Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Rhun

Gebiete westlich des Meers von Rhûn

(1/3) > >>

Khamul:
Khamûl, General Brodda und Oran mit dem großen Heer Rhûns aus Gortharia


Es war noch immer dunkel, doch Oran lag schon hellwach in seinem provisorischen Schlaflager. Zum Schlafen verwendeten die Soldaten des Heeres nur zwei Decken, eine dickere, um den Boden einigermaßen auszupolstern, und eine dünne, um sich darunter vor der Kälte der Nacht zu schützen. Noch immer war er laut der Marschordnung in den hintereren Marschreihen, sodass er Khamûl nie nahe gekommen war während der letzten sechs Tage.
Während er sich leise aufrichtete, dachte er daran, wie lange er eigentlich schon nicht mehr ausgetreten hatte. Den ganzen Tag über marschierten sie, und daher war es niemandem Erlaubt, die Reihen zu verlassen. Nur zu den heißesten Mittagsstunden machten sie vielleicht eine halbe Stunde Rast, doch ansonsten zogen sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang über die Lande in Richtung des Erebor. Zuerst würden sie wohl die Stadt Thal vernichten, denn sie war schlechter befestigt, und mithilfe ihrer Vorräte könnte man den einsamen Berg sicher Monate lang belagern. Khamûl war mit Sicherheit ein großartiger Stratege, weshalb er mit Sicherheit zuerst die hölzerne Stadt Thal überrennen würde. Wahrscheinlich hatte er bereits einen ebenso grausamen wie hinterhältigen Plan gefasst.
Schnellen Schrittes setzte er über seine Schlafenden Kampfgefährten hinweg und suchte einen Busch auf. Durch seine jahrelange Erfahrung im Anschleichen fiel es ihm leicht, sich lautlos über das Gras der hügeligen Landschaft zu bewegen. Zielstrebig bewegte er sich in die Richtung eines Busches am Rande der Schlafenden. Um diese brauchte er sich keine Sorgen zu machen, doch irgendwie fühlte sich Oran beobachtet. Nichts war zu hören, außer vereinzeltes Schnarchen, doch...
Hatte er da gerade Augen hinter einem Busch blitzen sehen? Hatte er jetzt etwa Angst im Dunkeln, so wie ein kleines Baby?
Oran bemühte sich, seinen Weg weiterhin direkt geradeaus zu gehen, doch er war nun wachsam für jedes weitere Geräusch. Beinahe schien es ihm, als wäre dies doch nur Einbildung gewesen, doch plötzlich knackte ein Ast unweit von ihm!
Aprupt blieb er stehen und blickte direkt in die Richtung des Geräusches. Nach wenigen Momenten wandte er sich wieder ab, doch so verborgen wie es ihm möglich war zog er einen seiner Wurfdolche. Seinen Schild und seinen Speer hatte er leider vergessen, doch wenn er vorsichtig genug war, würde er diese Waffen nicht brauchen. Als hätte er den Laut vergessen, ging er auf den nächstbesten Busch zu. Wie ein unvorsichtiger Narr stellte er sich beim Öffnen seiner Beinkleider und beim Wasser lassen an, damit seine Beobachter glaubten, sie hätten es mit einem Dummkopf zu tun.
Als Oran seine Hose wieder zuknöpfte, war er schon beinahe überzeugt, dass er sich nur eingebildet hatte, beobachtet zu werden. Doch dann hörte er das Rascheln von Blättern, in einem Busch direkt neben ihm. Blitzschnell wandte sich Oran in diese Richtung und warf seinen Dolch direkt in den Busch.
Mit einem Satz war er selbst auch schon an dieser Stelle, mit einem weiteren Dolch in der Rechten. Als er in den Strauch griff, spürte er warmes Blut an seinen Fingern. Er krallte seine Finger um etwas, das ihm wie Haare vorkam, und zog es hinaus. Es war ein Mensch mit lederner Rüstung, den er mit seinem Dolch direkt zwischen die Augen getroffen hatte. Sein Gesicht war zu entstellt, um irgendwelche der Züge des Mannes erkennen zu können, doch viel Wichtiger war Oran eine andere Erkenntniss:

Sie wurden beobachtet.

