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Morthond und die Pfade der Toten

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Eandril:
...Oronêl, Celebithiel, Amrûn, Amrothos, Faendir und Antien von Edhellond und Umgebung

Die sechs Gefährten ritten zwischen den Felswänden was weißen Gebirges entlang. Neben ihnen plätscherte ein Bächlein bergab, das später, außerhalb dieser Schlucht zum Fluss Morthond werden würde. Es war der Mittag des fünften Tages, seit sie von Dol Amroth aufgebrochen waren. Am Morgen hatten sie den Berg Erech passiert, und seitdem hatte sich Schweigen über die Gruppe gelegt, denn obwohl die Toten aus diesem Land verschwunden waren, lastete ihr Schatten noch immer auf den Bergen. Vor allem Amrothos wurde davon betroffen, aber auch die Stimmung der Elben war niedergedrückt, auch ob des Gedankens an die Gefahr, die Lothlórien, dem Land, das sie alle liebten, drohte.
Schließlich erreichten sie ihr Ziel, eine hohe schwarze Felswand in die ein mannshohes Tor geschlagen war. "Wir haben die Pfade der Toten erreicht", sagte Faendir, "wir müssen absteigen, und die Pferde führen, denn ich fürchte, diese Höhlen sind zu niedrig für Reiter." "Aber werden uns die Pferde überhaupt hindurch folgen?", fragte Amrothos.
"Sie müssen.", meinte Oronêl entschlossen, "Es ist ein weiter Weg bis nach Lórien, und wir dürfen keine Zeit verlieren." Obwohl auch ihn vor dem Gedanken, diese Höhlen zu betreten, schauderte, trieb ihn die Furcht, Lórinand zu verlieren weiter vorwärts.
Also betraten sie die Pfade der Toten, und obwohl Faendir, der voran ging, und Amrûn, der den Abschluss bildete, Fackel trugen, umhüllte sie eine schier undurchdringliche Dunkelheit, und Amrothos keuchte erschreckt auf. Oronêl legte ihm die Hand auf die Schulter. "Es ist nur Dunkelheit, und jede Dunkelheit muss irgendwann vergehen. Ich kann an diesem Ort nichts Böses mehr spüren." "Oronêl, ich... Ich kann nichts mehr sehen, ich bin blind!", flüsterte Amrothos, und Oronêl konnte das Entsetzen in seiner Stimme hören. "Nein, du bist nicht blind. Das ist lediglich die Dunkelheit. Wir können etwas sehen, weil unsere Augen besser sind als deine, aber du bist nicht blind. Halte dich an meinem Gürtel fest, damit du uns nicht verloren gehst. Ich würde mir für immer Vorwürfe machen!", schloss Oronêl, zuversichtlich lächelnd, obwohl er wusste, dass Amrothos es nicht sehen konnte. Doch er musste auch sich selber Mut machen, denn die Kälte und Finsternis, die diesem Ort auch nach dem Weggang der Toten zu Eigen waren, machten auch ihm zu schaffen.
Stunde um Stunde marschierten sie durch die Dunkelheit, einer hinter dem anderen, die Pferde neben ihnen. Sie sprachen nur selten, und wenn, dann flüsternd, als ob zu lautes Sprechen etwas aufscheuchen könnte. Schließlich hielt Oronêl die Stille nicht länger aus, und er begann, leise zu singen.

"Oltha o Gollas, o Gollas mallen,
na Nglîn anoren, nan Lórinand.
Arannon ennus, o Lenwebar arod,
edlothia Arthored, nan Lórinand.
Linner ennus ellith, û linnant cû,
Tûrn Amdîr aran alwed, nan Lórinand."

"Was singst du da?", hörte er Amrothos hinter sich fragen. "Ein Lied, das ich selbst gemacht habe, zu Ehren Amdîrs. Das war im Jahr nach seinem Tod, als ich mich in den Wäldern Lórinands versteckt habe. Es ist in Sindarin, also müsstest du es eigentlich verstehen.", antwortete er. "Nein, ich verstehe überhaupt nichts mehr in dieser Düsternis." Oronêl seufzte. "So würde es sich in etwa in eurer Sprache anhören", sagte er, und begann.

"Ich träum' vom Laub, vom goldnen Laub,
im Schein der östlich Sonne.
Nie kannte man dort Tod und Raub,
Im Tal des Goldnen Lichts.

Dort lebt' ein König einst im Wald,
aus Lenwes edlem Stamm.
Die Berge standen hoch und alt,
am Tal des Goldnen Lichts.

Die Elbenmaiden sangen dort,
als noch kein Bogen sang.
Fürst Amdîr herrscht im Glücke fort,
Im Tal des Goldnen Lichts.

