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Die Flüsse Rohans und der Rauros

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The Chaosnight:
Aiwyn, von: Aldburg


Kaum hatte sie die Stadt verlassen und die trostlosen, zerstörten Weiten Rohans erneut passiert ging sie ohne zur Seite zu gucken immer weiter geradeaus bis sie erneut vor dem ruhigen und teilweise noch immer schwarzem Schneeborn stand, dem sie aufmerksam folgte bis dieser sich in zwei Richtungen teilte. Da sie sich zu erinnern glaubte, dass die Abzweigung nach Norden zurück zum Fangorn führen würde beschloss sie den Fluss in südlicher Richtung zu folgen. Er verlief hier um einiges schneller als auf der Höhe des Dorfes und war auch erheblich klarer und lebensfroher. Auch war seine nähere Umgebung um einiges wechselreicher: Mal gab es einen kleinen Wachturm, mal fruchtbare Wiesen, mal ruhige Sandstrände und mal Sträucher und kleine Wälder. Gerade hatte sie eine der zahlreichen Wiesengegenden verlassen, auf der diesmal ein zerstörter und verlassener Bauernhof mit einigen toten Tieren stand und war nun auf dem Weg in einen kleineres Waldgebiet. Es war wieder einer dieser ungewöhnlichen Wälder, die Baumkronen leuchteten in der prallen Sonne Rohans und beleuchteten den Hauptweg durch den Wald, der tobende Fluss floss geradewegs durch ihn hinweg und brandete krachend und gegen Bäume und Felsen, wobei das Wasser schwungvoll und elegant tröpfchenweise auf den Boden fiel und grandiose Kunstwerke in der Luft vollzogen und obwohl das Waldstück ziemlich schmal und auch nicht sonderlich lang war, sprossen die Bäume unnatürlich hoch in die Lüfte und boten mit ihren glitzernden Kuppeln ein atemberaubendes Himmelsgewölbe für jeden Besucher. Staunend blickte Aiwyn nach oben und bestaunte den Ausblick. Sie war so dem Bild verfallen, dass sie gar nicht mehr auf ihre Umgebung achtete und auf einmal nur noch ein schweres Knäuel gegen ihre Brust schlagen spürte und schwungvoll zu Boden gerissen wurde. Auch dank ihres Köchers landete sie unsanft und drehte sich noch zweimal zur Seite ehe sie mit brummendem Kopf und mehreren Druckwunden am Rücken liegen blieb. Irgendetwas lag auf ihr und drückte sich immer fester an sie und nahm ihr die Luft. Langsam hob Aiwyn ihre Armen und legte sie um das, was auch immer gerade auf ihr lag. Zuerst spürte sie zerrissene Stoffkleidung und vereinzelt glatte, warme Haut, die ebenso wie die Kleidung noch ein gutes Stück Restfeuchtigkeit auf sich hatte. Sie tastete sich weiter nach oben und bemerkte leicht gelocktes, langes Haar voller Blätter und kleinerer Pollen. Innerlich begann sich alles in Aiwyn schneller denn je zu drehen, nun jedoch nicht aufgrund des Sturzes, sondern aufgrund unbeschreiblicher Glücksgefühle. Langsam erwiderte sie die Umarmung und strich Barlae über den Kopf. Sie versuchte etwas zu sagen, doch nur Satzfragmente kamen aus ihrem Mund, zu glücklich war sie um irgendetwas vernünftig aussprechen zu können. Sie richtete ihren Oberkörper leicht auf um den Druck des Köchers zu lindern, während Barlae sich ebenfalls erhob und Aiwyn mit sich nach oben zog. Aiwyn konnte ihr nun endlich wieder in die Augen sehen, die feucht vor Tränen waren und ebenso wie das Waldfirmament jedes Licht glänzend reflektierten. Vorsichtig strich sie ihrer Freundin die Tränen aus dem Gesicht und sah weiter froh in ihr Gesicht. Barlae war um einiges größer geworden, sie reichte Aiwyn nun schon fast bis zur Schulter und wirkte auch von ihrer ganzen Ausstrahlung her gewachsen. Aiwyn lächelte breit und zog ihren alten Dolch aus seiner Halterung, "Ich denke der gehört noch immer dir", sagte sie leise, "Wie sagte ich es damals? So lange du ihn trägst wird immer ein Stück von mir bei dir sein."

