Oronêl und Celebithiel von der Furt des NimrodelDunkelheit lag über dem grünen Dach von Caras Galadhon, und der Mond schien nicht in dieser Nacht.
Die Finsternis Sarumans legt sich über Lórinand... meine Heimat.Gefolgt von Ladion und einigen weiteren der Erben Lenwes - nicht mehr als drei Dutzend, denn mehr wagte er nicht aus der Schlacht abzuziehen - erreichte Oronêl die Stadt. Das Tor war offen und unbewacht, und Caras Galadhon lag still und friedlich da. Nur wenige Lampen leuchtet entlang der Wege und in den Bäumen, doch aus Richtung von Galadriels Garten kam ein silberner Schein.
"Ladion, übernimm du das Kommando", sagte Oronêl. "Schließt das Tor und stellt Posten auf den Wällen auf. Und sucht nach weiteren Verteidigern. Sie können nicht alle fortsein! Ich werde Galadriel suchen und sie warnen."
Ladion nickte zustimmend, fragte aber dennoch: "Und was ist, wenn niemand mehr hier ist?" "Dann bemannt zumindest den nördlichen Wall und das Tor dort so gut es geht. Diese Stadt ist das Herz des Landes, und wir werden sie nicht kampflos an Saruman fallen lassen. Außerdem wird Rúmil bald mit den nördlichen Grenzwachen hier sein und uns verstärken."
Er verbarg seine Befürchtung, dass die Grenzwächter mit hoher Wahrscheinlichkeit zu großen Teilen bereits von Sarumans Orks getötet worden waren, oder Caras Galadhon zu spät erreichen würden, denn er wollte seinen Leuten nicht die letzte Hoffnung, oder zumindest die Illusion einer Hoffnung nehmen.
Oronêl wandte sich ab und ging in Richtung des Gartens davon, froh sein Gesicht vor den Blicken der anderen verbergen zu können. Laedors plötzliches Auftauchen und seine eigenen Niederlage hatten ihn mehr erschüttert, als er zunächst geglaubt hatte. Doch was konnten sie einem Feind entgegensetzen, in dessen Reihen sogar jene kämpften, die eigentlich Verbündete sein sollten.
Die Hoffnung für Lórinand ist verloren... doch ich werde weiterkämpfen. Für Celebithiel und Amrûn, Mithrellas und Ladion, Radagast, Amrothos, Imrahil, Faendir, Antien... sogar die kleine Irwyne.Bei dem Gedanken an das junge Rohirrim-Mädchen und seine seltsame Freundschaft zu Amrûn musste er lächeln. Es überraschte ihn beinahe, dass er es noch konnte.
Er erreichte Galadriels Garten, und sah die Quelle des silbernen Lichts:
Die Herrin des Waldes stand, mit dem Rücken zu ihm, über eine mit Wasser gefüllte Schale gebeugt. Um sie herum hatten sich viele andere versammelt. Oronêl erkannte Thranduil, den König des gefallenen Reiches im Norden Düsterwalds, und der in eine kostbare, wenn auch abgenutzt wirkende Rüstung gekleidete Zwerg musste der König des Erebor, der ebenfalls gefallen war, sein.
Auch Radagast war dort und viele andere Elben, unter ihnen auch Antien.
Als Oronêl den Garten betrat, wandte Galadriel sich zu ihm um.
"Willkommen zurück, Oronêl Galion. Ich habe dich erwartet. Ich weiß um die Gefahr, die uns droht, und ich weiß, was du tust um ihr entgegenzutreten. Ich kann dir nicht sagen, ob du Erfolg haben oder scheitern wirst, aber vielleicht kann ich dir deine Sorgen ein wenig erleichtern: Rúmil ist es gelungen die meisten der Wachen im Norden zu sammeln, und er wird rechtzeitig hier eintreffen."
Oronêl verneigte sich, und erwiderte: "Ich danke euch... Herrin. Könntet... könntet ihr mir verraten, wie es an der Furt steht? Sind meine Freunde noch am Leben?"
Galadriel antwortete, und Traurigkeit und tiefe Sorge schienen aus ihren Augen: "Der Blick auf die Furt ist mir versperrt. Der Spiegel zeigt viele Dinge, doch weder, was in diesem Augenblick an der Furt geschieht, noch was dort geschehen wird. Aber ich fühle, dass die Schlacht dort noch nicht zu Ende ist."
