen gab, ließen die Orkwachen sie wortlos hindurch und sie begannen, den Hügel zu ersteigen.
Es war am späten Nachmittag, als Córiel den großen Baum erreichte, auf dem Celeborn und Galadriel einst gewohnt hatten. Nun waren sie fort, geflohen in die Sicherheit des fernen Lindons - wo auch Córiels Heimat lag.
Was gäbe ich jetzt für das Rauschen des Meeres in meinen Ohren und den Seewind auf meinem Gesicht, dachte die Hochelbin und schloss für einen Moment die Augen. Ihr Schiff, die Sternenjägerin, lag seit dem Beginn des Krieges in einem der kleineren Häfen Forlindons und wartete auf sie. Doch solange sie nicht mit Vaicenya fertig geworden wäre, konnte Córiel nicht gehen. Die See würde warten müssen.
Vaicenya hatte sich in das verdorrte Gras gesetzt, mit dem Rücken an den mächtigen Stamm des großen Mallorns gelehnt, der auf der Hügelspitze thronte. Sie blickte nachdenklich zur Krone des Baumes hinauf, durch dessen Äste das Sonnenlicht hin und wieder strahlte, wenn es seinen Weg durch die dichte Rauchwolke fand, die über der Stadt hing. Die meisten Werkstätten waren im Süden Caras Galadhons errichtet worden, in der Nähe des Flusses, wo Waffen und Rüstungen auf Boote geladen wurden und zum Düsterwald hinüber transportiert wurden. Deshalb war der Rauch im Zentrum der Stadt nicht ganz so dicht.
“Heute Nacht werden die Maschinen zur Abwechslung schweigen,” sagte Vaicenya plötzlich. “Heute Nacht müssen die Sterne über uns leuchten.”
“Und was, wenn es regnet?” fragte Córiel.
“Dann werden wir warten,” erwiderte Vaicenya. “So einfach ist das. Ich bin zu weit gekommen, um jetzt, kurz vor dem Ziel einfach aufzugeben.”
“Du hast mir noch immer nicht gesagt, was dein Ziel eigentlich ist,” versuchte Córiel der Dunkelelbin ein paar Details zu entlocken.
“Wenn du es bis jetzt nicht schon selbst herausgefunden hast, hoffe ich umso mehr, dass es funktioniert,” antwortete Vaicenya geheimnisvoll. “Ich ertrage es nicht länger, dich so zu sehen.” Sie stand auf und hielt den Blick nach Südosten gerichtet. “Sei unbesorgt, meine Liebe. Bald wird alles so sein, wie es früher war. So, wie es sein sollte.”
Mit diesen Worten ließ sie Córiel voller unbeantworteter Fragen zurück und verschwand in Richtung der Werkstätten, wo ein großer hölzerner Turm aufragte. Von der Spitze hing das Banner der Weißen Hand herab.
Der Nachmittag und der Abend vergingen, ohne dass Vaicenya wieder auftauchte. Córiel verspürte keine große Lust, nach ihr zu suchen oder sich das Ausmaß der Zerstörung Caras Galadhons anzusehen, also blieb sie wo sie war. Die uralte Rinde des Mallorn fühlte sich sonderbar tröstlich unter ihren Fingern an, als sie die Hand an den Stamm legte. Gerne wäre sie hinauf geklettert, um dem Rauch für einige Zeit zu entfliehen, doch die gewundene Treppe, die einst rings um den breiten Stamm geführt hatte, war entfernt worden. Córiel blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten.
Als die Sonne gerade untergegangen war, fiel Córiel auf, dass der Lärm der Werkstätten im Süden und Westen mehr und mehr zum Erliegen gekommen war. Sie stand auf und warf vorsichtige Blicke in Richtung des Flusses und stellte fest, dass die Arbeiter-Orks tatsächlich damit begonnen hatten, die Maschinen außer Betrieb zu nehmen. Die Feuer in den Schmelzöfen wurden gelöscht und die großen Zahnräder, die sich schier unermüdlich gedreht hatten, kamen zum Stillstand. Und langsam, aber sicher verzog sich der Rauch, der wie eine schwarze Wolke über der Stadt gehangen hatte. Córiel schaute nach oben und sah tatsächlich Sternenlicht durch die Baumkrone des Mallorn blinken.