Das Meer von Tränen verschwand hinter einem breiten Lächeln, Barlae sah sie tief an und sagte leise: "Ich habe dich vermisst". Aiwyn legte wieder ihren Arm um sie und antwortete ebenso vom Glück gezeichnet: "Ich dich auch". Eine gefühlte Ewigkeit standen beide Arm in Arm unter dem funkelnden Dach des Waldes, bis sie ihre Verbindung lösten und Barlae den Kopf sinken ließ und nun etwas traurig murmelte: "Ich habe Bogan verloren..."
Auch Aiwyn ließ kurz den Kopf sinken und verlor ihr Lächeln, was sie sich jedoch nach einer kurzen Zeit wieder aufzwang, gerade jetzt wollte sie nicht in Trauerstimmung verfallen. Sie hob Barlaes Kopf an und sagte leise: "Sei doch deswegen nicht traurig, bisher konnte er mir noch nie entkommen und das wird sich auch diesmal nicht ändern!" Barlae nickte kurz, "Wenn du meinst...", murmelte sie nur und blieb mit traurigem Gesicht vor ihr stehen. Aiwyn ertrug es nicht ihre Freundin so vor sich stehen zu sehen und schlug daher vor: "Was meinst du, gehen wir ihn suchen? Wie schon gesagt, bisher konnte er sich nie vor mir in Sicherheit bringen!"
Barlae ließ ihren Kopf gesenkt, "Er ist dem Fluss gefolgt als uns ein wilder Bär angriff...doch er teilt sich nach dem Wald in mehrere Nebenflüsse und die Strömung ist für mich zu stark um sie zu duchqueren..." Aiwyn ließ auch ihren Kopf für den Bruchteil einer Sekunde sinken, hob ihn jedoch schnell wieder, sie kannte Bogan schon lange genug um seine Pläne zu kennen. "Weißt du wo diese Nebenflüsse enden?", fragte sie, was Barlae bejahte: "Der erste fließt zu den Raurosfällen, den riesigen Wasserfall des Anduin, die restlichen fließen in den Anduin selbst, während ein Abzweig des letzten die Grenze zwischen Rohan und Gondor bildet." Aiwyn lächelte wieder, sie wusste was Bogan getan haben musste: Er war immer dem äußersten Fluss gefolgt und war ihm wahrscheinlich bis zum Ende gefolgt. Er hatte seit ihrer ersten Begegnung immer zuerst über die Außen gegangen und hatte nicht geruht bis er am Ende war, wie unnötig es auch sein mochte. Auch Wasserfälle waren sein Element, sie waren wild und gefährlich und so oft hatte er sie lauthals bewundert und sich einen vor Seestadt gewünscht um genug Energie für seine Schmiedearbeiten zu haben. Sie atmete einmal tief aus, sie war bereit zu Bogan zu gehen, müsste dafür jedoch eine andere schwere Entscheidung fällen.