Khamul:
Aus der Sicht Khamûls

Er war von einem Soldaten hierher geführt worden, dessen Namen er sich nicht zu merken bemüht hatte. In dreitausend Lebensjahren war er auf viele Menschen getroffen, deren Namen er sich nicht einmal andeutungsweise erinnern konnte, warum also jetzt damit anfangen?
Das Gesicht des Toten am Boden war durch einen Stich ausgelöscht worden. Er tippte auf einen Wurfdolch. Sicher war er nicht alleine gewesen, um das Heer zu beobachten. Die anderen waren wahrscheinlich schon auf dem Weg nach Thal, um die Bevölkerung zu warnen. Doch er wollte eine genaue Bestätigung!
Die Fähigkeit, Tote vorübergehend wieder ins Leben zu rufen, besaß er leider nicht, doch dafür war sein Geruchssinn äußerst ausgeprägt.

Khamûl konzentrierte sich voll und ganz auf den Leichnam, der vor ihm am Boden lag. Er nahm alle Gerüche, die von ihm ausgingen in sich auf. Der Gestank von zu lange getragener Kleidung und schlecht gewaschenen Haaren haftete dem Menschen an. Der Nazgûl roch das letzte Essen des Toten, Dörrfleisch mit einer einfachen Pilzsuppe. Er nahm den Duft des Busches wahr, in dem der Spion in den letzten Momenten seines Lebens gehockt hatte, und den Geruch der Menschen, mit denen er zuletzt Kontakt gehabt hatte. Genau diese galt es nun aufzuspüren!
Nun löste er seine Gedanken von dem Toten und ließ die Gerüche aus der weiteren Umgebung auf sich einströmen. Er brauchte einige Zeit, um alle diese Einflüsse voneinander zu unterscheiden, beginnend vom Waffenfett seiner Soldaten bishin zum Verwesungsgestank eines mindestens 2 Kilometer weit entfernt liegenden Kadavers. Doch das alles interessierte ihn nicht!
Wieder und wieder teilte er die Gerüche in seinen Gedanken ein, ignorierte die Einen, während er die Anderen weiterverfolgte. Endlich fand er, was er gesucht hatte! Es waren vier Männer, von denen mindestens einer den Toten schon einmal berührt hatte. Sie ritten zu Pferde, und waren bereits mehr als fünf Kilometer weit entfernt. Sie Ritten in die Richtung Thals!

Khamûl machte sich nichts vor. Er hätte niemals geglaubt, dass ein Heer von solcher Größe wie seinem lange unbemerkt blieb. Irgendwann hatte es ja so weit kommen müssen. Es war nicht von Bedeutung, ob die Menschen Thals vorbereitet waren oder nicht. Wenn sie die genaue Größe des Heeres erfahren würden, dann wären sie nur noch eingeschüchterter! Khamûl wusste, dass die Holzwälle der Stadt noch nicht vollständig wiederaufgebaut worden waren. Dafür hatten die Menschen einfach viel zu wenig Zeit gehabt. Die Bewohner Thals und die Zwerge des Erebor waren noch geschwächt vom letzten Angriff der Ostlinge. Dabei war König Ulfast ums Leben gekommen. Die letzte Schlacht des Königs war eine vernichtende Niederlage gewesen. Ulfang hatte kaum den Thron bestiegen, da war die Macht schon an ihn selbst gegangen. Er würde sein Volk dieses Mal zum Sieg führen.

Du glaubtest schon einmal, ein geschwächtes Volk sei leicht anzugreifen. Der zweite Angriff auf Lorien endete genauso wie der erste, obwohl du ein Größeres Heer hattest und die Elben deiner Meinung nach geschwächt waren.
Die Stimme seines Meisters in seinem Inneren war wie immer niederschmetternd und begleitet von Bildern seines Versagens. "Herr, ich werde Euch nicht enttäuschen! Ich werde Thal niederbrennen und die Zwerge aus ihren Höhlen ausräuchern!"
Ich würde dir auch raten, nicht zu versagen! Und falls du es doch tun solltest, wird mein Zorn alle Maße überschreiten!
"Die Angst wird sie lähmen und uns einen Vorteil verschaffen!"
Sein Meister gab ihm keine Antwort mehr. Es war ihm auch lieber so, denn nun konnte er besonnen vorgehen.