Vaicenya tauchte in der Nähe auf, von Süden herankommend. Sie trug ihre silberne Rüstung sowie einen langen, tiefblauen Umhang, den Córiel noch nicht kannte. Unter dem Arm hielt sie ein Bündel aus Stoff. Der Kopfschmuck der Dunkelelbin lag auf ihrer Stirn und hätte sie weise und edel wirken lassen, wenn ihr Gesichtsausdruck sie nicht Lügen gestraft hätte. Vaicenyas Miene war beinahe neutral, doch in ihren Augen loderte ein feuriges Verlangen, das Córiel zurückschrecken ließ.
“Wovor hast du Angst?” wisperte Vaicenya, als sie nur noch wenige Meter entfernt war. “Es gibt nichts zu befürchten. Spürst du nicht die Spannung, die in der Luft liegt? Dieser Ort ist etwas Besonderes.” Sie ergriff Córiels Hand. “Komm. Es ist an der Zeit.”
Obwohl sich alles in ihr dagegen sträubte, ließ sich Córiel von Vaicenya den Hügel hinab führen, nach Südosten, bis sie an das Tor des umzäunten Garten kamen. Córiel war erstaunt, dass dieser Ort inmitten all der Verwüstung unangetastet geblieben war.
“Nicht einmal Saruman ist dumm genug, um einfach zu vergeuden, was hier schlummert,” beantwortete Vaicenya die unausgesprochene Frage. “Niemand bis auf des Zauberers engste Vertraute hat hier Zutritt. Wir werden absolut ungestört sein, dafür habe ich gesorgt.”
Vaicenya schloss das Tor auf und sie stiegen eine gewundene Treppe hinab, die entlang mächtiger Baumwurzeln erbaut worden war. Im Zentrum des Gartens bahnte sich ein Rinnsal seinen Weg durch die Pflanzen, das wohl einst ein Bach gewesen war. Jetzt führte es nur noch sehr wenig Wasser, das über einen breiten Felsen hinab in ein steinernes Becken fiel.
“Das Einzige, was Saruman diesem Ort hinzufügte, war dies,” erklärte Vaicenya mit Blick auf ein weiteres kreisrunde, ungefähr einen Meter breite Becken, das direkt unterhalb des kleinen, natürlichen Teiches lag, in dem sich das Wasser sammelte, bis es auf der Rückseite wieder austrat und zwischen zwei Büschen verschwand. Vaicenya griff an den Rand des oberen Beckens und löste eine Metallplatte heraus. Wasser strömte durch die entstandene Lücke in das untere, von Saruman dort platzierte Becken und füllte es langsam.
Vaicenya entpackte das Bündel, das sie mit sich getragen hatte. Es war ein schlichtes, hellrotes Elbenkleid mit langen Ärmeln. Sie hielt es Córiel hin. “Zieh es bitte an,” sagte die Dunkelelbin. Nach einigem Zögern tat Córiel, worum sie gebeten worden war. Sie fühlte sich schutzlos ohne ihre Rüstung und fragte sich, was als nächstes geschehen würde.
“Es ist soweit,” sagte Vaicenya kurz darauf und verschloss den Zugang des Wassers wieder, sodass kein Wasser mehr in das Becken floss, sondern wieder wie zuvor am unteren Rand des Felsens ins Gras lief. “Sieh hinein, meine Liebe. Sieh hinein! Was siehst du?”
Córiel kniete sich an den Rand des Beckens. Das Wasser war regungslos und schwarz. “Ich sehe nichts,” antwortete sie. In dem Augenblick tauchten einer nach dem anderen wie kleine Lichtpunkte inmitten der Finsternis die Reflektionen der Sterne auf, die über dem Garten standen.