Doch schläft das Böse nimmer nie,
die Dunkelheit des Nichts,
und durch die Lande kriechet sie,
zum Tal des Goldnen Lichts.

Im Schwarzen Land, im Dunklen Turm,
ein Fluch auf Schwarzem Thron,
er rüstet sich zum großen Sturm,
zum Tal des Goldnen Lichts.

Nicht länger dort die Harfe klang,
am Waldesrand begann
der Krieg und Bogensehne sang
im Tal des Goldnen Lichts.

Das Licht die Dunkelheit vertrieb,
der Angriff blieb vergebens,
und niemals noch ein Elb verriet,
das Tal des Goldnen Lichts.

Im Letzten Bund der Freien hier,
Fürst Amdîr tapfer focht.
Doch niemals kehrt er heim zu ihr,
der Maid des Goldnen Lichts.

Oronêl stockte, doch bevor er etwas sagen konnte, sahen sie vor sich einen rotgoldenen Schein auf dem Boden der Höhle. Sie hasteten vorwärts, und plötzlich standen sie vor dem Tor von Dunharg, und dann waren sie draußen und den Pfaden der Toten entkommen. Gerade ging im Westen die Sonne unter, und unten im Tal, in Dunharg, zündeten die Menschen die Lichter an, als die Gefährten vor dem Tor standen und erleichtert über das sich vor ihnen in der Ferne ausbreitende weite Land von Rohan blickten. Am erleichtertsten schien Amrothos zu sein, der zwar bleich war, aber lächelte, nun, da die Dunkelheit von seinen Augen gewichen war.
"Lasst uns noch ein Stück Weges hinter uns bringen.", meinte Amrûn, "Ich verspüre keine Lust, im Schatten dieses Berges ein Lager aufzuschlagen." "Wir sollte nach Dunharg gehen.", schlug Celebithiel vor, "Die Menschen hier sind zwar ein wenig misstrauisch, aber wir sollten dort trotzdem eine Unterkunft finden können."

Oronêl, Celebithiel, Amrûn, Amrothos, Faendir und Antien nach Dunharg...

Fine:
Hilgorn, Valion und Ladion mit dem Heer Dol Amroths aus Lamedon


Das Heer kam am Nachmittag gut voran, denn die Straße nach Erech war gut ausgebaut und breit gepflastert. Bei Anbruch der Dämmerung erreichten sie Tarlangs Hals und schlugen dort ihr Lager für die Nacht auf. Hilgorn ließ Kundschafter ausschwärmen und schickte einen berittenen Boten voraus, der Fürst Duinhir von ihrem Eintreffen am folgenden Tag unterrichten sollte. Die Stimmung im Heer wirkte beruhigend auf Valion, der trotz des bisweilen unangenehmen Rittes bester Laune war. Er war voller Vorfreude und Erwartung auf die Schlacht, und es gelang ihm, diese Einstellung zu verbreiten.
"Diese Orks wissen nicht, mit wem sie sich angelegt haben," sagten die Soldaten. "Der beste General Dol Amroths führt uns an, und die Herren von Morthond und vom Ethir sind mit uns."
"Sehr richtig," stimmte Valion ihnen zu. "Und dazu die tapfersten Söhne Gondors die man sich nur wünschen kann. Wir werden schon dafür sorgen, dass keine dieser erbärmlichen Kreaturen den Weg zurück nach Mordor findet. Die werden sich noch wünschen, nie hergekommen zu sein."