Der Krieger, der den Späher entdeckt hatte, stand in einiger Entfernung von Khamûl. Es waren sicher fünf Minuten vergangen, seit der Nazgûl bei dem Leichnam angekommen war. Und der Soldat erwartete wohl einen Befehl.
"Verscharre die Leiche und begib dich wieder zu deinem Schlaflager! Ich werde morgen früh den Rest des Heeres von diesem Vorfall unterrichten! Redest du zu jemandem auch nur ein Wort darüber, so werde ich dich am Rost braten lassen und den Wölfen zum Fraß vorwerfen!"
Mit einer leichten Verbeugung setzte sich der Krieger in Bewegung und nahm die Leiche mit sich. Khamûl sah sich um. Niemand sonst war wach gestanden. Es war ein Fehler gewesen, Brodda die Befehle geben zu lassen. Er war tatsächlich töricht genug gewesen, keine Wachen aufzustellen! Eine gute Seite hatte jedoch diese Wendung: Nun konnte er dem Heer eine Lügengeschichte erzählen und somit Mut machen. Diese Tatsache würde Brodda das Leben retten, nicht die Gnade seines Königs.
Er begab sich wieder in das Feldherrnzelt zurück. Brodda schlief tief und fest. Wie wenig er doch ahnte, dass sein Leben unter anderen Umständen nun zu Ende hätte sein können!

Khamul:
Während Khamûl sich abwandte packte Oran den Leichnam auf seinen Rücken und ging auf seinen Schlafplatz zu. Zum Reisegepäck gehörte neben der Reiseverpflegung noch warme Kleidung, Feuersteine, leichtes Kochgeschirr, ein wenig Salz zum Würzen, sowie ein kleiner Spaten. Diesen nahm Oran von der Schlaufe an seinem Gepäckssack und suchte nach einer Stelle am Rande des Lagerplatzes, die niemandem auffallen würde. Von seinem Standpunkt aus machten seine Augen eine Runde. Er wählte einen ausladenden Busch in südlicher Richtung aus und begab sich in dessen Richtung, den toten Spion noch immer auf seinem Rücken tragend.
Seine Augen waren es von seinen Zeiten als Straßengauner noch gewohnt, die Dunkelheit der Nacht zu durchdringen. Es bereitete ihm keine Mühe, die schlafenden Söldner zu umgehen und den kprzesten Weg zu dem besagten Busch zu finden.
In Gedanken verfluchte sich der Ostling für seine übertriebene Vorsicht. Er war doch tatsächlich ganze fünf Minuten neben dem falschen König gestanden und hatte nicht einmal einen Dolch gezogen! Jeden Augenblick dieser endlos langen fünf Minuten hatte er geglaubt, Khamûl warte nur darauf, dass er ihn angreifen würde. Er hatte das erdrückende Gefühl gehabt, dieser könne Gedanken lesen. Wie ein dunkler, glitschiger Wurm hatte sich diese Ahnung in seinen Gedärmen festgefressen und ließ ihn auch jetzt nicht mehr los. Jeden Moment erwartete er, sein Schatten würde plötzlich eine goldene Maske bekommen, und Khamûl würde sich aus ihm erheben. Das war jedoch absurd, so etwas konnte nur ein richtiger Gott! Nicht einmal Sauron war ein echter Gott, warum sollte dann einer seiner Diener solche Fähgikeiten besitzen!

Der Boden wurde weicher und stieg leicht an, als er dem Busch näher kam. Er hatte die richtige Stelle ausgewählt! Und bald schon würde er endlich das Gewicht dieses toten Spions los sein!
Warum führe ich eigentlich diesen Befehl aus? Wenn ich die Leiche einfach nicht verscharre und Khamûl bei seiner Rede blamiere? Wenn er mich töten will, werde ich mit dem Dolch schneller sein. Doch andererseits... Werde ich es überleben? Werde ich mitten unter zwanzigtausend Söldnern ihren Geldgeber niederstechen können und dann noch erwarten, dass sie mich als Held feiern?
Ebenso wie die Leiche warf Oran auch diesen Gedanken weg. Beinahe geräuschlos prallte der weiche Körper auf den Boden. Er würdigte den toten Spion keinen Blick, teilte die Blätter des Busches und stach sofort mit seinem Spaten, unweit des dürren Stammes, in die Erde.

