Nîdanadh aus FangornMüde setzte Nîdanadh einen Fuß vor den anderen… er wusste nicht, was los war, weshalb er seit Tagen keinen Schlaf mehr gefunden hatte, weshalb er seit Tagen ohne Rast immer weiter rannte, aber tief in ihm hatte er ein Gefühl… ein Gefühl, dass er nicht kannte. Er konnte nicht sagen, was es war, wenn er es hätte beschrieben müssen, dann hätte er dies wohl Angst und Sehnsucht getan.
Doch er musste es niemandem beschreiben, seit er vom Fangorn aus losgelaufen war hatte er kein Wesen mehr getroffen, mit dem er gesprochen hatte, die Ameisen oder Vögel swaren keine guten Gesprächspartner gewesen. In Gedanken wünschte er sich zu den Vögeln hinauf. Weit die Flügel ausspannen und einfach wegfliegen. Weit weg von seinen Sorgen, weit weg von den Kämpfen, weit weg von seiner Vergangenheit. Zu irgendeinem Ort, an dem vor ihm kein denkendes Wesen war. Doch er war an den Boden gefesselt und konnte nichts tun, als einen Schritt vor den anderen zu setzen.
Er blickte wieder auf. Seit er den letzten Wald verlassen hatte, er wusste nicht wie er hieß, oder wo er in Mittelerde lag, hatte er vor sich schwarze Rauchfahnen entdeckt und näherte sich ihnen immer schneller. Überall schien Krieg und Leid zu sein. Doch sein Leid war das größte, dessen war er sich sicher… nein, das
wusste er. Wenn die anderen Menschen noch so viel Leid ertragen würden, der Tod wäre für sie leichter zu ertragen, als das was ihm vor Jahren angetan wurde. Plötzlich strauchelte er, weil ein erneuter Schwall an Erinnerungen in ihm hoch kam. Sein Blick wurde schwammig und vor seinem inneren Auge sah er es wieder… Miluiwen, wie er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Jung und mit einem festen, obwohl leicht traurigen und verträumten Blick war sie in das Dorf gekommen. Fast das gesamte Dorf war versammelt, als ihr Vater seine Familie in dasselbe brachte. Er stand weit hinten, halb vom Schatten bedeckt und doch hatten sich ihre Blicke sofort gefunden. In den Jahren danach hatte er ihren Blick immer mehr und mehr zu lieben gelernt. Und er hatte ihn nie wieder missen wollen…
Langsam stand Nîdanadh wieder auf und versuchte wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Nie, nie konnte er diese Jahre vergessen. Und genauso wenig wollte er es vergessen.
In den darauffolgenden Stunden kam er dem Rauch immer näher. Mit einer brennenden Kehle erklomm er schließlich als es bereits dämmerte einen kleinen Hügel und hielt zischend den Atem an. Vor ihm lag eine große Stadt an einem riesigen See. Doch vor der Stadt lagerte ein riesiges Heer. Er kannte die Rüstungen nicht, Orks waren es sicher nicht. Sie würden andere Rüstungen tragen. Es waren aber auch keine wilden Menschen, diese hier hatten Rüstungen an und schienen geordnet anzugreifen. Seit wann bekämpften Menschen andere Menschen? Eine Wissbegier, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr befiel ihn auf einmal. Er musste unbedingt heraus finden, was hier von statten ging. So schnell es ging ließ er den Hügel hinter sich, was sich aber als umständlich erwies, denn Hecken und Sträucher versperrten ihm immer wieder die Sicht.
Er steuerte jedoch keineswegs direkt auf die Armee zu. Von oben hatte er ein paar einzelne Gehöfte gesehen, irgendjemand würde ihm bestimmt Auskunft geben. Als er fast unten angekommen war sah er nur knapp vor sich eine große Menschengruppe entlang laufen. Sie trugen Waffen und Rüstungen, die er noch nie zuvor gesehen hatte, ebenso war ihr Äußeres für ihn völlig unbekannt. Elben waren es sicher nicht, es mussten also Menschen sein, auch wenn sie völlig anders aussahen. Vorerst blieb er versteckt im Unterholz und beobachtete, was sie machen würden. Lärmend hielten sie geradewegs auf das größte der Gebäude zu. Nîdanadh musste die Nase rümpfen. Es waren garantiert Menschen… Betrinken und Lärm machen, das hatten sie schon immer gekonnt.
Dennoch tat er vorerst nichts.
Plötzlich verstummten die Soldaten. Sie schlugen gegen die Tür, doch diese gab nicht nach. Einer von ihnen, dem man ansah, dass er gerne viel as, warf sich mit seinem ganzen Gewicht danach, doch außer, dass er taumelnd zu Boden ging – was seine Kameraden zu lautem Lachen anregte – passierte nichts.
Doch sie gaben nicht auf und irgendwann nach vielen Schlägen gab es die ersten Risse in der Tür. Langsam gab die Tür immer mehr nach. Gerade als die ersten in das Haus eindrangen geschah etwas Unerwartetes:
Aus einem Fenster flog ein kleines rotes Licht herunter und plötzlich stand alles in Flammen. Der Gestank von brennendem Fleisch war von einer Sekunde auf die nächste überall vorhanden. Fast die gesamte Gruppe rannte lichterloh durch den Garten vor dem Haus oder lag bereits tot auf dem Boden.