Am Mittag des folgenden Tages verließen sie den Pass und kamen ins Schwarzgrundtal. In der Mitte des Tales ragte der Hügel von Erech auf, auf dem Valion ein schwarzes Funkeln ins Auge fiel. Die Soldaten erzählten ihm, dass dort der Stein von Erech lag, den Isildur selbst am Ende des Zweiten Zeitalters dorthin gebracht hatte und an dem die Menschen des Weißen Gebirges ihren verhängnisvollen Eid geschworen hatten.
"Die Toten, die damals mit Elessar Pelargir befreiten könnten wir jetzt gut gebrauchen," murmelte er als das Heer im Schatten des Hügels vorbeizog. Seitdem ihr Eid als erfüllt angesehen worden war, hatte niemand mehr etwas von den Bewohnern des Gebirges gesehen. Nur deswegen waren die Pfade der Toten nun passierbar und zu der wichtigsten Verbindung zwischen Gondor und Rohan geworden.
Kurze Zeit später erreichten sie die Stadt Erech, die am Gebirgshang einige Meilen westlich des Steines lag. Die Menschen des Schwarzgrundtales erwarteten sie bereits. Duinhir hatte noch einmal knapp dreihundert Mann zusammengerufen, zumeist scharfäugige Bogenschützen mit grimmigen Gesichtern. Sie wirkten kampfbereit und äußerst entschlossen, ihre Heimat gegen alles zu verteidigen, was Mordor gegen sie zu Felde führen würde.
"Gut dass ihr kommt," begrüßte Duinhir Hilgorn und Valion sowie die übrigen Offiziere, die er in seinem Wohnsitz im obersten Teil der kleinen Stadt empfing. "Meine Leute haben bereits orkische Kundschafter entdeckt. Der Angriff wird nicht mehr lange auf sich warten lassen."
"Was ist mit den Pfaden? Sind sie noch frei?" fragte Hilgorn.
Duinhir nickte. "Ich habe den Eingang bewachen und befestigen lassen. Wir haben Barrikaden errichtet, die die Angreifer einige Zeit aufhalten werden."
"Wir dürfen auch die Stadt nicht unverteidigt lassen," wandte Valion ein. "Es ist nicht auszuschließen, dass der feindliche Kommandant sie angreifen wird wenn er sieht, dass der Weg durch die Pfade der Toten versperrt ist."
Hilgorn legte nachdenklich die Hand ans Kinn. "Dann sollten wir die Streitmacht aufteilen. Die Hälfte wird am Eingang der Pfade postiert und wird die Hauptlast des Angriffs tragen. Der Rest verbirgt sich in Erech - die Häuser und die Palisade, die die Stadt umgibt, sollte ihnen genug Deckung bieten - und wartet, bis wir ihnen das Zeichen zum Angriff geben. Dann werden sie den Orks in den Rücken fallen und wir nehmen sie in die Zange."
"Gut," befand Duinhir. "Die Bogenschützen können sich zwischen den Felsen oberhalb des Eingangs zu den Pfaden postieren. Von dort können sie einen Großteil des Tales unter Beschuss nehmen."
"Dann sollten die wenigen Reiter, die wir haben, in Reserve gehalten werden," meinte Valion. "Wenn die Orks sich zur Flucht wenden sollten wir dafür sorgen, dass keiner von ihnen entkommen kann."
"Was ist mit Rohan?" fragte Hilgorn. "Habt Ihr Nachricht aus Dunharg erhalten, Duinhir?"
"Bislang nicht," erwiderte der Herr von Morthond. "Ich habe einen Boten zu den Rohirrim geschickt um sie vor dem Angriff zu warnen. Aber meines Wissens nach ist in Dunharg selbst nur eine kleine Garnison stationiert. Ich schätze, wir sind für den Moment auf uns allein gestellt."
"Das macht nichts," meinte Valion. "Der Plan Hilgorns ist gut. Wir werden das Heer der Orks wie zwischen Hammer und Amboss zermalmen, ihr werdet schon sehen."
"Schön dass du so zuversichtlich bist, mein Junge," sagte Duinhir und rang sich ein Lächeln ab.
"Vorsichtshalber sollten Frauen und Kinder aus Erech nach Süden geschickt werden, in Richtung Edhellond," überlegte Hilgorn weiter. "Falls die Orks die Pfade ignorieren und die Stadt direkt angreifen müssen wir sie mit allen Mitteln verteidigen. In diesem Fall ändern wir den Plan und tauschen die Rollen der beiden Heeresabteilungen: Wenn die Stadt angegriffen wird, werden die Soldaten an den Pfaden abwarten und den Orks auf mein Signal hin in den Rücken fallen."
"Also gut, ich werde dafür sorgen, dass alle, die nicht kämpfen können, in Sicherheit gebracht werden," sagte Duinhir.
"Vielen Dank für Eure Untersützung, Herr Duinhir," sagte Hilgorn.
"Das Schwarzgrundtal ist meine Heimat, und die Menschen von Morthond sind mein Volk," erwiderte der Herr von Morthond entschlossen. "Ich werde nicht zulassen, dass sie unter die Schatten Mordors fallen."
"Dazu wird es nicht kommen," meinte Valion zuversichtlich. "Wir haben alles im Griff."