Eine Schaufel voll Erde ausgehoben.
Warum habe ich nur gezögert
Zwei Schaufeln.
Ich hätte ihn jetzt schon haben können!
Drei Schaufeln.
Überlebt hätte ich sicher nicht.
Vier Schaufeln.
Außerdem...
Fünf Schaufeln.
Ich sollte ihn sowieso erst töten, wenn die Schlacht geschlagen ist.
Sechs Schaufeln.
Gewinnt Khamûl, so sind die Söldner sowieso in zu großer Euphorie, um es wirklich zu bemerken, wenn ich meinen Auftrag ausführe.
Sieben Schaufeln.
Verliert er, so kann ich sicher einige Komplizen finden, die mir zur Flucht verhelfen.
Acht Schaufeln.
Trotz Allem will ich nicht sterben.
Neun Schaufeln.
Ulfang hat mir Freiheit und Reichtum versprochen, falls ich es schaffen würde, Khamûl zu töten.
Zehn Schaufeln.
Doch ich muss überleben, denn ich habe auch noch eine Familie, die ich versorgen muss.

Während er weiter schaufelte, grübelte er noch weiter über den perfekten Zeitpunkt, den falschen König endlich umbringen zu können. Dann warf er die Leiche unsanft in die von ihm ausgehobene Grube und schaufelte sie wieder zu. Nach kurzer Zeit war sie perfekt verscharrt, unter den Blättern des großen Busches war die umgegrabene Erde kaum zu erkennen. Er hatte gute Arbeit geleistet.

Die Sonne warf bereits ihre ersten Strahlen über den Horizont. Noch schliefen die Söldner allesamt, ermüdet vom langen Marsch am Vortag.
Nicht mehr lange, dachte Oran sich: Nicht mehr lange, Khamûl, und du wirst deinen letzten Atemzug machen!


Khamûl, Brodda und Oran mit dem großen Heer Rhûns nach: Ebenen vor Thal

The Chaosnight:
Salia, von: Die Eisenberge


Weitere Wochen vergingen, in denen der Hass auf Brodderick trotz der besten Bemühungen Morrandirs und Rylthas weiter stieg: Er verschwendete weiterhin die Vorräte, welches nur durch ihre kleinere Heeresgröße ausgeglichen wurde, versuchte absurde Wege einzuschlagen (unter anderem den Eilend zurück Richtung Thal zu nehmen) und behandelte die Soldaten noch dreckiger als vorher. Als sie schließlich das  Dreigrenzeck fanden, der Ort an dem Eilend und Carnen sich trennten und früher drei verschiedene Herrschaftsgebiete lagen und nun an einziger Stelle Rhuns drei Fürstentümer Rhuns ohne Gortharia aneinandergrenzten (woraufhin das Gebiet fortan als Dreifürsteneck bezeichnet wurde), verließ eine weitere Division das Heer und zog in Richtung des tiefen Ostens. Übrig blieben nun vor allem drei Gruppen: Broddericks innerer Zirkel, absolute Anhänger Saurons, die seine Boten in Gortharia über Broddericks Verhalten aufklären wollte und wenige Königstreue, die Broddericks Ausfall als möglichen Beginn einer Wende sahen.

Die Flussgabelung des Dreifürstenecks wurde von einem gigantischem Wachturm überschattet, an dessen Seiten die Banner der umliegenden Fürsten wehten und dessen Spitze von den Standarten Gortharias und Mordors geschmückt waren. Trotz des Wetterumschwangs der letzten Wochen lagen noch immer meterhohe Schneehügel um den Turm verteilt, die stetig vom Wind abgetragen wurden.
Wie auch bei den Eisenbergen erwartete die Gruppe hier ein ranghoher Soldat im Dienste Khamuls, der hervortrat und Brodderick abfing. "Was macht Ihr hier? Wo ist Eure Armee?"
"Die steht hinter mir und ich kehre siegreich heim!"
"Das sehe ich, Brodderick, aber ihr solltet schon längst in Gortharia sein mit dem Vielfachem Eurer Gruppe! Ihr könnt nur hoffen, dass zumindest die Gefangenen heil ankommen."
"Sie folgen uns mit meinen besten Männern, die sind wohlauf. Viel mehr Sorge machen mir die elenden Verräter!"
"Verräter? Ich gespannt darauf, was Ihr mir darüber erzählen könnt. Warum folgt Ihr mir nicht in demn Turm?"
Brodderick verengte seine Augen und nickte dann kurz, bevor er in den Turm stieg. Währenddessen brach im Heer weitere Unruhe aus: Einzelne Heeresgruppen hatten sich zusammengeschlossen und dessen Heerführer zurückgezogen.
"Heerführerin Morrandir? Der Rat verlangt nach Euch." Morrandir nickte kurz und gab Ryltha ein schnelles Handzeichen, bevor sie hinter den Schneebergen verschwand.

