Valion, Ardóneth, Rinheryn, Damrod, Thandor, Glóradan und Areneth vom AnduinIn einer kleinen Bucht, die von einem breiten Sandstrand geprägt wurde, kamen die drei Boote der Waldläufer schließlich zum Halt. Die Insassen hatten sich inzwischen darauf geeinigt, im Hafen von Tolfalas nach einem Schiff zu suchen, das sie nach Dol Amroth oder Linhir bringen würde. Rasch begannen die Waldläufer, die wenigen Habseligkeiten auszuladen, die sie bei ihrer Flucht aus Ithilien hatten retten können und wateten durch das flache Wasser ans Ufer.
Valion nutzte die Gelegenheit, um mit Ardóneth über das zu sprechen, was er während der Fahrt auf dem Anduin erfahren hatte. Der Dúnadan zeigte sich erfreut darüber, dass Valion ihm eine Spur zu Haus Glórin anbot.
"Das sind gute Neuigkeiten," sagte er. "Wenn es noch Nachfahren Glórins in Gondor gibt, wissen sie bestimmt etwas über den fehlenden Schlüssel. Von einem Ort namens Túm-en-Dín habe ich jedoch selbst während meines Lebens in Gondor noch nie gehört."
"Ich kannte es bis vor Kurzem auch nicht," erwiderte Valion. "Es ist ein Tal von Hinterwäldlern, nach allem was man so hört. Liegt in den Emyn-en-Ernil, dem Gebirge im Zentrum von Belfalas. Ich schlage vor, wir sprechen in Dol Amroth mit Hilgorn, dem General der Streitkräfte des Schwanenfürsten. Er stammt von dort."
"Ein guter Ansatz," befand Ardóneth. "Dann sollten wir uns jetzt um die Überfahrt kümmern."
"Das könnte sich als schwieriger als erwartet erweisen," sagte Damrod missgelaunt. Der Anführer der Partisanen war hinzu getreten, während Valion sich mit Ardóneth unterhalten hatte. "Der Haupthafen der Insel liegt im Südosten von Tolfalas, nahe Kap Arastar. Weil die Insel so unwegsam ist und es kaum Straßen gibt, werden wir zwei Tage dorthin brauchen und müssen dabei darauf Acht geben, dass dein wertvoller Gefangener nicht entkommt, Valion."
Valion warf einen raschen Blick zu Gilvorn hinüber, den man kurzerhand an einen Baum am Strand gefesselt hatte. Während ihrer Fahrt den Anduin hinab hatte der Verräter zwei Fluchtversuche unternommen und war nur dank der Wachsamkeit der Waldläufer noch immer in ihrem Gewahrsam. Bei einem harten Marsch durch schwieriges Gelände würden sich vermutlich viele weitere Gelegenheiten für eine erfolgreiche Flucht ergeben, das war Valion klar.
"Uns bleibt keine Wahl," befand er. "Wir müssen..."
"Segel in Sicht!" unterbrach ihn der Ruf eines der Wachtposten. Einer der Waldläufer Damrods, der junge Glóradan, hatte auf einem der nahen Hügel Posten bezogen und deutete nun aufgeregt nach Westen. Die Sonne stand hoch am Himmel und schien auf ein großes Schiff hinab, das sich seinen Weg in die Bucht bahnte. Es war aus hellem Holz gebaut und besaß drei große Masten, die mit hellblauen Segeln versehen waren. Zweifelsfrei stammte es aus Dol Amroth.
"Ganz schön groß," befand Rinheryn. "Was will ein Kriegsschiff wie dieses eines ist denn hier?"
"Wir werden es gleich erfahren," brummte Damrod. "Sie lassen Boote zu Wasser."
Und tatsächlich näherte sich ihnen ein Beiboot, das mit Soldaten gefüllt war. Einer der Männer trug das Banner von Dol Amroth mit sich und hielt es stolz in die Höhe. Wenige Minuten später hatten die Neuankömmlinge den Strand ereicht und sprangen in das flache Wasser der Bucht.
Valion riss überrascht die Augen auf, als er sah, wie die Soldaten ihre Schwerter zogen und mit drohenden Haltungen auf die Gruppe der Waldläufer zukamen. Er legte die Hand auf den Griff eines seiner Schwerter und trat den Soldaten entgegen, dicht gefolgt von Dol Amroth.
"Heda! Warum so bedrohlich, Söhne Gondors? Wir sind nicht eure Feinde," sagte er laut, als die Soldaten herangekommen waren.