Vaicenya, die neben ihr stand, gab ein erleichtertes Geräusch von sich. “Da sind sie,” hauchte die Dunkelelbin. “Nach all den Äonen sind sie als Einzige noch immer dieselben. Unverändert seit jenem Tag, an dem ich sie zum ersten Mal erblickte. Sieh hin! Siehst du, wie sie dich anblicken? Spürst du ihr Licht auf deiner Haut, auf deinem Gesicht?”
“Ich spüre... etwas,” antwortete Córiel, die sich tatsächlich sonderbar fühlte. Das Wasser übte eine enorme Anziehungskraft auf sie aus.
“Berühre es,” drängte Vaicenya sie. “Berühre das Wasser. Na mach schon.”
Córiel streckte vorsichtig einen tastenden Finger nach der Wasseroberfläche aus. Sie hatte erwartet, dass es kalt sein würde, doch es erwies sich als angenehm warm, als ihr Zeigefinger in das schwarze Wasser eintauchte. Die Hochelbin spürte ihren Herzschlag in ihrer Brust pulsieren. Noch immer sah sie nichts als die Sterne inmitten der Schwärze des Beckens, das nun von kleinen, ringförmigen Wellen durchzogen wurde, die von Córiels Finger ausgingen.
“Deine Hand,” wisperte Vaicenya dicht neben ihr. Auch sie hatte sich nun hingekniet und starrte wie gebannt auf das Wasser, als würde sie dort mehr sehen können als es Córiel tat.
Langsam tauchte Córiels Hand in das Wasser ein. Sie war überrascht, wie tief es war. Ihre Finger erreichten den Boden des Beckens erst, als ihr Arm bis zum Ellenbogen im Wasser verschwunden war. Sie hatte sich vorgebeugt, über den Rand des Beckens hinweg.
Vaicenya nahm Córiels freie Hand und führte sie sanft, aber bestimmt auf die Wasseroberfläche zu. Dann ließ sie los, darauf bedacht, das Wasser selbst nicht zu berühren. Auch wenn sich Córiel darüber wunderte, verschwendete sie nur einen kurzen Gedanken daran. Noch immer war sie fasziniert von dem warmen Becken, in das nun ihre zweite Hand eintauchte und auf dem Grund liegenblieb.
“Das ist es,” flüsterte Vaicenya. “Das ist der Moment, auf den ich so lange gewartet habe...”
Sie packte Córiel an den Schultern und stieß sie heftig vorwärts und abwärts. Ihr Kopf durchstieß die Wasseroberfläche.
Córiel war zu überrascht, um zu reagieren. Etwas war mit ihr geschehen, das sie nicht verstand. Es lähmte sie und ließ sie kaum Widerstand leisten. Vaicenya drehte sie im Wasser herum, ihre Hände immer nur kurz im Becken haltend. Córiel konnte die Dunkelelbin jetzt sehen, wie sie über ihr kniete und sie unten hielt. Noch immer war sie unfähig, sich ernsthaft zu widersetzen. Die einladende Wärme, die sie umfing, hielt die Hochelbin in ihrem lähmenden Bann gefangen. Doch dann ging ihr die Luft aus und das brachte sie schließlich doch dazu, gegen Vaicenyas Griff anzukämpfen. Das Licht der Sterne über ihr war unangenehm hell geworden und blendete Córiel, während sie versuchte, sich aufzurichten. Vaicenya stieß sie immer wieder zurück, einen zu allem entschlossenen Ausdruck im Gesicht. Córiels Kräfte schwanden. Noch einmal bäumte sie sich auf, von Verzweiflung getrieben und wäre fast erfolgreich gewesen, wenn Vaicenya nicht ihre Schultern gepackt hätte und sie mit aller Macht unter Wasser gehalten hätte.