"Der Turm ist neu hier", murrte Ryltha, "früher stand hier ein Stein. Ich frage mich was uns tiefer im Land erwartet."
Es dauerte Stunden, bis Morrandir äußerst verstimmt wiederkam. "Die Divisionen brechen weiter auseinander und einige Heerführer stehen kurz vor der Rebellion. Ich habe keine Ahnung wie lange man sie noch hinhalten kann oder ob jetzt alles auseinanderbricht."
Bevor sie dies weiter ausführen konnte oder Salia und Ryltha fragen stellen konnten, öffnete sich der Turm. In der Erwartung erneut die Leere in Broddericks Augen und sein unheimliches Lächeln zu erblicken, richtete sie sich zu voller Größe auf und sagte "Es ist Zeit." Schon nach dem erstem Schritt blieb sie jedoch stehen, denn lediglich der Turmwächter hatte den Turm verlassen: Zwar schwer angeschlagen, mehrere Schnitte fuhren ihm durchs Gesicht und ein abgebrochener Speerschaft steckte in seiner Schulter, aber dennoch stark und stolz blickte er auf die Soldaten und brüllte: "Broddericks Herrschaft ist vorbei! Von nun an ist er nicht länger oberster Heerführer oder gar ein Soldat Rhûns, sondern nur ein elendiger Verräter an allen Standards Rhuns, sei es der König, Sauron, das Land selbst oder seine Traditionen. Ich werde nicht zulassen, dass Rhun auf der Blüte seiner Macht so geschändet wird! Ich selbst werde fortan dieses Heer nach Gortharia führen."
Er ging kurz zurück in den Turm und ließ das verwirrte Heer kurzzeitig in purem Chaos zurück, in dem mehr getuschelt und diskutiert wurde als in den Wochen voller Unzufriedenheit zuvor. Zurück kam er mit dem offenbar bewusstlosem Brodderick, den er mit seinem gesundem Arm vor die Menge warf, wo er vor Salia liegen blieb.
"Ich habe gesehen, dass dein Regiment einen Gefangenen mit passendem Käfig für Hochverräter hat. Was wird diesem vorgeworfen?"
"Er war Broddericks Vorgänger als Heerführer und wurde ersetzt als seine Division meiner die Hilfe verweigerte.", warf Morrandir schnell ein, "Übrigens ist das meine Division. Teressa hier wird nur gerade ausgebildet. Kontakte und so..."
Der Soldat blickte zuerst verwundert auf Morrandir, lachte danach jedoch kurz auf: "Das trifft sich gut. Wie ich aus sicherer Quelle weiß, war Brodderick vor seiner Beförderung Bote und für die Übermittlungen der generelle Heeresverschiebung zuständig. Würde ihm nach der Aktion im Turm nahestehen...Selbstverst ändlich verlangt eine solche Anschuldigung eine eindringliche Untersuchung, aber mit Brodderick als Hauptverdächtigen sehe ich bei ihm wenig Fluchtgefahr. Lasst ihn vorerst frei und setzt ihn als neuen Käfigwächter ein, die passende Besatzung haben wir ja jetzt."


Nach diesem plötzlichem Wechsel in der Macht verblieben die Überreste des Heeres noch einen Tag am Dreifürsteneck. Ihr neuer Heerführer brauchte (trotz gegenteiliger Beteuerungen seinerseits) dringend einen Tag um seine Wunden zu kurieren und als erste Handlung an seinem "freiem" Tag setzte er so einiges in Gang um seine Soldaten hinter sich zu bringen und das Heer sicher nach Gortharia zu bringen: So verabschiedete er einen neuen Plan für die Essensrationen, verteilte anstehende Arbeiten angemessener und lockerte die Bestimmungen für die Gefangenen. Zwwar blieben diese Weiterhin Kriegsgefangene, jedoch blieb diesen nun eine angemessenere Verpflegung als die Abfälle, die Brodderick ihnen gegeben hatte, jeder Soldat war unter der Strafe der eigenen Versklavung dazu angehalten ihnen keine Leiden zuzufügen und sie unversehrt zu lassen, da diese "dem Reiche Rhun gehörten und nicht nur seinen ausführenden Organen." Ebenso wurden die Marschrouten sinnvoller gewählt und geplant, z.B. wurden fußkranke oder schwächelnde Ostlinge auf die Tiere gesetzt, bis sie wieder fit waren. Im Gegenzug für dieses Privileg fordete er lediglich Disziplin und Treue.
Mit diesen neuen Konzepten sicherte er sich in kürzester Zeit das Vertrauen der meisten Soldaten, sodass die weiteren Wochen erholsam ereignisarm und schnell vorrüber gingen.