The Chaosnight:
"Barlae? Ich muss dich um eine Sache bitten, die uns beiden nicht sonderlich gefallen wird: Ich werde nun den Fluss bezwingen und Bogan zurückholen, kehre du zurück zu Aldwyn und ihren Töchtern, sie und das ganze Dorf werden sich freuen dich zu sehen und können dir mehr Schutz bieten als die weiten Ebenen Rohans. Sobald ich ihn gefunden habe komme ich ebenfalls dahin, dieses Dorf ist leider der einzige Ort, der sicher und gut findbar ist und wo ich mir keinerlei Sorgen um uns zu machen brauche!" Aiwyn sprach diese Worte lagsam und mit innerer Zerrissenheit, es musste sein um Barlae in Sicherheit zu wissen und Bogan zu finden, doch es schmerzte sie Barlae nach so kurzer Zeit schon wieder verlassen zu müssen. Barlae schien ähnlich zu fühlen, sie zitterte leicht und klammerte sich an Aiwyn fest, "Bitte nicht...diese Banditen töten mich...sie töten uns alle! Hat Aldwyn nicht von ihrem Anführer erzählt? Er ist verrückt! Bring..mich..nicht..in.. seine...Nähe!", flehte sie stark ängstlich. Aiwyn fuhr behutsam über ihren Rücken, "Hab keine Angst, die Banditen sind allesamt tot! Hier siehst du? Ich trage den Bogen ihres Anführers...sie werden niemanden mehr etwas tun. Sie sind allesamt zerfetzt im Blute ihrer eigenen Brüder...allesamt..Die, die nicht durch ihre Verbündeten starben habe ich selbst aufgeschlitzt...", ihre Erklärung war mehr zu einem Selbstgespräch geworden als zu einer Aufheiterung ihrer Freundin, "Egal was sie taten...egal was sie sagte, einer nach dem anderen fiel durch meine Hand...
Das Dorf ist frei...und doch liegt die Freiheit im Blute begraben...sie waren Verrückte! Und doch haben sie die Orks erschlagen und ursprünglich ebenso die Freiheit gebracht...und ich...ich habe sie alle abgeschlachtet...egal ob sie noch eine Gefahr waren oder nicht..."
Sie erinnerte sich an die Worte, die seit Helms Klamm in hier herumspukten: "Irgendwann wirst du verstehen, was das große Auge wert ist, was es uns gebracht hätte!" Sie hatte nicht nur den Gesandten des Auges in den vergangenen Tagen gespielt, sie war genau so aufgetreten! Was hätte sie erreichen können wenn sie sich darauf eingelassen und es perfektioniert hätte? Ihr fehlte die gesamte Motivation hinter den Taten, ihr fehlte der Wille zur absoluten Zerstörung und trotzdem war sie effektiver als dutzende Hauptmänner Saurons, was hätte sie erst in Perfektion erreichen können? Sie fühlte sich innerlich schlecht, sie war absolut zu weit gegangen auf einen Weg auf den ihr niemand folgen konnte...einen Weg der zur falschen Seite führte...einen Weg den sie verachtete und doch so weit gehen musste. Sie spürte noch immer den unbändigen Hass in sich, Hass auf die Orks, Hass auf ihren Mörder, Hass auf Sauron, Hass auf die Banditen, sie war noch immer zerfressen von der verhassten Kraft, die sie innerlich aufsaugte! "Hör mir bitte gut zu", sagte sie ungewohnt ernst zu Barlae, "gehe bitte auf schnellstem Weg in das Dorf, ich muss erst wieder zu mir selbst finden bevor ich mich mit den umgebe, die mir was bedeuten! Ich brauche das Gefühl dich in Sicherheit zu wissen, sonst werde ich noch verrückter!"

Barlae löste ihren Klammergriff um Aiwyn und umfasste sie etwas sanfter, ernst antwortete sie: "Ich vertraue deinem Urteil, auch wenn ich es nicht verstehen kann. Aber höre auf dich als verrückt anzusehen...du bist alles andere als das! Du bist eine wunderbare Frau mit einzigartigen Fähigkeiten und sagenhafter Bindungsgabe, ich glaube kaum ein anderer Mensch wäre nach all den Tagen über die ganze Distanz auf meiner Fährte geblieben..."
Aiwyn konnte sich ein erneutes Lächeln nicht verkneifen, "Ich danke dir für die Komplimente, doch ich glaube jeder der dich besser kennt würde das selbe tun...du bist nun mal ein besonderer Mensch Mittelerdes! Aber du weißt nicht was mir seit Lorien alles wiederfahren ist...Ich habe oft das Gefühl mich selbst zu verlieren...Was ich nun brauche ist das Gefühl dich in Sicherheit und Bogan direkt vor mir zu wissen...Ich brauche Zeit ohne Angstzustände...Zeit um in Ruhe wieder zu mir zurückzufinden..."
Barlae nickte, "Ich vertraue dir noch immer, wir sehen uns bei Aldwyn!"
Sie stand auf und verschwand aus dem Welt dem Fluss Entwasser entlang zum Schneeborn und seinem brennendem Dorf.

