Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Lothlorien
Taur Giliath / Nördliche Wälder Lothlóriens
Eandril:
Oronêl und Mithrellas vom Cerin Amroth
Obwohl die Zeit drängte und Oronêl fürchtete das jede Minute, ja, jede Sekunde kostbar war, schlug ihre Gruppe ein Lager auf, als der Mond hinter den Bäumen versank und sich tiefe Finsternis über den Wald senkte. Nachdem einige der Elben tote Äste und Zweige gesammelt hatten, denn sie wollte nichts von einem lebenden Baum nehmen und ihn verletzen, und damit ein kleines Feuer entfacht hatten, legten sich die meisten schlafen.
Doch Oronêl konnte nicht schlafen, also setzte er sich nahe ans Feuer, wo der flackernde Lichtschein den Boden erhellte, und holte das Buch seiner Mutter aus seinem Beutel und betrachtete es.
"Ließ es.", hörte er Mithrellas sagen. Er blickte auf, und sah sie durch die Flammen auf der anderen Seite des Feuers sitzen. "Ließ es.", wiederholte sie, "Und du wirst verstehen, woher wir kommen." Er nickte langsam, und öffnete dann das Buch.
Der erste Teil des Buches war mit "Lenwe" überschrieben.
Das Buch begann mit dem Bericht, wie die Elben am Cuiviénen erwachten, und erzählte besonders ausführlich von Enel und Enelye, die zu den ersten gehörten, die erwacht waren. Diese hatten vier Söhne: Elwe, Olwe, Alwe und Elmo, den Jüngsten. Elwe, Olwe und Elmo hatten in der Zeit in Cuiviénen noch keine Frau erwählt, doch im selben Jahr, in dem die Valar Melkor zum ersten Mal niederwarfen und gefangen nahmen wurde Alwes Sohn Lenwe geboren. Bald darauf gehörte Elwe zu den drei Botschaftern, die nach Valinor gebracht wurden, und bei ihrer Rückkehr viele Elben von der Reise nach Westen überzeugten, darunter auch Olwe, Elmo und Lenwe, doch Enel, Enelye und Alwe entschlossen sich, nicht nach Westen zu gehen, und damit verschwanden sie aus dem Wissen des Westens.
Der Weg nach Westen war lang und gefährlich, doch schließlich erreichten die Elben die Kette der Hithaeglir, die ihnen hoch und unübersteigbar erschien, doch die meisten unter ihnen wollten die Überquerung wagen. Lediglich ein Teil des Stammes von Enel und Enelye, von denen auch viele bereits in Cuiviénen zurückgeblieben waren, blieb auf der Ostseite des Gebirges. Diese erhoben Lenwe, der auch vor dem Gebirge zurückschreckte, zu ihrem Anführer, und so entstand das Volk der Nandor. Die Nandor wanderten zunächst einzeln und in kleinen Gruppen umher, doch nach und nach bewegten sie sich nach Süden, bis sie durch das Land, das später Calenardhon heißen sollte, nach Eriador gelangten. Dort ließen sie sich dauerhaft nieder, und dort wurden Lenwes Kinder geboren: Denethor, der ältere Sohn, Malgalad, sein jüngerer Bruder, und schließlich Linwen, ihre Schwester.
Aber der Frieden der Nandor war nicht von unendlicher Dauer, denn nach einigen Jahren begannen sich Orks und Wölfe aus dem Norden und dem Osten in den Hithaeglir und den umliegenden Landen auszubreiten. Die Leben für die Nandor wurde immer gefährlicher, und schließlich wurde Lenwe auf einer seiner Wanderungen von Orks überfallen und starb bald darauf an seinen Verwundungen, denn die Waffen der Orks waren vergiftet.
An dieser Stelle endete der erste Teil, und der zweite Teil war mit "Denethor" überschrieben.