Schwärze erfüllte den Rand ihres Sichtfeldes. Eine Finsternis, die sich rasch ausbreitete. Ihre Lunge schien platzen zu wollen. Sie sah noch, wie zwei undeutliche Gestalten hinter Vaicenya auftauchten und die Dunkelelbin fortzerrten, doch für Córiel war es zu spät. Kraftlos taumelte sie rückwärts, bis ihr Hinterkopf sanft auf dem Boden des Beckens aufschlug. Alle noch verbliebene Luft entwich aus ihrem geöffneten Mund, und Wasser strömte hinein.
Als Córiel wieder zu sich kam, war das Erste, was sie spürte, die sie umgebende Wärme. Sie lag auf dem Rücken, auf weichem Boden, der sich nach vorsichtigem Tasten als Sand herausstellte. Zu ihrer Überraschung stellte Córiel fest, dass ihr Körper und das einfache Kleid, das sie noch immer trug, trocken waren.
Sie öffnete träge die Augen. Das erste, was sie sah, waren die Sterne über ihr. Tröstlich leuchteten sie dort am dunklen Himmel, als wäre nichts geschehen. Dann schob sich ein Gesicht in Córiels Sichtfeld. Es war Vaicenya.
“Hallo,” sagte sie leise.
Córiel versuchte, die Begrüßung zu erwidern, doch ihr blieb das Wort im Mund stecken. Als hätte sie es noch nie gekannt. Sie wiederholte, was Vaicenya gesagt hatte, doch das “Hallo” kam ihr nur schwerfällig über die Lippen.
Vaicenya half ihr, sich in eine sitzende Position aufzurichten. Neugierig blickte sich Córiel um. Sie befand an einem lang gezogenen Strand, am Ufer eines großen, dunklen Gewässers. Und sie war nicht allein: rings um sie herum gab es weitere Elben in ähnlichen Gewändern, die gerade einer nach dem anderen auf die Beine kamen. Es waren ungefähr dreißig an der Zahl. Eine weitere, kleinere Gruppe half ihnen hoch und redete beruhigend auf sie ein - Elben, die ähnlich wie Vaicenya gekleidet waren, in feste Lederkleidung und mit silbernem Kopfschmuck im Haar.
“Ich bin Vaicenya von den Tatyar,” sagte Vaicenya. “Wie lautet dein Name?”
Erneut fiel die Antwort Córiel enorm schwer. Es war, als kämen die Worte zum allerersten Mal aus ihrem Mund.
“Ich... bin... Melvendë.”
“Was für ein schöner Name,” antwortete Vaicenya mit einem Lächeln. “Er passt zu diesem schönen Tag. Es geschieht nicht mehr allzu oft, dass wir eine weitere Gruppe Erwachter finden. Unser Volk ist schon beinahe vollständig, wie es scheint. Und doch senden sie uns wieder und wieder an die Ufer, damit niemand übersehen wird.”
Vaicenya zog sie auf die Beine und Córiel war überrascht, wie unsicher sie zunächst dastand. Ihr kam alles neu vor, selbst einfache Dinge wie die Sterne, das Wasser und der Wald hinter ihr, der bis an den Rand des Strandes heran reichte. Je mehr sie Vaicenya zuhörte, die ihr davon berichtete, wie ihre Gruppe diesen Strand entdeckt hatte, desto leichter fiel es Córiel, ihre Gedanken in Worte zu fassen und eigene Sätze zu bilden. Sie nahm Vaicenyas Hand und ließ sich von ihr zum Waldrand führen, wo sich die Elben beider Gruppen nun zu sammeln begannen.
“Wir bringen euch zu den anderen,” sagte Vaicenya geradezu fröhlich. “Dazu müssen wir nur den vielen Bächen folgen, die diesen Wald durchziehen, bis wir an den Fuß der Berge kommen. Es ist ein weiter Weg, aber nicht gefährlich. In diesem Land gibt es nichts, was uns bedroht.”