The Chaosnight:
Langsam verließ Aiwyn den zauberhaften Wald und bewegte sich zu der Flussgabelung von der Barlae gesprochen hatte. Vorsichtig warf sie einen Stein in die reißenden Fluten, der innerhalb von Sekunden nicht mehr zu erkennen war. Sie beugte sich vornüber und hielt einen Arm in den See, wobei dieser mit ungeheurer Gegenkraft sofort nach hinten gerissen wurde und nur unter stärkster Anstrengung überhaupt an einer Stelle gehalten werden konnte. Mehrmals holte sie tief Luft, ging ein paar Schritte zurück und sprang in die Strömung! Sofort war sie dabei wegzutreiben, doch sie wand ihren Körper immer so herum, dass sie schnell an die gegenüberliegende Küste gespült wurde. Kaum angekommen schüttelte sie sich einmal kurz und dankte dem Zufall, dass die Sonne an ihrem Zenit stand und ihre Kleidung wahrscheinlich bis zum Abend getrocknet haben würde. Allerdings hätte sie wohl auch ohne Sonne oder ihre Wärme noch vergleichsweise Glück gehabt, der elbische Stoff Loriens saugte das Wasser schnell auf und ließ es unschädlich wieder nach unten tropfen, sodass zumindest ihre Kleidung schnell getrocknet war und sie äußerlich beinahe unbeschwert weiter dem äußersten Flussverlauf folgen konnte. Es dauerte fast zwei Tage bis sie den donnernden Wasserfall hören und mit einer gewaltigen Anhöhe in der Ferne auch sehen konnte. Sorgsam durchleuchtete sie jeden einzelnen Flecken um diesen Fluss herum um ja keinen noch so kleinen Hinweis zu übersehen. Enttäuscht erreichte sie das Ende des Flusses, der in den großen Anduin mündete.

"Der große Fluss Anduin, das wohl mächtigste Naturwunder Mittelerdes. Er führt von dem Gundabadgebirge bis nach Gondor von wo er ins große Meer fließt. Er bildet Grenze, Transport, Nahrung und Befestigung für tausende Lebensformen, wäre der Lange Fluss oder der Rotwasser auch nur halb so mächtig wäre Seestadt ein wirkliches Paradies, die Schmieden wären den der Zwerge ebenbürtig, wir hätten die Sicherheit der alten gondorianischen Hauptstadt und hunderte Handelspartner mehr...Alles was hier errichtet wurde steht auf unseren menschlichen Füßen, gegen die Natur ist all unsere Fertigkeit jedoch ein Nichts, manche Gebiete sind uns schon rein strukturell überlegen, wenn wir siegen dann nur durch unseren Willen..."