Im selben Jahr wurde auch Linwiel, Malgalads Tochter geboren, und auch um sie zu schützen, drängte er seinen Bruder Denethor dazu, nach Westen weiter zu ziehen. Es gelang ihm Denethor, der Lenwe als Fürst der Nandor nachgefolgt war, zu überzeugen, die Wanderung fortzusetzen, und sie sammelten einen Großteil der Nandor um sich und begannen den Weg nach Westen. Allerdings versperrten ihnen schon bald die Ered Luin den Weg, und sie hielten abermals an, um die Gegend auszukundschaften. Dabei geriet Malgalad mit einer kleinen Spähergruppe in ein Trolllager und wurde getötet, doch einige seiner Gefährten entkamen und konnten Denethor von dem Unglück berichten.
Nun übernahm Linwen anstelle ihres Bruders neben Denethor die Führung über das Volk, und gemeinsam erreichten sie im Jahr darauf Ossiriand, auf der Westseite des Gebirges.
Da ihnen dieses Land gut und sicher erschien, begannen sie in den Wäldern zu wohnen, und Kundschafter nach Westen zu entsenden. So kamen sie mit König Thingol von Doriath, der einst Elwe geheißen hatte und somit Denethors Großonkel war, in Kontakt, und aufgrund der direkten Abstammung Thingols von Enel und Enelye erkannte Denethor Thingols Oberherrschaft über Beleriand, von dem Ossiriand ein Teil war, an. Von diesem Zeitpunkt an nannten die Nandor sich Laiquendi.
Es folgte eine weitere Zeit des Friedens für Denethors Volk, und in dieser Zeit wurde bald nach der Ankunft in Ossiriand Anwien, Linwens Tochter geboren, die als die schönste der Laiquendi galt. Auch der Kontakt zu Doriath verstärkte sich mehr und mehr, und nach vielen Jahren heiratete schließlich Linwiel, Malgalads Tochter Anvíron, einen Sinda aus Doriath, und lebte mit ihm in Ossiriand.
Aber wiederum war die Zeit des Friedens nicht von Dauer, denn bald darauf kehrte Melkor nach Mittelerde zurück und ließ Beleriand von seinen Heerscharen angreifen. Denethor und Linwen eilten Thingol mit einer Schar Krieger zu Hilfe, doch sie wurden auf dem Amon Ereb eingeschlossen und fielen, bevor Thingols Heer sie retten konnte. Damit war das Haus Lenwe im Mannesstamm erloschen, doch es lebte noch immer in Linwiel, die nun mit Anvíron nach Doriath zog, und Linwens Tochter Anwien, die nach Eglarest floh, weiter.
An dieser Stelle endete der zweite Teil.
Eandril:
Oronêl hörte auf zu lesen, und blickte Mithrellas an. "Ich wusste das alles nicht.", sagte er leise. "Meine Mutter hat dieses Buch geschrieben, aber sie hat mir nie etwas von alledem erzählt. Und hätte sie es gewollt, ich hätte mich nicht dafür interessiert. Ich war nur an Bogenschießen, anschleichen und Axtkampf interessiert, denn ich wollte ein Krieger werden, kein Gelehrter. Ich glaube ich habe sie enttäuscht. Aber ich kann sie nun ein wenig besser verstehen... und dich auch, Tochter."
Mithrellas sagte nichts, sondern sah ihn nur an. Er senkte erneut den Blick auf das Buch und fuhr fort zu lesen.
Der Titel des dritten Teils lautete "Ardir"...
Nach der ersten Schlacht von Beleriand hatte sich das Haus Lenwe aufgeteilt: In Doriath lebte nun Linwiel, Malgalads Tochter, mit ihrem Gatten Anvíron, und in Eglarest wohnte Anwien, Linwens Tochter. Diese verliebte sich bald in Hirluin, einen Vertrauten Círdans, und heiratete ihn einige Jahre nach ihrer Ankunft in Eglarest. Im einundzwanzigsten Jahr nach dem ersten Aufgang der Sonne wurde schließlich Ardir, ihr Sohn geboren, der einer der größten unter den Nachkommen Lenwes wurde, doch obwohl er niemals großen Ruhm erlangte, war er an den meisten wichtigen Ereignissen in West-Beleriand beteiligt. Als Ardir 81 Jahre alt war, verließ er seine Eltern und schloss sich Finrod Felagund in Nargothrond an, denn er bewunderte die Größe und Klugheit der Noldor.