Oronêl versuchte zu antworten, doch er fand keine Worte.
Galadriel fuhr fort: "Ich hoffe, du kannst mir verzeihen, Oronêl, aber ich muss dir eine schreckliche Bürde auferlegen, und die Sorgen, die auf deinem Haupt lasten, noch vervielfachen." Sie hob die Stimme.
"In diesem Augenblick verzichte ich, Galadriel, Finarfins Tochter aus dem Hause Finwes, auf die Herrschaft über das Land Lothlórien und alle seine Bewohner. Ich übertrage dieses Amt für die Dauer dieses Kampfes dem Elben Oronêl Galion, Sohn des Ardir aus dem Hause Lenwe, denn ich habe versagt. Wenn dieser Kampf vorbei ist, mögen die Elben Lóriens sich einen anderen Herrscher wählen, oder weiterhin Oronêl folgen, wie es ihnen am Besten erscheint."
Oronêl fehlten erneut die Worte. Er hatte alles erwartet: Befehle, Verärgerung oder Enttäuschung über seinen Rückzug aus der Schlacht... aber nicht das.
"Herrin, ich... ich glaube ich bin nicht bereit dafür."
Galadriel machte einen Schritt auf ihn zu und erwiderte, so leise, das kein anderer es hören konnte: "Niemand ist jemals bereit für so eine Bürde. Doch die Elben Lóriens brauchen einen Anführer in dieser Schlacht. Ich bin müde, Oronêl, und ich kann diesen Kampf jetzt nicht führen. Du bist nach Thranduil der älteste Abkömmling Lenwes, und auch er will Lórien in dieser Schlacht nicht führen... somit bleibst nur du. Es tut mir leid."
Oronêl sah ihr in die Augen, und erkannte, dass sie die Wahrheit sagte.
Amdír, steh mir bei..."Also gut. Ich nehme diese Ehre - und Bürde - an. Ich werde euch in dieser Schlacht führen, so gut ich es vermag, und danach..." Er zögerte, und ein großgewachsener Mensch, unterbrach ihn: "Was danach kommt, ist jetzt nicht wichtig. Lasst uns zunächst diese Schlacht überleben, dann können wir weitersehen."
"Gut gesprochen, ..." Wieder brach Oronêl ab, als ihm bewusst wurde, dass er den Sprecher nicht kannte. Der Mann verneigte sich knapp in seine Richtung und stellte sich vor: "Grimbeorn, Sohn des Beorn, Herr der Carrock. Ich werde in diesem Kampf an der Seite Lóriens stehen, denn Saruman bedroht den ganzen Norden und ist somit auch mein Feind."
"Und meiner ebenfalls.", meinte der Zwergenkönig. "Ich, König Thorin Steinhelm vom Erebor, Sohn des Dáin, und die wenigen meiner Krieger, die hier sind, werden uns euren Kämpfern auf den Wällen Caras Galadhons anschließen."
Schließlich ergriff Thranduil das Wort: "Meine Krieger kämpfen bereits größtenteils an der Furt des Nimrodel, doch auch ich und meine Leibwächter werden die Wälle der Stadt verteidigen."
"Ich danke euch, euch allen.", erwiderte Oronêl, und verneigte sich zum Zeichen der Dankbarkeit. Er wandte sich ein weiteres Mal an Galadriel, die alles ohne Regung beobachtet hatte. "Was werdet ihr tun?" "Jeder, der nicht hierbleiben und kämpfen will, mag mich nach Süden begleiten. Ich werde nach Aldburg gehen, wo mein Gemahl Celeborn und unser Verwandter Elrond mit einem Elbenheer weilen, und sie um Hilfe für Lórien bitten."
Oronêl erkannte, was in ihren Worten mitschwang: Sie würde nicht nach Lórien zurückkehren, es sei denn Saruman wäre besiegt und das Land sicher, denn sie schämte sich dafür, es in dieser Stunde zu verlassen, obwohl, oder gerade weil, sie es aus freien Stücken tat.
In diesem Moment ertönte von den nördlichen Wällen ein Hornsignal, eines, dass Oronêl aus der Zeit Amdírs erkannte: Es kündigte die Ankunft von Verbündeten an. Rúmil und seine Grenzwächter waren angekommen.