"Was habt ihr hier zu suchen? Dieses Land steht unter dem Schutz der Flotte von Dol Amroth," antwortete man ihm. "Die Fürstin von Tolfalas duldet keine Korsaren oder Landstreicher, die ungefragt ihr Gebiet betreten."
"Dann sag deiner lieben Fürstin, dass sie sich bei ihrem Volk nur wenig beliebt macht, wenn sie jeden frei herumlaufenden Menschen mit gezogener Waffe nach seinen Absichten fragen lässt," hielt Valion dagegen. "Ich bin Valion vom Ethir, ein Lehnsfürst von Gondor. Und jetzt steckt die Waffen weg."
Noch einen Moment zweifelten die Soldaten, doch dann erkannte einer von ihnen Rinheryn, und ein weiterer bezeugte, dass Valion tatsächlich derjenige war, der er zu sein vorgab. Entschuldigungen wurden gemurmelt und einer der Krieger sagte: "Ihr müsst das verstehen, Herr. Wegen dem Krieg in Harad kommen viele der Haradrim nach Gondor, um den Kämpfen zu entgehen. Doch nicht alle von ihnen haben gute Absichten. Wir werden auf Anordnung der Fürstin nicht zulassen, dass sich Korsaren bei uns einnisten."
"Und deshalb fahrt ihr mit eurem Kriegsschiff die Strände ab?" vermutete Rinheryn.
"Es war die Idee der Fürstin. Sie selbst führt uns an. Sie wartet an Bord der
Rache auf unseren Bericht."
"Dann sollten wir mit ihr sprechen," schlug Damrod vor.
"Oh, das werden wir," sagte Valion.
Es dauerte nicht lange bis alle Waldläufer an Bord der
Rache von Edhellond gebracht worden waren. Und dort erwartete Valion eine Überraschung.
"Lothíriel?" entfuhr es ihm.
"Die Fürstin von Tolfalas," korrigierte ihn einer der Soldaten."
"Wann ist das denn passiert?" wollte Rinheryn neugierig wissen.
Valion erinnerte sich dunkel daran, während seines Aufenthalts in Dol Amroth irgendwann am Rande mitbekommen zu haben, dass man Lothíriel im Rahmen der Bündnisverhandlungen mit Qúsay von Harad zur Fürstin von Tolfalas ernannt hatte. Doch dass sie ihr Amt nun tatsächlich angetreten hatte, war ihm neu.
"Sieh an, Valion. So sieht man sich wieder. Du hast eine wunderschöne Hochzeit verpasst," sagte Lothíriel, die ein rotes Kleid trug, in das ein Kettenhemd eingearbeitet war. An ihrem Gürtel hin ein Schwert und ihr Umhang war rot und weiß - die Farben von Tolfalas. "Ich bin mir sicher, Hilgorn und Faniel waren nicht allzu traurig über deine Abwesenheit."
Valion winkte ab. "Ich kann ihm bestimmt später noch gratulieren. Lothíriel - wir müssen dringend nach Dol Amroth."
"Wieso das? Erst möchte ich wissen, was du hier machst, und wer all diese Leute sind."
"Also gut," seufzte Valion und stellte zunächst Damrod als den Anführer der Waldläufer Ithiliens vor. Lothíriel machte ein bestürztes Gesicht als sie vom Fall Bâr Húrins hörte und legte Damrod mitfühlend eine Hand auf die Schulter. Dann fasste Valion ihr in wenigen Sätzen zusammen, was seit seiner Ankunft in Minas Tirith geschehen war und welche Rolle Ardóneth und dessen Schwester dabei gespielt hatten.
Lothíriel nickte wissend, dann schaute sie Rinheryn an und legte den Kopf leicht schief. "Von dir habe ich schon einige Jahre nichts mehr gehört, Rinya," sagte die Prinzessin und lächelte. Doch zu Valions Überraschung erwiderte Duinhirs Tochter die Zuwendung nicht. Stattdessen senkte sie nur leicht das Haupt, ehe sie sich wieder abwandte und unter Deck verschwand.
"Was hatte das denn zu bedeuten?" fragte Valion.
"Später," wiegelte Lothíriel ihn ab. "Es gibt da noch eine wichtige Angelegenheit, die wir klären müssen, ehe wir nach Dol Amroth aufbrechen. Valion... Im Namen meines Vaters, Fürst und Statthalter Imrahil von Dol Amroth... bist du hiermit verhaftet. Nehmt ihm die Waffen ab und sperrt ihn in die Brigg."
Valion, Ardóneth, Lothíriel, Damrod, Rinheryn, Thandor, Glóradan und Areneth zur Bucht von Belfalas