In Nargothrond lernte er den Umgang mit der Axt, der Waffe der Sindar, und wurde einer der besten Axtkämpfer in Nargothrond. Er gehörte zu den Soldaten, die Finrod zur Verstärkung seines Wachturms Minas Tirith auf Tol Sirion sandte, als dieser in der Dagor Bragollach angegriffen wurde, und gehörte zu denen, die zwei Jahre später der Einnahme der Festung durch Sauron entkamen. Beim Fall von Minas Tirith sah er viele seiner Freunde sterben, und von diesem Zeitpunkt an wuchs sein Hass auf Morgoth und auf Sauron im Besonderen. Aber vorerst zog kein Heer von Nargothrond mehr in den offenen Krieg, sehr zu Ardirs Verdruss, doch im Jahr 472 des Ersten Zeitalters hörte man in Nargothrond, das Morgoth die Falas bedrohte. Die Sorge um seine Eltern und der Hass auf Morgoth trieben Ardir erneut in den Krieg, doch als er Eglarest schließlich erreichte, war es bereits zu spät.
Die Heerscharen Morgoths hatten den Hafen bereits zerstört und viele seiner Bewohner erschlagen, doch Círdan war mit vielen anderen nach Balar geflohen. In der Ungewissheit, ob seiner Eltern noch lebten, machte Ardir sich auf den Weg zu den Sirion-Mündungen und von dort nach Balar. Dort erfuhr er, dass Anwien und Hirluin bei der Verteidigung der Stadt gefallen waren, und kehrte voller Trauer und Zorn nach Nargothrond zurück.
Der Tod seiner Eltern war der Grund dafür, dass er Nargothrond erneut verließ, diesmal gegen den Willen Orodreths, der nach dem Tod seines Bruders Finrod König geworden war. Es war das Jahr 488 des Ersten Zeitalters der Sonne, und Túrin, Sohn Húrins von Dor-Lómin sammelte Elben und Menschen nördlich des Amon Rûdh. Dieser Streitmacht schloss Ardir sich an, denn er hoffte, Túrin könnte die Herren der Elben erneut dazu bringen, offenen Krieg gegen Morgoth zu führen.
Aber mit der Einnahme des Amon Rûdh war auch diese Hoffnung zunichte, und er musste erneut nach Nargothrond zurückkehren. Aber wieder war ihm keine lange Zeit in Nargothrond beschieden, denn durch Túrins Ankunft in Nargothrond führten die Elben wieder offenen Krieg gegen Morgoth, was er sehr begrüßte. Doch dieser offenen Krieg war ein Fehler, denn im Jahr 495 griff Glaurung der Drache Nargothrond an, und nach der verlorenen Schlacht auf der Tumlahad, aus der Ardir um Haaresbreite entkommen konnte, fiel die Stadt.
Ardir floh nun nach Balar, denn er sah keine Hoffnung mehr im Krieg gegen Morgoth. Acht Jahr später wurde Doriath von den Zwergen geplündert und König Thingol erschlagen. Da verließ Nellas, die einst eine Freundin Túrins gewesen war, als er jung war, das Land und kam nach Balar, wo sie Ardir traf und sich in ihn verliebte. Nur sieben Jahr später heirateten sie.
Damit endete der dritte Teil des Buches und der vierte, überschrieben mit "Das Ende" begann.