Aiwyn erinnerte sich genau an diesen Wortlaut, Bogan hatte dies vor Jahren zu Aiwyn gesagt als sie mehr über Mittelerde lernen wollte als das auf sich selbst zentrierte Weltbild der Ostlinge. Sie setzte sich an den Uferrand und blickte auf den gigantischen Flussverlauf, in der einen Richtung war ein Ende noch immer nicht absehbar und in der anderen Richtung türmte sich ein gigantischer Wasserfall auf, der die Strömung extrem verstärkte. "Dein Ziel ist also das große Meer...", murmelte sie gedankenverloren, "Dann möge es deine Bestimmung sein zu tragen was ich nicht tragen sollte...".  Sie löste ihr altes Schwert von ihrem Gürtel und verband es mit zwei ihrer Gürteltaschen, die sie vorsorglich mit je einem Stein gefüllt hatte, damit die Waffe nicht zu viel Auftrieb genießen und an Land stranden könnte. Erneut tat sich Aiwyn das Bild eines unendlichen Sandstrandes auf, dessen funkelnde Kristalle ihren Kopf vernebelten und ein unbeschreibliches Gefühl bei ihr hinterließen. Sie legte das Schwert auf ihre Knie und murmelte weiter: "Ich habe dich damals an mich genommen um deinen ursprünglichen Besitzer die letzte Ehre zu erweisen und einem Teil von ihm seinen Traum zu erfüllen. Doch ich kam nie auch nur ansatzweise diesem Ziel nahe, alles was ich dir brachte war das Blut deiner Brüder und jämmerlicher Kreaturen, ich entlasse dich nun im Strom der dich zu deinem Ziel führt, möge die Natur dir ein besserer Führer sein und dich dorthin geleiten wohin du in alten Zeiten strebtest!"
Sie ließ die Klinge ins Wasser gleiten und stand wieder auf, "Möge dein Weg erfolgreich sein!"

Kraftvoll schritt sie in Richtung des Wasserfalles und fühlte sich wieder ein bisschen freier, nun war ein weiteres Relikt aus ihrem alten Leben an seiner Bestimmung angekommen, die alten Schulden waren getilgt und ihr neues Leben ein weiteres Stückchen selbstständiger geworden.

The Chaosnight:
Der Wasserverlauf wurde unruhiger, es strömte ihr jeden Meter den sie ging stärker entgegen und mehrere Tropfen sprangen durch die Luft. Das Geräusch des mächtigen Falles wurde schärfer, anstelle eines dunklen Brummens hörte man nun das donnernde Plätschern der Naturgewalt und das fließende Wasser, welches sich von dem Fall entfernte.
Eine Front aus Nebel und umherfliegenden Wassertropfen tat sich vor Aiwyn auf, die ein sicheres, weiteres Vordringen generell ausschloss. Mühsam und vorsichtig tastete sie sich vor und versuchte diese lebensgefährliche Beeinträchtigung hinter sich zu bringen. Mehrfach wäre sie beinahe über mächtige Wurzeln weit entfernter Bäume oder glatte Felsbrocken gestolpert, mehrfach wäre sie beinahe in den reißenden Strom gelaufen und mehrfach verdankte sie es nur den tiefen Fußabdrücken im weichen Boden dass sie sicht die Orientierung verlieren konnte. Fast einen Tag brauchte sie um den vergleichsweise kurzen Abschnitt des Anduins zu überqueren und nur die immerwährenden Wassertropfen, die ihr ins Gesicht sprangen und ihren Körper erfrischten, hielten sie noch wach und zwangen sie weiter vorwärts.

Kaum hatte sie die Nebelfront verlassen, blieb Aiwyn zunächst weitesgehend blind, kraftvoll wischte sie sich über die Augen und neigte ihren Kopf nach vorne: Der nassglitzernde Boden war hell erleuchtet, Wassertropfen versprühten Licht in allen Farbspektren über den Boden und zerplatzten kurz darauf durch einen Sturm ihrer Artgenossen. Aiwyn zwang ihren Blick nach oben, der mächtige Rauros stand nun fast direkt vor ihr, mächtige Windstöße lenkten Strahlen des herunterbrausenden Wassers auf die Ebene vor ihr und der Aufprall der Wassermassen ließen die Tropfen nur so umherfliegen und nebem den seltenen Wasserfontänen auch eine Art dauernden Nieselregen entstehen. Um freiere Sicht zu erlangen entfernte sie sich mehrere Schritte vom Flussufer und blickte nun, direkt am Trägerfelsen stehend, seitlich auf den mächtigen Rauros. Es war wohl das größte Wunder, was sie je in Mittelerde gesehen hatte: Der Fall selbst wurde mehrfach in der Luft zerstäubt, gespalten und abgelenkt, beim Eintauchen sprossen feine und weniger feine Wassertropfen aus der kreisrunden Fläche und sowohl vom Fluss, als auch vom Fall ausgehend bildeten sich Regenbögen, die sich in den umliegenden Nebelbänken verloren, den Berg selbst aufstiegen oder weit in der Ferne verschwanden. Doch all jene Schönheit konnte Aiwyn nicht begeistern. Die Wildheit der brausenden Fluten und die Sanftheit der glitzernden Funken, deren anmutig ruhiger Fall zu Boden und das donnernde Eintauchen der Wassermassen und die symmetrischen Linienformen der Regenbögen und deren oft offenes  Ende, all dies erinnerte Aiwyn daran, was ihr fehlte, daran, was sie brauchte: Zu lange schon war sie nur eines der beiden Pole, entweder sie war das wilde,  ungezähmte Biest ohne Rücksicht und jedwedes Zukunftsdenken oder sie war die ruhige, sanftmütige mit Freude an jedem neuen Knosp und wiedererwachten Blüten. Immer schwankte sie zwischen den Extremen umher, immer war sie nur ein Bruchteil von dem was sie sein könnte und nie hatte sie den Ausgleich in sich.