Eine Stunde später stand Valion auf seinem Posten an der Straße kurz vor dem Eingang zu den Pfaden der Toten. Der Weg den Berg hinauf stieg steil an und Valion sah zu, wie sich die Hälfte des gondorischen Heeres mitsamt ihrem Gepäck hinauf mühte. Er lehnte sich gegen die Barrikade, die nur eine von vielen Sperren war, die eilig aus Holz zusammengezimmert worden waren. Angespitzte Pfähle ragten daraus hervor und wiesen in Richtung Süden und Südosten, von wo der Angriff erwartet wurde. Im Südwesten lag die Stadt Erech auf der anderen Seite des Tales, die Häuser teilweise direkt an den Hang des Weißen Gebirges errichtet. Und dazwischen befand sich das Morthond-Tal, wo Hilgorn die Streitmacht Mordors festsetzen und in die Zange nehmen wollte.
Der Elb Ladion trat neben ihn, seinen großen Bogen bereits griffbereit. "Der Feind macht seinen Zug," sagte Ladion leise. "Ich spüre, wie sich die Schatten im Osten regen. Wir sollten vorsichtig sein und uns auf alles vorbereiten."
"Mhm," machte Valion. "Nun mach' dir mal keine Sorgen, Meister Elb. Die Menschen Gondors sind stark. Egal was kommt - wir halten sie auf. Hier und jetzt."
"Unterschätze die Bedrohung nicht, Valion."
Valion tat die Bemerkung mit einer Handbewegung ab. Einen Augenblick blieb er still, dann fragte er: "Was hat es mit Hilgorn und seinem Bruder auf sich? Es gibt Gerede im Heer, dass das Ganze für ihn eine... persönliche Angelegenheit ist."
Ladion bedachte ihn mit einem undeutbaren Seitenblick, ehe er wieder konzentriert ins Tal starrte. "Imradon Thoron ist ein Verräter Gondors, und er scheint Teil des Angriffes zu sein," sagte er schließlich leise. "Glaube aber nicht einen Augenblick, dass Hilgorn sich davon ablenken lassen wird." Ladion wandte Valion wieder den Kopf zu und blickte ihm ins Auge. "Du magst nicht allzu viel von ihm halten, aber ich weiß, dass er seine Pflicht erfüllen und Gondor verteidigen wird."
"Das habe ich auch gar nicht bezweifelt," beschwichtigte Valion den Elb. "Ich bin nur... neugierig. Sein Bruder wird uns also womöglich in der Schlacht begegnen... wie praktisch für Hilgorn. Ein gut gezielter Schwertstreich, und seine Geliebte wäre frei."
"Es steht dir nicht zu, darüber zu urteilen."
"Ich urteile nicht, Ladion. Ich frage mich nur, ob er es in sich hat, seinen eigenen Bruder zu töten. Vielleicht sollte ich das für ihn übernehmen. Ja, das ist eine gute Idee. Wenn ich diesen Imradon sehe, mache ich ihn einen Kopf kürzer, und die Sache ist erledigt."
"Besser wäre es, den Verräter gefangen zu nehmen und deinem Fürsten vorzuführen, damit er sein Urteil über ihn sprechen kann," sagte Ladion bestimmt.
"Das wäre vielleicht besser... aber ihm den Kopf abzuschlagen wäre zufriedenstellender."
Ladion wandte sich kopfschüttelnd ab. "Ich hoffe, du überstehst die Schlacht unbeschadet," sagte er noch, ehe er davon ging.
Du wirst schon sehen, dachte Valion. Die Schlacht wird großartig werden.

Melkor.:
Cynewulf aus dem Hargtal

Nachdem Cynewulf das Hargtal dem Flusslauf folgend durchquert hatte, ritt er weiter Richtung des Dwimorberges, unter dem die Pfade der Toten verliefen. Obwohl die einstigen untoten Bewohner des Berges von ihrem Fluch erlöst waren, schauderte es Cynewulf immer noch vor ihnen. Er wusste, dass er mit diesem Gefühl nicht allein war. Schließlich kam er nach Dunharg, der Hügelfeste, wo er eine kurze Rast einlegte und seine Vorräte auffüllte. Anschließend saß er wieder auf und folgte dem Pfad zum Dunklen Tor. Der Pfad war steinig und so kam er nur langsam und schleppend voran. Als er schließlich das Tor erreicht hatte saß er ab, nahm die Zügel Schildbrechers in die Hand und betrat das ehemalige Reich der Toten. Er folgte dem schwachen Licht der Lampen, die den dunklen Pfad ein wenig erhellten. Vorsichtig wagte Cynewulf sich durch den Tunnel. Schritt für Schritt ging es voran und er blickte mehr auf den Boden als voraus. Nachdem er bereits eine gefühlte Ewigkeit durch den Pfad gereist war erblickte er weit vor sich ein helleres jedoch schwaches Licht.
"Das muss der Ausgang sein" freute Cynewulf sich und beschleunigte seine Lauftempo, sein Reittier weiterhin am Zügel führend. Das Licht wurde mit jedem Schritt den er machte heller und schließlich hatte er den Ausgang erreicht. Mit einem tiefen Schnaufen fiel die Anspannung von ihm ab. Die Luft im Inneren der Pfade war sehr stickig gewesen. Er schloss die Augen und atmete einige Male tief ein. Als Cynewulf sie wieder öffnete und sich umschaute bemerkte er, dass er am Eingang eines gondorischen Kriegslagers stand
"Wer seid Ihr?" fragte ein kleiner aber kräftiger Mann, der auf seiner Rüstung das Wappen Dol Amroths trug. Neben ihm standen noch drei andere, die Hand bereits um die Griffe ihrer Schwerter gelegt.
 Cynewulf reagierte zuerst nicht doch dann sagte er: "Ich bin Cynewulf aus Rohan. Ich bin nur auf der Durchreise; was ist hier los?"
 "Mordor hat den Waffenstillstand mit uns gebrochen und will nun den wichtigsten Verbindungsweg zu Rohan angreifen," gab der Mann zurück. Seine Gefolgsleute schienen sich zu entspannen da sie in Cynewulf nun einen Verbündeten sahen.
"Wenn Ihr mehr erfahren möchtet solltet ihr mit unserem General sprechen, wenn er Zeit hat. Folgt mir.," sagte der Gondorer wieder, was scheinbar mehr eine Aufforderung als ein Angebot war. Widerwillig folgte Cynewulf ihnen zum Quartier des Generals.