In Doriath lebten seit Beginn des Zeitalters Malgalads Tochter Linwiel und ihr Gatte Anvíron. Sie hatten keinen Anteil an den Geschehnissen im restlichen Beleriand, denn sie waren zufrieden, in Doriath zu wohnen, und auch nach Thingols Tod blieben sie dort, unter der Herrschaft von Dior, seinem Enkel. Doch als die Söhne Feanors Doriath angriffen um den Silmaril zu erlangen, den zweiten Sippenmord begangen und Dior töteten, flohen sie mit Elwing, Diors Tochter, an die Sirionmündungen, wo drei Jahre danach Malire, ihre Tochter geboren wurde, der zunächst Oropher im Jahr 521 und Amdír im Jahr 537 folgten.
Im Jahr nach Amdírs Geburt, als ihr Fürst Earendil sich gerade auf einer seiner Fahrten befand, griffen die Söhne Feanors die Sirionmündungen an, wiederum um den Silmaril zu erlangen. Dabei fielen Linwiel und Anvíron, doch ihre Kinder konnten gerettet werden und wurden nach Balar gebracht, wo sie in die Obhut von Ardir und Nellas kamen, da ihre Verwandtschaft erkannt wurde.
Nach dem Untergang Beleriands waren die Nachkommen Lenwes nicht willens, Mittelerde zu verlassen und Amdír, der inzwischen zu einem stolzen Elb herangewachsen wahr, wanderte mit Ardir und Nellas nach Osten, bis nach Lórinand, wo sie sich niederließen. Oropher und Malire jedoch zogen in den Norden des Großen Waldes östlich von Lórinand.
Hier endete die im Buch aufgezeichnete Geschichte des Hauses Lenwe.
Erstaunt blickte Oronêl sich um. Er hatte während des Lesens alles um sich herum vergessen, und inzwischen war die Nacht vergangen und der Morgen dämmerte herauf. Immer noch saß Mithrellas auf der anderen Seite des Feuers und sah ihn an. Als ihre Blicke sich trafen, lächelte sie und sagte: "Nun weißt du, woher wir kommen. Doch wie du sicher bemerkt hast, fehlt einiges und es sind noch viele Seiten frei. Als ob Großmutter gewusst hätte, dass dieses Buch eines Tages dir in die Hände fallen wird."
"Was willst du mir damit sagen?", fragte Oronêl verwundert.
"Schreib es weiter, vollende es. Die Geschichte von Amdír und Amroth, und auch von dir und mir ist genauso ein Teil der Geschichte dieses Buches wie das, was bereits darin niedergeschrieben ist. Und gleichzeitig kannst du damit die Enttäuschung, die du deinen Eltern durch deine Weigerung, Gelehrter zu werden, vielleicht wieder gutmachen. Was hältst du davon?", fragte Mithrellas.
Er antwortete nicht gleich, sondern stützte das Kinn in die Hände. "Vielleicht... eines Tages, wenn ich Ruhe und Frieden habe... dann werde ich es tun."
Oronêl und Mithrellas nach Caras Galadhon
Thorondor the Eagle:
...Amrûn und Thranduil von Caras Galadhon
Es war ein eiliger Schritt den Thranduil vorgab. Amrûn hatte Mühe mit ihm Schritt zu halten. Anscheinend war es der König gewohnt flink und eilig zwischen den Bäumen umher zu eilen.
Sie verliesen Caras Galathon über eine versteckte Pforte auf der anderen Seite des Haupttores. In schnellem Tempo überquerten sie die Wiese ohne zu bemerken, dass zwischen den braunen, abgeknickten Grashalmen längst frisches Grün hervorspross. Dann erreichten sie wieder einen Wald. Ein schmaler Pfad führte sie weit in das dickich Lothloriens hinein zu Lichtungen, die nur wenig Besuch von Elben hatten.
„Thranduil, wo bringt ihr mich hin?“, frage Amrûn schließlich neugierig.