Córiel wollte ihr gerade folgen, doch sie stellte fest, dass sie sich nicht bewegen konnte. Die Sterne über ihr hatten wieder einen unangenehm hellem Schein angenommen.
“Was ist los?” fragte Vaicenya verwundert. “Was ist mit dir?”
Ehe Córiel noch antworten konnte, wurde es ihr schwarz vor Augen.
Tochter der Steinstadt, höre meine Stimme. Kehre zurück ins Licht. Kehre zurück in die Welt, wie sie wirklich ist. Lass die Illusion der Vergangenheit dich nicht länger gefangen halten. Erwache!
Die Stimme war wie von fern an Córiels Ohren gedrungen und riss sie aus der Finsternis zurück in die Wirklichkeit. Sie keuchte, schnappte angestrengt nach Luft und riss die Augen auf. Jemand hatte sich über sie gebeugt. Ein alter Mann in tiefblauen Gewändern. Er strahlte Ruhe aus, aber auch Besorgnis. Hinter ihm wurde eine breitschultrige Gestalt sichtbar, deren Arme sich rhythmisch vor und zurück bewegten. Strömendes Wasser war zu hören. Und da wurde Córiel klar, dass sie sich auf einem Boot befand.
“Sie ist wach,” sagte der alte Mann ernst. “Sind wir weit genug vom Westufer entfernt?”
“Ich hoffe es. Ich hasse es, dass wir dieses Miststück nicht erledigt haben als wir die Gelegenheit dazu hatten, Eldsten.” Córiel erkannte seine Stimme.
“Jarbeorn!” entfuhr es ihr und sie richtete sich vorsichtig ein wenig auf, um ihn besser sehen zu können. Der Beorninger saß im Bug des kleinen Ruderbootes und brachte es mit mächtigen Zügen voran. Er begegnete ihrem Blick zunächst etwas unwirsch, doch dann sah sie, wie seine Miene weicher wurde.
“Stikke,” sagte er, schon fast zärtlich für seine normalerweise raue Art. “Siehst du es jetzt endlich ein? Ohne mich gerätst du von einer Schwierigkeit in die nächste. Du hättest mich nicht zurücklassen sollen.”
“Es tut mir Leid, Jarbeorn,” brachte sie hervor, ehe es ihr die Kehle zuschnürte.
“Du wärst aufgeschmissen gewesen, wenn Eldsten und ich nicht gewesen wären. Wir haben dich in letzter Sekunde da rausgeholt. Was auch immer dieses Hexenweib mit dir vorhatte, es war...”
Der alte Mann hob die Hand und brachte den Beorninger zum Schweigen. “Genug für den Moment. Sie braucht Ruhe. Und wenn mich nicht alles täuscht, ist unsere Flucht inzwischen bemerkt worden. Vermutlich ist diese widerspenstige Elbin dort drüben aus ihrer unfreiwilligen Ohnmacht erwacht, in die du sie versetzt hast, mein Freund.”
“Ich wünschte, ich hätte sie ins Jenseits versetzt,” brummte Jarbeorn verdrossen.
“Wir müssen rasch ans andere Ufer gelangen und dann ein Versteck finden. Ich glaube, ein alter Freund von mir hat hier ganz in der Nähe einen seiner Wohnsitze. Wenn wir dort sind, können wir reden.”
“Also gut. Ich lege mich ins Zeug. Bleib du mir ja wach, Stikke! Ich werde dich tragen, wenn es sein muss, aber wenn du laufen kannst, kommen wir schneller voran.”
Ein Pfeil zischte dicht über Jarbeorns Kopf hinweg und der Beorninger fluchte. Vom jenseitigen Ufer drang ein lauter Hornstoß hinüber und Córiel bildete sich ein, einen fernen, verzweifelten Schrei gehört zu haben. Sie erschauderte.
Córiel, Jarbeorn und Pallando in den Düsterwald
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