Fine:
Es dauerte noch eine gute Stunde ehe die beiden Abteilungen des Heeres ihre jeweiligen Positionen bezogen hatten. Als alle an ihrem Platz standen berief Hilgorn die Offiziere zu einer letzten Besprechung ein. Duinhir und seine Hauptleute waren in Erech geblieben, aber abgesehen von ihnen waren alle Kommandanten anwesend.
"Es ist nun alles bereit," sagte einer der Meldereiter, der aus Erech eingetroffen war. "Herr Duinhirs Streitmacht ist hinter den Mauern verborgen, und die Frauen, Kinder und Alten sind im Süden in Sicherheit gebracht worden."
"Sehr gut," befand Hilgorn. "Ihr alle kennt eure Befehle und eure Aufgaben. Ihr werdet die Hauptlast des Angriffes zu spüren bekommen, und müsst Mordors Streitmacht abwehren, bis Duinhir euch zur Hilfe kommt."
"Und wo gedenkt Ihr bei all dem zu sein, General?" fragte Valion.
"Ich schließe mich der Vorhut an," erklärte Hilgorn. "Wir werden uns als Erste den Orks stellen und sie in Richtung der Barrikaden vorm Eingang der Pfade locken. Ich kann hoffentlich davon ausgehen, dass in meiner Abwesenheit die Ordnung im Heer aufrecht erhalten bleibt?"
Valion winkte ab. "Macht Euch keine Sorgen. Wir halten unsere Stellung, wie befohlen, und stellen sicher, dass kein Geschöpf Saurons an uns vorbeikommt."
Hilgorn schien es nicht ganz recht zu sein, Valion das Kommando zu überlassen, doch schließlich stand er auf und nahm Schwert und Schild von seinem Adjutanten entgegen. "Nun denn. Gebt in der Schlacht aufeinander gut Acht und verteidigt die Pfade mit Mut und Tapferkeit. Mögen wir uns nach der Schlacht alle wohlbehalten wiedersehen." Er setzte den silbernen Helm auf und ging davon, gefolgt von den Soldaten der Vorhut Dol Amroths, die aus den Veteranen und besten Kämpfern zusammengestellt worden war. Mit ihnen ging auch ein halbes Dutzend Schwanenritter; der Rest der berittenen Kompanie blieb vorerst in Reserve.