„Ich denke nicht, dass es richtig ist, euch dies zu offenbaren. Vertraut auf euren Instinkt.“
Amrûns Gefühl zu folge konnten sie nicht mehr weit vom Cerin Amroth entfernt sein, als sie schließlich abbogen und über einen Pfad schritten, der auf beiden Seiten von einem Erdwall umgeben war.
„Wir haben es geschafft“, sagte der König und blieb abrupt stehen „Amrûn, ihr dürft nun kein lautes Wort mehr sprechen. Dies ist ein heiliger Ort, zumindest für diesen Abend. Wenn euch etwas bedrückt, so flüstert es mir zu.“
„In Ordnung“, sagte der Elb leise und sah wie Thranduil seinen Zeigefinger über die Lippen legte.
Der Wind brachte das Laub der Bäume zum rascheln und da, ganz in der Nähe, aber so leise als wäre es Meilen weit entfernt vernahm er einen Gesang.
Auf leisen Sohlen schlichen sie den Pfad entlang in eine Senke hinein an dessen Grund Amrûn das Schimmern eines Wasserbeckens ausmachte. An den Hängen der Mulde waren zahlreiche Mallornbäume verschiedenen Alters und zwischen deren Wurzeln standen mit Mäntel und Kapuze eingekleidete Elben.
Amrûn tat es ihnen gleich und zog seine dunkelblaue Kapuze weit über das Gesicht, auch vom König war nur noch der vom Smaragdgrün verhüllte Hinterkopf zu sehen. Im Zentrum, gleich neben dem Teich stand eine große Frau. Ihr Haar war kohlrabenschwarz und ihr Gesicht gutmütig, aber mit einem Hauch von Strenge. Die Augen der Elbe verharrten für einen Augenblick auf den Neuankömmlingen ehe sie sich wieder ihrem starren Blick in das Wasser widmeten.
Leise flüsterte sie einige Worte die Amrûn jedoch nicht verstehen konnte. Er musterte nur aufgeregt die Szenen am Boden der Senke.
Sachte und elegant streckte sie ihre Hände zur Seite und öffnete ihre Handflächen nach oben und wie es diese Zeremonie verlangte näherten sich zwei Elben, jeder zwei Federn in der Hand. Sie begannen in die Innensseite der Hände zu schreiben oder zu malen. Amrûn war diese Feierlichkeit vollkommen fremd, niemals zuvor hatte er einen so ruhigen Moment erlebt. Nur leises Geflüster, das ebenso das Rauschen des Windes hätte sein können, erreichte seine Ohren.
Es dauerte eine ganze Weile bis die beiden Elben ihre Arbeit vollendet hatten, doch dann nahm die Prozession wieder ihren Lauf. Amrûn fühlte sich auf eine eigene Art wohl in diesem Kreise, doch auf einmal schreckte er auf und war verwirrt, als die Elbe in der Mitte zu sprechen begann.
Thorondor the Eagle:
Seltsame Worte kamen aus dem Mund der faszinierenden Elbe. Obwohl Amrûn beinahe alles verstand, tat er sich doch schwer. Niemals zuvor hatte er einen solchen Dialekt gehört, er war jenem aus dem Düsterwald ein wenig ähnlich. Der fremde Klang war wunderschön anzuhören. Wie sanfte Harvenmusik und Gesang umschiegten die Worte seine Ohren.
Eine Schale wurde zu ihr gebracht und einige vertrocknete Mallornblätter, die noch einen Hauch von goldener Farbe trugen. Behutsam nahm sie eines nach dem anderen, zerrieb es zwischen ihren zarten Händen und ließ die Überreste in die Schüssel gleiten. Mithilfe einer Kerze brachte sie den Inhalt des Gefäßes zum brennen. Für einen kurzen Augenblick erhellte die Flamme ihr Gesicht und lies ihre grauen Augen erstrahlen.
Doch ehe das Feuer vollkommen abgebrannt war, kippte sie dies über dem Wasser aus und da, wie aus dem nichts, begannen die glühenden Mallornblätter zu knistern und sprühten Funken. Wie ein prasselndes Feuerwerk landeten sie auf der Wasseroberfläche und erloschen.