Lediglich Brodderick hemmte die Ruhe und die neugefundene Harmonie innerhalb des Heeres: Als Salia kurz nach seiner Einkerkerung zu seiner Zelle kam um seinen Kerkermeister zu fragen wie es ihm nun ginge, war er aufgewacht und redete wirrer als je zuvor. Gemütlich hatte er sich in seinen Käfig gelegt und begann noch immer seine abstrusen Befehle zu verteilen oder alles in seiner Umgebung irgendetwas zu beschuldigen.

The Chaosnight:
Weitere Wochen vergingen und das einst große Heer verkleinerte sich immer mehr: Mit dem steigenden Wahn Broddericks verließen ihn nach und nach auch seine treusten Anhänger, einigen Königstreuen graute es davor unter einem bekennenden Diener Khamuls die Stadt zu betreten und fast alle Soldaten und Söldner der entlegeneren Gebiete verließen entgegen den Anweisungen in Richtung ihrer Heimat.
Als unter dröhnenden Hörnern die Wappen entrollt und Standarten gehisst wurden, blieb nur wenig Glanz von der größten Armee des Ostens - neben Salias Gruppe blieben nur noch Überreste einstiger Großdivisionen ohne Anführer, sowie die Wächter der Gefangenen.

Am vorherigen Abend hatte ihr neuer Anführer, meist nur "Rog" genannt, Morrandir aufgesucht und sie von den neusten Deserteuren unterrichtet: "Trotz all meiner Bemühungen schmilzt unsere Stärke weiter und je näher wir unserem Ziel kommen, desto schlimmer wird es."
"Schön und gut", unterbrach Ryltha, "aber warum erzählt Ihr uns das? Trotz unserer Verluste sind wir noch immer ein beachtliches Heer."
Rog seufzte kurz. "Nach der heutigen Welle ist Morrandir die letzte Heerführerin. Die anderen sind alle desertiert oder zusammen mit Brodderick eingesperrt. Ich muss gestehen, dass dass ich solch ein Heer zum ersten Mal führe, doch wenn eine Heerführerin trotz all jener Dinge, die ihr Vorgesetzter ihrer Armee angetan hat trotzdem das Beste tut ihre Restarmee zu schützen, den Verbrecher dem Gesetz Rhuns überlässt und schlussendlich als letzte bis zum Schluss ihren Eid erfüllt, ist dies sicherlich etwas besonderes. Daher möchte ich Euch bitten für den restlichen Weg ein Auge auf die herrenlosen Splittergruppen zu werfen, wie bereits erkannt, haben wir ja noch immer ein beachtliches Heer."
In ihrer neuen Rolle als Aufseherin erhielten Morrandir, sowie Ryltha und Salia, die sie begleiteten, so einige vertrauliche Informationen über den Zustand des Heeres und weitere Planungen: Einige Soldaten waren froh schnell einen "Ersatz" für ihre geflohenen Heerführer zu haben, andere sahen es als ihre Pflicht an ihnen als Verantwortliche so viel wie möglich mitzuteilen und vor allem Rog teilte ihnen so einiges mit, wie es in Gortharia aussehen würde. Kurz nachdem er Morrandir befördert hatte, sei ein Bote aus der Stadt gekommen, der ihn aufgefordert habe die Gefangenen auf dem Marktplatz auszustellen, wo ein Sprecher ihr Schicksal und das Ende Thals verkünden würde. Er selbst solle sich im Thronsaal einfinden und dem König Bericht erstatten, sowie möglichst eindrucksvoll die Stadtore passieren, sodass jeder Zeuge des glorreichen Heeres werde.

Nach den Hornesstößen begann auch sogleich der pompöse Einmarsch über die Felder vor der gigantischen Stadtmauer, die durch zahlreiche Banner und Fahnen verziert war und von deren Toren drei Salven brennender Pfeile geschossen wurden.


Das Heer war daheim




Salia, zu: Gortharia, Ankunft des Heeres von Rhun

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Zur normalen Ansicht wechseln