Nach Hilgorns Aufbruch verging eine halbe Stunde, in der die Anspannung am befestigten Eingang der Pfade der Toten mit jeder Minute zu wachsen schien. Kundschafter wurden in regelmäßigen Abständen ausgeschickt und kehrten einer nach dem anderen wieder zurück, doch bislang hatte es kein Zeichen von den Orks gegeben. Valion hatte seine Füße lässig auf den kleinen Hocker gelegt, auf dem Hilgorn während der vorherigen Besprechung gesessen hatte und hatte gerade die Augen geschlossen, um etwas Ruhe vor der Schlacht zu finden, als ein Mann in der Rüstung der Stadtwache Dol Amroths herbeigeeilt kam.
"Wo ist arachír Hilgorn?" rief er.
Valion öffnete das linke Auge, änderte jedoch nicht seine Sitzposition. "Unterwegs. Hat sich der Vorhut angeschlossen. Was gibt es?"
"Nun, Herr, jemand ist durch die Pfade gekommen," antwortete der Mann, der offenbar nicht recht wusste, wie er mit der Situation umgehen sollten. "Es handelt sich um einen der Rohirrim."
"Dann bring' ihn her und wir werden sehen, was er zu sagen hat," meinte Valion und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Beide Augen waren nun offen damit er sehen konnte, wen man zu ihm bringen würde. Begleitet von zwei weiteren Soldaten trat schließlich ein Mann in rohirrischer Rüstung vor ihn. Valion schätze ihn auf ungefähr dreißig Jahre.
"Cynewulf, Cynegars Sohn ist mein Name," stellte der Neuankömmling sich vor.
"Ich bin Valion, Herr von Belegarth und vom Ethir. Was bringt dich in mein Kriegslager, Cynewulf aus Rohan?"
"Nun, ich hatte nicht erwartet, die Armee Gondors hier vorzufinden," antwortete Cynewulf. "Ich bin auf der Suche nach meinem Bruder, den ich irgendwo in Gondor vermute."
Valion lächelte schief. "Gondor habt Ihr erreicht, Cynewulf. Aber das Reich ist groß. Und wie ihr vielleicht gehört habt, liegen wir im Krieg mit den Orks von Mordor."
"In Dunharg sprachen einige Leute davon, dass ein Angriff auf die Pfade bevorstünde," meinte Cynewulf.
"Die Orks werden jeden Moment hier sein," erklärte Valion. "Ich fürchte, wenn Ihr ihnen aus dem Weg gehen wollt, müsst Ihr für den Augenblick umkehren - das Tal von Erech ist jetzt ein Kriegsgebiet."
"Ich werde nicht umkehren. Das würde mich zu viel Zeit kosten. Doch die Orks sind die Feinde aller Menschen, und wir sind Verbündete im Krieg gegen Mordor. Wenn Ihr erlaubt, Valion vom Ethir, werde ich mich Eurer Streitmacht anschließen."
"Hm," machte Valion. "Ich werde keine Freiwilligen ablehnen, aber Ihr werdet Euch dem Befehl der gondorischen Kommandaten unterordnen müssen."
"Natürlich," bestätigte Cynewulf.
"Ich sehe, dass Ihr einen Bogen mit Euch führt. Ihr könntet bei den Fernkämpfern oberhalb des Eingangs zu den Pfaden der Toten Stellung beziehen. Ich werde den dortigen Offizier Bescheid geben."
"Nun, eigentlich kämpfe ich lieber vom Rücken meines Pferdes aus," wandte Cynewulf ein.
"Die Reiterei wird in Reserve gehalten, und das Gelände ist sowieso nicht allzu gut für einen berittenen Angriff geeignet," erwiderte Valion. Zwar glaubte er nicht, dass es sich bei Cynewulf um einen Spion Mordors handeln könnte, aber er hatte beschlossen, trozdem vorsichtig zu sein und einem Fremden nicht alle Einzelheiten des Schlachtplans Hilgorns zu verraten. "Ihr könnt Euch auch den Rittern anschließen, die während der Schlacht abwarten und auf ihren Einsatz warten werden."
"In diesem Fall werde ich bei den Bogenschützen Position beziehen."
"Gut. Gebt dem Elb Ladion, der den Befehl am Posten oberhalb der Pfade führt, Bescheid, dass sich seine Kompanie um einen Mann vergrößert hat, und zeigt unserem neuen Freund den Weg," befahl Valion einem der Soldaten, die Cynewulf zu ihm gebracht hatten.

Wenige Minuten später wurde Valions Ruhepause erneut gestört. Es war einer der letzten Kundschafter, die er ausgeschickt hatte. "Herr, die Orks sind gesichtet worden. Der General tritt ihnen mit der Vorhut entgegen."
"Also geht es endlich los," erwiderte Valion und sprang auf. "Versetzt alle in Alarmbereitschaft."
Während sich die Soldaten im Lager am Eingang des Passes kampfbereit machten griff Valion seine Schwerter und stellte sich zwischen die vordersten Barrikaden, die den Weg zum Eingang der Pfade versperrten. Direkt neben ihm hatte man die Banner Gondors und Dol Amroths aufgepflanzt. Die Schlacht zog herauf.