Plötzlich fiel Amrûn auf, dass immer mehr Elben auf den Hängen um den See auftauchten. Es waren weit über hundert Elben die dort standen - ihre Gesichter verhüllt - und schweigend dem Ritual folgten.
„Kommt mit, Amrûn“, flüsterte ihm Thranduil leise zu.
„Wohin? Was passiert als nächstes?“
„Wir müssen es beenden um loszulassen“, antwortete der König.
Es dämmerte Amrûn, doch konnte er sich die Frage nicht verkneifen: „Um was loszulassen?“
„Was auch immer du loslassen musst, Amrûn. Es ist zum Abschied.“
Mit diesen Worten wandte sich Thranduil ab und ging langsam den Hang hinab zu dem Teich. Amrûn folgte ihm. Nur einige wenige taten es den beiden gleich und bildeten eine Reihe. Elb für Elb blieb einen Augenblick vor der Schwarzhaarigen stehen und verschwand im Anschluss über den Pfad. Als der König an der Reihe war hörte Amrûn ein leises Schluchzen, seine Schultern und Arme bebten. Er erkannte, dass er beide Hände zu einer Faust geballt hatte. Worte konnte er keine verstehen und so wagte er es einen verstolenen Blick auf jene zu werfen, die noch schwiegend auf den Hängen standen.
Der Schatten der Kapuzen reichte ihnen weit über das Gesicht, deshalb erkannte er keinen. Nur zwei funkelnde Augen erfassten Amrûn. Wie er selbst, trug auch dieser Elb einen blauen Mantel aus Lindon, doch fiel dem Elben am Untergewand ein Unterschied auf. Zwischen den Enden des Umhanges lugte ein Zacken eines Sternsymbols heraus.
„Tritt näher, Kind der Sonne“, forderte ihn plötzlich die Elbe vor ihm auf. Thranduil war bereits verschwunden „und schließe deine Augen.“
Amrûn folge den Anweisungen. Er spürte wie ihm die Elbe beide Hände über seine Augen legte.
„Dein Herz ist schwer, beinahe zu schwer für dich. Aber jene die es dir leichter macht, ist näher als du denkst und immer bei dir.“
Die Hände lösten sich von seinem Gesicht und Amrûn öffnete seine Augen. Langsam schärfte sich das Bild vor ihm und er erstarrte. Eine silberne Haarsträhne lag über einem viel zu vertrauten Gesicht. Behutsam strich er sie hinter ihr Ohr. „D.. d… du bist hier?“, stotterte er.
Er spürte Aratinnuíres Hand auf seiner Brust. Er fühlte die Wärme die sie ausstrahlte. Amrûn hob seine Hand – sie zitterte vor Überwältigung – und legte sie auf die Wange seiner Geliebten, aber so überraschend das Bild vor ihm aufgetaucht war so löste es sich auf und seine Hand berührte bloß die Wange der fremden Elbe. Sie lächelte ihn an, nahm sein Handgelenk und führte sie wieder weg von ihrem Gesicht.
Mit ihrem Daumen legte sie einen feinen Wasserfilm über seine Stirn: „Man kann von vielem Abschied nehmen, von geliebten Menschen, von alten Freunden, von seiner Heimat, von seinen Überzeugungen, von seinem Leben… aber kein Abschied wird jemals einfach sein. Aber Amrûn, sieh dich um, du wirst niemals alleine sein.“
Er drehte sich nochmals um und sah nun die unverhüllten Gesichter der Anwesenden. Ein letztes Mal sah er in die Augen der schwarzhaarigen Elbe: „Gehe mit meinem Segen woauch immer dein Weg dich hinführt.“
Tränen kullerten über seine Wangen, dann verließ er diesen Ort.
