Salias Start:Gelangweilt saß Salia an ihrem Schreibtisch und las eine der dutzenden Aufzeichnungen über das Waffenhandwerk anderer Volksstämme und Kulturen. Wie schon in den letzten Tagen lag ihr Hauptaugenmerk auf den Schriften über Orks und Ostlinge, den Völkern, die ihr am meisten verhasst waren.
Nachdem sie sich zuletzt vermehrt auf die Ostlinge konzentriert hatte, widmete sie sich nun einen Tag lang vollständig den Orks, ein Volk, das nach bisherigen Berichten durchaus als einfältig und primitiv bezeichnet werden könnte.
Neben den Aufzeichnungen lag ein Ork-Skimitar, das Gerüchten zufolge einem von Bolgs Leibwachen gehört haben sollte, bevor es nach der Schlacht nach Thal gebracht wurde. Mit prüfendem Auge betrachtete sie es und verglich es mit denen, die laut Berichten normale Orksoldaten trugen. Schnell fiel ihr auf, dass diese Waffe um einiges anders gebaut war. Sie war größer, leichter und die Proportionen lagen um einiges anders zu einander: Die Krümmung der Klinge war weiter nach oben verschoben, der Griff länger und sie war verhältnismäßig schmal.
Überrascht über diese sorgfältige Ausarbeitung ergriff sie die Waffe und ließ sie durch die Luft kreisen. Für eine Orkwaffe war sie erstaunlich handlich und reagierte auf jede noch so kleine Handbewegung. Bei einem Schlag verschätzte sie die Länge jedoch erheblich und laut schellend zerschlug sie eine Vase, deren Einzelteile genau so laut zu Boden fielen und weiter zerbrachen.
Erschrocken legte sie das Krummschwert bei Seite und fegte die Bruchtücke in eine Ecke.
Verdammt, wieso muss immer irgendetwas kaputt gehen?Nach zwei weiteren Vasen, einem Ostlingsspeer und einem Set Tränke aus fernen Kräutern, die Adaric vor Jahren von dem hiesigen Kräuter- und Tränke-Händler für viel Geld gekauft hatte, war das nun der vierte Gegenstand, die sie durch solche Unachtsamkeiten zerstört hatte. Sie hang die Waffe wieder an ihren Wandplatz, von dem sie sie am morgen geholt hatte und setzte sich wieder auf ihren Stuhl.
Wenn ich nichts in der Hand habe, kann auch nichts kaputt gehen...Viel zum Lesen kam sie jedoch nicht, da keine 10 Sekunden später Adaric rief: „Salia, kommst du mal?“
Schuldbewusst ging sie aus ihrem Zimmer und trat aus dem langen Flur in den Eingangsbereich des Hauses, das zeitgleich der Laden war. Hinter dem Tresen stand Adaric, der sich intensiv mit einem ihr unbekannten Menschen unterhielt.
„Übernimmst du mal? Dieser werte Herr möchte ein paar fremdländische Waffen verkaufen, die ganz viel versprechend aussehen, doch du kennst dich damit mehr aus...ach ja, was ist diesmal zerstört worden?“, sagte er.
„Eine Vase“, murmelte sie. Adaric verdrehte die Augen und verließ das Zimmer, um eine Bestellung für eine Wacheinheit aufzunehmen, wie er sagte.
Der Fremde legte fünf Waffen auf den Tisch. „Was sagt ihr?“, fragte er.
Sorgsam schaute sie sich die Waffen an. Sie genoss diesen Teil der Arbeit, da es Abwechslung von der schlichten An- und Abgabe von Geld und Ware war, eine Abwechslung, in der sie regelmäßig auch neue Waffenarten zu Gesicht bekam.
Adaric scheint recht zu haben, diese Waffen sehen in der Tat viel versprechend aus...Dies dachte sie nach den ersten Blicken. Ein schwarzes Kurzschwert mit gebogenem Griff, zwei graue Schwerter, ein kurzer Bogen mit Stahlverstärkung und ein rotes Beil, das war die Auswahl, die ihr geboten wurde. Nach und nach ging sie die Waffen durch, enttäuscht musste sie jedoch feststellen, dass die Waffen alles andere als außergewöhnlich waren. Der Bogen entpuppte sich als ein einfacher Bogen, wie ihn jeder Jäger in der Umgebung benutzt, um den etwas Stahl befestigt war, die Farbe der Schwerter war leicht auf Ruß zurückzuführen, der sich in der minderwertigen Legierung festgesetzt hatte und das Beil war eine gefärbte Ostlingswaffe, unter dem Rot konnte man sogar noch das Wappen Rhûns erkennen. Gerade wollte sie den Fremden des Hauses verweisen, da betrachtete sie auch das Kurzschwert genauer. Nach den anderen vier Waffen hielt sie auch ihn zuerst für eine billige Fälschung, doch dann fiel ihr ein allzu bekannt vorkommendes Symbol auf dem Griff auf. Sie zog ihre eigene Waffe und erkannte an der selben Stelle das selbe Zeichen. Langsam sagte sie: „Die Schwerter, das Beil und der Bogen werden hier nicht benötigt, da wir schon ähnliche Objekte in Massen haben, doch das Kurzschwert scheint mir interessant zu sein. Ich biete euch dies dafür.“ Sie zog einen Stapel Münzen unter dem Tisch hervor und legte sie auf den Tisch. Der Fremde nahm die Münzen und seine vier anderen Waffen und machte Anstalten zu gehen. Bevor er die Tür erreicht hatte, rief Salia jedoch noch: „Wo habt ihr diese Waffe her?“
-„Von meinem Vater.“
„Merkwürdiger Kerl“, murrte sie, „denkt er ernsthaft solche Ware verkaufen zu können?“
Sie nahm das Kurzschwert und legte es zusammen mit einem Zettel, auf dem der Preis und das Datum standen, unter den Tresen. Sie ging kurz zurück in ihr Zimmer und holte einen Stapel voller Aufzeichnungen, bevor sie wieder in den Hauptraum ging, denn solange ihr Onkel weg war, oblag ihr die Aufsicht über die Räumlichkeiten und die Betreuung von Kunden. Meistens war dies eine langweilige und einfältige Aufgabe, weshalb Salia sie auch hasste, doch in einem Zwei-Mann-Betrieb blieb ihr keine andere Wahl.
Sie versuchte sich wieder den Aufzeichnungen zu widmen, solange keine Kundschaft da war, doch sie konnte sich nicht genügend konzentrieren, weshalb sie den Stapel beiseite schob und sich stattdessen erneut die Orkwaffe ins Gedächtnis rief, mit der sie erst vor kurzem geübt hatte.
Wie eine solch primitive und grobe Rasse nur zu so etwas fähig war?Diese war eine der Sachen, die ihr durch den Kopf gingen, doch zu ihrer Erleichterung kam Adaric kurze Zeit später zurück und sie konnte sich wieder in ihr Zimmer zurückziehen, wo sie nicht jederzeit mit irgendwelchen Fremden rechnen musste, die plötzlich durch die Tür kommen und sie stören.
Zweifellos, die Händlerwelt war nichts für sie, das ständige Feilschen, beraten, Geld gegen Ware tauschen, Ware gegen Geld tauschen und zwischendurch stundenlang nur auf Kunden warten, langweilte sie zutiefst, doch in Thal gab es keine Alternativen und außerhalb von Thal kannte sie nichts und niemanden.
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