Eandril:
Hilgorn hatte seinen Teil des Heeres ein Stück vor dem Eingang der Pfade Aufstellung nehmen lassen. Die Berge am oberen Ende des Morthond-Tales waren hoch und steil, und um die Pfade anzugreifen würde das Heer von Mordor den Schutz des Gebirges verlassen und ein wenig östlich von ihrer Stellung in das Tal hinunterkommen müssen. Das Hauptheer Gondors stand ein wenig östlich vom eigentlichen Eingang der Pfade, von der Flanke der Berge im Norden bis zu dem steilen Hügel, auf dem der schwarze, geheimnisvolle Stein von Erech aufragte im Süden. Sowohl auf den Berghängen als auch auf dem Hügel hatte Hilgorn seine Bogenschützen Aufstellung nehmen lassen, sodass sie Mordor von beiden Seiten unter Beschuss nehmen konnten. Hilgorn selbst stand mit der Vorhut  noch ein Stück weiter östlich. Hier war der Weg nach Süden nicht versperrt, denn die auslaufenden Hänge des Hügels von Erech waren hier flacher und leicht zu besteigen. Zwar kannten sich Mordors Befehlshaber in dieser Gegend wahrscheinlich nicht allzu gut aus, doch Hilgorn war mit der Vorhut so weit vorgerückt um zu verhindern, dass die Orks hier auf den Hügel marschierten, seinen Bogenschützen in den Rücken fielen und sie von Duinhir und seinen Männern abschnitten.
Sie mussten etwas mehr als eine halbe Stunde warten, bevor die ersten schwarzen Gestalten zwischen den Hügeln vor ihnen auftauchten. Hilgorn legte eine Hand auf den Schwertgriff, atmete verstohlen tief durch, und zählte. Es waren nicht viele Orks, die ihnen entgegen zogen, höchstens so viele wie sie selbst zählten. "Die Vorhut", stellte Balvorn fest. "Greifen wir sie an?" Hilgorn zögerte. Die Hügel des oberen Morthond-Tales konnten alles mögliche verbergen, doch die Vorhut des Feindes mit einem raschen unerwarteten Angriff zu vernichten würde ihnen einen Vorteil verschaffen. Und außerdem, Mordor rechnete sicher nicht mit so entschlossenem Widerstand direkt an den Pfaden, denn normalerweise wurden diese nur von wenigen Männern in Duinhirs Diensten bewacht.
"Ja", erwiderte er schließlich. "Wir greifen sie an. Aber schickt einen Boten zurück, das Hauptheer soll stehen bleiben. Wir werden die Vorhut vernichten und dann zurückkehren bevor das feindliche Heer eintrifft." Balvorn führte seinen Befehl sofort aus, und nur wenige Augenblicke marschierte Hilgorn den Orks an der Spitze seiner Männer entgegen.
Er wandte den Blick nicht von den Kreaturen Mordors, die er immer besser erkennen konnte je näher sie sich kamen. Sie ekelten ihn an, in ihrer ganzen verunstalteten Gestalt, und er spürte noch immer tiefes, kaltes Entsetzen bei ihrem Anblick. Hilgorn packte sein Schwert fester, und biss die Zähne zusammen. Faniel, dachte er. Wenn ich heute falle... weine nicht um mich. Kümmere dich um deine Kinder, sorg dafür dass sie glücklich sind. Und heirate Aldar, er ist ein besserer Mann als Imradon - wahrscheinlich auch ein besserer Mann als ich. Er wird dich beschützen.

Die Männer Gondors und die Orks prallten in einem Wirbel aus Stahl aufeinander, und Hilgorn hatte keine Zeit mehr zu denken. Er parierte den ungelenken Hieb eines Orks mit der Schwertklinge, stieß sich von dem hässlich gezackten Schwert seines Gegners ab und rammte ihm seine eigene Waffe tief in die Brust. Aus der Nähe waren die Orks so furchtbar wie er sie in Erinnerung hatte, und eine Stimme tief in seinem Inneren schrie ihn an die Waffe fallen zu lassen und zu fliehen. Doch seine anderen Instinkte übernahmen die Kontrolle, und er kämpfte und tötete wie im Traum.
So fiel Hilgorn zuerst gar nicht auf, dass der Strom der Gegner nicht nachließ, und dass er sich nicht länger vorwärts bewegte, bis Balvorn ihn an der Schulter packte und über den Lärm der Schlacht rief: "Das Hauptheer von Mordor ist eingetroffen! Was befehlt ihr?"
Erneut spürte Hilgorn, wie sich eine lähmende Angst um sein Herz klammerte. Doch diese war nicht die tiefe, irrationale Furcht vor den Orks, diese war viel realer und konkreter. Er hatte einen Fehler begangen, denn er hatte geglaubt, die Hauptmacht Mordors müsste noch ein gutes Stück entfernt sein. Er war ein unnötiges Risiko eingegangen, und er und seine Männer würden nun den Preis dafür bezahlen.
"Wir müssen..." begann er mit trockenem Mund, und räusperte sich. Seine Hand umklammerte den Schwertgriff so fest, dass sie schmerzte. "Rückzug. Wir ziehen uns zurück!" Den letzten Teil rief er, und warf dabei einen Blick über die Schulter nach Westen. Der Rest des Heeres hatte seine Stellungen nicht verlassen, obwohl ihnen die bedrohliche Lage der Vorhut sicherlich aufgefallen war. Obwohl ein Teil von ihm sich danach sehnte, dass sie ihnen zur Hilfe kommen würden hoffte er, dass Valion bedacht genug war, genau das nicht zu tun. Denn wenn das Hauptheer jetzt vorrückte, konnte sein Fehler den gesamten Schlachtplan in Gefahr gebracht haben - die Bogenschützen auf den Hängen würden ein schlechteres Schussfeld haben, und Duinhir würde den Orks nicht so leicht in den Rücken fallen und zwischen Hügel und Bergen einkessseln können.