Thorondor the Eagle:
Etwas war mit Amrûn geschehen. Er fühlte sich weniger zurückgewiesen von Mittelerde. Und obwohl sein Entschluss Aratinnuíre zu folgen unumstößlich war, fühlte er sich seit langem wieder wohl in der Situation in der er steckte.
Er setzte Schritt für Schritt vor sich und landete nach etlichen Metern wieder an dem Wall von Caras Galadhon. Die Sonne legte eine sanfte Wärme auf seine Haut und so legte er sich in das mittlerweile trockene Gras. Der Elb erinnerte sich nochmal an seinen letzten Rundumblick bei der Zeremonie ehe er einschlief.
Golden glänzte der Wald im Licht der untergehenden Sonne. Die Luft war trocken und warm. Amrûn befand sich wieder auf dem Flet, auf dem er vor wenigen Tagen noch um Aratinnuíre trauerte. Er schaute durch die Baumkrone hindurch auf die friedliche Decke Lothloriens.
„Es ist wunderschön, nicht wahr?“, klang plötzlich die liebliche Stimme Galadriels an sein Ohr. Er bemerkte, dass sie ein Stück hinter ihm stand.
„Ja, wohlwahr. Ein Traum könnte nicht schöner sein.“
„Ich werde den Wald vermissen“, sagte sie mit betrübter Stimme.
„Aber Herrin, ihr müsst es doch wissen, die Wälder von Valinor sind doch weit schöner als dieser hier je sein könnte.“
Seine Gedanken kreisten wieder um die Wiedervereinigung mit Aratinnuíre in den Wäldern Valinors und um all jene die er dort wiedersehen würde.
„Wen hast du gesehen?“, fragte die Elbe aufmerksam.
„An wen ich gedacht habe?“
„Nein“, er konnte das schmale Lächeln auf ihren Lippen fühlen „Wen du gesehen hast?“
„Dort unten, bei der Zeremonie… mein Vater stand dort und nickte mir zu, meine Mutter legte ihre Hand über den Mund und weinte, nicht aus Trauer, sondern vor Stolz.“
„Hast du ihn auch gesehen?“
Amrûn wusste sofort von wem sie sprach und ein unangenehmer Schauder kroch seinen Rücken hinauf. „Ja“, antwortete er „Die Augen haben an seinem scharfen Blick nichts verloren. Seinen Speer hielt er in der Hand, seine Rüstung lag ungeborsten an seinem Körper. Ich höre ihn noch immer brüllen, als wäre es erst gestern gewesen: Für die Erstgeborenen…“
„Für Mittelerde“, unterbrach sie ihn „Seit jeher war Gil-Galad ein Teil dieser Gefilde. Um keinen Preis der Welt hätte er sie Sauron preis gegeben, noch hätte er sie verlassen. In ihm war die Verbindung zu unserer Heimat um so vieles stärker als in allen von uns.“
„Und letztendlich hat es ihm sein Leben gekostet.“
„Für ihn, da bin ich mir sicher, war dies ein geringes Opfer.“
Seine Gedanken schweifte wieder ab: „Aratinnuíre war ein wenig wie er.“
„Ich weiß“, entgegnete Galadriel.
„Als ich sie das erste Mal sah - es war auf ihrem Gehöft – sie lebte für Mittelerde und würde es um nichts aufgeben. Aber sie kämpfte nicht dafür. Dem Krieg gewann sie nichts ab.“
„Sag das nicht. Nicht jeder Krieg wird mit Waffen ausgetragen - nicht jede Streitigkeit endet mit Handgreiflichkeiten.“
Plötzlich ertönte in der Ferne der laute Klang eines Hornes.
„Was ist das?“, fragte Amrûn.
„Dies ist eine von den anderen Schlachten… Es beginnt.“
Amrûns Herz schlug heftig gegen seine Brust als er aus dem Traum erwachte. Er war desorientiert und blickte wild um sich. Nach nur wenigen Sekunden vernahm er in der Ferne das laute Horn der Grenzwächter.
Amrûn nach Caras Galadhon
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