Doch dafür fehlte ihr etwas...eine feste Konstante...etwas was ihr in der Not beisteht...etwas dem sie ihre Sorgen mitteilen kann...oder jemand.

The Chaosnight:
Von Sehnsucht durchflutet lehnte sie sich gegen das Bergmassiv und starrte abwechselnd auf den zauberhaften Wasserfall, die Nebelwand vor sich und ein moosiges, in mehreren Grün- und Brauntönen schimmerndes Felskonstrukt auf der anderen Seite. Verwirrt stieß sie sich wieder vom Berg ab und taumelte auf das Felskonstrukt zu. Sie wusste nicht warum, doch irgendetwas zog sie schon beinahe an und führte sie dorthin, irgendetwas kam ihr an diesem Felsen vertraut vor! Als sie sich ihm näherte reflektierten die Regentropfen schon wie so oft das Licht und brachen es in alle Richtungen, doch irgendetwas anderes hatte den Weg zu ihren Augen gefunden: Ein unförmiger, schwarzer Punkt lag über der obersten Moosschicht, er reflektierte keinen einzelnen Funken Licht, fügte sich absolut nicht nicht ins Bild ein und besaß etwas, was Aiwyn zu ihm führte. Kaum vor dem unerkennbaren und doch so vertrauten Gegenstand zog sie sich an den Felsen vorbei und blickte auf eine Anöde hinter ihnen. Ein kurzer Seitenarm des Anduin, kaum einen Schritt breit, führte zu ihr und bildete um sie herum einen kleinen See. Der Boden war vergleichsweise hart und fruchtbar, jedoch von vielen fremdartig wirkenden Schlammspritzern gekennzeichnet. Die Felskonstruktion selbst war wieder eines der zahlreichen Wunder Rohans, die Aiwyn in ihrer jetzigen Lage nicht genießen konnte: Gut ein Dutzend größtenteils hochkantig aufgestellte Felsen standen dicht aneinandergereiht in einer Reihe, an der Spitze glorreich glänzend und nach unten hin durch Moos immer dunkler werden bildeten sie eines der unverkennbaren natürlichen Monumente, die sich in diesen Gebieten in diversen Ausführungen nur zu häufen schienen. Teilweise standen sie so dicht nebeneinander, das kein noch so dünnes Schwert dazwischen schlagen könnte und teilweise boten sie genug Platz um einen schlafenden Troll beherbergen zu können. An der Schnittstelle der vier größten Felsen war ein gut 3 Fuß hoher Vorsprung als einziger Zugang zu der langgezogenen Fläche zwischen ihnen. Sie stieg über jenen Vorsprung und legte sich in den Zwischenraum der Felskonstruktion. Es war ziemlich eng, jedoch ziemlich sicher und wetterfest, und das war vor allem in diesen Gefilden ersteinmal das wichtigste. Schon in den vergangenen Nächten hatte sie immer besonderen Wert drauf gelegt halbwegs geschützt schlafen zu können und dieser Ort schien ihr im  näheren Umfeld der sicherste zu sein: In drei Richtungen versperrten riesige Felsen jegliche Durchsicht und die vierte Richtung war durch einen Vorsprung versperrt, der weit höher lag als eine liegende Aiwyn und selbst auch nur erreicht werden konnte wenn man einen anderen Fels zuvor umrundet hatte. Sie legte ihren Kopf auf ihren Köcher und schloss die Augen...morgen würde es weiter gehen!