Schritt um Schritt wichen die Männer der Vorhut zurück, kämpften und starben. Hilgorn war bislang unverletzt geblieben, was nicht nur seinem Kampfgeschick, sondern ebenso seiner ausgezeichneten Rüstung und der Tatsache, dass seine Männer ihn so gut wie möglich schützten, zu verdanken war. Sie kamen nur quälend langsam voran, und bezahlten jeden Schritt rückwärts mit Blut. Doch Hilgorn war dankbar dafür, dass seine Männer ihre Ordnung beibehielten, denn ein langsamer geordneter Rückzug war besser als eine wilde Flucht. Wenn sie jetzt einfach flohen, würden sie nicht nur einen noch weitaus höheren Blutzoll bezahlen und von hinten niedergemacht werden, ein solcher Anblick wäre für die Moral des Heeres noch weitaus schlimmer als ein kontrollierter Rückzug.
Ein weiterer Ork mit einer schweren Axt fiel Hilgorns Klinge zum Opfer, doch im gleich Augenblick ging der Schwanenritter, der seine rechte Seite gedeckt hatte, unter den Waffen zweier Gegner zu Boden. Plötzlich wurde Hilgorn von zwei Seiten angegriffen, und das war zuviel. Ein mächtiger Hieb traf ihn in die rechte Seite, und auch wenn seine Rüstung verhinderte dass sie Klinge ihn verletzte, blieb ihm für einen Moment die Luft weg, und er wurde zu Boden in das blutige, niedergetrampelte Gras geworfen.
Das erste, was er bemerkte als sein Bewusstsein vollständig zurückgekehrt war, war ein Druck auf der rechten Seite, der das Atmen erschwerte und schmerzhaft auf seine mindestens geprellten Rippen drückte. Als Hilgorn die Augen aufschlug, tanzten für einen kurzen Augenblick kleine Sterne vor seinen Augen. Als sein Blickfeld sich klärte, sah er über sich das ausdruckslose Gesicht seines Vaters schweben. Er blinzelte verwirrt, und das Gesicht verwandelte sich in das Imradons. Sein Bruder stand leicht breitbeinig über ihm, das funkelnde Schwert in der Hand, und als er Hilgorns geöffnete Augen sah, verzog sein Gesicht sich zu einem höhnischen Grinsen.
"Du bist also nicht tot. Gut", sagte Imradon im Plauderton, und obwohl um sie herum noch immer der Kampf tobte, verstand Hilgorn jedes einzelne Wort. "Ich würde dich nämlich gerne selbst töten, nachdem du mir mein Land, meine Kinder und meine Frau gestohlen hast."
"Warum, Imradon?", stieß Hilgorn hervor, und tastete mit der Hand das blutige Gras nach seinem Schwert ab. "Warum hast du..."
"Ich muss mir wiederholen, was du mir gestohlen hast", gab Imradon zurück, und das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht. "Und nach dem was du getan hast, ist das der einzige Weg." Hilgorn hatte inzwischen die Suche nach seinem Schwert aufgegeben, riss mit einem Ruck den Dolch vom Gürtel und stieß damit blind nach Imradons Beinen. Die Klinge prallte von den Beinschiene seiner Rüstung ab, und Imradon trat Hilgorn den Dolch mit einer flinken Bewegung aus der Hand.
"Ich hatte mehr erwartet", zischte er, und während seine Augen hasserfüllt leuchteten, hob er das Schwert hoch über den Kopf, die Spitze auf Hilgorns Kopf gerichtet. Hilgorn schloss die Augen, und dachte an Faniel.

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