Doch noch war der Kampf nicht gewonnen, Nîdanadh hörte, wie im Kampf Metall auf Metall traf und langsam sammelten sich auch die Überlebenden, denen nicht das Feuer zum Verhängnis wurde und drangen zornig über den Tod ihrer Kameraden zur Tür vor.
Dies war der Moment in dem Nîdanadh sich entschied in den Kampf einzugreifen. Die ihm unbekannt aussehenden Menschen schienen ihm nicht geheuer, sie ähnelten zu sehr den Menschen, die er allzu sehr hasste, obwohl sie anders aussahen. Die Bewohner des Hauses hingegen imponierten ihm. Binnen weniger Augenblicke hatten sie es geschafft eine Übermacht größtenteils zu vernichten. Sie würden ihm bestimmt auch seine Fragen beantworten können.
Mit einem kleinen Sprung stand er auf dem Weg, der zum Haus führte und zog lautlos sein Schwert.
Der erste starb, bevor er ihn sah, der zweite versuchte noch zu schreien, bevor das Schwert seine Kehle durchbohrte und den Schrei in einem Gurgeln untergehen lies. Als der dritte gerade einen kleinen Dolch gezogen hatte packte Nîdanadh das Handgelenk des völlig überraschten Soldaten und trieb ihm seinen eigenen Dolch in die Brust. Die nächsten hatten jedoch genügend zeit gehabt sich auf den neuen Feind einzustellen und kamen ihm mit langen Schwertern bewaffnet entgegen. Zu dritt gingen sie auf ihn los und schlugen auf ihn ein. Nîdanadh verachtete sie, sie waren betrunken, merkten nicht was sie taten und agierten dementsprechend langsam und kopflos. Er hatte keinerlei Probleme all ihre Angriffe abzuwehren. Ein paar Hiebe ließ er über sich ergehen, dann fing er an anzugreifen. Immer schneller schlug er zu. Er merkte die Erschöpfung der langen Wanderschaft, doch er war nicht so lange gelaufen, um hier jetzt den Kampf zu verlieren. Binnen weniger Schläge hatte er den ersten entwaffnet und ihn gleichzeitig ohnmächtig geschlagen. Langsam drangen die anderen beiden stärker auf ihn ein, der Alkohol lies an Wirkung nach und sie begannen ihre jahrelang eingeübten Abfolgen an Techniken gegen ihn einzusetzen. Doch selbst nun wirkten sie noch langsam und kindisch im Vergleich zu ihm. Nach kurzer Zeit lagen auch die letzten Krieger leblos vor ihm auf dem Boden.
Nîdanadh steckte sein Schwert in die Scheide und trat vorsichtig in das Haus ein.
„Hallo?“ fragte er vorsichtig. Plötzlich zuckte eine Klinge über ihm auf. Fluchend griff er nach vorne, spürte den Arm und drückte ihn nach oben. Weniger als einen Daumen breit über ihm kam das Schwert schließlich zum Stillstand. „Ich will dir nichts tun, wer immer du auch bist. Ich habe euch geholfen.“ Sagte er langsam. Kaum dass er den Mund aufgemacht hatte fiel das Schwert neben ihn auf den Boden und die Person vor sich sank kraftlos in sich selbst zusammen. Vorsichtig fing er die Gestalt auf und zog sie in das Licht, das durch die offene Türe schien. Plötzlich erstarrte er. Es war eine
Frau, die er vor sich hatte. Ihr blondes Haar hing nass vor Schweiß herunter und ihre Augen waren fast ganz geschlossen. Keuchend versuchte sie noch Luft zu bekommen, doch es schien, als ob sie nur äußerst schwer atmen konnte. Mit der einen hand klammerte sie sich an seinem Arm fest, die andere presste sie auf eine Wunde an ihrer Seite. Das Gesicht schien ihn an etwas zu erinnern, ebenso die Haare und die Haltung, die sie trotz ihrer schweren Verwundungen hatte. Doch was war es? Langsam begann sich ihr Atem einigermaßen zu regulieren und vorsichtig schlug sie die Augen auf.
Im gleichen Moment ließ er sie los und stürzte nach draußen. Doch er übersah die kleine Treppenstufe vor der Tür, stürzte und blieb reglos liegen.
Nein…nein, das konnte nicht sein… nicht hier… nicht jetzt, nicht an diesem Ort oder zu diesem Zeitpunkt, nicht so. Bilder und Gesprächsfetzen rauschten vor seinem inneren Auge vorbei, während er versuchte sich zu orientieren. Als er endlich wieder zu sich kam lag er immer noch vor dem Haus. Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, doch als er sich aufrichtete brannte hinter ihm im Haus ein kleines Licht und als er eintrat sah er eine andere Frau mit dem Rücken zu ihm vor dem Körper von
ihr sitzen. Vorsichtig trat er näher heran. „Sag mir… wird sie es überleben?“
Langsam drehte sich die Frau um. „Ich weiß nicht, woher ihr euch kennt, aber Rhia flüstert ständig einen Namen… wie heißt du?“
„Mein Name ist Nîda… Mein Name ist Melethron.“