Aiwyn wachte gar nicht viel später auf, die gleißende Sonne Rohans reflektierte am nassen Fels, brannte sich in Aiwyns Gesicht ein und entriss sie ihren Träumen. Sie schreckte hoch und musste sich ersteinmal wieder über die Augen reiben. Nach kurzer Zeit hatte sie sich jedoch wieder gefangen, ihren Köcher umgelegt und ihren Schlafplatz verlassen.
Doch irgendetwas war diesen Morgen anders: Noch immer mit verschwommenen, müden Augen hatte sie das Gefühl einen weiteren Felsen erkennen zu können. Er war genau so groß, grünbräunlich und massiv. Nur stand er weit Abseits, bewegte sich im Wind und hatte irgendwie etwas anderes an sich - etwas anderes was Aiwyn gefiel! Sie wischte sich erneut über die Augen und erkannte nun genauere Konturen: Vom Felsen gingen mehrere feine Strähnen aus und er war weicher geschwungen als die übrigen, fünf größere Abzweigungen gingen von seinem Hauptrumpf aus und er versprühte einen allzu bekannten Geruch.
"Bogan?", entfuhr es ihr unwillkürlich, allzu echt wirkte seine Illusion am Felsen. Doch zu ihrer Erstaunung und unbändigen Freude drehte sich der gesamte Felsen und ein nur allzu bekanntes Gesicht sah sie an. Ihre Glücksgefühle übertrafen alles je dagewesene, ihr innerstes rotierte schneller denn je und in einem plötzlichen Ausbruch dieser Gefühle rannte sie auf ihn zu und sprang ihm in die Arme. Zaghaft erwiderte er die Umarmung und strich ihr langsam über den Rücken, während Aiwyn vor Glück weinend in ihn Brust gefallen war und ihn nie wieder loslassen wollte. Sie verstärkte ihren Griff um Bogan und schluchzte laut vernehmlich in seine Brust. "Bogan...", murmelte sie mehrmals leise, dieser fasste ihr nun an den Hinterkopf, fuhr ihr liebevoll durchs Haar und sagte leicht stockend: "Aiwyn...ich hätte kaum mehr zu glauben gewagt dich je wieder sehen zu können...wi..."
Aiwyn legte ihre linke Hand vor seinen Mund, sah ihm tief in die Augen und sagte mit dem wohl breitesten Lächeln, das sie jemals hatte: "Jetzt nur nicht reden." Sie fuhr mit ihrer linken Hand sanft durch sein Gesicht, presste ihre Lippen auf die seinigen und umarmte ihn stärker denn je. Es war ein wunderbares Gefühl, ein Gefühl das sich so unbeschreiblich schön anfühlte, dass sie wünschte es würde niemals enden. Schnell hatte Bogan ihren Kuss erwidert und engverschlungen standen sie minutenlang vor den Felsen und genossen ihr gemeinsames Glück. Als sie ihre Verbindung wieder lösten sahen sich beide liebevoll an und Aiwyn stürzte sich erneut auf ihn, mit einem Ruck sprang sie in seine Arme, fiel ihn um den Hals und küsste ihn noch inniger. Er drückte sie fest an sich, erwiderte ihren Kuss und ließ sich sanft nach hinten fallen. Sie löste kurz die innige Umarmung, warf Bogen und Köcher bei Seite und drückte sich wieder an ihn. Eng verschlungen lagen sie aufeinander, rollten über ihren Hain des Glückes und genossen ihre Wiedervereinigung.

Alles war gut.

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